Stenographisches Protokoll

25. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 16. Mai 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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25. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 16. Mai 2000

Dauer der Sitzung

Dienstag, 16. Mai 2000: 9.00 – 19.47 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen

Beratungsgruppe X: Verkehr, Innovation und Technologie

Beratungsgruppe V: Justiz

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 9

Ordnungsruf 140

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 462/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 10

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 91

Redner:

Dieter Brosz 91

Bundesministerin Dr. Elisabeth Sickl 93

Gabriele Heinisch-Hosek 94

Mag. Rüdiger Schender 95

Werner Amon 96

Karl Öllinger 98

Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen, die Anfragebeantwortung 462/AB zu 407/J gemäß § 92 Abs. 3 nicht zur Kenntnis zu nehmen – Annahme 99, 99

Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 127/A der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem


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das Strafgesetzbuch geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 1. Juli 2000 zu setzen 10

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 10

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 100

Dr. Harald Ofner 102

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 102

Mag. Terezija Stoisits 103

Mag. Andrea Kuntzl 104

Annahme des Fristsetzungsantrages 106

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 10

Unterbrechungen der Sitzung 91, 104

Verlangen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka gemäß § 66 Abs. 3, bei der Abstimmung über den Antrag auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 462/AB die Zahl der "für" und "gegen" Stimmenden bekannt zu geben 99

Vertagungsbeschluss 151

Ausschüsse

Zuweisungen 9

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 d. B.) 10

Beratungsgruppe X: Kapitel 65: Verkehr, Innovation und Technologie (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 11

Redner:

Rudolf Parnigoni 11

Mag. Reinhard Firlinger 14

Dr. Gabriela Moser (tatsächliche Berichtigung) 16

Rudolf Parnigoni (tatsächliche Berichtigungen) 16, 22, 54

Dr. Evelin Lichtenberger 17

Mag. Helmut Kukacka 19, 83

Kurt Eder 22

Bundesminister Dipl.-Ing. Michael Schmid 24, 28, 72, 80

Dr. Günther Kräuter (tatsächliche Berichtigungen) 28, 43

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 29

Dr. Gabriela Moser 31, 82

Matthias Ellmauer 33

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 35

Josef Edler 36

Anton Wattaul 37

Dr. Evelin Lichtenberger (tatsächliche Berichtigung) 39

Dr. Kurt Grünewald 39


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Ernst Fink 41

Gabriele Binder 43

lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher 45

Helmut Dietachmayr 47

Mag. Karin Hakl 48

Gerhard Reheis 50

Helmut Haigermoser 52

Emmerich Schwemlein (tatsächliche Berichtigung) 54

Gabriele Heinisch-Hosek 54

Johann Kurzbauer 56

Mag. Brunhilde Plank 57

Ilse Burket 59

Dr. Robert Rada 61

Johannes Zweytick 62

Emmerich Schwemlein 64

Ing. Wilhelm Weinmeier 66

Anton Heinzl 68

Mag. Martina Pecher 69

Dr. Günther Kräuter 71

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) 73

Dr. Martin Graf 74

Friedrich Verzetnitsch 75

Reinhart Gaugg 77

Heinz Gradwohl 78

Mag. Ulrike Lunacek (tatsächliche Berichtigung) 80

Ing. Kurt Gartlehner 81

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen betreffend Erhaltung der Nebenbahnen – Ablehnung 55, 84

Annahme der Beratungsgruppe X 84

Beratungsgruppe V: Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 84

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 84, 144

Dr. Harald Ofner 87, 147

Dr. Alexander Van der Bellen 90

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 106, 149

Otto Pendl 108

Dr. Michael Krüger 109

Mag. Terezija Stoisits 111

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 114, 121

Mag. Walter Tancsits 117

Mag. Gisela Wurm 119

Mag. Eduard Mainoni 121


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MMag. Dr. Madeleine Petrovic 123, 146

Ridi Steibl 126

Mag. Johann Maier 128

Dr. Sylvia Papházy MB


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A 130

Dr. Gabriela Moser 132

Hermann Gahr 134

Anna Huber 135

Edith Haller 137

Anton Heinzl 138

Karl Öllinger 140

Dr. Helene Partik-Pablé 142

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (tatsächliche Berichtigung) 148

Dr. Peter Kostelka 148

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer gemäß Artikel 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung 113, 150

Annahme der Beratungsgruppe V 150

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 9

66: Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Erdgaswirtschaft erlassen werden (Gaswirtschaftsgesetz – GWG), das Bundesgesetz betreffend den stufenweisen Übergang zu der im Gaswirtschaftsgesetz vorgesehenen Marktorganisation erlassen wird und das Preisgesetz 1992, die Gewerbeordnung 1994, das Rohrleitungsgesetz, das Reichshaftpflichtgesetz sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz geändert werden

92: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung geändert werden

93: Exekutionsordnungs-Novelle 2000 – EO-Nov. 2000

99: Zugangskontrollgesetz – ZuKG

104: Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries Initiative – Initiative zur Schuldenreduktion für die ärmsten Entwicklungsländer) im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF)

105: Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Anteilen im Rahmen der allgemeinen Kapitalerhöhung der Inter-Amerikanischen Investitionsgesellschaft (IIC)

Bericht 10

III-42: Bericht über die Tätigkeit des Unabhängigen Bundesasylsenats in den Jahren 1998 und 1999; Bundeskanzler

Anträge der Abgeordneten

Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend bildungspolitische Maßnahmen (160/A) (E)

Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend Informationstechnologie – Offensive an Schulen (161/A) (E)

Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird (162/A)

Mag. Walter Posch und Genossen betreffend Wiederaufbauhilfe in den türkischen Bürgerkriegsgebieten (163/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (164/A)

Anfragen der Abgeordneten

Marianne Hagenhofer und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen (BMsSG) betreffend Geschützte Werkstätten (789/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Bestellung von Regierungsbeauftragten (790/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Inge Jäger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Entschuldung armer, hochverschuldeter Entwicklungsländer (791/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend noch ein furchtbarer Gutachter (792/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Müllverbrennung im Dampfkraftwerk St. Andrä/Ktn. (793/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Dampfkraftwerk St. Andrä/Ktn. (794/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Beifügungen zu Trinkwasser (795/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes Deutschlandsberg (796/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes Leibnitz (797/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Personalabbau bei der Post (798/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Hormonbelastung von Babywindeln (799/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Hormonbelastung von Babywindeln (800/J)

*****

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Durchführung der Entschließung "Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen" aus der IX. GP, 463 d. B., und betreffend Schreiben des Bundeskanzleramtes (BKA) aus dem Jahre 1991 (6/JPR)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Ing. Kurt Gartlehner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend späte Auszahlung von Nebengebühren für die Beamten der Gendarmerie (768/J) (Zu 768/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Rainer Wimmer und Genossen (477/AB zu 469/J)


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des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (478/AB zu 489/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (479/AB zu 493/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (480/AB zu 503/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (481/AB zu 471/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (482/AB zu 478/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (483/AB zu 479/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (484/AB zu 504/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (485/AB zu 510/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Robert Rada und Genossen (486/AB zu 567/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Sylvia Papházy MBA und Genossen (487/AB zu 468/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (488/AB zu 477/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (489/AB zu 481/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (490/AB zu 494/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (491/AB zu 507/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (492/AB zu 502/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (493/AB zu 517/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (494/AB zu 518/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (495/AB zu 546/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (496/AB zu 709/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (497/AB zu 465/J)


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der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Leiner und Genossen (498/AB zu 544/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (499/AB zu 508/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (500/AB zu 562/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (501/AB zu 462/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (502/AB zu 464/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (503/AB zu 497/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (504/AB zu 490/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (505/AB zu 498/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (506/AB zu 499/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (507/AB zu 500/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (508/AB zu 505/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (509/AB zu 506/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (510/AB zu 509/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (511/AB zu 472/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (512/AB zu 473/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen (513/AB zu 474/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen (514/AB zu 511/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen (515/AB zu 512/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen (516/AB zu 513/J)


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des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (517/AB zu 461/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (518/AB zu 486/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (519/AB zu 492/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (520/AB zu 495/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (521/AB zu 496/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (522/AB zu 483/J)

 

 


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Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze einzunehmen, und eröffne zur anberaumten Zeit, nämlich am 16. Mai, 9 Uhr, die 25. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 23. Sitzung vom 11. Mai und der 24. Sitzung vom 12. Mai sind ordnungsgemäß zur Einsicht aufgelegen und ohne Einspruch geblieben. Sie gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ing. Gerhard Bauer, Ortlieb und Schieder.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung im Sinne des § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: Zurückziehung: 768/J.

2. Anfragebeantwortungen: 477/AB bis 522/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Erdgaswirtschaft erlassen werden (Gaswirtschaftsgesetz – GWG), das Bundesgesetz betreffend den stufenweisen Übergang zu der im Gaswirtschaftsgesetz vorgesehenen Marktorganisation erlassen wird und das Preisgesetz 1992, die Gewerbeordnung 1994, das Rohrleitungsgesetz, das Reichshaftpflichtgesetz sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz geändert werden (66 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung geändert werden (92 der Beilagen),

Exekutionsordnungs-Novelle 2000 – EO-Nov. 2000 (93 der Beilagen),

Zugangskontrollgesetz – ZuKG (99 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries Initiative – Initiative zur Schuldenreduktion für die ärmsten Entwicklungsländer) im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) (104 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Anteilen im Rahmen der allgemeinen Kapitalerhöhung der Inter-Amerikanischen Investitionsgesellschaft (IIC) (105 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Antrag 158/A der Abgeordneten Dr. Kurt Heindl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird;


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Gesundheitsausschuss:

Antrag 159/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger, Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend Darlehen für MTD-Ausbildung – verbesserte Arbeitsmöglichkeiten;

Justizausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch geändert wird (83 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verfassungsausschuss:

Bericht über die Tätigkeit des Unabhängigen Bundesasylsenats in den Jahren 1998 und 1999, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-42 der Beilagen).

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 462/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass mir das auf § 92 der Geschäftsordnung gestützte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 462/AB zur Anfrage 407/J der Abgeordneten Brosz und Genossen betreffend "Initiative Qualität" durch die Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen durchzuführen.

Diese Kurzdebatte findet, da ich annehme, dass die Sitzung vor 15 Uhr noch nicht beendet sein wird, um 15 Uhr statt.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich bekannt geben, dass Herr Abgeordneter Dr. Jarolim beantragt hat, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 127/A der Abgeordneten Mag. Posch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, eine Frist bis zum 1. Juli 2000 zu setzen.

Es ist in diesem Zusammenhang von fünf Abgeordneten das Verlangen gestellt worden, zu diesem Fristsetzungsantrag eine Debatte durchzuführen. Diesem Verlangen ist stattzugeben. Die Kurzdebatte über den Fristsetzungsantrag wird im Anschluss an die Kurzdebatte über die Anfragebesprechung stattfinden.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten in der Weise erzielt, dass eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" vorgeschlagen wird. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten, Grüne 104 Minuten.

Die Regelungen betreffend die Einrechnung der Redezeit der Regierungsmitglieder entspricht genau jener, die wir in der letzten und vorletzten Sitzung einvernehmlich festgelegt haben.


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Das gilt auch für die Redezeit der Staatssekretäre, die, falls 10 Minuten überschritten werden, auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet wird.

Darüber hat der Nationalrat zu befinden.

Ich frage daher: Gibt es dagegen Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Damit ist dieser Vorschlag einvernehmlich angenommen.

Beratungsgruppe X

Kapitel 65: Verkehr, Innovation und Technologie (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Verhandlung über die Beratungsgruppe X.

Wünscht der Berichterstatter, die Debatte einzuleiten? – Dies ist nicht der Fall.

Wir treten daher in die eigentliche Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Parnigoni –: Sind Sie noch Sprecher?)

9.05

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Volkspartei! Auf dem Sektor der Verkehrspolitik ist Ihnen ja in den 100 Tagen sehr viel gelungen: Sie haben in Rekordzeit einen konsequenten und umfassenden Bruch mit der bisherigen erfolgreichen, sozial und ökologisch orientierten österreichischen Verkehrspolitik herbeigeführt! (Abg. Mag. Schweitzer: Wie begründest du das? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist Ihnen auch gelungen, die Gruppe der Autofahrer entgegen Ihren treuherzigen Beteuerungen nachhaltig zu schröpfen (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner ): Erhöhung der Kfz-Zulassungsgebühren, der Vignettenpreise, der motorbezogenen Versicherungssteuer – zwischen 2 000 S und 3 000 S mehr muss der Autofahrer nun jährlich "blechen". (Abg. Dr. Ofner: Damit wir eure Schulden zahlen können, Parnigoni!)

Für die Freiheitlichen sind die Vignetten-Pläne absolut absurd, sagte im Juli 1999 mein Kollege Firlinger von der Freiheitlichen Partei. – Heute, meine Damen und Herren, wird der Preis der Mautvignette für den PKW von 550 S auf 1 000 S erhöht, und zwar unter der Mittäterschaft dieses Herrn Firlinger! (Abg. Dr. Ofner: Damit wir eure Schulden zahlen können!)

Die Klubführung unter Herrn Westenthaler hat im November 1998 angekündigt (Abg. Ing. Westenthaler: Sind Sie noch Verkehrssprecher?): Sollten die massiven Belastungspläne der Regierung durchgezogen werden, wird die FPÖ den Widerstand der erbosten und empörten Autofahrer organisieren. – Von Widerstand kann ich nichts verspüren! Aber jene, die zum Widerstand gegen diese Regierung aufrufen, wollen Sie, meine Damen und Herren, in Erinnerung an längst vergangene Zeiten bestrafen; und da machen Sie nicht einmal vor dem Bundespräsidenten halt! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Verkehrssprecher der Österreichischen Volkspartei Kukacka hat am 30. November des Vorjahres erklärt: Die Erhöhung der Zulassungsgebühr ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich für die Privatisierung eingesetzt haben. – Na, Helmut Kukacka, da müssen Ihnen die Wangen aber noch anständig brennen, denn Sie und Kollege Firlinger haben erklärt, Sie werden einen Antrag einbringen, um diese Erhöhung auf jeden Fall zu verhindern – bis heute habe ich keinen vorgefunden. Aber ich gebe Ihnen eine Chance: Ich habe einen solchen Antrag eingebracht, und Sie können jetzt Ihr Wahlversprechen einhalten, Sie können dem Antrag der SPÖ zustimmen, damit Sie Ihr Gesicht nicht verlieren, Herr Kukacka und Herr Firlinger. (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Freiheitliche Volkspartei hat ohne jede ökologische Einsicht auch die motorbezogene Versicherungssteuer um 51 Prozent erhöht. Für ein Mittelklasseauto bedeutet das eine Erhöhung um 1 300 S jährlich. (Abg. Dr. Martin Graf: Das trifft Sie eh nicht, denn Sie haben ja eines der Spitzenklasse!) Sie, meine Damen und Herren, haben den Titel "Schutzmacht der Autofahrer" wirklich verloren und haben als "Schutzmacht der Autofahrer" wirklich ausgedient. (Abg. Dr. Pumberger: Benzinpreiserhöhung ist sozial ausgewogen?! – Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Volkspartei! Die Regierung hat die Autofahrer geschröpft, das ist das eine, aber man könnte auch annehmen, dass Sie mit diesen Maßnahmen die Autofahrer, im Wesentlichen Pendler, vielleicht dazu bringen wollen, verstärkt öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen. Das ist wahrscheinlich Ihre Absicht gewesen.

Aber es folgt ja schon der nächste Schlag der blau-schwarzen Regierung in das Gesicht der Pendler: Durch die Kürzungen der Budgetansätze für das Jahr 2000 haben Sie das zuletzt wirklich mühsam zustande gebrachte Nahverkehrsfinanzierungsgesetz torpediert. Sie haben die Mittel für die Verkehrsverbünde um 100 Millionen Schilling gekürzt. Sie verweigern trotz gesetzlicher Verpflichtung die zusätzlichen Fördermillionen für die Länder und Gemeinden, damit diese ein wesentlich verbessertes, attraktiveres und umfangreicheres Verkehrskonzept im öffentlichen Bereich anbieten können.

Herr Kollege Kukacka! Ich möchte mich an Sie wenden, denn wir haben schlussendlich zwei Jahre lang gemeinsam um dieses Nahverkehrsfinanzierungsgesetz gekämpft – das möchte ich offen und anerkennend sagen, Sie haben sich ja massiv eingebracht. Daher bin ich so enttäuscht und verstehe nicht, dass Sie jetzt, ohne mit der Wimper zu zucken, solche Maßnahmen mit beschließen können. Um 315 Millionen Schilling schädigen Sie damit den öffentlichen Nahverkehr, und das wird bei den Verkehrsunternehmern zu massiven Maßnahmen, zu drastischen Tariferhöhungen und zu Einstellungen von Verkehrsmitteln führen.

Die ÖBB haben bereits angekündigt, dass sie ab 1. Juli ihre Preise für Wochen- und Monatskarten um 12,5 Prozent erhöhen werden. Für einen Pendler von Baden nach Wien bedeutet das, dass er um 800 S im Jahr mehr dafür zahlen darf, dass er zur Arbeit kommt.

Das blau-schwarze Pendler-Motto: Entweder als Autofahrer geschröpft oder durch höhere Tarife für unattraktive öffentliche Verkehrsmittel abkassiert. – So gehen Sie mit den Menschen in diesem Land um! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Die ÖBB wollen mit einem Schlag über 30 Bahnlinien einsparen. Das "Streichkonzert" der ÖBB, so stand es im "Standard", wird zur Folge haben, dass die Problematik der täglichen Verkehrsstaus – etwa auf der A 23, auf der A 1 – wirklich eskalieren wird. Die Umwelt- und Lärmbelastung wird sich ins Unerträgliche steigern. Der Wirtschaftsstandort Österreich wird durch diese unzureichenden Infrastruktur-Novellen schwer geschädigt werden.

Eine weitere Fehlentwicklung bahnt sich dabei an: Der erste Streicher Draxler hat am 9. Mai in der "Presse" stolz verkündet, dass die ÖBB im Güterverkehr ein wahres Sensationsergebnis erwarten. – Die ÖBB wollen anscheinend zum Big Player im europäischen Speditionswesen werden. Ich sage Ihnen ganz offen: Die Österreichischen Bundesbahnen haben bei diesen Bemühungen meine volle Unterstützung; das ist gar keine Frage. Aber eines ist auch klar: Das ist nur dann zulässig, wenn der Güterverkehr in ökologisch verträglicher Weise zu einem Gutteil auf die Schiene verlagert wird. Die geplante Streichung von Nebenbahnen ist daher völlig inakzeptabel, denn damit ginge ja der Gleisanschluss für viele Betriebe verloren, was eine weitere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße bedeuten würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute fahren auf der Süd Autobahn schon 18 000 Schwerfahrzeuge täglich und auf der West Autobahn 16 000. Innerhalb von wenigen Jahren erfolgte auf der Süd Autobahn ein Anstieg von 15 000 auf 18 000 LKW.

Herr Bundesminister, Sie verfügen doch über ein Weisungsrecht. Sie können doch die wild gewordenen Manager der ÖBB zurückpfeifen. (Abg. Jung: Wer hat denn diese "wild gewordenen Manager" bestimmt?) Aber was machen Sie? – Ich habe von Ihnen bis jetzt nur gelesen, dass


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25. Sitzung / Seite 13

Sie sich hinter Generaldirektor Draxler verstecken, dass Sie beschwichtigend meinen, dass das nicht Ihre Forderungen seien und dass Sie Draxler ein wenig einbremsen würden. – Ich kann Ihnen versichern, Herr Bundesminister, Sie werden anständige Bremsklötze brauchen, um Draxler einzubremsen. Glauben Sie mir das! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Firlinger: Der Draxler ist kein Freiheitlicher, oder? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie, Herr Bundesminister, haben am 19. April versprochen – ich zitiere den Herrn Bundesminister, meine Herren von der FPÖ –: Ich werde selbstverständlich danach trachten, bei den hinkünftigen Budgetverhandlungen die Erfordernisse des Regional- und Nahverkehrs zu betonen und dessen Optimierung zu ermöglichen. – Das liest sich nur einen Monat später wie blanker Hohn!

Meine Damen und Herren! Wie ein blau-schwarzer Faden zieht sich die Ungleichbehandlung von sozial Schwachen einerseits und großen Wirtschaftsunternehmen andererseits durch Ihre Verkehrspolitik: Sie haben erschwerte Bedingungen für den Nahverkehr geschaffen. Sie sparen 500 Millionen bei der Telefongebührenbefreiung ein. Sie erhöhen die motorbezogene Versicherungssteuer, die Kfz-Steuer. All diese Maßnahmen treffen die privaten Haushalte. Andererseits aber verzichten Sie auf jegliche Steuererhöhung für Kraftfahrzeuge über 3,5 Tonnen. Das ist in Wirklichkeit ein Skandal, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Autofahrerklubs ARBÖ und ÖAMTC sagen, dass dies den Grundsätzen der Steuergerechtigkeit widerspricht, da gerade der LKW-Verkehr die Straßen überproportional beansprucht. Sie alle kennen ja die Studie der Universität Cambridge – ich habe sie schon oftmals gebracht –, die besagt, dass ein einziger 40-Tonnen-LKW die Straßenoberfläche im Laufe seines Einsatzes genauso stark belastet wie etwa 163 000 PKW. Die LKW sind daher hauptverantwortlich für die Herstellungs- und Erhaltungskosten im Straßenverkehr.

Meine Damen und Herren – jetzt spreche ich natürlich im Wesentlichen die ÖVP an! Beim Road-Pricing für den LKW aber haben Sie die ASFINAG um 14 Milliarden Schilling geprellt. (Abg. Ing. Westenthaler: "Geprellt"? Wer hat wen "geprellt"?) Und das ist ja ein Beispiel dafür, welche Bremser-Fähigkeiten die Österreichische Volkspartei entwickelt. – Passen Sie auf, Herr Westenthaler, denn das wird für Sie wichtig: Die ÖVP hat die LKW-Maut seit 1998 verhindert! 14 Milliarden Schilling sind der ASFINAG dadurch durch die Lappen gegangen.

Herr Minister, ich kann Ihnen nur eines empfehlen: Passen Sie auf! Sie sind neu in Ihrem Amt, und Sie werden noch einiges zu erkennen haben. (Abg. Dr. Martin Graf: Aufpassen muss man nur auf den Parnigoni!) Vertrauen Sie auf keinen Fall auf diesen schwarzen Bremsklotz! Werfen Sie diesen schwarzen Bremsklotz von den Schienen. Ich kann Ihnen das nur raten! (Beifall bei der SPÖ.)

Handeln Sie endlich, Herr Minister! Realisieren Sie im Sinne des gerechten Lastenausgleichs dieses Road-Pricing, damit endlich die ausländischen LKW ihren Anteil zahlen, Herr Westenthaler, und das Straßennetz sinnvoll ausgebaut werden kann.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Von der europäischen Kommission wird die umweltbetonte Verkehrspolitik Österreichs als Vorbild für ganz Europa bezeichnet. (Abg. Haigermoser: Wer hat denn den Transitvertrag ausverhandelt, den furchtbaren Transitvertrag? War das ein gewisser Herr Klima?) Der hohe Bahnanteil im Güterverkehr, der Transitvertrag, das Ökopunkte-System, die Abgasregelung, die Initiative Österreichs für ein 3-Liter-Auto, all das sind gute Beispiele, sind Bausteine für eine erfolgreiche Entwicklung. Wir von der SPÖ haben Ihnen, Herr Bundesminister, ein hervorragendes Erbe hinterlassen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), und wir sind auch bereit, Sie bei der Fortführung einer erfolgreichen österreichischen Verkehrspolitik zu unterstützen. Eines aber werden wir entschieden bekämpfen: jede lobbyorientierte Politik! Und daher lehnen wir dieses Budgetkapitel ab!

Im Zentrum einer sozialdemokratischen Verkehrspolitik stehen das Land, die Bürger, die Wirtschaft und das Interesse der Regionen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.18


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25. Sitzung / Seite 14

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung des Abg. Mag. Firlinger –: Wendehals!)

9.18

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Parnigoni, Ihre Fraktion, die SPÖ, ist schon lange nicht mehr die vermeintliche Schutzmacht der Autofahrer. Sie war sie nie, und sie wird sie nie sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Hören Sie auf, solch aberwitzige Gerüchte in die Welt zu setzen. Wenn es nach Ihnen von der SPÖ gegangen wäre, Herr Kollege Parnigoni, hätten Sie den Benzinpreis von heute auf morgen um 3 S in die Höhe getrieben (Abg. Edlinger: Das ist falsch! 1 S war das!), und das hätte die Autofahrer wesentlich stärker belastet als dieses Notpaket, das die Regierung beschließen musste. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Das ist falsch!)

Das ist nicht falsch, Herr Kollege Edlinger, auch wenn Sie es jetzt behaupten. Unwahre Behauptungen werden durch Wiederholung nicht wahrer. Bitte nehmen Sie das einmal zur Kenntnis, Herr Kollege Edlinger! (Abg. Reheis: Das trifft Sie selbst! – Abg. Edlinger: Ja warum sagen Sie dann immer die Unwahrheit?) – Nein, Sie sagen die Unwahrheit! Ich sage nicht die Unwahrheit. (Abg. Edlinger: Doch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nein. Ich weiß genau, was Sie verhandelt haben und was in Ihren Papieren gestanden ist.

Wenn Kollege Parnigoni heute herausgeht und sagt: Wir, die Schutzmacht der Autofahrer, hätten das nie zugelassen!, kann ich nur lachen! Sie verbreiten hier absolut die Unwahrheit, Sie verbreiten hier Dinge, die nie zur Diskussion gestanden sind. Im Gegenteil: Sie waren immer darauf aus, dem Einzelnen das Autofahren möglichst zu verleiden, ihm Bürden aufzuerlegen, damit das Autofahren teurer wird und die Leute eben auf die Bahn umsteigen. Das war Ihr Konzept. (Abg. Haigermoser: So ist es! Genau!) Das haben Sie jahrelang betrieben, davon sind Sie nie abgewichen. Heute schaut alles angeblich anders aus.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich glaube nicht, dass Sie hier glaubwürdig dastehen, denn die Freiheitliche Partei war es, die sich immer für die Interessen der Autofahrer eingesetzt hat. Wir waren jene, die auch nicht davor zurückgeschreckt sind, die Europäische Union darauf hinzuweisen, dass es in Österreich starke Kartell-Absprachen und entsprechende Preisverzerrungen gibt. Die Europäische Union hat uns jetzt Recht gegeben, sie wird sich dieser Sache annehmen, sie wird die österreichische Mineralölindustrie unter die Lupe nehmen. Und wenn wir Recht bekommen, wird der Benzinpreis sinken. Aber Sie behaupten das Gegenteil und haben Unrecht, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber es passt das natürlich ganz genau in das ideologische Bild der Roten und der Grünen: möglichst so lange daran herumarbeiten und so lange an der Benzinpreisschraube drehen, bis die Vision von einem Benzinpreis von 30 S erreicht ist. Das war das deklarierte Ziel der Grünen in Deutschland und in Österreich und ist, glaube ich, mittlerweile auch in den Gehirnen der SPÖ ein langfristiges Ziel. Das werden Sie nicht so leicht abstreiten können, denn wir werden darauf immer wieder hinweisen. (Abg. Dr. Petrovic: Befassen Sie sich mit der Regierungspolitik!)

Aber kommen wir zu einigen anderen Punkten des Budgets. Herr Parnigoni, nicht wir sind es, die das Gesicht abkehren. Unsere Fraktion, unser Minister, diese Regierung sind es, die jetzt eine Trendumkehr in der österreichischen Verkehrspolitik einleiten. Diese Trendumkehr ist notwendig und überfällig.

Meine Damen und Herren! Das Erbe in der Verkehrspolitik, das uns Herr Bundesminister außer Dienst Einem hinterlassen hat, die Bruchstücke, die Fragmente sind in der Tat kein rühmliches Kapitel. Ich meine, es ist höchst an der Zeit, hier einmal grundsätzliche Dinge zu hinterfragen und einen anderen Weg zu gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich begrüße es, dass der Herr Bundesminister jetzt ganz klare Planungsvorgaben gibt, etwa im Bereich der Bundesbahn, dass er sagt, 11 Milliarden Schilling werden umgeleitet, damit der Bahnausbau nicht länger verzettelt wird, sondern zügig gebaut wird. Er erntet dafür, glaube ich, nicht nur nationales, sondern auch internationales Lob, denn diese Entscheidung ist richtig und beweist, dass man die Trendumkehr tatsächlich schafft, wenn man nur will.

Wir wollen dem Herrn Bundesminister die Chance geben, sich im Bereich der Eisenbahn neu zu entfalten. Ich begrüße es daher auch, dass der Herr Bundesminister angekündigt hat, dass man in Zukunft einige Planungsinstitutionen zusammenlegen wird; ich denke dabei an HL-AG und ÖBB-Infrastrukturbereich. Das macht Sinn und ist eine jahrelange freiheitliche Forderung. Ich glaube, dass man den Erfolg in spätestens einem Jahr bereits sehen wird.

Das Budget insgesamt betreffend möchte ich sagen: Es ist das natürlich ein sparsamer Ansatz, und zwar in allen Verkehrsbereichen, vom Bundesstraßenbau bis hin zum Autobahnausbau und zu einzelnen Schienen-Infrastrukturvorhaben. Aber das ist das Resultat des Diktates der leeren Kassen, die die sozialistische Regierung, die Regierung unter einem sozialistischen Infrastruktur- und einem sozialistischen Finanzminister hinterlassen hat.

Dieses Diktat der leeren Kassen müssen wir selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. Es wird einige Zeit dauern, bis man im Bereich der Infrastruktur wieder mehr machen wird können. Aber wir arbeiten daran, denn es ist uns natürlich klar, dass Infrastruktur-Politik so etwas wie gelebte Standort-Politik ist und dass es sich Österreich nicht leisten kann, international den Anschluss zu verlieren.

Wir waren im Begriff, den Anschluss zu verlieren (Zwischenruf des Abg. Edler ), dank Ihrer Politik des Schuldenmachens, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das kann man nicht oft genug sagen. Daher noch einmal: Eine Trendumkehr ist wichtig! (Abg. Edler: Auslagern nach Ungarn den Verkehr!) – Nein, wir betreiben keine Auslagerung. Wir betreiben eine sparsame, aber umso effizientere Infrastruktur-Politik. Geldausgeben allein, Herr Kollege von den ÖBB, ist zu wenig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edler: Umfahren!) Wir müssen das Geld sinnvoll einsetzen, und dazu ist diese neue Regierung bereit.

Ich möchte Ihnen weiters sagen, dass man auch sonst noch mit einigen Gerüchten wird aufräumen müssen. Ich knüpfe hier an die Debatte an, die wir das letzte Mal geführt haben. Der Herr Verkehrssprecher der SPÖ, Kollege Parnigoni, hatte wirklich die Stirn, hier zum Rednerpult zu gehen und zu sagen: Schaut euch diese neue Bundesregierung an, schaut euch diesen Finanzminister an, schaut euch diesen Verkehrsminister an, die budgetieren für die UMTS-Lizenzen nur 4,2 Milliarden Schilling. In Wirklichkeit aber werde dieser Bundesminister, werde diese Regierung 56 Milliarden Schilling einnehmen. (Abg. Haigermoser: Das hat er gesagt!) – Das hat Herr Kollege Parnigoni gesagt! Er hat damit der Regierung unterstellt, dass sie von vornherein sozusagen Geld abzwackt, Geld der Steuerzahler beiseite schafft. Herr Kollege Parnigoni, man weiß heute wirklich nicht, was bei der ganzen Angelegenheit herauskommt. Aber das ist eben Ihre unseriöse Politik: Sie stellen Behauptungen in den Raum, die durch nichts haltbar sind! (Abg. Parnigoni: Was tun Sie mit dem Geld, das Sie einnehmen werden?)

Der Bär ist noch nicht erlegt. Und Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Parnigoni, dass überall Geld fehlt, an allen Ecken und Enden – und dafür tragen Sie die Verantwortung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis, und flüchten Sie nicht dauernd auf irgendwelche Nebengleise, wo Sie sagen: Wir wollten immer ...! – Sie wollten gar nichts! (Abg. Parnigoni: Sie schröpfen die Autofahrer und verheimlichen, dass Sie 30 Milliarden mehr im Budget einnehmen!) Sie haben in den letzten zehn Jahren die Chancen einfach verplempert, das muss ich einmal sagen. Sie haben Ihre Chance nicht genützt, und dafür wurden Sie vom Wähler auch bestraft. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Aber wir waren noch immer die stärkste Partei! Die ÖVP war der Wahlsieger der Wahl! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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25. Sitzung / Seite 16

Meine Damen und Herren! Ein letztes Wort zu den Nebenbahnen: Die FPÖ und auch der Herr Bundesminister sind dagegen, dass das Management der Österreichischen Bundesbahnen jetzt sozusagen die Gunst der Stunde nützt, um im großen Stil Nebenbahnen stillzulegen. (Abg. Parnigoni: Warum ist das jetzt eine Gunst der Stunde?) – Herr Kollege Parnigoni, Draxler ist wirklich kein Freiheitlicher, er steht bekanntlich Ihnen nahe. Also hören Sie bitte mit diesen Geschichten auf! (Abg. Parnigoni: Aber wieso ist es dann eine Gunst der Stunde?)

Wir werden dafür sorgen, dass auf der einen Seite im Bereich der Bundesbahnen weiterhin gespart wird, dass aber auf der anderen Seite auch die Verträge der ÖBB mit den Ländern und anderen gemeinwirtschaftlichen Institutionen eingehalten werden. Denn eines ist klar: Die ÖBB sind ein Unternehmen, das öffentliche Interessen wahrzunehmen hat – so steht es im ÖBB-Gesetz –, und wenn es diese Verträge gibt, dann muss man sie auch einhalten. (Abg. Parnigoni: Dafür bin ich!) Oder aber der Vertrag gilt nicht und muss neu verhandelt werden.

Ich bin dafür, dass man den Bundesbahnen durchaus Freiräume lässt, dort, wo wirklich Geisterzüge unterwegs sind, einen alternativen Ersatzverkehr zu schaffen – das ist keine Frage –, aber ganz einfach 30 Nebenbahnen stillzulegen, wird nicht möglich sein.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich möchte daher an Sie appellieren, das Budget nicht nur negativ zu betrachten. Es gilt, einiges zu korrigieren, und das ist schmerzhaft, aber auch notwendig. Es ist aber im Sinne des österreichischen Standortes und einer vernünftigen Standortpolitik. Ich hoffe daher, dass Österreich in einigen Jahren wieder auf einem guten Weg sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.30


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25. Sitzung / Seite 17

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden und den tatsächlichen Sachverhalt einander gegenüberzustellen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.30

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Firlinger hat behauptet, dass es Ziel der Grünen sei, einen Benzinpreis von 30 S zu verlangen. (Abg. Haigermoser: 35 S!)

Ich berichtige tatsächlich: Es ist nie Ziel der Grünen gewesen, diesen Benzinpreis zu etablieren! (Abg. Haigermoser: 35 S plus Mehrwertsteuer!) Im Gegenteil: Wir waren immer dafür, dass fahrleistungsabhängige Kilometerabgaben eingehoben werden bei gleichzeitiger Ausschüttung eines Öko-Bonus von 10 000 S pro Person. (Abg. Haigermoser: Das stimmt ja nicht! 35 S haben Sie verlangt!)  – Bitte lesen Sie das in unserem ökologischen Steuerkonzept nach! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Fragen Sie die Frau Petrovic! Die hat das verlangt 1995! – Abg. Haigermoser: 35 S haben Sie verlangt!)

9.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort gemeldet. Es gelten die gleichen Spielregeln. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.31

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Firlinger hat behauptet, dass es Ziel der Sozialdemokraten gewesen sei, den Benzinpreis um 3 S zu erhöhen. – Das ist falsch! (Abg. Dr. Martin Graf: Um 4 S!)

Wahr ist vielmehr, dass wir gemeinsam mit der ÖVP in Aussicht genommen hatten, den Benzinpreis in zwei Etappen um 1 S und den Dieselpreis in der ersten Etappe um 40 Groschen und in der zweiten Etappe um insgesamt 80 Groschen zu erhöhen. – Das ist die Wahrheit!

Sollten Sie seitens der ÖVP etwas anderes erfahren haben, dann war es in Ihren Koalitionsverhandlungen eine bewusste Falschmeldung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Und die Steuern?)

9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.32

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben sich ja heute schon zu Beginn der Sitzung um einen Titel gebalgt, und zwar um den Titel "Schutzmacht der Autofahrer". "Schutzmacht der Autofahrer": Das scheint der höchste Ehrentitel zu sein, den sie sich gegenseitig streitig machen oder geben können.

An diesem Streit, meine Damen und Herren, werde ich mich nicht beteiligen, denn ich sehe in den Grünen und in allen Menschen, die in der Verkehrspolitik ein wenig in die Zukunft schauen, die Schutzmacht beziehungsweise die Lobby für eine gerechte Mobilität. (Beifall bei den Grünen.)

Die gerechte Mobilität besteht aber nicht darin, dass jeder Mensch gezwungen wird, mit dem Auto zu fahren, wenn er seine Mobilitätswünsche erfüllen will, wenn er seine Mobilitätsnotwendigkeiten sozusagen versorgt sehen will, sondern nur darin, dass es einen vernünftigen und klugen Mix zwischen öffentlichen Transportweisen und dem Transport mit einem privaten PKW gibt, und das sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr.

Das muss uns bei der Planung der zukünftigen Verkehrspolitik auch deswegen klar sein, weil schon seit dem Jahre 1995 laut den Feststellungen der Europäischen Verkehrskommission – und die ist ja beileibe kein Vorreiter in Öko-Angelegenheiten – feststeht, dass das Verkehrsproblem in den europäischen Zentralräumen nicht mehr – nicht mehr! – ausschließlich nur durch den PKW bewältigbar sein wird, und zwar schon auf Grund der enormen Folgen, die das für die Luftqualität und auch für den Raumbedarf in den Städten und für Nutzungen im öffentlichen Raum hat.

Sie alle, meine Damen und Herren, haben wahrscheinlich die Debatte und die Auseinandersetzungen in Italien über den so genannten autofreien Sonntag –zumindest am Rande – verfolgt. Dieser autofreie Sonntag als Mittel der Bewusstseinsbildung war auch deswegen notwendig geworden, weil Italien früher das getan hat, was Sie, Herr Verkehrsminister, und was diese Koalition betreffend die öffentlichen Verkehrsmittel jetzt plant: nämlich das, was noch vorhanden ist – und es ist bei weitem nicht das, was man unter einem qualitätsvollen öffentlichen Verkehr verstehen könnte –, noch weiter zusammenzukürzen und kaputtzusparen. Diese Haltung lehnen wir ab, und deswegen können wir diesem Budgetkapitel auch nicht zustimmen.

Es darf nicht sein, dass die Verkehrsverbünde, deren Installierung enorm schwierig war – vor allem für die Zentralräume; ich denke da an Westösterreich und auch an den Großraum Wien –, so schwer wiegende Kürzungen hinzunehmen haben, dass es entweder zu enormen Tariferhöhungen wird kommen müssen – für die Pendler, die Hauptbetroffenen, oder für ökologisch orientierte Menschen – oder aber dass Verkehrslinien, dass Teile dieses Verkehrsnetzes eingestellt werden müssen.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Politik treffen Sie wirklich die Schwachen. Sie treffen mit der Politik der Einstellung von Nebenlinien und durch Kürzungen und Verteuerungen in den Verkehrsverbünden all diejenigen, die nicht über ein Auto verfügen – entweder noch nicht, weil sie noch in die Schule gehen, weil sie noch keinen Führerschein haben, oder nicht mehr, weil sie zu alt geworden sind, um ein Auto sicher steuern zu können. Diese Menschen werden dann – vor allem dann, wenn Sie die Nebenbahnen in die Regionen hinaus einstellen – schwerste Mobilitätsnachteile hinnehmen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sie sprechen in diesem Zusammenhang immer von "Geisterzügen", und zwar von "Geisterzügen", die durch die Landschaft fahren, und deswegen müsse man sie einstellen. An dieser Stelle ist aber zuerst einmal die Frage zu stellen: Warum sind die Nebenbahnen zu Geisterzügen geworden? Warum haben es die letzten Koalitionsregierungen so "effizient" geschafft, den öffentlichen Verkehr in die Regionen hinaus so auszudünnen – es wurden zum Teil wichtige Verbindungen herausgenommen –, dass es gar nicht mehr möglich


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und sinnvoll ist, ihn zu benutzen, weil diese Züge Personen nicht zu dem Zeitpunkt dorthin bringen, wo Menschen als Pendler oder als Schülerinnen und Schüler sein müssen und wollen, nämlich am Dienstort oder wieder zu Hause.

Die Nebenbahnen sind in den letzten 30 bis 40 Jahren – und da gebe ich, Herr Minister, zu: dafür tragen nicht Sie die Verantwortung – in einem so hohen Ausmaß kaputtgespart worden, dass man heute "händereibend" sagen kann: Also gut, stellen wir sie ein, denn es fährt ohnehin keiner mehr damit! – Wenn Züge in die Regionen hinaus zu Zeiten fahren, zu welchen ohnehin kein Mensch unterwegs ist, braucht sich kein Mensch zu wundern, dass sich das so entwickelt.

Andererseits aber – und das muss schon klar sein – ist jede Einstellung einer Nebenbahn ein Schlag gegen das Gesamtnetz. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel aus Italien erklären: Es gibt in Italien eine Gegend, wo sehr viele Fliesen produziert werden, und diese gingen in den letzten Jahrzehnten eigentlich alle über die Bahn nach Mitteleuropa, nach Deutschland, nach Österreich und vielleicht auch noch weiter nach Norden. Als die Lombardei begann, die Nebenbahnen zu schließen, fehlten oft 30, 40, 50 Kilometer zwischen dem Produktionsort und der nächsten Eisenbahnstation. Und wissen Sie, was in den letzten Jahren geschehen ist? – Alle diese Fliesen kommen heute im LKW über die Autobahn, weil durch eine kleine Lücke im Bahnnetz die Bahnverbindung unterbrochen ist. – Auch im Personenverkehr gibt es Analogien.

Wenn man Verkehrsnetze an den Enden beschneidet, so hat man das Problem, dass die Netzqualität insgesamt sinkt. Das ist eine falsche Politik, und die greifen wir an! (Beifall bei den Grünen.)

Die Kürzungen im Verkehrsverbund und gleichzeitig die Einstellung von Nebenbahnen sind natürlich ein massiver Schlag gegen öffentliche Verkehrsmittel, eigentlich gegen alles, was gerechte Mobilität bedeutet. Und eines ist schon klar: Das Geld geht in den Ausbau der Straße! Das geht nicht nur in andere oder bessere oder vielleicht dringendere Bahnlinien, sondern dieses Geld ist ganz offensichtlich für den Ausbau der Straße reserviert. Die Kürzungen im Bereich des Straßenbaus und bei den Mitteln, die für den PKW- und LKW-Verkehr zur Verfügung gestellt werden, sind natürlich wesentlich geringer ausgefallen, als das möglich und auch sinnvoll und auch – zum Beispiel gegenüber den Pendlern – gerecht gewesen wäre.

Diese Politik, die sich im Budget niederschlägt, ist straßenorientiert, und sie ist es sogar auf die falsche Weise. Sie, Herr Minister, erhöhen die Fixkosten beim PKW und nicht die kilometerbezogenen Kosten.

Das ist natürlich Motivation für alle, möglichst viel um das gleiche Geld zu fahren. Das ist natürlich der völlig falsche Weg in der Verkehrspolitik, wenn es darum geht, einen Mix von Verkehrsmitteln zu erreichen und die freie Wahl des Verkehrsmittels endlich den meisten oder allen Menschen zu ermöglichen.

Diese Kürzung am falschen Eck und die Belastung der Autofahrer im falschen Bereich, nämlich bei den Fixkosten, haben negative Folgen für das Fahrverhalten, das Sicherheitsverhalten und so weiter und so fort.

Herr Minister! Sie machen damit eine Politik, die unsere Straßen weiter verstopfen wird, Sie machen damit aber auch eine Politik, die die Sicherheit auf den Nebenstrecken genauso reduzieren wird wie die Sicherheit auf den Hauptstrecken, und Sie machen damit auch eine Politik, die die hohen Schulden, die vor allem durch den Straßenbau und auch durch den Bau von Infrastruktur angehäuft wurden, nicht abbauen helfen wird.

Wir haben zwei große Probleme auf der Einkommenseite – das sage ich jetzt etwas salopp – zu erwarten, nämlich das Problem beim Fall der Brennermaut und das Problem betreffend die Ökopunkte, beides in erster Linie orientiert auf den LKW-Verkehr. Diese beiden Problemkreise – und sie sind heute in Westösterreich deutlicher und dramatischer sichtbar als in Ostösterreich; das heißt aber nicht, dass sie im Osten nicht vorhanden wären – werden Ihrem Budget der nächsten Jahre Einnahmenausfälle bescheren. Schließlich lässt sich doch noch nicht absehen, wann das LKW-Road-Pricing wirklich eingeführt wird, mit welchem technischen System es


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eingeführt wird und ob es denn überhaupt jemals kommt. Vielleicht sind die Frächter in Ihrer Fraktion mittlerweile so stark, dass sie klar machen, dass man lieber den PKW als den LKW besteuern soll.

Damit, Herr Minister, macht man, glaube ich, den Hauptfehler, damit setzt man falsche Prioritäten. Im Vergleich zwischen LKW und PKW trägt der LKW wesentlich mehr zum Kostenungleichgewicht auf der Straße bei, denn er spielt mit seinen Steuerleistungen bei weitem nicht jene Kosten herein, die er verursacht, und man greift in erster Linie wiederum auf den PKW zurück.

Warum, Herr Minister, gehen Sie nicht endlich das Grundproblem an und ringen sich dazu durch, dem Gütertransit, bei dem sehr viel Unsinniges dabei ist, jene Kosten anzulasten, die er für Ihr Budget, für unser Budget und für unsere Ausgabenstruktur verursacht. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es heute noch im Bereich des LKW-Transits so billig ist, dass es sich rentiert, Müll von Deutschland nach Italien zu fahren, dann muss in der Kostenstruktur etwas "schief" sein, und das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen und da endlich einmal an den entscheidenden Schrauben drehen, nämlich eine Bemautung einzuführen (Beifall bei den Grünen), deren Erlös für ein Gesamtverkehrssystem zur Verfügung gestellt wird, und zwar insofern, als gerechte Mobilität für alle Menschen das Ziel sein soll – nicht nur für PKW-Fahrer, sondern auch für Pendlerinnen und Pendler, die keinen Zugang zum Auto haben und daher auf andere Verkehrsmittel angewiesen sind. Dann, Herr Minister, würden Sie mehr Sicherheit auf unseren Straßen schaffen und mehr Gerechtigkeit beim Zugang zur Beweglichkeit im Raum, beim Zugang zur Mobilität ermöglichen. Das ist die zentrale Herausforderung für die Zukunft, vor allem in Anbetracht unserer verstauten Städte, in welchen die Luftqualität von Jahr zu Jahr sinkt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

9.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte.

9.45

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Parnigoni, ich habe mich mit dir eigentlich immer ganz gut verstanden und möchte dir deshalb auch nicht nahe treten, aber ich fürchte, nach deinen heutigen Ausführungen wirst du – wie das bei vielen deiner Kollegen im Klub der Fall war – möglicherweise als Verkehrssprecher abgelöst werden (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP), denn so viele Halbwahrheiten, so viele Unterstellungen, so viele banale Propagandasprüche und unrichtige Feststellungen hat deine Rede enthalten, dass das nicht einmal mehr bei den eigenen sozialdemokratischen Wählern hineingeht. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Herr Kollege! Ich sage dir noch etwas – das hat mich eigentlich dabei am meisten erschüttert, und das ist mir schon die ganze Zeit aufgefallen, und zwar seit Herr Gusenbauer bei den Sozialdemokraten das Heft übernommen hat –: Deine Rede ist unter einem Motto gestanden, das ein altes sozialdemokratisches Lied umgedreht hat. Die Politik der SPÖ steht unter dem Motto, und zwar auch im Bereich der Verkehrspolitik: "Mit uns zieht die alte Zeit!" – Mit diesen alten Rezepten werden wir ganz sicher weder Österreich noch die Verkehrspolitik modernisieren können. Das muss ich dir leider dazu sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Firlinger.  – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Wenn du, Kollege Parnigoni, von den teuren und unattraktiven öffentlichen Verkehrsmitteln sprichst, dann klopfe dir doch bitte an die Brust. Denn wer ist den verantwortlich für diesen Zustand? – Es waren die sozialdemokratischen Verkehrsminister, die seit dem Jahre 1970 die Verkehrspolitik gemacht haben und gerade auch im öffentlichen Verkehr für jene Zustände verantwortlich sind, die du heute hier beklagt hast. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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25. Sitzung / Seite 20

Ich möchte dir noch etwas sagen, Kollege Parnigoni: Du hast heute von den "wild gewordenen" ÖBB-Managern gesprochen und dabei ganz besonders den Herrn Generaldirektor Draxler erwähnt. Ja auf wessen Vorschlag ist denn Herr Generaldirektor Draxler als Generaldirektor gewählt worden? – Doch nicht auf Vorschlag der ÖVP, sondern auf Vorschlag des damaligen Verkehrsministers und Bundeskanzlers Klima. Das ist die Wahrheit, Herr Kollege! Du und ihr seid verantwortlich für jene "wild gewordenen" Manager, die ihr heute kritisiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich kann bei dieser Kritik leider auch die Grünen nicht ganz verschonen. Frau Kollegin Moser! Studieren Sie ein bisschen die Geschichte der Grünen und die Protokolle ihrer Aussprüche, dann werden Sie draufkommen, dass es Ihre Klubobfrau, Frau Dr. Petrovic, war, die, wie ich glaube, im Jahre 1994 den Vorschlag gemacht hat, den Benzinpreis auf 35 S zu erhöhen. Heute distanzieren Sie sich davon, aber das ist unrichtig! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Frau Kollegin! Stehen Sie zu Ihren Irrtümern! Es werden nicht die letzten gewesen sein. (Heiterkeit und neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Zur Vignetten-Gebühr und zur Kfz-Steuer ist schon alles gesagt worden. Lieber Kollege Parnigoni! Erkundige dich, lies nach, was im Verhandlungsentwurf von ÖVP und SPÖ zum Thema "Finanzierung der Straße" drinnen gestanden ist! (Abg. Parnigoni: Habe ich durchgelesen!) Die Erhöhung der Mineralölsteuer ist drinnen gestanden. Also beklage dich bitte nicht über Erhöhungen in diesem Bereich, wenn ihr selbst noch viel schärfere und radikalere Erhöhungen durchgeführt hättet! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Jetzt müssen wir auch noch zu einigen sachlichen Punkten kommen, zu sachlichen Punkten, die zu beachten wichtig ist, damit es in Österreich wieder stärker zu einer verkehrspolitischen Realität kommt, nämlich dazu, dass Politik nicht nach irgendwelchen ideologischen Vorstellungen beziehungsweise nach Wunschvorstellungen gemacht wird, sondern gemäß den verkehrspolitischen Realitäten. Es geht dabei überhaupt nicht darum, Schiene und Straße gegeneinander auszuspielen, nein, wir brauchen selbstverständlich beides: sowohl den Ausbau der Schiene als auch den Ausbau der Straße, aber darüber hinaus auch den Ausbau der Wasserwege.

Es muss, was die Finanzierung und den Ausbau der österreichischen Verkehrswege anbelangt, auch nach der Ära der sozialistischen Verkehrsminister wieder stärker den verkehrspolitischen Tatsachen Rechnung getragen werden, und wir müssen von den ideologischen Wunschvorstellungen wegkommen, die zur Bewältigung der Probleme bisher absolut nichts beigetragen haben. Das ist es, was mich an dieser Ihrer Politik so störte.

Es war bekanntlich Minister Einem, der die Prioritäten praktisch ausschließlich zugunsten des Ausbaus der Schiene gesetzt hat, ohne dass es dadurch nur zu irgendeiner nennenswerten Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene gekommen wäre. Es hat dann Minister Farnleitner die so genannte GSD-Studie machen lassen, um klarzustellen, dass wir selbstverständlich insbesondere in den Osten, in die neuen Reformstaaten leistungsfähige Straßenanbindungen brauchen, damit wir im europäischen Integrationsprozess nicht völlig vom Verkehr überrollt werden.

Wir haben auch politisch die Konsequenzen daraus gezogen und gesagt: Ja, wir brauchen einen verkehrsträgerübergreifenden Bundesverkehrswegeplan! Und deshalb haben wir dafür ein eigenes Ministerium geschaffen, und zwar das Infrastrukturministerium, das Schiene, Wasserstraße und Straße zusammenfasst, um zu einem einheitlichen, koordinierten Ausbau der Verkehrswege zu kommen und tatsächlich das zu realisieren, was wir seit vielen Jahren fordern, nämlich einen österreichischen Bundesverkehrswegeplan. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Lichtenberger hat immer wieder von der Bevorzugung der Straße gegenüber der Schiene gesprochen. Ja, meine Damen und Herren, leider stimmt das nicht. Man sollte sich doch einmal die Zahlen ansehen (Abg. Mag. Kogler: Aber die richtigen!), die richtigen Zahlen, jene, die den Tatsachen entsprechen. – Es kam in den letzten 15 Jahren zu massiven Verschiebungen der Investitionsschwerpunkte von der Straße auf die Schiene. (Abg. Dr. Lichtenberger:


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Weil es einen Nachholbedarf gab!) Lesen Sie die diesbezügliche Wifo-Studie vom Herbst 1999! In dieser steht ganz klar drinnen, dass die Investitionen in Bundesstraßen und Autobahnen durch den Bund und durch die Straßenbausondergesellschaften im Zeitraum von 1983 bis 1998 massiv abgenommen haben. Im Jahre 1996 wurden nominell um 56 Prozent weniger Mittel in das Bundesstraßennetz investiert als im Jahre 1983. Bereits seit dem Jahre 1989 wird durchwegs in die ÖBB-Infrastruktur deutlich mehr investiert als in das österreichische Straßensystem. (Abg. Dr. Lichtenberger: Weil der Nachholbedarf so war! In den sechziger Jahren hat man ausschließlich Autobahnen gebaut!)

Im Jahre 1997 wurden in die Schiene mehr als doppelt so viel Investitionsmittel gesteckt wie in die Straße. Und für den Bahneinheitskilometer werden derzeit rund 0,4 S aufgewendet, während es für den Straßeneinheitskilometer nur mehr 0,14 S sind.

Es gibt also für die Bahn dreimal so viel Mittel wie für die Straße. Hören Sie daher endlich auf mit Ihrem Märchen von der Bevorzugung der Straße! (Abg. Dr. Lichtenberger: Warum hat man das zusammengestrichen?) Das ist sachlich falsch, und Sie merken doch auch jeden Tag, wenn Sie auf der Straße fahren, dass heute die Verkehrskapazität so ist, dass die Straßen den Verkehr nicht mehr aufnehmen können, weil zehn, 15 Jahre in diesem Bereich viel zu wenig vorausschauend getan wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen den dreistreifigen Ausbau der West Autobahn (Abg. Dr. Lichtenberger: Auch im Inntal?), wir brauchen den raschen Lückenschluss im höherrangigen Straßennetz, wir brauchen einen Autobahnausbau als Anbindung an die östlichen und nördlichen Reformstaaten.

Meine Damen und Herren! Natürlich muss uns klar sein, dass wir selbstverständlich auch den Ausbau der Schiene weiterhin brauchen. Wir wären schon glücklich, wenn wir nur einen Teil des Zuwachses des Güterverkehrs auf die Schiene verlagern könnten. Aber es zeigt sich auf europäischer Ebene, dass mehr als 90 Prozent der Güter über kurze Entfernungen von weniger als 100 Kilometern transportiert werden. Über diese kurzen Entfernungen, über die fast 90 Prozent des Güterverkehrs laufen, gibt es keine Alternative zur Straße, da eben die Infrastruktur der Straße bis zur Haustüre reicht.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass für den Ausbau der Autobahnen und deren Erhaltung es im Bundesbudget keinen einzigen Schilling gibt, was eigentlich niemand für möglich halten würde. Die gesamten Mittel, die derzeit für den Autobahnausbau und für den Schnellstraßenausbau verwendet werden, müssen von den Autofahrern und von der Transportwirtschaft mittels Vignetten-Gebühr und Mauten selbst bezahlt werden, während der Bund jährlich 36 Milliarden Schilling aus dem Budget für die ÖBB-Infrastruktur zur Verfügung stellt und in den nächsten zehn Jahren weitere rund 140 Milliarden Schilling über die SCHIG für den Ausbau der Schienenwege flüssig machen wird. Das, meine Damen und Herren, musste einmal gesagt werden. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns klar und eindeutig zum Ausbau der Schiene, dazu gibt es keine Alternative, aber es muss auch eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Relation geben. (Abg. Edler: Kostenwahrheit!) Aber diese sinnvolle Kosten-Nutzen-Relation sehen wir jedenfalls derzeit nicht gegeben, und deshalb halten wir es für richtig und für sehr notwendig, dass der Verkehrsminister diesbezüglich eine neue Prioritätensetzung vornimmt und im nächsten halben Jahr diesen Plan auch durchführt. Was bisher beim Ausbau der Eisenbahn geschehen ist, ergab einen bunten Fleckerlteppich. Es hat keine zusammenhängende Konzeption gegeben, und bisher hat sich das betriebswirtschaftlich überhaupt nicht positiv ausgewirkt, weder für die Bahn und ihre Betriebskosten noch für den einzelnen Bahnkonsumenten. Mit dieser Politik muss daher endlich Schluss gemacht werden! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Trattner. )

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, möchte ich abschließend sagen: Wir brauchen nicht nur in der gesamten österreichischen Politik, sondern auch in der Verkehrspolitik neue Wege, und die Österreichische Volkspartei wird sie einschlagen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.58


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort gemeldet. – Bitte die Redezeit zu beachten, Herr Abgeordneter. (Abg. Auer: Letzter Auftritt als Verkehrssprecher!)

9.58

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Kukacka hat gemeint, die sozialdemokratischen Verkehrsminister seien für den Zustand der Straße zuständig gewesen. (Abg. Auer: Eine Meinung kann man nicht berichtigen!)

Ich berichtige ihn tatsächlich: In der Koalition seit 1986 waren immer die Wirtschaftsminister Graf, Schüssel, Ditz und Farnleitner für den Straßenbau zuständig. Und daher, Herr Kollege Kukacka, ... (Abg. Schwarzenberger: Nein! Für die Nebenbahnen hat er gesagt!) Das stimmt nicht, ich habe genau aufgepasst.

Daher gehen Sie zu Ihren Parteikollegen und beschweren Sie sich dort! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Auer: Hat er es gemeint oder behauptet?)

9.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. Als Redezeit werden mir 8 Minuten mitgeteilt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.59

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich möchte zuerst ein paar Bemerkungen zum unsachlichen Teil der Rede des Kollegen Kukacka machen. Er hat nämlich nach dem ersten Teil seiner Rede gesagt, er käme nun zum sachlichen Teil, also müssen seine Ausführungen am Beginn seiner Rede unsachlich gewesen sein. (Abg. Mag. Trattner: Das ist der neue Verkehrssprecher!) In dem unsachlichen Teil seiner Rede hat er sich Sorgen um die Ablöse von Sprechern im sozialdemokratischen Klub gemacht.

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Kollege Kukacka, dass Sie als Generalsekretär der ÖVP sehr rasch abgelöst worden sind, aber dies hat trotzdem nichts genützt, denn Sie sind heute die drittstärkste Partei in Österreich. Das ist, glaube ich, hier einmal eindeutig festzuhalten! (Bravo-Rufe und Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Es scheint nicht nur Herr Kollege Kukacka, sondern es scheinen überhaupt alle Abgeordneten von der ÖVP ein großes Problem mit ihrem Langzeit- oder mittelfristigen Gedächtnis zu haben, da sie so tun, als wären sie in den letzten Jahren nicht in der Regierung gewesen.

Da Sie hier behaupten, Herr Kollege Kukacka, dass ausschließlich sozialdemokratische Minister für die Verkehrspolitik verantwortlich gewesen seien, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass alle Regierungsvorlagen im Ministerrat, also auch mit den Stimmen Ihrer ÖVP-Minister, einstimmig beschlossen wurden. Somit tragen auch Sie von der ÖVP in diesem Bereich genauso die Verantwortung mit. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch mit den Zahlen haben Sie es ein bisschen, Herr Kollege Kukacka. Gedächtnisschwächen sind momentan wirklich eines der Hauptprobleme der ÖVP. Sie stellen sich hier her und sagen: Na ja, eigentlich hatten ja SPÖ und ÖVP damals in diesem Abkommen – dieses ist aber nie zustande gekommen, und das aus guten Gründen – auch die Erhöhung der Mineralölsteuer vereinbart, und mit dieser Erhöhung der Mineralölsteuer wären die Autofahrer belastet worden. – Das mag schon stimmen, allerdings hätte das die Autofahrer mit 6 Milliarden Schilling belastet. Mit dem hingegen, was Sie jetzt in dieser Regierung machen, belasten Sie die Autofahrer insgesamt mit 14 Milliarden Schilling, das heißt, mit 8 Milliarden Schilling mehr. (Abg. Mag. Firlinger: Das ist falsch!) Diese Rechnung müssen Sie auch einmal hier klar sehen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Der Edlinger ist schuld! – Abg. Schwarzenberger: Erklären Sie diese 14 Milliarden! Wie kommen Sie auf 14 Milliarden?)


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Aber ich möchte mich jetzt nicht zu lange mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Kukacka beschäftigen, sondern eher mit Fragen, die auch den Herrn Infrastrukturminister tangieren. Vorige Woche konnte ich ja hier bereits einige Kritikpunkte anbringen, möchte aber noch Folgendes sagen: Meines Erachtens sollte man auch als Infrastrukturminister versuchen, Aussagen eher klarere und mittel- und längerfristige Überlegungen zugrunde zu legen. Bitte das nicht als persönliche Kritik, sondern als eine solche an der Sache selbst zu verstehen.

Infrastruktur-Investitionen sind doch meist Investitionen – ich führe in diesem Zusammenhang beispielsweise an: Bahnausbau, Straßenbau, Telekommunikation et cetera –, die langfristig wirken. Und langfristig wirkende Infrastruktur-Investitionen müssen gut überlegt sein. Man kann da nicht einfach Projekte, die sich in Planung oder bereits in Bau befinden, stoppen, dann wieder weitermachen, wieder stoppen – und wieder weitermachen. Ein typisches Beispiel hiefür ist ja der Semmering-Basistunnel, bei dem es einmal ja, einmal nein heißt, einmal hin, einmal her. Ein Bundesland, und zwar die Steiermark mit Frau Landeshauptmann Klasnic, will den Bau rasch, Herr Pröll hingegen gar nicht haben. Herr Bundesminister Schmid wiederum ist dafür, dass der Tunnel gebaut wird.

Das alles sind doch Dinge, meine sehr geehrten Damen und Herren, die in einem Land – noch dazu in einem so kleinen Land wie Österreich – sehr viel Geld kosten. Geld, das bereits investiert wurde, darf doch nicht in den Sand gesetzt werden! Und daher kann ich Ihnen, Herr Bundesminister Schmid, dazu nur sagen: Versuchen Sie, eine klarere Haltung zu solch großen Projekten einzunehmen, denn nur mit einer klaren Aussage und einer klaren Haltung kann man da weiterkommen.

Ich halte auch nichts davon, Herr Bundesminister – ich weiß natürlich nicht, ob das alles stimmt, was in den Medien darüber zu lesen war; oft stimmt vieles nicht so ganz, und es wurde lediglich eine Tendenz richtig wiedergegeben –, wenn versucht wird, Bundesländer gegeneinander auszuspielen, und zwar gerade von Ministerseite her, und zwar insofern auszuspielen, als gesagt wird: Jetzt investieren wir eben diese Milliardenbeträge in Projekte in der Steiermark und in Kärnten, nicht aber in solche in Niederösterreich oder Wien. – Ich meine, da sollte eher projekt-, sach- und orientierungsbezogen vorgegangen werden.

Uns muss klar sein: Wenn unsere Nachbarländer – über kurz oder lang wird das sicherlich der Fall sein – in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen werden, dann werden sehr wohl ganz wichtige Infrastrukturmaßnahmen zu setzen sein, und gerade das bitte ist bereits heute zu planen. Und teilweise muss man jetzt schon zu bauen beginnen, denn sonst kann es zu spät werden. Genau darum geht es in Bezug auf Infrastrukturmaßnahmen.

Es wird jetzt von Ihnen von den Regierungsparteien geradezu beschworen – was übrigens wir von der Sozialdemokratischen Partei immer schon wollten –, dass die gesamte Verkehrsplanung, dass also Bahn und Straße in ein Ministerium kommen. Das ist in vorangegangenen Regierungsübereinkommen nie wirklich gelungen, aber bitte aus Gründen, die oft bei der ÖVP zu suchen waren. Jetzt ist das jedoch erfolgt, und ich meine daher, dass es höchst an der Zeit ist, sehr rasch eine vernünftige Koordinierung zwischen Investitionen in Bahn und Straße zustande zu bringen, das endlich auf die Beine zu stellen, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider müssen wir feststellen, dass es in der Tat Kürzungen beim Budget für Straßenbau gibt, Kürzungen, die als sehr schmerzlich zu bezeichnen sind; vor allem in den Ballungszentren wirkt sich das sehr, sehr schmerzlich aus. Bereits vorige Woche habe ich ja hier auf diesen Umstand hingewiesen, eben auch auf das Ballungszentrum Wien, wo – tagtäglich erleben wir das ja – mit den vorhandenen Straßen das Verkehrsaufkommen überhaupt nicht mehr bewältigt werden kann.

Es ist daher geradezu unerlässlich, den Bau der Südumfahrung von Wien, die B 301, die ja in Planung ist, zu forcieren, damit das tatsächlich zustande kommt, ebenso die Nord-Ost-Umfahrung Wiens, denn gerade dann, wenn unsere Nachbarstaaten in die EU integriert sind, darf es nicht so sein, dass Floridsdorf, dass die Donaustadt oder andere große Teile Wiens so quasi an


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einer "Brennerstrecke des Ostens" liegen. Diese Gefahr besteht allerdings, wenn nicht rechtzeitig der Bau der Nord-Ost-Umfahrung, der Bau der B 305 in Angriff genommen wird, sehr geehrter Herr Bundesminister.

Die Bauwirtschaft selbst sagt – ich habe mich sehr genau erkundigt –, dass es sehr rasch notwendig wäre, all diese Dinge in Angriff zu nehmen, denn das Wachstum in der Bauwirtschaft bleibt sehr deutlich zurück. Die Bauwirtschaft leidet unter Nachfragerückgang, vor allem unter den Budgetkürzungen im Tiefbau. (Abg. Mag. Trattner: Kennst du die Staatsverschuldung?)

Herr Kollege Trattner, zum Thema Staatsverschuldung könnte man einiges sagen. Kollege Firlinger hat ja auch beklagt, dass hinten und vorne das Geld fehle. – Wenn man Ihre Wahlversprechen, die 60 Milliarden Schilling zusätzlich ausmachen, jetzt falsch verteilt, und zwar an jene, die es nicht brauchen, und das alles jetzt finanzieren muss, so ist das natürlich genau diese Staatsverschuldung, von der Sie reden. Das ist aber genau jene, die Sie von dieser Koalition jetzt neu verursachen! Diese Staatsverschuldung machen Sie sich selbst, diese ist hausgemacht – Sie aber behaupten jetzt, dafür wären wir Sozialdemokraten verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, zusammenfassend: Diese Budgetkonsolidierung erfolgt in keiner Weise sozial ausgewogen. Ihr Budgetentwurf enthält praktisch keine Schwerpunktsetzungen und Strukturmaßnahmen. Die von Ihnen vorgesehenen Steuer- und Gebührenerhöhungen haben bereits inflationserhöhende Wirkung; die Auswirkung auf die Beschäftigung ist negativ. Dieser Budgetentwurf ist in Teilbereichen überhaupt nicht realistisch, und eine Zielerreichung wird durch schwerwiegende Mängel im Ansatz der Budgetpolitik unwahrscheinlich. Die Erreichung eines gesamtstaatlichen Defizits von 1,7 Prozent des BIP ist unwahrscheinlich, da davon ausgegangen werden muss, dass die Länder und Gemeinden den von Ihnen erwarteten Gebarungsüberschuss in der Höhe von 0,5 Prozent des BIP nicht erreichen werden.

Das ist alles unvernünftig, und ich bitte daher Sie von den Regierungsparteien dringend, diese Ihre Haltung nochmals zu überdenken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

10.08

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf das eine oder andere des eben Gesagten eingehe, möchte ich kurz jene Bereiche ansprechen, bei denen ich die Absicht habe, Schwerpunkte zu setzen. Und weiters möchte ich hier anführen, wie ich Probleme der Verkehrspolitik in Angriff zu nehmen gedenke.

Zunächst einmal meine ich, dass es unbedingt notwendig ist, die Dinge beim Namen zu nennen. Erster Punkt daher: Offenlegung der Fakten – und nicht eine Politik nach Wünschen, nach Visionen, die finanziell nicht erfüllt werden können. Da ich hier von Offenlegung rede: Ich glaube, es ist jedem hier im Hause bekannt, dass die Gesamtverschuldung beziehungsweise der bereits gebundene Kreditrahmen im Budgetbereich Straße/Schiene über 300 Milliarden Schilling beträgt. Eine Leitzahl dazu: Allein die jährlichen Zinsen im Bereich ASFINAG liegen bei 4 Milliarden Schilling – und dem steht ein Bruchteil an Möglichkeiten für Neu-Investitionen im Bundesstraßennetz gegenüber. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Das heißt, die finanzielle Situation ist so – und dabei handelt es sich nicht um eine Beschuldigung, sondern um eine trockene Auflistung des Übernahmeprotokolls, das zur Einsicht aufliegt –, dass jeder einzelne Schilling dreimal umgedreht werden muss, um ihn wirklich sinnvoll einsetzen zu können.

Zum zweiten Punkt der Offenlegung zählt auch eine Betrachtung der europäischen Entwicklung. In diesem Zusammenhang müssen wir mit Bedauern feststellen – ich betone: mit Bedauern!  –, dass in den EU-Ländern, ausgenommen Österreich, der Transport auf der Schiene rückläufig


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ist. Österreich hält etwa das "normale" Aufkommen, aber in den anderen 14 EU-Ländern ist der Transport auf der Schiene, wie gesagt, rückläufig.

Weiters ist ein dramatisches Auflassen von Güterbahnhöfen in Deutschland zu beobachten. Das ist die Entwicklung, das bedeutet aber nicht, dass das sozusagen meine Traumvorstellung wäre oder dass ich diese Entwicklung forcieren würde, sondern ich nenne eben einfach die Dinge beim Namen.

Was das Offenlegen der Fakten anlangt: Das Hinterfragen der Sinnhaftigkeit, und zwar in allen Bereichen, sehe ich als weiteren Schwerpunkt bei meiner Arbeit. Daher scheue ich auch nicht davor zurück, das eine oder andere kritisch zu hinterfragen. Auf das eine oder andere Projekt werde ich im Zuge meiner Ausführungen ja noch zu sprechen kommen. Angesichts der budgetären Gesamtsituation sollten wir natürlich auch die Möglichkeiten offen legen und – ich habe das bereits gesagt – keine falschen Versprechungen machen.

Unmittelbarer Einstieg für mich in diese meine Tätigkeit ist auch das hier im Hause einvernehmlich festgestellte Zusammenlegen von Straße und Schiene, was dazu führen muss, dass wir zu einem Bundes-Verkehrswegeplan kommen, und zwar zu einem entideologisierten Bundes-Verkehrswegeplan. Es ergibt doch keinen Sinn – in einer ersten Gesprächsrunde zwischen Vertretern des Straßenbaues und der Schiene gab es übrigens eine hervorragende Gesprächskultur zu beobachten –, da ideologische Ziele zu verfolgen, sondern das, was wir in einem Bundes-Verkehrswegeplan zu beachten haben, ist die Sinnhaftigkeit einzelner Projekte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Prioritätenliste. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wo?) Darauf komme ich gleich zu sprechen. – Zurück noch einmal zum Entideologisieren, Frau Kollegin Lichtenberger. Entideologisieren bedeutet für mich nicht – und das betone ich mit Nachdruck! – ein bedingungsloses Forcieren von Investitionen in den Straßenbau, sondern ein sinnhaftes Zurverfügungstellen von Ressourcen. Selbst ein berühmter Kollege von Ihnen aus Tirol, der mich zu Versammlungen auf den Brenner eingeladen hat – Sie wissen sicherlich, wen ich meine –, hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass der Gütertransport auf der Schiene im Unterinntal leider Gottes abnimmt, dass eben große Investitionen nicht so verwendet werden, wie es wünschenswert wäre. Also noch einmal: Entideologisierung! (Abg. Dr. Lichtenberger: Der weist aber bitte auch auf Kostenwahrheit hin!)

Jetzt tatsächlich zum Thema Prioritätensetzung, aber ich bitte gleich um Verständnis dafür, dass ich da jetzt keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe – aber um der Diskussion der letzten Tage gleich ein Argument entgegenzustellen, etwas, das meinem Dafürhalten nach sinnvoll ist, und zwar der viergleisige Ausbau der Westbahn. Ich betone das mit Nachdruck, und ich denke, dass es niemanden hier im Hause gibt, der dem widersprechen würde. Und es wird wohl auch niemanden hier im Hause geben, der sich nicht ebenfalls die Frage stellt, warum der Ausbau der Bahnstrecke Wien–St. Pölten nicht im SCHIG-Programm, nicht in all diesen Prioritätenlisten vorkommt. Dass das nicht vorkommt, ist Faktum. Hiebei handelt es sich jedoch um ein Projekt im Bereich Schiene, im Bereich Westbahn, das höchste Dringlichkeit hat.

Das, was ich jetzt angekündigt habe, heißt nichts anderes als eine Umreihung einzelner Abschnitte. Sie werden mir auch keinen Verkehrsexperten von Rang und Namen nennen können, der erklären würde, dass der Ausbau des Lainzer Tunnels oder der Ausbau der Güterzug-Umfahrung St. Pölten von größerer Priorität als der Ausbau der Bahnstrecke Wien–St. Pölten wäre. – Daher auch diese Umreihung. Es erklärt mir jeder Experte, dass selbst der Bau der Güterzug-Umfahrung St. Pölten und der des Mittelteils des Lainzer Tunnels – einige Wiener dürften nicht wissen, dass es trotzdem eine leistungsfähige Verbindung zwischen Ost- und Westteil gibt – erst dann sinnvoll ist, wenn die Bahnstrecke Wien–St. Pölten viergleisig ausgebaut ist.

Wie ich bereits angekündigt habe, werde ich also so vorgehen, wie das in dieser Prioritätenreihung festgelegt wurde.


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Da hier auch der Ausdruck "Schildbürgerstreich" gefallen ist, wenn ich das zuerst mache, was wichtiger ist, halte ich dem entgegen: Ich bin gerade dabei, das "Ortsschild Schilda" wegzuräumen, damit wieder "Wien" dort steht – und hier vernünftige Maßnahmen gesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Aber ohne Tunnel hat das keinen Sinn!)

Zu einer weiteren Priorität, weil auch in diesem Zusammenhang anderes behauptet wird, und zwar zum Ausbau der Südbahn, zur großen europäischen Spange von Norden nach Süden durch den Semmering. Herr Abgeordneter Eder, wir sind da ja vollkommen einer Meinung, dass dieser "Pfropfen" namens Pröll, der da im Semmering steckt, zu entfernen ist und dass es keinen Sinn macht, warum hiefür bereits 1 Milliarde Schilling an Investitionen erfolgte. (Abg. Parnigoni: Der "Pfropfen" Pröll!)

Zu dieser Aussage stehe ich, und ich erkläre hier ohne "Regional-Populismus", dass nur dann der Ausbau unseres Schienennetzes in der Ostregion von Sinnhaftigkeit ist, wenn wir die Chance nutzen – und das schreibe ich allen ins Stammbuch, auch im eigenen Bereich, damit da keine Missverständnisse in Niederösterreich aufkommen! –, die Strecke, die von unseren nordöstlichen Nachbarn nach Oberitalien geht, durch Österreich, durch den Wiener, durch niederösterreichischen, durch steirischen und durch den Kärntner Raum, zu ziehen, und dazu gehört der Semmering-Basistunnel. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen, der ÖVP und der SPÖ.)

Wenn wir diese Chance versäumen, wird diese Strecke östlich an Österreich vorbeiführen, und dann werden andere Investitionen in diesem Bereich leider Gottes zu unserem Nachteil sein und nicht jenen Sinn ergeben, den wir im Grunde genommen alle haben wollen. Und es wird dann – das, Frau Dr. Lichtenberger, zu Ihrer Information –, wenn diese Bahnstrecke an Österreich vorbeiführt, zu einer stärkeren Belastung der Straße kommen. (Abg. Dr. Niederwieser: Was ist mit dem Inntal?)

Zum nächsten Punkt, den ich aber auch schon angesprochen habe. Da möchte ich auch gleich mit einem Missverständnis aufräumen: Ich bin nicht nur dafür, im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung unsere Infrastrukturbereiche in den Osten Europas auszubauen, sondern auch dafür, dies vorweg zu machen. Das jetzt zur Klärung. (Abg. Dr. Lichtenberger: Schiene oder Straße?)  – Schiene und Straße!

Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, wir werden nicht umhinkommen, auch den Straßenverkehr anzubieten – egal, ob das jetzt Richtung Tschechien, Slowakei, Ungarn oder Slowenien geht. Was den Schienenbereich anlangt, wurden diesbezüglich ja bereits einige Vorleistungen erbracht, Vorleistungen, die allerdings zurzeit noch nicht genutzt werden. – Wie gesagt: Ich lege Wert darauf, dass das auch so verstanden wird, damit ich dann nicht missinterpretiert werde.

Da ich den Zeitpunkt des EU-Beitrittes unserer östlichen Nachbarn mit einer gewissen Sorge betrachtet habe – und noch immer betrachte –, und zwar den Zeitpunkt in Bezug etwa auf deren Anpassung an unser Sozialsystem, an unsere Wirtschaftsdaten und so weiter, möchte ich dazu auch Folgendes sagen: Dieser Zeitrahmen kann nur dann verkürzt werden, wenn vorweg – und das will ich, damit da keinerlei Missverständnis aufkommt – im Infrastrukturbereich sozusagen der Teppich gerollt, die Schienen, die Straßen gelegt werden, um dann zu einer friedlichen und guten Zusammenarbeit, wie wir sie ja vielfach in der Steiermark mit unserem Partner Slowenien bereits pflegen, zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zum Thema "gemeinwirtschaftliche Bereiche auf der Schiene". ÖBB-Generaldirektor Draxler – ich habe das übrigens nicht halbherzig korrigiert, Herr Abgeordneter Parnigoni – ist mit einer Meldung an die Öffentlichkeit gegangen, die mit mir nicht akkordiert war; auch mit keinem anderen Minister, wie mir gesagt wurde. ÖBB-Generaldirektor Draxler hat als Erstmaßnahme angekündigt, sämtliche Nebenbahnen zu schließen. – Das deckt sich nicht mit meinen Vorstellungen.

Ich stehe dazu – das ist hier auch schon angeklungen –: Wenn Einsätze von Zügen so ausschauen, dass in diesen Zügen wirklich niemand mehr sitzt, dann werden wir diese nicht mehr


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bereitstellen. Ich glaube, darauf können wir uns einigen. Vielleicht aber stimmt da auch der Fahrplan nicht. Zu gemeinwirtschaftlichen Leistungen und Verpflichtungen, die wir haben, stehe ich auf jeden Fall, damit auch da keinerlei Missverständnisse aufkommen. Wenn es also der Fall ist, dass Züge völlig leer fahren, dann muss korrigiert werden. Es wird eben auch nicht die Aufrechterhaltung jeder Nebenbahn zu 100 Prozent sinnvoll sein; ich betone das ausdrücklich.

Im Zuge einer Pressekonferenz habe ich auch darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang mit großer Sensibilität – auch im Zusammenhang mit der Wertschätzung für einzelne Regionen, Regionen, die räumlich abgeschlossen sind, die keinen anderen Zugang zu großen infrastrukturellen Einrichtungen haben – vorgegangen werden muss.

Diese Diskussion werden wir führen. Wir werden also nicht mit dem "eisernen Besen" drüberfahren. Man braucht sich keine Sorge darüber zu machen, dass ich von meiner Seite nicht entsprechend Einfluss nehmen und meine Gedanken einfließen lassen würde.

Nun zu einigen angesprochenen Punkten. Belastungen durch LKW, Road-Pricing: Das ist im Laufen. Ich gebe Ihnen Recht, dass der derzeitige Zustand unbefriedigend ist und wir daher alles daransetzen müssen, dass wir diese LKW ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Wann?)  – 1. Juli 2002 ist das Vorhaben. Wenn es schneller geht, ist es mir recht. Ich bin bemüht, dass wir ein Mautsystem auf ausschließlich elektronischem Wege zustandebringen, das eine viel gerechtere und umfassendere Form des Inkassos und der Kontrolle darstellt, das heißt also ohne Mauthütten. Diesbezüglich gibt es unterschiedliche Ansichten, aber wir werden die Zeit der Ausschreibung gut nutzen, um zu entsprechenden Erkenntnissen zu kommen. Die Weiterentwicklung wird rasch erfolgen. Das wird in den nächsten Monaten der Fall sein. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wann?)

Das deutsche Verkehrsministerium geht davon aus, dass es auf die Mauthütten verzichten kann. Bei uns wird die Entscheidung in den nächsten Monaten fallen, und zwar im Rahmen der Vergabe der Leistungen. (Abg. Dr. Lichtenberger: In den nächsten Monaten?)

Betreffend Bremsklotz. Ihre Worte hinsichtlich Draxler habe ich zur Kenntnis genommen, wir werden daran schmieden. Aber ich möchte, was Generaldirektor Draxler betrifft, schon eines sagen: Er hat die Aufgabe erhalten, in sein Unternehmen einen wirtschaftlichen Standpunkt einzubringen. Das tut er, das ist legitim, das gestehen wir ihm bitte alle zu. In diesem Sinne ist ja die Ausgliederung erfolgt. Es wird allerdings unsere Aufgabe sein, auch noch andere Betrachtungsweisen einzubringen und diesen Raum zu geben. Dafür bin ich verantwortlich.

Frau Dr. Lichtenberger! Sie haben viele Fragen aufgeworfen, und zwar im Hinblick auf kilometerbezogene Belastung bei PKW, nicht Fixkosten. Das sind längerfristige Vorstellungen, die sicherlich jedem Einzelnen in Österreich recht sein werden, wenn wir die Erfassbarkeit gewährleisten können. Dass man jetzt in einer schon sehr unübersichtlichen Form – Mineralölsteuer, Vignette, Maut, Versicherungssteuer et cetera – den Autofahrer belastet, ohne dass es zu einem Ausgleich im Hinblick auf die tatsächlichen kilometerbezogenen Belastungen kommt, ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber ich bin überzeugt davon, dass das eine Entwicklung ist, die in den nächsten zehn Jahren mit GALILEO über GPS-Verfahren möglich sein wird. Zurzeit ist eine Erfassung, die in diese Richtung geht, sehr schwierig.

Öko-Punkte und Maut: Ich werde versuchen, dieses Erbe im Sinne der Tiroler Bevölkerung im Besonderen zum Guten zu wenden. (Abg. Dr. Lichtenberger: Was ist mit dem rechtswidrigen Kompromiss?) Sie kennen die Probleme. Ich habe den Transitvertrag nicht erfunden. Er ist in seiner Sinnhaftigkeit bezüglich Beobachtungsphase und so weiter, auch mit Ausgangspunkt 40 Prozent falsche Angaben, natürlich ein schwieriges Erbe. Ich hoffe, dass wir am 26. Juni zu einem guten Ergebnis kommen werden. (Abg. Dr. Lichtenberger: Was ist mit dem Kompromiss zwischen Ihnen und der Wirtschaftskommissarin?)  – Ich hoffe, dass wir am 26. Juni im Verkehrsministerrat zu einem Ergebnis kommen werden. Der Kompromiss zwischen mir und Frau Kommissarin de Palacio hält. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist rechtswidrig!)  – Lassen Sie mich ausreden, dann werden Sie das auch erfahren!


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Es gibt nur das Problem, dass der Juristische Dienst der Europäischen Kommission ein Problem darin sieht. Die Frau Kommissarin hat bereits alle europäischen Verkehrsminister angeschrieben und mir zugesagt, das sie in höchstem Maße darum bemüht sein wird, dieses Problem zu beseitigen und im Sinne unseres Kompromisses, der ja eine Gesamtverringerung bis Ende 2003 vorsieht, auch zu einem Ergebnis zu kommen.

Ich habe auch bei den Besprechungen in Brüssel mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass wir die Einhaltung des Vertrages einfordern. Wenn es zu einer Verbesserung käme, wäre es uns auch recht.

Zum Schluss noch Folgendes: Herr Abgeordneter Eder, Kürzungen im Straßenbereich. – Ich als jemand, der sich der Bauwirtschaft in besonders hohem Maße verbunden sieht, werde in höchstem Maße darum bemüht sein, dass wir im Budget 2001 – und das ist das Kernbudget – für unsere Bauwirtschaft die entsprechenden Investitionsmittel zur Verfügung stellen. Das, was vom Budget 2000 umschichtbar ist, ohne dass es zu Einbrüchen kommt, wird natürlich gemacht. Aber die Stunde der Wahrheit für die Investitionen wird im Budget 2001 schlagen, und da werden wir höchsten Bedarf haben.

Ich werde mich mit den entsprechenden Berechnungen beim Finanzminister einstellen. Auch wir wissen, dass im Bundeshochbau, im öffentlichen Hochbau die Aufträge rückläufig sind, und zwar nicht einmal auf Grund von Budgetknappheit, sondern einfach auf Grund von Bedarfsknappheit. In Wien selbst gibt es bereits, wie ich meine, ein hohes Ausmaß von geförderten leer stehenden Wohnungen. Niederösterreich ja. Aber wir sind auf dem Weg dorthin. Wir sind auf dem Weg zu einer hohen Bedarfsdeckung, was einerseits erfreulich ist für die Nutzer, andererseits aber nicht erfreulich ist für die Bauwirtschaft. Ich nehme das sehr ernst und werde mich auch in Ihrem Sinne dafür einsetzen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. – Bitte.

10.26

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat in seinem Beitrag behauptet, der Ausbau der Südbahn hätte in seiner Arbeit Priorität. – Das entspricht nicht der Wahrheit. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Das ist eine politische Wertung!)

Tatsache ist erstens: Der Herr Bundesminister hat im Zusammenhang mit dem Semmering-Basistunnel einen Baustopp verfügt. Zweitens: Der Herr Bundesminister hat das Projekt Koralm-Tunnel ad acta gelegt. Drittens: Der Herr Bundesminister hat das Projekt des Ausbaus der Schiene im Süden von Graz vor einer Woche gestoppt. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ein Missbrauch der Geschäftsordnung!) Es kann also von einer Priorität für die Südbahn überhaupt keine Rede sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu dieser tatsächlichen Berichtigung hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

10.27

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es fällt mir schwer, derartigen Behauptungen emotionslos und rein sachlich gegenüberzutreten. Herr Abgeordneter, ich sage Ihnen jetzt Folgendes: Wenn Sie den steirischen Wahlkampf hier damit auffüllen, indem Sie Falsches über meine Aktivitäten berichten, dann ersuche ich Sie in aller Form, die Verunsicherung der Bevölkerung hintanzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe keinen Baustopp am Semmering verfügt. Sie sind unheimlich schlecht informiert. Am Semmering wurde nicht gebaut, es wurde lediglich gepumpt, und zwar seit einem Dreivierteljahr,


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das heißt, es gab gar keine Bautätigkeiten. Das, was ich gemacht habe, ist, dass ich festgestellt habe, dass für den Semmeringtunnel keine durchgehende Genehmigung existiert. Ich glaube, dass das eigentlich Sache jedes verantwortungsvollen Managers einer Firma ist, der Milliarden investiert und wissen muss, dass er erst dann öffentliche Gelder einsetzen kann, wenn er eine Genehmigung hat. Ich baue ja auch keinen Keller, wenn ich keine Genehmigung für das Dach habe. Das habe ich festgestellt. Der Bau ist bereits ein Dreivierteljahr gestanden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Verantwortungsbewusst von meinem Vorgänger vermutlich nicht weiter forciert.

Wenn Sie sagen, dass ich Projekte im Süden von Graz gestoppt habe, dann muss ich dem entgegenhalten: Nennen Sie mir ein Projekt, das ich gestoppt habe! Es wird immer behauptet, ich hätte zwei von vier Schienen weggenommen. Richtig ist, dass dort ein Bedarf von 430 Zügen ermittelt wurde, wobei 70 derzeit fahren. Herr Abgeordneter! Im Jahre 1997 wurde eine Bauübertragung für zwei Schienen gemacht. Informieren Sie sich bitte, bevor Sie hier etwas behaupten! Es gibt von meinem Vorgänger eine Bauübertragungsverordnung aus dem Jahre 1997 für zwei Schienen. Diese beiden Schienen werden gebaut. Es wird ebenfalls zusätzlich die eisenbahnrechtliche Verhandlung für vier Schienen durchgeführt.

Ich habe lediglich eines gesagt: Der Ausbau der vier Schienen wird dann erfolgen, wenn entsprechend viele Züge dort fahren. Wenn irgendjemand in diesem Land heute noch Schienen baut, auf denen keine Eisenbahn fährt, somit also Milliarden an öffentlichen Geldern verschwendet, dann sollte er sich, so meine ich, aus der politischen Verantwortung verkrümeln. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber ich sage noch einmal mit Nachdruck: Ich habe nichts weggenommen. Es sind zwei Schienen übertragen, es sind zwei Schienen verordnet, und es werden vier Schienen genehmigt. Ich habe nichts weggenommen! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis und hören Sie auf, hier der steirischen Bevölkerung die Unwahrheit zu sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Keine Polemik von der Regierungsbank! – Ruf bei den Freiheitlichen: Keine Polemik vom Rednerpult!)

10.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schöggl. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Nach diesen Versuchen von Kollegen Kräuter, der nach eigener Aussage einer der schlechtest bezahlten und unterbezahlten Abgeordneten ist – ich erinnere an die Debatte über das Bezügegesetz –, hier ein bisschen steirischen Wahlkampf zu machen, möchte ich doch sagen, dass ich meine, dass er durchaus zumindest ausreichend honoriert wird.

Um das ein für alle Mal auch für die Besucher auf der Galerie klarzustellen und in Erwiderung auf die Ausführungen von Kollegen Eder ein Vergleich der beiden Modelle betreffend Budgetplanung: Das Modell Sozialistische Partei/ÖVP hätte 6,5 Milliarden Schilling an Belastungen für die Autofahrer durch die Erhöhung der Mineralölsteuer und 2 Milliarden Schilling an Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Vignettenpreise bedeutet. Das ergibt in Summe 8,5 Milliarden. Das ÖVP-FPÖ-Regierungsmodell bedeutet 4,5 Milliarden Schilling an Einnahmen durch die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer und 2 Milliarden, also denselben Betrag, durch die Erhöhung der Vignettenpreise. Das ergibt 6,5 Milliarden Schilling. Das heißt, das ÖVP-FPÖ-Regierungsmodell geht wesentlich schonender mit dem Autofahrer, nämlich um 2 Milliarden Schilling schonender, um, während die SPÖ mit voller Härte und Brutalität gegen die Autofahrer vorgegangen wäre. Das muss einmal richtig gestellt werden, und ich hoffe, es haben jetzt alle begriffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich jetzt der Innovations- und Technologiepolitik zuwenden. Es war immer ein Schwachpunkt der österreichischen Technologiepolitik, dass man gesagt hat, sie wäre sehr fraktioniert und unübersichtlich. Die technologiepolitischen Instrumente und Akteure wären nicht entsprechend zusammengefasst. Ich stelle fest, dass das neue Bundesministeriengesetz ein Schritt in diese Richtung war, dass man es endlich einmal


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versucht und in die Hand genommen hat, die Technologiepolitik in einen Kompetenzbereich zu bringen, dafür also einen Verantwortlichen zu haben. Ich denke, das ist für Forschung, Entwicklung und Technologie ein Schritt in die richtige Richtung und war ein großer Erfolg für diese Regierung.

Sehr verehrte Damen und Herren! Das Ziel, die Forschungs- und Entwicklungsausgaben zumindest möglichst rasch an den OECD-Durchschnitt anzupassen und ebenso möglichst rasch die gewünschten 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen, darf nicht aus den Augen verloren werden, und diese Regierung wird es sicherlich nicht aus den Augen verlieren.

Es ist notwendig, einen Vergleich mit anderen Technologie orientierten und erfolgreichen europäischen Staaten anzustellen. Finnland gibt immerhin fast 3 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Forschungs- und Technologieförderung aus. Das muss ein Maßstab sein, an dem wir uns zu orientieren haben.

Wichtig wird es aber auch sein, die Auswirkungen der Steuerreform zu überprüfen, die die Möglichkeit eröffnet, auch Personalkosten von Mitarbeitern, die im Forschungs- und Technologiebereich eingesetzt werden, steuerlich geltend zu machen. Wir hoffen, dass sich dies in sehr hohem Ausmaß stimulierend auf die Forschungsquote auswirken wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der, wie wir alle wissen, notwendigen Budgetsanierung und des in allen Bereichen notwendigen Sparens ist es gelungen, die größten forschungs- und technologierelevanten Einrichtungen, nämlich die Fonds, namentlich den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung als Träger der wissenschaftlichen Forschung, aber auch den Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft als Förderungsinstrument für den anwendungsorientierten Bereich, aber auch den Innovations- und Technologiefonds als forschungsrelevante Organisation der Regierung und Träger der österreichischen Weltraumaktivitäten, die zwar bescheiden sind, aber immerhin große Rückflüsse für unsere Werkstoffindustrie bringen – ich denke da nur an die Firma Böhler –, in gleicher Höhe wie im letzten Jahr beziehungsweise sogar leicht erhöht aus dem Budget zu dotieren. Und das ist ein großer Erfolg für diese Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass der Forschungsförderungsfonds aus dem Budget des Ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie mit 530 Millionen Schilling dotiert wird und der FWF aus dem Budget des Ministeriums für Forschung, Innovation und Technologie mit 405 Millionen Schilling und aus dem Wissenschaftsbudget mit etwa 200 Millionen Schilling dotiert wird. Das heißt also, die auch von Klubobmann Van der Bellen in der Diskussion in der Sendung "Zur Sache" behauptete Kürzung der Forschungsmittel findet nicht statt. Auch das muss von dieser Stelle aus einmal richtig gestellt werden. Wenn jemand das Budget nicht lesen kann, dann, muss ich sagen, liegt das im eigenen Bereich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Ausfluss wesentlicher Erkenntnisse der letzten Zeit ist die Umstellung der Innovationsstrategie von der Prozessinnovation zur Produktinnovation, weil sich ganz klar herausgestellt hat, dass letztgenannte beschäftigungsrelevanter und auch für die Unternehmensergebnisse von wesentlich größerer Bedeutung ist. Aus diesem Grunde streben wir an, dass sich auch der ERP-Fonds zunehmend in diesem Bereich engagiert. Aus unserer Sicht sollte der ERP-Fonds in Zukunft schwerpunktmäßig im Bereich Innovation, Forschung und Technologie aktiv werden.

Zum Abschluss noch einige Worte zur außeruniversitären Forschung. Auch diese, vertreten durch die großen Institutionen wie Joanneum Research, das Arsenal verbunden mit Seibersdorf, muss in Zukunft einen einzigen Ansprechpartner haben. Eingebunden gehören auch die forschungsrelevanten kooperativen Institute des ACR, die derzeit etwas im luftleeren Raum schweben und noch dem Wirtschaftsministerium zugeordnet sind. Auch diese sollten wir in das Innovationsministerium eingliedern, natürlich auch mit der entsprechenden Mittelausstattung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen große Hoffnungen in den in Kürze hochkarätig zu besetzenden und einzurichtenden Rat für Forschung und Technologie, der einerseits


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politisch unbeeinflusst, andererseits eben auch hochkarätig besetzt Visionen, Schwerpunktprogramme und technologiepolitische Leitlinien für Österreich erarbeiten soll. Ich denke, dass dieser Rat die wirtschaftliche und technologiepolitische Situation Österreichs wesentlich verbessern wird.

Die Forschungs- und Entwicklungspolitik ist bei dieser Regierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, und bei diesem Minister in guten Händen. Die Erfolge werden sich einstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

10.38

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sie sind zunächst Augen- und Ohrenzeugen einer vergleichsweise engagiert geführten Verkehrsdebatte und danach einer vergleichsweise unemotionalen und sachlichen Darlegung von Seiten des Ministers geworden.

Herr Minister Schmid! Ein Zitat von Ihnen: Sie wollen die Offenlegung der Realität. Ich darf Ihnen jetzt ein paar Realitäten präsentieren, weil Sie sich als Minister noch nicht so einzementiert, noch nicht so einasphaltiert, vielleicht noch nicht so eingehaust haben im Sinne von Tunnellösungen wie andere Ihrer Vorgänger, einige dieser Realitäten, auf die Sie ja so Wert legen und die Sie offen gelegt haben wollen, und Sie dann ersuchen – und das ist mein primärer Anspruch –, endlich vor allem ökologische, ökonomische und auch soziale Leitplanken für eine Verkehrspolitik zu entwickeln, die erstmalig dadurch möglich geworden ist, dass Straße und Schiene jetzt in einer Hand vereint sind.

Unser Plädoyer ging immer in die Richtung, dass wir endgültig geklärt haben wollen, dass die Verkehrspolitik in Österreich ökonomisch, ökologisch und sozial eingerahmt wird, somit also Leitplanken, Orientierungspunkte, auch Werthaltungen und Ideologien zur Verfügung stehen.

Aber zurück zur Realität, die Sie ja einfordern beziehungsweise die Sie selbst offen zu legen gewillt sind. Hier darf ich mit einem Bonmot Ihrerseits beginnen. Sie haben ja darauf hingewiesen, Sie wollen die Bauwirtschaft durchaus berücksichtigen und bei Ihren Aktivitäten darauf Bedacht nehmen, dass die Bauwirtschaft nicht zu kurz kommt. Ich danke Ihnen, das ist frank und frei ausgesprochen. Die Verkehrspolitik dient auch der Bauwirtschaft. Für mich ist das allerdings an gewissen Realitäten vorbeigesagt, vorbeigesprochen und auch vorbeiagiert.

Kommen wir zu jenen, die die Realität relativ umfassend zu beurteilen und auch darzulegen gewohnt sind, kommen wir zur EU-Kommission! Kommen wir zu diesen Experten auf europäischer Ebene, die Sie sicherlich auch nicht in Diskussion stellen, sondern an denen Sie sich zum Teil vielleicht auch orientieren werden. Sie führen ja auch immer wieder Verhandlungen mit der Frau Kommissarin. Kommen wir zurück zu den Realitäten des EU-Grünbuches: effiziente und faire Preise.

Für mich ist das eine Basis, auf der Verkehrspolitik betrieben werden kann, für mich ist das eine europäische Basis, auf der Verkehrspolitik betrieben werden soll. Diese Realitäten werden Sie, Herr Minister, vielleicht doch hoffentlich in Ihrer Verkehrspolitik einmal berücksichtigen, und darum ersuche ich Sie. (Beifall bei den Grünen.)

Ich darf zur ersten Realität kommen, die dort deutlich herausgestrichen ist: Kostenwahrheit. Kostenwahrheit im Verkehrsbereich ist die Grundlage einer gerechten Verkehrspolitik, ist die Grundlage vor allem auch einer ökonomischen, einer effizienten Verkehrspolitik. Kollege Kukacka vergleicht ja immer Bahnkilometer und Straßenkilometer und stellt die momentanen Kostenrelationen her. Punktuell gesehen hat er sicherlich Recht. Er unterschlägt allerdings immer zwei Dinge, die auch zur Realität zählen. Das eine Faktum ist, dass in die Bahn jahrzehntelang nicht investiert wurde und dort jetzt sozusagen ein Rückstau aufzuholen ist.


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Das Zweite, was er nicht berücksichtigt, was er immer wieder ins Abseits stellt oder nicht konkret diskutieren will, ist die Tatsache, dass der Autoverkehr, der Verkehr auf der Straße einfach zu 50 Prozent nicht kostenwahr ist. Das stellt auch das EU-Grünbuch immer wieder fest. Das wird in verkehrspolitischen Auseinandersetzungen immer wieder nicht auf den Tisch gelegt. (Abg. Mag. Kukacka: Die Eisenbahn ist auch nicht kostenwahr!)

Ein Drittes: Herr Kollege Kukacka! Sie sollten endlich den Mut haben, wenn Sie Realitäten immer wieder als vorrangig betrachten, zu sagen, dass innerhalb des motorisierten Verkehrs der PKW-Verkehr ungleichgewichtig behandelt wird. Kollege Parnigoni sagt, die LKW nützen die Straßen um – wie ich meine – 163 000-mal mehr ab als die PKW. Das ist auch ein Faktum, bitte! Es erfolgt eine Umverteilung innerhalb der motorisierten Welt vom Individualverkehr, vom PKW- in Richtung LKW-Verkehr. Da wird quersubventioniert. (Abg. Mag. Kukacka: Da haben wir ein EU-Problem!)  – Freilich, darum habe ich ja die EU-Ebene angesprochen.

Wir sollten doch endlich einmal den Mut haben – da möchte ich gleich auch auf Ihre Maut-Philosophie zu sprechen kommen –, Kostenwahrheit im Güterverkehr einzufordern. (Beifall bei den Grünen.) Dann würde sich vieles auch wirtschaftlich völlig effizienter gestalten. Diese Mülltransporte, diese Kacheltransporte von Italien in andere EU-Staaten in Tiefkühlladern, damit sie nicht unter das Wochenendfahrverbot fallen – das sind Dinge, die dann nicht mehr möglich wären, die endlich einmal beseitigt würden, wenn wir diese Kostenwahrheit einführten.

Der Weg, den Sie beschreiten, Mautsystem 2001 – die Frage ist noch Hütterl oder elektronisch –, ist nur ein halbherziger Schritt, zum Teil sogar ein Rückschritt. Wesentlich ist, dass wirklich jeder gefahrene Kilometer das kostet, was er kostet, ganz egal, ob auf der Straße oder auf der Bahn. Machen wir konkret wirklich einen Kassasturz und fangen wir von neuem an, und zwar auf Basis von Kostenwahrheit! (Abg. Mag. Kukacka: Dann fährt niemand mehr auf der Bahn! Dann wird das Bahnfahren zehn Mal so teuer!)

Dann rechnen Sie die Lärmemissionen, die Lärmschäden dazu. Das macht alles die EU. Dann rechnen Sie die Abgassituation und die Unfallbilanz dazu – etwas höchst Unökonomisches und Menschenfeindliches. Mit dieser Verkehrspolitik, die straßenorientiert ist, gefährden Sie Menschenleben. Über diesen Punkt ist in dieser Debatte überhaupt noch nicht gesprochen worden. Wir müssen mehr dahin gehend tun, auch im Sinne einer realistischen Verkehrspolitik, dass wir wieder die Verkehrssicherheit mehr in den Vordergrund stellen. Und dann schaut es auch für die Bahn günstiger aus, dann gibt es auch da Kostenwahrheit. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Da Sie ja immer so vorrangig auf die Realität hinweisen und diese in Ihrem Entscheidungshorizont auch so vorrangig positionieren, möchte ich auch darauf hinweisen, dass Österreich im internationalen Vergleich die meisten Autobahnkilometer pro Einwohner hat. Bitte, eine Graphik! (Die Rednerin hält eine Graphik in die Höhe.) Da ist nicht viel nachzuholen, sage ich ganz konkret, im Bahninfrastrukturbereich hingegen schon.

Nächste Realität, Herr Minister: Mineralölsteuern. Im EU-Vergleich sind wir bei bleifreiem Benzin weit hinter Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Deutschland, Belgien, Italien, Schweden, Portugal, Dänemark und Großbritannien. In all den aufgezählten Ländern ist die Mineralölsteuer höher. Wir sind weiter hinten. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Ich bin nicht für eine Erhöhung, sondern ich bin für die fahrleistungsbezogene Kilometerabgabe in Kombination mit Ökobonus. Das habe ich wiederholt hier festgestellt, und damit möchte ich mit dem Gerücht aufräumen, das Sie uns immer wieder anhängen, dass wir einen Benzinpreis von 30 S oder 35 S haben wollen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen gleich eine Wette anbieten, Herr Kollege Kukacka. Wenn Sie uns die schriftliche Unterlage bringen, wonach Kollegin Petrovic einen Benzinpreis von 35 S verlangt hat, dann zahle ich Ihnen eine Tankfüllung für Ihr Auto. – Wenn dies nicht der Fall ist, zahlen Sie mir eine Monatskarte bei den Verkehrsbetrieben in Wien oder Linz. Das ist doch ein Angebot. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Die Wette nehme ich an!) Im Sinne einer gerechteren und effizienteren Verkehrspolitik steige ich sogar auf Ihr Verkehrsniveau hinunter, wenn Sie mir eine Monatskarte bezahlen. (Abg. Mag. Kukacka: Die Wette gilt!)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich halte für das Protokoll fest, dass die Wette gilt. Ist in Ordnung. (Heiterkeit.)

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Danke schön. – Weitere Realitäten: Herr Minister! Sie wissen genau – zumindest haben Sie davon gehört, sonst möchte ich es Ihnen vermitteln –, dass sich 50 Prozent der PKW-Fahrten in einem Bereich abspielen, der fünf Kilometer nicht überschreitet. Stellen Sie sich das vor, fünf Kilometer können Sie genauso gut mit dem Fahrrad zurücklegen, können Sie relativ günstig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Wo denn, bitte? Wissen Sie, dass es eine Reihe menschlicher Räume gibt, wo es den öffentlichen Verkehr nicht gibt?) Ich will ja nicht sagen, dass Sie vielleicht auch einen Teil davon zu Fuß zurücklegen könnten.

Diese 50 Prozent PKW-Fahrten kann man sicherlich im Sinne einer gerechten und auch effizienten Verkehrspolitik auf umweltschonendere Verkehrsträger verlagern. Das ist eine Frage des Verhaltens, das ist immer eine Frage der Rahmenbedingungen. Aber bitte beachten Sie auch diese Realität in Ihrer Verkehrspolitik.

Zum Schluss möchte ich noch deutlich Ihre EU-Vorgangsweise hervorkehren. Sicherlich, Sie haben einen Kompromiss ausgehandelt, Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie mehr oder weniger auch in diesem Fall ein Erbe übernommen haben, einen Transitvertrag, der bei weitem nicht das bringt, was er hätte bringen sollen, der von vornherein völlig falsch konzipiert war.

Ich möchte nur auf eines noch zusätzlich hinweisen, abgesehen von dieser Öko-Punkterhöhung: Wir stehen vor der Ostöffnung beziehungsweise Osterweiterung. Derzeit sind diese Fahrten noch kontingentiert. Bitte, was passiert, wenn wir Verträge abschließen? Was passiert, wenn sich der ganze Ost-West-Güterverkehr im vollen Umfang – auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung wird sich das ja hauptsächlich auf der Straße abspielen, außer es wird umgesteuert – über die West Autobahn ergießt? – Herr Minister, dann brauchen Sie nicht eine dritte Spur, dann brauchen Sie eine vierte und fünfte Spur. Und nach zehn Jahren brauchen Sie die sechste Spur.

Das ist nämlich das Grundproblem. Auf diese Realität möchte ich Sie abschließend hinweisen: Wenn Sie Straßen bauen, dann erleichtert das das Autofahren. Aber in kürzester Zeit ist dann diese Straße wieder zugestaut. Beispiel Linz, Umfahrung Ebelsberg. Jeder Experte sagt: 2,2 Milliarden Schilling investiert, in vier Jahren wieder zugestaut.

Ich frage mich: Was ist da ökonomisch? Diese ökonomische Realität steht auch bei unserer grünen Verkehrspolitik neben dem Gerechtigkeitsaspekt im Mittelpunkt, und die Antwort heißt einfach Kostenwahrheit. Bitte, Herr Minister, legen Sie die Schere, legen Sie den Aspekt der Kostenwahrheit an, dann schaut die Verkehrspolitik ganz anders aus und ist nicht nur im Sinne der Bauwirtschaft oder der PKW- und LKW-Fahrer. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Die Uhr ist auf 12 Minuten gestellt. – Bitte.

10.50

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle kennen Zeitungsberichte über den schlechten Zustand unserer Straßen zur Genüge. "Transithölle am Wochenende" oder "Rumpelstraße West Autobahn" lauten die Überschriften von Zeitungsberichten über die Verkehrssituation und den baulichen Zustand unserer Straßen. Aber wir müssen uns gar nicht auf solche Berichte beziehen. Tagtäglich wird es uns vor Augen geführt, und wir sind ja selber Zeugen dafür, wie der Zustand unserer Straßen ist.

Vor allem angesichts einer künftigen Erweiterung der Europäischen Union ist es unsere Pflicht, die vorhandene Infrastruktur zu erhalten und weiter auszubauen. Eine funktionierende Wirt


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schaft verlangt intakte Transportwege. Durch die Erweiterung der Europäischen Union wird das Verkehrsaufkommen in Österreich als logische Konsequenz des erhöhten Waren- und Personenverkehrs um ein Vielfaches steigen. Spätestens dann wird es vollends undenkbar sein, dass sich zum Beispiel die West Autobahn als Dauerbaustelle darstellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben das Bild der LKW-Kolonnen vor Augen, die sich auf der West Autobahn hin und her wälzen. Deshalb verlange ich, dass endlich mit dem sechsspurigem Ausbau der West Autobahn begonnen wird und das durchgehend durchgezogen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang fordere ich auch ein professionelleres Baustellenmanagement. Laut Expertenmeinung steht die West Autobahn schon jetzt an der Grenze ihrer Belastbarkeit, und man muss bei Gott kein Experte sein, um das zu erkennen. Ich selber spreche da aus leidvoller Erfahrung. Notwendiger Bestandteil einer verantwortungsvollen Verkehrspolitik ist es auch vorauszudenken. Man muss bereits jetzt die sich für die Zukunft abzeichnenden Entwicklungen in die Planung miteinbeziehen. Das ist leider in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt worden. Die notwendigen Schritte hätten eigentlich schon viel früher gesetzt werden müssen. Nicht erst seit heute ist bekannt, dass die Belastung der österreichischen Infrastruktur stark steigen wird.

Unter diesem Gesichtspunkt fordere ich auch den durchgehend vierspurigen Ausbau der B 125, um die Sicherheit zu erhöhen und dem erhöhten Verkehrsaufkommen von und nach Tschechien Rechnung zu tragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, und es ist unsere Aufgabe, die nötigen Schritte in der Infrastruktur jetzt zu setzen, um bei der Erweiterung der Europäischen Union die uns durch die Lage unseres Landes in der Mitte Europas gegebene Chance nützen zu können. Schon jetzt pflegt unsere Wirtschaft intensive Kontakte mit unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarn, die noch wesentlich verstärkt werden könnten.

Ziel ist es, das hochrangige TEN-Straßennetz mit dem sich in Realisierung befindlichen TINA-Netz zu verknüpfen. Wie wichtig das auch in den Augen unserer Partner in der Europäischen Union ist, beweist die Aufstockung des INTERREG-Fördertopfes, der von der EU speziell für das Grenzland beziehungsweise für grenzüberschreitende Projekte eingerichtet wurde.

Die österreichischen Grenzregionen könnten für INTERREG-Projekte im Zeitraum 2000 bis 2006 zirka 2,5 Milliarden Schilling erhalten. Eine intakte Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung für einen funktionierenden europäischen Wirtschaftsraum. Daher liegt es in unser aller Interesse, diese Projekte voranzutreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Um Ihnen die Bedeutung der Öffnung der ehemaligen Länder des Ostblocks vor Augen zu führen: Vor zehn Jahren hatten wir einen Exportüberschuss von zirka 7 Milliarden Schilling, und bereits im Jahre 1998 hatten wir über 32 Milliarden Schilling Exportüberschuss, also mehr als das Vierfache.

Ein leider immer wieder vernachlässigter Punkt, der mir persönlich jedoch sehr am Herzen liegt, sind die vor allem für den Tourismus, aber auch für unsere Mitbürger und die Umwelt wichtigen Ortsumfahrungen. Diese müssen ausgebaut werden. Es ist nun einmal so, unsere Gäste kommen dann gerne zu uns, wenn sie problemlos anreisen können. Dort, wo sie Staus oder Probleme befürchten, bleiben sie fern. Ich verlange deshalb, dass im zukünftigen Budget für Bundesstraßen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Als Beispiel möchte ich hier die Ortsumfahrung Traunkirchen nennen, die eine erhebliche Entlastung für die Bevölkerung des Salzkammergutes bedeuten würde. Die Situation stellt sich heute so dar, dass der gesamte Verkehr, also auch der Schwerverkehr, mitten durch den Ort geht und die Einwohner belastet. Es kommt immer wieder zu Unfällen. Auch für den Tourismus ist all das sehr schädlich. Ich fordere deshalb, den Bau der Ortsumfahrung Traunkirchen möglichst rasch zu verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Die Doppelbödigkeit Ihrer Verkehrspolitik, vor allem der Ihren, Herr Ex-Minister Einem, beweist der Slogan, den Sie geprägt haben: "Schiene statt Verkehrslawine". (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Die Propagierung dieses Slogans wurde aus Steuermitteln finanziert, hat Millionen gekostet, und zum selben Zeitpunkt haben die ÖBB verschiedene Betriebe erworben und sind gleichzeitig zum größten LKW-Frächter Österreichs geworden. (Abg. Auer: Stimmt das?) Das beweist, wie Sie Verkehrspolitik betreiben. Darüber hinaus ist es eigentlich verwunderlich, dass die roten Verkehrsminister so lange so wenig getan haben, um in diesem Bereich wirksame Maßnahmen zu setzen.

Eines möchte ich gleich vorwegnehmen: Wir brauchen beides, wir brauchen die bestmöglichen Straßenverbindungen, und wir brauchen die bestmöglichen Schienenverbindungen sowie den Ausbau der Wasserstraßen. Alle Bereiche sollen gleichermaßen ausgebaut und den Erfordernissen angepasst werden. Aber leider liegt die Konzentration zurzeit hauptsächlich auf den Schienen. Es müssen vermehrt Mittel für den Straßenbau zur Verfügung gestellt werden. Die Gewichtung für den Ausbau unserer Infrastruktur, die aus der Zeit der roten Verkehrsminister stammt, muss dringend neu justiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist die finanzielle Situation durchaus bekannt, doch um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern, sind Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur unvermeidlich. Es muss auch das nötige Geld für den Straßenbau aufgetrieben werden. Die einzige Möglichkeit, die Finanzierung des Straßenbaus langfristig zu sichern, ist ein funktionierendes Road-Pricing-System. (Abg. Gradwohl: Jawohl!) Deshalb bin ich froh, dass die Ausschreibung für das duale System bereits läuft und ergänzend Herr Bundesminister Schmid eine Studie in Auftrag gegeben hat, bei der alle auf dem Markt befindlichen Systeme auf ihre Funktionsfähigkeit und Effizienz untersucht werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich hoffe, dass somit rasch das wirtschaftlich beste System für Österreich gefunden und verwirklicht wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Noch ein paar kurze Anmerkungen zur österreichischen Weltraumpolitik. Seit Österreich Mitglied der ESA, der Europäischen Weltraumorganisation ist und sich am Ariane-V-Programm beteiligt hat, sind viele Aufträge an österreichische Firmen – bei Ariane V sind 32 österreichische Firmen beteiligt – erteilt worden. Nunmehr gibt es erstmals eine Zusammenarbeit zwischen der ESA und der NASA bei den neuen Transportsystemen für die internationale Raumstation. Auch hier könnten verschiedene Firmen Nischen ausnützen, denn der Stand des Know-how in diesem Bereich ist bei einem Großteil der österreichischen Exportfirmen sehr hoch. Woran es fehlt, ist, dass wir zurzeit keinen nationalen Weltraumplan haben. Dass dazu finanzielle Mittel notwendig sind, ist klar.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, dass Sie mein Scheiben so rasch beantwortet und mir mitgeteilt haben, dass Sie sich bemühen werden, im nächsten Budget für diesen Bereich Mittel bereitzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird daher der Beratungsgruppe X des Bundesfinanzgesetzes gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. Redezeit und Inhalt bitte beachten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.00

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Ellmauer hat soeben behauptet, dass die Konzentration der Mittel derzeit auf der Schiene läge. – Diese Behauptung ist falsch.


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Richtig ist, dass in den letzten 26 Jahren ein einziges Jahr die Schiene annähernd so viele Ausgaben erzielt hat wie die Straße, nämlich im Jahre 1999, und dass in den übrigen 25 Jahren jeweils für die Straße wesentlich mehr ausgegeben worden ist; in Summe 471 Milliarden Schilling für die Straße und 121 Milliarden Schilling für die Schiene. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Für die Erhaltung!)

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. Die Uhr ist auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.01

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, es war schon ein starker Sager von Ihnen, der den Semmering betraf, als Sie nämlich vom "Pröll-Pfropfen" sprachen. Ich habe den Eindruck, dass Sie alle Tage das STS-Lied "I wül wieda ham nach Fürstnföld" singen. Ich glaube, da würden Sie sich wohler fühlen. Sie können das auch ehrlich zugeben. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wo wollen Sie hin?)

Die Verkehrspolitik, die Sie eingeleitet haben, ist ja auch eine Wendepolitik, und zwar eine verkehrspolitische Wende nach rückwärts. Sie verlassen die vernetzte ökologische Verkehrspolitik. Die Kostenwahrheit ist heute schon oft angesprochen worden. Sie sagen immer wieder, jawohl die LKW-Bemautung wird kommen, aber wir hätten das schon längst umsetzen können. Es stimmt, dass es die ÖVP verhindert hat, infolgedessen haben wir heute für die Finanzierung des hochrangigen Straßennetzes zu wenig Geld. Das ist eine Tatsache. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Dass Sie Projekte noch einmal analysieren, noch einmal betrachten, das ist Ihr gutes Recht, das ist legitim. Aber wenn Sie den viergleisigen Ausbau als positive Botschaft übermitteln und gleichzeitig den Lainzer Tunnel stoppen, ist das wirklich ein Haus Schilda, das Sie damit einrichten. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Somit wird der wichtige transeuropäische Eisenbahnknoten Wien ein Stumpfgleis. Sie fahren dort wieder in einen Kopfbahnhof, und wir haben keinen Durchfahrbahnhof. Damit erweisen wir uns den transeuropäischen Überlegungen gegenüber nicht als aufgeschlossen, Herr Bundesminister.

Sie haben zwar die Nebenbahnen angesprochen, Sie haben aber nicht von der regionalen Grundversorgung gesprochen, die wir in den letzten Jahren immer positiv bewertet haben. Die Menschen in den Regionen, in nicht so stark bevölkerten Gebieten haben auch das Recht, eine verkehrspolitische Grundversorgung zur Verfügung zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie kürzen im öffentlichen Verkehr, besonders was den Nahverkehr betrifft, mit über 300 Millionen Schilling, und Sie haben vor, in den nächsten Jahren die Mittel für die Schieneninfrastruktur um rund 9 Milliarden Schilling zu kürzen, sehr geschätzter Herr Minister. Aber das ist nicht die richtige Verkehrspolitik!

Grundsätzlich zu den Nebenbahnen: Sie haben bereits angekündigt, Sie würden in die Reform des Generaldirektors Draxler noch hineinregieren, es fehlen aber noch konkrete Vorschläge. Die Menschen draußen sind verunsichert. Auch die Kolleginnen und Kollegen Eisenbahner, die dort beschäftigt sind, erwarten sich ehestens eine Entscheidung.

Es hat bereits mehrere Minister gegeben, die Nebenbahnen stilllegen wollten. Es gibt aber auch einige Beispiele dafür, dass die Menschen über politische Parteigrenzen hinweg gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Eisenbahner versucht haben, bessere Modelle und bessere Angebote zu gestalten. Ich nenne jetzt nur das Weinviertel im Bereich Gänserndorf und Wolkersdorf, wo es uns auf diese Art gelang, wunderbare Verkehrssysteme zustande zu bringen.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Mit der Zurücknahme gewisser Projekte gefährden Sie aber auch den Wirtschaftsstandort Österreich. Sie müssen es wissen, und Sie


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wissen es auch ganz genau, dass von Skandinavien über Deutschland, Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn eine Transversale nach Slowenien an die Adria gebaut wird. Wenn wir uns da nicht rasch einklinken – das wäre eine der wichtigsten Aufgaben –, dann wird der Wirtschaftsstandort Österreich umfahren. Ich habe das bereits vor einigen Monaten bei der Semmering-Debatte gesagt: Es gibt Gutachten, die nachweisen, dass wir, wenn wir die Südbahn, aber auch die West- und Nordbahn nicht ausbauen und Österreich umfahren wird, volkswirtschaftlich gesehen 100 Milliarden Schilling verlieren. Und das ist nicht vertretbar! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Edler, warum habt ihr das nicht schon längst gemacht?)

Kollege Gaugg! Da kennst du dich nicht aus. Bleibe doch bei deiner Anpatzpolitik, was die Eisenbahner betrifft. Vielleicht passt das gleich dazu, was du letztes Mal über die Eisenbahner gesagt hast. Ich darf hier einmal ganz deutlich festhalten, dass auf Grund des ÖBB-Gesetzes 1992 die Eisenbahner schmerzliche Reformen zur Kenntnis nehmen mussten. Sie haben das mitgetragen.

Seit 1992 wurden 12 000 Eisenbahner eingespart. Das Dienstrecht wurde leider verschlechtert. Es gibt einen Vertrag mit der Bundesregierung, den die ÖVP mit Bartenstein, Molterer, Kukacka mit ausverhandelt hat, dass die Pensionsänderung als Vertragsschablone für die Eisenbahner zu gelten hat, und sie waren bereit, wesentlich mehr Pensionsbeiträge zu bezahlen. Es sind in den letzten Jahren insgesamt 4,1 Milliarden Schilling eingespart worden, meine Damen und Herren. Das ist der Beitrag der Eisenbahner. Und die Eisenbahner, die noch Beamte sind, die also nicht arbeitslos werden können, zahlen trotzdem 3 Prozent Arbeitslosenversicherung. Das heißt, für die Eisenbahner ist eine wesentliche Einkommensverschlechterung eingetreten. (Abg. Jung: Das ist Solidarität mit jenen, die keine sicheren Arbeitsplätze haben! Solidarität ist euch unbekannt!) Wir sprechen von der Gleichwertigkeit, und ich glaube, das ist auch so zu verstehen.

Was meinen Bezirk Wien-Donaustadt betrifft, noch eine persönliche Anmerkung: Vielleicht kann es Kollege Graf seinem nicht amtsführenden Stadtrat Prinz ausrichten, der bei uns verkündet, dass er ein großes Gespräch mit Minister Schmid geführt habe, die Schnellbahn vom Südbahnhof über Simmering in die Donaustadt sei überhaupt nicht notwendig, ebenso der S-80-Ausbau ins Marchfeld, und der Herr Bundesminister hätte angeblich gesagt, er fände das auch nicht so wichtig. Wenn der Schmid etwas anderes haben wolle, dann werde er es kriegen.

Das ist dieselbe Politik, wie jene, die den Flughafen Wien betrifft. Auch hier gibt es die Aussage der FPÖ im Bezirk: Fluglärm weg! Flugzeuge weg nach Pressburg! Andererseits hat Herr Haider in diesem Haus einmal gesagt, es sei Dilettantismus, wenn wir den Flughafen Wien nicht ausbauen beziehungsweise unseren Verkehr und damit den Wirtschaftsstandort Wien auslagern.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend: Ihre Verkehrspolitik ist ein Rückschritt. Sie lassen zu, dass die LKW-Lobbyisten in Österreich ihre Gewinne immer mehr maximieren. Sie führen Österreich in ein verkehrspolitisches Stumpfgleis. (Beifall bei der SPÖ.)

11.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wattaul. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.08

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Edler, man muss bei der Wahrheit bleiben! Wer hat die Zweckbindung der Mineralölsteuer aufgehoben? Erst dadurch ist es möglich geworden, das Geld anderweitig zu verwenden. (Abg. Dr. Niederwieser: Die FPÖ ist dafür gewesen!)

Was hätte man mit diesem Geld alles machen können? Wer hat das gemacht? Die SPÖ, nicht wahr? Unsere Straßen sind teuer, sehr schadhaft und nicht bezahlt. Österreich ist das einzige Land in Europa, das seine Autobahnen nicht bezahlt hat. (Abg. Dr. Lichtenberger: Verlangen wir eine LKW-Maut, dann wäre das leicht zu bezahlen!) Warum ist das so? Schuld waren


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30 Jahre sozialistische Misswirtschaft. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Niederwieser: Wer war denn für den Straßenbau zuständig?)

Was haben sie mit den ÖBB gemacht? Was ist passiert? Die Gewerkschaften haben angeschafft. Nicht wirtschaftliche Aspekte sind dabei im Vordergrund gestanden, nein, das waren parteipolitische Aspekte, die bei den ÖBB im Vordergrund standen. Deshalb liegt die Österreichische Bundesbahn jetzt am Boden. So schaut es aus. Das ist Ihr Versäumnis gewesen, das waren eure Minister. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Genau das ist passiert.

Frau Lichtenberger! Sie haben von den Mülltransporten gesprochen. Wissen Sie, warum Müll transportiert wird? Weil die Entsorgung im Osten billiger ist und weil es ein Riesengeschäft ist. Sie können mit einem goldenen Lastwagen Müll führen, wenn Sie ihn in den Osten führen, weil Sie so viel Geld damit verdienen, weil bei uns die Frage der Entsorgung nicht gelöst ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Italien liegt im Süden von Österreich!) Aus diesem Grund wird Müll exportiert. Wissen Sie, wer am meisten Müll führt? Die Bundesbahnen führen den meisten Müll. (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist auch gut so! Oder wollen Sie den ganzen Mist auf LKW laden?) Schauen Sie sich einmal die Züge an, schauen Sie, wo das alles hin kommt. Der Müll wird aus dem ganzen Westen zusammengesammelt, kommt in komplette Müllzüge und wird dann auf Kosten der armen Länder dort entsorgt. Das ist die Wahrheit! Das, was Sie hier erzählen, ist Polemik. So schaut es aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt komme ich dazu: Was macht da unser neuer Minister? – Jetzt endlich werden Schiene und Straße zusammengelegt, jetzt werden Lücken geschlossen, und es wird nicht Parteipolitik auf dem Rücken der Bevölkerung gemacht. Wir stehen für eine wirtschaftliche Politik, nicht nur für Polemik! (Abg. Dr. Niederwieser: Lobbyismus nennt man das!)

Frau Kollegin, fragen Sie einmal! Sie sagen, der PKW ist nicht fahrabhängig. Was wollen Sie? Wollen Sie Road-Pricing für den PKW? – Dann sagen Sie es! (Zwischenruf des Abg. Reheis. ) Sagen Sie ganz klar: Jawohl, wir wollen Road-Pricing für PKW; aber sagen Sie nicht: Wir erhöhen die Mineralölsteuer. Da können Sie gleich sagen: Jawohl, wir Grüne fordern Road-Pricing für PKW! Wollen Sie das? (Abg. Dr. Niederwieser: Sagen Sie einmal, was ihr wollt!) Trauen Sie sich das? – Das trauen Sie sich nicht, weil Sie Angst davor haben! So kann das nicht funktionieren. (Abg. Öllinger: So schaut’s aus!)

Jetzt komme ich noch einmal auf die Eisenbahn zurück. Was ist mit der Eisenbahn wirklich geschehen? – Da gibt es vier Generaldirektionen. Ich nenne jetzt einmal die Bahnstrecke von Pöchlarn nach Kienberg. Dort sind sämtliche Bahnhöfe saniert und erneuert worden. Aber zugleich sind alle Geschäftsführer abgelöst worden. Es ist kein Bahnhof mehr besetzt, es wird im Zug kassiert. – Das ist ÖBB-Politik!

Güterbahnhöfe detto: alles saniert; Bahnexpress: alles von St. Pölten. Wofür brauchen wir jetzt sieben Güterbahnhöfe auf dieser Strecke? Was ist das für eine Politik? – Ja, das ist genau die Politik, die Sozialisten 30 Jahre lang gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Jawohl!) Nur einfach irgendetwas bauen – der macht das, der macht jenes, bei den Brücken, bei den Schienen, bei der Zweigleisigkeit, und nirgends funktioniert etwas.

Autobahn: Fahren Sie von Wien nach Salzburg auf der Autobahn – es ist alles kaputt! (Abg. Dr. Lichtenberger: Alles kaputt!) Hier! (Der Redner hält einen Zeitungsausschnitt in die Höhe.) Die Sanierung der A 1 – um Jahre zu spät; doppelt so hohes Verkehrsaufkommen wie vor zehn Jahren! – Was ist das? Ist das Herr Minister Schmid gewesen? (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist genau das Problem!) Wer war das? – Sagen Sie das einmal! (Abg. Schwemlein: Haltet den Dieb! – Abg. Dr. Lichtenberger: Sie waren es auch!)

Nein, 30 Jahre sozialistische Politik sind einfach zu viel! Jetzt muss einmal ein Minister her, der das koordiniert. Schauen Sie sich in zwei Jahren einmal an, wie es dann funktionieren wird! Nicht nur kritisieren, sondern Lösungsvorschläge bringen! Es hat ja keiner von euch irgendeinen Lösungsvorschlag, es wird nur kritisiert. (Abg. Reheis: Sie haben keinen einzigen Lösungsvorschlag, Sie haben nur geschimpft!) Wer hat geschimpft?


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Sie werden wohl nicht glauben, dass wir in 100 Tagen die Versäumnisse von 30 Jahren ohne Geld lösen können. (Abg. Reheis: Keinen einzigen Lösungsvorschlag hat die Bahn von Ihnen!) Das werden Sie doch nicht glauben? (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Das ist ja Ihre verfehlte Politik! Diesen Scherbenhaufen müssen wir jetzt zusammenräumen! Wir werden das schaffen, wir werden es schon schaffen, aber nicht so wie Sie! (Abg. Reheis: Null! Das ist Ihre Politik!)

Sie sind am 3. Oktober abgewählt worden. Nicht wir, die FPÖ, sind schuld, sondern der Wähler hat Sie abgewählt. (Abg. Reheis: Sie haben null Vorschläge!) Er hat Sie abgewählt, weil Sie nichts zusammengebracht haben. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. )

11.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger zu Wort gemeldet. Bitte § 58 der Geschäftsordnung zu beachten!

11.13

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herr Abgeordneter Wattaul hat davon gesprochen, dass ich von Mülltransporten in den Osten geredet hätte. (Abg. Schwarzenberger: Vom Mülltransport nach Italien!)  – Dies ist nicht richtig.

Ich habe eine Aufstellung zitiert, die belegt, dass in den Jahren 1996/97 240 000 Tonnen – davon 120 000 Tonnen Sperrmüll – von Deutschland nach Italien transportiert worden sind. Italien liegt bekanntlich im Süden! (Beifall bei den Grünen.)

11.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Einige Daten zur Forschungsförderung – zuerst allerdings, beeindruckt durch die gestrigen und heutigen Pressemeldungen, vielleicht eine kleine Einleitung. Ich bin zutiefst dankbar dafür, dass ich heute Kritik an der Forschungsförderung üben kann (Abg. Öllinger: Nicht mehr lange!) und dabei nicht mein Mandat verliere, keine Geldbußen zahlen muss oder nicht mit schwerem Kerker bestraft werde. (Abg. Mag. Kogler: Das hört sich alles auf!) Das ist angenehm, wenn man hört, welche Pläne da im Süden – und zwar nicht in Italien – gewälzt werden. (Abg. Wenitsch: Herr Kollege, was haben Sie gegen den Süden?) Gegen den Süden? – Gar nichts! Ich bin ein neutraler Geograph.

Ich wiederhole jetzt für die zahlreichen Vergesslichen und die Desinteressierten, dass das Hauptproblem unserer Kritik an der Forschungsförderung das ist, was Sie gerade bestreiten, nämlich die Zersplitterung der Kompetenzen. Ich zähle Ihnen das jetzt noch einmal auf, und Sie können dann jedes Mal rufen, wenn es nicht stimmt. – Dann müsste eigentlich nur noch Ruhe im Saal sein.

Universitäten, Fachhochschulen, die Akademie der Wissenschaften und die EU-Programme: Gehrer. Forschungsförderungsorganisationen, losgelöst vom wichtigsten Ort und Output der Forschung, den Universitäten, finden sich bei Schmid, ebenso wie FWF und FFF. Das letzte Mal, als ich "FFF" gesagt habe, haben alle protestiert, weil sie gemeint haben, dass ich die Freiheitlichen verhöhnen will. Der FFF ist aber für Kenner der Wissenschaft der Fonds zur Förderung der gewerblichen Forschung. – Kompetenzzentren und Rat für Wissenschaft und Forschung: ebenso bei Schmid. Damit nicht genug. Im Ministerium für Wissenschaft und Arbeit sind weitere Kompetenzzentren angesiedelt, so die Christian-Doppler-Gesellschaft, der ERP-Fonds und Innovationsagenturen.

All das geschah, nachdem die Bundesregierung eine Bündelung der Kompetenzen versprochen hatte – ich verstehe unter Bündelung eigentlich etwas anderes –, und es erfolgte gegen den dezidierten Rat aller relevanten hochschulpolitischen Organisationen, die sich endlich ein


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Wissenschaftsressort mit Universitäten, Technologie- und Forschungsförderung unter einem großen Dach gewünscht haben. Aber so ist es nicht gekommen.

Denkt man sich jetzt noch die Direktförderungen der einzelnen Ministerien dazu – und die sind nicht gering –, dann ergibt sich ein äußerst diffuses – ich würde sogar sagen: sehr desorganisiertes – Bild der österreichischen Forschungslandschaft. – Da jetzt niemand gerufen hat, scheine ich Recht zu behalten.

Sie werden auch verstehen, dass es durch diese Kompetenzzersplitterungen nicht nur zu zahlreichen Schnittstellen, Reibungsverlusten und Überschneidungen von Verantwortlichkeiten kommt, die auch durch einen relativ vagen und – Sie wissen das – politisch recht umstrittenen Rat für Forschung und Technologie nicht zu kompensieren sind.

Ich glaube, dass der Grund dieser Zersplitterung die Befriedigung beider Koalitionspartner war. Sie waren zufrieden, aber ob man zufrieden in die Zukunft schauen kann, wage auch ich zu bezweifeln.

Jetzt nenne ich Ihnen noch einige harte Daten, weil immer wieder über Vernetzungen zwischen Wirtschaft und Universität gesprochen wird. Wohin soll die Forschungsförderung fließen?

Tatsache ist, dass 97 Prozent der universitären Budgetmittel von öffentlicher Hand getragen werden, was Österreich relativ unikal in der Szene dastehen lässt. Nur 2 bis 3 Prozent der Forschungsförderung im Rahmen der Universitäten stammen aus dem nichtöffentlichen Bereich. Weiters zitiere ich Ihnen jetzt den Technologiebericht der österreichischen Bundesregierung 1997: "Österreich zählt zu der Gruppe der reichsten Länder, bleibt aber mit seiner seit Jahren nahezu stagnierenden Forschungsquote zurück und befindet sich in der Gruppe der reicheren Nationen" – das Wort "Nation" darf ich hier ja gebrauchen – "an letzter Stelle."

Weitere Daten: Wenn man sich die Forschungsfonds in Deutschland und in der Schweiz ansieht, muss man sagen, dass die Dotierung des österreichischen Fonds FWF pro Kopf der Bevölkerung 50 Prozent des vergleichbaren deutschen Schwesterfonds und nur 23 Prozent des vergleichbaren Schweizer Schwesterfonds beträgt.

Da von Innovation und Meilensteinen zu reden, davon zu reden, dass wir endlich unseren Anteil von Forschung und Entwicklung am BIP auf 2,5 Prozent erhöhen werden, lässt mich eigentlich nur träumen. Aber Sie sind wach und sollten wissen, dass Sie da eine eklatante Unwahrheit sagen. Es stimmt nicht, dass diese Quoten erhöht werden. Sie sind vom letzten zum heurigen Jahr sogar diskret rückläufig. (Beifall bei den Grünen.)

Ich zitiere Ihnen weitere Fakten. Sie kennen Felderer und vielleicht auch Campbell, die eine große Studie gemacht haben. Sie zeigen, dass gerade in Kleinstaaten die öffentliche Förderung von Forschung und Entwicklung essentiell ist, einfach weil Aggregationsschwierigkeiten zwischen Industrie, Klein- und Mittelbetrieben und Universitäten bestehen und diese Länder es aus eigener Kraft nur mit einer Wirtschaft, die bei uns nicht nur – ich sage es höflich – innovativ und forschungsfreundlich ist, nicht schaffen, den internationalen Anschluss zu gewinnen.

Ich sage Ihnen, diesen Anschluss werden Sie auch nicht gewinnen, indem Sie immer wieder glauben, man könnte durch Drittmittel das wettmachen, was der Staat in der Forschungsförderung noch hintan ist. Eine große Studie der TU-Wien hat gezeigt, dass das so genannte Mäzenatentum in Industrie und Wirtschaft für innovative Forschung in Österreich nahezu ausgereizt ist. Die sind mit dieser Studie – um es verständlicher oder plakativer zu sagen – baden gegangen, dass da mehr Mittel einzutreiben wären; nur unbedeutend mehr Mittel wären da zu holen.

Ferner sage ich Ihnen: Selbstverständlich fließen 2,5 Milliarden Schilling aus der EU nach Österreich in Forschungsbereiche, die Österreicherinnen und Österreicher bewilligt bekommen haben. Aber die Ablehnungsraten sind sehr hoch. Bei Kleinstaaten zeigt sich: Wenn die nationale Förderung nicht Schwerpunkte setzt, wird unsere Wettbewerbsfähigkeit in Brüssel mit anderen Großen darunter schwer leiden. Beispiele wären Schweden, Finnland oder Irland; sie


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haben uns gezeigt, dass man um 0,5 Prozent an Forschung und Entwicklung am BIP aufholen kann. Wir reden von 2,5 Prozent, aber beim Reden ist es geblieben.

Ganz kurz noch: Der österreichische Außenhandel zeigt, wie Sie wissen, eine deutliche Technologielücke. Auffallend ist an den Zentren, in denen Universität und Wirtschaft vernetzt werden, dass wiederum die öffentliche Hand zum überwiegenden Teil, nämlich zu 60 Prozent, die Kosten übernimmt. Ich bin kein Maschinen- oder Bilderstürmer, bitte aber, Folgendes zu beachten: Wirtschaft und Industrie nehmen den Mund oft relativ voll, wenn es um Kritik an der Forschungsszene in Österreich geht. Ihr Beitrag ist aber – wiederum verglichen mit anderen OECD-Staaten – kümmerlich. Ich sage Ihnen, es gibt in Österreich 34 Forscherinnen und Forscher pro 1 000 Erwerbstätige. Diese Rate an erwerbstätigen Forschern hat im öffentlichen Bereich eine Steigerung von zuletzt 18 Prozent gehabt, im nichtöffentlichen – das sind Wirtschaft und Industrie – eine Steigerungsrate von 2 Prozent. Wenn Ihnen da etwas auffällt, würde ich das für sehr erfreulich halten.

Trotzdem können wir im Bereich Forschung und Wirtschaft ungeheuer viel tun. Ich nenne ökologisches Bauen, erneuerbare Energie, neue, intelligente Werkstoffe, Wärme- und Geräuschdämmung, Ernährung, medizinische Diagnostik, Gesundheitsforschung und -dienstleistungen. Das alles sind Dinge, die in der Delphi-Studie als innovativ und zukunftsträchtig erachtet wurden und eigentlich zum guten Teil unter das Kapitel Umwelttechnologie fallen.

Ich möchte Sie bitten, die Aufmerksamkeit einmal auf die Weisheit zu legen, dass Budgetkonsolidierung durch Forschungsinvestitionen und durch Nachwuchsförderung zu schaffen ist, aber nicht durch Ausstiegsstrategien, Selbstbehalte und sonstige Szenarien, wie sie von Ihnen immer wieder kommen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube – und das ist ein Angebot –, dass wir hier nur zu einem vernünftigen Nenner kommen, wenn wir diesen Dialog aufnehmen. Ich glaube, nicht wir sind es, die uns zubetonieren, sondern Sie haben sich isoliert. Das ist nicht gut für Österreich. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Fink zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.24

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Dr. Kräuter, Sie sind schlecht informiert, hat der Herr Minister Ihnen gesagt. (Abg. Schwarzenberger: Wie immer!) Aber ich möchte um Folgendes bitten: Es könnte sein, dass Sie die schlechte Information von Ihrem Herrn Landesrat Ressel bekommen haben. Wenn die Zeitungsberichte stimmen, dann ist er der einzige zuständige Landesrat für Verkehr, der bei Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid noch nicht vorgesprochen hat. Vielleicht hat er Sie deswegen falsch informiert. Er sollte sich einmal beim Herrn Bundesminister erkundigen. Vielleicht würde er dann bessere Auskünfte geben können, und diese wären wahrheitsgerechter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Vorerst einmal ein recht herzliches Danke dafür, dass Sie den Semmering-Basistunnel an die oberste Stelle der Prioritätenliste gestellt haben! Ich freue mich darüber. (Abg. Grabner: Aber durchgesetzt hat er sich nicht gegen Pröll!) Genau das möchte ich jetzt sagen, Herr Kollege Grabner: Erinnern Sie sich an die Wahlwerbung im Jahre 1983 in Wien. (Abg. Grabner: Vergesslich seid ja ihr!) Damals hat man gesagt, man baut den Wienerwald-Tunnel, und man hat gesagt, man baut den Semmering-Basistunnel. Nichts ist geschehen. Das Einzige, was ihr gemacht habt, war, dass ihr euch nach der Wahl wieder zurückgezogen habt, und alles ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Sie hätten damals die Möglichkeit gehabt.

Heute redet ihr euch auf Herrn Landeshauptmann Pröll aus. Das hättet ihr damals nicht zu tun brauchen, sondern ihr hättet das alles damals bauen können. Ihr habt es aber leider, wie immer, verschlampt. Ihr habt nichts gemacht, ihr habt nichts weitergebracht. Polemik war für euch


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immer vor allem anderen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Das sind die Versäumnisse, die durch die sozialistische Politik entstanden sind. Ihr habt auch dadurch die Österreichischen Bundesbahnen ins Eck gestellt. Ihr habt immer versprochen und nichts weiter getan. Man muss euch auch immer daran erinnern – anscheinend vergesst ihr das alles –, dass die Bahn seit dem Jahr 1945 eine sozialistische Domäne ist. Das wird wohl nicht abzustreiten sein. (Abg. Jung: Mit blauer Uniform!)

Eine Zeit lang, zwischen den Jahren 1966 und 1970, hat es eine Alleinregierung der Österreichischen Volkspartei gegeben. Da haben wir die Verantwortung getragen, und in der Zeit ist es der Bahn gut gegangen. Aber das waren nur vier Jahre, ihr jedoch habt in 50 Jahren nichts für die Bahn zusammengebracht. Wenn wir nicht unseren – weil ich ihn gerade sehe – "Kuki" hätten, den Herrn Abgeordneten Kukacka, der euch immer dazu getrieben hat, etwas zu tun und etwas zu machen, wäre auch in der Regierungsbeteiligung der ÖVP mit der SPÖ nichts weitergegangen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Wir waren zumindest auch in diesem Bereich die treibende Kraft dafür, dass sich etwas getan hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Sie haben massiven Realitätsverlust!)

Das heißt, die SPÖ kann niemandem vorwerfen, dass die entscheidenden Modernisierungen von anderen verhindert wurden, zum Beispiel mit dem Argument, das man immer wieder hört: Milliarden wurden in den Straßenbau investiert, die Bahn wurde ausgehungert. (Abg. Schwemlein: Das ist Faktum!)  – Wir kennen die Argumente, die sind nicht neu. Euch fällt eben nichts Neues ein, weil ihr nichts anderes sagen könnt. (Abg. Verzetnitsch: Weil es ja stimmt!) Aber ich sage, damit verliert ihr an Glaubwürdigkeit und Seriosität. Das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der ÖVP.)

Ihr wisst ganz genau, wie es im Jahre 1970 war, als ihr die Alleinregierung gebildet habt. Es ist natürlich auch Pech gewesen, dass der Straßenverkehr damals, im Jahr 1970, am stärksten zugenommen hat. Aber ihr habt nichts dagegen getan. Die Länder haben den Verkehr auffangen müssen, sie haben Gelder zuschießen müssen. Ihr könnt euch noch an Sekanina und an die Spar-Autobahnen erinnern, die man damals baute. Das Land Steiermark hatte damals für diese Spar-Autobahn sehr viel zugezahlt. Danach hat uns die Neuausstattung dieser Autobahn auch wieder wahnsinnig viel Geld gekostet, damit sie verkehrsgerecht modernisiert werden konnte.

Es ist auch festzustellen, dass überall in Europa die Bahn modernisiert wurde, nur in Österreich nicht. Ich glaube, dass es die Unfähigkeit derjenigen war, die für das Verkehrsministerium verantwortlich waren, und auch der Gewerkschafter, die eine rechtzeitige Modernisierung immer verhindert haben. Herr Präsident (in Richtung des Abg. Verzetnitsch), weil Sie hier auch etwas dazu gesagt haben: Ich hoffe, dass zumindest die Pressekonferenz heute eine anständige war. (Abg. Verzetnitsch: War in Ordnung!) Die Demonstranten werden zahlreich genug sein. Sind Sie zufrieden? – Endlich etwas anderes! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich kann Ihnen auch etwas zur verstaatlichten Industrie sagen, das die sozialistischen Politiker und die sozialistischen Spitzengewerkschafter nicht hören möchten. Sie haben den Arbeitern in diesem Bereich immer eingeredet, dass keine Änderung notwendig ist. Es kann ohnehin nichts passieren. Das sind unsinkbare Schiffe. Was soll da passieren? – Aber wie sich gezeigt hat, ist das eine gefährliche Irreführung gewesen. Milliarden Schilling sind verschwendet worden, wir zahlen heute noch dafür. Zehntausende Arbeitnehmer sind damals auch entlassen worden.

Ich möchte Ihnen zum Schluss zumindest noch eines sagen. Ich war ... (Abg. Silhavy: ... außer einem schlechten Gewissen!) Ich habe kein schlechtes Gewissen; das haben Sie, sonst müssten Sie nicht hier hereinschreien. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ich war am Sonntag in einem Gasthaus. Da sind sechs Radfahrer dahergekommen, drei Männer und drei Frauen. Daraufhin wurde dort geflüstert: Schau, die Eisenbahner sind wieder unterwegs. – Da habe ich mir gedacht, das sind sicherlich Aktive: schwarze Hosen, rote Leiberl – so sind sie dahergefahren. Aber wisst ihr was? – Das waren Pensionisten mit ihren Frauen, keiner noch 53 Jahre alt!


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Gestern war ich mit einem Bürgermeister beisammen. Er hat mich gefragt: Ernstl, wie alt bist du? – Da habe ich gesagt: 58, und wie alt bist du? – Ich werde 53. Da habe ich gesagt, jetzt musst du schön langsam in Pension gehen. Darauf hat er geantwortet: Bin ich schon. – Ich habe gesagt: Das brauche ich nicht, nein! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Freunde, ich sage euch: Das ist sozial ungerecht, dass Eisenbahner mit 53 in Pension gehen können, alle anderen aber erst mit 55 beziehungsweise 60 Jahren oder in noch höherem Alter! (Abg. Silhavy: ... höchste Pensionsantrittsalter!) Die Ungerechtigkeit besteht auch innerhalb der Bahnbediensteten, sage ich euch, denn es ist ja ein Unterschied, ob es ein Verschieber ist, ob es ein Lokführer ist oder ob es eine Schreibkraft, eine Bürokraft ist. Wir zahlen vom Staat her auch zu diesen Bereichen enorm viel dazu. Die Abgeltung der Pensionen für die Eisenbahner macht im Jahre 2000 24 Milliarden Schilling aus.

Es kann nicht sein, dass die erhöhten Pensionsbeiträge die 53 Jahre selbst abdecken. Ich glaube, das ist ein Unsinn! Auch in diesem Bereich muss es Änderungen geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Auch bei den Bauern!)

11.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. Bitte beginnen Sie mit dem zu berichtigenden Sachverhalt!

11.32

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Der Vorredner hat behauptet, dass der steirische Verkehrslandesrat Ing. Hans-Joachim Ressel kein Gespräch mit Minister Schmid gesucht oder geführt hätte. Ähnliches hat auch Minister Schmid behauptet. (Abg. Fink: Er hat Sie schon wieder falsch informiert!)

Ich berichtige tatsächlich: Herr Landesrat Ressel hat mit Herrn Minister Schmid am 16. März ein Gespräch geführt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.– Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nicht über Verkehr! – Abg. Aumayr: Worüber? – Abg. Haigermoser: Über die Brettljause!)

11.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.33

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Fink, Ihre Rede war wirklich eindeutig zukunftsweisend. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie war zukunftsweisend und spannend angesichts einer Budgetdebatte, in der es wirklich um die Finanzierung dieses Jahres geht. Mit jedem Ihrer Worte haben Sie Beiträge toller Art für die Zukunft geleistet. Sie waren wirklich zukunftsweisend. (Abg. Dr. Mertel: Rückwärts gewandt!) Aber meiner Meinung nach halten Sie sich an den Film "Und ewig schläft das Murmeltier". Mir scheint, die ÖVP hat die letzten 14 Jahre tatsächlich verschlafen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fink: ... die Wahrheit hören!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit einem Aspekt der Verkehrspolitik beschäftigen, nämlich der Verkehrssicherheit. Sicherheit hat mit Wohlbefinden und insbesondere mit gegenseitiger Rücksichtnahme zu tun. Sie gewährleistet einen reibungslosen Ablauf im Verkehrsaufkommen. Sicherheit hat sehr viel damit zu tun, Schutz für schwächere Verkehrsteilnehmer zu bieten, zum Beispiel Schutz für Kinder, ältere Menschen, Fußgänger, Radfahrer oder auch Behinderte.

Was ist das Ziel verstärkter Verkehrssicherheitsmaßnahmen, meine Damen und Herren? – Zum einen die Vermeidung von Unfällen, die Vermeidung von tragischen, sehr persönlichen Schicksalsschlägen, ein sicheres Bewältigen von Verkehrssituationen und vor allen Dingen die Gewährleistung der Mobilität der Menschen. (Abg. Silhavy  – in Richtung des neben den Sitzreihen der Freiheitlichen stehenden Bundesministers Dipl.-Ing. Schmid –: Aber der Herr Minister hört


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nicht zu!) Notwendig für dieses Paket sind gesetzliche Regelungen, Kontrollen und Überwachung, Strafen, Aufklärung, Information und Bewusstseinsbildung. (Abg. Parnigoni: Der Minister schwätzt! Den Minister interessiert die Verkehrssicherheit nicht!)

Ist er abhanden gekommen? – Ach ja, spannend. Gut. Meine Damen und Herren! (Abg. Parnigoni: Diesen Minister interessiert die Verkehrssicherheit überhaupt nicht! Das sieht man! Er quatscht in den Reihen der Blauen, statt zuzuhören! Unglaublich! – Abg. Haigermoser: Er unterhält sich im Klub! – Weitere Zwischenrufe.) Der Herr Minister will anscheinend keine positiven Aspekte für die Zukunft hören. (Beifall bei der SPÖ.)

Was sind die Risken im Straßenverkehr, im öffentlichen Verkehr, meine Damen und Herren? (Abg. Parnigoni: Er dreht den Rücken! Unhöflich!)  – Herr Minister! 30 Tote in der Osterferienwoche sprechen eine klare Sprache. Die Bilanz ... (Abg. Parnigoni: Wie sich der Minister benimmt, das ist eine Schande! – Abg. Leikam: Ungeheuerlich! Das ist ja kein Wirtshaus!)

Herr Minister! Es geht um die Risken im Straßenverkehr und im öffentlichen Verkehr. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat eine Bilanz gezogen. (Abg. Dr. Mertel: Nur Vollidioten interessieren sich dafür! Ja, das ist in der Zeitung gestanden: Nur Vollidioten interessieren sich dafür!) Welche Risken finden wir?

Zum einen das Risiko Alkohol: Aufklärung und Kontrolle sind nach wie vor wichtig und notwendig. Trinkende Autofahrer, meine Damen und Herren, sind absolut nicht zu akzeptieren! Einige Zahlen dazu: 0,5 Promille verdoppeln die Unfallgefahr, 0,8 Promille vervierfachen sie, und 1,2 Promille verzwölffachen das Unfallrisiko im Vergleich zum nüchternen Zustand. Ein EU-weiter Report des Europäischen Verkehrssicherheitsrates kam zu dem Ergebnis, es gäbe durch mehr Kontrolle eine EU-weite Reduzierung der Unfälle um die Hälfte.

Ein weiteres Risiko unter dem Titel "Auf einer Spur ins Verderben" sind die einspurig Motorisierten. Sie sind nach wie vor hoch gefährdete StraßenbenützerInnen.

Risiko "Kinder im Straßenverkehr": 1999 wurden 37 Kinder im Straßenverkehr getötet. 21 Kinder waren Mitfahrer in PKWs. 30 Prozent dieser getöteten Kinder waren ungesichert im PKW unterwegs.

Risikogruppe Senioren: 1999 wurden 182 FußgängerInnen getötet. Die Hälfte dieser getöteten Fußgänger war 65 Jahre alt und älter. Es gab 68 tödlich verletzte RadfahrerInnen. Ich denke, in diesem Zusammenhang müssen wir uns die Frage stellen, ob diese Gruppe Freiwild auf der Straße ist.

Auch ein Todesfaktor ist das Tempo. Drei Viertel der Getöteten ließen ihr Leben im Freiland, mehr als die Hälfte der getöteten Kinder waren PKW-MitfahrerInnen. Meine Damen und Herren, 38,3 Prozent der tödlichen Unfälle hatten den Temporausch zur Ursache. Eine Aussage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit dazu: Straßenverkehr darf nicht zur Arena der Aggressionen werden, darf nicht die Arena der Aggressionen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Risikogruppe "Verzicht auf Sicherheitsgurt": Das Risiko für nichtangeschnallte PKW-Fahrer ist neunmal höher als für angeschnallte. Von allen getöteten PKW-Fahrern oder -Insassen waren 50 Prozent ungesichert unterwegs.

Was ist aber für verstärkte Verkehrssicherheit noch notwendig? – Laut ARBÖ zum Beispiel der Bau von zweiröhrigen Straßentunnels, die Fahrprüfung und die Ausbildung der Lenker von Leichtfahrzeugen. Eine Ferienreiseverordnung ist unbedingt notwendig, auch Pannenstreifen auf allen Autobahnen sowie mehr Kontrolle der LKW-Fahrer und des LKW-Verkehrs.

Auch die Risikogruppe Inline-Skater möchte ich erwähnen. Es gibt dort das Motto "No risk but fun"; 12 000 Verletzte pro Jahr sprechen ihre Sprache. Schulung und Training sind unbedingt erforderlich und wichtig.


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In einer EU-weiten Umfrage wurde festgestellt, dass Verkehrssicherheit bei den EU-Bürgern oberste Priorität hat. Um diese Sicherheit zu erhöhen, gab es einige Wünsche der Befragten, nämlich zunächst einmal nach Verbesserung der Fahrausbildung, zum Zweiten nach verstärkten Kontrollen und Überwachung und zum Dritten nach härteren Strafen für Verkehrssünder.

Herr Minister! Im Hinblick auf mehr Sicherheit im Straßenverkehr sind Sie gefordert, weitere Maßnahmen und gesetzliche Regelungen durch- und umzusetzen.

Sicherheit im öffentlichen Verkehr ist auch ein Gebot der Stunde. Drei Projekte in meinem Bundesland Niederösterreich sind sicherlich auch im Zusammenhang mit mehr Sicherheit der Benützer zu sehen, nämlich der Semmering-Basistunnel – ist doch die alte Strecke in einem schlechten Zustand, ein Sicherheitsrisiko für die BenützerInnen der Züge –, die Umfahrung St. Pölten, bei der es um die Frage der Kapazität und damit ebenfalls um eine Frage der Sicherheit geht, und – vor allem in Anbetracht der Aussagen über eine Einstellung der Nebenbahnen – "meine" Ybbstal-Bahn, deren Einstellung ebenfalls eine Verlagerung auf die Straße und damit eine Zunahme des Straßenverkehrs sowie dadurch eine Zunahme der Unfallrisken bewirken würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Klare Vorgaben, klare Strukturen, nachvollziehbare Entscheidungen und vor allen Dingen die Sicherung der finanziellen Basis und der finanziellen Mittel sind gefragt. Die EU-weit gelobte, vorbildliche, ökologisch orientierte Verkehrspolitik Österreichs muss weiterhin fortgesetzt werden, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich der Forderung des ARBÖ nach verstärkter Bewusstseinsbildung beitreten, die wesentlich zum partnerschaftlichen Verhalten im Straßenverkehr beiträgt. Unser Ziel muss sein: Kooperation statt Konkurrenz, Verantwortung statt Gleichgültigkeit unter allen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Schoettel-Delacher zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.43

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Jahrelang wurde durch die Aufteilung von Schiene und Straße in unterschiedliche Ministerien einer sinnvollen, gezielten und somit zukunftsweisenden Verkehrspolitik der Weg versperrt. Das Resultat dieses fragwürdigen Machtkampfes zwischen Schiene und Straße zeitigt eine traurige Bilanz: Zum einen gibt es immer noch kein gesamtheitliches Straße und Schiene verbindendes Verkehrskonzept, zum anderen stehen wir vor einem erdrückenden Schuldenberg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Per Ende 1999 beliefen sich die Schuldenstände der ÖBB, der SCHIG und der ASFINAG auf 170 Milliarden Schilling. Allein mit den Zinszahlungen für diese Schulden könnten große Teile der diesjährigen Verkehrsinvestitionen abgedeckt werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Die hat aber nicht alle nur der Einem gemacht, da waren schon vorher auch welche!) Dies war die Ausgangslage für die neue Regierung.

Diese Regierung hat mit dem neuen Bundesministeriengesetz in einem ersten mutigen Schritt die längst überfällige Zusammenlegung von Straße und Schiene in ein Ministerium beschlossen und damit die Grundvoraussetzung für die Erarbeitung eines sinnvollen Logistikkonzeptes geschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In der Realität ist es doch so, dass weder auf der Straße noch auf der Schiene das gesamte Güterverkehrsaufkommen allein bewältigt werden könnte. Eine deutsche Untersuchung zeigt sogar, dass es für eine Verlagerung von nur 8 Prozent des Güterverkehrsaufkommens von der Straße auf die Schiene eine Verdoppelung der Infrastruktur bräuchte.

Jeder dieser beiden Hauptverkehrsträger des Güterverkehrs hat seine Stärken und seine Schwächen. Wenn Österreich eine nennenswerte Stellung im europäischen Verkehrsmarkt ein


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nehmen will, wird es darum gehen müssen, die Stärken beider Verkehrsträger sowohl ökonomisch als auch ökologisch zu forcieren und zu kombinieren sowie die Schwächen abzubauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hören wir also endlich damit auf, Straße und Schiene gegeneinander auszuspielen, und konzentrieren wir uns auf die Stärken beider Verkehrsträger!

Um die Schiene zum Beispiel in Zukunft für den Güterverkehr attraktiver zu machen, wird die Bahn in unterschiedlichen Bereichen Schwerpunkte setzen müssen. Die Österreichischen Bundesbahnen haben gegenüber den anderen europäischen Bahnen einerseits und gegenüber der Straße andererseits ein richtiges Produktivitätsproblem. Entsprechende zusätzliche Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung müssen daher dringend eingeleitet werden.

In einem europäischen Vergleich der Betriebsproduktivität nehmen die ÖBB nämlich einen der hinteren Plätze ein. Während die Niederländischen Staatsbahnen zirka 4 900 Zugkilometer pro Mitarbeiter auf die Schiene bringen, die SBB 3 500 und die DB immerhin noch 2 900 Zugkilometer pro Mitarbeiter, liegt der Vergleichswert der ÖBB lediglich bei 2 200 Zugkilometern pro Mitarbeiter. (Abg. Schwemlein: Aber geographische Unterschiede sind Ihnen schon bekannt, oder?) Hier besteht Handlungsbedarf! (Abg. Edler: Zwischen Österreich und den Niederlanden gibt es aber schon Unterschiede!) Die Schweiz bringt 3 500 Kilometer pro Mitarbeiter auf die Schiene – das sind immerhin noch 1 700 mehr als in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Zusammenhang mit der Produktivität sollte auch die Stilllegung unrentabler Strecken nicht von vornherein zum Tabu erklärt werden.

Neben der Produktivitätssteigerung werden verstärkt Kooperationen mit anderen europäischen Bahnen an Bedeutung gewinnen, da nur durch eine leistungsfähige Bahn auf europäischer Ebene Marktattraktivität erlangt werden kann. Um für europäische Bahnen ein solch interessanter und leistungsfähiger Kooperationspartner sein zu können, müssen österreichische Bahnen allerdings auch gezielte infrastrukturelle Maßnahmen setzen – eine diesbezügliche Prioritätenreihung wird unerlässlich sein.

Nachholbedarf besteht weiterhin in einer kundenorientierteren und flexibleren Angebotsausgestaltung. Im Güterverkehrsbereich würde die Attraktivität der Bahn damit wesentlich erhöht werden können, denn ein Transport besteht heute ja nicht mehr nur aus der einfachen Verbringung der Waren von A nach B, sondern in einer komplexen Logistikkette, die das Anbieten von Komplettlösungen und Spezialtransporten notwendig macht. Und gerade in diesem Bereich sollten die Bahnen sich den Spediteur als Kooperations- und nicht als Konfrontationspartner suchen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. )

Auch im Straßenbereich sind weitere Maßnahmen erforderlich, um den Voraussetzungen eines modernen Verkehrskonzepts Genüge zu leisten. Neben den bereits erwähnten Lückenschluss-Programmen und jenen Baumaßnahmen, die die Sicherheitsnormen zwingend gebieten würden – wie etwa der Ausbau zu zweiröhrigen Tunnels dort, wo sie besonders gefährlich sind –, müssen auch bestehende Sicherheitsvorschriften wie jene für die Gefahrenguttransporte auf Praktikabilität und Sinnhaftigkeit überprüft und nötigenfalls novelliert werden.

Auch durch das LKW-Road-Pricing und die Ökopunkte-Regelung wird in Zukunft im Straßenverkehrsbereich den ökonomischen und ökologischen Anforderungen moderner Verkehrskonzepte vermehrt Rechnung getragen, wenn – und nur wenn! – sie auf modernsten Technologien wie dem vollelektronischen Mautsystem beruhen beziehungsweise die Wettbewerbsfähigkeit des wichtigen Wirtschaftsfaktors Verkehr gegenüber der ausländischen Konkurrenz nicht sinnlos behindern, indem Ökopunkte unseren heimischen Frachtführern entzogen und dem ausländischen Mitbewerber zugeteilt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein modernes, verkehrsträgerübergreifendes und grenzüberschreitendes Verkehrskonzept kann nur mittels konstruktiver Vorschläge und gezielter Maßnahmen verwirklicht werden. Alle Maß


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nahmen, die lediglich die Verkehrsbehinderung und -verteuerung zum Ziel haben, sind kontraproduktiv und gehen letztendlich auf Kosten der Verbraucher.

Die neue Regierung hat erkannt, dass es in Zukunft nicht um Ideologien, sondern um sinnvolle Logistiklösungen gehen muss. Und mit der Zusammenlegung von Straße und Schiene hat sie einen ersten, längst fälligen Schritt in die richtige Richtung getan. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.50

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Diese Regierung ist zwar mit dem Slogan "Österreich neu regieren" angetreten, aber in der Praxis merkt man nichts davon. Wo sind denn die angekündigten Reformen gerade im Bereich des Verkehrs, Herr Bundesminister?

Meine Kollegin Binder hat vorhin schon einen Teilbereich angesprochen, nämlich die Verkehrssicherheit. – Mir fehlen dazu die praktischen Vorschläge, die Initiativen von Seiten der Regierung, es ist nichts zu sehen. Sie machen meiner Ansicht nach den Fehler, dass Sie nur verwalten wollen, aber keine neuen Initiativen, keine wirkungsvollen Schritte wie beispielsweise Maßnahmen im Bereich der Geisterfahrer setzen. Jeden Tag hören wir davon, aber praktische Schritte oder Maßnahmen setzen Sie keine.

Ich kann Ihnen dazu ein Beispiel geben, das zeigt, dass es möglich ist, von der Politik her aktiv zu werden. So setzt etwa unser oberösterreichischer Verkehrsreferent, der jetzige Landeshauptmann-Stellvertreter Haider Dinge in die Praxis um: Im Raum Linz sind bereits die ersten Krallen montiert worden, um das falsche Auffahren auf Autobahnen unmöglich zu machen. – Wo sind Ihre Initiativen, frage ich mich.

Oder ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Verkehrssicherheit: Gerade für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, nämlich die Schulkinder, gibt es in Oberösterreich, wieder von Haider initiiert, die Aktion "Sicher zur Schule, sicher nach Hause". Bei knapp 10 000 Verkehrsunfällen in Oberösterreich im Jahre 1999 waren sechs tote und 911 verletzte Kinder zu beklagen. Bei zirka 185 Schultagen pro Jahr verunglückt beinahe an jedem Schultag ein Kind. Das muss uns doch zu denken geben, das muss doch Maßnahmen hervorrufen! Da kann man sich auch nicht damit ausreden, dass zu wenig Geld da sei.

Man muss eben moderne Kampagnen initiieren, die Medien mit einbinden, wie es derzeit zum Beispiel in Oberösterreich mit der Aktion "Klix 2000: Sicher zur Schule – Sicher nach Hause" geschieht. Mit dieser Symbolfigur Klix, dem Schlaubären, wird einerseits für mehr Aufmerksamkeit der Kinder gesorgt, andererseits aber auch andere Verkehrsteilnehmer mit eingebunden (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Helmi!), und zwar speziell mit Themen, die auch in der Schule behandelt werden, wie Mitfahren im PKW, Schulbus, Fahrrad, Sicherheit beim Überqueren der Straße – eine ganze Palette von Möglichkeiten. Mir fehlen jedoch die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten.

Ein anderer Bereich der Verkehrssicherheit, den meine Vorrednerin schon kurz angeschnitten hat, betrifft die Gefahrenguttransporte. Was tun Sie in der Praxis dagegen, außer dass unsere Gendarmeriebeamten sogar EU-weit dafür belobigt wurden, weil sie so hervorragend kontrollieren? Aber meiner Meinung nach geschieht diesbezüglich viel zu wenig! Vor kurzem wurde in Oberösterreich ein Fall bekannt, dass auf der Innkreis Autobahn ein Kühlwagen aufgehalten wurde, der – noch dazu beim Wochenendfahrverbot – nicht, wie angegeben, Zwiebel, sondern 20 Tonnen hochgiftiger Chemikalien beförderte.

Oder ein anderer Bereich, der heute auch schon angesprochen wurde, nämlich die Wirkung der 0,5-Promille-Grenze. Mit Einführung am 1. Jänner 1998 ging der Anteil der alkoholisierten Unfalllenker im Vergleich zu den Vorjahren um 25 Prozent zurück. Auch im Jahre 1999 sank der


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Anteil um 7 Prozent! Wichtig ist aber, dass diese Bilanz noch viel besser ausfallen könnte, würde mehr Öffentlichkeitsarbeit diesbezüglich gemacht werden. (Beifall bei der SPÖ.) Mit Hilfe von Kommunikations- und Marketingmaßnahmen würde die Wirkung der Kontrollen durch die Exekutive verbessert und somit die Zahl der Verkehrstoten und -verletzten deutlich reduziert werden. In diesem Punkt Geld einzusparen, Herr Bundesminister (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid spricht mit dem den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn)  – aber das interessiert Sie offensichtlich nicht –, ist angesichts der katastrophalen Unfallbilanz des Jahres 1999 ein sorgloser Umgang mit Menschenleben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Moser. )

Praktische Maßnahmen fehlen mir auch bezüglich der exorbitanten Zunahme des LKW-Verkehrs. Ich finde nichts in diesem Budget, womit Sie vielleicht dagegen Vorsorge treffen könnten. Die Fakten sind uns hinlänglich bekannt, aber was tun Sie dagegen? Man weiß doch, dass sich die Produktion in Billiglohnländern eben deshalb auszahlt, weil die Transporte fast nichts kosten (Abg. Böhacker: Vorher war das alles anders!) und das unterschiedliche Lohnniveau in den einzelnen Ländern das ebenfalls ermöglicht. Der Transport kostet nichts, also fährt man eben zum Waschen der Kartoffel in ein anderes Land und mit den gewaschenen und abgebundenen Kartoffeln wieder zurück.

Das Just-in-time ist uns bekannt. Die Lagerhäuser, Material- und Bestandteillager verschwinden von den Produktionsstätten. Aber was passiert? – Dafür sind Tausende LKW als fahrende Lagerhäuser unterwegs, die unsere Autobahnen und Bundesstraßen verstopfen. (Abg. Aumayr: Das ist alles erst seit dem 4. Februar!) Mir fehlen auch da praktische Maßnahmen und Beispiele, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Lösungsansätze sind mehr als überfällig. Dies soll gemeinsam mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit, mit den Autofahrerklubs und anderen erfolgen. Dazu sind jedoch auch Geldmittel erforderlich, die in diesem Budget fehlen.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss: In Summe muss festgestellt werden, dass für die gesetzlichen Ausgaben nicht ausreichend budgetiert und darüber hinaus die Ermessensausgaben um 15 Prozent reduziert wurden. Damit wird neuerlich klar gestellt, dass für diese Regierung Verkehrssicherheit kein Thema ist. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.57

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das neue Bundesministeriengesetz legt erstmals die Kompetenzen für Straße und Schiene in eine einzige Hand. Dies bedeutet für Österreich die Chance, die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur als synergetisches Miteinander aller Verkehrsträger zu betrachten. Es bietet die Möglichkeit, einen Straße und Schiene umfassenden Verkehrswegeplan mit klar definierten Prioritäten zu erstellen.

Im Bereich der Schieneninfrastruktur hat sich Verkehrsminister Schmid in den vergangenen Wochen zum prioritären Ausbau der Westbahn bekannt. Allerdings reicht die Westbahn nicht nur bis Salzburg, sondern bis Vorarlberg und führt auch durch das Tiroler Unterinntal. Als Tirolerin wundert es mich daher doppelt, dass die bereits laufende Planung des Abschnittes von Kufstein bis Radfeld jetzt gestoppt werden soll.

Der Ausbau im Unterinntal ist aber auch ein Teil der Hochleistungsbahn von München nach Verona, und damit sind wir genau am Punkt: Im Tiroler Unterinntal überlagern sich nämlich der Ost-West-Verkehr und der Nord-Süd-Verkehr. – Die Proteste der Tiroler Bevölkerung kommen daher nicht von ungefähr. Seit Jahren steigt das Verkehrsaufkommen auf den Autobahnen durch das Unterinntal und über den Brenner weit überproportional.


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Wie dem Bericht über die Verkehrsentwicklung Tirols für das Jahr 1999 zu entnehmen ist, ist der Verkehr zum Beispiel auf der Autobahn bei Kufstein zwischen 1991 und 1998 um 53 Prozent gestiegen. 1,5 Millionen LKW rollten allein im Jahre 1999 über den Brenner – 186 000 Lkw beziehungsweise 14,3 Prozent mehr als 1998. Und jetzt lesen wir, dass bereits in den ersten drei Monaten des Jahres 2000 ein weiterer Zuwachs um 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen ist. Laut Verkehrsprognosen ist das jedoch noch lange nicht das Ende.

Meine Damen und Herren! Die Menschen in Tirol brauchen eine Alternative. Die Verlagerung zumindest des Verkehrszuwachses auf die Schiene darf nicht zu einem Schlagwort verkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Für eine solche Verlagerung ist eine entsprechende Schieneninfrastruktur zwingend notwendig. Die Kapazitätsgrenze der Bahn ist nämlich im Abschnitt zwischen Kundl, Radfeld und Baumkirchen längst überschritten. Mehr Güterzüge auf der Schiene sind also nur bei weiterer Einschränkung von Personenzügen möglich. Dieses Nadelöhr wird jetzt Gott sei Dank beseitigt. Damit liegen die nächsten Engstellen aber bei Kufstein und über den Brenner.

Die Wirtschaft, die Frächter und die Autobahnbetreiber haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt. Fercam, einer der größten italienischen Frächter, hat vor wenigen Wochen gemeinsam mit der Südtiroler Brennerautobahn eine Bahnbetreiberfirma gegründet, die den Staatsbahnen auf der Brennerachse Konkurrenz machen wird. Einem Frächter ist es nämlich egal, ob er sein Geld auf der Straße oder auf der Schiene verdient. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Edler und Mag. Kukacka. )

Ein Vertreter von Fercam sagte im "WirtschaftsBlatt" – ich zitiere –:

Die Straße stößt als Transportweg an die Kapazitätsgrenzen. Das Angebot der Bahnbetreiber ist keine Alternative. Was hilft, sind schnelle Liberalisierung und private Konkurrenz. Wir werden die Preise um 20 Prozent senken, um konkurrenzfähig zu sein. – Zitatende. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen sowie der SPÖ.)

Offensichtlich erwarten sich die Betreiber aber trotzdem ein Geschäft. Deshalb wundere ich mich, wenn ich von mangelnder betriebswirtschaftlicher Rentabilität auf der Brenner-Route höre. Aber die weitere Liberalisierung dieses Bereiches und der Ausbau der Schieneninfrastruktur sind absolut notwendig.

Meine Damen und Herren! Es ist auch richtig, dass auf der Südosttangente noch mehr LKW fahren als auf der Brenner-Route. Aber ich muss, ohne die Belastungen der Menschen gegeneinander ausspielen zu wollen, auf die besondere Situation in den Alpentälern hinweisen. Im Tiroler Unterinntal leben 80 Prozent der Tiroler Bevölkerung. Dieses Tal wird von Auto- und Eisenbahn durchschnitten. Eine emissions-klimatologische Studie der Ökoscience Lufthygiene AG für das Unterinntal hatte im Jahre 1999 folgendes Ergebnis: Die Immissionsbelastung liegt bereits heute, besonders bei Stickoxiden und Ozon, zum Teil beträchtlich über den gesetzlichen Grenzwerten. Die Ozonbelastung übertrifft an sämtlichen untersuchten Stationen die Grenzwerte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Neue Erkenntnisse über lungengängige Feinstäube zeigen, dass schon bei der heutigen Belastung mit bedeutenden gesundheitlichen Konsequenzen zu rechnen ist; deren volkswirtschaftliche Kosten gehen in Milliardenhöhe.

Da soll dann noch einer behaupten, dass sich der Bahnausbau volkswirtschaftlich nicht rechnet! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ sowie der Abg. Dr. Moser.  – Abg. Schwemlein: Bravo!)

Alpentransitachsen sind durch das hohe Verkehrsaufkommen und dadurch, dass Inversionen in den Alpentälern den Austausch der Luftmassen, vor allem in der Nacht und im Winter, verhindern, besonders belastet!

Meine Damen und Herren! So ein Alpental ist wie eine Wanne mit einem Deckel, in der, wenn der Wind geht, der Dreck hin- und herschwimmt. Das ist in der Ebene eben anders. Dazu


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kommt, dass Emissionen während der Nacht eine mehr als zwanzigfache Immissionsbelastung als tagsüber ohne Inversion bewirken. Das heißt, dass die Schadstoffe, die unsere Kinder heute einatmen, schon allein deshalb und ohne Verkehrszuwachs um das Dreifache ansteigen würden, wenn man den heutigen Verkehr mehr in die Nacht verlagert. Die Beibehaltung des Nachtfahrverbotes ist also für die Tiroler unverzichtbar. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, bei der SPÖ und den Grünen.)

Trotzdem wird die höhere Nachtmaut am Brenner jetzt vielleicht vom Europäischen Gerichtshof gekippt, und die Ökopunkte-Regelung wackelt!

Nur eine konsequente Verlagerung von der Straße auf die Schiene kann die Schadstoff- und die Lärmbelastung im Trichter Inntal reduzieren. Außerdem kann erst dann auf der alten Trasse wieder ein Taktverkehr für Pendler eingerichtet werden und eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene stattfinden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich kann aber auch sagen: Wir bauen in Tirol keine Hochleistungsstrecke für den Transitverkehr nur für unsere Nachbarn. Auch Italien und Deutschland haben sich zum Ausbau der Brennerachse verpflichtet, aber dort gibt es noch Reserven. Die Planungen bei Kufstein einzustellen ist das falsche Signal. Die EU zahlt, weil die Brennerachse eben für Europa so wichtig ist, die Hälfte der Planungs- und 10 Prozent der Baukosten. Das Einsparungspotential beträgt also nicht 250 Millionen Schilling, sondern nur 125 Millionen Schilling. 125 Millionen schenken wir der EU!

Der Brenner-Basistunnel wäre aus den Mauteinnahmen der Brenner Autobahn leicht zu finanzieren. Landeshauptmann Weingartner fordert diese Finanzierung schon lange. Die italienische Autobahn hat dafür bereits Geld reserviert.

Beim Bau der Autobahn hat Tirol als einzigen Geldgeber den Bund gefunden, die Europabrücke wurde damals als Wahnsinnsplanung bezeichnet. Heute werden dort jährlich über 20 Milliarden Schilling an Überschuss erwirtschaftet. (Abg. Eder: 20 Milliarden? – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: 20 Milliarden auf der Europabrücke?)  – 2 Milliarden Schilling auf der Brenner Autobahn, da habe ich mich versprochen, vor 20 Jahren habe ich gemeint!

Verkehrsminister Schmid scheint die Probleme erkannt zu haben. Er will gemeinsam mit den Tirolern auf der Autobahn gegen die massive Verkehrsbelastung demonstrieren, was uns freut. Aber als Verkehrsminister muss er daraus auch die einzig richtige Konsequenz ziehen, nämlich den raschen Ausbau der gesamten Unterinntalbahn und den Bau des Brenner-Basistunnels. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)

12.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reheis. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.06

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Hakl hat es Ihnen, meine Herren und Damen von der ÖVP, aber jetzt gezeigt, was Tiroler Verkehrspolitik ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)  – Kollegin Hakl! Kompliment, dieser Rede ist nichts hinzuzufügen! Gratuliere! Sie könnten durchaus meine Rede haben, und ich sehe einige Punkte in meinen Unterlagen, die ich jetzt fallen lassen werde. Aber die Gesichter bei Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP, waren beeindruckend! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Man konnte beobachten, welche Widersprüche diese Rede in den Reihen der ÖVP hervorgerufen hat. (Ruf bei der ÖVP: Überhaupt nicht!)  – Kompliment, Kollegin! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: Wir sind keine Einheitspartei, sondern eine Volks partei!)

Meine Damen und Herren! Diese Budgetanalyse zeigt an und für sich die Ratlosigkeit dieser Bundesregierung und im konkreten Fall auch des Verkehrsministers besonders eindrucksvoll. Anstatt der vorgesehenen Reduktion, damit komme ich auf die Ökopunkte, gemäß dem Transitvertrag sollen in den nächsten vier Jahren 7,4 Millionen Transit-LKW über Österreichs Straßen


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donnern. Das bedeutet eine jährliche Frequenz von 1,85 Millionen Schwerfahrzeugen. Davon, Kollegin Hakl, gehen über 70 Prozent über den Brenner.

Allein im ersten Quartal des Jahres 2000 – Sie haben das auch erwähnt – verzeichneten die Zählstellen an der Brenner Autobahn bei den LKW ein Plus von 12 Prozent. 366 430 schwere Laster passierten in den ersten drei Monaten des Jahres die Mautstelle Schönberg, davon waren etwa 80 Prozent Transit-LKW.

Eine Verringerung der Verkehrsbelastung und der Belastung von Mensch und Natur ist nicht absehbar. Die Menschen an diesen Transitrouten werden weiterhin und immer stärker dem Lärm ausgesetzt sein. Und der Lärm, meine Damen und Herren, macht uns alle krank! (Der Redner stellt eine Tafel mit aufgeklebten Zeitungsausschnitten mit der Überschrift: "Der Lärm macht uns alle krank!" vor sich auf das Rednerpult. – Beifall bei der SPÖ.)

Der äußerst schlechte Zustand des Tiroler Waldes, der bereits zu 54 Prozent Schädigungen aufweist, ist ein eindeutiges Indiz für den steigenden Transitverkehr. An allen Tiroler Stickoxid-Messstellen wurde nämlich festgestellt, dass im Jahre 1999 die Stickoxidwerte stark bis sehr stark angestiegen sind. Weiters wurde festgestellt und ist nicht unbekannt, dass fast die gesamte Stickoxid-Belastung vom Straßenverkehr verursacht wird. Auch der Ex-Landesforstdirektor des Landes Tirol, Hofrat Herbert Scheiring, sagte in der "Tiroler Tageszeitung" – ich zitiere –:

Die Tatsache, dass der Wert des Tiroler Waldes allein als Lawinenschutz 1,4 Billionen Schilling ausmacht, erleichtert eine Abwägung zwischen der Notwendigkeit der Schutzwaldfunktion und der Forderung nach einem ungehinderten Straßenverkehr, dessen Emissionen die Wälder schädigen. – Zitatende.

Dramatisch genug, meine Damen und Herren! Änderung ist keine in Sicht!

Zurück zu den Ökopunkten: Im Jahre 1999 wurde die vertraglich fixierte Referenzzahl um 14 Prozent überschritten. Im Transitvertrag, der schon vor dem EU-Beitritt zwischen Österreich und der EU abgeschlossen wurde, steht, dass die Zahl der Ökopunkte für Transit-LKW dann zu reduzieren sei, wenn in einem Jahr die Maximalzahl von 1,49 Millionen Fahrten um mehr als 8 Prozent überschritten würde. Das war eben im Jahre 1999 der Fall. Demnach müsste die Zahl der vorgesehenen Ökopunkte um zirka 2,4 Millionen reduziert werden – dabei handelt es sich um 350 000 LKW-Transitfahrten. Bis heute gibt es dafür keine definitive Lösung, denn bis zum heutigen Tag hat sich der Transit-Ausschuss der EU nicht mit der Reduktion der Ökopunkte befasst.

Dabei stellt sich auch die Frage, inwieweit eine ständige Vertagung nicht eine Rechts- und Vertragsverletzung darstellt. Und von Ihrer Seite, Herr Bundesminister, fehlt der notwendige Druck, diese vertraglich festgehaltene Regelung der EU durchzusetzen. Außerdem fehlt von Ihrer Seite eine klare Aussage zum Maut-Stretching der Brenner Autobahn zur Inntal-Maut. Sagen Sie uns, Herr Bundesminister, was Sie betreffend Inntal-Maut vorhaben! Riskieren wir hier eine Verurteilung durch die EU und eine Rückzahlung von zirka 2,5 Milliarden Schilling an die Frächter?

Und jetzt zur Bahn, Herr Bundesminister, zur Bundesbahn: Einmal wird das Bahnprojekt im Tiroler Unterland unterstützt und dann wieder hinterfragt. Sie haben in der "Tiroler Tageszeitung" vom 9. Mai selbst gesagt: "Alles, was wir derzeit im Westen machen, ist zu hinterfragen." (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Bei dieser Verkehrssituation sind Verbesserungen notwendig und keine Verschlechterungen. Und das ist zu hinterfragen! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Beispiele, meine Damen und Herren, zeigen, dass die Infrastrukturpolitik der FPÖ/ÖVP-Regierung chaotisch und undurchdacht ist, und dieses verkehrspolitische Chaos wird außerdem mit der Haltung der FPÖ-Einheitsregierung zum Semmering-Basistunnel, zum Westbahn-Ausbau bei Einstellung des Baus des Lainzer-Tunnels und zur Güterzugumfahrung St. Pölten, zu Nebenbahneinstellungen und so weiter dokumentiert.


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Herr Bundesminister! Sie sollten sich zur Unverzichtbarkeit der Trasse im Unteren Inntal bekennen und sich außerdem endlich für den zweigleisigen Lückenschluss im Oberen Inntal zwischen Ötztal und St. Anton aussprechen und dafür einsetzen. Während an anderer Stelle nämlich über einen viergleisigen Ausbau gesprochen wird, besteht im Oberen Inntal trotz schon lange abgeschlossenen Genehmigungsverfahrens nicht einmal ein zweigleisiger Ausbau. Dieser Streckenteil wird vernachlässigt und verkommt, wenn nichts geschieht, von einer Hauptroute zur Nebenbahn. Das können Sie doch nicht wollen, Herr Bundesminister.

Zum Schluss noch zur "einzigen Schutzmacht für Österreichs Autofahrer" – Zitat Westenthaler, der jetzt leider nicht hier ist, vom 27. November 1998.

Westenthaler am 7. März 1996: "Die Freiheitlichen lehnen eine neuerliche Schröpfaktion für die Autofahrer namens Maut grundsätzlich und entschieden ab." – Wo ist die FPÖ, Herr Westenthaler, nur geblieben, als die Tarife für die PKW-Maut von 550 auf 1 000 S erhöht wurden? – Da kennt diese Regierung kein Erbarmen, wenn aber die blaue Einheitsregierung für die Frächterlobby die bisherige Jahresvignette für LKW zwischen 7,5 und 12 Tonnen von 12 000 S auf 10 000 S verbilligt, kommt zutage, auf welcher Seite diese Regierung steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Während sich die Frächter und Busunternehmer davon die Mehrwertsteuer zurückholen können, blechen die privaten Autofahrer voll. Schwer-LKW von 40 Tonnen aufwärts zahlen weniger als zuvor an Steuern und Abgaben. Von einer Mautvignette ist gar keine Rede. Dafür belasten aber diese durch die hohen Achslasten mehr denn je die Autobahnen.

Die Versicherungssteuer steigt um 51 Prozent, die LKW-Maut wird auf die lange Bank geschoben, die Mautvignette wird auf 1 000 S verteuert, private Kraftfahrer zahlen 7 Milliarden Schilling mehr, Unternehmer werden geschont, Spritpreise galoppieren davon und, und, und. Belastungen noch und nöcher! Wo ist sie geblieben, die einzige Schutzmacht für Österreichs Autofahrer?, frage ich den Herrn Westenthaler, der leider nicht hier ist, sondern wahrscheinlich bei der Presse wieder einige seiner Wortschöpfungen zum Besten gibt?

Wenn das keine weiteren Beweise dafür sind, dass die FPÖ Weltmeister im Versprechen ist und ohne Skrupel diese Versprechen bricht – was dann? Wie versprochen, so gebrochen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Die Schutzmacht FPÖ hat es nie gegeben! Sie war und ist nur Schall und Rauch! (Beifall bei der SPÖ.)

12.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

12.14

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht der Pflichtverteidiger der Frau Kollegin Hakl. Mich hat ihre Rede auch beeindruckt. Sie war zündend und engagiert. Aber diese Koalition neu zeichnet Diskussion aus, das Ringen um Meinungen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ)  – und nicht Kadaver-Gehorsam, wie Sie, meine Damen und Herren, ihn an den Tag legen (Abg. Schwarzenberger: Bravo! Jawohl!): Da zieht irgendwer an einem Schnürl, und dann springen wir auf.

Wir kennen ja die Geschichte von seinerzeit, Herr Kollege Parnigoni, als Sie da eine Kollegin genötigt haben, wie sie abstimmen soll. (Abg. Parnigoni: Helmut! Helmut!) Also die Geschichten kennen wir. So kurz ist unser Gedächtnis nicht, auch nicht im Hinblick auf den Transitvertrag.

Erinnern wir uns zurück: Wer hat denn diese Sache ausgehandelt? (Abg. Schwarzenberger: Klima!)  – Herr Klima, meine Damen und Herren! Und dann ist genau das eingetreten, was wir befürchtet und was Sie geleugnet haben: dass nämlich der Transitverkehr zunimmt mit Ihrem Transitvertrag, der ach so vortrefflich gewesen sein soll. Und das ist die Geschichte, über die wir uns unterhalten, meine Damen und Herren.


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25. Sitzung / Seite 53

Wenn Sie vermeinen, mit einer Dampflok-nostalgischen Verkehrspolitik die Probleme lösen zu können, dann sind Sie auf dem berühmten Holzweg. Sie haben Zeit genug gehabt, all die Forderungen, die Sie heute, wenige Tage, nachdem Sie aus der Regierung geflogen sind, auf den Tisch legen, umzusetzen. Sie haben Zeit genug gehabt. Sie haben eine starke Mehrheit gehabt, eine Zweidrittelmehrheit haben Sie im Parlament gehabt. Was haben Sie denn getan? Nichts! Sie sind im Lehnsessel gesessen und haben sich in der Koalition gegenseitig belauert. Eine Bremserkoalition sondergleichen, meine Damen und Herren, haben Sie auf die Österreicher losgelassen. – Das nur einmal dazu.

Herr Bundesminister! Wir in dieser Koalition sind natürlich der Meinung, dass ein prosperierender Wirtschaftsstandort eine entsprechende positive Verkehrspolitik braucht und dass vor allem eine funktionierende Logistik eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Standortwahl ist.

Das heißt also, dass der Ausbau der Westbahn zu einer Hochleistungsstrecke die wichtigste Voraussetzung für den Wirtschaftsstandort Westösterreich und Gesamtösterreich ist, meine Damen und Herren. Wir wissen doch ganz genau, dass auch die Wissenschaft formuliert, dass die mobilen Produktionsfaktoren – Unternehmer, Betriebe, qualifizierte Arbeitskräfte, Kapital – dorthin wandern, wo sie möglichst attraktive standortspezifische Produktionsbedingungen vorfinden. Das ist es eigentlich.

Daher kann kein Vernünftiger verstehen, meine Damen und Herren, dass jetzt in Salzburg – damit komme ich zu meinem Bundesland, zu dem Bundesland, aus dem ich komme – die Verhinderer am Werk sind und vermeinen, den Ausbau der Strecke von Schwanenstadt nach Salzburg zur Hochleistungsstrecke verhindern zu können. Das darf im Interesse der Arbeitsplätze der Jugend und der Zukunft nicht passieren, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher ist es eine Schnapsidee, den Güterverkehr, wie es von einigen selbsternannten Experten verlangt wurde, über Braunau zu führen und den Personenverkehr über Salzburg.

Ich darf daher Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsparteien, und insbesondere Sie, Herr Bundesminister, ersuchen, jenen Krähwinklern und Kirchturmpolitikern nicht das Ohr zu leihen, die da meinen, mit ihrem Neinsagen den Ausbau der HL-Strecke verhindern zu können. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Puttinger. ) Die Politik hat die Aufgabe, über den Tellerrand hinaus zu sehen und die Zukunft zu gestalten. Wer die Zukunft nicht gestaltet, wird zum Konkursverwalter der Gegenwart, meine Damen und Herren. Und ich als Freiheitlicher bin für innovative Verkehrspolitik, für eine Verkehrspolitik, die nicht gegen die Straße, gegen die Bahn und gegen alles ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wer sich zur Umwelt, zur positiven Gestaltung der Umwelt bekennt, wer für die Chancen der Jugend, unserer Kinder- und Enkelgeneration ist, wer sich dazu bekennt, dass der Großraum Salzburg–Oberösterreich in Hinkunft wirtschaftlich prosperiert, der muss sich zum Ausbau dieser HL-Strecke bekennen. Das sage ich nicht als Lokalpolitiker, sondern auch in Verantwortung für den gesamten Westen unserer Republik. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für den gesamten Westen deswegen, weil wir wissen, dass insbesondere Salzburg in der Monarchie, in der Kaiserzeit das Armenhaus der Monarchie war, und erst als die Elisabeth-Bahn, die Westbahn ausgebaut und dann nach München verlängert wurde, ist es aufwärts gegangen in unserer Region, meine Damen und Herren.

Daher wehre ich mich mit aller Schärfe gegen Kirchturmpolitiker, die vermeinen, mit billigen Versprechungen die Bevölkerung aufhetzen zu können, um so zu verhindern, dass die Zukunft des Landes positiv gestaltet wird. Ich ersuche Sie, Herr Minister, auf die denkenden, innovativen Menschen in unserem Lande zu hören! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.19


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Stenographisches Protokoll
25. Sitzung / Seite 54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Schwemlein zu Wort gemeldet. Bitte, beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen!

12.19

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haigermoser behauptete, dass Abgeordneter Parnigoni jemanden bei einer Abstimmung "genötigt" hätte. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Auer: Das haben alle gesehen!) – Das ist falsch! Und das ist bereits mehrfach durch tatsächliche Berichtigungen richtig gestellt worden.

Tatsache ist: Herr Abgeordneter Parnigoni hat niemanden "genötigt".

Herr Präsident! Ich erwarte von Ihnen, dass Sie allein für die Beschuldigung, jemanden zu nötigen, einen Ordnungsruf erteilen! (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende lebhafte Zwischenrufe. – Abg. Auer: Mit beiden Händen hat er sie gehalten!)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.20

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haigermoser hat weiters behauptet, dass der Transitvertrag von Minister Klima abgeschlossen worden ist. (Abg. Schwarzenberger: Ja, verhandelt mit der EU!) Verhandelt, ja, richtig. Des Weiteren hat er behauptet, dass der Transitvertrag das Verkehrsaufkommen steigert. (Abg. Haigermoser: So ist es!) – Beides ist falsch!

Der Transitvertrag ist von Herrn Verkehrsminister Streicher verhandelt worden. (Abg. Haigermoser: Das erste Mal! Das zweite Mal von Klima!) Überhaupt nicht. Das ist vor dem EU-Vertrag verhandelt worden.

Zum Zweiten: Der Transitvertrag hat den Verkehr nicht gesteigert, sondern hat ihn ökologisiert. (Abg. Haigermoser: Jetzt habe ich gerade etwas anderes gehört! Da müsst ihr euch absprechen!) Wir haben seither eine Reduktion der Stickoxide um 40 Prozent. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Im Zusammenhang mit den Ausführungen des Abgeordneten Haigermoser und dem Wort "Nötigung" werde ich mir das Stenographische Protokoll vorlegen lassen, um den Zusammenhang Ihrer Äußerung genau erkennen zu können.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.21

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch das Thema, das ich nun kurz anschneiden möchte, zeugt von einer wirklich verfehlten Verkehrspolitik der blau-schwarzen Regierung. Erinnern Sie sich bitte an die Worte Ihres Herrn Finanzministers Grasser, der da gesagt hat, in besonderer Weise solle soziale Gerechtigkeit ermöglicht werden. Das ist wirklich blanker Zynismus, wenn ich mir die Budgetzahlen anschaue.

Nicht nur, dass die neue Regierung bei den AutofahrerInnen die Steuerschraube massiv nach oben anzieht – um durchschnittlich 2 000 S mehr –, nein, auch im öffentlichen Verkehr – das wurde heute schon einige Male gesagt – erwartet die Bürgerinnen und Bürger eine Reihe von massiven Verschlechterungen. Die Mittel für den öffentlichen Nahverkehr werden im vorgelegten Budget gekürzt, wodurch natürlich alle Attraktivierungsbemühungen des öffentlichen Ver


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25. Sitzung / Seite 55

kehrs gefährdet sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Sie dürfen die Umverteilung nicht vergessen!)

Es werden die Ausgaben für die Verkehrsverbünde um 100 Millionen Schilling reduziert, und das ist im Rahmen der Verkehrsverbünde, wie Sie sich wohl ausrechnen können, nur durch Tariferhöhungen oder massive Einschränkungen einsparbar. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Der Mödlinger Tunnel – darüber haben wir ohnehin schon einmal geredet.

Gleichzeitig kommt der Bund seinen in den §§ 24 bis 26 Nahverkehrsgesetz festgelegten Verpflichtungen nicht nach, wonach 80 Millionen Schilling für die Länder beziehungsweise 20 Millionen Schilling für die Gemeinden zur Verfügung gestellt werden müssen. Ebenso werden die Aufwendungen für die Schieneninfrastruktur massiv gekürzt. Damit wird der dringende Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel wieder aufs Abstellgleis geschoben.

Insgesamt sind somit – das wurde heute auch schon gesagt – für den öffentlichen Nahverkehr nicht weniger als 350 Millionen Schilling nicht verfügbar, mit denen bei gleich bleibender Budgetierung die Verkehrsunternehmen gerechnet hätten. Und zugleich – heute habe ich gehört, bis 2002 – wird das Road-Pricing für LKW verschleppt. Die blau-schwarze Regierung schröpft stattdessen die Autofahrer und geht vor der Frächterlobby in die Knie. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Regierung möchte ich sagen: Wer den Schwerverkehr schont und zur selben Zeit die Mittel für den öffentlichen Verkehr reduziert, der garantiert die ungezügelte Zunahme des Schwerverkehrs. Die Straßen werden kaputt gefahren und unser Land wird kaputt gemacht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: So ist es!) Kommen Sie dann bitte nicht, um über eine verfehlte Verkehrspolitik zu klagen, denn der Slogan "Schiene statt Verkehrslawine" wurde seinerzeit mitleidig belächelt, aber er hatte seine Richtigkeit. Jede Tonne mehr auf der Schiene ist nämlich auch ein Antistauprogramm, Herr Kollege Haigermoser. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht lautet Ihr Slogan: "Verkehrslawine prolongiert – Steuerpaket für die PendlerInnen". Eine völlig verfehlte Denkweise, meine Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: Das haben Sie nicht verstanden!)

Ich selber komme aus dem verkehrsreichsten Bezirk Österreichs, aus dem Bezirk Mödling, und gerade den Bezirk Mödling und das Wiener Umland treffen diese Kürzungen besonders hart, denn 160 000 Autos auf der A 2 täglich sind nicht wenig.

Zu den Nebenbahnen noch ein Wort, meine Damen und Herren! Generaldirektor Draxler hat angekündigt – der Herr Bundesminister hat sich schon dazu geäußert –, 80 Prozent der Nebenbahnen einstellen zu wollen. Das ist ein Anschlag auf die bisherige ökologisch orientierte und den Bedürfnissen der Menschen entsprechende Verkehrspolitik. Die ökologisch orientierte Abwicklung sowohl des Pendlerverkehrs als auch des Güterverkehrs auf der Schiene muss, meine Damen und Herren, im Interesse aller Menschen sein.

Bis Ende Mai will Draxler dem Bundesministerium die Strecken nennen, für die er beabsichtigt, diese Betriebskonzessionen zurückzulegen. Wir sozialdemokratischen Abgeordneten stellen daher angesichts der verkehrspolitischen Bedeutung der Nebenbahnen folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Parnigoni und GenossInnen zum Bericht des Budgetausschusses (80 und Zu 80 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 und Zu 60 der Beilagen) zur Erhaltung der Nebenbahnen

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die im Rahmen des Bundesbahngesetzes vorgesehene Möglichkeit einer verkehrspolitischen Weisung notfalls zu nutzen, um den Verkehr auf den Nebenbahnen sicherzustellen. Die Österreichischen Bundesbahnen sind erst dann aus ihrer Betriebspflicht auf Nebenbahnen zu entlassen, wenn sich ein anderer Betreiber zur Erbringung der Verkehrsleistung in mindestens der gleichen Qualität findet.

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien! Nehmen Sie diese Chance wahr, um Ihre völlig verfehlte Verkehrspolitik noch schnell in die richtigen Bahnen zu lenken! (Beifall bei der SPÖ.)

12.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung. (Abg. Dr. Martin Graf: Wenn wir das tun, dann stimmen Sie dem Budget zu? – Abg. Schwarzenberger: Das wäre ein Trugschluss!)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.27

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute das Kapitel 65 zum Bundesfinanzgesetz 2000, und ich möchte gleich zu Beginn einmal positiv herausstreichen, dass in diesem Ressort neben den Bereichen Innovation und Technologie das gesamte Verkehrswesen, also Schiene und Straße, zusammengeführt wurde.

Herr Bundesminister! Ihnen steht somit nicht nur ein Riesenressort zur Verfügung, sondern für den Ausbau des hochrangigen Straßen- und Schienennetzes stehen Ihnen auch die außerbudgetären Finanzierungsmittel laut Schieneninfrastrukturgesetz und ASFINAG zur Verfügung.

Herr Bundesminister! Sie haben besonders darauf hingewiesen, dass Ihnen ein Budgetrahmen von insgesamt 300 Milliarden Schilling, der jedoch bereits verplant wurde, zur Verfügung steht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Herbst 1998 wurde von Herrn Bundesminister Einem der Bericht über den österreichischen Bundesverkehrswegeplan, der Masterplan, vorgestellt. Wir alle können uns noch daran erinnern, dass dieser Masterplan sehr heftig diskutiert wurde, vor allem deswegen, weil viele, auch Experten, der Meinung waren, dass dieser Plan vor allem den Ausbau der Schiene bevorzugt und den Ausbau des hochrangigen Straßennetzes eher vernachlässigt.

Einige Monate später wurde die über Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellte GSD-Studie vorgestellt. Diese Studie hatte den Ansatz beziehungsweise die Hauptaufgabe, die Anpassung des österreichischen Straßennetzes an eine gesamteuropäische Lösung vorzunehmen und mit dieser abzustimmen. Im Juni 1999, also vor ungefähr einem Jahr, kam es dann letztlich zwischen dem Bautenausschuss und dem Verkehrsausschuss zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag, mit dem beide Ministerien beauftragt wurden, diese beiden Projekte, den Masterplan und die GSD-Studie, weiterzuführen und insbesondere verkehrsträgerübergreifende Netz- und Korridoranalysen gemeinsam durchzuführen und letztlich dann im Bundesverkehrswegeplan zusammenzuführen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Voraussetzungen wurden geschaffen: Straße und Schiene sind in Ihrem Ministerium vereint, und Sie haben nun die Chance, aber auch die Mög


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lichkeit, unter Berücksichtigung des Wirtschaftsstandortes Österreich eine Prioritätenreihung für die notwendigen Investitionen durchzuführen. Sie haben in Ihren Ausführungen bereits darauf hingewiesen, Sie haben Ihre Schwerpunkte genannt, vor allem unter dem Aspekt der Betrachtung der europäischen Entwicklung, und die Sinnhaftigkeit, die beiden Bereiche Straße und Schiene zusammenzuführen, hervorgehoben.

Als niederösterreichischer Abgeordneter freue ich mich natürlich besonders darüber, dass Sie in Ihrer Prioritätenliste auch den Ausbau der viergleisigen Westbahn St. Pölten–Wien vorgesehen haben. Ich hätte dazu, Herr Bundesminister, nur eine Bitte: Sie haben von Sensibilität gesprochen, und gerade bei dieser Hochleistungsbahn durch das Tullnerfeld gibt es bezüglich der Trassenführung zwar in fast allen Gemeinden einen Konsens, nur in den beiden Gemeinden Weißenkirchen und Würmla gibt es berechtigte Sorge und Probleme. Ich würde Sie, Herr Bundesminister, daher bitten: Prüfen Sie bei dieser Route noch einmal die Vor- und Nachteile, und überdenken Sie, ob Sie nicht doch der Alternativtrasse, die dort von den Gemeinden mit den Bürgern erarbeitet wurde, den Vorrang geben könnten.

Und nun zur Güterzugumfahrung St. Pölten. Der Spatenstich wurde vorgenommen, und es wurde auch bereits mit dem Bau begonnen. Es gibt derzeit allerdings doch einige Probleme, und zwar bei den Grundeinlösungen. Hier gibt es Verzögerungen, aber auch Verunsicherungen. Ich würde Sie bitten, Herr Bundesminister, dafür zu sorgen, dass die Rückstellung dieser Güterzugumfahrung oder die Baueinstellung nicht auf dem Rücken der "kleinen" Leute und der Grundeigentümer ausgetragen wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dr. Kräuter. )

Nun einige Gedanken zum öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr. Wir haben im Vorjahr, noch vor der Sommerpause, dieses Gesetz beschlossen. Damit wurden die Grundlagen für die längst notwendige Neuordnung des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs geschaffen. Ich möchte positiv das Bemühen hervorheben, dass bereits bei der Planung die Länder und Gemeinden miteinbezogen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neu Regieren bedeutet auch eine neue Denkweise im Nah- und Regionalverkehr. Die Neuordnung des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs ist umso wichtiger, als seitens der Bundesbahn Überlegungen angestellt werden, bei Nebenbahnen das Angebot der Züge zu reduzieren oder gar einzustellen.

Ich möchte auf einen Entschließungsantrag vom Juni 1999 hinweisen, mit dem das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr ersucht wurde, gemeinsam mit den Vertretern der Länder, des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes eine Arbeitsgruppe einzurichten, um – das ist jetzt ganz wichtig – in Vorbereitung des nächsten Finanzausgleiches die Investitionsbedürfnisse im Rahmen der Städte und Ballungsräume sowie die zusätzlich notwendigen Mittel der Länder und Gemeinden zur Finanzierung des öffentlichen Personennah- und -regionalverkehrs zu ermitteln und darauf aufbauend letztlich konkrete Vorschläge zu erarbeiten, für die Finanzierungsbedeckung zu sorgen und eine entsprechende Prioritätenreihung zu erarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die gesetzlichen Grundlagen und die Voraussetzungen sind geschaffen. Jetzt geht es darum, diese Maßnahmen umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Plank. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.34

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! "Kleiner Mann, was nun?" – das ist der Titel eines Romans von Hans Fallada, den er in den dreißiger Jahren geschrieben hat, und ich möchte heute in meinem Beitrag zur Verkehrspolitik den Nachweis erbringen, wie unwichtig der vielzitierte "kleine Mann" dieser Bundesregierung ist. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Behauptung Nummer eins: Ihre Verkehrspolitik, Herr Bundesminister, ist zutiefst unsozial. (Beifall bei der SPÖ.) Ich kann Beweise dazu anbieten. Der erste und wohl einfachste Beweis ist der: Die Belastungen für die AutofahrerInnen sind massiv angestiegen. AutofahrerInnen sind in unserem Land auch oft PendlerInnen. Der Vignettenpreis war flugs auf 1 000 S erhöht.

Herr Kollege Kukacka hat uns, der SPÖ, heute vorgeworfen, mit uns zöge die alte Zeit. Dass die Zeit für die ÖVP so schnell zieht, wusste ich nicht, denn noch im Juli 1999 hieß es – ich zitiere –:

ÖVP-Verkehrssprecher Helmut Kukacka stellte auch für seine Fraktion fest, dass eine Erhöhung der Vignettenpreise nicht in Frage komme. – Zitatende. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Niederwieser: Das hat er vergessen!) Zu schnell ist alles vergessen! (Abg. Reheis: Alzheimer!)

Auch die FPÖ war vor einem halben Jahr noch auf einer ganz anderen Schiene, als sie über die andere Politik schimpfte: "Klares FPÖ-Nein zur Erhöhung der Vignettengebühr" – 7. Juli 1999. "Die Raubritter sind wieder im Anmarsch!" – Damaliger FPÖ-Klubobmann und Abgeordneter Herbert Scheibner über die Forderung der Erhöhung der Vignettengebühr. – So weit zu dem, wie schnell die Zeit sich offensichtlich ändert, wenn es darum geht, die Kleinen zu schröpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ebenfalls die Kleinen trifft es, dass das Road-Pricing weiter verzögert wird. Einige haben es heute schon angesprochen. Herr Minister, Sie haben gesagt, im Juli 2002 wird es auf jeden Fall endlich so weit sein. Wenn es nach Ihnen geht, soll es eine ausschließlich elektronische Überprüfung geben. Zwei Jahre für ein solch kompliziertes System sind eine knappe Zeit. Das heißt meiner Ansicht nach: Es ist weiter unsicher, ob wenigstens 2002 der Transit- und der LKW-Verkehr belastet sein werden.

Hätte es nicht die Verzögerungspolitik der ÖVP gegeben, dann könnte es bereits seit 1998 dieses Road-Pricing geben. Das heißt, bis zum geplanten Einführungstermin sind es etwa 14 Milliarden Schilling, die für Erhaltung, für Straßenbaumaßnahmen bereits in den Staatskassen sein könnten. (Beifall bei der SPÖ.) Wer zahlt das, was fehlt? – Die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer dieses Landes. Und warum? – Es gibt kein Verursacherprinzip, es gibt keine Kostenwahrheit im Straßenverkehr. Das ist das Hauptübel. Die PKW-Fahrer und -Fahrerinnen finanzieren die Transportunternehmer mit, die aber auf der Straße ihr Geld verdienen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was im Regierungsübereinkommen so nett als "Optimierung des Nahverkehrs" bezeichnet wird, liest sich dann im Klartext, wenn ich mir Ihre Maßnahmen anschaue, so: Nahverkehr auf der Schiene dann, wenn die Länder bereit sind zu zahlen, nicht der Bund. Keine Verantwortung mehr offensichtlich. 315 Millionen Schilling fehlen allein im Jahr 2000. Das heißt natürlich, dass auch Leistungen fehlen werden. Wo Geld fehlt, werden auch die Leistungen fehlen.

Erklären Sie, Herr Bundesminister, einer Pensionistin im Sölktal, wenn sie nach Gröbming fahren will und nicht einmal mehr einen Bus pro Tag zur Verfügung hat, wie sie das bewerkstelligen soll. Erklären Sie ihr, dass sie keine Selbständigkeit mehr haben darf, dass sie angewiesen ist auf Hilfe oder auf Almosen, dass irgendjemand bereit ist, sie irgendwohin zu bringen, denn öffentlicher Verkehr ist kein Anliegen mehr. Wo bleibt die Verantwortung des Staates für seine Menschen?, frage ich mich. Oder gilt hier: Die sollen sich die Züge und die Busse in die Haare schmieren!? (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre saloppe Formulierung, "die Realität zur Kenntnis nehmen", so wie Sie es heute genannt haben, empfinde ich als zynisch und menschenverachtend. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das ist aber bitte nicht in diesen Zusammenhang zu bringen!) Prinzipiell. Wenn Politik nicht einmal mehr gestalten will, dann hat sie verloren. Sie haben gesagt, wenn die Züge leer sind oder nur mehr einer fährt, dann sind sie einzustellen.

Behauptung zwei: Sie lassen die Menschen im Stich, und Ihre Infrastrukturpolitik ist chaotisch und undurchdacht. Die Landesgeschäftsführerin der ÖVP-Salzburg, Frau Landtagsabgeordnete Rogatsch, hat in einer Aussendung so formuliert, "dass er" – Sie waren gemeint – "überfordert


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oder ahnungslos ist". (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid. ) Ich habe nur aus einer Presseaussendung einer ÖVP-Landesgeschäftsführerin zitiert.

Steirischer Beweis: Semmering-Basistunnel. Landeshauptfrau Klasnic plakatiert: "Durchgesetzt!" Sie sagen im "profil": "Ich überzeuge Pröll" und bezeichnen ihn heute hier als "Pfropfen, der im Tunnel steckt und den es zu entfernen gelte". Ich sage Ihnen, die Botschaft hör’ ich wohl, doch allein mir fehlt der Glaube. Vor einigen Wochen noch hat sich ein Abgeordneter Ihrer Fraktion hier im Plenum enorm darüber gefreut, dass dieses Loch endlich zugeschüttet wird und dass keine Milliarden mehr dorthin versickern. Das ist ein Mitglied des Verkehrsausschusses, das ist ein Steirer, und das ist ein Mitglied Ihrer Partei. (Abg. Dr. Kräuter: Unerhört!)

Ich wundere mich, wie bei Ihnen Politik gemacht wird. Ist es schlichtweg unkoordiniert, was hier vorgeht, oder wird er als Kassandra ausgeschickt, damit nicht Sie die schlechte Botschaft überbringen müssen. (Abg. Dr. Martin Graf: Meinungsvielfalt! Freies Mandat!)

Zu Hause werben alle damit, dass sie für die Regionen, für das Land kämpfen, und hier im Plenum läuft es dann ganz anders. Sie kennen die schwierige Situation in der Steiermark, vor allem in der Obersteiermark und im Bezirk Liezen. Sie als Steirer müssten diese auch kennen. (Beifall bei der SPÖ.)

Pech gehabt, "kleiner" Mann! – Auf einige Zitate muss ich leider verzichten, weil meine Redezeit schon so gut wie abgelaufen ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Der Bau der Umfahrung Vordernberg, die eine touristische Aufschließung dieses Gebietes bedeuten würde, wird wieder aufgeschoben, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag wahrscheinlich. Das Nadelöhr Vordernberg bleibt bestehen. 

Der größte Brocken, den ich Ihnen heute noch vorlegen möchte, anhand dessen Sie beweisen können, dass Sie Politik machen können, betrifft die B 320. Seit 25 Jahren warten die Menschen im Ennstal auf eine Verkehrslösung. Jetzt haben aber offensichtlich jene, die neu regieren wollen, auch kein Konzept. Meine Anfragen an Bundesminister Bartenstein und an Sie sind völlig unterschiedlich beantwortet worden. Jeder möchte etwas anderes.

Landesrat Paierl in der Steiermark sagt, die Infrastruktur in diesem Gebiet sei entwicklungsbedürftig – das meine ich auch. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das ist kein typischer Freiheitlicher!) Bis zum Jahre 2010 sind Teilstücke zwischen Trautenfels und Mandling vorgesehen, es gibt aber keinerlei Planung und keinerlei Mittel für die Strecke zwischen Liezen und Stainach.

Wollen Sie wirklich nicht gestalten, Herr Minister? Wollen Sie wirklich beweisen, wie unwichtig Ihnen die Menschen dort sind? (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wer ist Straßenbaureferent in der Steiermark?)  – Sie könnten hier Weitblick und Mut zeigen, beweisen Sie ihn. Wir brauchen dort ein Konzept, wir brauchen eine Straße. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Seit wann ist Ressel ein Freiheitlicher?) Wir brauchen keinen Transit, wir brauchen eine leistungsfähige Straße, die die Menschen, die dort wohnen, schont. Bitte, handeln Sie, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid. ) – "B 320" ist der neue Titel für die ehemalige B 146 Ennstal Bundesstraße. Sie heißt jetzt B 320.

12.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Burket. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Pumberger  – in Richtung der Abg. Burket –: Haben Sie das mit der Umverteilung gesagt?)

12.43

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! 7 Milliarden Schilling Belastung sind ein Paket unsäglicher Grauslichkeiten. Wie ich heute Früh im Radio gehört habe, gibt es dagegen österreichweit einen Aktionstag, wiewohl ich es toll finde, wenn der ÖGB seinen Mitgliedern einmal etwas Gutes tut und ihnen bei den roten Ampeln die Autoscheiben putzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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47 Milliarden Schilling – aber dies von einem roten Finanzminister – waren eine Notwendigkeit, der sich auch dieser besagte ÖGB nicht verschließen konnte. So lange es eine rote oder rot dominierte Regierung gegeben hat, solange haben die Sozialpartner geschwiegen, maximal ein paar Scheingefechte geführt, um ihr Gesicht zu wahren, aber nur ja nicht zu laut. Jetzt vergeht kaum ein Tag ohne neue Drohungen dieser Sozialpartner.

Meine Damen und Herren! Wenn große Belastungen akzeptiert werden konnten, die keinerlei positive Auswirkungen auf das Budget hatten, dann frage ich mich: Wo ist die Verantwortung dieser Sozialpartner? Wie viele Milliarden hätte man schon allein mit einem langfristigen Verkehrskonzept für Wien einsparen können?

Die Verkehrssituation in Wien ist ein Armutszeugnis für die Stadtplanung und ein Lehrbeispiel dafür, wie man es nicht machen soll. Die Wiener Verkehrssituation zeichnet sich vorwiegend dadurch aus, dass der Stadtentwicklung hinterhergelaufen und keinerlei Vorausschau betrieben wird. Die Realität diktiert die Notwendigkeiten – so ist es.

Es werden Tausende Wohnungen ins Grüngebiet gestellt, aber niemand macht sich Gedanken über die Anbindung an die U-Bahn. Früher hat es das Schlagwort gegeben, die Gemeinde baut eine neue Siedlung, die aus 500 bis 1 000 Wohnungen, einer Trafik, einer Apotheke und einem "Konsum" besteht. Den "Konsum" gibt es nicht mehr, der Rest ist immer noch so.

Die Stadt kann sich nur an ihrem Rand weiter ausbreiten, das ist so simpel wie logisch. Was machen unsere Verkehrsplaner? – Sie lassen alle U-Bahnen genau vor diesen Hoffnungsgebieten enden. Warum endet die jetzt bereits verlängerte U3 an der Simmeringer Hauptstraße, wenn dahinter die Thürnlhof-Siedlung und Kaiserebersdorf kommen, wo Tausende Menschen wohnen?! Sie wählen aus verständlichen Gründen als Alternative zum "71er" das Auto. Auf der einen Seite will man der Bevölkerung das Autofahren abgewöhnen und macht auf der anderen Seite den Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel so unattraktiv wie nur möglich.

Die U1 ist das nächste Beispiel für eine völlig sinnlose Planung. Wo endet die U1? – Sie endet am Reumannplatz. Wo wohnen die meisten Menschen? – In Rothneusiedl und noch ein Stückchen weiter, in der Per-Albin-Hansson-Siedlung, sowohl in der alten als auch in der neuen.

Auch das andere Ende der U1 sollte der Ordnung halber Erwähnung finden, denn dort schaut es genauso aus: Endstation ist das Donauzentrum, und nach dem Donauzentrum kommen dann die Großfeldsiedlung und alle anderen großen Siedlungsgebiete in der Leopoldau. Da gibt es also eine Konzentration von Menschen, die alle Autos haben und sie auch brauchen, um in die Arbeit zu kommen.

Ich weiß, man kann nicht an jeder größeren Straße von Wien eine U-Bahn bauen, aber man kann bei der Streckenplanung gefälligst weiterdenken, als die eigene Nase lang ist, und sich mit den Zukunftsprojekten der Stadtplaner auseinander setzen und erst dann die Verkehrsrelationen planen, die notwendig sein werden, um dem unweigerlich kommenden Bedarf gerecht zu werden.

Die Zubringerbusse zu den jetzt vorhandenen U-Bahnstationen haben Intervalle, die auch einem ambitionierten "Öffi"-Fahrer das Grausen beibringen. Wenn man dreimal umsteigen muss, dann verliert jedes öffentliche Verkehrsmittel gegen einen PKW. Das ist Innovation. Das ist leider Tatsache. Da ich selbst zu 90 Prozent öffentlich unterwegs bin, und das in ganz Wien, darf ich mir hier schon ein Urteil erlauben.

Dass das Park-and-ride-System in Erdberg zu groß und zu weit weg und daher unattraktiv ist und jenes beim Donauzentrum viel zu klein und auch nicht glücklich geplant ist, rundet das Bild nur ab.

Zu klein die Abstellplätze dimensioniert, zu kurz die Streckenführungen der U-Bahn – so stellt sich die zukunftsorientierte Verkehrsplanung von Wien dar.


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Aber von der Wiener Stadtverwaltung ist niemand böse über die vielen Autos in der Stadt, insbesondere nicht Herr Svihalek und Herr Häupl. Der eine verkauft Parkplätze, die er nicht hat, und der andere bessert mit dem Geld seine Kassen auf, um es anderswo wieder hinauszuschmeißen. (Abg. Eder: Görg müssen Sie das erzählen! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abg. Edlinger, Eder und Schwarzenberger. )

Wenn das stimmt, was in der Zeitung steht, hat der "Life Ball" 135 Millionen Schilling gekostet. Das ist ein stolzer Preis für ein paar nackerte Popscherln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um die Bevölkerung zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen, braucht man keine teure Werbekampagne, sondern ein attraktives Angebot. Das schnellste Verkehrsmittel ist nun einmal die U-Bahn. Es muss daher bei jeglicher Verkehrsplanung in Wien der U-Bahnbau erste Priorität haben. Mit Ohrwascheln und Schikanen den Autofahrern das Fahren zur Hölle zu machen, bringt nur Ärger und Unfallgefahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir jetzt einen Verkehrsminister haben, der nicht so weiterwurschteln will, wie das bisher geschehen ist, dann bedeutet das momentan einen Schnitt, ein klares Stopp, Hirn einschalten, Prioritäten setzen. Das ist der Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn das bedeutet, dass der Lainzer-Tunnel warten muss, weil es dringendere Aufgaben gibt, dann muss ein Projekt zu Gunsten eines größeren zurückstehen. Verkehrsplanung kann immer nur in größeren Zusammenhängen gesehen werden. Wenn da nicht Geldvernichtung, sondern zukunftsweisende Innovation gefordert ist, dann muss größeren Aufgaben Priorität eingeräumt werden, auch wenn manche darüber enttäuscht sind.

Der vierspurige Ausbau der Westbahnstrecke stellt eine solche Priorität dar. Planung, Vision, verantwortlicher Umgang mit Steuergeld und der Mut, auch nein zu sagen, sind das, was unseren Verkehrsminister auszeichnet. Das ist zur Kenntnis zu nehmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie wurden heute schon sehr viel gelobt, dass es endlich Synergieeffekte zwischen Schiene, Straße und Wasserwege geben wird. Aber Ihre Parteikollegin, meine Vorrednerin, dürfte das nicht so richtig begriffen haben, denn ich habe das, was sie jetzt vorgetragen hat, eigentlich als Kritik beziehungsweise als Aufforderung verstanden, der Stadt Wien wesentlich mehr Finanzmittel zukommen zu lassen, damit diese ihren kommunalen Aufgaben den Bereich U-Bahn betreffend nachkommen kann. (Ruf bei den Freiheitlichen: Besser einsetzen!)

Vielleicht dürfte sie eines nicht bedacht haben: Seit vier Jahren führt ihr Koalitionspartner, nämlich ÖVP-Stadtrat Görg, die Geschäfte, die all diese Verkehrsmaßnahmen betreffen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Da müssen Sie besser aufpassen!)

Da wir heute schon sehr viel über die Bereiche Schiene und Straße gehört haben (Abg. Dr. Pumberger: Passen Sie einmal ein bisschen besser auf, dann verstehen Sie es auch!), möchte ich mich einem Thema zuwenden, das im Bereich Wasser anzusiedeln ist, und zwar nicht nur deswegen, weil wir tagtäglich in den Medien hören, dass die Landwirtschaft vom Wassermangel betroffen sei. Wir haben – das sage ich als Marchfelder ganz bewusst – ein Jahrhundertprojekt errichtet bekommen, nämlich den Marchfeldkanal. Ich weiß ganz genau, Herr Verkehrsminister, dass Sie dieses Problem geerbt haben, aber Sie brauchen mir heute nicht zu sagen, dass daran eventuell die sozialdemokratischen Minister schuld gewesen wären, denn es fiel immer in die Zuständigkeit der Wirtschaftsminister Schüssel, Ditz und Farnleitner und in gewohnter Tradition in die Zuständigkeit der Landesräte Höfinger und Blochberger aus Niederösterreich.


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Was ist passiert? – Ein Jahrhundertprojekt ist Gott sei Dank in den achtziger Jahren errichtet und 1992 geflutet worden. Was haben wir derzeit? – Ich behaupte: einen nahezu unnötigen Bypass, der sich von Langenzersdorf parallel zur Donau bis Hainburg bewegt, wobei aber die notwendigen Ressourcen, nämlich die Grundwasseranhebung – die ursächlichste und ureigenste Aufgabe dieser Wasserstraße –, bis jetzt nicht erreicht wurden. Warum werden sie nicht erreicht? – Weil im Bereich der Betriebsgesellschaft und auch zwischen dem Bund, Ihrem Ministerium und dem Bundesland Niederösterreich keine Einigung erzielt werden kann: Wer soll dass bezahlen? (Beifall bei der SPÖ.) – Dies letztendlich dann auf die betroffenen Anrainergemeinden abzuwälzen, wäre zu einfach.

Ich stelle fest: Wir brauchen dringendst diesen funktionstüchtigen Marchfeldkanal mit einer entsprechenden Grundwasser-Dotierung. Ein Filial-Sickerbetrieb, wie es so schön heißt, bei dem 30 Liter zur Versickerung gebracht werden, nützt uns nichts, wir brauchen wesentlich mehr zur Versickerung. Ich bezweifle, dass das derzeitige Projekt mit einer Zentralversickerung in Deutsch-Wagram ausreichend sein wird. Ich verlange vielmehr mehrere Versickerungsstationen, denn sonst würde das bedeuten, dass eine unkontrollierte Wasserstandsanhebung die noch immer vorhandenen Altlasten tangieren würde.

Sehr geschätzter Herr Minister! Ich hoffe – nicht nur in Anbetracht der heuer zu erwartenden Ernteausfälle –, dass Sie ehestmöglich Schritte einleiten, um zu einer Einigung mit dem Bundesland Niederösterreich zu kommen, um diesen Marchfeldkanal auch so betreiben zu können, wie es ursprünglich geplant war.

Ein Letztes: Es wurde heute schon sehr viel über die Infrastruktur in den verschiedensten Bereichen unseres Staates gesprochen. Da ich gerade beim Marchfeld war, muss ich Folgendes sagen: Herr Minister! Bedenken Sie die Infrastruktur des Weinviertels, die, gelinde gesagt, eine Katastrophe ist. Wir planen eine Nord Autobahn, die, wenn Sie nicht rechtzeitig die entsprechenden Entlastungsmodelle mitplanen, ein sehr teurer Parkplatz von Wolkersdorf bis Wien und durch Wien werden wird. Gemeint ist damit eine ehestmögliche Planungsphase betreffend die Nord-Ost- und die Nord-West-Spange Wiens. Der tagtägliche Mega-Stau ist sowieso programmiert.

Ein Allerletztes: Es hat auch geheißen, es müssten sich die Verkehrswege rechnen. Wir haben dazu ganz einfache Beispiele: Von dem, was man mit 1 PS auf der Straße transportieren kann, kann man das Vierfache auf der Schiene und das Zehnfache auf der Wasserstraße transportieren. Es gibt seit vielen Jahren ein sehr sinnvolles, zukunftsorientiertes Projekt, nämlich das Projekt des Donau-Oder-Elbe-Kanals. Es wird zwar in regelmäßiger Systematik in den Medien darüber geschrieben und diskutiert, aber immer dann, wenn es in die Planungsphase gehen soll, wird dieses Projekt wieder abgelehnt. – Herr Minister! Prüfen Sie auch dieses Projekt im Hinblick auf die Entwicklung der Ostregion, aber auch im Hinblick auf die umweltmäßige Entlastung! (Beifall bei der SPÖ.)

12.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.56

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsstandort Österreich wird in diesem Europa, in dieser Europäischen Union zunehmend und immer mehr auch zu einer Standort-Marketing-Frage, und die Verkehrsinfrastruktur spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Als Abgeordneter aus dem südsteirischen Grenzland erlaube ich mir, auf die im Hinblick auf die Einführung des dualen Mautsystems mit 1. Juli 2002 zu erwartenden Probleme aufmerksam zu machen. Wir kennen diese Verordnung, wir haben dieses Gesetz im vorigen Jahr beschlossen. Was wir, vor allem auch sehr viele Abgeordnete aus allen Bundesländern, aber bei der Beschlussfassung nicht wissen konnten, ist, dass sich mit dieser Mautstellen-Verordnung sowie auch mit diesem veralteten dualen System nicht nur ein Problem, sondern gleich ein großes


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Bündel an Problemen für die Verkehrsinfrastruktur dieses, wenn ich so sagen darf, Standort-Marketings ergeben wird. Wir sind ständig der Konkurrenz in ganz Europa – was den Wirtschaftsstandort Österreich anlangt – ausgeliefert.

Wir sind der Meinung, dass es sehr sinnvoll ist, wie es der Herr Minister angekündigt hat, mit Geduld – wirklich mit Geduld – darauf zu warten. Da wir heute schon ein WAP-Handy um 900 S angeboten bekommen, ist es durchaus realistisch, in einem Jahr oder vielleicht auch mit sechsmonatiger Verspätung oder erst mit 1. Jänner 2003 ein perfektes elektronisches System mit GPS, so wie es unsere deutschen Nachbarn als der größte Export-Handelspartner von Österreich längst betreiben, zu haben. Damit wäre auch die Kompatibilität mit diesem so bedeutenden Export-Handelspartner gegeben. Wir sollten hier vernünftig warten, forschen, versuchen und untersuchen, um rechtzeitig im Vorfeld jene Fehler zu vermeiden, die wir in der Vergangenheit doch ständig gemacht haben.

Alle Parteien waren sich den gesamten Vormittag hindurch darin einig, dass es große Versäumnisse im Bereich der Verkehrsinfrastruktur gab. Bedeutend und herausragend war bisher die Schieneninfrastruktur. Alle Parteien hier im Hause sind sich da einig! Also machen wir jetzt nicht einen Minister, der 100 Tage im Amt ist, dafür verantwortlich, was in den letzten 30 Jahren oder mehr versäumt wurde. So ehrlich sollten wir doch sein. Angesichts dieser so wichtigen Frage appelliere ich an Sie, denn es geht dabei auch um Menschenleben und Sicherheit auf unseren Verkehrswegen. Ich appelliere dabei an die Solidarität aller hier in diesem Hause Anwesenden (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer ), das, was versäumt worden ist, nun unter schwierigsten Bedingungen so gut wie möglich aufzuholen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Es geht um mehr als darum, ob dort eine Schiene oder eine Straße gebaut wird, es geht um den Standort, es geht um die Sicherheit, und es geht darum, zeitgemäß zu sein. Österreich befindet sich in einem Europa, in dem uns alle anderen Länder vorzeigen, wie es geht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Gerade die Region in der Südost-, Süd-, Südwest-Steiermark, die eine Region an der Grenze zum Osten, an der Grenze zum Süden ist, wie Sie wollen, aber auf alle Fälle liegt sie an der Grenze zu einer Region, die in wenigen Jahren EU-Mitglied werden soll und werden wird, hat in ihrer Infrastruktur Defizitbereiche, die, so glaube ich, in den nächsten Jahren besonders beachtet werden müssen, weil es auch um die Erweiterung geht. Gerade in diesem Raum, dieser Region könnten künftig auch Wettbewerbsnachteile entstehen, die wir schon vorher sorgsam mit einer entsprechenden Modernisierung der Infrastruktur bekämpfen könnten und sogar auch bekämpfen sollen und müssen.

Alle Bürgermeister des Bezirkes Leibnitz und des Bezirkes Bad Radkersburg haben im Herbst eine Resolution verfasst, in der sie sich gegen diese Form des dualen Mautsystems, aber auch gegen diese Mautstellen-Verordnung aussprechen. Die Folge: Unmittelbar, 15 Kilometer an der slowenischen Grenze gebe es eine klassische, krasse Umfahrung dieser Mautstelle, die den Verkehr, den Schwerverkehr, auf die Bundesstraßen bringen würde. Das würde gegenwärtig die Gemeinden Lebring, Wildon et cetera betreffen. Somit könnte man diese Mautstelle nach der jetzigen Verordnung umfahren, was bedeuten würde, dass nicht 9 000 Autos täglich durch diese Gemeinden und Städte fahren würden, sondern 20 000. Hiezu käme auch noch der Schwerverkehr. Der Lebensraum, die Sicherheit und die Verantwortung der Politiker gegenüber diesen Menschen in dieser Region sind ganz wesentlich, und daher kann man nicht einfach blind einer derartigen Verordnung das so genannte Amen geben und nichts ändern.

Ich bin sehr froh darüber, dass der Minister darüber nachdenkt und weitere Vorgangsweisen in diesem Zusammenhang untersucht, weil das einfach Sinn macht. Es macht Sinn, aus den Fehlern der Vergangenheit und auch der Erkenntnis daraus gelernt zu haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Beispiel für die Nachteile der Wirtschaft in dieser Region angesichts der gegenwärtigen Verordnung beziehungsweise des Gesetzes: Eine Fahrt aus dem südsteirischen Raum zum Beispiel von Leibnitz nach Salzburg würde eine doppelt so hohe Mautgebühr verursachen wie eine


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Fahrt von Wien nach Salzburg. Auch aus diesem Grund ersuche ich Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, bei der Einführung des elektronischen Mautsystems die bestehenden Mautgebühren durch den Gleinalmtunnel sowie durch den Pyhrn ersatzlos aufzuheben, da andernfalls eine Ungleichbehandlung der Betriebe entstünde.

Gerade im Hinblick auf die künftige Südost-Erweiterung ist auf diese Region Rücksicht zu nehmen. Es wäre, so glaube ich, auch im Sinne der Europäischen Union, nicht die Regionen an diesen Grenzen durch eine Erweiterung zu schwächen, sondern sie entsprechend zu stärken, damit sie fit sind zur Bewältigung der notwendigen Herausforderungen dieser Erweiterung. Dafür muss die Infrastruktur bestens ausgebaut sein. Daher gibt es die Forderung nach dem viergleisigen Ausbau der Schiene südlich von Graz, daher gibt es die Forderung nach der raschen Umsetzung des Semmering-Basistunnels, und daher gibt es auch die Forderung nach der Realisierung des Koralmtunnels.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Redezeit geht zu Ende. – Herr Bundesminister! Es gibt noch wichtige Fragen, wesentlich ist auch jene des Verkehrsverbundes. Da gibt es ungleiche Förderungen des Bundes. Der Verkehrsverbund Ost-Region wird mit 50 Prozent unterstützt, jener im Süden nur mit 30 Prozent. Auch dies wird mit Ablauf des Jahres 2001 zu Ende sein. Ich bitte Sie daher, bis dahin eine Gleichbehandlung der Süd-, Ost- und Westregion zu schaffen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend erlaube ich mir, noch auf einige wichtige Bauvorhaben der südsteirischen Grenzregion hinzuweisen. In Ihrer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage, sehr geehrter Herr Bundesminister, haben Sie zu notwendigen Bauten im Zeitraum von 1999 bis 2009 Stellung genommen. Ich möchte sagen, es handelt sich hiebei um Bereiche, die sehr lang dauern, und wenige Teile dieser Bereiche hebe ich hervor, die ich Ihnen nahe legen möchte: Es betrifft dies den Ausbau der Bundesstraße 74 in den Westen, das ist die bekannte Sulmtal Bundesstraße. Aber auch die Ortsumfahrung Wildon ist ein Anliegen, das den Menschen unter den Nägeln brennt. Auch die Ortsumfahrung Ehrenhausen ist ein geplantes Vorhaben, das aber noch nicht genehmigt ist. Diese Vorhaben spielen für unsere Südost-, Südwest- und komplette steirische Südregion Österreichs eine große Rolle. Daher ersuche ich Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, diese wichtigen Projekte neuerlich zu prüfen und einer rascheren positiven Erledigung zuzuführen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

13.04

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Verkehrspolitik kann man sicher von den verschiedensten Positionen aus betrachten, was aber immer im Mittelpunkt der Überlegungen stehen sollte, sind die Wahrung der Interessen der Menschen und der Umweltschutz. Diese Regierung jedoch belegt uns leider, dass weder die Interessen der Menschen noch die Erhaltung der Umwelt bei ihr im Vordergrund stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich das an einigen Beispielen festmachen: Eine für uns alle sehr negative Botschaft waren die Kürzungen im öffentlichen Personennahverkehr. Was bedeuten diese letztlich? – Meine Damen und Herren! Ich verstehe sehr gut, dass es Auffassungsunterschiede zwischen jenen Abgeordneten gibt, die aus Ballungszentren kommen, und jenen, die aus abgelegenen Regionen kommen. Tatsache ist aber, dass gerade die Menschen in den abgelegenen Regionen – ich nenne meinen Wahlkreis und meinen Bezirk als Beispiel dafür – am allermeisten darunter leiden, wenn Mittel im öffentlichen Personennahverkehr gekürzt werden, weil dadurch letztlich Linien eingestellt werden müssen. Das, meine Damen und Herren von der Regierung, insbesondere Herr Bundesminister, ist ein Schlag gegen die Region Innergebirg, und das ist ein Schlag gegen die Mobilität der Menschen.


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Sie setzen mit der Kürzung der Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr in Bewegung: Das Einstellen wesentlicher Linien kommt auf uns. Eine Reduktion des Fahrplans auf nur mehr so genannte Spitzenzeiten kommt auf uns zu.

Es wird in diesem Haus sehr viel von Gerechtigkeit und von der Notwendigkeit der Flexibilität und Mobilität diskutiert. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Welche Chancen räumen wir einer Mutter mit ein, zwei oder mehreren Kindern ein, einen Arztbesuch zu Wege zu bringen, wenn wir Linien einstellen? – So gut wie keine. Sie hat keine Chance auf Mobilität. Daher ist es, so glaube ich, nicht zulässig, alle Gedanken und Überlegungen betreffend den Personennahverkehr auf betriebswirtschaftliche Ergebnisse zu reduzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Beispiel: Wir verkaufen so wahnsinnig gern sanften Tourismus. Wir verkaufen so wahnsinnig gern intakte Umwelt. Wie passt das damit zusammen, dass uns in der fremdenverkehrsintensivsten Region Österreichs, mit den meisten Nächtigungszahlen, im Pinzgau, Bezirk Zell am See, die Einstellung der Krimmler Bahn droht? – Die Vormeldungen, die wir dazu gehört haben, lauteten: Diese Abgänge sind nicht mehr zu bedecken, daher stellen wir die Bahn ein!

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was wird die Folge der Einstellung der Krimmler Bahn sein? – Die Folge wird ein noch höherer Individualverkehr sein, die Folge wird sein, dass wir die Gäste vermehrt dazu zwingen, mit dem Pkw die jeweiligen wunderschönen, interessanten Orte und Regionen – denken Sie an die Krimmler Wasserfälle – zu besuchen. Die Folge wird sein: Wir zwingen die Menschen dazu, mehr Lärm, mehr Abgase zu produzieren. Gleichzeitig aber verkaufen wir intakte Umwelt, die eigentlich durch die Politik dieser Regierung nicht gegeben sein kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir über Verkehrspolitik der Zukunft diskutieren – es hat Vorredner gegeben, die sich mit der Vergangenheit auseinander gesetzt haben –, dann haben wir umzudenken. Wir dürfen nicht nur Gewinnmaximierung in den Vordergrund stellen. Wenn es heißt, Herr Bundesminister, dass man einsparen muss, dann sage ich, es wird Einsparungspotentiale geben, aber dort, wo Sie einsparen, das ist Politik. Und wenn Sie im Bereich der Verkehrspolitik einsparen, dann sparen Sie am falschen Platz ein! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist ein ganz wesentlicher Punkt für die Zukunft, das hat ein ganz wesentlicher Punkt zu sein.

Ich weiß sehr wohl, dass wir den Auftrag an die Bahn gegeben haben, auch gewinnorientiert tätig zu sein. Ich weiß, dass es notwendig ist, auch bei der Bahn Einsparungen vorzunehmen. Aber eines möchte ich an dieser Stelle schon sagen: Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber als ich hörte – ich hoffe, halbwegs richtig zu zitieren –, dass Herr Bundesminister Schmid sagte, er sei der Eisenbahner in der Regierung, habe ich, ganz offen gesagt, eine Gänsehaut bekommen.

Ich sage Ihnen auch, warum ich sie bekommen habe: weil all die Maßnahmen, die uns angedeutet wurden, nur eine logische Konsequenz haben können, nämlich dramatische Einsparungen bei der Bahn, wie wir hörten, massive Ausdünnung des Fahrplans, A-, B- und C-Linien ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Wo?)  – Herr Bundesminister! Sie haben das mitgeteilt, das stammt nicht von mir. In mir werden Sie höchstens einen erbitterten Gegner dabei haben. Das ist schon Ihre Politik, Herr Verkehrsminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Abgesehen davon können wir mit Ihnen ohnehin nicht leicht Detaildiskussionen führen, denn die Anfragebeantwortungen, die Sie vornehmen, sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der nächste und abschließende Punkt, den ich Ihnen sagen will: Ich bin kein Eisenbahner (Abg. Dr. Martin Graf: Ein Straßenbahner!), und ich wehre mich dagegen, dass man die Straße gegen die Bahn oder einen sonstigen Verkehrsträger ausspielt. Wer Verkehrspolitik mit Zukunft machen will, muss jedoch auf alle Fälle jene Verkehrsträger fördern, die menschen- und umweltfreundlich sind, und das ist in erster Linie die Bahn. Die Verkehrspolitik, die Sie machen, hat wenig Zukunft, denn sie ist gegen die Menschen und gegen die Bahn gerichtet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.11


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25. Sitzung / Seite 66

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

13.11

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das neue Bundesministeriengesetz wurde seinerzeit von der Opposition sehr vehement kritisiert, aber gerade die heutige Debatte zeigt, wie wichtig und sinnvoll es gewesen ist, die beiden Bereiche Schiene und Straße in einem Ministerium zusammenzufassen.

Generell muss man aber zur Verkehrspolitik sagen: Bei keinem anderen Thema wurde das Versagen der Politik so offensichtlich wie beim Thema Verkehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Trotz oftmaliger Lippenbekenntnisse für die Förderung des öffentlichen Verkehrs, für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, wird die Belastung für Mensch und Natur immer größer. Sie kennen ja vermutlich die Schlagzeile der letzten Woche, in der es geheißen hat: "Autolärm macht krank". Eine Studie des VCÖ, des "Verkehrsclub Österreich", hat nämlich ergeben, dass sich 1,7 Millionen Österreicher vom Verkehrslärm belästigt fühlen. Laut dieser Studie empfinden 78 Prozent der Menschen den Verkehrslärm als störend.

Interessant ist, dass sich im Bereich des Verkehrs insgesamt der Energieverbrauch in den letzten 30 Jahren verdoppelt hat. Interessant ist aber auch – um auf das Klimaproblem zu kommen –, dass der CO2-Ausstoß in anderen Bereichen in den letzten Jahren stabilisiert oder reduziert wurde. Daher ist ein Großteil des Klimaproblems, des CO2-Problems, direkt auf den PKW- und den LKW-Verkehr zurückzuführen.

Die einleitenden Zitate aus dieser Studie zeigen, wie wichtig es ist, dass es eine zukunftsweisende Verkehrspolitik gibt, denn kaum jemand macht sich in Wahrheit Gedanken darüber, welche Folgekosten in diesem Zusammenhang entstehen können: Folgekosten im Bereich der Gesundheit und im Bereich der Umwelt.

Ich weiß natürlich, dass das Verkehrsproblem kein innerösterreichisches ist, dass es zum Großteil nicht in Österreich allein entstanden ist, sondern dass es ein Ergebnis einer wirklich falschen EU-Verkehrspolitik ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ja man muss sogar sagen, nicht nur einer falschen EU-Verkehrspolitik, sondern auch einer falschen EU-Verkehrsphilosophie. Damit meine ich jene Philosophie, die auf den Grundprinzipien der EU, etwa auf dem Grundprinzip der Freiheit des Warenverkehrs, beruht. Es hat ja bis jetzt anscheinend niemand den Mut gefunden, zu sagen, dass man diese Philosophie einmal überdenken muss, solange es keine Kostenwahrheit in diesem Bereich gibt. (Abg. Parnigoni: Sagen Sie uns diese Philosophie, bitte!)  – Die vier Grundfreiheiten, zum Beispiel die Freiheit des Warenverkehrs, meine ich. (Abg. Parnigoni: Eben die sind diese Philosophie?)

Nein, ich sage nur, dass diese Grundphilosophie zu hinterfragen ist, weil sie bis jetzt gerade im Bereich der Verkehrsentwicklung in die falsche Richtung geführt hat, weil es dabei keine Kostenwahrheit gibt. (Abg. Parnigoni: Da bin ich Ihrer Meinung!)

Daher meine ich, dass es besonders wichtig ist, dass man Verkehrsprobleme nicht nur innerösterreichisch diskutiert, sondern dass man erkennt, dass man die Lösung im Bereich der europäischen Politik suchen muss. (Abg. Parnigoni: Richtig! – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Dort habt ihr falsch verhandelt! Ich sage nur: Transitverkehr! Ihr habt uns verkauft!)

Gerade Österreich muss daher im Bereich der EU aktiv werden, denn kein anderes Land in Europa, lieber Karl, ist vom Transitverkehr so stark betroffen wie Österreich. Daher sind gerade wir Österreicher dafür prädestiniert, in der EU aktiv zu werden und dort dafür zu sorgen, dass es eine vernünftige Verkehrspolitik gibt. Ohne irgendjemanden herabwürdigen zu wollen, muss man natürlich sagen, dass es zum Beispiel einem portugiesischen EU-Abgeordneten wahrscheinlich ziemlich egal sein wird, welche Verkehrsprobleme es im Zentralraum von Europa gibt.


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Österreich muss daher in der EU aktiv werden. Die Einführung einer LKW-Maut allein, das sage ich auch ganz offen, wird unsere Frächter zwar belasten, aber sicher das Problem nicht lösen! Ich schlage daher vor, dass man so rasch wie möglich eine parlamentarische Enquete veranstaltet, zu der dann – und das ist ganz wesentlich – auch die EU-Abgeordneten Österreichs eingeladen werden.

Meine Damen und Herren! Wir investieren, das muss man auch sagen, in den öffentlichen Verkehr noch immer weniger als in die anderen Bereiche des Verkehrs, etwa in den Straßenverkehr, den Flugverkehr und so weiter. Laut den Zahlen, die ich hier habe, haben wir im Jahr 1999 30,3 Milliarden in den öffentlichen Verkehr und 34,3 Milliarden in andere Bereiche investiert.

Damit komme ich zum Bereich der Nebenbahnen, der heute schon sehr oft angesprochen wurde. Vorige Woche hat ÖBB-Generaldirektor Draxler einen wirklich undifferenzierten Vorstoß gemacht und erklärt, dass er 30 Nebenbahnen stilllegen will. Offenbar ist es wirklich so, wie der Herr Minister gemeint hat: dass sich das immer wiederholt, wenn ein neuer Minister kommt.

Ich muss mich aber wirklich mit Vehemenz insbesondere gegen die Schließungspläne des ÖBB-Generaldirektors aussprechen, was die Mariazeller-Bahn im Pielachtal in Niederösterreich betrifft! Die Mariazeller-Bahn ist nicht nur einfach eine Nebenbahn – ich lade wirklich alle, die noch nicht den Genuss hatten, herzlich ein, einmal mit dieser Bahnlinie zu fahren –, sondern hat neben ihrer Funktion als öffentliches Verkehrsmittel auch enorme kulturelle Bedeutung und vor allem auch enorme touristische Bedeutung. Die Mariazeller-Bahn ist wirklich ein Teil der Identität des Pielachtales und der Voralpenregion bis zum Ötscherland und zum Wallfahrtsort Mariazell.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Wer die Mariazeller-Bahn schließt, zerstört ein österreichisches Kulturgut, das weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist und nur durch eine wirklich unprofessionelle Betriebsführung in diesen stark defizitären Bereich gekommen ist! Wenn man eine solche Einrichtung mehr als 50 Jahre lang finanziell aushungert, dann kann sie wirklich nicht mehr konkurrenzfähig sein.

Die Mariazeller-Bahn war die erste elektrifizierte Gebirgsbahn Europas und ist in ihrer historischen Bedeutung weit über alle Grenzen hinaus bekannt. Also bitte: Hände weg von der Mariazeller-Bahn!

Ich schlage vor, so rasch wie möglich eine Krisensitzung des Verkehrsministers mit den Vertretern des Landes Niederösterreich und der Steiermark – weil die Steiermark auch betroffen ist – und der betroffenen Gemeinden der Region einzuberufen, um raschest einen Betreiber für diese Bahn zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass diese Bahnlinie, wenn die öffentliche Hand bereit ist, entsprechende Förderungsmittel zu gewähren, auch ohne Defizit geführt werden kann und dass vor allem, wenn man nur bereit ist, einen Bruchteil des derzeitigen Abganges zu investieren, diese Bahnlinie weitergeführt werden kann.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Mariazeller-Bahn bedeutet den Menschen wirklich sehr viel. Nach den einschlägigen Zeitungsmeldungen von voriger Woche sind viele Leute zu mir gekommen und haben gesagt: Wenn man das wirklich macht, dann legen wir uns auf die Schienen! – Ich finde, so weit sollte es wirklich nicht kommen!

Ich bin daher froh, sehr geehrter Herr Minister Schmid, dass Sie versichert haben, sich dafür einzusetzen, dass bei der Schließung der Nebenbahnen so vorgegangen wird, dass kein Schaden entsteht, und dass Sie sich insbesondere für die Erhaltung der Mariazeller-Bahn einsetzen werden.

Ich wiederhole: Hände weg von der Mariazeller-Bahn! Sie ist ein Kulturgut, das man nicht zerstören soll! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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25. Sitzung / Seite 68

13.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

13.20

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die vorige Bundesregierung hat sich in einem umfangreichen Ausbaupaket zur Modernisierung des österreichischen Schienennetzes unter besonderer Berücksichtigung der Hauptverkehrsstrecken, insbesondere der Westbahn und der Südbahn, bekannt.

Zu diesem Zweck, für diesen Ausbau, ist ein umfangreiches Ausbauprogramm beschlossen und die Finanzierung im Schieneninfrastrukturgesetz auch gesichert worden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bahn muss ausgebaut werden, um einerseits die jährlich steigenden Güterverkehrsströme aufnehmen und andererseits hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Schnelligkeit mit dem Straßentransport konkurrieren zu können. Wir wissen, unser Straßennetz stößt dabei ebenso wie unser Schienennetz an seine Aufnahmegrenzen. Studien und wissenschaftliche Untersuchungen von internationalen Fachleuten bestätigen diesen Sachverhalt.

Man könnte meinen, auch die neue Bundesregierung sollte sich zu diesem Ausbauprogramm der Schiene bekennen. Dass dem aber nicht so ist, zeigen aktuelle Maßnahmen des Verkehrsministers, der die vergangenen Jahre entweder fern des Verkehrs auf oder hinter einem steirischen Berg zugebracht hat (Abg. Parnigoni: Oben nicht, dahinter!) oder sich jetzt als Minister in Sachen Realitätsverweigerung bestens übt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Keine Beleidigung der Steirer! Mich können Sie beleidigen, aber nicht die Steirer!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Errichtung des Lainzer Tunnels, die Errichtung der Güterzugumfahrung St. Pölten und die Modernisierung und der Ausbau des St. Pöltner Hauptbahnhofes waren und sind Bestandteil des aufrechten Schienenausbaupaketes der Bundesregierung. Zum Zwecke der Realisierung wurden Verträge geschlossen, wurden Planungen vorangetrieben, Grundablösen verhandelt und viele Aufträge in der Höhe von mittlerweile mehr als 1 Milliarde Schilling an die Wirtschaft vergeben.

Gut und schön, sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Minister hat nun jedoch verfügt, dass alles anders sein soll. Ihn, den Herrn Minister, kümmern keine abgeschlossenen Verträge, keine Rechtswerke für die Grundablösen, keine vergebenen Aufträge, keine Ausfälle der Wirtschaft und auch nicht der Verlust von Arbeitsplätzen. Der Herr Minister sprach und glaubt, dies ward Gesetz.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Plenum! Herr Minister! Dem ist sicher nicht so. Nicht Sie befinden über die Gesetze und die Gültigkeit von Verträgen, sondern immer noch der Gesetzgeber, das Parlament. (Beifall bei der SPÖ.) Und es wird Sache des Parlaments und der Betroffenen sein, zu prüfen, inwieweit durch Ihr Verhalten, Herr Minister, Gesetze verletzt wurden und gegen rechtsgültige Verträge verstoßen wurde. Es wird Aufgabe der Justiz sein, eventuelle Haftungsfragen im Rahmen der von Ihnen getroffenen Entscheidungen zu klären, was, wie ich meine, bis zur Einleitung eines Organ- beziehungsweise Amtshaftungsverfahrens gehen könnte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist zu prüfen, ob Betroffene Schadenersatz einfordern können und wie sich der Sachverhalt Ihrer Maßnahmen zivilrechtlich darstellt.

Herr Minister! Ihre Entscheidungen noch einmal verkehrspolitisch zu beleuchten, kann ich mir ersparen, denn dies haben die Kommentatoren in den Tageszeitungen und anerkannte Fachleute bereits hinlänglich getan. Deren Urteil war vernichtend und passt durchaus in den Katalog der bisher über diese Regierung erfolgten Beurteilungen.

Als St. Pöltener Abgeordneter möchte ich aber dennoch auf eine spezifische Entscheidung, nämlich auf die Zurückstellung der Güterzugumfahrung St. Pölten eingehen. Der St. Pöltener Hauptbahnhof ist auf Grund seiner baulichen Lage im Herzen der Landeshauptstadt ein verkehrs- und deshalb auch sicherheitstechnisches Nadelöhr. Zusätzliche Schienenanlagen, also Durchfahrtsgleise, sind ebensowenig möglich wie die zusätzliche Durchschleusung von Zügen.


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25. Sitzung / Seite 69

Es ist daher sicherheitstechnisch auch nicht möglich, eine weitere Taktverdichtung durchzuführen. Es müsste dann das Fahrplanangebot im Personenverkehr zurückgenommen werden.

Ohne Güterzugumfahrung, Herr Minister, erfährt die Westbahn keine Steigerung der Aufnahmefähigkeit, denn alle Züge von Westen und nach Westen müssen durch St. Pölten durch. Vor einer Engstelle staut es sich, und eine solche Engstelle ist St. Pölten bis heute.

Sehr geehrter Herr Minister! Der gesamte viergleisige Ausbau der Westbahn wird ohne die Güterzugumfahrung St. Pölten ad absurdum geführt! Wenn Sie als Minister diesen einfachen technischen Sachverhalt nicht verstehen können oder wollen, dann haben Sie das mit Ihrer Verantwortung als Regierungsmitglied abzuklären. Wenn Sie aber die Tatsache, dass man durch ein Nadelöhr kein Stahlseil bringt – mit dem Nadelöhr meine ich den Hauptbahnhof St. Pölten und mit dem Stahlseil die Güterzüge –, dann haben Sie in Ihrer Funktion als ausgebildeter Techniker versagt.

Ich appelliere noch einmal an Sie, Herr Minister, Ihre Anordnung, die Güterzugumfahrung St. Pölten einzustellen, im Sinne einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik zu überdenken! (Beifall bei der SPÖ.)

13.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. – Bitte.

13.26

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Generaldirektor eines der größten multinationalen Unternehmen, das weltweit 100 000 Mitarbeiter beschäftigt, Herr Brabek-Lemathe, sagt über den Wirtschaftsstandort Österreich:

"Ich werde kein Forschungs- und Technologiezentrum in Österreich gründen, und ich kann das auch nicht meiner Zentrale in der Schweiz empfehlen."

Meine Damen und Herren! Manche von Ihnen mögen meinen, er hätte diese Aussage als Reaktion auf die Sanktionen der EU-14 getätigt. Aber nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie irren! Diese Aussage tätigte Herr Brabek-Lemathe anlässlich eines Zukunftsgespräches, das Wolfgang Schüssel am 16. September 1999 mit ihm führte, also noch vor den letzten Wahlen. Herr Brabek-Lemathe sagte auch implizit, dass es der Regierung der letzten Jahre deutlich an Reformkraft gefehlt habe und dass die 30-jährige SPÖ-Regierungsverantwortung diese Reformkraft vermissen ließ. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Verzetnitsch: Das hat er aber nicht gesagt! – Abg. Dr. Cap: Und wer war Wirtschaftsminister?!) – Ich komme auf die Begründung, die er gegeben hat, noch zurück.

Das Unternehmen, dem Herr Brabek-Lemathe vorsteht, betreibt mehrere hundert Forschungs- und Entwicklungszentren auf der ganzen Welt und beschäftigt über 10 000 Mitarbeiter in der Forschung, aber keinen einzigen in Österreich.

Diese Bemerkung des Herrn Brabek-Lemathe ist auch eine Begründung für die schwachen statistischen Ergebnisse, die Österreich im Hinblick auf Forschung und Entwicklung aufweist. Österreich liegt mit einer Forschungsquote von 1,7 Prozent deutlich im hintersten Feld. Schweden hat ganz stark aufgeholt und liegt nun bei 4 Prozent Forschungsquote zum BIP. Japan, Finnland, Korea, USA und die Schweiz liegen bei fast 3 Prozent Forschungsquote zum BIP, und alle anderen EU-Länder bei zwischen 2,0 und 2,5 Prozent. Hinter uns liegen zurzeit nur die Länder Irland, Italien und Spanien. – Auch ich glaube, dass das das Ergebnis einer 30-jährigen SPÖ-Regierungsverantwortung ist, der es deutlich an Reformkraft gemangelt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Und was ist mit der ÖVP?)

Zum Glück sind wir uns aber alle einig darin, dass Forschung und Entwicklung und die Investitionen in diesen Bereichen einen Vorsprung für die Wirtschaft schaffen und damit Arbeitsplätze sichern. Daher bin ich froh darüber, dass im neuen Regierungsprogramm eine deutliche Erhö


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hung der Forschungsquote festgeschrieben ist, nämlich in Stufen auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Es ist auch ein langjähriger Wunsch der Wirtschaft, die verschiedenen Fonds im wissenschaftlichen Bereich – wie den Forschungsförderungsfonds, den Innovations- und Technologiefonds und den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung – zusammenzulegen, zu koordinieren, damit es zu einer besseren und effizienteren Ausnutzung der Mittel im Forschungsbudget kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus soll der Rat für Forschung und Technologieentwicklung für die Koordinierung sorgen und die Beurteilung von Förderungen vornehmen.

Ich glaube, dass dabei auch ein wenig eine Rolle spielt, dass die einzelnen Fonds noch immer in unterschiedlichen Ministerien angesiedelt sind. Ich glaube, es ist eine einmalige Gelegenheit, diese Förderungsfonds zusammenzufassen, denn damit wird wirklich die Koordinierung verbessert.

Herr Brabek-Lemathe hat seine Aussage auch begründet. Er hat erklärt, warum er seinem Unternehmen keine Ansiedelung eines Forschungsstandortes in Österreich empfehlen kann. Er hat gesagt, Österreich fehlt es an Reformkraft. Er hat gesagt, Österreich fehlt es an Innovations- und Technologiefreundlichkeit, und Österreich fehlt es auch an richtig ausgebildeten Akademikern, die nicht nur in den Staatsdienst gehen wollen, sondern auch bereit sind, Risiko und Verantwortung in der Wirtschaft zu übernehmen. (Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Ich glaube und sage noch einmal, dass es wichtig ist, Vorsorge für die Zukunft unseres Landes zu treffen, und nicht, mangelnde Vorausschau walten zu lassen, und nicht, mangelnde politische Verantwortung für die Zukunft zu haben.

Ich glaube auch, dass es natürlich eine Folge der Budgetpolitik, einer in vielen Bereichen verabsäumten Budgetpolitik ist, dass wir wichtige Schritte in die Zukunft nicht rechtzeitig setzen konnten. Mit 1 700 Milliarden Schilling Schulden kann man schlecht in die Zukunft schauen! Das ist wie ein Mühlstein am Fuß, der einen natürlich daran hindert, rasche Schritte in die Zukunft zu machen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Großruck und Schwemlein. )

Wir müssen budgetäre Spielräume und Handlungsfreiraum schaffen, um die notwendigen Reformen zu setzen und die für die Zukunft richtigen Voraussetzungen zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Edler, Schwemlein und Großruck. )

In Fragen, die unsere Zukunft betreffen – und das geht natürlich weit über Forschung und Technologie hinaus; das betrifft natürlich auch die Pensionsfrage und auch die Frage des Sozialsystems –, die gerade auch die Wirtschaft betreffen, Innovationen und neue Technologien, die sensibel sind, Risiken bergen und Unsicherheit bedeuten – keine Regierung der Welt weiß im Voraus, was die Gentechnologie uns tatsächlich bringen wird –, wünsche ich mir gerade keine Politik, die sich von Skandalen und Panikmache treiben lässt, wie wir dies in der Vergangenheit immer wieder erlebt haben. Ich erinnere etwa an die Aerosol-Diskussion, die Blutschokolade und die Gentechnik. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wünsche mir in diesen komplexen Zukunftsfragen eine vorausschauende und überlegte Politik. Ich wünsche mir eine Politik, die sachlich und objektiv ist, Vor- und Nachteile von Lösungen für die Zukunft abwägt und auch veröffentlicht, alle Experten hört, Entscheidungen frühzeitig und rechtzeitig fällt und auch die Verantwortung für die Entscheidungen trägt.

Ich glaube, dass Wolfgang Schüssel mit seiner ruhigen, besonnenen Art und mit seinem Arbeitseifer, in die Sache hineinzugehen und sich auch wirklich in der Sache genauestens zu informieren, besser geeignet ist, solch komplexe und schwierige Probleme zu lösen als diejenigen, die sie bisher – beziehungsweise in der Vergangenheit – zu lösen versucht haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Haben Sie das notwendig?!)

13.34


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

13.34

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Vorrednerin, Ihre schönen Worte in Gottes Ohr, aber ich werde Ihnen gerade in Bezug auf den Herrn Bundeskanzler nachweisen, dass Sie da falsch liegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich ja ausschließlich mit dem Verkehrsbudget beschäftigen, aber der Herr Bundesminister hat das Stichwort "Landtagswahl" genannt, daher dazu eine Anmerkung für die Steiermark.

Herr Minister Schmid! Ich bitte Sie, ich bitte Sie geradezu inständig: Kommen Sie zurück in die Steiermark! Werden Sie Spitzenkandidat der FPÖ für die Landtagswahlen! Die Wählerinnen und Wähler warten auf Sie, die Leute brauchen Sie, denn Hunderttausende, Herr Minister Schmid, wollen Ihnen am 15. Oktober in der Wahlzelle einen Denkzettel verpassen! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Warum wollen Ihnen Hunderttausende Menschen bei den Landtagswahlen in der Steiermark einen Denkzettel verpassen? – Was haben Sie eigentlich gemacht, Herr Minister Schmid? Haben Sie den Ausbau der Südbahn forciert, wie Sie es als Landesrat in der Landesregierung beschlossen haben? Oder haben Sie im Zusammenhang mit dem Semmering-Basistunnel ein "Begräbnis erster Klasse" veranstaltet, nämlich am 17. März in Kärnten beim so genannten Verkehrsgipfel mit Haider und Klasnic?

Herr Minister Schmid! Haben Sie den Bau des Koralmtunnels vorangetrieben? (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ja!) Oder haben Sie den Koralmtunnel bei der Pressekonferenz am 11. Mai ad acta gelegt? (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nein!)

Herr Minister Schmid! Haben Sie den Ausbau der Schiene im Süden von Graz beschleunigt? (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ja!) Oder haben Sie dieses Projekt bei der Pressekonferenz am 11. Mai gestoppt? (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nein!)

Herr Minister Schmid! Sind Sie mit geschickter Diplomatie vorgegangen, um das Land und Ihre Landsleute zu unterstützen? (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ja!) Oder haben Sie statt zu verhandeln Herrn Landeshauptmann Pröll beschimpft – damit, irgendetwas in die Haare zu schmieren, oder heute, indem Sie den Herrn Pröll mit Ihrem "unvergleichlichen Charme" einen "Pfropfen" genannt haben?

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Wissen Sie eigentlich, was der steirische ÖVP-Landesrat Dipl.-Ing. Paierl am vergangenen Freitag im steirischen Rundfunk gesagt hat, was der ÖVP-Landesrat zur Verkehrspolitik von Minister Schmid gesagt hat? – Landesrat Paierl im O-Ton – ich zitiere –: "Völlig unakzeptabel! Es kann sich nur um einen schweren Irrtum handeln! Das ist verrückt!" – Zitatende.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wissen Sie, was Herr Minister Schmid am Samstag im Rundfunk geantwortet hat? – "Nur ein Vollidiot kann das annehmen." (Zwischenrufe.)  – Ich zitiere Herrn Minister Schmid: "Nur ein Vollidiot kann das annehmen." (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid. )

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der ÖVP-Landesrat sagt zum FPÖ-Minister "verrückt", der FPÖ-Minister zum ÖVP-Landesrat "Vollidiot". – Das ist die Verkehrspolitik der blau-schwarzen Regierung! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP – vielleicht interessiert das die Christgewerkschafter unter Ihnen; auch Herr Klubobmann Khol kokettiert ja immer damit, dass er ein praktizierender Christgewerkschafter ist –, wissen Sie, wie Herr Schmid am Wochenende den ÖAAB-Spitzen


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kandidaten für die AK-Wahl apostrophiert hat? – Ich zitiere Schmid: "Hornochse". Meine Damen und Herren von der ÖVP! Herrn Klubobmann Khol wird das sicher ansprechen, denn er hat es ja ohnehin mit den Huftieren. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Jetzt hören Sie aber auf! – Abg. Großruck: Wissen Sie, was der Häupl gesagt hat? – Abg. Aumayr: "Mieselsüchtige Koffer!")

Meine Damen und Herren! Zum Semmering-Basistunnel – eine kleine Reise von Niederösterreich in die Steiermark. Zu Niederösterreich: Was sagt eigentlich der Verfassungsexperte Heinz Mayer? – Ich zitiere:

"Der Semmering-Basistunnel ist tot, wenn Niederösterreich immer wieder bereit ist, rechtswidrige Entscheidungen zu treffen." – Ich wiederhole: wenn Niederösterreich bereit ist, rechtswidrige Entscheidungen zu treffen.

In Richtung Landeshauptmann Pröll beklagt dieser Verfassungsexperte Heinz Mayer – ich zitiere –: "dass es Politiker gibt, die die Rechtsordnung jahrelang beugen, und Landtage, die sich als Erfüllungsgehilfen einspannen lassen." – Ende des Zitates. Meine Damen und Herren! Niederösterreich beugt und missbraucht den Rechtsstaat!

Meine Damen und Herren! Noch zur Steiermark: Ich glaube, dort ist Ihnen der Respekt der Bevölkerung und die Achtung vor der Sinneswahrnehmung verloren gegangen. Hier heißt es (der Redner hält ein Plakat in die Höhe; es zeigt ein Foto von Frau Landeshauptmann Klasnic): "Mit der Kraft der Steiermark, durchgesetzt, grünes Licht für den Tunnel." – Landeshauptmann Waltraud Klasnic hat den Semmering-Basistunnel durchgesetzt, meine Damen und Herren.

Die "Kronen Zeitung" vom 21. März schreibt dazu: "Arge Peinlichkeit". Jeder hat im Juni gewusst – wirklich jeder, meine Damen und Herren von der steirischen ÖVP! –, jeder hat gewusst, was gemeint war. Aber Frau Landeshauptmann Klasnic wollte sich nach dem Exitus des Semmering-Basistunnels davonstehlen. Frau Klasnic wollte sich davonstehlen.

Meine Damen und Herren! Jetzt komme ich noch auf den Bundeskanzler zu sprechen. Er ist ja ÖVP-Obmann, wie ich annehme. Interessiert es den Herrn Bundeskanzler, ob Herr Landeshauptmann Pröll den Rechtsstaat missbraucht? Interessiert es ihn, ob eine Landeshauptfrau Klasnic Sinneswahrnehmungen der Bevölkerung beleidigt? Interessiert den Herrn Bundeskanzler Herr Minister Schmid, der einen Parteikollegen, Herrn Landesrat Paierl, einen "Vollidioten" nennt, und einen ÖAAB-Spitzenmann einen "Hornochsen"? – Nein. Dieser Bundeskanzler, in dessen Schublade, meine Damen und Herren, sein eigener Beschluss für den Semmering-Basistunnel verstaubt, schweigt. Ihn geht das alles offenbar nichts an.

Meine Damen und Herren! Abschließend zu Minister Schmid. Sie, Herr Minister Schmid, sind ein kongenialer Partner von Schüssel, Pröll und Klasnic. Ihr Trümmerhaufen der Verkehrspolitik, Ihre Kapitulation vor der Vernunft, Ihre unappetitliche Ausdrucksweise – das lehnt die SPÖ-Fraktion entschieden ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das Verkehrsbudget der blau-schwarzen Regierung wird aus verkehrspolitischen, aus ökologischen und ökonomischen Gründen abgelehnt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Jetzt wissen wir, warum der Kräuter Freizeitsprecher wurde!)

13.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

13.41

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verwahre mich mit Entschiedenheit dagegen, dass von einem Abgeordneten dieses Hauses behauptet wird, ich hätte den steirischen Landesrat Dipl.-Ing. Paierl einen "Vollidioten" genannt! Ich verwahre mich entschieden dagegen! Das ist eine Unterstellung, die ich zurückweise!


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Und ich verwahre mich genauso entschieden dagegen, dass ich einen ÖAAB-Spitzenfunktionär einen "Hornochsen" – oder wie Sie gesagt haben – genannt habe. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihre Schlüsse, die Sie aus zusammengesetzten Äußerungen meinerseits ziehen, entstammen Ihrem Denken, aber nicht meinem. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf diese Gelegenheit nutzen und zusammenfassend doch einige Sätze sagen. Wenn man die Forderungen hier hört und zum Beispiel Kollege Dietachmayr zum wiederholten Male fragt: Was haben Sie dagegen getan, was tun Sie dagegen? – ich glaube, 14-mal, wenn ich richtig mitgezählt habe –, dann muss man sich tatsächlich die Frage stellen, was man wirklich dagegen getan hat und wofür der Verkehrsminister, der jetzt drei Monate im Amt ist, verantwortlich ist. (Abg. Edler: Für die Zukunft!) Wir sind sehr wohl für die Zukunft verantwortlich.

Ich fasse gleich einmal zusammen: Wenn mir ein Erbe übergeben wurde, das so aussieht, dass unsere Kinder in der Zukunft nur mehr die Schulden der Vergangenheit zahlen können, dass unsere Kinder nichts anderes mehr zu tun haben, als den Mist wegzuräumen, der hier angehäuft wurde, als die Belastungen der Vorgänger zu finanzieren, und selbst keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr haben, wenn das die Situation ist, die ich übernommen habe – und leider ist sie es –, dann würde ich an Ihrer Stelle sehr zurückhaltend mit Beschuldigungen, mit Verdächtigungen, mit Äußerungen, was hier alles von unserer Seite an falscher Politik gemacht wird, sein. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben mit Schulden in der Höhe von 317 Milliarden Schilling aus der Vergangenheit zu kämpfen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wenn Sie mit den Problemen nicht fertig werden, dann treten Sie zurück!) Wenn Sie hier eine Liste von Forderungen aufstellen, beginnend mit der Lösung des Transitvertrags, der geerbt ist, über eine Mautklage, die geerbt ist, bis hin zu Vorstellungen die lauten, wir brauchen einen Brenner-Basistunnel, wir brauchen den Ausbau nach Kufstein, wir brauchen die GZU, wir brauchen den Mittelteil des Lainzer Tunnels – es hat mir hier noch niemand die Frage beantwortet, warum der Ausbau Wien–St. Pölten in keinem Programm enthalten ist, das hat mir noch niemand beantwortet (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), die verkehrspolitisch einzig relevante Frage ist, ob der wichtigste Teil vorgezogen wird oder nicht, nehmen Sie das bitte auch einmal zur Kenntnis! –, wenn hier Forderungen aufgestellt wurden wie Nord Autobahn, Marchfeldkanal, Donau-Elbe-Kanal und vieles andere mehr, dann sage ich Ihnen eines: Ich bin in sehr vielen Punkten mit Ihnen einer Meinung, dass hier vieles verbessert werden könnte, vieles gemacht werden könnte, aber ist Ihnen wirklich entgangen, dass 317 Milliarden Schilling an vergebenem Kreditrahmen, an tatsächlichen Schulden den Handlungsspielraum einschränken? Ist Ihnen das entgangen?

Ich bin nicht bereit – das schreibe ich jetzt allen ins Stammbuch, auch wenn ich mich damit nicht beliebt mache –, mich hierher zu stellen und Zusagen, Versprechungen zu machen, von denen ich weiß, dass sie im Budget nicht bedeckbar sind, von denen ich weiß, dass sie unsere Kinder und Kindeskinder nicht werden bezahlen können. So schlecht ist die österreichische Infrastruktur nicht, dass wir unsere nächsten Generationen in Schulden stürzen müssen! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.45

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Minister Schmid hat sich gerade dagegen verwahrt, dass ein Abgeordneter hier sagt, er hätte einen Vorsitzenden der FCG in der Steiermark als "Hornochsen" beschimpft.

Ich zitiere aus der heutigen "Neuen Zeitung": "Deren Vorsitzender Franz Gosch erklärte gestern in einer Aussendung: Wenn es durch die Sensibilisierung der Gemeinden gelinge, die Postämter zu retten, lasse er sich gerne als Hornochsen beschimpfen. (Infrastrukturminister Michael


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Schmid hatte dieses Wort auf einer Pressekonferenz verwendet.)" (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Aber nicht zu ihm! Aber nicht zu ihm!)

13.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

13.46

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich danke Frau Kollegin Silhavy dafür, dass sie aus der Parteizeitung der SPÖ in der Steiermark zitiert hat. Das zeigt ja schon die "Qualität" der Richtigkeit einer derartigen Angelegenheit auf. Ich sage Ihnen das einmal so, wie es ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Das, was Sie, Frau Kollegin Silhavy, hier gemacht haben, war keine tatsächliche Berichtigung, sondern ein Missbrauch der Geschäftsordnung, das wissen Sie auch. Sie können Meinungen nicht ... (Zwischenruf des Abg. Edlinger.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Kollege Edlinger, wir können uns ja wieder einmal vor irgendeinem Gericht treffen. Da verlieren Sie dann auch wieder, aber das macht ja alles nichts.

Ich als Nicht-ÖBB-Fachmann habe mir die Debatte sehr genau angehört und Kollegen Schwemlein und auch Kollegen Kräuter mehrfach und immer wieder die Worte "Gewinn", "Zukunft" und "Konsum" in den Mund nehmen gehört. An sich müsste es Ihnen den Magen umdrehen, wenn Sie diese drei Worte im Zusammenhang mit den ÖBB, aber auch im Hinblick auf Ihre eigene Partei in den Mund nehmen.

Gewinn: in weiter Ferne – 351 Millionen Schlechte auf Ihrer Seite. Zukunft bei den ÖBB zu sehen, wo Sie 12 000 Arbeitsplätze in den letzten Jahren abgebaut und ein Desaster hinterlassen haben, ist auch etwas gewagt. Und über den "Konsum" mit einer hinterlassenen 17-Milliarden-Schilling-Pleite und unzähligen Arbeitslosen brauchen wir gar nicht zu reden. Es ist besser, wenn Sie diese drei Worte aus dem SPÖ-Lexikon streichen: Gewinn, Zukunft und "Konsum". Glauben Sie mir das, es wäre wahrscheinlich besser! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte mich noch ein bisschen der Zukunft zuwenden, und zwar dem Forschungsbudget, weil wir in der Vergangenheit immer wieder mit sehr viel Kritik im Zusammenhang mit diesem Budgetteil zu tun hatten. Ich bin wirklich enttäuscht darüber, wie unwissenschaftlich auch Wissenschafter an dieses Thema, insbesondere die Budgetpolitik, herangehen. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass nahezu alle Aussagen, die von einer Reduktion der Forschungsmittel sprechen, letztendlich parteipolitisch motiviert sind. Dass sich aber auch Gremien wie die Bundeskonferenz der Professoren der Universität zu einer derartigen Resolution zusammenfinden, stimmt mich schon bedenklich. Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie diese jüngste Resolution kennen, in der Kritik in Richtung Forschungsminister und Forschungsbudgetierung losgelassen wird. Ich lese sie im Vollzitat vor:

"Österreichs Forschungsquote wird auch weiterhin" – im Sinne der Budgetpolitik, die betrieben wird, ist gemeint – "unter dem Durchschnitt der Europäischen Union bleiben. Dies vor allem auch durch die im Budget 2000 getroffenen Reduktionen forschungswirksamer Mittel. Ohne im Einzelnen auf die hinreichend bekannten Reduktionen der Investitionsmittel für die Universitäten und die unzureichende Budgetierung der Mittel für den Forschungsfonds FFF und FWF einzugehen, sind wir darüber hinaus mit Vorhaben konfrontiert, die unserer Meinung nach auch mittelfristig keine wirksamen Verbesserungen bringen werden."

Ich bin echt enttäuscht, dass das die gesamte Kritik ist. Es wird nicht gesagt, was kritisiert wird, und das, was kritisiert wird, ist noch dazu falsch. Offensichtlich hat man nicht einmal das Einmaleins an den hohen Schulen gelernt. Es ist für mich wirklich erschreckend, wenn eine Einrichtung, die an sich als Vertretung der Professoren Sinn macht, mit falschen Zahlen operiert und sich letztlich in eine parteipolitische Diskussion hineinziehen lässt.


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Es ist unrichtig, dass die Mittel des FWF gekürzt wurden – man hat nur das Budget nicht lesen können. Ursprünglich hatte Kollege Grünewald auch diese Kritik vertreten, aber ich glaube, er hat sie heute nicht mehr geäußert, weil sie ganz einfach unrichtig ist.

Im vergangenen Budgetjahr sind 600 Millionen Schilling zur Verfügung gestanden, dieses Jahr sind im ordentlichen Budget 610 Milliarden Schilling ausgewiesen. (Abg. Edlinger: Herr Graf, Millionen!) Die Oesterreichische-Nationalbank-Anteile dazugerechnet, ist das eine deutliche Steigerung der bisherigen Dotierung im Budget, und das muss man auch einmal als Faktum zur Kenntnis nehmen. Immer wieder davon zu sprechen und zu sagen, die im Budget 2000 getroffenen Reduktionen forschungswirksamer Mittel sollen rückgängig gemacht werden, entbehrt jeder Grundlage. Wenn man wieder die Werte des alten Budgets, des Budgets 1999, haben möchte, müsste man wirklich kürzen, denn wir haben für das Jahr 2000 mehr budgetäre Mittel in diesem Bereich zur Bedeckung vorgesehen.

Genauso ist es diesem Minister, dem Infrastruktur- und Forschungsminister, erstmalig seit längerer Zeit wieder gelungen, im ordentlichen Budget eine Bedeckung für den FFF im Ausmaß von 530 Millionen Schilling zu finden. Ich glaube, man müsste mit Lob seitens der Opposition in diesem Bereich nicht sparen. Wenn in einer Situation, in der allgemeines Sparen angesagt ist, ein Minister für die Forschung mehr Geld zur Verfügung stellt, wenn er ordentliche Budgetierungen mit dem Finanzminister aushandeln und zur Verfügung stellen kann und wir ein solches Budget beschließen können, dann ist das ein Erfolg für die Forschung und für die Zukunft Österreichs. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es reicht mir auch nicht die Forderung der BUKO in diesem Zusammenhang – und damit relativiert sich das gesamte Papier enorm –:

"Wir fordern daher, endlich mit den budgetären Strukturmaßnahmen zu beginnen, um dadurch wenigstens die durchschnittliche Forschungsquote Europas von 1,8 Prozent zu erreichen."

Herr Kollege Grünewald und alle, die mit der Forschung etwas zu tun haben, 1,8 Prozent sind schlichtweg zu wenig, und das will niemand in diesem Haus. Das darf auch der forschende Wissenschafter auf der Universität nicht fordern. Damit geht er hinter eine Linie zurück, die wir an sich schon hinter uns gelassen haben.

Ich meine, die Zukunft der Forschung ist dann gesichert, wenn sich die Parteipolitik aus der Forschung endlich heraushält, und das werden wir mit dem neu zu schaffenden Rat für Forschung und Technologieentwicklung auch umsetzen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

13.52

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da mein Vorredner meint, wir sollten das Wort "Zukunft" nicht in den Mund nehmen: Vielleicht sollten Sie das Wort "Schulden" auch nicht mehr in den Mund nehmen, denn das "einfache Parteimitglied" Haider hat im Jahre 1998 300 Millionen Schilling FPÖ-Schulden als "Spatzen" bezeichnet. – Das nur in Ihr Stammbuch geschrieben. (Beifall bei der SPÖ. – Der Redner hält eine Kopie eines Zeitungsartikels in die Höhe.) Nachlesen, Herr Gaugg!

Es geht heute um das Budgetkapitel X, und ich glaube, dass es wichtig ist, sich neben der Verkehrspolitik auch mit der Innovationspolitik, der Forschungspolitik auseinander zu setzen.

Es wird niemanden geben, der nicht ein absolutes Ja zu den Zielen der Bundesregierung sagt, 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung als Ziel zu definieren, eine Technologie-Milliarde für Schulen einzusetzen, Innovationen voranzutreiben, neue Berufe zu schaffen und die Forschung und Entwicklung zu konzentrieren. Es wird niemanden geben,


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der sagt, das seien falsche Ziele. Die Botschaft hör’ ich sehr wohl, allein wenn ich mir die Fakten ansehe, meine sehr geehrten Damen und Herren, fehlt mir der Glaube.

Es sind hier einige Mitglieder des Industrieausschusses vertreten, und sie werden sicher zustimmen, dass wir in der letzten Regierungsperiode immer wieder das Problem hatten, hier zu einer geeinten Meinung zwischen dem Wirtschaftsministerium, ÖVP, und dem Wissenschaftsministerium, SPÖ, zu kommen. Ich glaube, dass der Wunsch der Koordination hier im Vordergrund gestanden ist. Heute müssten hier eigentlich vier Minister sitzen: Nicht nur der Innovationsminister, sondern auch der Bildungsminister, der Wirtschafts- und Arbeitsminister und der Landwirtschaftsminister müssten hier sitzen, wenn es um die Koordination geht. Also wo hier eine verstärkte Koordination feststellbar ist, sehen Sie anhand der Aufzählung sehr deutlich: Sie ist nicht vorhanden, und sie wird auch durch den Forschungsrat allein nicht erzielbar sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts des Ziels, 2,5 Prozent des BIP bis 2005, 2 Prozent des BIP bis 2002 bereitzustellen, frage ich Sie: Woher kommen die dafür notwendigen 5,6 Milliarden Schilling, Herr Bundesminister? Ich finde sie in keinem Budgetansatz, ich finde sie auch nicht in Ihrer Erklärung. Woher kommt die Technologie-Milliarde für die Schulen? Sie selbst, Herr Bundesminister, haben in einer Anfragebeantwortung mitgeteilt: Das Ziel der 2 Prozent kann keinesfalls aus dem Budget allein bewältigt werden. Die Dotierung des Forschungsförderungsfonds allein reicht naturgemäß nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Sogar Zusagen für ein Experimentarium in Wien, ein Museum, das in Verbindung mit technischen Schulen geschaffen werden sollte, werden, obwohl bereits das Geld auf einem Konto dafür vorgesehen war, zurückgezogen.

Ich glaube nicht, dass das ein Weg in die Zukunft ist, sondern ich glaube, dass in Wirklichkeit ein gewaltiger Unterschied zwischen Sein und Schein besteht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn Frau Abgeordnete Pecher, die jetzt nicht im Saal ist, zitiert, dann hätte ich von ihr gerne das wörtliche Zitat dieses Mannes, der angeblich bei einem ÖVP-Zukunftskongress gesagt haben soll, 30 Jahre Sozialismus hätten das bewirkt. Er hat sehr wohl mit Recht die zu geringe Innovationskraft der Wirtschaft kritisiert.

Wenn hier zu wenig Innovation beklagt wird: Wo ist denn die Vertreterin der Wirtschaft, wenn es zum Beispiel darum geht, die Forschungsförderungsmittel der privaten Wirtschaft entsprechend anzuheben? Ich stelle die Frage: Wo ist denn hier eigentlich der Anteil der Wirtschaft?

Das Gleiche gilt auch für die Politik: Wie halten wir es mit der Privatisierung? Zahlen wir mit den Erlösen nur die Schulden zurück, oder gehen wir den bayrischen Weg, nämlich Innovation in Wirklichkeit auch mit Privatisierungserlösen zu finanzieren?

Es ist nicht erkennbar, dass die Innovationspolitik dieser neuen Bundesregierung den wesentlichen Wirtschaftsfaktor, den die Innovationspolitik eigentlich vorstellt, so gestaltet, dass erstens gesellschaftliche Akzeptanz damit erzielt wird und zweitens in der Folgeabschätzung auf die Menschen und die Arbeitsplätze als gleichwertiges Ziel entsprechend eingegangen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gilt aber auch als gesichert, dass Industrie, Dienstleistung und vor allem auch die Klein- und Mittelbetriebe mit einer unterstützenden Politik durch die Regierung Motivation und vor allem auch Innovation erzeugen können. Wenn aber ein Eigentümervertreter seine Unternehmen als "Reste der alten Staatswirtschaft" bezeichnet – wörtliches Zitat –, die in moderne Unternehmen umgewandelt werden müssen, dann stelle ich fest: Diese Leute, die das sagen – es war nicht einer, es war die Regierung –, haben in Wirklichkeit die Zeit verschlafen. Das passt zur ÖVP, die ja seit 100 Tagen so tut, als ob sie nie dabei gewesen wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Reste der alten Staatswirtschaft": österreichische Fluglinie Austrian Airlines, "Reste der alten Staatswirtschaft": VA Stahl, "Reste der alten Staatswirtschaft": Böhler-Uddeholm, "Reste der alten Staatswirtschaft": OMV, "Reste der alten Staatswirtschaft": Austria Tabak. Das sind die "Reste der alten Staatswirtschaft". Wenn jemand als


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Eigentümervertreter so mit seinem Eigentum umgeht, dann – davon bin ich überzeugt – ist er eigentlich auf dem falschen Weg.

Herr Professor Aiginger hat im Hearing über die ÖIAG sehr richtig gesagt: Privatisierung zur Schuldenrückzahlung ist kein optimales Ziel. Es wäre besser, einen Teil der Privatisierungseinnahmen für Forschung und Entwicklung zu verwenden. Für mich heißt nämlich Innovation längerfristige Entwicklung. Da reicht das Schlagwort "Österreich neu regieren" sicherlich nicht aus. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Das werden wir tun!)

13.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.

13.58

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Verzetnitsch hat sich doch wohltuend abgehoben von den vorhergegangenen Ausführungen der SPÖ-Abgeordneten, denn ich meine, dass er inhaltlich das vorgegeben und gesagt hat, was auch umgesetzt werden soll. Und auch ich als Abgeordneter einer Regierungspartei erwarte, dass diese Ziele auch erreicht werden, ob es die Technologie-Milliarde ist, ob es die Forschung ist.

Wie ist die Situation entstanden? Warum sind wir in der Situation, zu wenig Geld zu haben? – Es hat früher immer den Vorwurf gegeben, Minister Einem und Minister Farnleitner könnten nicht miteinander, weil der eine für die Schiene, der andere für die Straße zuständig ist. Jetzt harmonisiert man diese Bereiche und legt sie zusammen, und dann kommen wieder die Vorwürfe, es würde jetzt umgeschichtet werden, und Ähnliches mehr. – Das ist ja auch notwendig. Hätten wir die Schulden nicht, wären diese Maßnahmen ja nicht notwendig.

Und jetzt gehen alle Abgeordneten mit Ausnahme des Kollegen Verzetnitsch hier herunter und meinen, alles, was jetzt gemacht werde, sei schlecht. Ich frage mich, was in den letzten Jahren eigentlich an Positivem beigetragen wurde. War es der Ausbau der Westbahnstrecke? War es die Südbahn? War es der Ausbau der zweiten Tauerntunnelröhre? War es die Packer Autobahn, die sich in einem fürchterlichen Zustand befindet? Jahrelang, ja jahrzehntelang hätte es die Möglichkeit gegeben, hier Maßnahmen zu treffen, aber genutzt wurde sie nicht. Warum? (Abg. Edlinger: Schmid hat gesagt, die Infrastruktur ist in Ordnung! – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nein, aber so schlecht ist sie nicht!) Es war alles immer in Ordnung. (Abg. Edlinger: Er hat gesagt, man braucht nichts tun, die Infrastruktur ist nicht schlecht!)

Nein, Herr Minister außer Dienst, es gibt noch viel zu tun! Viel zu tun gibt es insbesondere auch in einem Bereich, der besonders sensibel erscheint, und zwar bei den ÖBB.

Die ÖBB waren ein Hort für Mitarbeiter, die in der Privatwirtschaft nicht untergekommen sind. Wenn sie dort nichts bekommen haben, dann sind sie zu den ÖBB gegangen. (Abg. Edler: Geh, hör auf!) Kollege Edler weiß, wie das gelaufen ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edler. )

Warum stehen wir vor der Situation, bei den ÖBB immer wieder feststellen zu müssen ... (Abg. Edler: Die Stimmen von den Eisenbahnern willst du aber haben!) – Die werden uns auch wählen – im Gegensatz zu dir! (Abg. Edler: Wieso gehst du denn dann auf die Bahnhöfe? Das ist ein Skandal, diese Aussage!) Lieber Freund Edler, ich werde dir jetzt sagen, warum wir in diesem Dilemma sind, wenn du eine Minute zuhörst. Auch Zuhören muss man können.

Da gibt es insgesamt neun Bedienstete der ÖBB, die nicht eine einzige Minute lang im Interesse des Unternehmens arbeiten (Abg. Edler: Das hast du eh schon dreimal gesagt!), die alle Gewerkschaftsfunktionäre sind, alle ganztägig in den Gewerkschaftsbüros sitzen – aber die Eisenbahner müssen es zahlen. Die Eisenbahner haben das bis zum Jahre 1998 erduldet, dann haben sie gesagt: Das gibt es ja nicht, dass genau immer jene die Bestkarrieren machen, die die teuersten Mitarbeiter sind, aber nicht eine Minute lang für das Unternehmen arbeiten!


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Das ist systemimmanent. Neun Mitarbeiter, schön aufgeteilt in den Bundesländern, kosten über den Daumen gerechnet auch 10 Millionen Schilling jährlich, die die Eisenbahner aufbringen müssen. Und das ist der Zweck gewesen. Ich könnte durchaus auch die Namen nennen, dem Kollegen Edler sind sie alle bekannt. Diese neun Mitarbeiter sind ein Beispiel dafür, wie es nicht geht. Denen sind die ÖBB nämlich völlig egal! Wichtig sind ihnen ihre Bestkarriere, ihre Direktionsassistentenkarriere und das eigene "Gerstl".

Was hat man dann im Jahr 1998 gemacht, nachdem es den Eisenbahnern zu bunt wurde und sie gesagt haben, so kann es doch nicht gehen, bei uns wird gespart, und diese Herren machen die Bestkarrieren? – Damals hat man sie aus dem berühmten Beförderungsbuch herausgenommen, damit es nicht mehr nachvollziehbar ist, wie viel diese Herrschaften kassieren. – Nebenjobs haben sie natürlich noch etliche, der Job bei den ÖBB ist ja nur der eine Teil.

Kollege Verzetnitsch hat auch gemeint, die Privatisierung könne sich nicht darauf beschränken, mit den Erlösen ausschließlich Schulden zurückzuzahlen. Jetzt frage ich mich aber schon, wenn das alles solche Paradeunternehmen sind, wie sie namentlich aufgezählt wurden: Warum haben diese dann rund 80 Milliarden Schilling Schulden angesammelt, sodass allein der Zinsendienst Milliarden Schilling kostet?

Ich bin ja auch der Meinung, dass man das Geld innovativer verwenden kann, aber zunächst muss man einmal die Altschulden zahlen, und dann kann man auch Geld für die Innovation bereitstellen, dann kann man auch private Sponsoren und Investoren finden, die bereit sind, mitzutun. Das geht aber bei hoch verschuldeten Unternehmen, die als Aufnahmekriterium das Parteibuch haben, nicht. Bis zum heutigen Tag teilen sich die Unternehmen in Rot und Schwarz, von der Vorstandsetage bis zur Klofrau! In allen Bereichen gilt nach wie vor Rot und Schwarz, schön aufgeteilt in den Bundesländern. Das ist nun einmal das Hauptproblem der Verstaatlichten!

Jedes Mal vor Wahlen treten dann im Besonderen die SPÖ und der ÖGB auf den Plan und sagen, jetzt ist alles schlecht, alles wird kaputt gemacht, 120 000 Arbeitsplätze sind in Gefahr, nur weil das Wort "Privatisierung" in den Mund genommen wird. Und damit bin ich wieder beim "Konsum", denn das ist so ein Beispiel, wie es nicht sein soll. Wenn ich schaue, wie es beim "Konsum" abwärts gegangen ist und innerhalb der SPÖ noch immer abwärts geht, dann muss ich sagen, da wollen wir nicht mitmachen. Da ist es mir lieber, einen Infrastrukturminister zu haben, der entscheidende Prioritäten setzt und das eine oder andere Vorhaben zeitlich verzögert umsetzt, weil das Geld fehlt, als einen, der alles gleichzeitig verspricht. (Abg. Edlinger: Er sagt ja gar nichts!)

Sie haben uns auch die punktgenaue Landung des Budgets versprochen. In Wahrheit war es punktgenau daneben. Das ist etwas, was wir nicht machen wollen. Was wir wollen, ist, jene Zusagen, die wir machen, auch einzuhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte. (Abg. Schwemlein  – in Richtung des Abg. Gradwohl –: Heinz, wenn du nichts sagst, bist du besser als er!)

14.05

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mein Vorredner hat seine Ausführungen mit der Qualität der Rede eingeleitet. Kollege Gaugg! Man kehre vor der eigenen Tür! Das, was Sie da geliefert haben, war nicht einmal ein zweitklassiges Schauspiel. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kollege Gaugg hat heute hier wiederum sein wahres Gesicht gezeigt. Der gelbe Gewerkschafter Gaugg behauptet: Wer sonst nirgends unterkommt, der geht zu den ÖBB. – Das ist Ihre Art der Arbeitnehmervertretung?! Danke, Herr Gaugg! (Beifall bei der SPÖ.)


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Noch etwas, Herr Gaugg: Innovation heißt Zukunft. Innovation heißt Blickrichtung in die Zukunft, heißt Neuentwicklung. Herr Gaugg, was Sie hier geboten haben, das war Ihr verklärter Blick in eine Vergangenheit, die nur Sie gesehen haben, sonst niemand. Sonst wäre diese Republik Österreich nicht eine derartige Erfolgsgeschichte, Herr Kollege Gaugg! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Eine Million Menschen an der Armutsgrenze! Das ist euer "Erfolg"! Pleite habt ihr die Republik gemacht!)

Aber ich möchte mich nicht mit einem Arbeitnehmervertreter Ihrer Kategorie auseinander setzen. (Abg. Schwemlein: Mit einem erfolglosen Arbeitnehmervertreter!) – Danke, Kollege Schwemlein, mit einem erfolglosen Arbeitnehmervertreter. (Abg. Gaugg: Pleite habt ihr die Republik gemacht!) Ich möchte mich wirklich ein wenig mehr um die Innovation in Österreich, um die Technologiepolitik kümmern. (Abg. Fischl: Realitätsverweigerer!)

Herr Kollege Fischl! Sie waren teilweise anwesend im Industrieausschuss, und Sie haben teilweise die Diskussionen mitverfolgt, sogar spurenweise mitdiskutiert, aber begriffen haben Sie nichts! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Der ist witzig da unten!)

Was geschieht denn im Bereich der Forschung und Entwicklung, Herr Kollege Fischl? Herr Präsident Verzetnitsch hat die "Reste der Staatsindustrie" aufgezeigt. Wissen Sie, was dort passiert? Forschung und Entwicklung, und zwar in einem sehr hohen Ausmaß, im höchsten Ausmaß in Österreich überhaupt. Wissen Sie, wofür Sie Sorge tragen und wofür Sie in Zukunft die Verantwortung tragen? – Für den Ausverkauf dieser Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in den Unternehmen, in den hochtechnologischen Unternehmen! (Abg. Gaugg: Damit können Sie nicht einmal in einem Kellertheater einen Pausenfüller abgeben!)

Vielleicht gelingt es Ihnen ja, in der Freunderlpartie um Prinzhorn – Stiftungsvater und sonstiger Freund – noch einiges unterzubringen. Aber ansonsten schlägt Prinzhorn ja vor, nach dem argentinischen Muster zu privatisieren. (Zwischenruf des Abg. Fischl. ) Auch da, Herr Kollege Fischl, würde ich meinen: vielleicht weniger glückvoll, aber doch noch mit ein bisschen mehr Ahnung von Fußball als von der Technologiepolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eines, meine sehr geehrten Damen und Herren. Mit dem Beschluss des ÖIAG-Gesetzes wurde die Headquarter-Funktion in Österreich, dadurch, dass die Kernaktionärsschaft aufgegeben wurde, in Gefahr gebracht und damit auch die Forschung und Entwicklung. Und mit dem vorliegenden Budget und den vorliegenden Budgetzahlen werden Forschung und Entwicklung nicht besonders angekurbelt werden.

Aber ich greife noch einen Debattenbeitrag einer Vorrednerin auf. Frau Abgeordnete Pecher hat für die Vorsorge für die Zukunft unseres Landes plädiert. Ich bin völlig bei ihr. Vorsorge für die Zukunft unseres Landes heißt aber auch qualitativ hochwertige Ausbildung unserer Jugend, heißt auch qualitativ hochwertige Lehrlingsausbildung für unsere Jugend. Sie, Herr Bundesminister – wenn Sie mir vielleicht einige Sekunden Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit schenken könnten –, sind in einem Bereich verantwortlich für diese qualitativ hochwertige Ausbildung, die in Zukunft kaum mehr möglich sein wird. Wie anders wäre es nämlich möglich, dass sich in der Obersteiermark, im Bezirk Knittelfeld, eine Initiative der Lehrlinge und Schüler zusammenfindet und dort mit dem Aufruf "Das geht uns alle an! Die hochqualitative Lehrwerkstätte der ÖBB in Knittelfeld" auf die Straße geht?

Eine Möglichkeit, Qualitäten für die Zukunft zu schaffen, eine Möglichkeit, Innovationschancen für die Jugend zu bieten, indem sie gut ausgebildet wird, indem hochwertige Facharbeiter am Werk sind, wird von Ihnen reduziert. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: He! He! He!) Man befürchtet, Herr Bundesminister, dass dadurch die Lehrwerkstätte geschlossen werden muss. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Völliger Unsinn!) Damit ist ein weiteres Mal bewiesen, dass diese Bundesregierung zwar viel verspricht, aber alles bricht.

Abschließend, Herr Bundesminister, darf ich Sie um eines ersuchen. Sie mögen mit anderen und bei anderen Gelegenheiten durchaus eine lockere Lippe haben, aber ich würde Sie wirklich höflichst ersuchen, hier im Hohen Haus im Zusammenhang mit der Gesetzgebung, mit den Gesetzen, die hier produziert und beschlossen wurden, nicht von "Mist" zu reden, den Sie wegzu


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räumen hätten, denn, Herr Bundesminister, das haben sich weder die Kollegen Ihrer Fraktion noch die Kollegen der anderen Fraktionen hier im Haus verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

14.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lunacek zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.10

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Burket von den Freiheitlichen hat vor etwa einer Stunde in der laufenden Verkehrsdebatte den "Life Ball" erwähnt und gesagt, dieser habe 135 Millionen Schilling gekostet.

Ich berichtige hiermit tatsächlich, dass der "Life Ball" aus öffentlichen Geldern, nämlich denen der Stadt Wien, heuer das erste Mal 2 Millionen Schilling erhalten hat, und zwar für die öffentliche Präsentation der Show am Rathausplatz, die 40 000 Menschen zugänglich war. Die Bewertung der "nackerten Popscherln", Frau Burket, überlasse ich den Freiheitlichen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.11

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich sehe schon wieder ein neues Gerücht auf die Steiermark zukommen, nämlich dahin gehend, dass irgendetwas gestrichen wird. Das ist anscheinend die derzeitige Modedisziplin. Ich halte auch in diesem Zusammenhang fest, Herr Abgeordneter, dass es im Bereich der Forschung durch mein Wirken zu Verbesserungen – das haben auch meine Vorredner schon ausgeführt – gekommen ist, dass das Ressort dafür mehr Mittel zur Verfügung hat.

Wenn Sie es genau wissen wollen, dann sage ich Ihnen, was ich gesagt habe: "Ich bin doch kein Hornochse, dass ich in der Steiermark ein Postamt zusperre!" – Bei solchen Dingen kann man mir nur in bösartiger Absicht etwas Negatives unterstellen. Ich denke, dass ich das somit klargestellt habe.

Sie haben weiters meine Aussage angesprochen, dass wir hier "Mist" wegzuräumen hätten. – Dazu nur so viel: Es ist auch die Aktion im Laufen, dass behauptet wird, dass von meinem Ressort, also von mir, 380 000 Mindestrentnern – ich glaube, diesbezüglich sind sogar Flugzettel verteilt worden – die Unterstützung zu den Telefongebühren entzogen werden soll. Auch das ist eine wirklich bösartige Unterstellung der Sonderklasse. Ich wiederhole: eine bösartige Unterstellung der Sonderklasse! Ich habe bereits gesetzliche Maßnahmen getroffen und vorangekündigt, dass es für diejenigen, die davon – das sind im Übrigen 301 000 und nicht 380 000 – betroffen sind, neben dem Festnetz auch beim Mobiltelefon zu einer Vergünstigung und nicht zu einer Verschlechterung kommen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Also hören Sie bitte schön damit auf, die Leute zu verunsichern! Das halte ich dann schon für das Maß an politischer Auseinandersetzung überschreitend. Jemand, der mit wirklich armen, existenzgefährdeten Menschen persönlichen Umgang gehabt hat – und ich habe im Rahmen der Wohnbauförderung in der Steiermark mit Hunderten und Tausenden zu tun gehabt –, spielt nicht mit der Angst der Ärmsten! Bedenken Sie, was Sie hier tun! Sie spielen mit der Angst der Ärmsten, indem Sie ihnen ankündigen, dass ihnen etwas weggenommen wird – und das wider besseres Wissen, denn die Situation sollte sich verbessert haben!

Ich habe hier einen Brief von der Telekom – und das jetzt zum "Mist wegräumen" –, der besagt: "Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Nachhang zu unserem Schreiben vom 3. März 2000, das Ihnen seinerzeit von Herrn Generaldirektor Kassler persönlich übergeben wurde – Kopie


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beilage 1 –, erlauben wir uns, die Abrechnung für die Jahre 1998 und 1999 für die von der Telekom Austria erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen vorzulegen."

Dabei geht es um jene Leistungen, von denen wir soeben gesprochen haben. Der neue Generaldirektor legt mir die Abrechnung für die Jahre 1998 und 1999 vor. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Ich bin am 4. Februar 2000 angelobt worden!

Und weiter heißt es: "Wir ersuchen Sie, die Fehlbeträge in der Höhe von 244 118 493 S für 1998 und 300 689 985 S für das Jahr 1999 entsprechend zur Anweisung zu bringen. Bereits im Dezember 1999 und davor ... haben wir darauf hingewiesen." – Zitatende.

Das ist das, was ich gemeint habe. Wir müssen augenscheinlich die "Versäumnisse" – wenn ich es vornehm ausdrücken darf – unserer Vorgänger beseitigen: 544 Millionen Schilling "Altlasten" – nach dem Motto: Zahle es, ob du Geld hast oder nicht! – Das ist Ihre Politik gewesen. Vielleicht sollten Sie das den Leuten sagen, anstatt ihnen Angst zu machen und ihnen einzureden, dass wir ihnen etwas wegnehmen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Gartlehner! Wie viel bist du schuldig geblieben den armen Telefonbenützern? Wie viel bist du ihnen denn schuldig geblieben? 500 Millionen Schilling? Das ist ja eine ordentliche Summe! Da bist du sicher nicht verantwortlich!)

14.16

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Lieber Kollege Haigermoser, nicht die Nerven wegwerfen! – Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Die Debatte zum Thema Technologie und Verkehrspolitik am heutigen Tag steht natürlich schon unter einem ganz besonderen Licht, wenn man bedenkt, dass es zu einem fliegenden Wechsel der Regierungspartner gekommen ist. Es ist zum Teil schon sehr lustig, mitanzuhören, wie sich ÖVP-Abgeordnete hier von 13 Jahren politischer Mitverantwortung in diesem Land absentieren.

Ich denke nur an den wohl einmaligen Auftritt der Kollegin Pecher heute, die so getan hat, als wäre die ÖVP überhaupt das erste Mal im Parlament vertreten. Sie hat sozusagen dem Publikum einen sehr klugen, wohlweislich mit Zitaten aus der Literatur versehenen Vortrag gehalten. Ich möchte nur wissen, ob Frau Kollegin Pecher mit ihrem eigenen Konzern auch die Vorbildrolle als Technologiefirma in Österreich innehat. Ich möchte wirklich wissen, ob sie mehr als 1,7 Prozent des Umsatzes ihres Fast-Food-Konzerns für Forschung und Entwicklung aufwendet. Ich bin ziemlich sicher, dass das nicht der Fall sein wird.

Ich bin auch ziemlich sicher, dass Frau Pecher mit ihrer Firma wiederum ein ganz typisches Beispiel dafür abgibt, warum die Forschungsquote in Österreich im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ist. Auf Grund rohstofforientierter Produkte und unterdurchschnittlicher Forschung in den Betrieben weist Österreich, wie wir wissen, Werte auf, die unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Die öffentliche Forschung in Österreich ist hingegen durchaus konkurrenzfähig mit anderen europäischen Ländern.

Ganz lustig ist es – und er tut mir ja förmlich ein bisschen leid –, wenn Kollege Schöggl, der als wirklich engagierter Technologiemensch und Industriepolitiker in den letzten Jahren immer wieder versucht hat, hier zwar sehr harte, aber doch sachliche und sehr seriöse Technologiepolitik zu betreiben, heute hier steht und mit sichtlich schlechtem Gewissen über die aktuelle technologiepolitische Situation im Budget 2000 spricht. Wir wissen, dass genau das, was du, lieber Kollege Schöggl, immer gefordert hast, nicht eingetreten ist, sondern dass das Gegenteil der Fall ist: Die Agenden einzelner Ministerien wurden nicht zusammengeführt, nein, eine weitere Kompetenzaufsplittung ist erfolgt. Eine furchtbare Geschichte!

Wir wissen, dass das Ziel, die Budgetvolumina so anzuheben, dass wir wirklich 2,5 Prozent des BIP erreichen, wahrscheinlich nur sehr schwer zu verwirklichen sein wird. Möglich wäre es vielleicht dann, wenn es in den nächsten Jahren zu einer konsequenten Technologiepolitik käme. Aber wir wissen auch, dass im heurigen Jahr die Technologie-Milliarde zur Gänze fällt, wir


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wissen, dass die angekündigte "Laptop-Milliarde", für jeden Schüler einen Laptop, zu einer "Lap-Flop-Milliarde" wurde, dass nichts mehr davon zu sehen ist, und wir wissen auch, dass sogar in den kleinen Bereichen, wo man Gewerbestrukturverbesserungsmaßnahmen setzen könnte, die Budgetansätze um zum Teil 80 Prozent zurückgegangen sind, reduziert wurden.

Die Ursache dafür liegt meines Erachtens nicht einmal so sehr darin, dass Herr Minister Schmid das nicht möchte, sondern die Ursache liegt, wie ich meine, vielmehr darin, dass im Rahmen der Koalitionsverhandlungen die freiheitliche Fraktion in diesem Bereich von der ÖVP wirklich zur Gänze über den Tisch gezogen wurde. Wenn Herr Kollege Grasser nicht noch einmal korrigierend eingegriffen hätte, hätte Kollege Schmid jetzt das Problem, politisch dafür verantwortlich zu sein, aber kein Geld dafür in seinem Ressort bereitstellen zu können.

Ich glaube also, dass die freiheitlichen Vertreter bei den Koalitionsverhandlungen grässlich versagt haben, und daher haben wir diese Situation, in der sich die FPÖ und Herr Minister Schmid befinden. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Der Grasser wäre aber auch ein Freiheitlicher! Wenn schon!) – Ja, der hat dich ja ohnehin noch gerettet, der hat dir ja geholfen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das ist aber auch ein Freiheitlicher!) – Ja, natürlich. (Abg. Dr. Kostelka: Herr Präsident! Ich bitte, den Redner nicht unterbrechen zu lassen!)

Nichtsdestotrotz, lieber Kollege Schmid: Ich befürchte, dass die persönlichen Interessen des Herrn Prinzhorn damit abgedeckt waren, und damit war für die FPÖ die technologiepolitische Frage erledigt. Ich glaube aber, dass man trotzdem eine Chance hat, in den nächsten Jahren aktiv Ansätze zu treffen. Es gibt auch für den Infrastrukturminister Möglichkeiten, gerade im Bereich der UMTS-Lizenzen Gelder zu lukrieren, und dort anzudocken, wo in den letzten Jahren wirklich erfolgreich technologiepolitische Aktivitäten gesetzt wurden. Ich denke dabei etwa an die Fachhochschulen, an die Technologiezentren, an diese Szene, die sich in diesem Bereich in Österreich entwickelt hat.

Ich denke aber, dass die Länder noch viel stärker als bisher eingebunden gehören, denn wir wissen, dass im Wesentlichen nur drei Bundesländer an EU-Forschungsprojekten mitarbeiten. Alle anderen Bundesländer sind so genannte forschungsfreie Zonen. Ich denke, dass die Regionen und die Kommunen, die sich hier gerne einbringen möchten – ich erwähne zum Beispiel die Region Steyr, die das immer sehr gerne getan hat und auch erfolgreich betreibt –, eine Chance haben sollen, mit finanziert zu werden und an diesen Projekten mitarbeiten zu können.

Herr Bundesminister! Sie haben in den nächsten Jahren noch die Chance, eine gute Technologiepolitik für dieses Land betreiben zu können. Nützen Sie diese Chance, wir werden Sie dabei sehr gerne unterstützen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Danke!)

14.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

14.22

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Noch drei Minuten zum Schluss der Debatte, um eine wesentliche "Goldgrube" in diesem Budget deutlich zu umreißen, damit sich nicht in späterer Zeit um die "genialen Budgetsanierer" – die da Minister Grasser oder auch Minister Schmid heißen – vielleicht entsprechende Sagen ranken.

Ich möchte hier eindeutig festgehalten haben, dass im Verkehrs- und Technologiebudget, im Infrastrukturbudget etwas massiv unterdotiert worden ist, nämlich: die Einnahmen, die aus der Versteigerung der Umts-Frequenz lukriert werden können. Sie haben dafür 4,5 Milliarden Schilling budgetiert, in Wirklichkeit werden es aber sicherlich Beträge in zweistelliger Milliardenhöhe sein, und diese zweistelligen Milliardenbeträge fallen praktisch vom Himmel. Herr Minister, Sie können sich in diesem Zusammenhang schon fast als "Goldmarie" fühlen, aber diese zweistelligen Milliardenbeträge gilt es, wirklich sinnvoll zu verwenden.


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Deshalb noch einmal mein Plädoyer dafür: einerseits die Technologie-Milliarde möglichst vielleicht zu verdoppeln und andererseits diese "Sterntaler" – unter Anführungszeichen – dafür aufzuwenden, in Österreich wirklich auch eine Demokratie-Milliarde zu fixieren.

Herr Minister! Ich erinnere Sie: Sie haben den Sparstift bei den Zeitungstarifen, bei den Posttarifen für die gemeinnützigen Vereine, Sozialvereine und so weiter angesetzt, aber Sie bekommen jetzt viel, viel mehr Geld, als Sie budgetiert haben. Sie müssten jetzt auch für die Zukunft Vorsorge dafür treffen, dass dieses Geld auch den im Sozialbereich Tätigen, den ehrenamtlich Tätigen, den NGOs zu Gute kommt. Leiten Sie diese Milliardenbeträge zu jenen um, die es wirklich brauchen!

Sie haben vorhin gesagt, Sie fühlen sich auch als Anwalt der Ärmsten und Sie wollen nicht, dass auf Kosten der Ärmsten Politik gemacht wird. – Bitte treten Sie in Zukunft als "Reichster" unter den Ministern dafür ein, dass diese zusätzlichen Milliarden für die Technologie und für die NGOs und Sozialvereine verwendet werden!

Zum Schluss noch im Zusammenhang mit der UMTS-Frequenz: Es muss geklärt werden, welche Vorsorgegrenzwerte bei GSM und sonstigen Frequenzbereichen, sozusagen in den neuen Medienbereichen gelten sollen. Es gibt in Kürze einen Kongress in Salzburg; Salzburg ist Vorreiter im Bereich Vorsorgegrenzwert. Wir brauchen dringend ein Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung! Das muss zustande gebracht werden.

Daher noch mein Hinweis darauf, dass es unter den Lizenzträgern, unter den Anbietern sehr wohl schwarze Schafe und weiße Schafe gibt: "tele.ring" in Graz nimmt keinerlei Rücksicht auf die Nachbarn, platziert Sender zehn Meter vor Schlafzimmern. "tele.ring" in Salzburg, dieselbe Firma, hält den Vorsorgegrenzwert von 0,1 Milliwatt pro Quadratmeter spielend ein. Andere Firmen wie "max", "one", auch "mobilkom" halten sich in Salzburg an die Grenzwerte, treten aber in anderen Bundesländern, in anderen Landeshauptstädten derartige Vorsorgegrenzwerte mit Füßen. Diesbezüglich muss endlich einmal eine österreichweite, korrekte, an der Gesundheit orientierte Politik Platz greifen. Deshalb mein Appell: Handeln Sie auch hier im Sinne der Ärmsten und tun Sie etwas für die AnrainerInnen! (Beifall bei den Grünen.)

14.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

14.26

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Moser! Sie haben gesagt, die UMTS-Versteigerung sei eine "Goldgrube" und der Herr Minister könne sich als "Goldmarie" fühlen. Wenn Sie weiter Wetten gegen mich verlieren, dann sind Sie für mich die "Goldmarie", das möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Sie erinnern sich daran: In der Verkehrsdebatte haben Sie mit mir eine Wette abgeschlossen, und der Herr Präsident hat eingeschlagen, das heißt, sie gilt. Sie haben heftigst bestritten, dass die damalige Klubobfrau Kollegin Dr. Petrovic rund 30 bis 35 S als Preis für den Liter Benzin verlangt hätte. Sie haben leider Unrecht, Frau Kollegin. Ich darf Ihnen aus der "Presse" vom 12. März 1995 vorlesen:

"In der Budgetfrage legte sich Frau Petrovic auf eine rigorose Umverteilung fest. Die Energiepreise, und zwar für alle Energieformen, Benzin, Heizöl, Strom, müssten Jahr für Jahr kräftig angehoben werden. Ein Liter Treibstoff könnte da in einigen Jahren bereits 20 S kosten." – Also genau das, was wir behauptet haben. (Abg. Haigermoser: Ja da schau her!)

Am 12. April 1995, einen Monat später, schlug Frau Petrovic eine Benzinpreiserhöhung von 2 S als erste Etappe vor, und eine Erhöhung von 7 Prozent jährlich. Bis zu welchem Endstand, das wollte sie vorläufig noch offen lassen. (Abg. Haigermoser: Das können wir uns ja ausrechnen!)


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Im Oktober 1995 hat sie gesagt: "Am Anfang haben wir alles gefordert ... Jetzt kommt in unserem Ökosteuer-Antrag eine Benzinpreiserhöhung von 1,50 S, und dafür soll er jährlich in dieser Größenordnung steigen."

Meine Damen und Herren! Genau das haben wir behauptet. Wir hätten jedenfalls heute, wäre es nach Frau Petrovic gegangen, locker einen Benzinpreis von 30 beziehungsweise 35 S pro Liter. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das geht sich mathematisch nicht aus!) Davon können Sie sich nicht distanzieren, Frau Kollegin.

Frau Kollegin Petrovic hat in der "Pressestunde" auch gesagt, die Grünen wollen Regierungsverantwortung wahrnehmen. Sie persönlich würde auch für den Posten einer Vizekanzlerin bereit stehen. – Meine Damen und Herren! Da muss ich den Österreichern ein Kompliment machen – dafür, dass sie das durch ihre Wahlentscheidung verhindert haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Spezialberichterstatter das Schlusswort? – Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beratungsgruppe X des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000.

Diese umfasst das Kapitel 65 des Bundesvoranschlages samt dem dazugehörigen Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 60 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über den während der Verhandlung der Beratungsgruppe X des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsantrag sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Genossen betreffend Erhaltung der Nebenbahnen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Beratungsgruppe V

Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Beratungsgruppe V: Justiz.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde seitens der Spezialberichterstatterin verzichtet.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Ich erteile es ihm.

14.31

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Justizdebatte wird heute, wie ich meine, angesichts der Umstände, die seit gestern vorliegen, etwas anders verlaufen, als wir sie ursprünglich – und das kann ich jetzt für meine Fraktion sagen – führen wollten. Herr Bundesminister! Eigentlich wollte ich von dieser Stelle aus Worte des Dankes äußern, Worte des Dankes dafür, dass es Ihnen in der Zeit Ihrer


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bisherigen Tätigkeit doch gelungen ist, viele von den Forderungen, die im Regierungsentwurf für den Bereich Justiz aufgestellt worden sind, zu verhindern.

Es ist in der Tat eine Leistung, das, was die Regierung sich in diesem Bereich als Programm vorgenommen hat, weitgehend zu verhindern. Nicht umsonst war unmittelbar nach der Präsentation dieses "anspruchsvollen" – wie Sie es bezeichnet haben – Programms im Herzen Europas die Rede davon, dass es sich hiebei um eine Rückkehr zum alten germanischen Rachedenken handelt. – Das sagt Universitätsprofessor Frank Höpfel, der sicherlich fernab jedes Vorwurfs der Parteilichkeit steht.

Der ehemalige Justizsprecher der ÖVP und große juristische Vordenker dieser politischen Partei Michael Graff sagt: Durch den Appell an Empörungs- und Rachegefühle der Menschen soll – ich zitiere – etwas politisch erreicht werden. – Meine Damen und Herren! Eine Reaktion, die eigentlich keines weiteren Kommentars bedurft hätte.

Sogar der Präsident der Staatsanwälte spricht von einem Misstrauensvorschuss den neuen politischen Kräften gegenüber, ja von einer völligen Umkehr der Justizpolitik. Dieses ÖVP-FPÖ-Justizpaket muss erst einmal verdaut werden. – Das sagt Matousek, der Präsident der Staatsanwälte, auf den Sie sich sonst immer wieder gerne berufen.

Letztlich gibt es noch eine Aussage von Matousek: Dies bedeutet einen Rückschritt in die Zeit des Entstehens der Strafprozessordnung vor 150 Jahren und ist offenbar ebenfalls Ausdruck des Misstrauens ... und so weiter und so fort. – Massive Kritik: Rückschritt in die Steinzeit!

Meine Damen und Herren! Dieses Justizpaket, das Sie damals verabschiedet haben, das eigentlich kein Programm ist, sondern eine Aneinanderreihung von teils Selbstverständlichkeiten, teils Obskuritäten und teils einfach nicht nachvollziehbaren Sätzen, die inhaltlich für einen, der sich mit Justizpolitik ernsthaft auseinander setzt, keinen Sinn ergeben, die Umsetzung dieses Paketes wurde – und das wollte ich in meiner heutigen Rede sagen, und ich sage es auch – von Herrn Bundesminister für Justiz Böhmdorfer bis dato verhindert.

Er ist aber nicht der Einzige gewesen: Auch der Herr Bundespräsident hat sich veranlasst gesehen, angesichts dieses Programms die Notbremse zu ziehen. Warum? – Wir haben vor der Erarbeitung dieses Programms, Ende der letzten Legislaturperiode, die so genannte Diversion verabschiedet, ein strafrechtliches Gesetz, das von allen Sachkundigen als einer der entscheidendsten Fortschritte in der Strafrechtsjustizpolitik der letzten Jahre bezeichnet worden ist; das Ergebnis von vier Jahren Diskussion mit großer Beteiligung aller Fachleute, ein Ergebnis, das herzeigbar war, das auch im Ausland Anerkennung gefunden hat und das wir auch im Ausland präsentieren konnten.

Dieses Gesetz, das seit 1. Jänner 2000 in Kraft ist, wollen Sie in Ihrem Regierungspaket wieder einschränken. Und nicht Fachleute, die sich mit der Materie auseinander gesetzt haben, nein, Herr Khol hat hier das Wort ergriffen, in Unkenntnis des Gesetzes, und hat erklärt: Dieses Gesetz muss zurückgestutzt werden, dieses Gesetz gefährdet unsere Kinder im Bereich des sexuellen Missbrauchs!

Meine Damen und Herren! Ihre Argumentation hat ein Schaudern bei all jenen, die sich mit der Materie auskennen, hervorgerufen – eine Argumentation, die klar macht, dass hier nicht in der Sache selbst argumentiert werden soll, sondern ganz einfach Emotionen geweckt werden sollen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

Diese Emotionen wollten Sie dann missbrauchen, um etwas zu fordern, was niemand verstanden hat, nämlich: die Rückführung der Diversion. Der Bundespräsident war in Kenntnis dieses Umstandes, und zwar auf Grund seiner eigenen Kenntnis, aber auch auf Grund von Informationen von jenen, die daran mitgearbeitet haben, und hat Sie aufgefordert: Bevor Sie das tatsächlich machen, bevor Sie das Ärgste machen, müssen Sie noch eine Enquete-Kommission einberufen, damit in der Öffentlichkeit dieses Thema nochmals diskutiert wird und damit Sie sich selbst davon überzeugen können – oder überzeugen müssen auf Grund der sachlichen Argu


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mentation –, dass Sie das, was Sie vorhaben, nämlich die Rückführung der Diversion, nicht durchführen können.

Dafür danke ich einerseits dem Herrn Bundespräsidenten, und auf der anderen Seite danke ich dem Herrn Bundesminister, weil es ihm gelungen ist, dieses Ansinnen von ÖVP und FPÖ zurückzuweisen, sie in die Schranken zu weisen und die Diskussion dorthin zu bringen, wo sie hingehört, nämlich in einen sachlichen Rahmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss bei dieser Gelegenheit aber anerkennen, dass Ihr Versuch, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, die Justizpolitik zu emotionalisieren und damit eigentlich auch von einer Tradition abzugehen, die viele, viele Jahre in diesem Hohen Haus geherrscht hat, nämlich dass in der Justizpolitik die tagespolitische Auseinandersetzung nicht an erster Stelle steht, sondern erst an der zweiten, dritten oder vierten, sicherlich gelungen ist.

Ein weiterer Punkt, der Ihnen, Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang anzurechnen ist, ist der Umstand, dass Sie auch zu Erklärungen von Klubobmann Khol gemeint haben: Man muss darüber reden, ob "lebenslang" auch tatsächlich "lebenslang" sein muss, weil es im Einzelfall natürlich Gründe gibt, sich damit auseinander zu setzen. Sie haben auch hier diese missbräuchliche Diskussion wieder in die Schranken gewiesen und gesagt: Es kann nicht so einfach sein, es gibt einfach zu komplexen Themen keine einfachen Antworten – so wie manche von Ihnen es hier vorgaukeln wollen –, sondern es bedarf einfach einer Diskussion.

All das, Herr Bundesminister, hätte uns genügt, um zu sagen, die Justizpolitik sei wieder ein Stück weitergekommen; insbesondere angesichts dessen, was auf Grund dieses Justizprogramms gedroht hätte, so es überhaupt als "Programm" bezeichnet werden kann.

Nun frage ich mich allerdings, Herr Justizminister: Was ist gestern passiert? Welche Überlegungen haben Sie angestellt, als Sie gestern mit Haider, einem der Entscheidungsträger Ihrer Partei, eine Pressekonferenz veranstaltet und dort mir persönlich Unbegreifliches von sich gegeben haben?

Wir kennen Haider seit langem als jemanden, der für eine klare politische Haltung steht (Abg. Dr. Martin Graf: Sehr erfolgreich!), der diese klare politische Haltung aber ständig vernebelt. Seine Intentionen werden aber wie nahezu keine anderen Intentionen eines Politikers über die Zeit erkennbar, wenn er zum Beispiel sagt: "Ich werde ein einheitliches Erscheinungsbild in der ganzen Partei durchsetzen. Das ist eine Führungsaufgabe, die noch zu erledigen ist."

Er sagt auch – ich habe es schon öfter zitiert, aber ich glaube, es ist notwendig, es nochmals zu wiederholen, um hier die Zusammenhänge erkennbar zu machen, die Sie immer wieder zu verschleiern versuchen –: "Die, die da hinten schreien und pfeifen, werden, wenn ich etwas zu sagen habe, ihre Luft noch brauchen zum Arbeiten." – Das sind Drohungen, das sind Repressionen, das ist letztlich der Versuch, Meinungsfreiheit in die Schranken zu weisen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und diese Person, die wie keine andere für einen autoritativen Führungsstil steht in diesem Haus (Abg. Mag. Schweitzer: Das heißt "autoritär"!), diese Person hat es letztlich auch zu verantworten, dass Sie anlässlich einer Abstimmung über den Rechnungshofpräsidenten Markierungen auf Ihren Abstimmungszetteln akzeptieren mussten. (Abg. Dr. Ofner: Das war meine Idee!) Ja, Ihre Idee, Kollege Ofner. Ich weiß nicht, ob es Ihre Idee ist. (Abg. Dr. Petrovic  – in Richtung des Abg. Dr. Ofner –: Da können Sie "stolz" darauf sein!) Ich jedenfalls habe es als beschämend empfunden, aber es steht Ihnen zu, das Ihre darüber zu denken. Jeder kann sich seine Meinung darüber bilden.

Diese Person, die hier besonders durch diesen Führungsstil besticht, erklärt nun: Wir müssen noch weiter gehen. Wir müssen Mandatare strafrechtlich ahndbar machen, wenn sie etwas politisch nicht Gewolltes von sich geben.

Meine Damen und Herren! Das hat es das letzte Mal zu einer Zeit gegeben, die eine sehr unselige war. Wenn ich mir nämlich die Reichsgesetze von damals ansehe (Abg. Dr. Martin Graf:


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Ich bin Ihnen für Ihre "sachlichen" Beiträge so dankbar!)  – ich komme dann noch darauf zu sprechen –, dann erkenne ich darin eigentlich das gleiche Ansinnen, das Haider gestern gestellt hat.

Das ist genau das, was uns in Europa in die problematische Situation gebracht hat, in der wir uns befinden, und was den Bundespräsidenten auch dazu gebracht hat, Ihnen eine Präambel aufzuerlegen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Die Präambel ist jedenfalls gebrochen worden.

Sie, Herr Bundesminister, haben bei dieser Gelegenheit erklärt, dass Sie Verständnis dafür haben, dass es sich um ein diskussionswertes Thema handelt. Herr Bundesminister! Sie haben sich mit dieser Erklärung in hohem Maße disqualifiziert. Ich bedauere das zutiefst. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie täuschen immer alle! Sie haben gesagt, Sie bleiben sachlich! Sie sind jetzt gar nicht sachlich!)

Das ist aber nicht etwas, was sich im Hohen Haus allein abspielt, sondern das ist ein Thema, an dem uns andere Staaten messen. Ich ersuche Sie daher, Herr Minister, dass Sie hier eine Erklärung abgeben und sich von dem in aller Form distanzieren. Ich werde um 15 Uhr dann noch einmal etwas dazu sagen. Ich hoffe, dass hier im Sinne des Landes etwas weitergebracht werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

14.43

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Kärntner nehmen das offensichtlich nicht so tragisch wie mein unmittelbarer Vorredner, sonst hätte es nicht geschehen können, dass heute, vor wenigen Stunden, ein einstimmiger Beschluss der Kärntner Landesregierung gefasst worden ist, der den Schulterschluss, den herzustellen sich die ÖVP und die Freiheitlichen in diesem Hause hier vergeblich bemüht haben, in Kärnten hergestellt hat – mit den Stimmen der Sozialdemokraten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Kärntner SPÖ ist ein bisschen fortschrittlicher!)

Offizielle Aussendung: "Landesregierung beschließt einstimmig Aktionsplan. Einstimmig hat heute die Kärntner Landesregierung einen Aktionsplan zur Aufhebung der Sanktionen von 14 EU-Mitgliedstaaten gegen Österreich beschlossen."

Und dann weiter: Die Kärntner Landesregierung unterstützt den Aktionsplan der Bundesregierung (Oh-Rufe und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP)  – dem Sie sich verschlossen haben, meine Damen und Herren! – und erwartet, dass bereits durch Verhandlungen und diplomatische Aktivitäten der gewünschte Erfolg erreicht wird. (Abg. Haigermoser: Alle zusammen!)

Also die Kärntner haben sich offenbar nicht nachhaltig aufgeregt über Äußerungen, die nicht einmal aus den Medien, sondern aus irgendwelchen Pressediensten bekannt wurden und von denen ich erst hören müsste, in welchem Zusammenhang und wie sie wirklich gefallen sind.

Ich habe aber überhaupt nicht vor, meine kostbaren verbliebenen 9 Minuten diesem Thema zu widmen. (Rufe bei der SPÖ: Was sagen Sie zu diesen Äußerungen?) Ich möchte mich mit der Justizpolitik auseinander setzen, und wer immer nicht über die Justiz sprechen möchte und verhindern möchte, dass ich das tue, der wird kein Glück haben: Ich habe das Mikrophon, er hat es nicht.

Die Justiz arbeitet in Österreich gut. Das ist in den letzten Jahrzehnten so gewesen, und sie arbeitet auch unter dem neuen Minister Böhmdorfer hervorragend. Sie wird von den Bürgern angenommen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn rundum in Europa, wohin wir auch schauen, wird die Justiz, weil sie schlecht arbeitet, weil sie als korrupt gilt, weil sie zu langsam ist, viel langsamer als in Österreich, von den Bürgern überhaupt nicht akzeptiert. Die suchen


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sich andere Möglichkeiten, um zu ihrem Recht zu kommen oder zumindest ihr Mütchen kühlen zu können, Rache zu üben oder was immer.

Das ist in Österreich nicht der Fall. In Österreich vertraut der Bürger der Justiz. Er geht zur Justiz, er freut sich zwar persönlich nicht über jedes Ergebnis, das sie ihm bringt, aber er akzeptiert es. Dieses Vertrauen ist wichtig, es ist eine der Grundsäulen der Republik. Wir sind stolz darauf, dass es dieses Vertrauen gibt, und alle in der Justiz werden weiter daran arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben uns angewöhnt, darüber gekränkt zu sein, dass manches nicht so schnell geht, wie ein Vorgänger des Ministers Böhmdorfer, nämlich Minister Foregger das immer genannt hat: dass binnen "schicklicher Frist" etwas geschieht. "Schickliche Frist" ist ein dehnbarer Begriff. Bei manchen Dingen – und ich weiß, wovon ich rede – muss man wirklich länger warten, als man glaubt. Aber tatsächlich liegen wir auch in Österreich, was die Dauer der Verfahren angeht, bei einem Bruchteil dessen, was wir von anderen Ländern gewohnt sind. Da macht uns der internationale Vergleich sicher, und er macht uns auch ein wenig stolz auf die Leistungen, die in der Justiz erbracht werden – von allen, die dort beschäftigt sind und ihre Aufgaben erfüllen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wovor ich in diesem Zusammenhang warnen möchte, ist eine Schere, zwischen deren Backen man sich begeben könnte, und zwar in der Form, dass man sich bemüht, alles noch rascher zu machen, vielleicht auch etwas billiger und vor allem einfacher, und dass das dann auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit gehen könnte, die wir doch im rechtsstaatlichen Interesse und im Interesse der Bürger über alles stellen sollten.

Einzelfallgerechtigkeit gegen noch mehr Geschwindigkeit – das heißt, der Bürger möchte schon, dass es rasch geht, aber in erster Linie möchte er, dass es gerecht zugeht. In erster Linie möchte er richtige, gerechte, akzeptable Entscheidungen, auch wenn es dann etwas länger dauert. Ich warne daher Herrn Minister Böhmdorfer davor – aber ich weiß, dass es nicht notwendig ist, ihn wirklich zu warnen, weil er, davon bin ich überzeugt, als Praktiker derselben Überzeugung ist –, sich zu bemühen, Maßnahmen zu setzen, um die Dinge noch rascher über die Bühne zu bringen, wenn das auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit geht.

Es hat in der Vergangenheit Bestrebungen gegeben, eine Art Eventualmaxime im Zivilverfahren einzuführen, das heißt, was nicht am Anfang schon auf den Tisch gelegt ist, kann man später nicht mehr vorbringen. Das mag dem einen oder anderen, weil es weniger Arbeit macht, angenehm sein, das mag das eine oder andere Verfahren rascher zu einem Ende führen. Zu mehr Gerechtigkeit wird es, fürchte ich, nicht führen.

Man hört auch immer wieder, dass man sich bemüht, von den Instanzenzügen wegzukommen, auch im Zivilverfahren zu zwei statt, wie es manchmal der Fall ist, zu drei Instanzen zu kommen, und dass man die Anrufung der Höchstgerichte immer schwieriger macht. Aber: Einzelfallgerechtigkeit muss meiner Meinung nach oberstes Gebot in der Justiz bleiben.

Was sich viele Praktiker – und darunter auch der alte Anwalt Harald Ofner – wünschen, ist, dass wir auch bei den schwerwiegenden Strafverfahren endlich zu einer echten Beweisrüge im Rechtsmittelverfahren kommen. Heute ist es so, dass man beim Bezirksgericht, dass man beim Einzelrichter, beim Gerichtshof noch eine volle Schuldberufung hat. Das heißt, man kann die Beweiswürdigung durch das Gericht anzweifeln und, wenn man Glück hat, vielleicht auch zu einer Änderung in diesem Zusammenhang kommen. Aber dort, wo es ernst wird, bei den Schöffen, und noch mehr bei den Geschworenen, gibt es nach wie vor keine echte Anfechtung der Beweiswürdigung.

Das geht alles von der Überlegung aus, da sitzt in Gestalt der Schöffen und der Geschworenen das Volk drinnen, und das Volk irrt nie. Daher wäre es frivol, die Beweiswürdigung anfechten zu wollen, wenn es um Schöffen- oder gar um Geschworenen-Urteile geht. – Ich halte das für eine Beweisregelvorgabe, wie wir sie aus dem Mittelalter kennen, wo man auch jemanden in das kochende Wasser hat greifen lassen, und wenn er nicht verbrüht war, war er unschuldig, und wenn er sich verbrüht hat, war er schuldig und war einen Kopf kürzer.


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Man muss die Möglichkeit geben, Irrtümer, die im Rahmen der Beweiswürdigung in erster Instanz geschehen können, auch dann in zweiter Instanz anzufechten, wenn es um ernste Dinge geht, und nicht nur dann, wenn es um eine Bagatelle geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Vielleicht ist es doch möglich, in diesem Zusammenhang zu einem Fortschritt zu kommen.

Eine alte Lieblingsidee von mir ist es – und ich nütze die Gelegenheit, es auch dem neuen Justizminister wieder ans Herz zu legen –, deutlicher als bisher vom Instrument der fachmännischen Laienrichter Gebrauch zu machen. Die Laienrichter sind, so hat man manchmal den Eindruck, eine zum Aussterben verurteilte Spezies. Es gibt nur mehr einen Bereich, wo sie – sehr fruchtbringend – tätig sind, das ist die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Man könnte sie sich ohne fachmännische Laienrichter, ohne Beisitzer aus dem Arbeitgeberbereich auf der einen und aus dem Arbeitnehmerbereich auf der anderen Seite, gar nicht mehr vorstellen.

Vor allem beim Strafgericht erlebt man aber, dass dort etwa Wirtschaftsdelikte zur Beurteilung anstehen, sich damit aber niemand von den Beteiligten wirklich auskennt – nicht der Richter, nicht der Staatsanwalt, häufig auch nicht der Verteidiger. Aber die Entscheidungen müssen gefällt werden. Und die beiden Schöffen, die dort sitzen – nichts gegen die Hausbesorger! –, sind vielleicht pensionierte Hausbesorger. Die können zur Wahrheitsfindung wirklich relativ wenig beitragen. Ich könnte mir daher vorstellen, dass es sinnvoll wäre, dazu zu kommen, dass, je nachdem, in welchem Bereich strafbare Handlungen spielen, über die zu urteilen ist, Fachschöffen eben aus diesem Bereich zum Zug kommen sollten.

Wenn heute die Diversion angesprochen worden ist, dann glaube ich, dass man einmal abwarten sollte, was bei der Enquete herauskommt, die wir über die Bühne bringen werden. Ich habe ja die Ehre, Vorsitzender dieser Justiz-Enquete zu sein. Und wenn Sie, Kollege Jarolim, gesagt haben, dass der Herr Bundespräsident eine solche Enquete gewünscht hat, kann ich dazu weder ja noch nein sagen, weil ich es nicht weiß. Bei allem Respekt vor dem Staatsoberhaupt ... (Abg. Dr. Jarolim: Verfügt hat er’s!)

Ich weiß es nicht, aber wenn Sie es sagen, wird es richtig sein. Ich sage dazu nur – bei allem Respekt vor dem Staatsoberhaupt! –: Zuständig ist er dafür nicht. Also wenn er es wirklich angeordnet oder verfügt haben sollte: Er kann die gesetzgebende Körperschaft nicht dazu verhalten, auf diesem Sektor das zu tun, was er sich vorstellt, oder das zu unterlassen, was er sich nicht vorstellen kann. Das sage ich, und selbst wenn er da oben säße, würde ich es nicht anders sagen, weil es den Tatsachen entspricht.

Es wird bei dieser Enquete, die auf längere Dauer angelegt ist und einen großen Personenkreis beschäftigen wird, aber nicht nur um die Probleme der Diversion gehen, sondern auch um die Ausgewogenheit der strafrechtlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich überhaupt, vor allem aber um die Problematik gerichtlicher Strafverfahren auf der einen und Verwaltungsstrafverfahren auf der anderen Seite. In diesem Bereich geht es ja recht unausgewogen zu. Es geht heute jedem Beschuldigten wesentlich schlechter, wenn er mit einer strafbaren Handlung vor der Verwaltungsbehörde steht, als wenn er vor dem Strafgericht stünde – wenn man davon absieht, dass das eine Eintragung in das Strafregister nach sich ziehen kann und das andere nach menschlichem Ermessen nicht. (Das rote Lämpchen am Rednerpult leuchtet auf.)

Ich stelle mit Erstaunen fest, dass ich offenbar schon 10 Minuten geredet habe. Ich habe auf meiner Uhr da erst 5 Minuten, aber ich nehme an, dass die 10 Minuten richtig sind, und komme daher zum Schluss.

Die österreichische Justiz genießt das Vertrauen der Bevölkerung; ich habe das bereits angesprochen. Man braucht nur in die Bevölkerung hineinzuhören. Dieses Vertrauen genießt genauso der neue Justizminister Dr. Böhmdorfer. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass er, wie ich irgendwelchen Notizen in einem Pressedienst entnehme, erklärt, wenn etwas einen strafrechtlichen Charakter habe, dann müsse man auch bei Volksvertretern darüber nachdenken, welche Reaktionen das nach sich ziehen solle.


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Das wird man als Justizminister doch sagen dürfen! Wenn etwas einen strafrechtlichen Charakter hat, dann wird man doch als Justizminister darüber nachdenken dürfen, was geschehen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich bin überzeugt davon, dass dadurch das Vertrauen in die Justiz und in ihren Minister nicht erschüttert worden ist. Dadurch hat es nicht erschüttert werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen.

Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es in 5 Minuten 15 Uhr ist, das heißt, dass Sie wahrscheinlich auf Grund Ihrer vorgefassten Redezeit unterbrochen werden.

14.55

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Danke, Herr Präsident. – Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat beschwichtigt, der Justizminister habe von strafrechtlich relevanten Verfehlungen von Abgeordneten gesprochen, und dann wäre ja wohl eine Sanktion angemessen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Nachzudenken!) Dann wäre es angemessen, darüber nachzudenken.

Das, was gestern passiert ist, ist etwas ganz anderes. Herr Kollege Ofner, Sie haben offenbar die APA-Aussendungen dazu nicht gelesen. Wenn ein Abgeordneter sich strafrechtliche Verfehlungen zuschulden kommen lässt, dann gibt es derzeit schon die Möglichkeit, ihn entsprechend, sagen wir, zu behandeln.

Bestes Beispiel: letztes Jahr der Kollege Rosenstingl. Er hat sich Verfehlungen zuschulden kommen lassen und wurde daher als Abgeordneter sanktioniert, letztendlich mit dem Verlust des Mandates. Das sollte ja doch die FPÖ als Erste wissen.

Aber was gestern passiert ist, das ist wirklich beispiellos. (Abg. Dr. Ofner: Schön war der Schulterschluss in Kärnten heute!) Der Landeshauptmann von Kärnten verlangt keine Sanktionen, wenn einer einen Betrug oder eine Ehrenbeleidigung begangen hat – dafür gibt es ja jetzt schon Sanktionen –, nein, sondern Sanktionen gegen Volksvertreter, welche den Interessen der Republik zuwiderhandeln, die das Treuegelöbnis verletzt haben. Das ist eine eindeutig politische Motivation. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Und Böhmdorfer, unser Justizminister Böhmdorfer sitzt daneben und sagt: Sicherlich ein verfolgenswerter Vorschlag. (Abg. Ing. Westenthaler: Weiter zitieren! Er hat schon noch etwas dazugesagt!)

Ja, ich lasse es mir gefallen, wenn Herr Dr. Böhmdorfer als Parteianwalt von Dr. Haider dort sitzt und darüber wacht, was strafrechtlich relevant sein könnte oder nicht. Aber Sie sind nicht als Parteianwalt dort gesessen, Herr Dr. Böhmdorfer, sondern als Justizminister. Sie sind der eigenen Verleumdungspropaganda auf den Leim gegangen!

Natürlich, wenn die FPÖ Tag für Tag trommelt: Die Staatsfeinde da, die Staatsfeinde dort!, diese Vernaderungspropaganda, die Sie laufen haben, dann glauben Sie eines Tages, das sind tatsächlich Volksverräter, Volksschädlinge oder Staatsfeinde. Und dann muss man doch gegen diese Leute Sanktionen einführen.

Das ist Ihr Staatsverständnis? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ein Justizminister, der nicht auf den ersten Blick erkennt, dass das die Denkweise eines totalitären Regimes ist, ein solcher Justizminister ist ungeeignet! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Vor 60 Jahren, meine Damen und Herren, gab es entsprechende Paragraphen, und ich empfehle Ihnen, das nachzulesen. Ich zitiere: Wer öffentlich hetzerische oder gehässige Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. (Abg. Ing. Westenthaler: Und Sie vergleichen das?)

Das ist politische Einschüchterung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Wer soll denn über solche Dinge befinden? Das sind politische Dinge, das sind keine strafrechtlich relevanten


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Dinge. Und genau davon war gestern in dieser Pressekonferenz die Rede – und von nichts anderem. Das haben auch alle richtig verstanden.

Noch einmal: Ein Justizminister, der nicht erkennt, dass hier die Grundlagen der Verfassung, der österreichischen Verfassung zur Disposition gestellt werden, der nicht erkennt, dass da vielleicht die Meinungsfreiheit, das freie Mandat der Abgeordneten, mit allen verfassungsrechtlichen Grundlagen dieser parlamentarischen Demokratie, von denen auch Sie immer profitiert haben – mit Recht –, zur Disposition gestellt werden, ein solcher Justizminister ist an dieser Stelle ungeeignet! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und ich kann die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP nur fragen: Diese gestrige Pressekonferenz des Landeshauptmannes von Kärnten und des österreichischen Justizministers war auch Thema der heutigen Ministerratssitzung. Was war das Ergebnis dieser Sitzung? Wie steht die ÖVP, wie steht der österreichische Bundeskanzler zu dieser Art von beabsichtigter Justizpolitik? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis 15 Uhr zur Aufnahme der Besprechung der Anfragebeantwortung beziehungsweise des Fristsetzungsantrages.

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 462/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Sinne der Ankündigung von heute Früh gelangen wir jetzt zur Kurzdebatte im Sinne des § 57a über die Anfragebeantwortung der Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit mit der Ordnungszahl 462/AB.

Diese Anfragebeantwortung ist verteilt worden, sodass sich eine Verlesung im Hause erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein, und ich mache darauf aufmerksam, dass nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Die Stellungnahme von Seiten der Bundesregierung soll ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten. In der weiteren Debatte beträgt die Redezeit 5 Minuten.

Herr Abgeordneter Brosz als Antragsteller dieses Verlangens darf die Debatte eröffnen. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

15.02

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die heutige Besprechung der Anfragebeantwortung haben wir aus einem ganz einfachen Grund beantragt, einem Grund, der am Ende meiner Ausführungen wohl noch klar werden wird: Der Grund ist der, dass zumindest ein Teil der Fragen offenbar mit dem Zeitablauf dieses Projekts nicht in Übereinstimmung zu bringen ist beziehungsweise ein Teil der Beantwortung nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.

Um diese Anfrage überhaupt zu verstehen und auch die Besprechung zu verstehen, ist es, glaube ich, notwendig, etwas zurückzublenden.

Im damaligen Familienministerium kam Anfang der neunziger Jahre eine ÖVP-Ministerin, Ruth Feldgrill-Zankel, als Leiterin dieses Ressorts nach Wien. Sie hatte, abgesehen von ihrem politischen Vorleben in der ÖVP, auch durchaus persönliche Beziehungen in ihre ehemalige Heimat, in die Steiermark. Es gab auch sehr persönliche Beziehungen, die sie hatte. Unter anderem hatte Frau Minister Feldgrill-Zankel zwei Patenkinder, zwei Schwestern, die offenbar zu dem Zeitpunkt, als sie ins Ministerium kam, den Bedarf hatten, auch eine entsprechende Beschäftigung anzunehmen.


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Eine der beiden Schwestern, damals Andrea Holzer, wurde Büroleiterin von Ruth Feldgrill-Zankel. Die zweite Schwester, Veronika Holzer, wurde im Zuge einer Nachbesetzung eines Sektionschefpostens bei der Ausschreibung auf den ersten Platz gereiht und hat sich in einem ÖVP-internen Duell gegen den späteren Bundesrat Karl Wilfing durchgesetzt. Es gab da offenbar eine Absicherung, dass der Posten zumindest in der Familie der ÖVP bleiben sollte.

Zu der Vorgeschichte für dieses Projekt und für diese Geschichte ist noch relevant, dass Andrea Sutter Mitte der neunziger Jahre in Karenz gegangen ist und nach wie vor karenzierte Beamtin des Ministeriums ist.

Und jetzt kommen wir zu der Geschichte, zu der diese Vorgeschichte passt. Im Rahmen des 2. Berichtes zur Lage der Jugend in Österreich gab es ein Evaluierungsprojekt von Jugendarbeit – nicht ein Selbstevaluierungsprojekt, sondern ein Evaluierungsprojekt. Es wurde von den betreibenden Organisationen als sinnvoll eingestuft, und es wurde geplant, dieses Projekt als Selbstevaluierungsprojekt fortzusetzen. Es kam infolge dieses Zweiten Jugendberichts zur Gründung eines Vereins. Dieser Verein heißt "Initiative Qualität" – und jetzt sind wir auch schon direkt in der Anfragebeantwortung.

Dieser Verein wurde zu dem Zweck gegründet, diese Selbstevaluierung durchzuführen. Es gibt jetzt in der Anfragebeantwortung eine offizielle Darstellung. Wir haben von Jugendorganisationen die Informationen bekommen, dass die Projektkoordination für dieses Projekt "Initiative Qualität" von der Schwester der Sektionschefin Andrea Sutter durchgeführt wird. Wir haben einmal eine ganz simple Frage gestellt, die auch mit Ja beantwortet wurde, nämlich ob das tatsächlich zutreffe. Das wurde von der jetzt – ich sage das bewusst so – zum Handkuss gekommenen Bundesministerin Sickl beantwortet. Man muss fairerweise dazusagen, dass diese ganze Ausschreibungspraxis nicht im Zeitraum ihrer politischen Verantwortung entstanden ist, sondern unter ihrem Vorgänger, dem Bundesminister Bartenstein.

Was ich Ihnen allerdings schon vorwerfe, Frau Minister, ist der Unterschied zwischen einer rechtlich korrekten Beurteilung und der Frage auch eines gewissen politischen Gespürs. Wir haben Sie nämlich auch gefragt, ob Sie meinen, dass diese Vergabepraxis an Verwandte ein Zustand ist, der so bleiben sollte, oder wo eine Änderung notwendig wäre. Und Sie haben geantwortet – und ich lese das jetzt vor aus der Anfragebeantwortung –: "Durch die dem Auftragnehmer auferlegte Dokumentationspflicht ... ist sichergestellt, dass bei der Vergabe von Subaufträgen nur der Bestbieter den Zuschlag erhält." – Und jetzt kommt’s:

"Ein genereller Ausschluss der Familienangehörigen von leitenden Bediensteten, sich an öffentlichen Vergabeverfahren eines Ressorts zu beteiligen, wird abgelehnt."

Das mag natürlich rechtlich in Ordnung sein, ich möchte aber noch einmal auf die Dimension aufmerksam machen. Da geht es nicht darum, dass sich ein Familienmitglied von irgendeinem Beamten an irgendeiner Ausschreibung beteiligt, sondern es geht darum, dass es sich um ein Projekt handelt, das genau im Verantwortungsbereich der Sektionschefin, in dem Fall der Schwester, angesiedelt war. Und bei jeder Form, die rechtlich noch irgendwie okay sein kann, bin ich der Meinung, dass das politisch ein völlig unhaltbarer Zustand ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und auch die Frage, ob Sie in Ihrer Verantwortung die Notwendigkeit erkennen, etwas zu ändern, haben Sie relativ klar beantwortet. Auf die Frage: "Werden Sie dafür Sorge tragen, dass eine solche Vergabe in der Zukunft nicht mehr möglich sein wird?" kam die Antwort: "Dafür besteht keine Veranlassung."

Also ich bin mir nicht sicher, was wir in den nächsten Jahren erwarten dürfen. Wir werden uns auf jeden Fall ziemlich genau anschauen, wie diese Vergabepraxis auch in der Zukunft gehandhabt wird.

Okay. Das ist jetzt sozusagen die offizielle Version des Ministeriums: Es gab eine Ausschreibung. Der Beste, die Beste ist zum Zug gekommen. Dass es ein Familienmitglied war, ist rechtlich nicht zu verhindern.


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Jetzt sage ich Ihnen aber zwei Dinge die in dieser ganzen Konstellation aus meiner Sicht doch einer gewissen Aufklärung bedürfen. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Es handelte sich um ein Selbstevaluierungsprojekt. Das hat wohl auch zur Folge, dass die Organisationen, die daran beteiligt sind, Interesse daran haben müssen, im eigenen Bereich eine Evaluierung vorzunehmen. Die Koordination für dieses Projekt läuft über eine karenzierte Beamtin des Ministeriums, also über jemanden, der später genau wieder in dem Bereich tätig sein kann, sein wird, um den es bei der Selbstevaluierung geht.

Ich frage mich, inwiefern das auch vom Aufbau her politisch sinnvoll ist. In der Sozialwissenschaft gibt es dafür ein ziemlich klare Aussage. Da würde man davon sprechen, dass das Setting dieser Forschungsaufgabe einfach völlig falsch gewählt wurde. Es ist einfach nicht möglich, Verantwortung, Kontrolle des Auftraggebers in ein Projekt einzuführen, wo es um Selbstevaluierung geht. Das hält so nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Und es gibt eine Sache, die mittlerweile auch schon publik geworden ist und wo ich Ihnen sagen muss, dass die Anfragebeantwortung zwar formal auch nicht wirklich falsch ist, aber dass zumindest der Zeitablauf ein doch sehr schiefes Licht auf die Optik wirft.

Sie haben geantwortet, dass die Ausschreibung zu diesem Projekt am 19. April 1999 erfolgt ist. – 19. April 1999. Uns liegt ein Protokoll der Startsitzung dieses Vereins "Initiative Qualität" vor. Dieses Protokoll stammt vom 28. Jänner 1999. Das sind etwa drei Monate, bevor eine offizielle Ausschreibung stattgefunden hat. Laut diesem Protokoll war ein Beamter des Ministeriums bei der Sitzung anwesend, Herr Rosenstingl – Namensgleichheit –, und es scheint am 28. Jänner 1999 auf, wer die Projektkoordination übernehmen wird, nämlich ein gewisser Herr Christian Klein und Frau Andrea Sutter. – Das war drei Monate, bevor ausgeschrieben wurde.

Wir haben ein Protokoll – ich mache das noch einmal in aller Deutlichkeit klar –, in dem im Jänner der Vermerk aufscheint, wer den Auftrag erhalten und wer die Auftragsvergabe lukrieren wird. Die Beantwortung der folgenden Frage haben Sie offen gelassen. Daher frage ich Sie: Wie ist es möglich, dass man im Jänner bereits weiß, wer bei einer Ausschreibung, die am 19. April erfolgt, den Auftrag erhalten wird? – Ich denke, da gibt es Erklärungsbedarf.

Ich möchte Ihnen ja nicht unterstellen, dass Sie diese Antwort wissentlich so gegeben haben, aber es liegt wohl in der Verantwortung Ihres Ministeriums, hiezu klar Stellung zu beziehen, und es liegt wohl auch in Ihrer Verantwortung, jetzt hier darzustellen, wie diese Vergabe möglich war und wie in Zukunft auf jeden Fall verhindert werden wird, dass solche Vergaben in Ihrem Ministerium noch einmal vorkommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte.

15.11

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl: Herr Präsident! Hohes Haus! Mein Vorredner hat fairerweise konzediert, dass hier über einen Ablauf gesprochen wird, der vor meiner Amtszeit liegt, ich jedoch die Aufgabe hatte, eine Anfragebeantwortung durchzuführen. Ich darf dazu kurz darlegen, dass dieses Projekt vom Ministerium an den Verein "Initiative Qualität" vergeben worden ist, der sich aus sieben Vereinen gegründet und dann Subaufträge an diese sieben Vereine sowie eine Projektkoordination an Frau Dr. Sutter, eben die Schwester der Sektionschefin, und Herrn Mag. Klein vergeben hat. Diese Vergabe wurde, weil es sich um eine Summe von rund 500 000 S handelte – im Gesamtwerkvertrag war seitens des Ministeriums festgehalten worden, dass ab einer Vergabe von 300 000 S eine Ausschreibung zu erfolgen hat –, auch tatsächlich nach ÖNORM A 2050 ausgeschrieben.

Es gab vier Bewerber. Frau Dr. Sutter und Herr Mag. Klein waren die Best- und auch Billigstbieter. Es wurde von dem Verein "Initiative Qualität" an den Bestbieter vergeben. Der Klarheit halber muss noch einmal gesagt werden, es hat nicht das Ministerium vergeben, sondern dieser Verein. In dem Gesamtwerkvertrag zwischen Sektion und Verein "Initiative Qualität" ist ja auch eine Dokumentationspflicht festgehalten worden, der der Verein nachgekommen ist. Er hat den


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Verlauf des Vergabeverfahrens und den Vorgang, wie man den Bestbieter ermittelt hat, dokumentiert. So weit, so gut.

Was Sie betreffend Evaluierung gesagt haben, dass vielleicht möglicherweise wieder die zurzeit karenzierte Vertragsbedienstete des Ministeriums Frau Dr. Sutter zu dieser Evaluierung kommen könnte, diesbezüglich werde ich dafür Sorge tragen, dass nicht sie sozusagen die Evaluierung ihres eigenen Projektes vornehmen wird. Das ist für mich selbstverständlich.

Was Sie bezüglich der beiden Termine eingewendet haben, dass es schon eine Projektbesprechung im Jänner 1999 gegeben habe, die Ausschreibung aber erst im April erfolgt sei und dass es in der ÖNORM A 2050 die Bestimmung gebe, "Unternehmer, die an den Vorarbeiten für eine Ausschreibung unmittelbar oder mittelbar beteiligt waren, sollten nicht in jedem Fall von einer Teilnahme am Wettbewerb um die Leistung ausgeschlossen werden", ist zu sagen, dass mir die Begründung geliefert wurde – es handelt sich hiebei übrigens um Vorgangsweisen, für die ich nicht selbst verantwortlich bin; ich habe um diese Begründung bei der Sektion ersucht –, dass diese beiden Personen besondere Qualifikationen hätten, die die anderen nicht aufzuweisen hätten, nämlich einerseits Frau Dr. Sutter für Qualitätsmanagement, worin sie sich profiliert habe, und andererseits Herr Mag. Klein in der Jugendarbeit, in der er besondere Erfahrungen besäße. Das waren offenbar die Gründe dafür, warum man trotzdem an diese beiden Personen vergeben hat. (Abg. Jäger: Ich kenne mich noch nicht aus! Das ist jetzt noch ganz unklar!)

Was den Vorwurf anlangt, dass Personen, die mit hohen Beamten des Ministeriums verwandt sind, also Familienangehörige, keine Projekte des Ministeriums bekommen dürften, so kann ich dazu nur das bestätigen, was ich bereits in der Anfragebeantwortung gesagt habe, nämlich dass in den Vergaberichtlinien des Ministeriums für soziale Sicherheit und Generationen keine Bestimmung besteht, dass Familienangehörige von Beamten sich nicht auch an Bewerbungen um Projekte beteiligen könnten. Es gibt dafür auch keinerlei gesetzliche Grundlagen. Meiner Meinung nach wäre das unter Umständen ein Eingriff in die Erwerbsfreiheit.

Dazu darf noch angeführt werden, dass die Administrierbarkeit einer solchen Bestimmung, nämlich dass sich Verwandte von Beamten nicht an Ausschreibungen beteiligen dürften (Zwischenruf des Abg. Öllinger.  – Ruf bei den Grünen: Schlag nach bei Bartenstein!), die ein bestimmtes Ministerium durchführt, sehr schwierig wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Das Familienministerium kriegt einen ganz neuen Charakter!)

15.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

15.17

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Uns ist noch einiges unklar. Die heute vorliegende Anfragebeantwortung ist unzureichend und teilweise sogar unseriös ausgeführt, daher gilt es noch einiges zu klären. Der Verein wurde bereits vorgestellt; "Initiative Qualität" wurde ohne vorhergehende Information des Dachverbandes der Jugendorganisationen Österreichs, des Bundesjugendringes, gegründet, was meiner Meinung nach vom Prinzip her untragbar ist.

Die Einbindung der Jugendorganisationen wäre gerade da wichtig gewesen, stattdessen wurden sieben Organisationen von der Katholischen Jungschar bis zu den Pfadfindern ausgewählt. Es wurden 3 Millionen Schilling für diese Initiative budgetiert, obwohl von Ihrem Vorgänger Bundesminister Bartenstein, Frau Ministerin, immer nur zu hören war, für Aktivitäten von Jugendorganisationen sei derzeit aus der freien Jugendförderung kein Geld vorhanden, wobei dies aber nicht für alle Jugendorganisationen gegolten hat. Auch da wurden Unterschiede gemacht. So hat zum Beispiel die Junge ÖVP zusätzlich zu den normalen Förderungen, die die anderen auch erhalten, 100 000 S für ihren Bundestag bekommen. Andere Jugendorganisationen haben sich auch beworben, haben jedoch keine Förderung bekommen, wie zum Beispiel die Sozialistische Jugend und die Aktion kritischer Schülerinnen und Schüler. Wie erklären wir uns das?


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Aber nicht genug damit. Die blau-schwarze Bundesregierung hat gezeigt, wie sie in Zukunft Posten zu besetzen gedenkt. Wir haben es vorher schon gehört: Projektbegleiterin ist die Schwester der zuständigen Sektionschefin. Frau Bundesministerin, Sie haben gesagt, vier hätten sich darum beworben, Ich denke, die anderen drei Bewerber hatten gar nicht die Chance, auch bei den Vorgesprächen dabei zu sein. Im Protokoll scheint auf, dass Frau Dr. Sutter bei den Vorgesprächen dabei war, wo bereits genau die Aufgaben zwischen Herrn Mag. Klein und Frau Dr. Sutter im Rahmen dieser Projektbegleitung aufgeteilt wurden. Das ist etwas seltsam. Die öffentliche Ausschreibung erfolgte, wie gesagt, Monate später.

Das heißt, Frau Dr. Sutter stand von Anfang an als Projektleiterin fest, und immerhin ist sie die Schwester der zuständigen Sektionschefin im Ministerium. Das ist ein bisschen eine schiefe Optik, meine Damen und Herren von der blau-schwarzen Regierungsfraktion! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Parfuss: Nicht nur ein bisschen!) Und offensichtlich ist das Ihre Vorstellung von objektiver Postenvergabe. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. )

Ein wichtiger Punkt, auf den ich in diesem Zusammenhang auch noch hinweisen möchte: Wir SozialdemokratInnen waren schon immer für die Schaffung eines Jugendförderungs- und -vertretungsgesetzes, und am Ende der vergangenen Legislaturperiode ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)  – Am Ende der vergangenen Legislaturperiode haben wir natürlich einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem die Bundesregierung – Sie können das nachlesen – ersucht wird, dass sowohl die verbandliche Jugendförderung und Jugendvertretung als auch die Förderung der offenen Jugendarbeit auf Basis dieses Bundesjugendförderungsgesetzes stattfinden soll.

Dieses Gesetz sollte die verbandliche Jugendarbeit auf eine neue Grundlage stellen. Ich führe jetzt nur zwei Ziele daraus an: erstens Sicherstellung der Basiskosten der verbandlichen Jugendarbeit, und zweitens ist, nach budgetären Möglichkeiten, die Arbeit der verbandlichen Jugendorganisationen sowie des Dachverbandes langfristig sicherzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir warten noch immer auf die Umsetzung dieses hier im Hause beschlossenen Entschließungsantrages. Bisher haben Sie keine Initiative zu diesem Thema entwickelt, stattdessen ist im Regierungsübereinkommen von Blau und Schwarz keine Rede mehr von Jugendförderungen. Das existiert nicht mehr. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn ein Regierungschef junge Menschen pauschal als "sich austobende Internet-Generation" verunglimpft. Das zeigt klar, dass dieser Regierung ganz einfach das Gefühl für junge Menschen und für Jugendpolitik fehlt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Und ohne Gefühl kann man oder "frau" keine Politik für Menschen, auch nicht für Jugendliche machen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

15.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. Gleiche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.22

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek hat gerade zu meiner großen Verwunderung erklärt, dass sich die Sozialdemokraten schon immer zur Schaffung eines bundeseinheitlichen Jugendförderungsgesetzes bekannt haben. – Ich darf Sie aufklären: Der Ring Freiheitlicher Jugend und die Freiheitliche Partei haben seit Jahren die Gesetzwerdung einer solchen Bestimmung verlangt und forciert (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek ), es war jedoch seit Jahren und Jahrzehnten unter der alten Regierung nicht möglich, diesbezüglich eine gesetzliche Basis für die Jugendförderung zu schaffen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.  – Abg. Dr. Mertel: Auf welcher Seite steht das übrigens?)

Hohes Haus! Mit dieser Debatte über eine Anfragebeantwortung und vor allem mit der Beantragung einer Kurzdebatte über dieselbe wird eines wieder ganz klar (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Die Opposition versucht verzweifelt, selbst mit dem Rücken zur Wand stehend, hier zu skandalisieren und dadurch abzulenken. Es geht darum,


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dass keine noch so abstrus zusammengesponnene Geschichte zu schade und zu schlecht ist, um hier die Mitglieder dieser Bundesregierung anzuschwärzen und mit halbseidenen, unterschwelligen Anschuldigungen des Nepotismus zu diffamieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das sind Worte! "Obskur" heißt das Wort!)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wie so oft werden Sie aber auch hier scheitern, denn der Vater Ihrer Gedanken ist Gott sei Dank nur zu offensichtlich. (Abg. Öllinger: Was ist der Vater des Gedanken?) Die Projektvergabe, die stattgefunden hat, war völlig korrekt. Was ist passiert? – Ein eigenständiger Verein wurde gegründet, zusammengesetzt aus verschiedenen Vereinen, aus durchaus angesehenen Vereinen, darunter auch die "Kinderfreunde", Frau Kollegin Heinisch-Hosek (Abg. Heinisch-Hosek: Zum Glück sind sie dabei!), von denen Sie ja wahrscheinlich nicht so weit entfernt sind. Dieser Verein hat sich gebildet und hat um Projektförderung für ein sinnvolles Projekt angesucht, nämlich die Qualitätsentwicklung in der Jugendarbeit.

Das Ministerium hat das geprüft, hat das für sinnvoll erachtet, und es hat gewisse Auflagen erteilt: Es müsse ein verwertbares Ergebnis herauskommen, und eine Ausschreibung gemäß ÖNORM 2050 sei vorzunehmen. Außerdem wurde die zweckgewidmete Verwendung durch eine nachträgliche Überprüfung sichergestellt. An dieser Vorgangsweise ist nichts auszusetzen.

In weiterer Folge haben sich dann der Herr Bundesminister und auch das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie in keinster Weise in die Entscheidung des Vereins eingemischt. Der Verein hat eine Ausschreibung gemäß der vorhin genannten ÖNORM 2050 vorgenommen. (Abg. Öllinger: Zu spät! Da ist alles schon gelaufen!) Das heißt, er hat ordnungsgemäß ausgeschrieben, er hat die fristgerecht eingelangten Bewerbungen geprüft, und er hat anschließend den entsprechenden Zuschlag erteilt – und das ausschließlich als Entscheidung des Vereins und unter keinerlei Einmischung des Ministeriums! (Abg. Öllinger: Da war alles schon vorbei! Sie müssen die Unterlagen studieren! Auch ein Freiheitlicher muss lesen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der grünen Fraktion! Die Zusammenhänge, die Sie hier zu konstruieren versuchen, den Skandal, den Sie hier aufzubauschen versuchen, gibt es nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ganz im Gegenteil! Diese Vorgangsweise, nämlich das Ansuchen um Projektförderung, die Prüfung durch das Ministerium, der Zuschlag, die widmungsgemäße Durchführung und die nachgehende Kontrolle der widmungsgemäßen Verwendung dieser Gelder, ist genau jene Vorgangsweise, die als Normalfall zu wünschen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum diese Vorgangsweise wünschenswert ist: Damit wird nämlich sinnvolle und konkrete Jugendarbeit gefördert. Das ist eben bei der anderen Art der Förderung, bei der Förderung durch den Bundesjugendplan nicht der Fall. Da wird ein abstruses Gebilde, nämlich der Bundesjugendring, subventioniert, da werden Gelder willkürlich verteilt, da wird die jahrelange Praxis der Ausgrenzung geübt, bei der Vereine des Bundesjugendringes Fördermittel in Millionenhöhe bekommen. Und nur jene Organisationen bekommen diesen Zugang, die dem Bundesjugendring genehm sind, nämlich die linken Vorfeldorganisationen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Der Freiheitlichen Jugend, der Vorfeldorganisation einer ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (fortsetzend): Mittel für die Freiheitliche Jugend wurden abgelehnt.

Sie haben Angst vor leistungsorientierter Jugendarbeit. Das ist der Grund dafür, warum Sie hier zu skandalisieren versuchen! Das ist Fundamentalopposition, und das lehnen wir ab! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Bravo! Das richtige Manuskript das nächste Mal!)

15.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Gleiche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.27

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich rede relativ leicht zu diesem Thema, weil ich persönlich immer


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Vorbehalte gegen diesen Verein hatte, der eine Evaluierung von Jugendorganisationen vornehmen soll. Das ist es aber auch schon, denn eines möchte ich hier schon sehr deutlich sagen: Nur weil man sozusagen der Auffassung ist, dass Evaluierung von Jugendarbeit anders passieren soll, als sich das etwa jener Verein überlegt hat und wie es dann in Form eines Projektes eben von Seiten des verantwortlichen Jugendministeriums genehmigt worden ist, dass das schon ein Skandal sein soll, das überrascht mich doch sehr. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie haben nicht aufgepasst!)

Schauen Sie sich einmal an, welche Jugendorganisationen sich zusammengefunden haben, um diese Evaluierung vorzunehmen. Das sind solche, die auch einen entsprechenden Input bringen können! Die Leute, die dort aktiv sind, haben natürlich auch eine Ahnung davon, wie Jugendarbeit passiert. Dort dabei sind die Österreichische Alpenvereinsjugend, die Evangelische Jugend Österreich, die Österreichischen Kinderfreunde, die Österreichische Landjugend, die Pfadfinderinnen und Pfadfinder Österreichs, die Katholische Jungschar Österreichs und die Katholische Jugend Österreich. Das sind jene Jugendorganisationen, die sich zusammengefunden und gesagt haben, wir gründen gemeinsam ein Projekt, wir gründen den Verein, diese "Initiative Qualität", und wir wollen in Hinkunft Jugendarbeit evaluieren.

Ich möchte ausdrücklich in Kenntnis beider Personen, die hiebei die Projektverantwortlichen geworden sind, nämlich Frau Dr. Sutter und Herr Mag. Klein, sagen, dass sie beide hervorragende Referenzen für eine solche Tätigkeit haben. Das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit einmal sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass wir uns sehr gründlich über die Frage der Jugendförderung unterhalten sollen. Es geht auf unsere Initiative zurück, dass wir am Ende der vergangenen Legislaturperiode – Sie wissen, wir haben extra ein Jugend-Volksbegehren durchgeführt – eine bundesweite Unterschriftenaktion abgehalten haben, bei der wir versucht haben, die Rechte für junge Leute stärker voranzutreiben. Sie (in Richtung der Abg. Heinisch-Hosek) wissen gar nicht, was das für ein Kampf war, weil Sie nicht im Ausschuss waren, der damals getagt hat, um die Jugendförderung entsprechend unterzubringen und einen Entschließungsantrag zu verabschieden. (Abg. Dr. Mertel: Welche Seite?)

Wir werden Ihnen in dieser Legislaturperiode ein Jugendförderungsgesetz vorlegen, ein Jugendförderungsgesetz, das eine faire Jugendförderung vorsieht, und zwar eine Jugendförderung, die klar trennt zwischen dem, was verbandliche Jugendarbeit ist, und dem, was freie Jugendarbeit ist. Das ist heute nicht so klar getrennt. Sie versuchen, hier zu unterstellen, die Junge ÖVP hätte für ihren Bundestag 100 000 S aus der freien Jugendförderung bekommen. Das ist richtig, aber freie Jugendförderung bedeutet nicht, dass nur freie Jugendarbeit gefördert werden darf. Lesen Sie sich bitte genau die Richtlinien dazu durch! (Abg. Heinisch-Hosek: Wieso hat die Sozialistische Jugend nichts bekommen? Das ist ungerecht!) Freie Jugendförderung bedeutet, dass diese Mittel nicht über den Österreichischen Bundesjugendring vergeben werden, sondern eben frei von Seiten des Bundesministeriums vergeben werden. Ich lasse mich da überhaupt nicht kriminalisieren. Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben ordnungsgemäß angesucht. (Abg. Heinisch-Hosek: Wir auch!) Wir haben eine Genehmigung bekommen. Wir haben ordnungsgemäß abgerechnet. Wir werden vom Rechnungshof und vom Jugendministerium geprüft. Das hat alles seine Richtigkeit. Hören Sie auf, hier zu kriminalisieren! Das ist wirklich nicht notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir uns mit der Frage der Jugendförderung beschäftigen, dann müssen wir, wenn wir eine Unterscheidung in einem vorzulegenden Gesetz treffen, unterscheiden zwischen dem, was verbandliche Jugendarbeit ist, und dem, was freie Jugendarbeit ist. Das Wesen der verbandlichen Jugendarbeit ist, dass sich Jugendliche in irgendeiner Form in einem Verband zusammenschließen. Dass die Struktur eine Grundlage für die Förderung sein muss, das heißt, wie viele Mitglieder oder wie viele Ortsgruppen etwa eine solche Jugendorganisation hat, liegt auf der Hand. Ihr Problem ist – und deshalb haben Sie sich immer dagegen gewehrt –, dass Ihre Struktur insbesondere im ländlichen Raum sehr, sehr schwach ist. Deshalb haben Sie mit einer


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derartigen Förderung keine Freude – und die Grünen schon überhaupt nicht! Sie haben im letzten Jahr von Seiten Ihrer Jugendorganisation nicht einmal um Unterstützung angesucht, aber bei uns kritisieren Sie es. Bei uns geschieht eben etwas in puncto Jugendarbeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: So viel Papier für 5 Minuten?)

15.32

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das war schon eine merkwürdige Rede des Kollegen Amon, der uns hier völlig neue Interpretationen der freien Jugendförderung gegeben hat. Die "arme" ÖVP-Jugend muss sich, da sie wirklich so arm ist und von ihrer Mutterpartei zu wenig Geld erhält – Parteienförderung –, über die politische Bildung so wenig Geld erhält – Parteienförderung – und aus dem Bundesjugendring so wenig Geld erhält, als Jugendorganisation auch noch bei den tatsächlich sehr knapp bemessenen Mitteln für die freie Jugendförderung ein bisschen bedienen: da 20 000 S für die Renovierung eines Hauses, dort 50 000 S. Und so ein Bundestag der Jungen ÖVP kostet eben etwas, weil man ja repräsentieren will, also 100 000 S.

Herr Kollege Amon! Es gibt viele Jugendorganisationen, Jugendgruppen, entwicklungspolitisch organisierte Gruppen, die alle momentan mit Kürzungen zu kämpfen haben. Das sind in erster Linie die Jugendlichen am Land – durchaus auch in katholischen, evangelischen und sonstigen Verbänden und Vereinen, denen überall das Geld gestrichen wurde. Nur der Jungen ÖVP wird nichts gestrichen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Amon! Es ist wohl ein sehr freier Begriff von freier Jugendförderung, wenn auch die Ausstellung "Die Welt der Mönche" mit 100 000 S gefördert wird. Das ist ein sehr freier Begriff. Vielleicht will man da den jungen Menschen das Mönchstum näher bringen. Wenn man sich unter Jugendförderung vorstellt, dass damit Jugendliche gefördert werden sollen, würde ich meinen, damit hat das relativ wenig zu tun. Aber vielleicht waren damit nur verbilligte Eintrittskarten für Jugendliche gemeint.

Trotzdem, Herr Kollege Amon, Sie haben das Thema auch bei der eigentlichen Besprechung dieser Anfragebeantwortung verfehlt. Ich halte noch einmal fest – und das ist der Punkt; versuchen Sie, diesem Gedanken zu folgen (Zwischenruf des Abg. Großruck )  –: Frage 1.1 lautet:

"Wenn ja, seit wann ist dem Bundesministerium im Zusammenhang mit diesem Projekt diese familiäre Beziehung bekannt?"

Die Antwort darauf lautet: "Ab dem Zeitpunkt, als der Verein ,Initiative Qualität‘ dem ehemaligen BMUJF mitteilte, dass Frau Dr. Andrea Sutter den Subauftrag erhielt."

Man möchte meinen, das ist der Zeitpunkt, ab dem das Projekt ausgeschrieben beziehungsweise die Ausschreibung beendet wurde. Da das Projekt am 19. April ausgeschrieben wurde, kann es rein kalendarisch nicht so sein, dass schon vorher – Monate vorher! – als verantwortliche Projektbeauftragte Frau Andrea Sutter und Herr Christian Klein eingesetzt wurden. Das geht nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Großruck und Dr. Mitterlehner. )

Da gibt es ein Problem mit den Daten. Im April wurde für ein Projekt ausgeschrieben, bei dem die Projektverantwortlichen schon im Jänner installiert worden sind – im Jänner! Im April wurde ausgeschrieben. Das wird jedoch nicht zur Kenntnis genommen, Frau Bundesministerin, auch von Ihnen nicht. Das wird nicht zur Kenntnis genommen! Damit habe ich ein Problem, vor allem deswegen, weil schon im Jänner nicht nur die Projektbeauftragten, die dann erst im April per Ausschreibung gefunden wurden, dabeigesessen sind, sondern schon im Jänner auch die verantwortliche Sektionschefin von Seiten des Ministeriums als Ansprechpartnerin namhaft gemacht wurde.


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Da saß also schon im Jänner die Frau Sektionschefin dabei – zusammen mit ihrer Schwester – und hat sich zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch niemandem gegenüber verpflichtet gefühlt mitzuteilen, dass das ihre Schwester ist, die als Projektbeauftragte dabei ist. Deshalb, meine Damen und Herren, stelle ich folgenden Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde

Die unterfertigten Abgeordneten beantragen, die Anfragebeantwortung (462/AB) der Anfrage 407/J nicht zur Kenntnis zu nehmen.

*****

Es gibt Grenzen dessen, was wir bereit sind, in Anfragebeantwortungen – und seien es nur kalendarische Verirrungen – zur Kenntnis zu nehmen und uns erklären zu lassen. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, dass die eine die Schwester der anderen ist. Nein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der vom Abgeordneten Öllinger eingebrachte Antrag auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung liegt schriftlich vor.

Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

15.38

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich ersuche nach § 66 Abs. 3. der Geschäftsordnung um Auszählung der Stimmen.

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Diesem Verlangen ist stattzugeben. Wenn Sie, Frau Dr. Janistyn, bei der Abstimmung die Pro-Stimmen zählen, zähle ich die Kontra-Stimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag stimmen, um ein Zeichen. (Die Pro- und Kontra-Stimmen werden ausgezählt. – Unruhe im Saal, da Abgeordnete den Sitzungssaal betreten wollen. – Rufe: Draußen bleiben!)

Die Abstimmung hat ergeben: 70 Pro-Stimmen, 65 Kontra-Stimmen. Damit ist der Antrag angenommen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nunmehr zur Durchführung einer weiteren kurzen Debatte. Diese betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Jarolim, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 127/A der Abgeordneten Mag. Posch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, eine Frist bis zum 1. Juli 2000 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass der Erstredner eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung hat, alle anderen Redner eine Redezeit von 5 Minuten. Ein zu Wort gemeldetes Regierungsmitglied hat eine Redezeit von nicht mehr als 10 Minuten.


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Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

15.41

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anlassfall für den Antrag, hinsichtlich dessen wir eine Fristsetzung beantragt haben, sind die unglaubliche und beschämende Vorgangsweise, die Vorfälle, die beispiellose Hetze rund um Superintendentin Knoll, die in einer erschreckenden Art und Weise dargelegt haben, dass hier in diesem Land offenbar ein Klima einreißt, das wir so nicht hinnehmen dürfen. Es ist, glaube ich, eine Aufgabe dieses gesamten Hauses, dem gegenzusteuern.

Wir haben daher einen Antrag eingebracht, der sich mit Verhetzung auseinandersetzt und der dem Umstand gerecht wird, dass es vielfach Versuche gibt, strafrechtlich verbotene Verhetzungen gegen Gruppen dadurch zu umgehen, dass gegen deren Spitzen gehetzt wird.

Wir haben im Rahmen der Diskussion um Knoll bedauerlicherweise auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass von dem einen oder anderen Abgeordneten dieses Hauses von den Regierungsparteien, insbesondere von der FPÖ – seitens der ÖVP ist mir eigentlich wissentlich niemand bekannt –, durchaus Verständnis, teilweise auch Sympathien für diese Kampagne gegen Knoll, diese Hetzkampagne, geäußert wurden.

Es war das eine Kampagne, die sich letztlich nicht nur gegen Knoll, sondern auch gegen deren Familie, gegen deren Kinder gerichtet hat. Sie alle haben den Medien entnehmen können (Unruhe bei den Freiheitlichen und der ÖVP)  – auch wenn Sie jetzt hier so tun, als interessierte Sie das alles nicht, was auch für sich spricht; das möchte ich auch bei dieser Gelegenheit sagen (Beifall bei der SPÖ – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen)  –, Sie alle haben gesehen, dass letztlich auch die Kinder der Superintendentin unter Polizeischutz gestellt werden mussten. Man kann das ignorieren und sagen: Das ist etwas, was uns nicht interessiert. Wir gehen davon aus, dass es der Würde dieses Hauses entspricht, dass es uns nicht interessiert, zum Schutz der Kinder etwas zu tun, sofern sie mit jemandem verwandt sind, der politisch andersgläubig ist und der sich die Freiheit nimmt – und nichts anderes war es im gegenständlichen Fall –, seine Stimme zum Schutz von Minderheiten zu erheben! – Das ist das, was Sie Knoll vorgeworfen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

Da der Herr Bundespräsident offensichtlich eine Ahnung hatte, dass es mit Mitgliedern, mit Repräsentanten der Freiheitlichen Partei in dieser Richtung gewisse Probleme geben könnte, hat er verfügt, hat er angeordnet oder letztlich ersucht – wie auch immer; es ist, glaube ich, sekundär, welch formaler Schritt es war –, dass eine Maßnahme gesetzt wird, dass die Präambel unterschrieben wird, in der ausdrücklich steht, dass genau derartige Vorgänge von der Regierung zurückgewiesen werden. Eine Präambel, mit der eine Erklärung abgegeben wird, in der man sich verpflichtet, Maßnahmen zu setzen, um genau das zu verhindern.

Ich frage mich allerdings: Wie ernst ist diese Präambel zu nehmen, wenn wir mit Situationen, mit Verhaltensweisen wie damals konfrontiert werden? (Abg. Dr. Martin Graf: Kollege Jarolim! Sie nimmt eh keiner mehr ernst! Da haben Sie Recht!) – Herr Kollege Graf! Ich glaube, diese Ihre Erklärung ist eine von jenen, die es nicht notwendig machen, darauf zu antworten, weil sie selbst eine Aussage ist (Beifall bei der SPÖ und den Grünen – Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf ), und zwar keine, auf die wir hier im Hohen Haus stolz sein können, und auch keine ... (Abg. Dr. Martin Graf: Der Hass schaut Ihnen aus den Augen!)  – Es ist nicht Hass, es ist einfach Betroffenheit, Herr Kollege. Wenn Sie meinen, es sei Hass notwendig, um für hilflose Kinder hier einzutreten, dann zeugt das von einer Denkweise, die mich einmal mehr erschrecken lässt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich weiß nicht, wie wir uns weiterentwickeln, aber ich denke – damit appelliere ich hier eigentlich an die Damen und Herren von der ÖVP –, dass wir geeignete Schritte suchen müssten, um mit der Situation, in der wir uns derzeit befinden – das meine ich sowohl hinsichtlich des Inlandes als auch des Auslandes –, effektiv umzugehen.


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Ich kann es Ihnen, meine Damen und Herren von der FPÖ, in diesem Zusammenhang, weil wir hier von Verhetzung sprechen, nicht ersparen, zu sagen, worin die auch von uns in der ursprünglichen Form nicht akzeptierten Verhaltensweisen einzelner Regierungen tatsächlich die Grundlage hatten.

Ich habe heute schon einmal vorgelesen, was Haider erklärt hat, welches politische Programm Haider zu seinem gemacht hat und wozu das letztlich auch geführt hat – zu der gewissen Verrohung im Umgang miteinander sowohl hier im Haus als auch außerhalb des Hauses. (Abg. Dr. Martin Graf: Daran sind Sie schuld!) Das sind Dinge, die wir nicht akzeptieren sollten, sondern wir sollten Vorbild für die Bevölkerung sein.

Ich rufe Ihnen ins Gedächtnis, was Ihr ehemaliger Parteiobmann hier erklärt hat, um vielleicht aus dieser Sicht zu verstehen, dass es außerhalb Österreichs Personen gibt, die nicht haben wollen, dass derartige Personen maßgeblichen Einfluss in Österreich haben (Beifall bei der SPÖ), die nicht haben wollen, dass es in Europa ein Land gibt, in dem derartige Personen das Sagen haben, genauso wenig wie wir haben wollen, dass in anderen Ländern Europas solche Personen entscheidende Funktionen innehaben. (Abg. Dr. Martin Graf: Was unternehmen Sie dagegen?) – Ich kann leider Gottes nur wenig unternehmen. Sie können alles unternehmen, und teilweise kann die ÖVP etwas unternehmen. Aber der Vorwurf, dass nichts gemacht wird, ist hauptsächlich an Sie zu richten; das steht, glaube ich, völlig außer Streit. (Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie schon einmal etwas vom Wähler gehört? – Abg. Dr. Martin Graf: Akzeptieren Sie demokratische Wahlen! Wahlergebnisse!) Ich glaube auch, dass in der Zwischenzeit auf Grund der Entgleisungen der letzten Zeit jeder in der Bevölkerung zur Kenntnis nehmen musste, was sich eigentlich abspielt. Ich bezweifle, dass das tatsächlich etwas ist, was irgendjemand außer Ihnen in diesem Land will! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Akzeptieren Sie noch Wahlergebnisse? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Haider sagt – auch schon mehrfach zitiert; Sie können es nicht vergessen machen –: "Wer sich von der politischen Linie absentiert, muss gehen, da muss man Härte zeigen. Ich erwarte auch von keinem, dass er mir die Hand reicht, wenn ich unten liege." – Der Inbegriff der Menschlichkeit! Macht das nicht vieles dessen, was in der Zwischenzeit, in der letzten Zeit tatsächlich geschehen ist, erklärbar, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen? – Nein, anscheinend lernen Sie nicht.

Weiters: "Die heutige Form des Zusammenlebens ist denaturiert. Das ist kein Ideal im nationalen Sinn. Partnerschaft besteht aus dem führenden und dem dienenden Teil. So ist das." – Meine Damen und Herren! Das ist unerträglich. Es ist nicht erträglich, dass Personen, die so etwas sagen, Personen, die SS-Veteranen als Vorbilder bezeichnen, in diesem Land eine Entscheidungsträgerfunktion bekleiden, sei es als Parteiobmann oder als Landeshauptmann. Bitte, begreifen Sie das! (Abg. Ing. Westenthaler: Eine Funktion, die Sie nie haben werden! – Abg. Dr. Martin Graf: Nehmen Sie das Ergebnis von Wahlen zur Kenntnis!) Das verursacht einen der größten Schäden Österreichs, und das hat letztlich auch dazu geführt, dass wir in einer Situation sind, auf die wir nicht stolz sein können.

Wir alle sollten gemeinsam versuchen, aus dieser Situation herauszukommen, nur: Auf Grund dessen, wie Sie sich heute hier erklären (Abg. Dr. Martin Graf: In der Demokratie entscheidet die Mehrheit! – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl ), wie Sie in der Vergangenheit agiert haben, wie Sie in vielen Zwischenrufen hier zeigen, was Sie von Andersdenkenden halten, sehe ich keine Möglichkeit dafür, dass wir eine echte Chance haben, aus dieser Misere herauszukommen. Und das bedauere ich zutiefst. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat gestern eine Rede an die Nation gehalten. (Rufe bei der ÖVP: Eine ausgezeichnete Rede!) Dabei hat er quasi im ersten Stock von christlichen Werten gesprochen – laut "Standard" war sogar von der "Umsetzung der Bergpredigt" die Rede. Zur gleichen Zeit – das zeigt die Polarität dieser Regierung, die ich nicht weiter werten möchte – präsentierte zu ebener Erde Jörg Haider in Kärnten Vorschläge, die ein massiver Schlag gegen die Demokratie und nach Ansicht vieler auch ein Schritt in Richtung Diktatur sind. Es ist das nur der Beginn, aber eine Denkweise in die ganz klare Richtung einer


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autoritativen Haltung. (Rufe: Autoritär! – Abg. Ing. Westenthaler: Es heißt "autoritär" nicht "autoritativ"! Was ist das eigentlich?) Autoritär.

Ich kann den Herrn Bundeskanzler nur ersuchen – er hat in letzter Zeit aus Gründen, die mir auch verständlich sind, oft geschwiegen, weil er diese Regierung erhalten will, aber das ist, glaube ich, ein Punkt, wo man nicht mehr schweigen kann –, dazu etwas zu sagen.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Das, was Sie in letzter Zeit gezeigt haben, zeigt, glaube ich, dass der Grundwert der Demokratie in vielen Bereichen mehr gefährdet ist, als viele in diesem Lande glauben. Dagegen sollten wir etwas unternehmen, und zwar gemeinsam. Dazu rufe ich Sie auf! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wenn wir nicht gewählt werden, ist die Demokratie in Frage gestellt! – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

15.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass das eine harte Debatte ist, aber was soll ich mit dem Satz: "Der Hass schaut Ihnen aus den Augen!"? (Abg. Dr. Martin Graf: Es ist ja so!)  – Diese persönlichen Angriffe müssen doch nicht sein! (Abg. Dr. Martin Graf: Was war das? – Weitere Zwischenrufe.)

Vielleicht empfinde ich das anders, ich lasse mich auch, ehrlich gesagt, auf keine Diskussion ein. Ich habe überlegt, wie ich reagieren soll. Ich erteile keinen Ordnungsruf, aber ich meine, wenn ein Abgeordneter zu einem anderen den Satz sagt: "Der Hass schaut Ihnen aus den Augen!", so ist das ein Beitrag zur Eskalation; ich kann mir nicht helfen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte. (Abg. Dr. Kostelka: Jetzt kommt die Toleranz! – Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Er schaut mich an, und ich fürchte mich, da darf ich das doch noch sagen!)

15.52

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Sätze: Erstens: Die Freiheitlichen werden dem Fristsetzungsantrag zustimmen (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Demokratie!), was umso verständlicher ist, als er auf einen Fristablauf hinzielt, der nach dem Tag liegt, an dem diese Sache ohnehin im Justizausschuss behandelt werden wird. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zweitens – anknüpfend an die Darstellungen meines unmittelbaren Vorredners –: Es ist keine Majestätsbeleidigung, wenn eine politische Partei, nachdem sie 30 Jahre lang den Bundeskanzler gestellt hat, aus der Regierung fliegt; auch dann nicht, wenn es die Sozialdemokratische Partei Österreichs ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Drittens: Politische Kritik darf nicht mit Verhetzung verwechselt werden, und zwar weder mit Verhetzung im landläufigen noch mit Verhetzung im strafrechtlichen Sinne. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Habt ihr das verstanden?)

15.53

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Ofner hat angeführt, dass dieser Fristsetzungsantrag irgendwie nur heiße Luft ist, und zwar deshalb, weil bereits vorige Woche in der Präsidialkonferenz dieser Antrag auf die Tagesordnung des Justizausschusses am 24. Mai gestellt wurde. Dass wir dann heute einen Fristsetzungsantrag brauchen, verstehe ich eigentlich nicht wirklich. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der Terminplan Jarolim! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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25. Sitzung / Seite 103

Ob dieser Antrag geeignet ist, möchte ich dahingestellt lassen, um der Debatte nicht grundsätzlich vorzugreifen, aber es geht dabei anlassbezogen um die Angriffe gegen die Frau Superintendentin. Es ist mir nicht wohl dabei, wenn der Justizausschuss anlassbezogene Gesetzgebung macht. Ich lehne das in jedem Fall ab!

Gerade dieses heikle Thema aber war uns schon so viel wert, dass wir darüber im Justizausschuss sachlich diskutieren. Es ist aber so, dass kirchliche Würdenträger vor Angriffen bereits jetzt im Gesetz sehr intensiv geschützt sind: Einerseits sind Beleidigungen ein Offizialdelikt nach § 117 Abs. 2 Strafgesetzbuch, das heißt, die Frau Superintendentin muss sich nicht primär selbst wehren, sondern der Staatsanwalt greift, wenn er Verdachtsmomente hat, ein, andererseits sind kirchliche Würdenträger auch geschützt, wenn die Gruppe gemeint ist und nicht eine Person allein.

Wenn es sich um eine Verhetzung handelt, mit der man gar nicht eine Person, nämlich den Würdenträger, treffen will, sondern die ganze Gruppe meint, dann ist heute bereits nach geltender Lehre § 283 anwendbar. Daher ist, wie ich meine, diese Eile nicht geboten, aber da das Thema wichtig ist, haben wir es bereits auf den Terminplan des Justizausschusses genommen.

Ich bitte daher die Opposition, vor dem Einbringen von Fristsetzungsanträgen doch ein bisschen sorgfältiger zu prüfen, was derzeit im Parlament alles läuft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.56

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Harald Ofner hat seine Rede mit dem Satz beendet: "Politische Kritik darf nicht mit Verhetzung verwechselt werden". – Wie wahr, Herr Kollege Ofner! Genau darum geht es!

Frau Superintendentin Knoll hat sich – um jetzt bei dem Fall zu bleiben, der mehrfach zitiert wurde – in ihrer Eigenschaft als Bürgerin dieses Landes, aber auch in ihrer Funktion als kirchliche Würdenträgerin – die Meinung, die ein Mensch hat, ist ja nicht teilbar – erlaubt, Kritik zu üben – ich füge hinzu: auch politische Kritik – an den Zuständen in diesem Land, an den politischen Zuständen in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und was war die Reaktion der Freiheitlichen Partei? – Eine Hetzkampagne in einem Ausmaß und in einer Beispiellosigkeit, die bisher unbekannt war! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Art und Weise, wie Freiheitliche auf Kritik, auf politische Kritik in diesem Land reagieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie tragen auch zur "Deeskalation" bei! "Hetzkampagne"!) Darum: Hundertmal ja zu deinem Satz, Harald Ofner: "Politische Kritik darf nicht mit Verhetzung verwechselt werden." (Beifall bei den Grünen.) Nur: Wenn das ein Freiheitlicher sagt, noch dazu ein hoher Funktionsträger der Freiheitlichen Partei, einer, der in dieser Partei ziemlich weit vorne sitzt, ein ehemaliger Justizminister der Republik, dann ist das alles schon sehr bedenklich, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das die einzige Stellungnahme ist.

Frau Dr. Fekter – jetzt komme ich auf die Vorsitzende des Justizausschusses, Frau Dr. Fekter, zu sprechen –, ja, es stimmt, dieser Antrag steht auf der Tagesordnung der Sitzung des Justizausschusses von nächster Woche. Ich habe es auch im Präsidialprotokoll gelesen. Aber es steht auch dabei: Es wird beabsichtigt, die Materie einem Unterausschuss zuzuweisen. – Einem Unterausschuss mit anderen Materien, die zwar auch das Strafrecht, aber inhaltlich ganz andere Dinge betreffen.

Nach sicher nicht parteiischer Interpretation des Präsidialprotokolls heißt das nichts anderes als: Schieben wir das auf die lange Bank, so haben wir es aus der Diskussion, können uns aber dem


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Vorwurf der Opposition entziehen, nicht darüber zu reden. – Das ist es! Das ist die Wahrheit, die man hier auch sagen darf. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Jarolim. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie es die beiden Regierungsparteien und insbesondere die Regierung mit der Toleranz, mit dem Respekt, mit dem Verständnis für alle Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung halten (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner )  – ich habe jetzt aus der Präambel zitiert, die von Haider und Schüssel, jetzt auch von Riess-Passer unterschrieben und vom Herrn Bundespräsidenten vorgelegt wurde –, haben wir ja am Beispiel Knoll erlebt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wie es der Herr Bundeskanzler damit hält, das wissen wir: Er schweigt! Er schweigt seit Wochen, ja er schweigt seit Monaten. Nichts höre ich von dem die Bergpredigt zitierenden – wenn es gerade passt – Bundeskanzler, wenn verhetzt wird, wenn gehetzt wird (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist ungeheuerlich!), wenn Kinder den Schutz der Polizei brauchen, und das unterstützt von der Freiheitlichen Partei und ihren ehemaligen Funktionären. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Unglaublich!) Das ist der Zustand in der Republik! Darüber hat der Herr Bundeskanzler gestern bei seinen salbungsvollen Worten in der Hofburg nicht gesprochen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Soll ich als römisch-katholische Österreicherin, als Christin Ihnen etwas sagen? (Abg. Haigermoser: Ihnen schaut der Hass nicht aus den Augen!)  – Das, was der Herr Bundeskanzler betreibt, ist bigott (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ): auf der einen Seite die Bergpredigt zitieren und auf der anderen Seite totschweigen – nur so kann man das bezeichnen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Es wird hier politische Kritik, auf welche die Reaktion einer rechtsextrem angesiedelten Partei Verhetzung ist, von den anderen totgeschwiegen. (Abg. Aumayr: Das, was Sie machen, ist ein Skandal! – Abg. Dr. Martin Graf: Das, was Sie machen, ist Verhetzung!) Diese Zustände, gepaart mit Ihrer Auffassung von Rechtsstaatlichkeit, sehr geehrter Herr Bundesminister für Justiz, die Sie uns gestern präsentiert haben, sind wahrlich eine gefährliche Drohung für diese Republik (Abg. Haigermoser: Was Sie für eine Republik wollen, das wissen wir: eine Volksrepublik!), und deshalb möchten wir darüber diskutieren – nicht in Unterausschüssen, sondern hier und jetzt. Deshalb stimmen wir der Fristsetzung zu. (Beifall bei den Grünen.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte Kollegen Westenthaler, Kollegen Khol, Kollegen Kostelka und die Vertreterin der Grünen, kurz zu mir zu kommen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 16.02 Uhr unterbrochen und um 16.03 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, aber die Tatsache, dass die Worte "Hass", "verhetzen", "gehetzt" und "Hetzkampagne" in so kurzer Aufeinanderfolge verwendet wurden, hat mich veranlasst, die vier Klubvorsitzenden zu bitten, doch darauf einzuwirken, dass das, was wir uns in der Präsidiale vornehmen, auch realisiert wird. Alle vier haben das zugesagt, und das genügt mir einstweilen. Ich hoffe, es wirkt auch.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl. – Dann haben wir eine Abstimmung. – Bitte.

16.04

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Fristsetzungsantrag ist sehr wohl sinnvoll, weil er gewährleisten soll, dass der Antrag ins Plenum kommt und nicht auf die lange Bank geschoben wird.


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Wir diskutieren in dieser Debatte über den Verhetzungs-Paragraphen, und gleichzeitig gibt es einen Vorschlag des Kärntner Landeshauptmannes, der darauf hinausläuft, dass gegen politisch Andersdenkende und deren Repräsentanten eine politische Hetze veranstaltet werden soll. (Abg. Aumayr: Schon wieder die "Hetze"!)

Der Landeshauptmann von Kärnten ... (Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer schlägt vor Empörung mehrmals heftig mit der flachen Hand auf den Tisch.) – Noch, meine Damen und Herren, haben wir das freie Wort in diesem Haus. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Schon wieder "Hetze"! Jetzt haben wir gerade besprochen, ...! – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der Landeshauptmann von Kärnten will also definieren, wer Feind des Volkes ist; und seine Antwort ist klar: Fälle für eine Strafverfolgung sollen all jene sein, die Herrn Haider und Konsorten nicht zu Gesicht stehen. (Abg. Haigermoser: "Konsorten"!) Strafbar sollen sich in Zukunft jene machen, die sich kritische Gedanken erlauben und diese aussprechen. Strafbar sollen sich in Zukunft all jene machen, die keine geschlossene, sondern eine aufgeschlossene Gesellschaft wollen. Strafbar sollen sich in Zukunft jene machen, die den Mund aufmachen und eine offene Demokratie wollen, in der eine eigene Meinung gewünscht und nicht bestraft wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sicher nicht in der Sozialistischen Partei!)

Wir stehen für eine offene Demokratie, und wir waren von Anfang an besorgt über die Art, wie diese Koalition Politik macht. Unsere schlimmsten Befürchtungen sind übertroffen worden. (Abg. Ellmauer: Welche Befürchtungen?) Unsere Warnung lautet: Blau-schwarz gefährdet Demokratie und Meinungsfreiheit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nach dem Sozialabbau kommt nun der Freiheitsabbau. Dass sich der Justizminister der Republik zu einem Erfüllungsgehilfen von Jörg Haider machen lässt und als Beiwagerl bei öffentlichen Auftritten fungiert, passt ins Bild. (Rufe bei den Freiheitlichen: "Erfüllungsgehilfe!) Wir haben davor gewarnt, dass der Parteianwalt der FPÖ auch als Justizminister Parteipolitik machen wird. Und wissen Sie, wie es wirklich ist? – Genau so! (Beifall bei der SPÖ.) Der Parteianwalt der FPÖ vollzieht brav und sofort und hält die Idee von Sanktionen gegen Volksvertreter für "verfolgenswert".

"Verfolgenswert", das ist ein zentraler Begriff, und er ist entlarvend für das Ziel, das dahinter steht. Es geht um die Menschen, die die FPÖ für "verfolgenswert" hält. Jetzt wird noch mit dem Feindbild Politiker gearbeitet, aber ich frage: Wer kommt als Nächster dran? Wer ist als Nächster verfolgenswert? Der Student, der sich traut, gegen die unsoziale Politik der Koalition auf die Straße zu gehen? (Abg. Fischl: Sie haben einen Verfolgungswahn!) Der Künstler oder Intellektuelle, der Recht hat, wenn er beklagt, dass diese Koalition die Zivilgesellschaft, die Freiraum braucht, in akute Atemnot versetzt?

Herr Justizminister! Ich frage Sie: Wen nehmen Sie sich als Nächsten vor, wenn der Auftrag des Kärntner Landeshauptmannes kommt? (Abg. Dr. Krüger: Unglaublich! – Beifall bei der SPÖ.)

Seit gestern ist es endgültig klar: Sie verstehen sich zuallererst als Diener Ihres Herrn, und das macht Sie als Minister untragbar. (Abg. Dr. Ofner: Alle Abgeordneten sind gleich, aber manche sind "gleicher"!)

Bei dieser Politik macht die ÖVP leider mit, und sie ist sprachlos – aber nicht aus Angst um die Zukunft der Demokratie, sondern aus Angst um den Kanzlersessel. Der Bundeskanzler verliert gerne Leerformeln über die Lage der Nation, aber er schweigt, wenn es um die Zukunft Österreichs geht.

Der Bundeskanzler ist wortreich, wenn er den Österreichern Belastungspakete als Reformen verkaufen will, aber er schweigt, wenn Haider die Demokratie zerstören will. (Abg. Dr. Martin Graf: Unglaublich, was Sie da sagen! – Weitere Zwischenrufe.) Ich fordere den Bundeskanzler auf, das zu finden, was Blau-Schwarz offensichtlich mündigen Bürgern verbieten wollen: ein offenes Wort. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Rosemarie Bauer: Was hat der Bundeskanzler damit zu tun?)


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Ich erwarte mir aber nicht allzu viel, denn die ÖVP übernimmt – Stichwort: Böcke und Schafe – Sprache und Stil und am Schluss auch die Politik der FPÖ.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Blau-Schwarz denkt in Schwarz-Weiss und teilt das Land in Gut und Böse. Diese Politik (Abg. Dr. Khol: Das war der Schlusssatz! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) werden wir bekämpfen, weil wir wollen, dass die Demokratie lebt. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich möchte den Ausdruck "Haider und Konsorten" scharf zurückweisen! – Ordnungsrufe werde ich dann erteilen, wenn wir in der Präsidiale geklärt haben, wie wir bei den Worten "Stalinisten", "Obervernaderer" et cetera vorgehen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 127/A der Abgeordneten Mag. Posch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, eine Frist bis zum 1. Juli 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Da hättet ihr euch gar nicht so aufregen müssen! – Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Das hätte es bei euch nie gegeben!)

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Beratungsgruppe V: Justiz wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.11

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Die heutigen Justizdebatten sind von der gestrigen Pressekonferenz überlagert. Ich möchte an die Rede der Kollegin Kuntzl anschließen, die die gestrigen Äußerungen dafür verwendet hat, hier die Aussage zu treffen, Blau-Schwarz gefährde die Demokratie.

Meine lieben Kollegen von der Linken! Wir werden Ihnen nicht die Freude machen, dass wir hier Angriffspunkte im Hinblick auf Demokratie liefern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Worum ging es nun gestern, dass so enorm viel Kritik hochgekommen ist. Tatsache ist, dass gestern der Herr Bundesminister und Herr Landeshauptmann Haider darüber diskutiert haben, ob die Verletzung des Gelöbnisses, das wir hier herinnen ablegen, eine Sanktion nach sich ziehen kann beziehungsweise ob überhaupt eine Sanktion gegeben ist, und wenn, welche.

Das Gelöbnis heißt – zur Rekapitulation –: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder Mandatar und jede Mandatarin muss sich gefallen lassen, dass hinterfragt wird, ob sie oder er die Gesetze einhält, eingehalten hat. Es darf aber auch jeder Mandatar und jede Mandatarin das Recht der freien Meinungsäußerung, die Gesinnungsfreiheit und die Freiheit, für politische Interessen einzutreten, für sich in Anspruch nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Dagegen, anlassbezogene Strafgesetzbuchstatbestände neu zu schaffen, habe ich mich gerade bei der vorhergegangenen Debatte, in welcher die Frau Superintendentin so ein Anlass gewesen wäre, ausgesprochen, und ich spreche mich auch jetzt dagegen aus, in einem anderen Fall anlassbezogen einen neuen gesetzlichen Tatbestand einzuführen. Der Justizausschuss ist bekannt dafür, dass er keine Hüftschüsse fabriziert, sondern gesetzliche Vorlagen sowohl wissenschaftlich als auch politisch breit diskutiert und erst nach einer langen Debatte hier diesem Hohen Haus vorlegt.

Wer das hohe Gut der freien Meinungsäußerung einfordert, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll nicht mit zweierlei Maß messen: einerseits die Äußerungen eines erst wenige Wochen im Amt befindlichen Ministers auf die Goldwaage zu legen, andererseits jedoch Äußerungen hier im Parlament relativ deftig zu formulieren oder die Äußerungen eines linken Profis, der schon seit Jahrzehnten im politischen Geschäft ist, im Ausland von ihm gemachte Äußerungen ganz anders zu bewerten und die Goldwaage dabei wegzulegen und alles zu tolerieren, was von ihm gesagt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, aus der Sicht der ÖVP genug zu diesem Thema gesagt zu haben, und wende mich jetzt den Budgetzahlen zu.

Ende der achtziger Jahre, also vor über zehn Jahren, gab es einen gravierenden Unterschied bei den Budgetzahlen zwischen Personalkosten und Sachaufwand. Die Personalkosten waren meistens, im Budget prozentuell gemessen, doppelt so hoch wie der Sachaufwand. Diese Schere ist dann Ende der neunziger Jahre zusammengegangen. Ich begrüße das deshalb, weil damit sichergestellt ist, dass die elektronische Ausstattung, die Ausstattung des Justizressorts, die Ausstattung der Gerichte in den neunziger Jahren entsprechend vorangetrieben wurde.

Im heurigen Budget geht diese Schere zwischen Personalkosten und Sachaufwand wieder mehr auseinander, zwar nur leicht, aber doch merklich. Lassen Sie mich darüber einen Satz verlieren.

Nicht weil wir bei der EDV-Ausstattung gespart hätten, nein, der Sachaufwand verringert sich im Verhältnis zum Personalaufwand deshalb, weil wir bei den sonstigen Ausstattungen die Mittel aus budgetären Gründen gekürzt haben und weil mit dem Bereich Konsumentenschutz doch ein sehr großer Personalstand in das Justizressort gewandert ist.

Es ist also so, dass sich beispielsweise im Zentralbereich der Personalstand auch auf Grund der Übernahme der Kompetenzen für den Konsumentenschutz erhöht und daher die Schere bei der prozentuellen Aufteilung zwischen Sachaufwand und Personalaufwand wieder auseinander driftet – Gott sei Dank nicht zu Lasten der modernen Justizinfrastruktur, der EDV-Ausstattung.

Ich möchte noch ein budgetrelevantes Thema ansprechen, nämlich das der Bezirksgerichtsorganisation. Als Oberösterreicherin, Herr Minister, erlauben Sie mir dazu einige Worte.

Bereits im Jahre 1995 hat der Rechnungshof vorgeschlagen, dass man gewisse Bezirksgerichte, die beispielsweise mit lediglich einer Richterplanstelle oder sogar noch weniger ausgestattet sind, zusammenlegen soll, um dadurch Einsparungen durchzuführen oder eine höhere Effizienz zu erreichen. Ausgenommen davon hat der Rechnungshof bereits die Bezirkshauptstädte.

Der Rechnungshof hat weiters gemeint, dass geographisch nahe liegende Bezirksgerichtsstandorte auch zusammengelegt werden könnten. Und er hat auch ausgeführt, dass es gewisse verfassungsrechtlich bedenkliche Grenzziehungen gibt, die man in diesem Zusammenhang bereinigen könnte.

Die vom Rechnungshof angeregten Auflassungen und Zusammenlegungen von 26 Kleinbezirksgerichten würden eine Verringerung von derzeit 59 auf 33 Gerichtsstandorte im Oberlandesgerichtssprengel Linz bewirken. Die dadurch entstehende neue Struktur hätte zur Folge, dass damit eine wesentlich bessere Effizienz erreicht würde, Mittel eingespart würden und es vielleicht sogar der Rechtsprechung dienlich wäre, wenn es größere Einheiten gäbe.


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Tatsache ist aber, Herr Minister, dass der Rechnungshof auch angeregt hat, diese Maßnahme durch ausreichende Information der betroffenen Bürger, Gemeinden, Bediensteten insofern auf friedliche Weise zu gewährleisten, als Verständnis für diese Maßnahme erweckt werden soll.

Ich glaube, dass die dafür nötige Information und die diesbezüglichen Gespräche vor Ort noch nicht in ausreichendem Maße stattgefunden haben, weil es noch kein Verständnis dafür gibt und die Sicht der Dinge in den Regionen doch eine ganz andere ist als im Justizressort.

Es wird dabei nämlich vergessen, dass diese Standorte nicht nur mit der Bezirksgerichtsstrukturveränderung konfrontiert sind, sondern auch eine Fülle von anderen Maßnahmen über sich ergehen lassen sollen. Einige Beispiele dafür: Gendarmerieposten sollen zugesperrt werden, Vermessungsämter sollen verlegt werden, Postämter sollen unter Umständen geschlossen werden, andere Struktureinrichtungen, Infrastrukturstellen sollen zugesperrt werden. Das heißt, dass es eine massive Tendenz gibt, dass der ländliche Raum sukzessive zugunsten eines Zentralismus ausgetrocknet wird. Und das können wir so nicht hinnehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Krüger. )

Es ist mir schon bewusst, dass jedes Ressort für sich, wenn es nur den eigenen Kirchturm sieht, gute Argumente hat. Aber die Menschen vor Ort sind von allen Maßnahmen betroffen und sehen nicht nur immer die jeweils einzelne Maßnahme, für die es sogar gute Argumente geben mag. Wir müssen diesem Zentralismus dahin gehend entgegenwirken, dass wir den ländlichen Raum infrastrukturell nicht austrocknen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich ersuche Sie, Herr Minister, daher, die vom Rechnungshof bereits 1995 geforderte ausreichende Information zu geben, Gespräche mit den betroffenen Bürgern, mit den Gerichtsbediensteten zu suchen und adäquate Lösungen eventuell auch in Zusammenarbeit mit dem Landeshauptmann zu erarbeiten. Es ist den Bediensteten in diesen Gerichten nämlich nicht zumutbar, dass alle paar Monate ihr eigener Arbeitsplatz infrage gestellt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Pendl. Die Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte.

16.21

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das vorliegende Justizbudget ist ein Sparpaket, das nach Ansicht von Experten gerade genug zum Überleben bietet. Bei dieser Budgetdebatte können wir feststellen, dass Sie keine Sparziele, sondern nur Belastungsziele haben – ein Paket der Ungerechtigkeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte beim Kapitel Justiz zu einem Teilbereich, nämlich zum Strafvollzug Stellung nehmen.

Eingangs eine Feststellung: Der Dienst im Strafvollzug ist für die Bediensteten aller Berufsgruppen ein sehr schwieriger, egal, ob für Bedienstete der Justizwache, Sozialarbeiter, Bedienstete in der Verwaltung oder in Sonderdiensten. Dieser Dienst ist im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher sowie der inneren Sicherheit von enormer Bedeutung.

Schon vor einigen Jahren hat sich im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Studie herausgestellt, dass die Gruppe der Justizwachebeamten die psychisch am meisten belastete Gruppe innerhalb der österreichischen Exekutive ist. Gerade deshalb müssten eigentlich ordentliche Rahmenbedingungen für diesen so wichtigen Bereich geschaffen werden.

Auch wenn die Belagszahlen in den letzten Jahren einigermaßen stabil sind – derzeit befinden sich in den österreichischen Justizanstalten knapp über 7 000 Insassen –, muss doch darauf hingewiesen werden, dass die Insassen seit Jahren schwieriger werden. Ihre Betreuung und Behandlung ist auch sehr arbeitsintensiv. Dies ist einerseits auf die organisierte Kriminalität,


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andererseits auf die ständig steigende Zahl jener, die nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB verurteilt werden, zurückzuführen. Es ist ersichtlich, dass seit dem In-Kraft-Treten des Unterbringungsgesetzes deren Zahl ständig steigt. Dies bedeutet, dass immer mehr psychisch Kranke in österreichischen Justizanstalten angehalten werden, und dies wiederum bedeutet, dass jener Tag errechenbar wäre, an dem der letzte Schilling unseres Vollzugsbudgets nur für die medizinische Betreuung dieser Insassen aufgewendet wird.

Ich habe Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, auch im Ausschuss auf diese so wichtige Frage des österreichischen Strafvollzuges angesprochen und ersuche Sie, in diesem Bereich initiativ zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt da sicher mehrere Ansätze. Ein Weg wäre eine Änderung des Unterbringungsgesetzes, denn ich meine, wir können nicht den gesamten Strafvollzug in Form einer Psychiatrischen Anstalt führen. Wenn allerdings da nicht angesetzt wird, dann ist es meiner Ansicht nach unbedingt notwendig, dass innerhalb der Justiz eigene zusätzliche Einrichtungen geschaffen werden, wo vor allem jene Insassen, die nach § 21 Abs. 1 StGB angehalten werden, untergebracht werden.

Sie, Herr Bundesminister, und Ihre Damen und Herren im Ressort wissen ganz genau, welche finanziellen Mittel derzeit für diese Insassen aufgewendet werden müssen. Ich glaube, da ist mehr als Handlungsbedarf gegeben, noch dazu, wo wir alle die steigenden Zahlen der nach diesem Paragraphen Verurteilten genau kennen. Allein von März bis April dieses Jahres ist die Zahl jener, die nach § 21 Abs. 1 verurteilt worden sind, von 230 auf 242 gestiegen, und die Zahl jener, die nach Abs. 2 verurteilt worden sind, von 221 auf 225.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es besteht da sowohl für die Kolleginnen und Kollegen, die im Strafvollzug Dienst versehen, als auch für die gesamte Organisation Justiz ein riesiges Problem, und ich meine, wir müssen uns diesem Problem gemeinsam stellen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass wir in einem solch schwierigen Bereich, wo Personaleinsatz unbedingt notwendig ist – denn hier kann im Vorfeld bereits vieles abgefedert und verhindert werden, dass etwas passiert –, mit diesem Budget das Auslangen finden. Weniger Mittel beim Sachaufwand auf der einen Seite und auf der anderen Seite weniger Planstellen – ich glaube, allein im Strafvollzug ist eine Verringerung der Zahl der Planstellen für Wachebeamte um 50 vorgesehen – bedeuten, dass ein Anstieg der Zahl von Dienstverrichtungen, die zu immer größeren Mehrbelastungen der Kolleginnen und Kollegen führen, mit diesem Personalstand nicht möglich ist.

Ich meine, dass Reformen – diese Bundesregierung spricht immer von "neu regieren" und von Reformen – nicht so aussehen können, dass immer größerer Druck auf das Personal, also auf die Kolleginnen und Kollegen ausgeübt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, daher ersuchen – ich hoffe, dass auch die Frau Vorsitzende des Justizausschusses in dieser Frage aktiv wird –, dass wir im Interesse des österreichischen Strafvollzuges einerseits aus humanitären Gründen, um einen modernen Vollzug gewährleisten zu können, andererseits aber auch im Interesse der Sicherheit und auch unseres Personals sehr rasch aktiv werden und die notwendigen Umsetzungsschritte einleiten, denn sonst kann man in unserem Strafvollzug nur von einem Fortwurschteln sprechen, was wir, wie ich meine, sicher alle nicht wollen.

Zum Schluss kommend möchte ich mich bei den Damen und Herren der Zentralleitung für ihren Einsatz und für ihre immer wieder an den Tag gelegte Überparteilichkeit sehr herzlich bedanken. Mein Dank richtet sich auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz, vor allem an die Kolleginnen und Kollegen im Strafvollzug. (Beifall bei der SPÖ.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Krüger zu Wort. – Bitte.

16.29

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Jarolim hat völlig zu Recht von einer Tradition im


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Justizressort gesprochen, die darin besteht, dass tagespolitische Auseinandersetzungen möglichst vermieden werden sollen und es im Sinne einer Sachdebatte ausschließlich um sachpolitische Themen gehen soll. Als die Botschaft kaum verklungen war, hat er allerdings gleich im nächsten Satz begonnen, die gestrige Pressekonferenz des Landeshauptmannes von Kärnten unter Beisein unseres Herrn Justizministers mit teilweise doch sehr rüden Worten zu kritisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nicht gewillt, darauf einzugehen, weil dafür schon genug Worte verwendet wurden. Kollege Ofner hat bereits darauf hingewiesen. Ich möchte allerdings eines machen: Ich glaube, es gibt kaum einen Berufeneren, sich dazu zu Wort zu melden, als den Herrn Präsidenten des Nationalrates. Ich habe hier eine APA-Mitteilung des gestrigen Tages, in der Folgendes zu lesen ist:

"Nationalratspräsident Heinz Fischer (S) meinte" – nämlich zu der erwähnten Pressekonfe-
renz –, "Sonderbestimmungen wegen staatsfeindlicher Tätigkeit habe es zum Beispiel in der DDR gegeben, er könne sich aber nicht vorstellen, dass jemand ,den Ehrgeiz hat, ähnliche Bestimmungen auch in Österreich einzuführen‘."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident des Nationalrates hat hier niemanden ausgegrenzt, auch nicht den Kärntner Landeshauptmann und schon gar nicht den Herrn Justizminister.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zur Diversion. Das ist, wie vielleicht einige von Ihnen wissen, eines jener Themen, mit denen ich mich auch in der vergangenen Legislaturperiode sehr ausgiebig auseinander gesetzt habe.

Herr Kollege Jarolim, so kann es sicher nicht gehen, dass man, wenn jemand die Diversion kritisiert, einzelne Bestimmungen kritisiert, die Diversion im Gesamten aber nicht ablehnt, gleich die justizpolitische Steinzeit bemüht, denn das sind Killerargumente. Damit töten wir jede Sachdiskussion ab. Und dagegen müssen wir uns verwahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In einer parlamentarischen Demokratie ist es eben so, dass eine oder zwei Parteien oder eine Koalition, wie es auch in der vergangenen Legislaturperiode der Fall war, die Mehrheit haben. Diese Koalition setzt ihr Vorhaben auf Punkt und Beistrich durch. Das haben Sie gemacht. Sie haben daher irgendwelche Verbesserungsvorschläge, Einschränkungen der damaligen Opposition FPÖ ignoriert. Jetzt können Sie aber nicht sagen: Weil wir in einzelnen Bereichen Änderungen haben wollen, heißt das, zur Gänze gegen den Gedanken der Diversion verstoßen und die justizpolitische Eiszeit wieder ausrufen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worin besteht meine Kritik an der Diversion? – Ich sage es noch einmal: Ich lehne die Diversion nicht schlechthin ab. Sie hat ihre Vorteile im Bereich der Kleinkriminalität, vor allem im Bereich der Fahrlässigkeit. Ich habe immer schon gesagt, dass es ein Unding ist, dass die Österreicher quasi ein Heer von Vorbestraften sind, nur weil sie irgendwann einmal in einen Verkehrsunfall verwickelt waren, bei dem ein Schleudersyndrom oder ähnliche mittlere oder schwerere Körperverletzungen die Folge waren – sie sind seither vorbestraft. Das ist überhaupt keine Frage.

Ich meine aber – ich habe diese Ansicht in der vergangenen Legislaturperiode vertreten und vertrete sie auch jetzt –, dass man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat, nämlich insofern, als man im Prinzip all jene Delikte für diversionsfähig erklärt hat, die mit einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren bedroht sind. "Im Prinzip", sage ich – es gibt Ausnahmen, das ist bekannt. Das heißt, es fallen auch – im Zusammenhang auch mit dem Budget und so weiter wird jetzt immer das Wort "Grauslichkeiten" verwendet – so grausliche Delikte wie zum Beispiel vorsätzliche Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen darunter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt Delikte, die ganz einfach nicht diversionsfähig sind. Und ich habe schon mehrfach gesagt, dass es mir unverständlich ist, wieso die Kinderpornografie darunter fällt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Frau Kollegin, lassen Sie mich ausreden. Ich sage der Vollständigkeit halber dazu, dass Kinderpornografie nicht unter die Diversion fällt, wenn es zu einer sexuellen Interaktion kommt. Da


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gebe ich Ihnen völlig Recht. Aber die bloße Herstellung von Kinderpornografie (Abg. Dr. Ofner: Auch die gewerbliche!) ohne direkte geschlechtliche Annäherung an das Kind fällt unter die Diversion. Frau Ex-Ministerin! Das hat aber in der Diversion ganz einfach keinen Platz. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso können Sie das verteidigen, Herr Kollege Jarolim?)

Auch – ich darf Ihnen ein anderes Beispiel bringen, Frau Mag. Prammer – die Entführung eines Kindes, um es zur Unzucht zu missbrauchen, ist diversionsfähig. (Abg. Mag. Prammer: Wenn das Gericht zu wenig bestraft!) Natürlich gestehe ich Ihnen da zu, dass es in sehr vielen Fällen zu geschlechtlichen Interaktionen kommt und die Diversion dann nichts mehr damit zu tun hat. Aber soll allein die Tatsache, dass jemand – und solche Deliktsfälle hat es gegeben – kleinen Kindern vor einer Schule auflauert und versucht, sie mit irgendwelchen Zuckerln zu entführen, um sie jemandem zur Unzucht zuzuführen, aber selbst nicht Hand anlegt, diversionsfähig sein? – Das können Sie doch nicht ernsthaft behaupten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt auch noch andere Bereiche in der Diversion, die meines Erachtens reformbedürftig sind. Die beiden Formen von Sexualdelikten gehören heraus, das habe ich bereits erwähnt. Meines Erachtens gehören auch die Suchtgiftdelikte heraus, denn es gibt im Suchtmittelrecht genügend Beispiele, genügend Fälle, in denen man kompetent eingreifen kann. Auf der anderen Seite – das kann mir auch niemand erklären – ist es nicht sinnvoll, jemanden, der gewerbsmäßig Suchtgift unter der Grenzmenge unter die Leute bringt, unter die Diversion fallen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Redezeit ist kurz bemessen. Ich möchte abschließend noch ganz kurz dem Herrn Justizminister dazu gratulieren, dass er doch einige Worte des Lobes von Kollegen Jarolim ausgefasst hat, möchte ihm zu seiner bisherigen Tätigkeit gratulieren und ihm alles Gute wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

16.37

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Budgetdebatten ist es eine sehr positive Sitte, dass sich die Justizsprecher der jeweiligen Parteien – ich habe mich jetzt selbst als Justizsprecherin angesprochen – als Erstes bei den Damen und Herren aus dem Justizressort für die Unterstützung, die wir von ihnen bekommen, bedanken. Ich habe es alljährlich immer wieder gesagt: Es ist dies eine Unterstützung, die von einer Äquidistanz gegenüber den politischen Parteien geprägt ist, wie ich sie aus keinem anderen Ressort kenne. Das sage ich auch im Hinblick auf Herrn Dr. Böhmdorfer, der erst kurz Minister ist, aber, wie ich hoffe, nicht lang, wie sich dann im Laufe meiner Rede noch zeigen wird, und zwar aus anderen Gründen. Ich möchte Ihnen, Herr Dr. Böhmdorfer, zur Beamtenschaft im Justizministerium gratulieren. Ich habe sie in den letzten Jahren als höchst kompetent und höchst fair – auch im Umgang mit der Opposition – kennen gelernt. Den Damen und Herren meinen herzlichsten Dank! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ära der Regierung Schüssel hat mit einer Episode begonnen. Diese Episode hieß Krüger. Das waren vier Wochen, die für das Justizressort sehr turbulent waren, wie ich meine. Herr Dr. Krüger hat dann aus eigenem das Amt des Justizministers zurückgelegt und das auch wohl begründet.

Dann wurde Herr Dr. Böhmdorfer in dieses Amt berufen. Ich persönlich habe versucht, das so objektiv und so unparteiisch wie möglich zu sehen, und dachte, aus der Episode Krüger wird eine Ära Böhmdorfer, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Dr. Böhmdorfer hat mich am Anfang sehr überrascht. Ich rede jetzt vom Beginn, meine sehr geehrten Damen und Herren. Beispielsweise eine Aussage eines freiheitlichen Justizministers: Lebenslang darf nicht lebenslang bleiben! Die Korrektur – Kollege Jarolim hat es in seiner Rede ja schon erwähnt – des Justizprogramms von Blau-Schwarz im Hinblick auch auf die Vorstellungen, die man im Hinblick auf eine sofortige Beseitigung der Diversionsbestimmungen und so weiter hatte, hat mir


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Respekt abverlangt, Herr Dr. Böhmdorfer. Und das sage ich auch, weil ich es ehrlich so meine. Sehr geehrter Herr Dr. Böhmdorfer! Daher ist das, was gestern von Ihnen zu hören und zu lesen war, umso enttäuschender, und deshalb ist die Fassungslosigkeit auch umso größer.

Wie groß die Fassungslosigkeit und auch die Betroffenheit sind, Herr Dr. Ofner, hat Michael Krüger vorhin angeführt, indem er aus der Presseaussendung des Präsidenten des Nationalrates zitiert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So etwas hat es noch nie gegeben, dass der oberste Hüter des Rechtsstaates, nämlich der Justizminister, den in Wirklichkeit intensivsten Angriff auf den Rechtsstaat, den ich in meinem Leben und, ich glaube, auch Herr Dr. Fischer in seinem Leben erlebt haben, gestartet hat. Deshalb dieses hohe Maß an Betroffenheit und Fassungslosigkeit. Das hat nichts zu tun mit Gleichbehandeln oder Äquidistanz, sondern man kann es nicht fassen, dass der Justizminister der Republik zum Vorschlag, ein Sonderstrafrecht für Abgeordnete und Funktionsträger einzuführen, sagt, dieser Vorschlag sei sicherlich verfolgenswert. Es sei ein Vorschlag im Frühstadium, aber es gehe um die politische Diskussion darüber.

Meine Damen und Herren! Das müssen Sie sich einmal überlegen: Jener, der die Verantwortung für die Unabhängigkeit der Gerichte trägt, ist derjenige, der einem vom ersten Augenblick an so abstrusen Vorschlag wie jenem von Dr. Haider sofort, spontan – ich glaube ja nicht, dass es spontan war, ich glaube inzwischen, das war wohl abgesprochen, wohl geplant und wohl platziert – zustimmt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist auch der Grund für unsere Fassungslosigkeit und dafür, dass wir Herrn Dr. Böhmdorfer – ich habe bereits erwähnt, was er bisher geleistet hat – unser Misstrauen aussprechen werden. Deshalb haben die Grünen einen Misstrauensantrag eingebracht. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen gefährlicheren Verfassungsunfug – um mit den Worten von Professor Heinz Mayer zu sprechen – und ein wahreres Gesicht, als es die FPÖ mit diesem Vorschlag gezeigt hat, gibt es wohl nicht. Das schlägt dem Fass den Boden aus! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es soll uns nichts Ärgeres passieren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon einiges erlebt im Zusammenhang mit der "Dritten Republik" – jetzt nicht das ansprechend, was Herr Dr. Haider über die Vergangenheit und seine Wertschätzung gegenüber SS-Angehörigen und so weiter gesagt hat oder die "ordentliche Beschäftigungspolitik" – an Äußerungen zum Zustand der Republik und zum Verfassungsgefüge insgesamt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe schon ärgere Dinge erlebt!) Einen gravierenderen Anschlag auf unsere Demokratie hat es noch nicht gegeben, und das ist das, was die schwarz-blaue Regierung jetzt macht, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie sich noch daran erinnern, dass Sie den Freiheitlichen die Schuld an den Briefbomben gegeben haben?!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche mir immer vorzustellen, was jetzt die anderen Europäer über uns reden. Was denken die sich über Österreich, nachdem wir – ob zu Recht oder zu Unrecht sei in diesem Zusammenhang dahingestellt – sozusagen im Visier der Beobachtung ganz Europas, was heißt ganz Europas, der ganzen Welt stehen, wenn solche Vorschläge kommen, wenn der Justizminister der Republik das als sicherlich verfolgenswert und tauglich für eine politische Diskussion in einem Frühstadium bezeichnet?! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie sich noch erinnern, dass Sie sagten, alle Freiheitlichen gehörten 20 Jahre eingesperrt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das geht entschieden zu weit! Vorschläge dieser Art, Denkmuster dieser Art sind nur totalitären Strukturen bekannt und in der Vergangenheit auch nur in totalitären Strukturen vorgekommen. Das ist das, was sie gefährlich macht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Es geht noch weiter. Die ganze Geschichte hat eine Fortsetzung gefunden: Der blau-schwarze Bundeskanzler dieser Republik sagte dazu heute – einen Tag danach! – lapidar, er halte es für ein beginnendes Sommerthema. (Abg. Großruck: So wie er es verstanden hat! – Abg.


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Dr. Fekter: Bundeskanzler Schüssel betonte, dass er nicht daran denke, Sanktionierungen näher zu treten!) Bitte, was heißt denn das? Bundeskanzler Schüssel hält diesen Vorschlag – unserer Ansicht nach, aber nicht nur unserer Ansicht nach, sondern die Empörung geht durch ganz Österreich, kann ein solcher Vorschlag wirklich nichts anderem als totalitärem Denken und autoritären Strukturen entsprungen sein – für ein beginnendes Sommerthema? Wie soll ich das verstehen? – Dass er meint, nunmehr habe die Diskussion begonnen, jetzt werde irgendwie wochenweise, bis die Temperaturen – zurzeit sind sie erst bei 30 Grad – auf 35 Grad steigen, immer noch zugelegt von Haider und vielleicht auch Böhmdorfer oder wem auch immer? Wie ist das zu interpretieren?

Ich verhehle allerdings nicht, dass mich der Herr Bundeskanzler damit gar nicht enttäuscht hat, denn das ist die Art und Weise, wie er bis jetzt mit allem, was von seinem Koalitionspartner auf der rechten Seite gekommen ist, umgegangen ist: sich entweder der Kritik gar nicht zu stellen, sie totzuschweigen oder sie kleinzureden, sie zu banalisieren. Das ist der Vorwurf, den wir Dr. Schüssel zu machen haben.

Ich komme noch einmal auf den Justizminister zurück. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Politische Kritik und politische Kritiker unter Strafe zu stellen – es gibt zurzeit noch nichts, was klar und präzise ausformulierte Gesetze angeht; eine Formulierung hat uns Dr. Haider noch nicht vorgelegt, aber er hat dabei, glaube ich, schon einen Hintergedanken gehabt –, hat es schon einmal gegeben. Mundtotmachen von Opposition, von inhaltlicher politischer Kritik, Mundtotmachen von politischen Gegnern hat es in der NS-Zeit gegeben.

Ich glaube, es war Alexander Van der Bellen, der heute schon aus Gesetzen aus dieser Zeit zitiert hat, nämlich aus dem Gesetz über die Verunglimpfung des Staates. Es hat auch eine Strafbestimmung betreffend Volksverrat gegeben. Wenn Sie die hören und an das denken, was gestern geäußert wurde, dann geht hoffentlich auch einigen, die bis jetzt nicht mitgedacht haben, ein Licht auf. Dieses Gesetz lautete damals – ich zitiere –:

Wer als Deutscher im Ausland durch eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung eine schwere Gefahr für das Ansehen des deutschen Volkes herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht weit von den Diktionen entfernt, die wir in den letzten Tagen und Wochen gehört haben. Das ist die Strafbestimmung betreffend Volksverrat unter Adolf Hitler im Dritten Reich gewesen! Vergegenwärtigen Sie sich das einmal! (Abg. Böhacker: Das ist unglaublich!) Und Sie, Herr Dr. Böhmdorfer, befinden – ich unterstelle Ihnen ja nicht das, was ich zitiert habe – das alles für sicherlich – was habe ich gelesen? – in einem Frühstadium "verfolgenswert". Es ginge darum, dass man eine politische Diskussion führt. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Für die Freiheitlichen gibt es ein Diskussionsverbot!)

Darf ich Sie schlicht und einfach fragen: Was haben Sie sich dabei gedacht? Was haben Sie als Justizminister dieses Landes sich dabei gedacht, solche Vorschläge verfolgenswert zu befinden? Ich habe eine Antwort bis jetzt weder gelesen noch gehört, Herr Dr. Böhmdorfer! (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Das kann ich Ihnen erklären!) – Danke, wir warten auch darauf, denn das, was bis jetzt bekannt ist, kann von Seiten der Grünen oder von Seiten der Opposition nur zur Konsequenz haben, Ihnen das Misstrauen auszusprechen. Und damit möchte ich auch den Misstrauensantrag verlesen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde eingebracht im Zuge der Debatte über die Beratungsgruppe V, Kapitel 30 des BFG 2000 (Ausschussbericht 80 und Zu 80 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Dem Herrn Bundesminister für Justiz wird im Sinne des § 74 Abs. 1 B-VG das Vertrauen versagt.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nicht zu einem Menschen, der den wahrlich gravierendsten Anschlag auf das demokratische Verfassungsgefüge in diesem Land, auf das freie Mandat, auf die Rechte der Opposition, auf die freie Meinungsäußerung, gutheißt, die Idee für verfolgenswert hält, Vertrauen haben, ihn als obersten Hüter des Rechtsstaates anerkennen. Deshalb bitten wir Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dieser Art von Politik mit dem Misstrauen, das wir Dr. Böhmdorfer heute aussprechen, eine klare Absage zu erteilen. Ich wüsste keine andere Reaktion, die es jetzt darauf gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Dr. Böhmdorfer ist kein Provinzlandeshauptmann, kein Landeshauptmann einer österreichischen Provinz. Er ist, soweit bis jetzt bekannt ist, ja nicht einmal ein "einfaches Parteimitglied", wie Herr Dr. Haider, sondern er ist ein einfacher – das meine ich jetzt nicht im Sinne von schlicht – Parteianwalt der Freiheitlichen Partei oder des Dr. Haider. Aber er ist in der Funktion, in die er jetzt berufen wurde, der Justizminister der Republik und nicht der Parteianwalt von Dr. Haider. Herr Justizminister, das ist das, wodurch Sie mein Vertrauen verspielt haben. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben ihm doch nie Ihr Vertrauen geschenkt!)

Das können wir auch im Sinne der Rechtssicherheit, in dem Sinn, dass wir ständig an die Bevölkerung appellieren, in die ordentliche Gerichtsbarkeit Vertrauen zu setzen, Vertrauen in den Rechtsstaat zu haben, Vertrauen in unser Gefüge der Gewaltenteilung, das sich über Jahrzehnte gut bewährt hat, zu haben, nicht tolerieren. Ich kann einem Justizminister nicht vertrauen, der sagt: Schwamm drüber, das ist ein Irrtum, die Zeiten sind andere, jetzt ist Blau-Schwarz dran, jetzt weht der Wind anders!

Deshalb, Herr Bundesminister, haben Sie mein Vertrauen und das Vertrauen meiner Fraktion nicht mehr! (Beifall bei den Grünen.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Misstrauensantrag der Frau Abgeordneten Stoisits, der soeben verlesen wurde, ist entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

16.51

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zu Beginn erstmals das zitieren, worum es im Kern in dieser Debatte geht. Dieses Gelöbnis, das Gegenstand der Pressekonferenz von Dr. Haider war, lautet wie folgt: "Sie geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Dr. Haider hat in einer Pressekonferenz improvisiert und nicht, wie Sie glauben, Frau Abgeordnete, nach langer Absprache, sondern nach ganz kurzer Vorbemerkung zu mir erklärt, dass ihm sehr an der Einhaltung dieses Gelöbnisses gelegen ist und dass er bedauere, dass es nicht gelingt, mehr Verantwortung zu erzeugen. Ich habe ihn gewähren lassen – ich werde das noch genauer darstellen – und habe, wie ich bereits auch vor aller Öffentlichkeit in Unkenntnis des Misstrauensantrages gesagt habe, dazu Folgendes erklärt: Ich bin weder Förderer noch Bremser dieses Antrages. Ich hätte mich bei jedem anderen Politiker gleich verhalten. (Abg. Öllinger: Hierbei sollten Sie aber Bremser sein!)

Das heißt, wenn jemand in diesem Land glaubt, eine politische Idee verbreiten zu sollen, so soll man ihn nicht sofort daran hindern, sondern er soll in die Lage versetzt sein, im Wege der freien Meinungsäußerung am politischen Diskurs teilzunehmen. Das glaube ich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ich fürchte auch, dass Sie Ihren Misstrauensantrag dadurch entwertet haben, dass Sie bereits vor Arbeitsbeginn dieser Regierung einen eingebracht haben.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich in meiner ersten Rede hier im Parlament ein Bekenntnis zur österreichischen Justiz abgelegt habe, wie es klarer nicht sein könnte, und auch ein Bekenntnis zum Rechtsstaat, wie es klarer nicht sein könnte, und in Verbindung damit auch ein Bekenntnis zur Unabhängigkeit der Richter.

Ich sage Ihnen, dass ein Rechtsstaat ohne Unabhängigkeit der Richter nicht denkbar ist, dass auch eine freie Advokatur nicht denkbar ist – ich war 27 Jahre lang Rechtsanwalt, ich habe in diesem Milieu gelebt, ich habe davon profitiert, viele andere auch. Ich weiß also, dass ohne Unabhängigkeit der Richter der Rechtsstaat nicht funktionieren kann, und ich habe dieses Bekenntnis ernst gemeint.

Ich habe auch 15 Jahre hindurch als Rechtsanwalt die Freiheitliche Partei vertreten und dabei miterlebt, dass gerade das freie Mandat auch zu unseren heiligsten Rechtsgütern gehört und jeder ein Verbrechen an der Demokratie begeht, der das freie Mandat angreift. Ich habe überhaupt nicht die Absicht, auch nicht im Geringsten, an diesem freien Mandat zu rütteln. Ich hatte sie gestern nicht, ich habe sie heute nicht, ich werde sie nie haben. (Abg. Öllinger: Dr. Haider aber schon – Sie müssten ihn bremsen!) Dr. Haider hat diese Absicht meines Wissens auch nicht. Ich bin hier aber nicht aufgestanden, um ihn zu verteidigen. Fragen Sie ihn, und diskutieren Sie mit ihm selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie die Chance haben, in diesem Land mehr Einfluss zu bekommen, so verdanken Sie das dem freien Mandat, dem politischen Wettbewerb. Und genauso kann die Freiheitliche Partei sagen, im freien Wettbewerb, in der Diskussion, im politischen Wettbewerb hat sie ihre Erfolge errungen und andere Parteien auch.

Es gibt in meinem ganzen Leben kein Indiz dafür, dass ich an diesem freien Mandat jemals rütteln wollte, es gibt aber auch kein Indiz dafür, dass ich als Bundesminister für Justiz jemals jemanden daran gehindert habe oder in Zukunft hindern werde, an der politischen Diskussion teilzunehmen, und zwar so, wie er das will, und so, wie er sich das vorstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun zu den sachlichen Themen: Herr Kollege Jarolim – er ist hier –, ich danke für die Hinweise bei der Diversion, ich danke für die Hinweise zum Thema "Lebenslang". Sie ändern nichts an meiner Position; ich habe die Regierungslinie nicht verlassen – Sie hätten das nur gern –, in keinem der beiden Bereiche, ich werde darauf noch zurückkommen.

Ich kann und werde mich aber auch von Erklärungen Dr. Haiders nicht distanzieren, weil ich mich mit ihnen nicht identifiziert habe. Ich habe niemals erklärt, dass ich das, was Dr. Haider gesagt hat, mit dem, was ich will, identifiziere, sondern ich habe – wenn Sie diese Pressekonferenz verfolgt haben – erklärt: Ich bin nicht Partei – das ist auch veröffentlicht worden –, aber jeder soll eben seine Meinung sagen dürfen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Alle, die das heute hier anders dargestellt haben, haben einfach Unrecht, die verlassen das, was sie schon gestern in den Zeitungen an Fakten gelesen haben.

Ich danke Kollegen Dr. Ofner, einem erfahrenen Rechtsanwalt, bei dem ich viel gelernt habe, für seine Hinweise in Bezug auf die Eventualmaxime, in Bezug auf die fachmännischen Laienrichter. Ich danke dir auch für die Wünsche, dass du mir in meinem weiteren Tätigkeitsbereich, in der Justiz, als Justizminister viel Erfolg wünscht.

Ich kann mit einem gewissen Stolz – ich teile Ihre Wertschätzung für unsere Beamtenschaft – auf einiges verweisen, was wir seit 29. Februar 2000 mittlerweile erreicht haben. Ich werde Ihnen ein kurzes Referat darüber halten, was sich im Bundesministerium ereignet hat, was teilweise auch ins Parlament und in den Ministerrat gekommen ist. Ich glaube, Sie werden Ihre Bestätigung dafür, dass hier Parteipolitik betrieben wurde, nicht finden.


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Die Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens schreitet voran. Ich habe Ihnen schon berichten können, auch im Budgetausschuss, dass dieses Reformprojekt am 31. März 2001 abgeschlossen sein wird. Die StPO, stammend aus den Jahren 1852 und 1875, wird dann für das nächste Jahrtausend fit gemacht sein. Es wird einen verstärkten Opferschutz geben, es wird die Zusammenarbeit der StA mit den Sicherheitsbehörden besser als bisher geregelt sein, es wird im Bereich des Vorverfahrens Rechtsmittelmöglichkeiten geben und vieles andere mehr.

Sie wissen, dass die fahrlässige Krida mittlerweile neu geregelt ist, der Ministerialentwurf ist bereits durch den Ministerrat gegangen, der Tatbestand ist neu geregelt und hat den Bundesrat passiert, der Tatbestand heißt nunmehr "grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen". Die Wirtschaft gibt uns viele Argumente und viele Komplimente für diese Regelung.

Stichwort: Diversion. Es ist im Prinzip sehr vieles von dem richtig, was von beiden Seiten hier zur Diversion gesagt wurde. Kollege Krüger hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Diversion nicht für alles eignet und nicht für alles eignen kann. Die Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und den Gerichten haben ergeben, dass sie nicht für Sexualdelikte und nicht für Suchtgiftdelikte Anwendung findet. Die Enquete-Kommission wird uns wertvolle Hinweise liefern. Mein Freund Harald Ofner wird diese Enquete-Kommission mit seiner großen Erfahrung sicher so leiten, dass in der Folge, gegen Ende dieses Jahres, die Diversion jenen Platz im österreichischen Rechtsbestand haben wird, den sie verdient.

Wir erwarten für heuer 35 000 Diversionsfälle bei den Bezirksgerichten, 3 500 bei den Landesgerichten, 35 Prozent davon betreffen fahrlässige Verkehrsdelikte, 10 Prozent Ladendiebstähle – das sind die ersten Zahlen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Zum Thema: "Lebenslang muss lebenslang bleiben". Wiederum: Beides ist richtig. Steril und ohne Bezug auf die Menschen vollzogen bedeutet dies, dass unter Umständen Leute, Insassen von Justizanstalten, die in totaler Perspektivlosigkeit leben, zu Mördern werden können. Das heißt, sie bringen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen unter Umständen irgendjemanden, der sich ihnen in den Weg stellt, um. Wir müssen die Linie verfolgen, dass wir sowohl die Resozialisierung als auch das Sicherheitsrisiko in den Griff bekommen. Das heißt, sie können nur entlassen werden, wenn die Resozialisierung abgeschlossen ist und sie kein Sicherheitsrisiko mehr darstellen.

Die Frage des Sicherheitsrisikos war ein großes Problem für mich. Wir haben wochenlang darüber diskutiert, nunmehr ist einiges klarer als vorher. Die Maßnahmen-Häftlinge und die so genannten normalen Häftlinge können, wenn sie entlassen werden, nur mit einer Probezeit von zehn Jahren entlassen werden. Das ist der derzeitige Rechtsbestand. Die an sich verständliche Forderung "Lebenslang muss lebenslang bleiben!" kann erfüllt werden, indem man, wenn man sich entschließt, solche Insassen zu entlassen, sie auf lebenslange Zeit beobachtet und sie allenfalls auch therapiert werden. Das heißt, man kann hier durchaus mit Hilfe der Wissenschaft und mit deren Erkenntnissen eine Brücke schlagen von der verständlichen und richtigen politischen Forderung "Lebenslang muss lebenslang bleiben!" hin zu einer ordentlichen, modernen Legistik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Regelung des neuen Außerstreitverfahrens ist praktisch abgeschlossen; es gibt noch eine Verhandlungsrunde. Es ist eine grundsätzliche Neuordnung des gesamten Gesetzes durchgeführt worden, das mehr als 150 Jahre alt ist. Auch dieses Gesetz ist in Kürze fit für das 21. Jahrhundert.

Die Exekutionsordnungs-Novelle ist nach der Reform des Jahres 1991 abgeschlossen. Betreffend die Forderungsexekution kam es zur Novellierung der Fahrnis-Exekution und im Jahre 2000 nunmehr zur Neuordnung der Liegenschafts-Exekution. Auch hier bekommen wir von der Wirtschaft große Komplimente im Voraus.

Sie alle wissen auch, dass im Bereich des zivilprozessualen Verfahrens eine riesige Reformkommission tagt. Deren Arbeit wird sicherlich heuer noch abgeschlossen werden. Die zivilprozessualen Verfahren werden dann meines Erachtens sicherlich um 20 bis 30 Prozent schneller abgewickelt werden als bisher.


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Wir haben große Privatisierungsprojekte. Wir wollen den Vollstreckungsdienst privatisieren – natürlich im Einvernehmen mit den Mitarbeitern. Wir wollen die Sachwalterschaften ausgliedern, wir wollen die Bewährungshilfe ausgliedern und vieles andere mehr.

Im Bereiche der EDV ist die Justiz von vielen unerkannt Weltspitze. Sie bietet mehr an, als die Anwalts-Softwarepakete überhaupt nachvollziehen können.

Wir können auf diese Justiz stolz sein. Noch stolzer sind wir darauf, dass wir eine neue Kompetenz bekommen haben: den Konsumentenschutz. Wir werden im Bereich des Konsumentenschutzes viel leisten. Wir gehören zu jenen, die keine Angst vor den Großen, keine Angst vor den Banken haben. Wir werden den Menschen die Gleitzins-Klausel zur Kenntnis bringen. Wir werden die Konsumenten und die kleinen Leute informieren, wie sehr sie sich auch nachträglich noch gegen die Banken wehren können, wenn sie unter Umständen jahrzehntelang oder auch nur jahrelang zu viele Zinsen bezahlt haben. – Das wäre die Sacharbeit.

Wenn Sie nachdenken und nachlesen, was ich gestern wirklich gesagt habe, so werden Sie sehen, dass ich lediglich erklärt habe, dass ich angesichts der von Dr. Haider geäußerten Idee – so wie einst Broda – die gesellschaftliche Entwicklung und die Diskussion dieses Themas weiter beobachten werde. Und ich habe hinzugefügt: Ich verweise bei diesen Gelegenheiten immer auf einen meiner Vorgänger, Dr. Christian Broda, der zum Beispiel im familienrechtlichen und eherechtlichen Bereich erkannt hat: Jetzt ist es an der Zeit, diesen enormen Komplex neu zu regeln.

Das heißt, es ist die historisch anerkannte und akzeptierte Aufgabe eines Justizministers, zu beobachten, was sich in der Gesellschaft tut, was die Gesellschaft will, sogar zu beobachten, was ihr schadet, und bei einem allfälligen Handlungsbedarf dann gemeinsam mit den von Ihnen gelobten Spitzenbeamten, gemeinsam mit den Klubs, gemeinsam mit der Frau Vorsitzenden des Justizausschusses zu überlegen, was zu geschehen hat. – Kein Wort mehr habe ich gesagt! Das, was Sie mir hier vorwerfen, dass hier ein bösartiges, längst überwundenes Gedankengut oder was auch immer dahinterstecken könnte, ist einfach falsch! Ich bitte Sie um jene Fairness, die das Klima im gesamten Justizausschuss kennzeichnet, um jene Distanz, von der Sie selbst gesprochen haben, und um jene Klarheit der Gedankengänge, frei von Abneigung, damit Sie endlich zu der Erkenntnis kommen, dass wir nichts anderes – wie Sie wahrscheinlich und hoffentlich auch – leisten wollen als ordentliche Sacharbeit! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Mag. Tancsits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.06

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich mit tatsächlichen Problemen und Vorhaben der österreichischen Justizpolitik auseinander setzen und nicht mit diesem mir nicht ganz nachvollziehbar erscheinenden Misstrauensantrag. Aber eine Bemerkung lassen Sie mich schon dazu machen: Ich halte es für bedenklich, einem Minister einen Gesetzestext aus dem nationalsozialistischen Deutschland vorzulesen und dann so zu tun, als hätte er sich nicht von diesem distanziert. Das widerspricht meinem Gefühl für Gerechtigkeit und Fairness, und ich möchte mich in aller Deutlichkeit von einem solchen Vorgehen distanzieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Eine Unterstellung war das!)

Nun aber, wie angekündigt, zu relevanten Problemen im Budgetkapitel Justiz, in dem wir mit einem großen Vorhaben, nämlich dem Wohnrechtsänderungsgesetz 2000, nicht nur Verbesserungen für Wohnungswerber, Wohnungsnutzer und auch für den Markt an sich zustande bringen wollen, sondern das sich auch als Beispiel dafür anführen lässt, wie durch Deregulierung Justiz und Justizverwaltung entlastet werden können. Das Wohnrechtsänderungsgesetz 2000 wurde hier schon einige Male andiskutiert, es wird nächste Woche im Bautenausschuss sein. Es wurde von der Opposition kritisiert; eine Kritik, die ich durchaus ernst nehme, wenn nämlich die


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Befürchtung geäußert wird, dass dadurch keine Verbesserungen für die Betroffenen hinsichtlich der Kosten erzielt werden können.

Ich nehme das ernst, weil ich glaube, Sie meinen wirklich, dass heute, im Jahre 2000, durch Festsetzung von Mietzinsobergrenzen, durch Überwachung von Preisen und Entgelten durch Gerichte und Behörden bis zur zweiten Stelle hinter dem Komma Preise tatsächlich niedrig gehalten werden könnten. Die Vergangenheit zeigt uns etwas ganz anderes; gerade als Wiener Mandatar kann ich das sagen. Hier hat genau diese Mietenpolitik dazu geführt, dass wir erst vor wenigen Jahren die Wohnungsnot, das Horten von Wohnungen und den Ablösewucher in dieser Stadt und in diesem Land in den Griff bekommen haben. All das sind Begleiterscheinungen, wie sie für eine Planwirtschaft und für planwirtschaftliches Vorgehen selbstverständlich sind: das Entstehen von Schwarzmärkten, der Wucher, das Horten und das Unter-die-Räder-Kommen gerade der Schwächsten auf dem Markt.

Wir sind einen anderen Weg gegangen, und wir gehen mit diesem Wohnrechtsänderungsgesetz 2000 einen anderen Weg. Wir wollen die Kosten für die Nutzer und Bewerber senken. Mehr Markt, klare und transparente Regelungen, etwa 25 Prozent einheitlicher Abschlag für Befristungen: Dies wird dazu führen, dass mehr Wohnraum, mehr Geschäftsraum auf den Markt kommen und dadurch entsprechender Druck auf die Preise entsteht.

Standardisierte Abrechnungen werden nicht nur eine Verbesserung für den Mieter bieten, sondern auch – dazu genügt der Blick auf die tatsächliche Tätigkeit und das Verfahren – zu einer wesentlichen Entlastung der Schlichtungsstellen und der Untergerichte führen.

Wir werden aber auch durch die Ermöglichung von mehr Markt, durch einen Rahmen für mehr Marktgeschehen Städte und Straßenzüge beleben, indem wir für Geschäftslokale Befristungen aufmachen.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit für den Entstehungsprozess dieser Wohnrechtsnovelle und die erstklassige Beratung durch das Justizressort und die Beamten Ihres Ressorts, Herr Minister, herzlich bedanken!

Das Wirtschaftsforschungsinstitut beurteilt die bisherigen Arbeiten zur Wohnrechtsänderungsgesetz-Novelle 2000 folgendermaßen. Ich zitiere: Die Neufassung der Regelung für Befristungen im Bereich der Mietwohnungen erhöht durch freiere Vertragsgestaltung für beide Marktpartner – die Immobilienwirtschaft und die Wohnungssuchenden – die Flexibilität und die Mobilität. In der Folge sollte ein noch größerer Teil des Altmietbestandes auf dem Markt angeboten werden und somit weiteren Druck auf die Wohnungsmieten auslösen. Angebots- und Nachfragemechanismen kommen dadurch stärker zum Tragen.

Ferner ein Zitat aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut betreffend den Bereich der Geschäftslokale: Vor allem Jungunternehmen und Gewerbetreibenden wird so der Zugang zu Geschäftslokalen erleichtert. Die Neuregelung vermittelt beiden Seiten mehr Freiheit in der Vertragsgestaltung.

Mit diesem Vorhaben entlasten wir Staat, Justiz und Justizverwaltung von Regulierung und schaffen Rahmenbedingungen für Marktgeschehen.

Wir möchten aber dort – und gestatten Sie mir diesen zweiten Teil zur Justizpolitik –, wo der Bürger Recht sucht, den Zugang zu diesem erleichtern. Ich bin deshalb froh darüber, dass im Demokratie-Paket zusätzliche Möglichkeiten für die Volksanwaltschaft aufgezeigt werden, die dem Bürger helfen können, Verfahren zu beschleunigen. Es ist die Entscheidung der Fristsetzung dann ohnehin bei einem Senat des Oberlandesgerichts. Das ist daher kein Verstoß gegen die Gewaltenteilung, sondern die Möglichkeit für den Bürger, schneller und besser zum Recht zu kommen. Das ist die Aufgabe der Justizpolitik in einem modernen Rechtsstaat und in einer modernen Demokratie.


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In diesem Sinn denke ich, dass der Rechtsstaat unter diesem Justizminister – ich komme damit auf den Beginn meiner Ausführungen zurück – in guten Händen ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.13

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Bundeskanzler! Das vorliegende Justizbudget leistet mit seinen unsachlichen Einsparungen einen weiteren traurigen Beitrag zu einer Umverteilung von unten nach oben. Es kommt zu drastischen Kürzungen beim Personal, bei den Richtern, im Strafvollzug und anderem, vor allem deshalb, weil die Bundesregierung ihr Füllhorn über Unternehmer und Großbauern ausschüttet und sich ausschließlich aus ideologischen Gründen nicht davon abbringen lässt, auch Superverdienern und Reichen Sozial- und Familienleistungen zukommen zu lassen, die die Ärmeren dringend benötigen würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei der Justiz soll drastisch gespart werden, obwohl man weiß, dass gerade in diesem Bereich das Sparen am falschen Platz mit teuren Folgekosten verbunden ist. Wer beim Strafvollzug und der Resozialisierung den Sparstift ansetzt, wird sich über das eingesparte Geld nicht sehr lange freuen können, weil zu befürchten ist, dass die dadurch steigende Kriminalität neben allen anderen schlimmen Folgen auch deutlich höhere Folgekosten nach sich zieht. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Sparkurs wird aber auch dazu führen, dass die wenigen positiven Punkte, die sich im Justizprogramm dieser Bundesregierung finden, wohl nur schwer umgesetzt werden können. So begrüße ich den geplanten und verstärkten Einsatz der Beschäftigungstherapie im Maßnahmenvollzug, Herr Minister, fürchte aber, dass die Praxis so sein wird, dass es noch weniger Beschäftigungstherapie als bisher geben wird, da die Bundesregierung das Geld im Budget zusammengestrichen hat. Das Gleiche gilt für die Sicherstellung spezieller Therapien während der Anhaltung sowie bei bedingter Entlassung. Ich fürchte, dass das Kranksparen im Bereich der Justiz unter anderem dazu führen wird, dass die unterlassenen Therapien die Rückfallshäufigkeit steigern werden.

Weil ich gerade von Therapien spreche: Auch in einem anderen sensiblen gesellschaftlichen Bereich droht die Politik der Bundesregierung zu deutlichen Verschlechterungen zu führen, nämlich in der Drogenpolitik. Dort ist festzustellen, dass allein durch die Einschränkung von Zivildienstplätzen deutlich ausgedrückt wird, welchen Stellenwert die Bundesregierung der Drogenpolitik zuordnet. Die Zeichen stehen leider dafür, dass das bewährte österreichische Prinzip "Helfen statt Strafen, Therapie statt Strafe" abgeschwächt wird oder gar abgelöst werden soll durch rein repressive Maßnahmen, von denen alle einschlägigen Fachleute wissen, dass sie das Gegenteil dessen bewirken, was die Anwender zu wünschen angeben.

Im Justizprogramm der Bundesregierung kommt demgemäß Drogenpolitik nur kurz oder nur im Zusammenhang mit Verschärfungen vor. So wird gefordert, dass der Scheinkauf – gemeint ist der Kauf von Drogen durch Sicherheitsorgane – gesetzlich klar zu regeln ist, wobei aber bewusst auf die Formulierung "unter rechtsstaatlichen Kriterien" verzichtet wurde. Dieser Scheinkauf kann nur dann sinnvoll sein, wenn er unter ganz klar formulierten rechtsstaatlichen Kriterien abläuft. Sonst könnte es da zu Entwicklungen kommen, die wir alle nicht wollen.

Auch das Vorhaben, Suchtmittel-Tatbestände in den Katalog nicht diversionsfähiger Straftaten aufzunehmen, zeugt von der beschriebenen Gesinnung. Es geht einzig darum, gegen Suchtkranke Stimmung zu machen und mit der Angst vor dem Suchtmittelproblem populistisch Punkte zu sammeln. Es geht überhaupt nicht um die Lösung von Problemen oder um tatsächliche Konzepte der Zurückdrängung des Suchtmittelproblems.

Ebenso ist zu erwähnen, dass das beschlossene Gesetz betreffend die Diversion – das wurde heute auch schon von Ihnen, Herr Minister, bestätigt – ohnehin kaum für den Suchtmittelbereich


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anwendbar ist. Ihnen geht es nur darum, mit emotional besetzten Schlagworten wie "Sexualstraftäter" oder "Drogendealer" eine Stimmung zu erzeugen, von der Sie sich politische Vorteile erwarten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Lösungsvorschläge sind entweder ungeeignet oder kontraproduktiv. Eine solche Politik lehne ich zutiefst ab, weil sie nicht im Interesse der Menschen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Einige Worte möchte ich zu einem anderen Thema sagen, das mir ebenfalls sehr am Herzen liegt und mich mit Sorge erfüllt. Es ist dies die Form, wie die geplante gemeinsame Obsorge von Eltern nach der Scheidung eingeführt werden soll. Ich bin mir bewusst, dass bei diesem Thema, von welchem viele persönlich betroffen sind oder wo viele jemanden kennen, der persönlich betroffen ist, eine generelle Lösung, die alle Einzelfälle zufrieden stellend regelt, nicht möglich ist. Aber gerade deshalb sollte mit einer hohen Sensibilität, wie sie unter Bundesminister Michalek durchaus gegeben war, an diese Frage herangegangen werden.

Auch Bundesminister Michalek hatte Überlegungen dieser Art angestellt, die ich nicht voll unterstützen konnte. Er hat sich dabei aber bemüht – das ist ihm anzurechnen, und das war die Qualität bei Bundesminister Michalek –, so sensibel wie möglich an dieses Thema heranzugehen und die berechtigten Einwände, vor allem von Frauenorganisationen, gegen die gemeinsame Obsorge nicht einfach vom Tisch zu wischen. Nunmehr aber scheint es zumindest so zu sein – wie es bei dieser Regierung allgemeine Vorgangsweise ist –, dass die gemeinsame Obsorge per Diktat einfach eingeführt werden soll.

Dabei wird völlig übersehen, dass diejenigen Eltern, die auch nach der Scheidung ein akzeptables Verhältnis zueinander haben, auch nach der bisherigen Gesetzeslage schon gute Möglichkeiten haben, gemeinsam an der Erziehung des Kindes mitzuwirken und dafür zu sorgen, dass das Kind auf keinen Elternteil verzichten muss. Jene Väter und Mütter, die wirklich am Wohl ihres Kindes und nicht am Ausleben von Machtansprüchen oder Rachegelüsten interessiert sind, haben sich auch bisher zusammengeredet und zu praktikablen, akzeptablen Lösungen gefunden.

In jenen Fällen aber, in denen nach der Scheidung zwischen den ehemaligen Ehepartnern kein taugliches Verhältnis mehr vorhanden ist, bringt eine gemeinsame Obsorge nach der Scheidung, sehr geehrte Damen und Herren, nur Probleme, Schmerz und unverantwortliche Nachteile für die Kinder. Das ist nicht im Sinne des Wohls des Kindes! (Beifall bei der SPÖ.)

Es darf nicht dazu kommen, dass ein Elternteil die Last, die Anstrengungen, die Verantwortung und die Mühen hat, der andere nur die Möglichkeit der Obstruktion, des unsachlichen Hineinredens und der psychischen Unter-Druck-Setzung. Ich habe den Verdacht – Sie können das ja verbessern –, dass derzeit das Gedankengut des Vereins "Recht des Kindes auf beide Eltern" im Justizministerium wieder hoch im Kurs steht. Für mich ist das kein gutes Zeichen. (Abg. Steibl: Es muss einen guten Ausgleich geben ...!) Ich warne jedenfalls davor, dass durch eine primitive Variante der gemeinsamen Obsorge wesentliche Verschlechterungen für die Kinder herbeigeführt werden.

Herr Bundesminister! Zum Abschluss möchte ich mich gerne mit Ihrer Grußbotschaft befassen, die Sie anlässlich des Festkommerses, der am Wochenende in Innsbruck stattgefunden hat, den Burschenschaften und Teilnehmern des Festkommerses übermittelt haben. Darüber ist im "Falter" unter dem Titel "Rechtsextremer Experte" einiges zu lesen. Ich möchte Sie fragen, ob das so stimmt, wie wir es hier lesen, und möchte es gerne vorlesen. (Abg. Steibl: Wir können aber selbst auch lesen!)

Zitat: "In ‚persönlichen‘, von einem Kommersteilnehmer vorgelesenen Grußworten lobte FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer einen Mann als ‚kompetent und prominent‘, der vom deutschen Verfassungsschutz schon 1997 als ‚wichtigster Protagonist rechtsextremer Bestrebungen‘ eingestuft wurde. Sein Name: Alfred Mechtersheimer" (Abg. Dr. Fekter: Das ist ja ungeheuerlich!), "ehemaliger deutscher Grün-Abgeordneter und heute gern gesehener Gast und Redner bei den deutschen rechtsextremen ‚Republikanern‘ und der rechtsextremen DVU sowie


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Begründer der rechtsextremen nationalistischen ‚Deutschland-Bewegung‘." – Und Sie sagen, dass wäre ein kompetenter Wissenschaftler!

Ich möchte Sie noch einmal kurz damit konfrontieren, was dieser Herr Mechtersheimer so von sich gibt. Er sagt zum Beispiel ... (Abg. Jung: Sind Sie da aufgeregt?) Da bin ich auch aufgeregt, das macht aufgeregt! Solche Sachen machen aufgeregt, das macht aufgeregt in diesem Staat! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Er sagt zum Beispiel: "Die für Deutschland existenziellen Probleme können nur gelöst werden, wenn die Zuwanderung teilweise rückgängig gemacht wird." (Abg. Jung: Ja?) Das sagt dieser Herr Mechtersheimer, den Sie laut "Falter" als "kompetenten und prominenten" Wissenschaftler bezeichnen.

Er sagt weiters: "Die kulturfremden ungebetenen Gäste müssen mit intelligenten humanitären Methoden zur Rückkehr oder Weiterwanderung gedrängt werden." Außerdem spricht er von "deutscher Stammbevölkerung" und "illegalen Zuwanderern" und sagt: "‚Längst hat die dritte große Vertreibung der Deutschen in diesem Jahrhundert eingesetzt. Nach dem ... Zweiten Weltkrieg nun die dritte Vertreibung aus den Stadtteilen (...).‘ Daher müssten Ausländer aus dem Gastland ausgesiedelt werden, denn ‚ohne relative kulturelle Homogenität‘ gäbe es keine Demokratie." – Das ist das Demokratieverständnis des Herrn Mechtersheimer, und so geht es weiter, so geht es dahin!

Die Conclusio des deutschen Verfassungsdienstes, Herr Brigadier Jung – ich hoffe, dass ich Sie richtig betitle –, besteht darin, dass die deutschen Verfassungsschützer feststellen: "‚Erst bei genauerer Betrachtung stellen sich seine Betrachtungen‘" – also die von Herrn Mechtersheimer – ",als Ausdruck einer Gegnerschaft zum demokratischen Rechtsstaat dar.‘ Mechtersheimers Forderungen seien als ‚Pauschalangriff auf die grundlegenden Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu werten.‘" (Abg. Jung: Solche Berichte gibt es bei uns auch!)

Da wird man aufgeregt, das ist ein Problem! Ich hoffe, Herr Bundesminister für Justiz, dass Sie sich davon distanzieren. Im Übrigen ist das, was auch gestern vorgefallen ist, sicherlich kein "Sommerthema", wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

17.24

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zu dem Zeitpunkt, als ich diese Botschaft verfasst habe – Sie wissen offensichtlich mehr –, war ich der restlosen Überzeugung, dass Herr Alfred Mechtersheimer pensionierter Oberstleutnant der deutschen Bundeswehr ist – das ist er offensichtlich wirklich – und als einer der Mitbegründer der bundesdeutschen Grünen gleichzeitig mit Petra Kelly und General Bastian politisch tätig war. Meines Wissens kam er aus der Friedensbewegung. Er soll auch Abgeordneter zum Europäischen Parlament gewesen sein. (Abg. Steibl: Sehr eigenartig!)

Wenn sich Ihre Gesinnungsfreunde später in einer für mich nicht erkennbaren Art und Weise wandeln, tut es mir Leid. Jedenfalls soll er sich in der Diskussion selbst sehr korrekt verhalten haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Steibl: Auf den Punkt gebracht! – Abg. Dr. Mertel: Sind Sie schon beigetreten, Frau Steibl?)

17.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Mainoni gelangt jetzt zu Wort. – Bitte.

17.26

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich mich den aktuellen Ereignissen und der dazu erfolgten


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abenteuerlichen Argumentation seitens der Grünen und der Roten zuwende, möchte ich zuerst ein Thema anschneiden, das meines Erachtens sehr interessant ist, nämlich: die Grenzen der Justiz, die Grenzen der Justiz anhand eines nicht sehr neuen, aber doch auch sehr aktuellen Themas.

Es ist ziemlich genau elf Jahre her, dass ein Betrugsskandal aufgeflogen ist, ein Betrugsskandal, der in Österreich neben der "Konsum"-Pleite sicherlich der größte Wirtschaftsskandal der Zweiten Republik war, nämlich WEB – IMMAG – Bautreuhand. (Abg. Dr. Mertel: Meinen Sie Rosenstingl?) Nein, Irrtum, es ist WEB – IMMAG – Bautreuhand; vielleicht haben Sie davon gehört. Ich kann Sie beruhigen, an dieser Stelle stehe ich nicht an, politische Mitbewerber zu loben. Es war nämlich damals die jetzige stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten, Frau Gabriele Burgstaller, die in Salzburg im Jahr 1989, als sie in der Arbeiterkammer tätig war, diesen Skandal ans Licht gebracht hat. Ich stehe nicht an, auch hier dafür Lob zu zollen.

Es ist allerdings eine Ironie des Schicksals gewesen, dass gerade sie eigentlich dafür verantwortlich war, dass später zwei hochrangige SPÖ-Politiker über diesen Skandal gestürzt sind. Es war dies der stellvertretende Landeshauptmann und Landesparteiobmann der SPÖ, und es war dies der rote Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg. Beide sind über diesen Skandal zu Fall gekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade am heutigen Tag findet der zweite IMMAG-Prozess am Landesgericht Salzburg statt. Ich nenne Ihnen dazu einige Zahlen. Es sind nun elf Jahre vergangen, seit diese Geschichte aufgekommen ist. Der Schaden beträgt zirka 2 Milliarden Schilling. 10 000 Anleger wurden geschädigt. Mehr als 100 Millionen Schilling hat die Justiz für Gutachten ausgegeben. Es hat bis jetzt insgesamt sechs erstinstanzliche Verurteilungen zu insgesamt 42 Jahren Gefängnis gegeben. Bemerkenswert ist, dass dieses Urteil ein Jahr nach der mündlichen Urteilsverkündung noch immer nicht schriftlich ausgefertigt ist. Wann das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sein wird, traut sich niemand zu sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Causa WEB ist ein klassischer Fall von organisierter Kriminalität. Eine deutsche Arbeitsgruppe von Vertretern der Justiz und der Polizei definierte die organisierte Kriminalität folgendermaßen: Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten und so weiter; und jetzt ist bitte wichtig: oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz und Wirtschaft. (Abg. Öllinger: Liechtenstein!) Liechtenstein ist auch ein geeignetes Beispiel dazu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer der hauptschuldigen Drahtzieher dieses Skandals, der bis heute Prozesse mit sich bringt, war ein ehemaliger Staatsanwalt und hoher politischer Funktionär, nämlich Herr Norman Graf. Bei diesem Skandal mussten sich beinahe alle Richter in dieser Causa als befangen erklären. Im Finanzministerium gibt es eine Reihe von Beamten, die in den achtziger Jahren Teilnehmer und Vortragende bei Seminaren in Siena waren, organisiert von einem Mann, der in Salzburg gerade heute als Beschuldigter im zweiten IMMAG-Prozess vor Gericht steht.

Ein ehemaliger Bundeskanzler, meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorher Bankdirektor war, gewährte diesem WEB-Imperium unter anderem einen Kredit von 30 Millionen Schilling, und als dieser uneinbringlich zu werden drohte, erfolgte die Finanzierung über Hausanteilsscheine. Das bedeutete aber, dass Tausende kleiner Anleger geschädigt wurden, als dieses Imperium zu Bruch ging.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Profiteure dieses Skandals sind einige Geld- und Immobilienhaie, vor allem aber auch Banken, weil auf diesen Umwegen ihre Außenstände sozialisiert und Verluste letztendlich gleichmäßig auf die kleinen Sparer verteilt wurden.

Landeshauptmann-Stellvertreter Radlegger, der von sich aus zurücktrat, bekam eine kostenlose Wohnungssanierung von der WEB. Bürgermeister Reschen hatte Beteiligungen an diesem Imperium, von dem er nichts wissen wollte – er musste zurücktreten. Der Chefredakteur des Aktuellen Dienstes im ORF in Salzburg wechselte einige Wochen vor der Strafanzeige gegen dieses Imperium zur WEB, und zwar als Direktor. Seine Gattin hatte schon vorher von diesem


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Unternehmen eine halbe Million Schilling an Provision bekommen. Der nunmehrige Stellvertreter des Chefredakteurs einer Salzburger Zeitung schrieb mehrmals Artikel in der Sonderbeilage für die WEB, die beiden Landeshauptmann-Stellvertreter steuerten jeweils Geleitworte bei.

Mehrere Bedienstete der Staatsanwaltschaft, sehr geehrte Damen und Herren, wurden vom Geschäftsführer der WEB zu Essen und Trinken eingeladen. Der jetzige Leiter der Staatspolizei in Salzburg bekam, wie aus einem Brief des Hauptbeschuldigten hervorgeht, von der WEB eine Wohnung, und letztendlich saßen die Vorstände der Salzburger Banken zugleich in den Gremien dieses Imperiums.

Meine Damen und Herren! Ein Gerichtsverfahren gegen ein Firmenimperium, das alle Tatbestände der organisierten Kriminalität erfüllt, das nun schon elf Jahre dauert, dessen Ende nicht absehbar ist, wo erstinstanzliche Urteile nicht einmal schriftlich ausgefertigt wurden, 2 Milliarden Schilling Schaden entstanden und unter anderem 10 000 Anleger geprellt worden sind – das sind die Grenzen der Justiz!

Ich wende mich nun noch ganz kurz diesen abenteuerlichen Aussagen der Kollegen Jarolim und Van der Bellen und Co. zu. "Verleumdungs-Propaganda auf den Leim gegangen", "Denkweise eines totalitären Regimes" und so weiter und so fort war da zu hören. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, bleiben wir doch bei der Sache! Und selbstverständlich teile und verteidige ich die Meinung unseres Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider, denn Sie verdrehen hier die Tatsachen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich werde Ihnen auch sagen, warum: Die Bedeutung des Gelöbnisses, das in § 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates normiert ist – und Sie sollten, wenn Sie die Nationalratsgeschäftsordnung kennen, auch diesen Paragraphen kennen –, ist so groß, dass, wenn die Angelobung nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise abgelegt wird, ein Abgeordneter seines Mandates verlustig wird.

Der Gesetzgeber (Abg. Öllinger: Sprechen Sie es aus!)  – letztendlich wir, aber auch der Verfasser dieser Nationalratsgeschäftsordnung – hat sich ja etwas dabei gedacht. Das ist ja bedeutungsvoll! In anderen Rechtsmaterien, sehr geehrte Damen und Herren Sozialdemokraten, würde ein Verstoß gegen ein Gelöbnis auf die Republik sehr wohl geahndet.

Ich nehme es deshalb nicht zur Kenntnis, dass uns Herr Van der Bellen oder Herr Jarolim oder wer auch immer ein Denkverbot verordnen will (Ruf bei der SPÖ: Was?), nämlich Denkverbot darüber, ob wir die Bedeutung dieses Gelöbnisses heben und mit Leben erfüllen oder nicht. Ich lasse mir von Ihnen sicherlich kein Denkverbot verhängen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das ist ja wie in der Systemzeit! Einem Abgeordneten das Mandat aberkennen! Da brauche ich doch gar nicht nachzudenken! Dafür gibt es den Wähler, und nicht die Justiz! Ungeheuerlich! Mandate kann nur der Wähler wegnehmen und nicht die Justiz! Wo kommen wir denn da hin? ... wie in einem Polizeistaat! – Abg. Gaugg: Die SPÖ hat ja keine Mehrheit mehr, das geht also nicht mehr!)

17.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.34

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist sehr bemerkenswert, was in dieser Debatte so alles ans Tageslicht kommt. (Abg. Parnigoni: Da gebe ich Ihnen Recht!) Bei einigen kann es sein (Ruf bei der SPÖ: Wunschdenken!), dass sie vielleicht die rechtlichen Hintergründe nicht in allen Details kennen, aber in einer Art Korpsgeist der eigenen Fraktion, dem eigenen Ex-Parteiobmann hier Unterstützung leisten.

Bei anderen – und zu jenen gehört der amtierende Justizminister! – kann das nicht der Fall sein – ich wiederhole: kann das nicht der Fall sein! –, denn dieser weiß genau, wovon er redet, ebenso wie Herr Dr. Haider genau weiß, wovon er redet, und auch diese Äußerungen, die dann


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für leider sehr viel Aufsehen gesorgt haben, sind ja nicht irgendwie passiert, sondern waren geplant. (Abg. Ing. Westenthaler: So klar wie Ihr Überfall auf den Bauernhof, der war auch geplant!)

Der Herr Bundeskanzler ist leider nicht mehr anwesend: Es ist selbstverständlich die Absicht gewesen, ein Sommerthema zu schaffen, das heißt, dass ein Nicht-Bundespolitiker durch eine Provokation bundespolitisch im Gespräch bleibt, und der zweite Zweck ist ebenso klar, nämlich innerhalb der FPÖ und gegenüber dem Koalitionspartner ÖVP sehr klar zu sagen, wer in der FPÖ den Ton angibt. Diese beiden Zielsetzungen – Provokation und Klarstellung der Führungsrolle innerhalb der FPÖ – waren die Intention. (Abg. Gaugg: Was Sie alles wissen! Es täte mich interessieren, woher!)

Herr Justizminister! Sie kennen Herrn Dr. Haider nicht erst seit gestern, Sie kennen auch die Eklats, die es in der letzten Zeit gab und die von der ÖVP regelmäßig heruntergespielt worden sind. Nach der Aschermittwochrede, nach den "Strolchis", nach dem "Humpen" und dem "Dumpen" haben Sie ja immer gesagt, das sei alles sehr lustig.

Mittlerweile scheint Herr Dr. Khol, der dieser Debatte ja ostentativ fernbleibt (Abg. Gaugg: Der Gusenbauer ist überhaupt nie mehr da im Parlament!)  – ich weiß gar nicht, ob ich ihm das noch positiv anrechnen soll –, gemerkt zu haben (Abg. Böhacker: Wo ist der Van der Bellen?), wie weit diese Strategie des Provozierens geht. Man weiß ja: Was soll denn die ÖVP schon tun? Diese Koalition wurde nun einmal abgeschlossen, Sanktionsmittel gibt es nicht. Sie können das alles nur als immer noch lustiger bezeichnen; bezahlte Faschingsredner, all das ist schon gefallen. – Sehr lustig alles, Frau Abgeordnete Bauer, ich fürchte nur, für Österreich ist das gar nicht lustig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Ich bin ganz gerührt!)

Herr Dr. Böhmdorfer! Sie können auch nicht sagen, dass Sie diese Äußerung wie irgendeine Äußerung im Bereich eines politischen Vorstoßes werten. (Abg. Ing. Westenthaler: Erzählen Sie uns doch etwas von Ihrer Verurteilung! War das Hausfriedensbruch oder Besitzstörung?) Es war ja Ihre gemeinsame Pressekonferenz. Wenn ich mich neben jemanden setze und mit ihm oder ihr gemeinsam etwas erkläre, dann gehe ich davon aus, dass man sich gemeinsam überlegt hat, was die mediale Botschaft eines Vorstoßes sein soll. Qui tacet, consentire videtur! Also auch wenn Sie nur daneben sitzen, heißt das etwas. (Abg. Gaugg: Sie sitzen ja auch neben dem Herrn Feurstein!) Ich nehme doch nicht an, dass Sie mit irgend jemandem gemeinsam eine Pressekonferenz veranstalten!

Ich habe mir Ihre Ausführungen vorhin sehr aufmerksam angehört, denn mir ist es anfangs ähnlich ergangen wie meiner Kollegin Stoisits. Auch ich habe mir gedacht, ich möchte eigentlich gerne wissen, in welcher Art und Weise Sie das Amt ausüben. Bei einigen Äußerungen von Ihnen habe ich mir gedacht: Ja, die finde ich recht bemerkenswert. Heute aber haben Sie gesagt, dass Sie darin einen Vorschlag sehen – das wird man wohl noch sagen können – und dass Sie eben gemeinsam mit demjenigen, der ihn geäußert hat, diese Veranstaltung durchgeführt haben. (Abg. Böhacker: Ich sitze ja auch mit Ihnen da herinnen!) Weiter haben Sie gesagt, Sie wollen beobachten, was sich in der Gesellschaft ändert, dann werde man sehen und allenfalls notwendige Schritte setzen. Das halte ich für gefährlich!

Es gibt immer Stimmungen in der Gesellschaft, die sich ändern. Ich würde gerne von Ihnen wissen: Wo sind denn die Grenzen, bis zu denen Sie Stimmungen, die sich vielleicht ändern, auch als Justizminister aufnehmen? Wenn zum Beispiel eine Stimmung aufgebaut wird, und zwar gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, gegen Menschen mit anderen Bekenntnissen, gegen irgendeine Personengruppe, sagen Sie dann auch: Das hat sich halt geändert, und jetzt müssen wir eben die Gesetze ändern!? – Das kann ja wohl nicht wahr sein! (Abg. Dr. Fekter: Ihre Verhetzung ... war ja auch genau dasselbe!)  – Frau Abgeordnete Fekter, dass Sie in diese Richtung schon sehr weit – zu weit! – gegangen sind, nehme ich jeden Tag wahr. (Beifall bei den Grünen.) Ich denke, Herr Dr. Khol sieht das mittlerweile anders, aber er ist da auch gleichsam mitgefangen.


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Also: Beobachten! – Wie weit soll das gehen? Bis jenseits der Grenzen der europäischen Menschenrechtskonvention, bis jenseits der Grenzen der Verfassung? (Abg. Dr. Fekter: Davon ist ja gar nicht die Rede!) Ist das beliebig, wie sich Stimmungen verändern können und wie sich der freie Wettbewerb der Meinungen gestalten kann?

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, es gebe einen freien Wettbewerb der politischen Ideen. – Ja, das stimmt! Es ist doch in diesem Wettbewerb der politischen Kräfte insbesondere die Aufgabe der Opposition und damit ein begründender Bestandteil von Demokratie, Kritik an der Regierung zu üben! (Abg. Jung: Das tun Sie ja gerade! Das ist zulässig!) Und nicht zuletzt die freiheitliche Fraktion hat während ihrer Oppositionszeit von diesem legitimen Recht der Opposition immer wieder – sehr lautstark, sehr hörbar und damals in Richtung einer anderen Regierung – Gebrauch gemacht.

Und was soll das wirklich heißen? Sie können ja nicht bei Ihrer Pressekonferenz sitzen und sagen: Das ist irgendein Vorschlag, den wir weiter verfolgen werden! – Sagen Sie uns doch bitte: In welcher Richtung verfolgen Sie ihn jetzt? Was heißt "den Interessen der Republik zuwiderhandeln"? Was heißt das?

Das kann ein Bekenntnis zu den Gesetzen und der Verfassung sein. – Dann aber ist es positivrechtlich geregelt, dann brauchen wir nichts doppelt zu moppeln, denn was die Handlungen gegen den Staat und seine Interessen betrifft, gibt es eine Fülle von Paragraphen – und Ihnen, Herr Dr. Böhmdorfer, sind sie bekannt!

Es gibt den 14. Abschnitt des Strafgesetzbuches: Hochverrat, andere Angriffe gegen den Staat, den 15. Abschnitt: Angriff auf oberste Staatsorgane, den 16. Abschnitt – jeweils mehrere Paragraphen –: Landesverrat, den 17. Abschnitt: strafbare Handlungen gegen das Bundesheer, den 18. Abschnitt: strafbare Handlungen bei Wahlen und Volksabstimmungen, den 19. Abschnitt: strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt, den 20. Abschnitt: strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden und den 21. Abschnitt: strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege! Schließlich gibt es auch noch den 24. Abschnitt: Störungen der Beziehungen zum Ausland!

All das ist in diesem Land unter Strafe, unter schwere Strafe gestellt. Das sind teilweise sogar Delikte, bei denen bereits die Vorbereitungshandlungen unter Strafe stehen!

Wenn Sie oder irgendjemand sonst in diesem Raum der Meinung ist, dass jemand – ob in diesem Haus oder außerhalb – eine dieser Bestimmungen verletzt hat, dann handeln Sie! Bei Ihnen ist das gar nicht einmal etwas, was Sie sich aussuchen können. Wenn Sie der Meinung sind, dass die Staatsanwaltschaft zu Unrecht nicht agiert, nicht amtswegig vorgeht, dann müssen Sie aktiv werden und die Staatsanwaltschaft anhalten, ihrer Pflicht nachzukommen und Offizialdelikte zu ahnden.

Herr Dr. Böhmdorfer! Sie kennen den § 84 StPO. Sie wissen das genau. Sie können nicht sagen: Ich habe mir halt nichts dabei gedacht!, wie das vielleicht manch anderer möglicherweise sagen kann. Sie wissen, dass all das gilt.

Wenn sämtliche Angriffe gegen den Staat – gegen die Verfassung, gegen die obersten Staatsorgane, gegen das Bundesheer, gegen Wahlen, gegen die Rechtspflege, gegen den öffentlichen Frieden, gegen die Staatsgewalt und auf die Beziehungen zum Ausland –, wenn alle diese Handlungen unter strengen Strafen stehen, hier und heute, und Sie, Herr Dr. Böhmdorfer, das sogar ahnden müssen, dann frage ich Sie noch einmal: Was soll dieser Vorstoß? Welche anderen Interessen der Republik Österreich könnten denn da gemeint sein? Dann kann es nur mehr auf ein Gesinnungsstrafrecht hinauslaufen – und deswegen die Empörung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass bei einem solchen Gesinnungsstrafrecht hier Vergleiche an eine dunkle Vergangenheit hochkommen, ist nicht überraschend. Das ist keine Konstruktion, sondern das erinnert fatal an das, was leider einmal auf dem Gebiet dieses Staates Unrecht war. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie ist das mit der Besitzstörung?) Das ist ein Vergleich aus der Vergangenheit, der sich leider aufdrängt und der tatsächlich in die Richtung eines Gesinnungsstrafrechtes läuft. Was den


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Interessen der Republik nützt oder schadet, entscheiden alle Mal die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bei Wahlen – und niemand anders! (Beifall bei den Grünen.)

Da stehen die politischen Programme und diejenigen, die für diese politischen Programme eintreten und in wahlwerbenden Gruppen auftreten, tatsächlich in einem Wettbewerb. Dabei wird es unterschiedliche Vorstellungen geben, etwa ob der freie Warenverkehr oder der Transitvertrag das Höhere, das Wichtigere, das Schützenswertere ist! Es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen in praktisch allen Politikbereichen – in der Innenpolitik, in der Außenpolitik. Und das muss wohl legitim sein.

Das, was sich gegen den Staat, alle seine Organe und Einrichtungen richtet, steht unter Strafe. Das andere, nämlich die politischen Parteien und ihre sehr verschiedenen Auffassungen, stehen in einem Wettbewerb. Und dieser Wettbewerb ist konstitutiv für die Demokratie! Ich wiederhole also meine Frage: Was, Herr Dr. Böhmdorfer, sollte dieser Vorstoß sein, wenn nicht eine Absage an diese freie Meinungsäußerung? – Dann geht es in die Richtung der Majestätsbeleidigung (Abg. Ing. Westenthaler: Dafür ist der Bundespräsident zuständig!), dann geht es in die Richtung einer Gleichsetzung von Regierung und Staat und damit einer Beschneidung der Oppositionsrechte. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wurde heute von jemandem – ich weiß nicht ob aus Unwissenheit oder in bewusster Verdrängung der Tatsachen – gesagt, es müsse diesen Bestimmungen dann auch die Konsequenz folgen. Auch derjenige, der das gesagt hat, scheint die entsprechenden Artikel der Bundesverfassung nicht zu kennen. Darin steht nämlich, und zwar bei allen obersten Staatsorganen, vom Bundespräsidenten abwärts, die jeweilige Sanktion, wenn die Amtspflichten verletzt werden. Das heißt: Es ist in der Verfassung – in den Artikeln 142, 143, hinsichtlich der Bundesregierung im Artikel 74 und so weiter – genau geregelt, was zu passieren hat, bis hin zur Amtsenthebung, zum Amtsverlust, zur Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof. All das ist geregelt!

Jetzt sagen Sie mir bitte: Wo ist jene Lücke, die Sie in Ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mit Herrn Dr. Haider angesprochen haben? Bei Ihnen als Justizminister geht es sicherlich nicht an, dass Sie das als irgendein Sommerthema bezeichnen und meinen: Die Leute – genauer: manche Leute – wollen vielleicht nicht, dass man Kritik an der Regierung übt, sagen wir halt, dass es dafür eine Strafdrohung geben soll.

Also so salopp kann das wohl bitte nicht gehen! Sie haben eine erhöhte Sorgfaltspflicht, wenn es um die demokratischen Errungenschaften geht, wenn es um Oppositionsrechte geht und auch wenn es um die Teilnahme an Presseveranstaltungen geht, bei der Sie offenbar – ich weiß nicht, ob das der Fall ist – im Vorfeld nicht oder nicht ausreichend abgesprochen haben – oder vielleicht doch, ich weiß ja nicht –, was dabei herauskommen soll.

Es hat im Vorfeld so geklungen, als hätte Herr Dr. Haider im Rahmen dieser Pressekonferenz aufs Geratewohl einen Vorschlag erfunden. Das, Herr Dr. Böhmdorfer, glaubt niemand! (Beifall bei den Grünen.)

Ich schätze Sie nicht als so unerfahren oder so naiv ein – Sie sind ja gemeinsam mit Herrn Dr. Haider in Ihrer früheren Funktion als sein Rechtsvertreter oftmals vor Gericht gestanden. Sie werden sich mit ihm auch besprochen haben, wie Äußerungen zustande kommen. Es nimmt Ihnen also kein Mensch ab, wenn Sie sagen: Das war halt so eine spontane Idee, wir haben uns das nicht genau überlegt.

Das könnte man vielen anderen in diesem sensiblen Bereich der Verfassungsrechte auch nicht abnehmen, aber gerade bei Ihnen ist das eine Grenzverletzung, die so nicht mehr angeht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Steibl zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.50

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich denke, dass es wieder an der Zeit ist, zur inhaltlichen Arbeit zurückzukehren, sprich zur Thematik des


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Justizausschusses, worum es geht, was die Regierung vorhat, und auch zum Budget. Von meiner Vorrednerin kann man ja nicht behaupten, dass sie davon gesprochen hat. Das war meiner Meinung nach eine sehr polemische Rede. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum SPÖ-Flügel möchte ich sagen: In Ihrem Minderheitsbericht können Sie es auch unter dem Kapitel "Justiz" nicht unterlassen, von einem unsozialen Sparpaket, das gerade genug zum Überleben bietet, zu sprechen. Sie wissen, warum wir sparen müssen: weil es ein Budgetloch gibt, das uns vom Herrn Kollegen Edlinger mit auf den Weg gegeben wurde. (Abg. Schwemlein: Sie wollten unbedingt regieren! Jetzt beklagen Sie sich nicht!) – Das ist die Wahrheit der SPÖ.

Erlauben Sie mir nun, auf einige Punkte einzugehen, die wir im Regierungsprogramm von Anfang an ... (Abg. Edlinger: Sie waren die letzten 13 Jahre nur Statisten, aber ich war nur drei Jahre Finanzminister!)  Man kann auch etwas vertuschen. Ich kenne mich da auch aus, ob ich meinem Mann vom Haushaltsbudget alles sage oder nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Gut.

Außerdem setzt sich das ja in der Steiermark fort. Herr Landesrat Ressel spricht auch nicht die volle Wahrheit, und es ist jetzt nicht umsonst die Thematik aufgebrochen, wie es wirklich mit dem steirischen Budget ausschaut. (Abg. Fischl: Das ist systemimmanent bei der SPÖ!)

Ich denke, dass wir eine Zielsetzung formuliert haben, und ich möchte nur auf einige Punkte eingehen, und zwar als Erstes auf das Kindschaftsrecht. Auch hierzu sind wir anderer Meinung, als sie die Kollegin Wurm hier vorgetragen hat. Es ist dies eine Materie, die einer besonderen Verantwortung bedarf.

Wir sprechen uns für die gemeinsame Obsorge über einvernehmlichen Antrag unter Wahrung des Kindeswohls bei richterlicher Begleitung aus. Der Begriff der Obsorge umfasst die Pflege und Erziehung eines Kindes, seine Vertretung und die Verwaltung seines Vermögens. Im Optimalfall wird die Obsorge von beiden Elternteilen wahrgenommen.

Wie wir alle wissen, werden in Österreich derzeit 34 Prozent aller Ehen geschieden, und im Durchschnitt gibt es 18 000 bis 20 000 Kinder, die davon betroffen sind. Es sind diese betroffenen Kinder, aber auch deren Eltern, die eine besondere Hilfe und Stütze brauchen. Daher müssen wir uns im Sinne des Kindeswohls auch an die sich ändernden Lebensformen anpassen. Damit die Scheidungskinder nicht noch zusätzlich am emotionalen und psychischen Verlust eines Elternteiles zu leiden haben, ist die ÖVP grundsätzlich für eine gemeinsame Obsorge der geschiedenen Eltern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir versuchen, für getrennt lebende und geschiedene Eltern die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge zu schaffen. In jenen Fällen, in denen eine gemeinsame Obsorge nicht möglich ist, setzen wir uns natürlich für eine Verbesserung der Auskunftsrechte und Informationspflichten im Falle alleiniger Obsorge ein, denn nur eine gewisse Transparenz entspricht in erster Linie dem Wohl des Kindes und bewirkt eine Stärkung der Kinderrechte.

Apropos Stärkung der Kinderrechte: Die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre würde einen Gleichklang im Vergleich zu anderen europäischen Staaten herstellen. (Abg. Schwemlein: Auch die Herabsetzung des Wahlalters würde dem entsprechen!) Es müssen parallel dazu aber Maßnahmen, insbesondere im Bereich des Jugendstrafrechtes und des Unterhaltsvorschussrechtes, gesetzt werden. Für den Unterhaltsvorschuss sind im Bundesvoranschlag 2000 bereits über 1,1 Milliarden Schilling veranschlagt, und der Aufwand ist stark steigend, da leider die Zahl der Kinder, für die Unterhaltsvorschuss gezahlt werden muss, ebenfalls steigt.

Ein weiterer Punkt in diesem Bereich in unserem Regierungsprogramm ist auch die Ausdehnung der Mediation – insbesondere beim Besuchsrecht – mit dem Ziel einer raschen Konfliktregelung. Das Thema "Gewalt in der Familie" darf und wird auch in Zukunft nicht ausgenommen werden. Im Regierungsübereinkommen steht explizit der Ausbau des Opferschutzes.


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Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Bereich der Adoption. Wir werden uns hier genau überlegen, wie wir durch Reformen eine Verbesserung herbeiführen können. Wir, werte Kolleginnen von der SPÖ, überlegen uns gezieltere Formen, denn wir wollen nicht durch abwertende Aktionen wie Ihren so genannten Rabenmutter-Tag unnötige Ängste schüren. (Abg. Silhavy: Das ist überhaupt nicht abwertend!) Auch das kann man in diesem Zusammenhang sehen. Allein das Wort "Rabenmutter" ist schon so negativ besetzt, dass es nicht der Würde des Parlaments entspricht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Binder: Wer bezeichnet denn die Mütter als "Rabenmütter"?)

Ich kann ein Thema auch positiv transportieren; das Wasserglas kann halb voll oder halb leer sein. Ich frage mich, ob du, liebe Kollegin Silhavy, gerne eine Rabenmutter genannt würdest. Das glaube ich nicht. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir distanzieren uns ganz konkret von solchen Begriffen und werden auch im Bereich der Adoptionsmaterie für erforderliche Rahmenbedingungen sorgen, insbesondere für den Abbau der bürokratischen Hürden, die die Adoptionsfreigabe maßgeblich erschweren. Adoptionen müssen ebenso wie Pflegeelternschaft endlich in Richtung einer sozialen Elternschaft eine Form der angemessenen Anerkennung finden.

Zum Schluss möchte ich noch ein wichtiges Anliegen aus der Steiermark anbringen, etwas, was Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic in Zusammenarbeit mit der Caritas schon vor Monaten in die Wege geleitet hat: Für Mütter, die in einer Notsituation ihr Kind weglegen, soll in der Steiermark eine Babyklappe eingerichtet werden, mit deren Hilfe vielleicht doch das eine oder andere Leid gelindert werden kann – wissend, welche Probleme mit dieser Hilfe auf uns zukommen. Ich würde mir wünschen, dass es gelingt, dass sich die Regierungsparteien durchsetzen und zu diesem so sensiblen Thema eine Enquete in die Wege leiten können, an der sich alle beteiligen und bei der wir auch einen Schritt weiterkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.58

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Skandal WEB – Bautreuhand – IMMAG als Beispiel für die Grenzen der Justiz anzuführen, lieber Kollege Mainoni, ist schlichtweg falsch. Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass die Freiheitliche Partei, sprich Abgeordneter Mainoni, sich dieses Problems annimmt, zu dessen Aufdeckung und Aufarbeitung sie überhaupt nichts geleistet hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Gegenteil: Es gibt den Bericht des Landtages über den Untersuchungsausschuss, an dem auch freiheitliche Politiker teilgenommen haben. Sie haben dort so getan, als hätten sie es immer gewusst. Wissen Sie, welche Antwort auf die Frage des Vorsitzenden kam, warum sie nicht angezeigt haben? – Wir haben uns nicht getraut, wir haben Angst gehabt, dass sie uns klagen! Das war die Realität der Freiheitlichen Partei in Salzburg!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgedeckt hat diesen Skandal die Arbeiterkammer Salzburg – jene Arbeiterkammer, die Sie angreifen. (Abg. Böhacker: Das hat er eh gesagt! – Abg. Schwarzenberger: Das hat er ja gesagt!) Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen ganz kurz zu sagen, was von uns geleistet worden ist. Wir haben über 20 000 Geschädigte in der Arbeiterkammer Salzburg betreut. Wir haben mehrere Prozesse geführt; ein Teil der Prozesse läuft noch, einige haben wir beim Obersten Gerichtshof gewonnen. Wir haben zur Erledigung über zweieinhalb Jahre zusätzlich zwei Mitarbeiter einstellen müssen, und die Beratung führen wir derzeit noch durch.

Herr Bundesminister! Bedenklich ist – jetzt komme ich auf die Worte des Abgeordneten Mainoni zurück –, dass der Rechtsstaat für Verfahren dieser Dimension nicht gerüstet ist. Ich rede hier nicht von den Grenzen der Justiz, sondern ich sehe das als politische Herausforderung, wie man


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White-collar-Kriminalität, Vermögensanlagedelikte, die immer mit Vorsatz verbunden sind, effektiv bekämpfen kann.

Noch etwas, Kollege Mainoni, und zwar zu den von dir genannten Namen der beiden sozialdemokratischen Politiker: Das war äußerst einseitig! Gegen keinen einzigen wurde jemals ein Strafverfahren geführt. Hauptverantwortlich war euer Koalitionspartner, nämlich die Österreichische Volkspartei, hauptverantwortlich war der ehemalige Landtagspräsident Dr. Zyla, gleichzeitig Finanzreferent der ÖVP, der für diesen Skandal und für diese Malaise gemeinsam mit anderen verantwortlich ist.

Beschuldigt sind Organe der Gesellschaften, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, wovon einer der Freiheitlichen Partei sehr nahe steht, sowie Banken. Jetzt läuft das zweite Verfahren. (Abg. Dr. Pumberger: Nur anschütten! Sie sind ein Anschütter!) Das Urteil erster Instanz – es wird über 1000 Seiten haben – haben wir noch nicht bekommen.

Herr Bundesminister! Wir werden zu einem anderen Zeitpunkt über dieses Problem diskutieren müssen, weil es um die Stellung der Privatbeteiligten im Strafprozess geht. Kollege Ofner hat in der vergangenen Gesetzgebungsperiode dazu einen Antrag eingebracht, den ich persönlich für etwas überzogen halte, aber die grundsätzliche Problemstellung, dass sich Strafgerichte auch bei einer entsprechenden Darstellung durch Rechtsvertreter weigern, zuzuerkennen, halte ich für ein großes Problem in Österreich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt möchte ich wirklich zu meiner eigentlichen Rede kommen, die ich hier halten wollte.

Herr Bundesminister! Was denkt der in Anwaltskreisen als äußerst streitbar und wortgewandt bekannte Anwalt und nun Bundesminister für Justiz Dr. Böhmdorfer, der Partei- oder Leibanwalt Jörg Haiders, der seit 15 Jahren in einer Unzahl von Verfahren der FPÖ eingeschritten ist? – Lassen Sie mich doch eines ganz klar sagen: Sie waren derjenige, der den absurden FPÖ-"Demokratievertrag" mitverfasst hat, in dem das Nichteinhalten von Wahlversprechen von FPÖ-Politikern einklagbar werden sollte. – Eine Wählertäuschung sondergleichen, da dieser nun zur Anwendung gelangen müsste, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierungspolitik mit führender FPÖ-Beteiligung ist nämlich gekennzeichnet durch das Nichteinhalten von Wahlversprechen. Es ist eine Politik der gebrochenen Versprechen: wie versprochen so gebrochen!

Dem schließt sich natürlich die Frage an: Für welche Justizpolitik steht dieser Bundesminister für Justiz eigentlich? Sie, Herr Minister Böhmdorfer, wurden in den Medien auch als "Haiders Mann für das juristisch Grobe" bezeichnet. Und ich glaube schon, dass Sie das gestern anlässlich der Pressekonferenz mit Jörg Haider bestätigt haben.

Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen: Allein das Ansinnen Jörg Haiders, einen möglichen Funktionsverlust bei Volksvertretern ins Auge zu fassen, wenn diese gegen ihr Treuegelöbnis und damit gegen die Interessen des eigenen Staates verstoßen, stellt schlichtweg einen Anschlag auf die Demokratie, auf die Meinungsfreiheit sowie auf das freie Mandat aller Abgeordneten dar.

Wenn ich die Worte des Abgeordneten Mainoni aufgreife, der sich "kein Denkverbot" geben lassen will, der das "Gelöbnis mit Leben" erfüllen will, dann kann ich das nur so verstehen, dass das tatsächlich administriert werden soll und politisch Andersdenkende verfolgt werden sollen. – Das ist nicht die Freiheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wir meinen. Sie meinen sie, wir nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Die Freiheit Haiders!)

Herr Bundesminister! Es gebe noch viel zum Justizprogramm der blau-schwarzen Einheitspartei zu sagen. (Abg. Böhacker: Ihr übernehmt alles von uns!) Vielleicht nur einige konsumentenpolitische Feststellungen: Ich halte die Absage an die Beweislastumkehr sowie die Festlegung, bei der Umsetzung von EU-Richtlinien keinen höheren Standard zu normieren, aus konsumentenpolitischer Sicht für absolut bedenklich. Bislang war es Zeichen der österreichischen Konsu


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mentenrechtspolitik, höhere Standards einzuführen. Ich denke da etwa nur an das Teilzeitnutzungsgesetz, in dem wir eben eine Rücktrittsfrist von zwölf statt zehn Tagen, wie es in der Richtlinie steht, vorsehen. Diese Justizpolitik – das befürchte ich – bedeutet eine Umkehr der österreichischen Konsumentenrechtspolitik. Und das wird daher von uns abgelehnt.

Wir werden Sie, Herr Bundesminister – das kann ich Ihnen jetzt schon sagen –, an Ihren Taten messen. Bei der Umsetzung der Verbrauchsgüterrichtlinie werden wir sehen, wo Sie stehen: ob Sie ein bedingungsloser Vollstrecker dieses blau-schwarzen Regierungspaktes sind oder sich den Namen "Konsumentenschutzminister" wirklich verdienen.

Ganz kurz zum Schluss: Das Budget 2000 ist ein Sparpaket. Die Kritik der Richtervereinigung und der Gewerkschaft kennen Sie. Ich weise nur auf das Problem der Einsparung von 28 Richter-Planstellen hin und verweise auf die Probleme, die die Strafjustiz jetzt bereits hat. Im Hinblick auf die schon jetzt vielfach kritisierte Langsamkeit der Strafjustiz – ich bin wieder beim WEB-Verfahren – muss damit gerechnet werden, dass mit dieser Einschränkung den Interessen der Geschädigten, aber auch der Beschuldigten an einer raschen Verurteilung überhaupt nicht mehr entsprochen werden kann.

Herr Bundesminister! Ihr Programm enthält vieles, dem man vielleicht auch zustimmen kann. Andere Bereiche wurden nicht angesprochen: so beispielsweise eine Reform des Strafrechtsentschädigungsgesetzes oder eine Neuregelung des Privatkonkurses. Diese Liste ließe sich fortführen.

Abschließend, Herr Bundesminister Böhmdorfer: Sie haben anlässlich Ihrer Bestellung den Medien mitgeteilt, den Konsensweg suchen und die Grundfesten des Rechtsstaates sichern zu wollen. – Mit der von Ihnen zurzeit angedachten Justizpolitik wird allerdings ein Konsens mit der Sozialdemokratie nur schwer erreichbar sein. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Der Minister ist bekannt dafür, dass er schwierige Aufgaben löst!)

18.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

18.07

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt Verschiedenes gehört: Verschiedenes, das zum Budget gepasst hat, Verschiedenes, das zur Justiz gepasst hat, und Verschiedenes, das unpassend war. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Aber geh!)

Wie ich soeben erfahren habe, war auch der Beitrag der Kollegin Wurm unpassend; wir haben dies gleich vermutet. Frau Wurm war falsch informiert und hat aus einem Vorabzug des "Falter", der morgen erscheinen soll, vorgelesen. Wie sich zwischenzeitig herausgestellt hat, hat auch der "Falter" erkannt, dass eine Falschinformation vorliegt, und der "Falter" wird morgen ohne diesen entsprechenden Beitrag, den Frau Wurm zitiert hat, erscheinen. – So viel zu den Ausführungen von Frau Wurm. (Beifall und Oje-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist die "Seriosität" der Sozialdemokraten!)

Nun aber, meine Damen und Herren, zur Budgetdebatte, zum Kapitel Justiz. Wie wir alle wissen – auch Kollege Jacky Maier – dient die Rechtsordnung der Erhaltung und Sicherung der Freiheit der Bürger. Die Freiheit des einen – das wissen wir – endet dort, wo sie zwanghaft in die Freiheit des anderen eingreift. Dabei hat sich unsere Fraktion – Sie wissen das! – stets dem Schutz der Schwachen verschrieben. Schwach sind meiner Meinung nach diejenigen, die sich nicht aus eigener Kraft zur Wehr setzen können oder nicht aus eigener Kraft entsprechende Gegenmaßnahmen setzen können. Daher kommt meiner Auffassung nach dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und vor schädigenden Einflüssen jeder Art allerhöchste Bedeutung und Vorrang zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine bundesweite Vereinheitlichung der Jugendschutzgesetze, wie sie bereits Rüdiger Schender gefordert hat, halte ich in diesem Zusammenhang für dringend notwendig.


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Das präsentierte Kärntner Kinderschutzpaket zum Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch und vor sexueller Misshandlung sollte uns allen als Maßstab dienen.

Unser Finanzminister Grasser hat es in seiner Budgetrede bereits gesagt: Trotz der erforderlichen Einsparmaßnahmen ist es möglich, erstmalig Mittel für Verbrechensopfer vorzusehen. Ein erster Schwerpunkt wird dabei der Aufbau einer fundierten Prozessbegleitung in Gerichtsverfahren sein, nämlich einer Prozessbegleitung für minderjährige Opfer von Gewaltdelikten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Neben dem Opferschutz ist mir der Zeugenschutz ein besonderes Anliegen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Opfer vielfach auch die einzigen Zeugen sind. Dass Handys über Besucher und über Mitbringsel in Justizstrafanstalten hineineingeschleust werden, muss ebenso ein Ende haben wie Drohbriefe und Drohanrufe von Inhaftierten an Opfer und an dritte Zeugen.

Ich weiß natürlich, dass der Zeugenschutz insbesondere auch im Zusammenhang mit der Frage der Annahme einer Tarnidentität beziehungsweise auch der Frage des Herauslösens eines Zeugen aus seinem bisherigen Lebensumfeld nicht wissenschaftlich untersucht ist. Die Annahme einer Tarnidentität wird derzeit nicht professionell gemacht. Es gibt einzelne Maßnahmen: Die Zeugen werden ab und zu ohne Namensnennung, lediglich unter Nennung einer Nummer befragt. Auch können sie in einem Nebenraum auf Video aufgezeichnete Aussagen machen, und lediglich die Stimme wird in den Verhandlungssaal übertragen. Die Unterbringung in einer so genannten konspirativen Wohnung hat ebenfalls Seltenheitswert. Eine lückenlose Bewachung von Zeugen kommt selbstverständlich einer völligen Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit gleich. Gerade die organisierte Kriminalität verfügt demgegenüber über ein enormes personelles Potential. Ist der Zeuge oder das Opfer nicht greifbar, dann wird einfach Druck auf vorhandene Familienmitglieder ausgeübt.

Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass mein Vorschlag am Unmittelbarkeitsprinzip rüttelt. Meiner Ansicht nach müssten jedoch in bestimmten Verfahren und bei besonderer Schutzwürdigkeit von Zeugen Verlesungen von Vernehmungsprotokollen in der Hauptverhandlung möglich sein. Dies sollte analog zu den kontradiktorischen Vernehmungen von Staatsanwalt und Verteidiger geschehen. Die Idee sollte dergestalt verbessert werden, dass die Vernehmung vom Untersuchungsrichter und von einem Drei-Richter-Senat, etwa von der Ratskammer, vorgenommen wird, die Verteidiger und die Staatsanwälte jedoch nicht dabei sind, um eine völlige Anonymität des Zeugen zu gewährleisten. Die Ratskammer würde dann die Vollständigkeit und die Richtigkeit des Protokolls beurkunden. Die Gültigkeit des Protokolls wäre dann natürlich analog einer notariellen Beglaubigung zu behandeln.

Sehr geehrte Damen und Herren! Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung beziehungsweise Einsparungspotential sehe ich bei folgenden Punkten bei den Gerichten und bei Strafvollzugsanstalten. Vorweg: Um eine effiziente richterliche Arbeit im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung zu ermöglichen, bedarf es auch der entsprechenden räumlichen Rahmenbedingungen. Die Beherbergung von mehreren Gerichten in einem zentral gelegenen Gebäude bedeutet dabei für mich Übersichtlichkeit und Konzentration der Mittel. Ich denke dabei etwa an eine gemeinsame Bibliothek, an gemeinsame Sicherheitsdienste, an eine gemeinsame Kantine et cetera.

Auch "Nachbarschaftshilfe" bei administrativ-personellen Engpässen ist möglich. Deshalb scheint mir die Bündelung mehrerer Gerichte, wie es zum Beispiel im Justizpalast der Fall ist, sinnvoll zu sein. Eine Auslagerung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen aus dem Justizpalast an einen weniger zentralen Ort halte ich für ineffizient. Stattdessen befürworte ich, dass so genannte interne Abteilungen ausgelagert werden, aber doch in der Nähe bleiben. Mir schwebt da zum Beispiel ein Teil des Messepalastes vor, der in der Nähe des Bundesministeriums für Justiz und in der Nähe des Justizpalastes ist.

Jedenfalls befürworte ich eine genaue Kosten-Nutzen-Analyse, auch was den Verkauf von so genanntem Familiensilber, in diesem Fall Gerichtsgebäuden, anlangt. Dem steht dann nämlich eine hohe Jahresmiete gegenüber, wie zum Beispiel im BG Fünfhaus, wie zum Beispiel im BG Döbling. Beim Projekt Bezirksgericht Landstraße könnte man noch die Notbremse ziehen.


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Auch sollten über das Ziel schießende Sparmaßnahmen, Sparvorschläge besser unterbleiben und gestoppt werden, denn es kann nicht sinnvoll sein, sehr geehrte Damen und Herren, dass Richter und Staatsanwälte im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien dazu angehalten werden, ihre Glühbirnen selbst auszutauschen, die Vorhänge selbst abzunehmen und reinigen zu lassen. – Viele von Ihnen wissen, dass die Räume im Justizpalast fünf bis sechs Meter hoch sind.

Weiters könnten strukturelle Maßnahmen durch Teilprivatisierung des Betriebes von Strafvollzugsanstalten zu Einsparungen führen. In den USA werden teilprivatisierte Strafvollzugsanstalten seit Beginn der achtziger Jahre betrieben. In Australien, in Großbritannien, in Frankreich hat man diesbezüglich in den darauffolgenden Jahren nachgezogen. (Abg.  Öllinger: Super!) Über Betreiben des hessischen Justizministers Christian Wagner wird 2004 die erste teilprivatisiert betriebene Strafvollzugsanstalt in Deutschland eröffnet werden.

Die Einsparungsmöglichkeiten liegen im erheblichen Einsparungspotential beim Betrieb und auch in einer geringeren Rückfallsquote, denn laut einer Untersuchung in Florida liegt die Rückfallsquote bei privat betriebenen Gefängnissen bei 17 Prozent – und im Gegensatz dazu bei öffentlich betriebenen Gefängnissen bei 24 Prozent. Natürlich streben wir nicht die dortigen Gefangenenzahlen an, da in den USA fast 2 Millionen Menschen in Gefängnissen sitzen. (Abg. Öllinger: Das würde ich auch meinen!)

Strafvollzug im eigenen Wohnzimmer mit Electronic Monitoring wird bereits in verschiedenen Ländern – auch in den USA, in Holland, in Schweden et cetera – angewendet und soll demnächst auch in der Schweiz praktiziert werden. Es geht jedoch diese Art des Strafvollzugs in meinen Augen am eigentlichen Sinn, an der ursprünglichen Idee des Strafvollzugs vorbei.

Zusammenfassend: Wir alle wissen, das Justizressort finanziert sich zu einem guten Teil selbst, und ich bin sicher, dass die genannten Maßnahmen zu weiteren Effizienzsteigerungen führen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.17

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Für mich persönlich war Herr Dr. Böhmdorfer zu dem Zeitpunkt, als er sein Amt antrat, politisch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Persönlich war er dies sicherlich nicht, beruflich auch nicht, aber zumindest politisch. Ich glaube, die vergangenen – bei ihm ist es nicht ganz so lange – 100 Tage haben diesen Eindruck durchaus präzisiert.

Fassen wir es knapp zusammen. Erstens: Herr Minister! Innenpolitisch ist mir vor allem seit gestern ganz deutlich und klar geworden, dass Sie – leider! – wahrscheinlich auf Grund persönlicher Zuneigungen, persönlicher Verpflichtungen, eines gewissen Vertrauensverhältnisses zum Herrn Landeshauptmann von Kärnten, innenpolitisch einen Kurs verfolgen, der jenseits der Tradition österreichischer Justizminister liegt. Sie verfolgen einen Kurs, der leider in eine sehr dunkle Vergangenheit zurückführt. Es ist dies ein Kurs, der in eine Vergangenheit zurückführt, die man unbedingt besprechen muss, um das zu verhindern, was gestern im Rahmen des ORF und einzelner Medien aus Kärnten drang und was heute hier diskutiert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Das Problem ist, dass Sie heute sagen: Na meine Güte, ich hab‘s nicht so gemeint, als ich sagte, dass man darüber nachdenken müsste, was das bedeutet, was Haider neu vorschlägt. – Sie, Herr Dr. Böhmdorfer, sind doch im Prinzip ein politischer Mensch, obwohl Sie politisch für mich vorher eine Art unbeschriebene Karte waren. Aber als politischem Menschen muss einem doch sofort auffallen, dass die Justiz in keinem Fall zum Gesinnungsstrafrecht greifen darf. Das ist im Hinblick auf seriöse Justizpolitik eine ganz klare Rubikon-Überschreitung.

Herr Minister! Das hat mich sehr enttäuscht, da ich doch im Vorfeld eine durchaus neutrale Meinung von Ihnen hatte. – Das zum Ersten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das können Sie irgendjeman


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dem erzählen, dass Sie neutral waren!) – Ich habe das sehr persönlich formuliert. Es hat mich enttäuscht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dass Sie neutral waren, das glaube ich Ihnen wirklich nicht!) – Ich habe mich in keiner Weise über ihn geäußert.

Zum Zweiten: zur justizpolitischen Seite Ihrer Tätigkeit. Diesbezüglich haben Sie die Karten auf den Tisch gelegt, da sind Sie sozusagen kein unbeschriebenes Blatt mehr. Es ist Ihnen völlig unbenommen, und es ist politisch völlig korrekt, wenn Sie sich zu einem bürgerlichen Programm der Justizpolitik bekennen. Das ist keine Frage! Darüber soll man dann auch politisch diskutieren. Dass wir manchmal und des Öfteren anderer Meinung sein werden, das wird Ihnen auch klar sein. Dieses bürgerliche Programm, wie Sie es teilweise darlegten, hat für mich – subjektiv gesehen – manche spießbürgerliche Note, die ich noch wiederholt anzukreiden vorhabe.

Der dritte Punkt, der heute noch ziemlich zu kurz kam, betrifft Ihr drittes Wirkungsfeld, das neben dem innenpolitischen und justizpolitischen das konsumentenpolitische Feld ist. Herr Minister! Da sehe ich bis jetzt nur weiße Flecken. Sie haben sich in keinster Weise – außer Sie haben die Regierungserklärung beziehungsweise das Koalitionsabkommen in diesem Bereich mitverhandelt – konsumentenpolitisch geäußert, keine programmatischen Eckpunkte gesetzt, keine Willenskundgebungen von sich gegeben, gewisse Ziele artikuliert oder gewisse Einstellungen in irgendeiner politischen Form auf den Tisch gelegt.

Heute sagten Sie, der KonsumentInnenschutz sei wichtig. – Na no na net! Da Sie von den Freiheitlichen ja die Partei des so genannten kleinen Mannes oder, wenn man es fröhlich und nett formuliert, der kleinen Leute sind, müssen Sie sich gerade für dieses Gebiet engagieren, und daher müssen Sie gerade in diesem Bereich neue Markierungen setzen. Sie müssten als erster Justizminister, der für den KonsumentInnenschutz zuständig ist, eine deutliche Handschrift zeigen, die mehr Rechte für die kleinen Verbraucherinnen und Verbraucher bringt.

Ich sage Ihnen: Die Herausforderungen sind gewaltig, weil diese durch die Liberalisierungstendenzen gegeben sind. In den verschiedensten Bereichen – sei es im Telekombereich, sei es im Strombereich, sei im Gasbereich – sind es immer wieder die Kleinverbraucherin und der Kleinverbraucher, die nicht im selben Ausmaß zum Zuge kommen wie Großabnehmer.

Herr Minister! Da müssten Sie im Sinne der Programmatik Ihrer Partei für die "kleinen" Männer beziehungsweise für die "kleinen" Leute einspringen.

Mein Vorredner hat es auch schon angedeutet: Sie hätten eine konsumentenschutzpolitische Aufgabe bereits ergreifen müssen, und zwar hätten Sie für Österreich die Standards innerhalb der EU, die wir immerhin schon erreicht haben, reklamieren müssen und dafür sorgen müssen, diese Standards EU-weit zu verbreiten beziehungsweise auf der anderen Seite in Österreich darauf zu drängen, dass EU-Richtlinien zeitgerecht und vor allem in vollem Umfang umgesetzt werden. Das ist auch eine Herausforderung.

Der dritte Aspekt in Bezug auf die Konsumentenschutzpolitik hängt eng zusammen mit Ihrem Justizbereich, es betrifft die Wirtschaftskriminalität. Herr Minister, Sie werden sicherlich wissen, dass gerade die Staatsanwaltschaften in diesem Bereich unterausgestattet sind. Da ist es auch im Sinne der Programmatik Ihrer Partei – nämlich für die "kleinen" Leute, für den "kleinen" Mann Politik zu machen –, verstärkt endlich einmal für eine ordentliche Ausstattung zu sorgen, endlich die entsprechenden finanziellen, personellen Ressourcen sicherzustellen, sodass es sich nicht die Großen richten können und die Kleinen wieder durch die Finger schauen müssen, so wie es bei verschiedenen Prozessen in der Vergangenheit leider der Fall war. Bitte nehmen Sie das als vorrangiges Tätigkeitsfeld in Anspruch! Sie kennen das ja vielleicht auch aus Ihrer Vergangenheit als Rechtsanwalt. (Beifall bei den Grünen.)

Nun zum letzten Aspekt, der mit der KonsumentInnenschutztätigkeit auch zu tun hat, der aber immer ein ureigener und genuiner Bereich der Justiz und Rechtspolitik war, zum Bereich des Wohnrechts, zum Bereich des Mietrechts. Dazu haben Sie sich auch noch in keinster Weise geäußert, obwohl Ihnen Ihr Vorgänger ein durchaus ambitioniertes Vorhaben vererbt hat, nämlich die transparentere Gestaltung, die Vereinheitlichung und die zum Teil dringend notwendige Harmonisierung in diesem Rechts-Dschungel, der europaweit wirklich einzigartig ist.


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Wir haben veraltete Systeme in diesem Bereich, wir haben gegenläufige Regelungen, die undurchschaubar sind, sodass viele einfache Leute nicht in der Lage sind, diese rechtlichen Rahmenbedingungen auch nur ansatzweise zu begreifen. Da sollten Sie durchforsten und ganz im Sinne und Vorhaben Ihres Vorgängers ans Werk gehen. – Ich habe von Ihnen aber diesbezüglich noch nichts gehört. Diese Karte haben Sie bis jetzt noch nicht gespielt, auch in diesem Bereich sind Sie ein "weißer Fleck".

Nächste Woche gibt es dazu einen Ausschuss, und sicherlich wird dann auch Anfang Juni im Plenum darüber debattiert. Dann ist es hoch an der Zeit, dass Sie Farbe bekennen, Farbe bekennen im Hinblick auf eine engagierte Wohnrechts- und Justizpolitik, die nicht nur für die Herrschaften, die es sich teilweise richten und auch teilweise leisten können, etwas bringt, sondern auch für die einzelnen, für die durchschnittlichen Mitglieder der Bevölkerung. Da bin ich neugierig, in welche Richtung Ihr so genanntes bürgerliches Rechtsprogramm geht: ob es in Richtung Großbürger, Großindustrieller oder in Richtung der Durchschnittsbürger geht, also in Richtung jener Menschen, die Sie von den Freiheitlichen zumindest als Partei immer zu vertreten vorgeben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.26

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ziel und Aufgabe der österreichischen Justizpolitik muss es auch in Zukunft sein, seriös und glaubwürdig zu agieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Dennoch darf es erlaubt sein, die Effizienz und die Praxistauglichkeit im Justizbereich zu hinterfragen. Ziel ist es, Verbesserungen und Optimierungen im Justizsystem zu erreichen. Wir brauchen dazu ein stabiles, demokratisches System, das den Bürgern hilft und dient.

Sehr geehrter Herr Minister! Wir sind froh darüber, dass Sie im Budgetausschuss versicherten, dass trotz der knappen Budgetlage die Qualität der Rechtsprechung in Österreich erhalten bleiben wird. Der Justizbereich weist einen personellen Höchststand sowohl im Strafvollzug als auch bei den Richtern auf. Die Zusage, dass es keine Personaleinsparungen bei Richteramtsanwärtern und Staatsanwälten geben werde, ist positiv. Kritiken von Seiten der Opposition, welche die Ziele und Verbesserungsmaßnahmen, die sich diese Regierung gestellt hat, anzweifeln, sind nicht glaubhaft. Vielmehr wird die jetzige Regierung beweisen, dass sie es mit der Justizpolitik ernst meint und willens ist, echte Reformen durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden gemeinsam mit einem klaren Konzept und Schritt für Schritt die Justiz bürgerfreundlicher machen und gestalten. Im Koalitionsübereinkommen hat die Stärkung der Demokratie einen hohen Stellenwert. ÖVP und FPÖ gemeinsam werden für den meiner Überzeugung nach sehr umsichtig agierenden Justizminister alles tun, um die Bürgernähe auszubauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden im Team mit Richtern und Verantwortlichen im Justizbereich an der Behebung von Schwächen arbeiten und Stärken forcieren. Eine starke Demokratie, wie es hier in diesem Hause schon mehrmals gefordert wurde, muss Schwache und Minderheiten schützen – zu viele leben unter der Armutsgrenze – und innere und äußere Gefahren erkennen. Und da ist meiner Überzeugung nach die Zusammenarbeit von Justiz-, Innen- und Außenministerium sehr wichtig.

Die Vielfalt der gesellschaftlichen Kräfte muss unbedingt erhalten werden. Ebenso darf die Unabhängigkeit der Gerichte nicht angezweifelt werden.

Um die Grundsätze der Demokratie zu sichern, hat sich diese Regierung einige Ziele gesetzt: vorangestellt ein Objektivierungsgesetz für die Personalpolitik des Bundesdienstes. Diesbezüglich ist in der Vergangenheit einiges geschehen; es muss jedoch weiter daran gearbeitet werden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Nun zur Einführung der Briefwahl für Bundes-, Landes- und Gemeindewahlen: Meine Damen und Herren! Sinkende Wahlbeteiligungen verpflichten uns, darüber nachzudenken, denn dieses Thema ist eines, das uns alle angeht. Wir müssen auf die Mobilität und Flexibilität der Bürger eingehen und sich dieser anpassen. So konnte zum Beispiel die Wahlbeteiligung bei der AK-Wahl in Tirol mittels großer Mobilisierung, mittels Briefwahl von 30 auf 60 Prozent gesteigert werden.

Ich möchte hier auch aus einem Zeitungsartikel zitieren, in dem es heißt es:

Wahl ohne Wähler. Landtagswahl in Thüringen: 45,7 Prozent, Landtagswahlen Nordrhein-Westfalen: 56 Prozent. Schlechte Zeiten für Bürger. Politik als schmales Bündel von Dienstleistungen, für die man ohnehin viel bezahlt. Alarmierende Daten, die Politikern einmal zu denken geben sollten. – Zitatende.

Die Bürger werden in Zukunft durch Volksbegehren mit einer Beteiligung von mindestens 15 Prozent berechtigt sein, eine Volksabstimmung durchzuführen. Die Reform der Sozialpartnerschaft wird von dieser Regierung ebenfalls vorangetrieben. Die Serviceorientierung muss verstärkt werden. Die Stärkung und der Ausbau der Bürgerrechte mit einer starken Volksanwaltschaft sind vorgesehen. In diesem Zusammenhang sei nochmals klar gestellt, dass niemand eine Bevormundung der Richter will. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dies war in einer Presseaussendung des stellvertretenden Vorsitzenden des Verfassungsausschusses der SPÖ, des Abgeordneten Kräuter, zu lesen. Vor allem imponiert hat mir die SPÖ-Volksanwältin Christa Krammer. Sie ließ es sich nicht gefallen, von ihren Parteigenossen als "Regierungs-Stosstrupp" dargestellt zu werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Volksanwälte werden und müssen auch weiterhin unabhängig bleiben, ebenso die Gerichte. Auch in dem mit der SPÖ ausgehandelten Regierungsprogramm waren und sind Kontroll- und Optimierungsinstanzen vorgesehen gewesen. Es ist daher unverständlich, wieso solch jüngste Aussagen publiziert wurden; diese sind unglaubwürdig.

Worum geht es uns schließlich und endlich bei der Stärkung der Bürgerrechte? – Jeder Bürger, der von Verfahrensverzögerungen betroffen ist, soll Beschwerde bei der Volksanwaltschaft einlegen können. Der Volksanwaltschaft soll die Möglichkeit eingeräumt werden – selbstverständlich ohne Eingriff in die Rechtsprechung –, gegebenenfalls ein Disziplinarverfahren anzuregen oder Fristsetzunganträge stellen zu können.

Aufgrund meiner Berufspraxis behaupte ich, dass es wichtig ist, Verfahren zu beschleunigen. Gerade für Betriebe in der Wirtschaft ist eine rasche Verfahrensabwicklung wichtig, um wieder Entscheidungen treffen zu können. Bürger jammern immer wieder über bewusst oder unnötig in die Länge gezogene Verfahren. Selbst OGH-Präsident Felzmann schlug eine justizinterne Kontrollinstanz vor, um vor allem Verfahrensverzögerungen und verspätete Urteilsausfertigungen möglichst zu vermeiden. Ziel muss es sein, dem Bürger mit mehr Demokratie zu begegnen. Richter und Justizverwaltung sollen – abgestimmt mit der Volksanwaltschaft – einen praxistauglichen und bürgerfreundlichen Weg finden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das vorliegende Budget liefert eine gute Ausgangsposition, ist jedoch mit einer großen Erwartungshaltung an uns alle verbunden. Gemeinsam werden wir die großen Aufgaben im Interesse der Bürger unseres Landes in Angriff nehmen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Huber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.33

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mein Vorredner hat sich mit der Demokratie beschäftigt; er hat sich Sorgen um die Demokratie ge


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macht. – Ich muss sagen, was mir und auch vielen anderen Menschen in unserem Lande Sorge bereitet, ist gerade dieses Thema, und ich teile daher diese Sorge mit ihnen.

Im Lichte der gestern und heute laufenden Diskussion und im Lichte dessen, was da langsam Formen annimmt – wenn etwa ernsthaft der Vorschlag gemacht wird, dass Kritiker durch Strafmaßnahmen mundtot gemacht werden sollen, das heißt, dass Gesinnung unter Strafe gestellt werden soll –, frage ich Sie schon, Herr Minister: Wer bestimmt denn, was zum Wohle der Republik ist? Wer bewertet denn die unterschiedlichen Vorstellungen der verschiedenen politischen Parteien? Und ich frage mich: Wohin entwickelt sich die Justiz, und wohin entwickelt sich dieses Land?

Was mir auch Sorge bereitet – das schon, als die neue Regierung angelobt wurde –, passt in dieses Schema: Bei der Diversion wurde das größte Reformprojekt der letzten 25 Jahre in Frage gestellt.

Die Diversion ist erst seit 1. Jänner 2000 in Kraft, also seit vier Monaten. Aber bereits jetzt, vier Monate nach Inkrafttreten, soll sie zurückgestutzt, zurückgeschraubt werden. Ich bin froh, dass es wenigstens Einvernehmen darüber gibt, dass es vor eventuellen Rückschritten und Änderungen eine Enquete über dieses Thema geben wird, denn ich halte die öffentliche Diskussion, das nochmalige Anhören von Fachleuten und auch und vor allem die Bewertung von Erfahrungen in diesem Bereich für sehr, sehr wichtig. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Es ist richtig, dass sich nicht alles für die Diversion eignet – aber dauernd zu unterstellen, dass Richter und Staatsanwälte, also jene, die ständig mit dieser Materie zu tun haben, nicht die Erfahrung besitzen, nicht das Fingerspitzengefühl dafür haben, wo eine Diversion sinnvoll und richtig und wo sie falsch wäre, halte ich – so möchte ich das einmal nennen – für nicht angebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir ist gerade in diesem Bereich das Opfer das Wichtigste. Und ich frage mich: Wie sieht es denn in diesen Fällen für die Opfer aus, und welche Vorteile haben denn die Opfer? – Ich habe mir dazu die Zahlen aus der Interventionsstelle meines Bezirkes geben lassen. Daraus geht hervor: Zwischen 1996 und 1999 wurden 1 406 Fälle der Diversion zugewiesen. Und die Bilanz, sehr geehrte Damen und Herren, kann sich sehen lassen!

Im Erwachsenenbereich waren es 89 Prozent der Fälle, die positiv erledigt wurden. In nur 11 Prozent der Fälle mussten Strafanträge gestellt werden. Und im Jugendbereich schaut es noch positiver aus: 94 Prozent der Fälle wurden positiv erledigt; nur bei 6 Prozent der Fälle kam es zum Strafantrag.

Wenn man sich dann von den Leuten, die diesen außergerichtlichen Tatausgleich durchführen, die Fälle erzählen lässt, dann wird einem klar: Bei dieser Konfliktregelung kommt dem Opfer mit seinem Schaden, mit seinen Unannehmlichkeiten und auch seinen Schmerzen eine ganz zentrale Rolle zu. Der Täter muss sich mit dem Opfer auseinander setzen. Dabei wird sehr vielen Tätern eigentlich erst bewusst, welcher Schock, welche Schmerzen, welche Unannehmlichkeiten mit diesen Taten für das Opfer verbunden waren. Der Täter hat damit auch Verantwortung für das Opfer zu übernehmen.

Die Bereitschaft zur Wiedergutmachung – das sagen alle, die in diesem Bereich tätig sind – ist ungleich höher, wenn sich der Täter mit seinem Opfer auseinander setzen muss. Und unser aller Anliegen, sehr geehrte Damen und Herren, muss es sein, Kriminalität und vor allem Gewalt in all ihren Erscheinungsformen zu bekämpfen.

Wenn ich mir die Rückfallquote anschaue, die im Bereich der Diversion nur halb so hoch ist wie in allgemeinen Strafverfahren – also die Hälfte der Straftaten von immerhin durchschnittlich 90 Prozent der Fälle, die über die Diversion behandelt wurden, konnten verhindert werden –, dann meine ich, das Zurückdrängen, das Zurückstutzen der Diversion heißt in Wahrheit Zurückdrängen und Zurückstutzen des Opferschutzes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.38


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

18.38

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach den, so möchte ich sagen, Kaffeesudlesereien der Grünen, die mich teilweise schon an eine Art von Verfolgungswahn erinnern, möchte ich meinerseits eigentlich nur Folgendes festhalten: Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass nun auch im Bereich der Justiz die politische Diffamierung Platz gegriffen hat, in einem Bereich, in dem sie meines Erachtens nichts zu suchen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Es darf in Österreich anscheinend nun auch im Bereich der Justiz nur von links gesprochen, nur von links gedacht, von rechts aber natürlich nicht gesprochen, nicht einmal angedacht werden! Und da fällt es auch mir schwer, sachlich zu bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich nun mit einem Thema beschäftigen, bei dem es bisher relativ viel Übereinstimmung zwischen den im Parlament vertretenen Parteien gegeben hat, und zwar mit dem Bereich der Rechte für Kinder und dem Bereich des Schutzes von Kindern.

Als im Jahre 1990 in Österreich die UN-Konvention ratifiziert wurde, dachte man noch, dass die österreichische Gesetzgebung diese Materie abdeckt. Man hat dann bemerkt, dass das nicht der Fall ist, und man hat sich im Jahre 1992 – damals war ich schon in diesem Hause – einstimmig zu einer Überprüfung dieser Materie entschlossen, die einer Adaptierung des österreichischen Kindschaftsrechtes dienen soll, und zwar in Richtung der Stärkung der Rechte der Kinder.

Es hat dann dazu im Jahre 1993 einen Expertenbericht gegeben. Ich habe diesen heute mitgenommen, ich wollte diesen umfangreichen Bericht dem Herrn Justizminister zeigen. Dieser umfangreiche Bericht und die Arbeiten dazu haben letztlich wieder zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag aller fünf damals im Parlament vertretenen Parteien geführt. Dieser Antrag umfasst sechs Seiten, ist sehr ausführlich und hat aus heutiger Sicht gesehen in bestimmten Bereichen eine Änderung gebracht. Aber noch immer harren weite Bereiche einer Erledigung.

Das bezieht sich vor allem auf die gemeinsame Obsorge, zu der wir Freiheitlichen immer gestanden sind und der ich seit vielen, vielen Jahren immer das Wort rede. Die Frage der gemeinsamen Obsorge wurde zwar in einem Kindschaftsrechts-Entwurf in der vergangenen Legislaturperiode in Ansätzen in Angriff genommen, aber ich vertrete schon den Standpunkt, dass man gerade im Hinblick auf die immer höher werdende Scheidungsrate um jedes Elternpaar froh sein müsste, das sich auch nach einer Scheidung zur gemeinsamen Obsorge bekennt. Auch bei Nicht-Ehepaaren, also bei Lebenspartnern, müsste man darüber froh sein und da nicht noch zusätzliche Hindernisse einbauen, wie das im letzten Entwurf angedacht wurde. (Abg. Mag. Prammer: Sie können das, wenn Sie wollen!)

Es ist aber leider der Fall, dass es gerade im Bereich der Scheidungen sehr viele Fälle gibt, bei denen es zu Streitigkeiten kommt, bei denen es zu keiner gemeinsamen Obsorge kommen kann, weil es Sorgerechtsstreitigkeiten gibt, Frau Kollegin Prammer. (Abg. Mag. Prammer: Und da wollen Sie die gemeinsame Obsorge?!) Es gibt sogar Fälle, in denen die Kinder als "Waffe" gebraucht werden und psychische Gewalt an Kindern ausgeübt wird. Oft ist es leider so, dass ein Elternteil im Trennungsfall das Kind an sich reißt und dem anderen Elternteil widerrechtlich die Obsorge entzieht, indem er das Kind an einen anderen Ort bringt, es versteckt hält oder sogar ins Ausland bringt.

Es gibt sogar Rechtsanwälte – ich glaube, das sollte man auch einmal offen sagen –, die das Kind praktisch als "Waffe" gegen den anderen Partner benutzen. Das sind eben jene Fälle, in denen es diese Übereinstimmung nicht gibt, Frau Kollegin Prammer. (Abg. Mag. Prammer: Und dort, wo es Übereinstimmung gibt, geht es heute schon!)


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Nein, Frau Kollegin Prammer, heute geht es nicht, zumindest nach unserem Dafürhalten nicht. Es kann schon sein, dass es Ihnen genügt, aber uns genügt die derzeitige Gesetzeslage nicht, Frau Ex-Ministerin Prammer! Sie ist nicht befriedigend. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Prammer: Sie wollen die Frauen in der Abhängigkeit! Das ist Ihr Ziel!)

Die heutige Gesetzeslage ist auch im Bereich der Strafprozessordnung nicht befriedigend. Das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 hat wohl Verbesserungen im Bereich des Schutzes gegen Kindesmissbrauch gebracht, aber auch da sind einige wichtige Bereiche offen geblieben. Es ist mir einfach zu wenig, wenn der Strafrahmen für sexuellen Missbrauch sechs Monate beträgt, wenn man weiß, dass die Rückfallquote bei diesen Straftätern bis zu 80 Prozent beträgt.

Es ist mir einfach zu wenig, wenn in solchen Fällen sogar heute noch bedingte Entlassungen ausgesprochen werden. Ich trete auch dafür ein – und folge hier einer Empfehlung der Kinder- und Jugendanwaltschaft –, dass bei Straftätern, wenn es zu Todesfolgen kommt, sogar lebenslange Haftstrafe in Aussicht gestellt wird.

Wenn selbst Kollege Jarolim, der sich ja sonst selten mit den Freiheitlichen auf der gleichen Argumentationsschiene befindet, einmal eine lebenslange Führungsaufsicht dieser Straftäter als diskutabel bezeichnet hat – in Grossbritannien wird das bereits umgesetzt –, dann muss ich fragen: Was steht eigentlich dagegen, dass wir auch diesen Bereich in nächster Zeit in Angriff nehmen?

Ich möchte auch die Anzeigeverpflichtung ausdehnen. Dies ist nicht nur eine Empfehlung der Freiheitlichen, sondern auch zum Beispiel des Oberlandesgerichtes Innsbruck.

Ich denke, wir sollten uns in diesem Bereich wieder um ein gemeinsames Vorgehen bemühen, Frau Kollegin Prammer, damit Kinder eben noch besser als bisher prophylaktisch geschützt, weder psychischem noch physischem Missbrauch ausgesetzt werden, damit wir aber auch die gesetzlichen Maßnahmen für den Tatfall verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.46

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das vorliegende Justizbudget ist eine herbe Enttäuschung – genauso wie das gesamte Budget, das von dieser Bundesregierung vorgelegt wurde. Es gibt Einsparungen am falschen Platz. Die Einsparungen im Personalbereich, besonders bei den Richtern, erfüllen, wie schon bekannt ist, in erster Linie den Zweck, den Unternehmen Steuergeschenke zu machen (Abg. Haigermoser: Setzen! Nicht genügend!), Großbauern zu begünstigen und Karenzgeld und Familienleistungen auch jenen zu geben, die es nicht brauchen, weil sie ohnehin reich und wohlhabend sind. (Abg. Haigermoser: Beantworten Sie eine Frage: Was ist ein Großbauer und was ist ein Kleinbauer?)

Weil aber durch dieses Budget leider ein schlechteres Funktionieren der Justiz zu erwarten ist, versucht die blau-schwarze Bundesregierung, von dieser Problematik abzulenken, und zwar auch im Bereich der Justiz. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Justiz bedeutet Ablenken oft, dass man auf Forderungen, die am Biertisch geäußert werden, eingeht und diese in das Regierungsprogramm schreibt. (Abg. Ing. Westenthaler: Keine Polemik vom Rednerpult aus! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nichts anderes ist es etwa, wenn gefordert wird, die Möglichkeiten der Einweisung in eine Anstalt für gefährliche Rückfalltäter auch in Bezug auf Vermögensdelikte zu erweitern. Das ist eine Forderung, die sachlich nicht gerechtfertigt ist und von allen Experten abgelehnt wird.


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Sehr verehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Nicht umsonst hat der Herr Universitätsprofessor für Strafrecht, Frank Höpfel, nach Bekanntwerden des blau-schwarzen Regierungsprogrammes im Bereich Justiz von einer Rückkehr zum alten germanischen Rachedenken gesprochen. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult aus! – Heiterkeit.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin sehr wohl dafür, dass man sich mit dem, was am Stammtisch gesprochen wird, befasst. Das ist sehr wichtig, damit man als Politiker die so genannte Bodenhaftung behält, und es ist jede Meinungsäußerung eines Bürgers ernst zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist jedoch ein Unterschied, ob man mit den Menschen Gespräche führt, sich mit ihrer Meinung befasst, vielleicht auch versucht, die eine oder andere Meinung durch Argumente zu ändern, oder ob man einfach eine Forderung des Stammtisches in das Regierungsprogramm hineinschreibt und zur Regierungspolitik macht. – Es besteht also ein riesengroßer Unterschied zwischen diesen beiden Möglichkeiten.

Genau das ist das Dilemma der Justizpolitik, wie sie auch von Klubobmann Khol und der Justizsprecherin Fekter und so manchem in der FPÖ betrieben wird: Man geht nicht sachlich auf das Problem ein, man geht nicht sachlich und analytisch an die Lösung eines Problems heran und versucht nicht, im Dialog mit den Betroffenen, mit Experten und anderen mögliche Lösungen zu erreichen, sondern man nimmt einfach ein Schlagwort, wie zum Beispiel "Sexualstraftäter" oder "Drogenhändler", und münzt dieses in irgendeine Forderung um, die sicherlich für manchen auf den ersten Blick gut klingt, aber ohne jede Rücksicht darauf ist, ob die Forderung auch eine Lösung bringen kann, ob sie tauglich ist oder ob sie nicht vielleicht sogar kontraproduktiv ist und das Gegenteil von dem zur Folge hat, was man eigentlich gewollt hatte.

Diese Form der Signalgesetzgebung, sehr verehrte Damen und Herren, ist im Bereich des Strafrechtes besonders abzulehnen. Ich darf in diesem Zusammenhang eine Person zitieren, die nicht meiner Gesinnungsgemeinschaft angehört, die aber eine sehr richtige Stellungnahme abgegeben hat, nämlich den früheren ÖVP-Justizsprecher Dr. Michael Graff. Dieser befürchtete nach Bekanntwerden des Justizprogramms der blau-schwarzen Regierung, dass "durch den Appell an Empörungs- und Rachegefühle der Menschen etwas politisch erreicht werden soll" und befürchtet – so Michael Graff, Ihr ehemaliger Justizsprecher! – "eine Signalgesetzgebung".

Ähnlich, sehr geehrte Damen und Herren, hat sich auch der Tiroler ÖVP-Landeshauptmann Weingartner ausgedrückt, der sagte, das Strafrecht sei "Ausdruck des gesellschaftlichen Willens und ungeeignet für politische Signale".

Sehr geehrten Damen und Herren! Dabei sollte es uns allen darum gehen, die Beeinträchtigung der Menschen in unserem Lande durch Kriminalität so niedrig wie möglich zu halten, Kriminalität bestmöglich zu bekämpfen – und nicht darum, mit billigen Schlagworten Stimmung zu machen, wobei derjenige, der solche Schlagworte verwendet, innerlich sehr oft sehr genau weiß, dass das, wovon er spricht, Unsinn ist. Eine solche Politik lehnen wir Sozialdemokraten grundsätzlich und zutiefst ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir lehnen auch ab, sehr geehrten Damen und Herren, dass die gerade eingeführte Diversion, zu der sich auch die ÖVP voll und ganz bekannt hat, gleich wieder abgeschafft oder drastisch eingeschränkt wird. Und wir lehnen auch ab, dass die Volksanwaltschaft zu einem Kontrollorgan über die unabhängige Justiz gemacht wird.

Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch die Missstände in der Justiz kennen und Lösungen suchen, um diese abzustellen. Wir müssen nach Wegen suchen, die Verfahrensabläufe in der Justiz zu beschleunigen, um Verzögerungen zu verhindern.

Mit dem von der Regierung vorgeschlagenen Weg würde aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden, und es würde das außerdem gar keine Verfahrensbeschleunigung bringen. Auch wäre es dann so, dass eine Verfahrenspartei praktisch mit der Volksanwaltschaft im Rücken agieren würde und die andere nicht, womit auch das Prinzip der Waffengleichheit verletzt würde.


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Ich meine deshalb, meine Damen und Herren, dass dieser Vorschlag – wie auch viele andere – völlig unausgegoren ist und nur von dem Gedanken getragen war, der diese Regierung prägt: Diese Regierung will auch im Justizbereich so viel wie möglich kontrollieren, sie will so viel wie möglich gängeln, sie will eigentlich keinen Bereich in der Gesellschaft, der nicht nach ihrem Willen handelt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Bis gestern habe ich eigentlich gedacht, dass Sie eine gewisse Dialogbereitschaft an den Tag legen und wenigstens teilweise in der Tradition der bisherigen Justizpolitik stehen könnten, einer Tradition, in der das fachliche Argument mehr zählt als das auf Emotion aufgebaute Vorurteil.

Seit gestern, Herr Bundesminister, bin ich von Ihnen aber zutiefst enttäuscht. Seitdem Sie die Idee Haiders betreffend Funktionsverlust und Verfolgung von Politikern für "sicherlich verfolgenswert" erklärt haben und sich – wörtlich! – "mit dieser Idee anfreunden" könnten, haben Sie, Herr Minister Böhmdorfer, sehr an demokratischer Reputation verloren. (Beifall bei der SPÖ.)

Niemals, sehr geehrter Herr Minister, darf das Strafrecht wieder dazu missbraucht werden, Andersdenkende mit einem Gummiparagraphen zu verfolgen und in das Gefängnis zu werfen! Ein Vorschlag, wie er gestern von Ihnen und von Haider gebracht wurde, wird nur in Diktaturen und autoritären Staaten und System exekutiert.

Ich fordere Sie auf, Herr Minister, diesen von Ihnen gestern eingenommenen Standpunkt zu überdenken und sich von allen demokratiefeindlichen Vorschlägen zu distanzieren! (Beifall bei der SPÖ.)

18.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich dem letzten Redner hiezu das Wort erteile, möchte ich folgende Feststellung machen: Ich habe hier einen Auszug aus einem heutigen Debattenbeitrag des Herrn Abgeordnetem Haigermoser vor mir liegen.

Herr Abgeordneter! Sie machen dabei, an die Damen und Herren der Opposition gewandt, den Vorwurf des "Kadavergehorsams". – Ich finde das nicht sehr angemessen.

Darüber hinaus haben Sie, gewandt an Herrn Kollegen Parnigoni, gesagt: "Wir kennen ja die Geschichte ..., als Sie da eine Kollegin genötigt haben, wie sie abstimmen soll".– Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Als letzter Redner hiezu hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.57

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich habe die Ausführung meiner Kollegin Stoisits, in der sie erklärt hat, wie sie Ihre Antrittsrede, Herr Bundesminister Böhmdorfer, empfunden hat, sehr mutig gefunden – das war nicht in der heutigen Sitzung, sondern damals, aber heute hat sie das noch einmal erklärt.

Ich kann mich noch genau an diese Sitzung erinnern, denn vieles von dem, was Terezija Stoisits Ihnen, Herr Bundesminister, nach dieser Antrittsrede zugebilligt hat, das habe ich auch gespürt, aber, anders als Terezija Stoisits, nicht so positiv bewertet. Bei mir, würde ich sagen, war eine Portion größeren Misstrauens da, aber auch ich – das muss ich zugeben – konnte mich nicht dem Eindruck entziehen: Da steht ein Justizminister, der zwar von der Freiheitlichen Partei kommt (Abg. Dr. Fekter: Das habt ihr ihm aber früher nicht gesagt!), aber sein Amtsverständnis so anlegt, dass man nicht das Gefühl haben müsste, da wird man von freiheitlicher Politjustiz erdrückt.

Herr Bundesminister, Sie haben heute einen bemerkenswerten Ausspruch im Zusammenhang mit den gestrigen Erklärungen des einfachen Mitgliedes der Freiheitlichen Jörg Haider und mit Ihren eigenen Erklärungen gemacht. Sie haben gestern eine Pressekonferenz mit einem Mit


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glied der Freiheitlichen und Kärntner Landeshauptmann gehalten – wobei ich mich nachträglich frage: Warum setzen Sie sich, Herr Bundesminister, mit einem Mitglied der Freiheitlichen zu einer Pressekonferenz zusammen? –, und das freiheitliche Mitglied erklärt dann (Abg. Gaugg: Er ist immerhin der Landeshauptmann von Kärnten!) coram publico, meine Damen und Herren: Sanktionen stehen auf der Tagesordnung!

Es ist nur wenige Tage beziehungsweise Wochen her, dass Herr Westenthaler und Herr Khol uns allen mit Engelszungen erklärt haben: Nein, nein, niemand bestreitet, dass Sie ernsthafte Patrioten sind – das war ihrer beider Erklärung –, niemandem hier in diesem Hause wollen wir das absprechen, aber könnten wir nicht doch den Schulterschluss einüben? Als Sie aber die Reaktion der Opposition darauf gehört haben, kommt, nur wenige Tage und Wochen später, die Sanktionsdrohung, eine sehr weitgehende Sanktionsdrohung!

Ich erinnere nur daran, dass Herr Kollege Mainoni in seiner heutigen Rede das Treuegelöbnis der Abgeordneten angesprochen und gesagt hat, das müsse man sich näher ansehen, ob wirklich ein jeder/eine jede dieses Gelöbnis sehr ernst nimmt. (Abg. Dr. Pumberger: Nachdenken! Nachdenken! – Das fällt Ihnen offensichtlich schwer!)

Damit bin ich bei dem Punkt, meine Damen und Herren, wo ich Sie noch bitten würde, ein paar Wochen zurückzugehen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Bundesminister hat heute – und damit möchte ich diesen Rückblick beginnen – gesagt: Weder fördern noch bremsen steht auf der Tagesordnung. (Abg. Dr. Pumberger: Nachdenken tut weh!)

Ich erinnere Sie daran, dass noch vor wenigen Wochen Herr Haider – auch damals war es er –, aber wenige Wochen später auch Herr Bundesminister Schmid, der heute hier sitzt, gegenüber, erstens, dem Bundespräsidenten und, zweitens, dem damals noch im Amt befindlichen, aber aus dem Amt scheidenden Bundeskanzler – bei Ihnen, Herr Schmid, war es schon, nachdem er aus dem Amt geschieden ist, bei Haider war es vorher – den Vorwurf des Landesverrates und des Hochverrates in die politische Debatte eingebracht haben.

Mich hat das dazu veranlasst, da das ja kein kleiner Vorwurf ist, der da gegen einen Bundespräsidenten oder einen Bundeskanzler oder meinetwegen nur einen Parteivorsitzenden erhoben wird, mir das Strafgesetzbuch anzusehen und nachzusehen: Was bildet denn den Tatbestand des Landesverrates beziehungsweise des Hochverrates? Ich glaube, ich brauche Ihnen das nicht zu erklären, aber ich versuche es trotzdem in kurzen Worten:

§ 242 Hochverrat: "Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich ... abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen." – Das war der Hochverrat.

Ich habe mir gedacht, das kann weder Herr Haider noch Herr Schmid gemeint haben, dass der Bundespräsident oder der scheidende SP-Parteivorsitzende und ehemalige Bundeskanzler Hochverrat begangen haben.

Dann habe ich mir den Landesverrat angesehen. Dazu heißt es im § 252:

"Wer einer fremden Macht oder einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung ein Staatsgeheimnis" – bitte passen Sie doch auf, Frau Abgeordnete Fekter, vielleicht kennen Sie es nicht! – "bekannt oder zugänglich macht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen." (Abg. Mag. Kukacka: Das hat doch ... alles schon gesagt heute!)

Als Anmerkung am Rande sei noch hinzugefügt, dass Abs. 3 besagt (Abg. Dr. Fekter: § 242 "Hochverrat" hat zwei Absätze! – Das ist ein Irrtum, Herr Kollege!): "Verfassungsgefährdende Tatsachen sind solche, die Bestrebungen offenbaren, in verfassungswidriger Weise den demokratischen, bundesstaatlichen oder rechtsstaatlichen Aufbau der Republik Österreich zu beseitigen, deren dauernde Neutralität aufzuheben ..."!

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Na, da könnten wir doch auch diskutieren, was Sie die ganze Zeit versuchen! – Ende der Anmerkung.


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25. Sitzung / Seite 142

Faktum ist: Weder Landes- noch Hochverrat bilden das, was Sie den beiden Herren, dem Herrn Bundespräsidenten und Herrn Klima, vorgeworfen haben. Sie sind nicht Gegenstand, nicht Inhalt des Vorwurfs gewesen.

Damit bin ich bei dem, was heute gesagt wurde. Ich muss sagen, Herr Bundesminister, mir sind die Augen und die Ohren aufgegangen, als ich heute in der Debatte gehört habe, was in der Nazizeit den Tatbestand des Volksverrates gebildet hat. Das hat Herr Haider gemeint, und, Herr Schmid, das haben Sie gemeint! Sie haben nicht den Landesverrat, nicht den Hochverrat gemeint – beide Herren nicht, weder Haider noch Schmid –, obwohl Sie "Landesverrat" und "Hochverrat" gesagt haben, sondern Sie haben das gemeint und vorgeworfen, was als Delikt des "Volksverrats" in einem Naziparagraphen beschrieben wird! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rosemarie Bauer: Sie wissen das!)

Ich lese Ihnen diese Bestimmung noch einmal vor: "Wer als Deutscher im Ausland durch eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung eine schwere Gefahr für das Ansehen des deutschen Volkes herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft." (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ungeheuerlich!)  – Ersetzen Sie "deutsch" durch "österreichisch", dann haben Sie genau das, wozu Herr Kollege Gaugg jetzt schon nickt: Ja, das ist offensichtlich gemeint! (Zwischenrufe der Abgeordneten Haller, Dr. Pumberger und Dipl.-Ing. Schöggl. )

Genau das ist gemeint, und genau das ist auch gemeint mit dem, was Herr Haider anspricht: Es geht offensichtlich darum, einen politischen Paragraphen neu einzuführen, der als Delikt genau das zum Gegenstand hat, was die Nazis mit "Volksverrat" gemeint haben! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist Ihre Intention, die Sanktionen gegen jene, die das Treuegelöbnis nicht einhalten, vom Abgeordneten bis hinauf zum Bundespräsidenten – auch er ist angesprochen –, zu diskutieren. (Abg. Dr. Pumberger: Sie waren ein bisschen zu lange in der Cafeteria heute!) Dahinter steht der Vorwurf, dass der Bundespräsident dieser Republik seinen Eid auf die Verfassung nicht einhält! (Abg. Dr. Pumberger: Wir werden einen Alkotest machen!)

Herr Bundesminister! Da bin ich wieder bei Ihnen. Sie haben gesagt: Weder fördern noch bremsen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Alkotest! – Abg. Dr. Pumberger: Zu lange in der Cafeteria gesessen!)  – Wo, Herr Bundesminister, waren Sie in diesen letzten Wochen? Die Äußerung von Herrn Bundesminister Schmid fiele noch in Ihre Amtszeit hinein, ebenso wie die Äußerungen aus der jüngsten Zeit, bis hin zu den unsäglichen Äußerungen von Herrn Kabas: Wo waren Sie in dieser Debatte, als es darum gegangen wäre, nicht zu sagen "weder fördern noch bremsen", sondern schlicht und ergreifend als Justizminister dieser Republik auf den Plan zu treten und zu sagen: Schluss mit dieser unsäglichen Debatte! Schluss mit dem Versuch der Sanktionierung, dem Versuch der Verleumdung von politischen Instanzen dieser Republik! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das, Herr Justizminister, hätten wir uns in diesen letzten Wochen von Ihnen erwartet, aber nicht den Versuch, eine neue Debatte, die der Herr Bundeskanzler ein "mögliches Sommerthema" nennt – wir brauchen ja etwas zum Diskutieren –, zu starten mit dem Ziel und dem Inhalt, Sanktionen gegen Abgeordnete bis hin zum Bundespräsidenten in die politische Debatte mit einzubringen. Das ist das erklärte Ziel, und es ist auch als Zitat so von Herrn Haider erfasst!

Wenn Sie, Herr Bundesminister, da noch sagen: weder fördern noch bremsen, dann sind Sie fehl am Platz! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

19.07

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war fast während der gesamten Justizdebatte hier im Saal, und ich habe den Beginn dieser Debatte mit sehr großer Erwartung gehört.


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Herr Dr. Jarolim hat gesagt, dass in der Justizpolitik immer die Sachlichkeit dominiert hat, und ich dachte, da werden jetzt wirklich einmal die großen Probleme der Justiz in Österreich angeschnitten werden. Dazu bietet ja eine solche Diskussion die Möglichkeit.

Ich bin aber sehr bald enttäuscht worden, denn Herr Dr. Jarolim ist an seinem Appell selbst gescheitert, weil er nämlich das eingeläutet hat, was in der Folge ungehindert losgebrochen ist, nämlich eine enorme gegen den Justizminister gerichtete Polemik. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das, was er eingeläutet hat, haben dann die anderen von der Opposition mit Vehemenz fortgesetzt. Sie haben dem Minister Missbrauch der Demokratie und so weiter vorgeworfen, obwohl dieser Minister, Dr. Böhmdorfer, in seiner Antrittsrede in einer einmaligen Weise die Hand zu einem Dialog, zu Information gereicht hat. Er hat erklärt, wie er zum demokratischen Rechtsstaat steht, wie er zur Demokratie überhaupt steht, wie er die Tradition seiner Vorgänger fortsetzen möchte. Ein demokratisches Bekenntnis hat er abgelegt, und trotzdem ist Herr Van der Bellen heute hergegangen und hat Dr. Böhmdorfer mit den Reichsgesetzen der nationalsozialistischen Ära in Zusammenhang gebracht. Das ist wirklich ein Skandal, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ungeheuerlich!)

Herr Abgeordneter Van der Bellen! Wissen Sie, ich bin wirklich enttäuscht! (Ruf bei der SPÖ: Wirklich? Das spricht für Van der Bellen!) Sie sonnen sich immer in dem Lichte, der honorige Professor zu sein, der die Dinge immer sehr sachlich beurteilt. In Wirklichkeit aber haben Sie nichts anderes getan, als den Justizminister der Republik Österreich der Wiederbetätigung bezichtigt. Nichts anderes haben Sie getan! Sie haben es so dargestellt, als ob Dr. Böhmdorfer in Österreich die nationalsozialistischen Gesetze wieder einführen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit niedrigsten Argumenten operieren Sie, auch Ihre nachfolgenden Redner, aber Sie haben den Startschuss gegeben. Sagen Sie einmal, meine Damen und Herren von den Grünen: Wo ist da Ihre Menschlichkeit? Wo ist Ihre Menschlichkeit? Endet die beim politischen Gegner? Das frage ich Sie wirklich. Ich frage Sie: Sind politisch Andersdenkende für Sie keine ernst zu nehmenden Menschen, Menschen, denen man alles Mögliche vorwerfen darf, denen man vorwerfen kann, dass sie sich wiederbetätigen in der Republik Österreich?

Herr Van der Bellen, ich würde an Ihrer Stelle wirklich einmal meine Meinung revidieren. Das wäre dringend notwendig. Aber wir wissen schon, das ist Ihre Strategie: die Freiheitlichen immer in das rechte Eck drängen, in das rechtsextreme Eck drängen und ihnen die Punze des Nationalsozialismus aufbrennen. Aber ich sage Ihnen: Ihre Strategie wird nicht aufgehen! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Sie gehören auch dazu, denn Sie klatschen den Grünen immer, egal, wie tief die Anwürfe sind! Das möchte ich Ihnen auch noch sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, schauen Sie sich doch einmal an, was sich in diesem Parlament abspielt! Immer wieder – permanent! – machen Sie uns den Vorwurf, dass wir in Wirklichkeit Kriminelle sind, indem Sie insinuieren, dass wir Wiederbetätigung betreiben. Und das ist der Skandal! Ich möchte Sie wirklich auffordern: Forschen Sie doch einmal bei Ihnen nach, ob Sie echte Demokraten sind, schauen Sie doch einmal nach! Alles, was nicht Ihrer Meinung entspricht, wird kriminalisiert. Alles! Man darf bei Ihnen keine andere politische Meinung haben, sonst wird man schon mit der entsprechenden Punze versehen.

Frau Kollegin Stoisits, die heute hier gestanden ist, die von der großen, sachlichen Justizpolitik gesprochen hat, hat vor nicht allzu langer Zeit gefordert, dass alle Freiheitlichen mit einer 20-jährigen Freiheitsstrafe belegt werden sollen. Ja bitte, wo ist Ihr demokratisches Verständnis? (Zwischenruf der Abg. Mag. Muttonen. ) Das können Sie im Protokoll nachlesen. Sie waren damals noch gar nicht im Parlament, Sie brauchen überhaupt nicht mitzureden, Frau Kollegin. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Sie haben einen unerhörten Nachholbedarf, was demokratisches Denken betrifft. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Nehmen Sie eines zur Kenntnis: Nicht alles, was nicht links ist, ist auch schon verboten oder böse, und genauso wie links erlaubt ist, muss in Österreich auch rechts erlaubt sein. Wir lassen uns in unserer Politik von Ihnen nicht behindern! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bevor ich der nächsten Rednerin, Frau Dr. Madeleine Petrovic, das Wort erteile – vorher hat sich noch Herr Dr. Johannes Jarolim gemeldet –, möchte ich darauf hinweisen, dass es in dieser Situation durchaus angebracht erscheint, die Stimmung etwas zu mäßigen. Offensichtlich ist es bei den einzelnen Zwischenrufen bereits wieder so weit, dass wir knapp vor Ordnungsrufen sind. Ich glaube, wir alle sollten uns bemühen, eine Sitzung möglichst ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen. Ich bitte daher sowohl die Redner als auch die Zwischenrufer, darauf zu achten, dass die Würde dieses Hauses und insbesondere die Würde der angesprochenen Personen nicht verletzt wird.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

19.14

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Regierung! Wir haben zu Beginn dieser Diskussion versucht, darauf hinzuweisen, und zwar ganz besonders natürlich die Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, und ersucht, sich dessen bewusst zu sein, in welcher Situation wir uns derzeit befinden, welche Situation wir nicht nur in Österreich, sondern in Gesamteuropa auf Grund dieser Diskussion, auf Grund dieser Erklärungen, die gestern ein Landeshauptmann abgegeben hat, haben und welche Reaktionen man darauf als angemessen und für das Land sinnvoll und wünschenswert erachten kann, meine Damen und Herren. Ich habe aber ein bisschen den Eindruck, dass man sich dessen noch immer nicht ganz bewusst ist.

Ausgangspunkt der Diskussion war eine Erklärung, die Landeshauptmann Haider in einer Pressekonferenz zusammen mit dem Herrn Bundesminister für Justiz abgegeben hat. Bei aller gebotenen Objektivität – der Herr Bundeskanzler zeigt sich zu meinem Erstaunen hier sehr amüsiert, er zeigt Gelassenheit; ich glaube, man kann auch durch Mimik einen Standpunkt ausdrücken, und Sie gestatten, dass ich sage, dass ich diese Diskussion mit Ihrer heutigen Mimik keinesfalls in einen Zusammenhang setzen kann –, also bei aller gebotenen Objektivität glaube ich, dass die Situation wesentlich ernster ist. (Abg. Dr. Martin Graf: Ihre Mimik spricht auch Bände, das habe ich Ihnen heute schon einmal gesagt!)

Es hat der Landeshauptmann eine Pressekonferenz veranstaltet, er hat den Bundesminister für Justiz neben sich gesetzt oder mit eingeladen und hat dort eine Forderung gestellt, die an etwas anschließt, was er in der Vergangenheit schon angedeutet hat. Ich habe Ihnen das heute Vormittag schon vorgelesen, aber ich glaube, dass das offenbar nicht alle wirklich zur Kenntnis genommen haben, daher verlese ich einen Satz noch einmal. Herr Bundeskanzler, vielleicht ist es möglich, die Situation etwas ernster zu sehen und nicht zu sagen: Das ist ein Sommerthema, wir haben in Wirklichkeit ja kein Problem! Damit nimmt man nämlich auch in Kauf, dass dieses ungeheuerliche Vorgehen zu etwas führt, zu dem es zwangsläufig führen muss, nämlich dass sich auch im Ausland Betroffenheit bemerkbar macht. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das passt in Ihre Strategie!)

Es ist eben nicht selbstverständlich, dass in einem Land, das eine solche Vergangenheit hat, jemand sagt: Wir wollen, dass Abgeordnete bestraft werden, die anders denken, als wir uns das vorstellen. Und wenn Sie sagen: Na ja, wir wollen ja in Wirklichkeit die Verfassung schützen!, da kann man das natürlich argumentieren, wenn man sich streng am Wortlaut festsetzt. Das tun Sie aber nicht, meine Damen und Herren, das tut Haider nicht, sondern Sie müssen zwischen den Zeilen lesen.

Es ist heute hier erklärt worden, dass es eine Fülle von strafrechtlichen Tatbeständen gibt. Man kann das nicht nur mit Lächerlichkeit abtun, nehmen Sie das zur Kenntnis, die Situation ist ganz einfach zu angespannt (Beifall bei der SPÖ und den Grünen) und zu entscheidend! Wenn Ihnen


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daran gelegen ist, dass wir im Ausland unsere Reputation, unseren Ruf wieder herstellen, dass das, von dem Sie behaupten, dass es Sanktionen gegen Österreich sind, im Wesentlichen aber sind es Sanktionen gegen Regierungsmitglieder, beendet werden soll, dann sind wir aufgefordert, mit der Situation in angemessener Weise umzugehen. Diese Erklärungen von Haider kann man nicht einfach auf die leichte Schulter nehmen, und man kann sie auch nicht lächerlich machen. Herr Bundeskanzler, ich darf Sie daher auffordern, der Situation entsprechend zu reagieren.

Man kann vor allem nicht sagen: Es ist ein Sommerthema, das geht mich nichts an. Es ist ein Sommerthema, lachen wir darüber, dass Haider fordert, es sollen Andersdenkende strafrechtlich verfolgt werden. – Das ist nicht zum Lachen, Herr Bundeskanzler, und ich würde Sie ersuchen, all das, was Sie immer versuchen darzulegen, in die Waagschale zu werfen. Sie sagen ja immer, Sie setzen sich ein für dieses Land, und ich bitte Sie, das auch wirklich zu tun. Das Gefährdungspotential, das in dieser Erklärung von Haider liegt und auch in Ihrer Erklärung, Herr Bundesminister – ich komme dann noch einmal darauf zurück –, ist Sprengstoff. Ich ersuche Sie, das zur Kenntnis zu nehmen und eine Erklärung abzugeben, die der Situation und dem Land entsprechend würdig ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ein Herr Haider, der gestern die betreffende Erklärung abgegeben hat, hat bereits im Jahre 1991 erklärt: "Wer sich von der politischen Linie absentiert, muss gehen. Da muss man Härte zeigen. Ich erwarte auch von keinem, dass er mir die Hand reicht, wenn ich unten liege." – Zitatende.

Das sagte Haider, und er stellte weiters die Forderung nach strafrechtlichen Tatbeständen auf. Nach strafrechtlichen Tatbeständen, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, Sie können das nicht wegreden! (Abg. Ing. Westenthaler: Halten Sie Ihre Reden eigentlich zweimal, Herr Kollege? Das hätten Sie schriftlich auch machen können! – Der Ordnungsrufsammler Nummer eins!)

Und wenn Sie sagen, Sie wollen im Interesse dieses Landes agieren, dann wird es nicht anders gehen, als sich damit verantwortungsvoll auseinanderzusetzen und nicht einfach dazwischen zu rufen. Nehmen Sie das doch endlich zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und wenn so jemand dann so eine Forderung erhebt und vom Bundesminister, der daneben sitzt – und ich kann mich persönlich in Ihre Lage auch hineinversetzen –, wird dann so mehr oder weniger verlangt – auch wenn Sie vielleicht nicht gewusst haben, was da kommt –: Sagen Sie oder sage du auch irgendetwas dazu!, so verstehe ich schon, dass dann die Anspannung sehr groß ist. Aber nichts desto weniger, Herr Bundesminister, kann man in dieser Situation nicht sagen, das sei etwas, worüber man nachdenken könne, das sei eine Diskussionsbasis. Und es kann auch ein Bundeskanzler nicht sagen, das sei ein Sommerthema, meine Damen und Herren.

Hier entsteht der Eindruck, dass das Problem, das auf Grund einer derartigen Erklärung entsteht, in Wirklichkeit als Vorwand dafür genommen wird, dass unsere Probleme im Ausland noch größer werden, und wenn das entsprechend kommuniziert wird durch Sie und Sie jetzt weitere solche Erklärungen abgeben, dann ist wohl nicht mehr von der Hand zu weisen, dass Sie derartige Diskussionen, dass Sie derartige demokratiepolitische Skandale dazu verwenden wollen, um im Inland innenpolitisch zu punkten. Und das darf nicht sein.

Bitte, seien Sie sich dessen bewusst, dass es da um unsere Glaubwürdigkeit geht, um unser Verständnis von Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Das darf keine Spielwiese für kurzfristige politische Erfolge sein. Ich darf noch einmal an Sie appellieren, auch an Sie, Herr Bundeskanzler, der Situation entsprechend zu agieren und die Situation nicht herunter zu spielen, die Situation in ihrer gesamten Tragweite darzustellen und zu sagen, was in einer derartigen Situation zu sagen ist.

Herr Bundesminister für Justiz, ich meine, dass auch Sie diesbezüglich nochmals gefordert sind, und darf daher diesen Appell an Sie richten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.21


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

19.22

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Hohes Haus! Auch der Verlauf der Debatte, nicht nur der Gegenstand der Debatte offenbart einiges über die Vorgangsweise.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat mit dem Brustton der Empörung gesagt, man hätte in einer unfairen Art und Weise der freiheitlichen Fraktion beziehungsweise dem amtierenden Justizminister "Wiederbetätigung" vorgeworfen. – Ich ersuche in aller Form: Lesen Sie die Protokolle, erinnern Sie sich! Niemand hat das getan. Niemand hat das getan! Das ist genau Ihr Stil, wie Sie Verdrehung betreiben, wie Sie das seinerzeit sehr geschickt als Oppositionsfraktion gemacht haben, so nach dem Motto: Wir, die Armen, auf die immer alle losgehen, wo alle immer mit schweren verbalen Geschoßen auffahren, wo wir doch eigentlich gar nichts gemacht haben.

Und dann unterstellen Sie bei einer ganz berechtigten Kritik, dass etwas ganz anderes gesagt wurde! Das ist nicht gesagt worden, sondern ich sage Ihnen noch einmal, wie der Vorwurf lautet:

Der Herr Justizminister hat es ja sehr gut verstanden, und ich sage es Ihnen auch noch einmal, falls Sie es noch nicht verstanden haben: Es ist alles, was sich gegen den Staat, gegen die Staatsorgane, gegen die Einrichtungen des Staates, wie die Rechtspflege, das Bundesheer und den Staatsdienst als solchen, richtet, unter Strafe gestellt. Das ist unter Strafe gestellt, und es ist auch ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Petrovic, eine Frage: Warum hat Herr Dr. Van der Bellen das Reichsgesetz zitiert?)  – Warten Sie doch ein bisschen, seien Sie nicht so ungeduldig, Frau Partik-Pablé!

Es ist das alles unter Strafe gestellt, und der Herr Justizminister weiß es ebenso, wie es auch der Kärntner Landeshauptmann weiß; sie haben ja lange Jahre in einschlägigen Berufen gearbeitet. Es ist auch die Verletzung des Eides mit Sanktionen belegt, nämlich in Bezug auf Nationalratsabgeordnete – auch das wissen Sie ja in Ihrer Fraktion – gemäß Artikel 141 Abs. 1 lit. c B-VG. Und daher war unsere Frage: Wenn also der Hochverrat, der Landesverrat, der Geheimnisverrat, all das unter Strafe gestellt ist, wenn also Sanktionen für etwas anderes verlangt werden, eine Interessenschädigung, dann kann es sich nur um ein Gesinnungsstrafrecht handeln, dann schützen Sie die Interessen der Regierung gegen die Opposition – und das ist undemokratisch. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das ist nicht Wiederbetätigung, das ist kein Verstoß gegen das Verbotsgesetz, sondern das ist ein verbaler Angriff auf eine der wichtigsten Einrichtungen in der Demokratie, nämlich auf das Wechselspiel zwischen Opposition und Regierung, indem unter dem Deckmäntelchen der Interessenverteidigung eine Kritik an der Regierung und an den Regierenden in die Schranken gewiesen wird. Darüber empören wir uns, und das ist es, was Reminiszenzen an die NS-Zeit wachruft, denn ein derartiges Gesinnungsstrafrecht – und das ist etwas ganz anderes als das Verbot der Wiederbetätigung, und das ist etwas anderes als das Verbotsgesetz, und das wissen Sie als Juristin auch nur allzu gut – ist in Wirklichkeit Gegenstand der Empörung, und ein derartiges Gesinnungsstrafrecht gab es nicht nur im NS-Staat, sondern das gab es auch in anderen totalitären Staaten und unter totalitären Regimen.

Es ist das bewusst – nicht weil Sie glauben oder weil der Herr Böhmdorfer glaubt, dass das morgen kommen wird –, es ist das tatsächlich, Herr Bundeskanzler, als Provokation für die Sommerzeit gedacht, damit ein Thema da ist. Nur ist es ein derartiger Angriff, dass man auch nicht darüber hinweggehen kann.

Noch etwas fand ich sehr bemerkenswert, denn das zweite Ziel dieses Angriffes – ich habe es einmal schon gesagt – war ja auch, die Führungsrolle innerhalb der FPÖ klarzustellen. Für mich war in der Debatte sehr interessant, und ich weiß jetzt nicht, ob ich mich darüber freuen soll – freuen ist zu viel –, aber ich nehme es zumindest zur Kenntnis, dass Klubobmann Khol in dieser


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Debatte großteils nicht anwesend war und sich zu diesem Thema auch nicht geäußert hat. Ich denke, ja ich gehe davon aus, dass seine Haltung in dieser Frage eine eindeutige wäre.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es wird in diesem langen Sommer noch andere Anlässe geben, und, Herr Dr. Khol, es wird der Punkt kommen, wo auch Sie dazu nicht mehr schweigen können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

19.27

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Man gewöhnt sich nach 30 Jahren Regierung nicht leicht an die Oppositionsrolle (Abg. Reitsamer: Das ist schon fad!), aber eines haben Sie erkannt, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, und ich nehme es Ihnen gar nicht übel: Das Parlament ist das Feld der Opposition, und da von in der Früh bis zum Abend mit Polemik zu arbeiten, ist Ihr gutes Recht, und Sie nützen es reichlich aus. Das muss man sehen, das ist gar nicht hämisch gemeint, das ist so. Während die Bundesregierung ihre Regierungsgeschäfte zum Wohle der Republik erledigt (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), nützen Sie die Zeit für Ihre Polemik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man darf aber bei all der echten oder auch gespielten Empörung oder Betroffenheit, die Sie da heraußen an den Tag legen, nicht ganz in Vergessenheit geraten lassen, was von Ihrer Seite in diesem Zusammenhang, wenn es um die Gewalt der Worte geht, in den letzten Wochen und Monaten produziert worden ist.

Da geht ein Europa-Abgeordneter – ein Europa-Abgeordneter! –, nämlich der Abgeordnete Voggenhuber, her und sagt so akzentuiert, damit es ja niemand überhören oder missverstehen kann, im Fernsehen: "Haider ist ein Faschist, und die Freiheitliche Partei ist eine neofaschistische Partei." – Niemand hat es überhören können. So ist es gewesen.

Dann gehen Ihre Leute – ich sage das einmal so aus dem Handgelenk –, demonstrieren, zwar immer weniger von einer Woche zur anderen, aber immerhin doch, und was skandieren sie? – "Widerstand im ganzen Land, Schüssel, Haider an die Wand!" – Das ist Aufforderung zum Mord! (Abg. Dr. Van der Bellen: Wer?) Ihre Leute! (Abg. Dr. Van der Bellen: Was? Das ist eine Sauerei! Eine Schweinerei ist das! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Dann kommt eine grüne Abgeordnete, eine grüne Abgeordnete aus dem Wiener Landtag, und sie sagt: "Die Bundesregierung ist unter der Erde vom Ballhausplatz in die Präsidentschaftskanzlei unterwegs gewesen, unter der Erde, wo sie hin gehört!" – Das sind Ihre Aussagen!

Dann kommen zwei so genannte Blödler daher und äußern sich im Staatsrundfunk dahingehend, dass man jetzt jemanden finden müsste, der ohnehin nur mehr zwei Monate zu leben hat, und der sollte Haider umbringen.

Haider sei jemand, mit dem man an keinem Tisch sitzen könne, außer am Obduktionstisch, auf dem er liegt.

Und dann wird schön geschmackvoll skandiert: "Zyklon B für FPÖ!" Das sind die Klänge aus der Opposition und ihrer Umgebung – nicht von den Regierungsparteien. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Rufe bei den Grünen: Wer? Wer?)

Dann gehen Sie her nach der Methode "Haltet den Dieb!" und blasen alles, was Sie auf unserer Seite an Bemerkungen, die Sie zu verwerten können glauben, entdecken, zu einer riesengroßen Seifenblase auf. Dann beklagen Sie, dass Europa diese Seifenblase jetzt bemerken werde und


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dass das wieder ein Nachteil für Österreich sei. Sie übersehen aber, dass das niemand entdecken würde, wenn Sie diese Seifenblase nicht aufblasen würden. Sie sind es, die das machen! Sie haben es zu verantworten! Sie sind es, die mit der Lupe durchs Land gehen und alles suchen, was uns schaden könnte, und das draußen entsprechend propagieren. (Abg. Dr. Jarolim: Wenn das Kleinigkeiten für Sie sind! Na bitte!) Und dann vergießen Sie hier noch Krokodilstränen und tun so, als ob Ihnen das alles Leid täte. Das ist es, was man in diesem Zusammenhang wirklich geißeln muss! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dann muss die Bevölkerung im Fernsehen miterleben (Abg. Dr. Wittmann: Die Bewertungen von gestern!), wie ein Landeshauptmann mit Frau und Kindern vom Demonstrationsmob in einem Lokal, in dem die Familie Nachtmahl isst, belagert wird. Jene, die das gesehen haben, sind davon überzeugt: Wenn es der Polizei nicht gelungen wäre, mit Stahlhelm und Splitterschutzweste die Familie herauszuholen, wäre sie von dem Mob umgebracht worden. (Abg. Mag. Prammer: Das ist unglaublich!) Und Sie trauen sich, hierher zu gehen und zu sagen: Europa wird schauen. – Sie sorgen dafür, dass Europa schaut! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ... (Abg. Dr. Kostelka: O ja! – Abg. Ing. Westenthaler: Also wie ist das jetzt mit eurem Demonstrations-Mob? Wie schaut das aus?)

Frau Abgeordnete Dr. Madeleine Petrovic hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.32

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Abgeordneter Ofner hat in seinem Debattenbeitrag behauptet, dass zahlreiche Ausrufe, die im Zuge der Demonstrationen von grün-nahen Personen Gewaltnähe indizieren, geäußert worden sind. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wiederholen Sie das noch einmal!) – Dies ist unrichtig!

Es hat niemals derartige Äußerungen oder Gewaltaufrufe gegeben (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind nicht nur furchtlos, sondern auch feige!), sonst wären ja wohl auch die Organe des Staates in entsprechender Art und Weise vorgegangen. (Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Es gibt keine derartige Verurteilung. Es gibt ein einziges Verfahren, das seit 1995 anhängig ist – Sie wissen das –, nämlich betreffend Revolutionsbräuhof, bei dem zugegeben werden musste, dass das angeblich Gewalt indizierende Pickerl eine Manipulation und Fälschung, abgebildet in der "Kronen Zeitung", gewesen ist. (Beifall bei den Grünen.)

19.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Dr. Peter Kostelka. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt darf er wieder auftreten!)

19.34

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Kollege Ofner! (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt darf er wieder auftreten! Jetzt haben Sie ihn eine Woche versteckt, jetzt darf er wieder auftreten!) Frau Kollegin Partik-Pablé! Sie haben uns Polemik vorgeworfen. Was wir von Ihnen beiden gehört haben, ist reine Polemik gewesen, und zwar mit einem einzigen Ziel (Beifall bei der SPÖ), nämlich mit dem Ziel, vom eigentlichen Inhalt dieser Diskussion abzulenken. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der eigentliche Inhalt dieser Diskussion ist, dass der Regierungschef einer Landesregierung allen Ernstes in der Öffentlichkeit versucht hat, das freie Mandat, den Kern der politischen Freiheit, zum Kippen zu bringen. Und darüber wollen Sie nicht diskutieren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)


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Wir haben ganz genau zugehört. (Abg. Mag. Trattner: Fragen Sie einmal die Frau Hagenhofer!) Ganz genau haben wir zugehört! Der Herr Bundesminister für Justiz hat in Klagenfurt keinen anderen Kommentar gefunden, als zu sagen: Das ist ein sehr "verfolgenswerter" Gedanke. Wenn ein Bundesminister so etwas sagt, dann geht er zumindest davon aus, dass sein Ressort in diesem Zusammenhang Vorschläge zu erarbeiten hat. Zumindest müssen wir davon ausgehen! (Rufe bei den Freiheitlichen: Glauben Sie wirklich, was Sie da sagen?)

Wir haben daher in diesem Zusammenhang heute in der Debatte zum Budgetkapitel Justiz, aber auch in unserer Fristsetzungsdebatte erwartet, dass es deutliche Formulierungen gibt. Alles, was der Herr Justizminister jedoch gesagt hat, war, er werde nichts gegen das freie Mandat tun. Aber zu dem Vorschlag selbst hat er kein Wort gefunden! Wir möchten wissen, was die Bundesregierung in diesem Zusammenhang vorhat. (Abg. Ing. Westenthaler: Reine Polemik!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Bundeskanzler! Herr Justizminister! Ich erwarte mir schlicht und einfach, dass der Bundeskanzler, dass der Justizminister dann, wenn solche Ungeheuerlichkeiten zur Diskussion gestellt werden, schon in der ersten Sekunde mit aller Deutlichkeit auftreten und sagen, was Sache ist, nämlich dass die Demokratie in Österreich nicht gefährdet werden darf. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Um so zu reagieren, gäbe es nicht nur diesen, sondern auch noch einen zweiten Grund. Im ersten Satz der notwendigen Präambel zu Ihrer Regierungserklärung findet sich ein Bekenntnis zum gemeinsamen Erbe der Völker Europas. Es ist von der persönlichen Freiheit, von der politischen Freiheit und der Herrschaft des Rechts die Rede. Herr Bundeskanzler! Sie haben Österreich, Sie haben den europäischen Staaten, Sie haben darüber hinaus jedem Staatsmann auf der Welt zugesagt, die Einhaltung dieser Präambel genauest zu kontrollieren. Wenn ein Mitglied Ihrer Bundesregierung Äußerungen macht, die – ich formuliere bewusst verhalten – zumindest als Widerspruch zu dieser Präambel verstanden werden können, dann erwarte ich mir von Ihnen eine Klarstellung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Diese Klarstellung ist nicht erfolgt. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das die Abschiedsrede?) Diese Klarstellung ist nicht erfolgt, obwohl hier in diesem Hause jetzt nicht nur der Justizminister, der den Vorschlägen des Herrn Landeshauptmannes von Kärnten zugehört hat, anwesend ist, sondern auch der Landeshauptmann von Kärnten selbst in der Journalistengalerie sitzt. (Abgeordnete der Freiheitlichen erheben sich von ihren Sitzen und spenden dem sich auf der Galerie befindlichen Landeshauptmann von Kärnten Dr. Haider stehend Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn der Herr Bundeskanzler nicht zu klaren Worten findet, dann gehe ich davon aus, dass er sich im Beisein des Landeshauptmannes von Kärnten, seines Überkanzlers, nicht zu Wort zu melden getraut. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Bitte, jetzt darf ich schon lachen!)

19.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

19.39

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine Herren Minister! (Abg. Nürnberger: Den Haider nicht vergessen!) Mein lieber Kollege Kostelka, dass sich unser Bundeskanzler mehr getraut, als Sie ihm zutrauen, das haben Sie in den letzten Monaten zur Kenntnis nehmen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.  – Abg. Dr. Petrovic: Wieso sagt er das nicht selbst? – Abg. Edlinger: Da lacht sogar der Bundeskanzler!)

Die Debatte um die Äußerungen des Herrn Landeshauptmannes von Kärnten und auch um die Äußerungen des Herrn Bundesministers für Justiz erweckt hier den Eindruck, als stünden wir kurz vor der Beschlussfassung nationalsozialistischen Gedankengutes. Das ist einfach ungeheuerlich, dass die grüne Opposition und die linke Opposition das so darstellen, und ich möchte das eindeutig zurückweisen und korrigieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Die Herstellung eines Zusammenhanges zwischen den Äußerungen des Herrn Bundesministers und nationalsozialistischen Gesetzen ist nämlich unsachlich und falsch. Lassen Sie mich zitieren, worum es in diesem Interview tatsächlich gegangen ist.

Der Herr Landeshauptmann Haider hat gemeint, dass es für jeden Abgeordneten beziehungsweise jeden, der eine hohe politische Funktion innehat, strafrechtliche Sanktionen geben sollte, wenn er das Gelöbnis, das er zu leisten hat, bricht. Herr Minister Böhmdorfer hat darauf geantwortet, das sei sicherlich "verfolgenswert", es sei seine Aufgabe als Minister, Ideen, aus gesellschaftlichen Entwicklungen geboren, zu verfolgen und zu prüfen, ob Handlungsbedarf besteht. Das heißt nicht, dass wir jetzt schon ein Gesetz beschließen, sondern dass geprüft werden soll, ob Handlungsbedarf besteht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer das Gelöbnis bricht, das er hier leistet, muss auch die Frage zulassen, ob er die Gesetze eingehalten hat, ob er verfassungskonform gehandelt hat. Ich habe heute Nachmittag bereits ausgeführt, dass jeder Mandatar, der sich genau prüfen lassen muss, ob er die Gesetze eingehalten hat, natürlich auch das Recht auf Meinungsfreiheit, auf Gesinnungsfreiheit und auf die Freiheit seiner politischen Interessen hat. Das heißt, es ist abzuwägen, ob ein Gelöbnisbruch vorliegt oder nicht. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Für uns von der ÖVP ist es nicht akzeptabel – und das habe ich auch heute Nachmittag ausgeführt –, dass Herr Haider – und dazu hat sich Minister Böhmdorfer nicht mehr geäußert – weiters die Frage in den Raum gestellt hat, ob man nicht neben den bisherigen strafrechtlichen Gesetzen, die Frau Kollegin Petrovic ja ausführlich zitiert hat, einen neuen Straftatbestand für die in Diskussion stehenden Fälle einführt. (Abg. Öllinger: Sind sie ausreichend oder nicht? – Abg. Mag. Kogler: Majestätsbeleidigung ist das!)

Dazu hat die ÖVP klar und deutlich gesagt: Im Strafgesetzbuch gibt es keine Anlassgesetzgebung für uns, und wir erkennen in diesem Zusammenhang keinen Handlungsbedarf! Daher verstehe ich die Aufregung in diesem Ausmaß nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Spezialberichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beratungsgruppe V des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000.

Diese umfasst das Kapitel 30 des Bundesvoranschlages samt dem dazugehörigen Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über den bei der Verhandlung der Beratungsgruppe V des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsantrag sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.


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25. Sitzung / Seite 151

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Gusenbauer hat nicht mitgestimmt! Gusenbauer und Schlögl sind hinausgegangen! Nur fürs Protokoll!)

Vertagung gemäß § 53 (8) GO

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Es liegt mir ein Antrag vor, die Verhandlung über das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen gemäß § 53 Abs. 8 der Geschäftsordnung zu vertagen, um eine Sitzung zur Verhandlung anderer Gegenstände einzuschieben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist, soweit ich sehen kann, einstimmig und damit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 160/A bis 164/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 789/J bis 800/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Mittwoch, den 17. Mai 2000, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. In dieser Sitzung findet weder eine Aktuelle Stunde noch eine Fragestunde statt.

Die heutige Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.47 Uhr