Stenographisches Protokoll

39. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 12. Oktober 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

39. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 12. Oktober 2000

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Oktober 2000: 9.03 – 10.05 Uhr

12.01 – 17.01 Uhr

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Mag. Karl Schlögl 11

Angelobung des Abgeordneten Dkfm. Dr. Hannes Bauer 11

Personalien

Verhinderungen 11

Geschäftsbehandlung

Einwendungen der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen gegen die Tagesordnung dieser Sitzung gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung 13

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 (1) der Geschäftsordnung 13


Nationalrat, XXI.GP
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39. Sitzung / Seite 2

Redner:

Matthias Ellmauer 13

Dr. Peter Kostelka 13

Ing. Peter Westenthaler 15

Dr. Peter Pilz 16

Dr. Harald Ofner 17

Mag. Andrea Kuntzl 19

Mag. Karl Schweitzer 20

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 21

Paul Kiss 22

Mag. Walter Posch 23

Karl Öllinger 24

Einwendungen finden keine Mehrheit 26

Wortmeldung des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler betreffend "Herbeischaffung" des Stenographischen Protokolls über die Einwendungsdebatte 26

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 957/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 27

Redner:

Dr. Peter Pilz 80

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 82

Anton Leikam 83

Paul Kiss 84

Hermann Reindl 86

Karl Öllinger 87

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte, Aufklärung und Weitergabe von sensiblen Daten oder dem Redaktionsgeheimnis unterliegenden Informationen des ORF an politische Parteien gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 88

Bekanntgabe 27

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 27

Redner:

Dr. Peter Kostelka 89

Mag. Andrea Kuntzl 91

Paul Kiss 92

Ing. Peter Westenthaler 94

Karl Öllinger 95

Ablehnung des Antrages 97

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 97

Bekanntgabe 27

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 27

Redner:

Dr. Peter Pilz 98

Dr. Peter Wittmann 100

Walter Murauer 101

Dr. Reinhard Eugen Bösch 103

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 104

Ablehnung des Antrages 105

Unterbrechung der Sitzung 27

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Ausdrucksweise in der Einwendungsdebatte 27

Mitteilungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Worterteilung zu tatsächlichen Berichtigungen in der Debatte über die Dringliche Anfrage am Ende dieser Debatte 43, 43

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend Zulässigkeit von tatsächlichen Berichtigungen in der Debatte über die Dringliche Anfrage 43


Nationalrat, XXI.GP
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39. Sitzung / Seite 3

Ausschüsse

Zuweisungen 12

Auslieferungsbegehren

gegen den Abgeordneten Dr. Peter Pilz 12

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Reformvorhaben für soziale Gerechtigkeit ohne Neuverschuldung (1325/J) 28

Begründung: Dr. Andreas Khol 31

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 34

Debatte:

Dr. Alfred Gusenbauer 41

Ing. Peter Westenthaler 43

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 46

Dr. Alexander Van der Bellen 49

Rudolf Nürnberger 51

Reinhart Gaugg 54

Werner Miedl 56

Karl Öllinger 59

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 62

Mag. Herbert Haupt 64

Johannes Zweytick 66

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 68

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 70

Dr. Helene Partik-Pablé 72

Dr. Gerhart Bruckmann 73

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 74

Doris Bures 75

Rudolf Edlinger (tatsächliche Berichtigung) 77

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 78

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 78

Karl Öllinger (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 78

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 79


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39. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Helmut Haigermoser und Genossen betreffend Sicherung einer positiven Wirtschaftsentwicklung und der Arbeitsplätze in Österreich – Annahme (E 35) 49, 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend Rückziehung des Ministerratsbeschlusses vom 19. September 2000, mit dem das asoziale Treffsicherheitspaket geschnürt wurde – Ablehnung 54, 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf und Genossen betreffend Sechs-Punkteprogramm einer Universitätsreform – Annahme (E 36) 57, 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Abstandnahme von der geplanten Besteuerung der Unfallrenten – Ablehnung 68, 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Schließung von Steuerlücken bei Privatstiftungen – Ablehnung 76, 80

Entschließungsantrag der Abgeordneten Doris Bures und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren – Ablehnung 77, 80

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 12

196: Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung der Republik Österreich

295: Annahme der Verlängerung der Erklärung europäischer Regierungen über die Produktionsphase der ARIANE-Träger

298: Bundesgesetz, mit dem die Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Bundes neuorganisiert sowie über Bundesvermögen verfügt wird (Bundesimmobiliengesetz) und mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 sowie das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geändert werden

300: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird

Berichte 12

Zu III-53: Berichtigung des Berichtes (III-53 d. B.) des Universitätenkuratoriums im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993 über seine Tätigkeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur

III-60: Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 1999

III-63: Bericht betreffend Controlling auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 24. Februar 2000, E 2-NR/XXI. GP; BM f. Finanzen

III-64: Bericht betreffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 1999; BM f. Justiz

Anträge der Abgeordneten

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Anhebung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (273/A) (E)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend freien Zugang zu allen Bildungsinstitutionen (274/A) (E)


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39. Sitzung / Seite 5

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (275/A) (E)


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39. Sitzung / Seite 6

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch Schließen der Lücken im Krankenversicherungsschutz (276/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (277/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich Rehabilitätsmaßnahmen (278/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Hauskrankenpflege (279/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialversicherung durch längere Fristen für Anträge auf Kostenerstattung (280/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialhilfe (281/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes (282/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes durch bessere Absicherung der Pflegepersonen (283/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes in der Pflegeinfrastruktur (284/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung (285/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialversicherung (286/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Schaffung eines Teilarbeitslosengeldes (287/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch ein Mindestarbeitslosengeld (288/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Anhebung der Freigrenzen bei der Anrechnung der Notstandshilfe (289/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Verbesserung der Zumutbarkeitsbestimmungen (290/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Verbesserung bei den Sanktionen (291/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch den Ausbau der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (292/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Einkommenssituation in der Zeit der Karenz und der Kindererziehung (293/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Verbesserung der Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds (294/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems Richtung bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch verbesserte Rechte beim Wiedereinstieg (295/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems durch die Verbesserung des Angebotes an Kinderbetreuung (296/A) (E)

Dr. Günther Kräuter und Genossen betreffend die Fassung eines Ministerratsbeschlusses zur Durchsetzung des Semmering-Basistunnels (297/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Abgabe von Zuwendungen geändert wird (298/A)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Abstandnahme von der geplanten Besteuerung der Unfallrenten (299/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Verwendung der Behindertenmilliarde im Budget 2001 (300/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Defizite bei der Treffsicherheit des Pflegegeldes (301/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Cochlear-Implantationen in Salzburg (1280/J)

Anton Wattaul und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ausbildungswesen im Forstbereich (1281/J)

Anton Wattaul und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Forstfachschule Waidhofen a.d. Ybbs (1282/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Kinder im Krankenhaus (1283/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den Selbstmord eines Häftlings im Gefangenenhaus des Landesgerichts Linz am 16. Juni 2000 (1284/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend ärztliche Schweigepflicht (1285/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Kündigung eines behinderten Mitarbeiters im Ministerbüro (1286/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einschulung der Zivildiener für Elementarereignisse (1287/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Staatsbürgerschaftsverleihungen im 1. Halbjahr 2000 (1288/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verordnung der BH Mistelbach und BH Hollabrunn gemäß § 36 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (1289/J)


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39. Sitzung / Seite 7

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Einsparungspotential bei BeamtInnen (1290/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Einsparungspotential bei BeamtInnen (1291/J)

Dr. Ilse Mertel und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend gleichheitswidrige Verwendung von Bundesgeldern in der steirischen Gemeinde Öblarn (1292/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundeskanzler betreffend eigenartigen Sparversuch der Bundesregierung in Form der Ausschreibung einer Millionen teuren Anti-Oppositions-Kampagne unter dem Namen "Wendeplan" (1293/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Vorgänge um die Vorgänge der Ausschreibungen von Sektionen bzw. Änderungen in der Geschäftseinteilung (1294/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Behindertenmilliarde im Budget 2001 (1295/J)


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39. Sitzung / Seite 8

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen über politische Funktionsträger (1296/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1297/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1298/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1299/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1300/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1301/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1302/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1303/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1304/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1305/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1306/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1307/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Reformmaßnahmen des Ressorts im Jahre 2001 (1308/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend UMTS-Aufbau ohne Rechtssicherheit und Gesundheitsschutz für die BürgerInnen (1309/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebepraxis bei Minderjährigen (1310/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen über politische Funktionsträger in Salzburg (1311/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend gleichheitswidrige Verwendung von Bundesgeldern in einem steirischen Trägerverein (1312/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Einsparungspotential bei BeamtInnen (1313/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Spanplatten-Recycling, -verordnung und -kennzeichnung (1314/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Spanplatten-Recycling, -verordnung und -kennzeichnung (1315/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend einen Zeitzeugen der "Initiative Wehrbereitschaft" an einer Schule in Baden, II (1316/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Einsparungspotential bei BeamtInnen (1317/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Neubau des Linzer Unfallkrankenhauses (1318/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Projekt Kinderscheck in Öblarn (1319/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gefährdung von ÖBB Lehrwerkstätten und qualifizierten Ausbildungsplätzen (1320/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Gefährdung von 220 qualifizierten Ausbildungsplätzen in der Steiermark (1321/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gefährdung von 220 qualifizierten Lehrplätzen in der Steiermark (1322/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Privatstiftung für Berufsausbildung (1323/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend mediale Vorverurteilungen von schwarzafrikanischen Untersuchungshäftlingen (1324/J)


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39. Sitzung / Seite 9

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Reformvorhaben für soziale Gerechtigkeit ohne Neuverschuldung (1325/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Ver(sch)wendung direkter Parteienförderung des Bundes (1326/J)

Beate Schasching und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalmangel der Gendarmerie im Bezirk St. Pölten (1327/J)

Beate Schasching und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend die Änderungen der Sporthilfe (1328/J)


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39. Sitzung / Seite 10

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schutz persönlicher Daten minderjähriger AusländerInnen vor freiheitlichen Zugriffen (1329/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundeskontrolllabor (1330/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Lebensmittelkontrolle (1331/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vergabe von UMTS/IMT-2000 Konzessionen (1332/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vergabe von UMTS/IMT-2000 Konzessionen (1333/J)

Dr. Peter Wittmann und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Verwaltungsreform im eigenen Ressort (1334/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Rechtsabbiegen bei Rot" (1335/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend fortgesetzte mediale Vorverurteilung von SchwarzafrikanerInnen durch freiheitliche Hetzparolen (1336/J)

Anton Heinzl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung von Wachzimmern und Gendarmerieposten im Bezirk St. Pölten (1337/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen über politische Funktionsträger und ihre Familienangehörigen in Oberösterreich (1338/J)

Ing. Erwin Kaipel und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen über politische Funktionsträger und ihre Familienangehörigen in Burgenland (1339/J)

Günter Kiermaier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen über politische Funktionsträger und ihre Familienangehörigen in Niederösterreich (1340/J)

Anton Gaál und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen über politische Funktionsträger und ihre Familienangehörigen in Wien (1341/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die geplante Hubschrauber-Show am Wiener Heldenplatz am 26. Oktober 2000 (1342/J)

Doris Bures und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verkauf von Bundeswohnungen durch die BIG (1343/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf von bundeseigenen Wohnungen (1344/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verkauf von bundeseigenen Wohnungen (1345/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Sprungschanzenanlage in Waldzell (Bezirk Ried im Innkreis) (1346/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abfragen über EKIS und über andere Dateien des BMI hinsichtlich der (ehemaligen) GemeinderätInnen der Stadt Salzburg (1347/J)

 

 


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39. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen und eröffne die 39. Sitzung des Nationalrates, die für heute, 12. Oktober, einberufen wurde, und zwar auf Grund eines Verlangens nach § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung.

Die Amtlichen Protokolle der 36. Sitzung vom 20. September sowie der 37. und 38. Sitzung vom 21. September sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gelten damit als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dr. Antoni, Kurt Eder, Ing. Gartlehner, Lackner, Jung, Mag. Trattner, Wochesländer, Zierler, Dr. Fekter, Platter und Lexer.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Herr Abgeordneter Mag. Karl Schlögl auf sein Mandat im Nationalrat verzichtet hat und dass an seine Stelle Herr Dkfm. Dr. Hannes Bauer in den Nationalrat berufen wurde. (Abg. Dr. Khol  – in Richtung SPÖ –: Da kommt Freude auf!)

Da der Wahlschein des Genannten bereits vorliegt und dieser im Hause anwesend ist, werde ich sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Frau Schriftführerin Parfuss wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf die Frau Schriftführerin bitten, die Gelöbnisformel zu verlesen. – Bitte, Frau Kollegin.

Schriftführerin Ludmilla Parfuss: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den neuen Kollegen herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es sind Verhandlungsgegenstände eingelangt, und ich darf in Bezug auf diese Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen nach § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die verteilte schriftliche Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1280/J bis 1324/J.


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39. Sitzung / Seite 12

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem die Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Bundes neuorganisiert sowie über Bundesvermögen verfügt wird (Bundesimmobiliengesetz) und mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 sowie das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geändert werden (298 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird (300 der Beilagen).

3. Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:

Berichtigung des Berichtes (III-53 der Beilagen) des Universitätenkuratoriums im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993 über seine Tätigkeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999, vorgelegt von der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Zu III-53 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (15 U 263/00a) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 StGB und § 115 StGB.

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bürgerinitiative Nr. 5 betreffend "Zivildienstnovelle 2000";

Verkehrsausschuss:

Petition Nr. 1 betreffend "Alkoholisierte Lenker gefährden uns alle", überreicht vom Abgeordneten Johann Kurzbauer,

Petition Nr. 2 betreffend Mobilfunk, überreicht von den Abgeordneten Mag. Johann Maier, Dr. Gabriela Moser und Dr. Martin Graf,

Petition Nr. 3 betreffend Road-Pricing, überreicht vom Abgeordneten Karlheinz Kopf.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung der Republik Österreich (196 der Beilagen),

Annahme der Verlängerung der Erklärung europäischer Regierungen über die Produktionsphase der ARIANE-Träger (295 der Beilagen);


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Budgetausschuss:

Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 1999 (III-60 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend Controlling auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 24. Februar 2000, E 2-NR/XXI. GP (III-63 der Beilagen);

Justizausschuss:

Bericht des Bundesministers für Justiz betreffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 1999 (III-64 der Beilagen).

*****

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet. – Bitte.

9.06

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich erhebe Einwendung gegen die heutige Tagesordnung und schlage vor, den Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 125/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend einen Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat über die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich als Tagesordnungspunkt 1 auf die heutige Tagesordnung zu setzen. – Danke.

9.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Sie haben die Einwendungen gehört.

Nach § 50 der Geschäftsordnung befindet darüber der Nationalrat in Form einer Abstimmung. Dieser Abstimmung geht eine Debatte voraus. In dieser Debatte ist nach § 50 der Geschäftsordnung die Möglichkeit gegeben, die Redezeiten auf 5 Minuten zu beschränken. Das ist unsere ständige Praxis. Ich gehe daher nach dieser Praxis vor. Das beinhaltet auch eine Beschränkung der Zahl der Redner pro Fraktion auf maximal drei, wie das in § 50 Abs. 1 GOG vorgesehen ist.

In diesem Sinne gehe ich also in die damit beantragte Debatte ein.

Wir beginnen mit einer Contra-Wortmeldung. Erste Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

9.07

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Pilz, Ihre Einwendung verwundert mich ein wenig, sind Sie doch nicht einmal Mitglied im Menschenrechtsausschuss; Sie waren auch nicht im Ausschuss. Wir haben nämlich im Ausschuss einvernehmlich festgelegt, dass bei der nächsten ordentlichen Sitzung des Nationalrates, nämlich am 18. Oktober, unter Tagesordnungspunkt 2 der gesamte Menschenrechtsblock behandelt wird. – Ich kann daher nicht nachvollziehen, warum Sie heute hier in dieser Sondersitzung eine Änderung der Tagesordnung verlangen. Meine Fraktion wird dem sicherlich nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Gleiche Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

9.08

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ellmauer, das war eine wirklich "beeindruckende" Argumentation. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen Recht geben: Wozu brauchen wir eigentlich überhaupt diesen Menschenrechtsbericht (Abg. Großruck: Für Sie wär’ gescheiter der Hilflosen-Bericht!), wenn in einer Situation, in der Künstler, Journalisten, Politiker, einfache Bürger nur deswegen, weil die Freiheitliche Partei gerne wissen möchte, ob in Gemeindebauten Ausländer leben, systematisch bespitzelt werden und der Polizeicomputer zu einem Informations-Selbstbedienungsladen einer Fraktion gemacht wird? (Abg. Schwarzenberger: Wie war das in der Steiermark? In Graz? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Gerade in einer solchen Zeit muss man über Menschenrechte reden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wozu soll man über Menschenrechte reden – so offensichtlich die Position der ÖVP –, wenn der Redaktionscomputer des größten Nachrichtenkonzerns in Österreich, des ORF, als Interventionsbasis der zweitgrößten Fraktion dieses Hauses verwendet wird? Was soll man da über die Menschenrechte reden? Meinungsfreiheit ist ja offensichtlich verfassungsgesetzlich in Ihrem Bewusstsein gar nicht garantiert. Wozu also eine Diskussion über Menschenrechte?, meinen Sie daher. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sie werden es ja gleich hören, denn Kollege Westenthaler wird nach mir herauskommen, und er wird auch hier sicherlich das erklären, was er gestern vollmundig den Medien gegenüber erklärt hat: dass letztendlich die Luft heraußen ist und dass es keinen Spitzelskandal gibt. Ich frage Sie: Warum untersucht dann das Innenministerium? 150 Opfer und sieben Täter! (Abg. Rosemarie Bauer: Alles unter Schlögl!) Und, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen: In wenigen Tagen werden Sie sich damit zu beschäftigen haben, dass Sie nachgewiesen bekommen werden, dass unter diesen sieben Tätern mehrheitlich Funktionäre Ihrer Fraktion sind. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Puttinger  – in Richtung SPÖ –: Ihr habt 40 Jahre lang nicht kontrolliert!)

Wir sind der Meinung, dass in dieser Situation erstens einmal die Bundesregierung nicht nur sofort an einem Menschenrechtsbericht arbeiten und einen solchen dem Plenum des Nationalrates vorlegen sollte, sondern dass es auch notwendig ist, über die Menschenrechtssituation in Österreich jetzt, hier und heute zu diskutieren, und zwar deswegen, weil eine Fraktion dieses Hauses systematisch die Privatsphäre, Artikel 8 MRK, Meinungsfreiheit, und andere Grundrechte des Bürgers nachhaltig schädigt. – Meine Damen und Herren, das ist das Ziel! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Herr Kollege Westenthaler, was immer Sie nachher sagen, bedenken Sie eines (Abg. Haigermoser: Aber sagen darf er schon etwas!): Herr Bundesminister Strasser hat gestern nicht erklärt, dass über den FPÖ-Spitzelskandal die Akten geschlossen wurden, sondern er hat gesagt, dass man am Beginn eines Aufklärungsprozesses stehe, dass eine Unmenge von Daten zu kontrollieren sein wird, und weiters: dass sich der Kreis der untersuchten Täter und Opfer ständig erweitert. – Da ist nichts von einem "Die-Luft-ist-Heraußen!", da ist keine Rede vom "Ende" eines Spitzelskandals! Wir stehen erst an einem Anfang – und das ist Gegenstand der Debatte des Nationalrates, wenn Sie ihn ernst nehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: 40 Jahre lang habt ihr nichts untersucht dort! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Daher meine Aufforderung, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Stimmen Sie dem Antrag, der jetzt gestellt wird, zu! – Wir werden das jedenfalls tun. Und zweitens: Stimmen Sie der Einsetzung eines diesbezüglichen Untersuchungsausschusses zu!

Wer unter diesen Voraussetzungen einen solchen Untersuchungsausschuss nicht akzeptiert, der hat Dinge zu verbergen – so (in Richtung Freiheitliche) wie Sie. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Redezeit: 5 Minuten.


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9.13

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kostelka, Sie haben sich erlaubt, Ihren Vorredner zu bewerten. – Ich erlaube mir das auch: Das war ein schwacher Auftritt, was Sie heute hier gemacht haben, wirklich wahr! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie missbrauchen einmal mehr die Geschäftsordnung des Nationalrates (Abg. Dietachmayr: Das glauben Sie doch selbst nicht!), um hier eine Show abzuziehen, eine Show mit billigen, unwahren Behauptungen (Widerspruch bei der SPÖ), nur weil Sie gestern im Innenausschuss jämmerlichst "eingegangen" sind (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) – und weil Sie eine schwere Niederlage einstecken müssen, weil Ihre Sudelkampagne nicht aufgegangen ist. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Und deswegen wollen Sie heute das Nationalratsplenum entsprechend betrauen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich sage es Ihnen noch einmal – auch wenn es Ihnen noch so unangenehm ist und Sie es nicht hören wollen! –: Gestern habe ich im Innenausschuss die Frage gestellt – es ist ja alles protokolliert worden, das kann dann jeder nachlesen –: Gibt es konkrete Verdachtsmomente, gibt es Beweise, dass es seitens der Politik Aufträge zur Beschaffung von personenbezogenen Daten gegeben hat? – Die Antwort war: Nein! Das ist das Entscheidende.

Meine zweite Frage war: Gibt es einen aktuellen Fall eines suspendierten Polizeibeamten, der Daten weitergegeben und verkauft hat? – Die Antwort war: Ja, es gibt einen solchen Fall. Ein Schwechater SPÖ-Gemeinderat hat Daten an einen Detektiv weiterverkauft. – Das (in Richtung SPÖ) ist Ihr Skandal! Das ist der einzige Fall, der in Wirklichkeit im Moment an der Öffentlichkeit ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die dritte Frage, die ich gestern im Innenausschuss gestellt habe: Herr Innenminister, stimmt es, dass es einen Abgeordneten dieses Hauses gibt – Peter Pilz –, der Gegenstand von Untersuchungen ist, weil auch er illegal Daten weitergegeben, weil auch er Daten aus einem Disziplinarakt veröffentlicht hat, der ein Verschlussakt ist und geheim gehalten werden müsste? – Die Antwort war: Ja, Peter Pilz hat das getan! (Rufe bei den Grünen: Ablenkungsmanöver! – Zwischenrufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei den Freiheitlichen.) Pilz steht selbst im Mittelpunkt dieses Skandals – und Sie, Herr Kollege Pilz, werden sich dafür verantworten müssen! Sie kommen nicht weg davon! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jawohl, Herr Kollege Kostelka, Sie haben Recht: Es hat in diesem Land einen Spitzelskandal gegeben, wo österreichische Bürger breitflächig bespitzelt werden hätten sollen, und zwar in der Steiermark. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es geht um einen Brief der SPÖ Steiermark, in dem das ganz genau drinnen steht: mit dem Wählerverzeichnis, das verschickt wurde. Und es hätten laut diesem Brief Namen von Bürgern der Nachbarschaft, die SPÖ-nahe sind, mit einem "S" markiert werden sollen, und jene, die nicht SPÖ-nahe sind, hätten mit einem "A" markiert werden sollen.

Das ist ein evidenter, das ist der einzig vorliegende wirkliche Spitzelskandal! Und das ist Ihr Skandal, Herr Kollege Kostelka! Und das ist von Ihnen bis heute nicht zurückgewiesen worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Edlinger führen pantomimisch Handy-Gespräche. – Abg. Edlinger  – in dieser Handy haltenden Gestik –: Hallo, hier Westenthaler! Hallo! Ja, schon wieder! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Es gibt einen Spitzelskandal in der Steiermark, es gibt einen Skandal um einen SPÖ-Polizisten in Schwechat – und es gibt auch Zensur, Zensur im größten Medium unseres Landes, im ORF. (Rufe bei der SPÖ: Schämen soll er sich!) Aber auch da ein einziger bewiesener Fall, nämlich von der SPÖ, wo ein Kanzlersekretär in der Causa "Euroteam" angerufen und mehrere Sätze eines ORF-Beitrages einfach zensuriert und weggeschnitten hat! Das ist der einzige dokumentierte Fall, und das ist Ihr Zensurfall im ORF! Daran erkennt man, wie Sie jahrelang Druck ausgeübt haben auf dieses Medium, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Das ist


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eine Tatsache! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Da kommen Sie nicht weg. Und Sie sind gestern fürchterlich "eingegangen", Herr Kollege Kostelka! Kollege Kostelka ist vor wenigen Wochen, als irgendein Buch, ein Sudelbuch gegen die FPÖ, erschienen ist, als reißender Tiger ausgezogen – gestern ist er heimgekehrt als begossener Pudel. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist Ihr Ergebnis, Ihre Blamage bis auf die Knochen, die Sie gestern erleben mussten, Herr Kollege Kostelka! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Wenigstens einmal sollte in einem Redebeitrag zu einer Einwendungsdebatte das Wort "Tagesordnung" oder "Menschenrechtsbericht" fallen. Ich muss das von allen Rednern verlangen!

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (fortsetzend): Ich weiß schon, dass Ihnen das auch nicht angenehm ist, Herr Präsident (empörte Zwischenrufe bei der SPÖ), wenn sich Ihr geschäftsführender Klubobmann derart in der Öffentlichkeit blamiert, aber wir werden ja heute Nachmittag noch Gelegenheit haben, auch darüber zu diskutieren. (Rufe bei der SPÖ: So eine Frechheit!)

Wir lehnen natürlich dieses billige Show-Argument ab, dass hier ein Menschenrechtsbericht, der in der Sitzung am 18. Oktober als Punkt 2 auf der Tagesordnung stehen wird, heute vorgezogen werden soll. Wir werden weiterhin Ihre Blamage und Ihr Scheitern auf den Tisch legen! Sie haben in diesen Fragen fürchterlich versagt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Redezeit: 5 Minuten. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Haigermoser  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Pilz –: Peter! Herunter mit der Butter vom Kopf!)

9.17

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich erlaube mir, kurz zum Debattenbeitrag meines Vorredners Stellung zu nehmen und muss sagen: Da gibt es ein gewisses Déjà-vu-Erlebnis, denn diese Rede von Westenthaler zur Affäre Westenthaler-Spitzel (Abg. Haigermoser: Die Raubersg'schichten des Peter Pilz!) wäre etwa so gewesen, als wäre vor 15 Jahren Udo Proksch hier beim Rednerpult gestanden und hätte über "Lucona" referiert. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Warum machen wir Einwendungen und wollen den Menschenrechtsbericht auf der Tagesordnung haben? – Weil wir über die Verletzung von Menschenrechten diskutieren wollen! Als vor zwei Wochen ein freiheitlicher Spitzelring im Innenministerium geplatzt ist (Abg. Haigermoser: Die Raubersg'schichten des Pilz! Da muss er selber lachen!), wussten wir zum ersten Mal, dass wahrscheinlich von den Bänken dieses Hauses, aus der ersten Reihe, von diesem Platz des Kollegen Westenthaler aus (Abg. Haigermoser: Herunter mit der Butter vom Kopf!), die Rechte von freien Journalisten, von Künstlern, von Intellektuellen und von Oppositionsabgeordneten systematisch und massiv verletzt werden.

Sie aber wollten eine Debatte darüber verhindern (Abg. Ing. Westenthaler: Wir haben sie beantragt!), wollten verhindern, dass heute eine Sondersitzung zu diesem Thema stattfindet (Abg. Ing.  Westenthaler: Unser Antrag bitte!), und Sie haben deswegen einen Dialog über die Sozialpolitik von der Regierungsbank aus auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich frage mich: Warum stellen Sie sich nicht der Debatte einer Dringlichen Anfrage? Warum stellen Sie sich nicht einer Sondersitzung? Warum kneifen Sie, Herr Kollege Westenthaler, im ORF, in der Sendung "Betrifft", "NEWS" gegenüber und so weiter?! Warum ist aus der "Partei der Anständigen und Tüchtigen" die "Partei der Abgängigen und Flüchtigen" geworden? – Das ist die Schlüsselfrage, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie


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bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Pilz macht sich wirklich lächerlich, wenn er ...!)

Jetzt geht es nicht darum, zu diskutieren, wie lange sich die freiheitlichen Drahtzieher noch auf freiem Fuß befinden – das ist eine Frage der ordentlichen Gerichte –, sondern für uns geht es um die Klärung der politischen Verantwortung, und dazu brauchen wir die Instrumente des Nationalrates.

Kein Gericht dieser Republik kann die politische Verantwortung klären. Kein Gericht dieser Republik kann klären, wer aus welchen persönlichen und politischen Motiven angeordnet hat, Gertrud Knoll, André Heller, die führenden Mitarbeiter der Caritas, politische Gegner, Wissenschafter, Intellektuelle und Künstler zu bespitzeln.

Kein Gericht kann das klären, sondern das kann nur der österreichische Nationalrat tun! Und zumindest das Recht, dass darüber kurz diskutiert wird, zumindest dieses Recht, Herr Kollege Khol und Herr Kollege Westenthaler, wird sich die Opposition nicht nehmen lassen!

Wir sind noch nicht in der neuen freiheitlichen Welt, in der die Mehrheit der Regierung bestimmt, was untersucht – und wie gegen die Opposition untersucht wird!

Wir sind noch nicht in der neuen freiheitlichen Welt, in der die Mehrheit beschließt, was überhaupt hier noch diskutiert werden darf!

Wir sind noch nicht in der neuen freiheitlichen Welt, in der aus dem freiheitlichen Parteicomputer dem ORF-Redaktionscomputer mitgeteilt wird, wie die "Zeit im Bild" moderiert wird!

Wir sind noch nicht in der neuen freiheitlichen Welt, in der sich jeder von uns überlegen muss, ob er nicht ein Fall für das Gericht und für die Kanzlei Böhmdorfer wird, wenn er noch den Mund aufmacht und über die politische Verfassung der Freiheitlichen Partei und ihres Juniorpartners diskutiert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und wir sind noch nicht in der neuen freiheitlichen Welt, in der in Kärnten – da das in Bukarest und Belgrad nicht mehr möglich ist – Berufsdemonstranten aufmarschieren, um diese neue Welt und ihren Führer zu verherrlichen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese neue freiheitliche Welt ist nicht die Welt dieses Parlaments, ist nicht die Welt dieser Republik und nicht die Welt der Europäischen Union.

Auch wenn Sie alle Möglichkeiten Ihrer Regierungsmehrheit einsetzen: Sie werden die Untersuchung der Gerichte, die Untersuchung des Innenministeriums und auch nicht Debatten hier im Nationalrat nicht verhindern können!

Deswegen halte ich es für wichtig, die Tagesordnung zu ändern, diese Debatte über den Menschenrechtsbericht zu ermöglichen und damit dem Parlament einen Rest seiner Souveränität, das, was Sache ist, wirklich zu diskutieren, überhaupt noch bewahren zu können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.22

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf meinem unmittelbaren Vorredner sagen: Ich bin dankbar für solche Beiträge – und hoffe nur, dass das alles live übertragen wird. Das kann uns in der Öffentlichkeit nur nützen und nicht schaden, wenn diese Hasstiraden live übertragen werden. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Und ich bitte dich, Alfred Gusenbauer, auch um etwas: Bitte zeige öfter diese Telefon-Geste, so wie du es heute getan hat! – Aber wenn das später, also nicht direkt, übertragen wird, bin ich auch dankbar, denn wir können uns so viele Werbegelder gar nicht leisten, dass das wettge


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macht wird, wenn du in den Apparat lächelst und diese Geste des Telefonierens zeigst. – Bitte, lass dich da nicht zurückhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn es um die Menschenrechte geht, dann weiß man, wenn man in Brüssel im entsprechenden Konvent ein Dreivierteljahr hindurch tätig gewesen ist, dass wir Österreicher uns beileibe nicht zu verstecken brauchen: Wir haben in Menschenrechtsdingen gegenüber nahezu allen anderen europäischen Staaten die Nase deutlich vorne. – Diskutieren über Menschenrechte in diesem Hause kann nur zum Vorteil Österreichs, auch zum Vorteil seiner Regierung, ausgehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber darum geht es ja der Opposition überhaupt nicht, sondern es ist doch so, dass ihr das wirkliche Thema, um das es heute geht, peinlich ist, denn heute geht es um die Notwendigkeit des Abbaus eines abenteuerlichen Schuldenberges, den sozialdemokratische – vorher: sozialistische – Finanzminister angehäuft haben. Es geht also um den Abbau dieses Schuldenberges durch diese Regierung, und es geht um die Härten, die so etwas mit sich bringt.

Das ist es: Sie wollen konterkarieren, dass über dieses Überlebensthema der Republik geredet werden kann, dass wir damit "rüberkommen". Sie wollen mit anderen Dingen konterkarieren, was wir heute an dieses Haus, an die Öffentlichkeit herantragen wollen.

Sie haben noch ein Anliegen: Es hat sich ja das Blatt – vor allem gestern – sehr stark gegen diejenigen, die Behauptungen in Richtung "Spitzelaffäre" aufgestellt haben, gewendet. Das heißt, heute stehen keineswegs mehr Leute aus der Umgebung der Regierungsparteien als diejenigen da, die man verdächtigen kann, sondern ganz andere sind es! Der Antragsteller zum Beispiel hinsichtlich der Vorgangsweise, um die es jetzt geht, schaut relativ "alt" aus, wenn man die Zeitungen liest; also der kann wirklich nicht mehr hoffen, das Steuer herumreißen zu können. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Pilz schaut wirklich sehr alt aus!)

Nächsten Sonntag gibt es aber Landtagswahlen – und natürlich möchten die Oppositionsparteien, noch bevor die Luft aus dieser angeblichen Spitzelaffäre endgültig draußen ist, damit über die Rampe kommen, denn jeder Tag, den sie warten, wird jedem Österreicher deutlich zeigen, dass alles, was da an angeblichem "Netz" gestrickt wurde, in Wirklichkeit überhaupt nicht existiert, sondern dass jene, die sich da etwas zuschulden kommen haben lassen, ganz woanders sitzen.

Da lese ich in einer Zeitung: "Pilz hatte am Dienstag, wie berichtet, Attacken gegen zwei Polizisten aus dem F-Lager geritten, ihnen Spitzeldienste vorgeworfen und ein die Beamten betreffendes Disziplinarerkenntnis verteilt. Dieses Material gilt aber als streng vertraulich." – Zitatende.

Der Einzige, der gegen die Regeln wirklich ganz offen verstoßen hat, war Peter Pilz, der jetzt – ganz nach der Methode "Haltet den Dieb!" – da heraußen einen Antrag stellt, der scheinheilig so tut ... Ich weiß, scheinheilig darf man nicht mehr sagen; Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht! Er tut also so, als wenn es die vergangenen Tage überhaupt nicht gegeben hätte.

Wie sagte Kleindienst in einem "Falter"-Interview? – "Wir verschwenden unsere Zeit." – Punkt. – "Aber vielleicht sollte ich doch etwas sagen: Ich kenne bei Westenthaler keinen Fall, wo er einen Polizisten um Information ersucht hat." – Punkt. Anführungszeichen geschlossen.

Das ist Kleindienst, der angebliche große Aufdecker, der immer wieder zitiert wird! Wenn man die wenigen Sätze, die man nachlesen kann, tatsächlich nachliest, sieht man da etwas ganz anderes! (Abg. Schwemlein: "Wenige Sätze?" – Ich habe geglaubt, das Buch hat 300 Seiten!)

Ich darf noch etwas dazusagen: Das Verkaufen von Daten aus vertraulichen Polizeiunterlagen ist leider ein Geschäft – ich selbst bin zwei Mal schon als Verteidiger in solchen Bereichen eingeschritten –, und das, was der Herr Innenminister zu diesem Thema gesagt hat, ist richtig: Das ist ein "Zubrot", das sich der eine oder andere Beamte – es sind zum Glück ganz wenige! – verdient, aber mit der Politik hat das überhaupt nichts zu tun. Um Beträge, die so lächerlich gering sind, sodass man sich nur wundern kann, was dafür alles riskiert wird, werden Führerscheindaten, Strafregisterauskünfte und Ähnliches abgefragt und an Detektiv-Institute veräußert, die


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das brauchen, um ihre Klienten entsprechend bedienen zu können. Das endet dann in aller Regel mit entsprechenden gerichtlichen Verurteilungen. – Vielleicht hat es auch da so etwas gegeben; mit Politik hat es aber jedenfalls nichts zu tun. (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.)  – Vielleicht mit Ausnahme des sozialdemokratischen Gemeinderates in Schwechat, aber auch dem will ich nicht unterstellen, dass seine Vorgangsweise etwas mit der Politik zu tun gehabt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.28

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ganze Land diskutiert über einen großen Spitzelskandal ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Vielleicht sollte ich sagen: fast das ganze Land; Sie diskutieren ja nicht gerne darüber, das weiß ich schon. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir diskutieren also über einen der größten Skandale der Zweiten Republik, wobei der Verdacht besteht, dass Ihre Partei, die FPÖ, Auftrag gegeben hat, Kritiker und Kritikerinnen zu bespitzeln. Die Namen jener 150 Persönlichkeiten, die bis jetzt auf dem Tisch liegen, sind erst der Anfang. Sie wissen, das ist nicht das Endergebnis, denn die Erhebungen laufen noch. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Mich macht in hohem Maße betroffen, dass diese Debatte, die zwar eine Debatte über die Tagesordnung ist, ... (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Mir ist schon klar, dass Ihnen das unangenehm ist, aber stellen Sie sich doch der Debatte! Warum haben Sie denn Interesse daran, dass nirgends darüber geredet wird?! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Diese Debatte geht weit über eine Debatte über die Tagesordnung hinaus. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie versteht das alles nicht! Das ist ihr zu hoch!) Wenn ich vom Klubobmann einer Partei in diesem Hause höre, dass eine Debatte über den Schutz der persönlichen Freiheit im Zusammenhang mit den Menschenrechten reine "Show" sei, so zeigt das Ihren Zugang zu diesem Hohen Hause und Ihr Interesse, dass dieses Thema nirgends zum Thema wird! Und das hat sicher massive Gründe! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die sozialdemokratische Bewegung ist eine politische Bewegung mit einer großen Geschichte. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist das Einzige, was euch noch bleibt: die Geschichte!) Wir Sozialdemokraten sind in unserer Geschichte – und darauf sind wir sehr stolz, und dem fühlen wir uns auch verpflichtet – immer auf der Seite der Demokratie gestanden und haben auch eine besondere Sensibilität, was die Verteidigung dieser Demokratie betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Menschen, die unserer Partei angehört haben, sind für die Verteidigung dieser Demokratie sogar in den Tod gegangen, und zwar in den Vernichtungslagern, die in Ihrer Fraktion gerne verharmlosend als "Straflager" dargestellt werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Deswegen haben Sie solche Briefe verschickt in der Steiermark!) Und auf Basis unserer Geschichte fühlen wir uns ganz besonders verpflichtet, jede kleinste Entwicklung – und das geht weit über parteipolitisches Geplänkel hinaus, das können Sie mir glauben – überaus sensibel zu beobachten und sofort zum Thema zu machen, damit Derartiges nie wieder eintreten kann. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Jetzt sind die Strukturen gelegt – Sie arbeiten ja fleißig daran, das auszuweiten –, den "gläsernen Menschen" zu konstruieren. Daher sind die Themen Schutz der persönlichen Freiheit, Umgang mit Macht, Umgang mit Möglichkeiten, verantwortungsvoller Umgang mit dem Rechtsstaat ein wesentlicher politischer Themenkreis. Sie sollten jede Gelegenheit nutzen, darüber zu diskutieren, Herr Kollege Westenthaler. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten sich einmal bei der FPÖ entschuldigen für Ihre Sudelgeschichten! Legen Sie einen Beweis auf den Tisch!)


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Menschlich verstehe ich es, Herr Kollege Westenthaler, dass man, wenn man so unter Druck ist wie Sie, so panisch reagiert, aber vergessen Sie nicht, dass Sie auch eine politische Verantwortung haben, auch als Vertreter Ihrer Partei – möchte man doch glauben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Warum, Herr Kollege Westenthaler, drücken Sie sich überall, wo es darum geht, dieses Thema zum Thema zu machen? Man hört, man liest, auch im ORF stellen Sie sich nicht den Diskussionen. Die Teilnahme an "ZiB 3" und "Betrifft" wird abgesagt. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich war gestern im Ausschuss!) Warum, wenn Sie eine weiße Weste haben? Sie sind doch sonst so wortgewaltig. (Abg. Ing. Westenthaler: Ihre Sorgen möchte ich haben!) Stellen Sie sich der Diskussion! Zeigen Sie, dass Sie nichts zu verbergen haben! Stimmen Sie der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eine letzte Bemerkung noch, was die Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP betrifft: Ich ahne, dass es bei Ihnen großes Unbehagen geben muss über das, was über Ihren Koalitionspartner hier an Verdacht aufgekommen ist. Ich habe mit großem Interesse festgestellt – und das beruhigt mich auch sehr –, dass sich Ihr erster Redner nicht dafür hergegeben hat, diesen Skandal zu verteidigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Redezeit nach wie vor 5 Minuten.

9.33

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die masochistischen Züge nehmen bei der SPÖ bedenkliche Formen an. In der nächsten Plenarsitzung am Mittwoch, dem 18. Oktober, wird dieser Menschenrechtsblock debattiert, Herr Kollege Kostelka. Gäbe es diese Sondersitzung – von der Regierung veranlasst – nicht, dann wäre das der frühestmögliche Termin, darüber zu debattieren, und es wird zum frühestmöglichen Termin darüber debattiert. (Abg. Dr. Kostelka: Das können Sie schwer verhindern!)

Das heißt, das, was Sie hier abziehen wollen, ist vordergründig. Einmal mehr – und das sollte bei Ihnen Anlass zur Besorgnis sein – brechen Sie eine Debatte vom Zaun, mit der Sie sich durch beide Knie schießen, wie jetzt, gerade jetzt. Das gibt uns Gelegenheit, über die brisante Frage zu diskutieren: Welche Farbe haben denn die Spitzelaffären in diesem Lande? Welche Farbe haben die Spitzelaffären in diesem Lande? (Abg. Dr. Kostelka: Blau! – Abg. Schwemlein: Wie hat der Otto Schenk gesagt? – Der Schweizer schießt!)

Fangen wir an in Kärnten 1989. Da gibt es den sozialistischen Abgeordneten zum Kärntner Landtag Helmut Schatzmayr, der Dossiers über seine politischen Mitbewerber angelegt hat: Schatzmayr, Mandatar der Sozialdemokratischen Partei.

Burgenland 1990: Die wortgewaltige Gesundheitsministerin und jetzige Volksanwältin Christa Krammer bespitzelt politische Mitbewerber und bleibt im Chaos stecken, in das sie sich selbst hineinmanövriert hat. Ihre Parteizugehörigkeit: sozialdemokratisch, rot.

Burgenland 1991, Herr Kollege Kostelka! Da musste ein Landeshauptmann gehen, und zwar Landeshauptmann Sipötz, weil er über seinen damaligen Parteikollegen Bezirks ... – was war der? (Abg. Dr. Kostelka: Was war? – Abg. Schwemlein: Du brauchst Nachhilfestunden!) – Stellvertreter bei der Bezirkshauptmannschaft war der damalige Landesrat Rezar – Menschen bespitzeln hat lassen, welcher Partei sie zugehören, bevor man sie anstellt. Auftrag Landeshauptmann Sipötz an den jetzigen SPÖ-Landesrat Rezar. – Einmal mehr eine rote Spitzelaktion. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist so wie in der Steiermark gewesen! – Abg. Schwemlein: Du bist gegen Bespitzelung, daher klären wir auf!)

Peter Marizzi! Erinnern Sie sich, der Tonbandspitzler hier in diesem Hause, Ex-Zentralsekretär der SPÖ – eine weitere Bespitzelungsaktion, die rot eingefärbt ist.


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Und da gibt es ja dann den Abgeordneten Einem mit seinen Uni-Spitzelaktionen. Der damalige Wissenschaftsminister Caspar Einem hat geplant, teilnehmende Beobachter, die gegen Geld – gegen Geld! – Studenten spielen, an die Universitäten zu schicken, um die Lehrtätigkeit der Uni-Lehrenden zu überprüfen. Gesinnungsspitzelei, Bespitzelung der Lehre, die angeblich frei sein sollte! (Abg. Fischl: Studenten bespitzeln!) Einem, jetzt Abgeordneter, früher Wissenschaftsminister: Parteifarbe rot.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuletzt in Graz in diesem Jahr eine aufgeflogene Bespitzelungsaktion, Parteifarbe wieder rot. (Abg. Dr. Khol: Wer war das?) Kollege Schachner-Blazizek hat eine Aktion breit angelegt, um die Österreicher bespitzeln zu lassen. (Abg. Schwemlein: Glaubst du wirklich, dass du damit weiterkommst?)

Alle bis jetzt bekannten Spitzelaktionen sind eindeutig rot gefärbt, meine Damen und Herren! Danke für die Gelegenheit, dass man da wieder einmal in Erinnerung rufen konnte, dass Sie jedes Jahr eine rote Spitzelaktion inszeniert haben, jetzt mit dem herrlichen Beigeschmack, dass auch Grün schön langsam in den Bereich der Bespitzelungsaktionen hineinkommt dank des Peter Pilz, der als Einziger gestern vom Innenminister erfahren konnte, dass er im Zentrum von Erhebungen im Zusammenhang mit Bespitzelungen steht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Gleiche Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.38

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn seitens der freiheitlichen Fraktion behauptet wird, die Verletzung der Menschenrechte ginge von der heutigen Opposition aus, dann verstehe ich ja überhaupt nicht, was Sie dagegen haben, dass wir hier und heute über den Menschenrechtsbericht reden. Wenn Sie Vorwürfe haben, dann sollen sie in diesem Haus vorgebracht werden – und dann reden wir darüber. Daher verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie sich dieser Debatte heute entziehen wollen. Das legt sehr nahe, dass Sie es sind, die etwas zu verbergen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Bemerkenswert ist zweitens – das finde ich eigentlich erfreulich, und ich denke, man sollte es erwähnen –, wie sehr sich die ÖVP aus der Debatte heraushält, wie sehr sich die ÖVP bisher aus der Debatte heraushielt. Mit Ausnahme des Eingangsstatements zu formalen Terminakkordierungen, die durch die Realität überholt worden sind, war dazu nichts zu hören. (Abg. Dr. Khol: Warten Sie, das kommt noch! – Abg. Schwemlein: Das dürfte mit Mariazell zu tun haben!) Das ließe doch die Hoffnung aufkommen, dass die Untersuchung durch das Innenministerium sehr ernsthaft durchgeführt wird. Da wird sich ja auch einiges herausstellen.

Einer von der ÖVP wird sich jedoch nicht so ganz heraushalten können, das ist Abgeordneter Kiss. Er weiß schon, dass ihm eine Klage von Peter Pilz ins Haus steht, und da wird dann auch einiges ans Tageslicht kommen. Das wird zu untersuchen sein. (Abg. Dr. Ofner: Klagenflut!) Also die Nervosität ist schon bezeichnend bei Ihnen. Die Nervosität erreicht einen sehr hohen Grad.

Es wird ja in der so genannten Spitzelaffäre noch einiges zu Tage treten, da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. (Abg. Dr. Khol: Was werden die "drei Weisen" sagen?) Aber es gibt darüber hinaus Anlässe, über die Menschenrechte zu diskutieren. Die sind überhaupt nicht mehr verborgen.

Das sind derart dreiste Grenzverletzungen und Verstöße, dass mich persönlich wirklich sehr interessieren würde, was der Verfassungsrechtler Khol dazu sagt. Es sind keine Geheimakten, sondern die Tageszeitung "Die Presse", in der Westenthalers Aussagen wiedergegeben werden, wonach im ORF "linke und linksextreme Redakteure säßen" und ein Gesetz angekündigt wird, mit dem dem ORF "die Parteilichkeit ausgetrieben werden soll". (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Unglaublich! Das ist "demokratisch"!)


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Ich ersuche die Redaktionen und die Kameras des ORF, diesen Applaus festzuhalten. Dem ORF per Gesetz die Parteilichkeit auszutreiben! – Das ist der dreisteste Verstoß gegen die Grundrechte, den ich in diesem Hause gehört habe! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In jedem zivilisierten Land mit Meinungsfreiheit müsste ein Klubobmann, der so etwas sagt, am nächsten Tag zurücktreten. Das ist eine Ungeheuerlichkeit! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wie wollen Sie jemandem per Gesetz eine behauptete "linke Gesinnung" austreiben? Ist das die konsequente Fortführung des Haider-Böhmdorfer-Vorstoßes, kritische Meinungen mit Gefängnisstrafe zu bedrohen? – Das scheint es zu sein! Und es beginnt bei den Journalistinnen und Journalisten. Hören Sie gut zu, meine Damen und Herren auf der Tribüne! Noch können Sie darüber schreiben! Herr Westenthaler hat anderes mit Ihnen vor! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind eine Lachnummer! Das ist das Einzige!) Sehr lustig, Herr Westenthaler! Die Kolleginnen und Kollegen von der Presse werden das alles sehr lustig finden. (Abg. Ing. Westenthaler: Eine abgehalfterte Klubobfrau, von Van der Bellen abgesägt!) Auch Ihre Beleidigungen werden mich nicht aus dem Konzept bringen. Sie demaskieren Sie – und nur Sie! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist wirklich die Fratze des Unrechts, die hier spricht. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es kündigt sich außerdem der Wiener Wahlkampf an. Meinungsfreiheit soll bedroht werden, rassistische Töne, Gerichtsgutachten, die auf einmal bei Ihren freiheitlichen Personalvertretern von der Polizei liegen! Wie geht denn das? Eine Studie aus dem Straflandesgericht bei einem freiheitlichen Bezirksrat und Polizeipersonalvertreter?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es wird interessant sein, das aufzuklären. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit bedroht, rassistische Untertöne in Ankündigung des Wiener Wahlkampfes (Abg. Ing. Westenthaler: So viel Unsinn auf einmal verzapfen!), aber für Sie kein Grund, über die Menschenrechte zu reden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Apocalypse now! Das ist die grüne Apokalypse!)

9.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Er hat das Wort für 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Jetzt kommen die Pharisäer! Jetzt wird es biblisch!)

9.43

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Um Ihrem Ersuchen, geschäftsordnungskonform in die Debatte einzutreten, gerecht zu werden, nehme ich einmal das Wort "Menschenrechte" in den Mund. – Kollege Kostelka! Es gibt kein Menschenrecht der SPÖ auf Regierungsbeteiligung. Alles, was Sie von sich geben, sind reine Phantomschmerzen, die nachhinken. (Beifall der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Scheiden tut weh! Der Abschied von der Macht tut weh. Und jetzt versuchen Sie krampfhaft, Themen zu finden und sich mit diesen Themen Mut zu machen. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Wahr ist, dass die SPÖ heute offensichtlich nicht einmal ein Interesse daran hat, über das Thema soziale Treffsicherheit, soziale Gerechtigkeit ohne Neuverschuldung zu reden. Anderes ist wichtiger. Das soll Sozialdemokratie sein? Das soll SPÖ sein? – Gute Nacht, SPÖ, sage ich da! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da geschäftsführender Klubobmann Kostelka die gestrige Sitzung des Innenausschusses gleichsam in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt hat, darf ich auch aus dem Vollen schöpfen, weil ich an dieser Sitzung vom Beginn bis zum Ende teilgenommen habe und auch in der Sitzung des Staatspolizeilichen Ausschusses dabei gewesen bin.

Ich wundere mich über die selektive Wahrnehmung einzelner Mitglieder dieses Hohen Hauses, wenn sie Sitzungen folgen. (Abg. Schwemlein: Was sagst du zu Westenthaler?) Ich wundere mich! Ich wundere mich zum Beispiel darüber, dass die SPÖ überhaupt keinen Grund hat, in dieser Angelegenheit mit irgendeinem Wort auf irgendjemanden zu weisen oder mit den Fingern


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auf irgendjemanden zu zeigen. (Abg. Schwemlein: Warum liegen dann die Dinge bei der Staatsanwaltschaft?) Denken Sie – das haben wir gestern dezidiert gehört – an diesen Gemeinderat aus Schwechat! Es ist all das, was mit dem EKIS-Computer zu tun hat, viel zu sensibel, um es zu einem parteipolitischen Spielball zu machen. (Abg. Schwemlein: Einverstanden!) Sie liegen falsch, und es zeigt sich in den Fakten, dass Sie falsch liegen, Kollege Kostelka. Das ist es. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben ja gestern den einmaligen Versuch in diesem Hause erlebt, dass ein Abgeordneter sich erfrecht, einem anderen Abgeordneten dieses Hauses gleichsam die Teilnahmeberechtigung an einer Sitzung zu entziehen. (Abg. Schwemlein: Das ist ein Unsinn!) Kollege Pilz ist es! Kollege Pilz ist es, der eingangs moniert hat: Was tut denn – so war seine Ausführung sinngemäß – Kollege Westenthaler in diesem Ausschuss? (Abg. Schwemlein: Er ist die ganze Zeit ferngeblieben! Er war die ganze Sitzung nicht anwesend!) Was tut denn Kollege Westenthaler in diesem Ausschuss? Einmalig, dass ein Abgeordneter durch einen anderen Abgeordneten so gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Ich brauche ihn nicht zu verteidigen, aber eines verteidige ich: dass ein Abgeordneter seinen Pflichten und Rechten nachkommen und in Ausschüssen und hier im Plenum seiner Arbeit nachgehen kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn in diesem Innenausschuss gestern kein einziger Name von irgendwem gefallen ist, dann ist das ein Faktum. Aber ein Name ist gefallen – von einem Abgeordneten dieses Innenausschusses dieses Hohen Hauses, das war der Name des Kollegen Peter Pilz. Er geht heraus, moniert Dinge wie Spitzelaffäre und Ähnliches, patzt andere an – und ist selbst Mittelpunkt von Untersuchungen in Zusammenhang mit der Beschaffung von geheimsten Daten aus dem Polizeicomputer EKIS.

Jetzt frage ich mich also: Kollege Pilz, wer sind Sie denn, dass Sie diese Kühnheit haben? Wer sind Sie denn, dass Sie Ihre eigene Fraktion mit offensichtlichen Fehlinformationen versorgen? Wer sind Sie denn, dass Sie dann noch im Fernsehen die Frechheit haben (Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), zu sagen: Den Kiss werde ich zivilrechtlich klagen!? Kiss behauptet etwas, was er nicht behaupten dürfte. (Abg. Ing. Westenthaler: Mundtot machen!) Mundtot machen, so sinngemäß. (Abg. Schwemlein: Jetzt sagst du schon nach, was dir der Westenthaler vorsagt!)  – Also ich werde es mir von Ihnen oder von wem auch immer nicht verbieten lassen, die Wahrheit zu sagen! Und wahr ist, dass Sie der Einzige sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wahr ist, Kollege Pilz, dass Sie der Einzige sind, der aus den Daten des EKIS-Systems, aus einem geheimen Verschlussakt, aus einem Disziplinarakt im Rahmen einer Pressekonferenz mit Akten wachelt, diese Akten weitergibt und keine Antwort darauf gibt, woher er diese Akten hat. (Abg. Mag. Maier: Was ist mit Haider?) Also wenn etwas wahr ist, dann das, dass die SPÖ und die Grünen genug Butter auf dem Kopf haben und in dieser Angelegenheit alles andere tun sollten als aufzusagen.

Denn ich erinnere nur die SPÖ: Gibt es seit 1945 mit Ausnahme von vier Jahren, nämlich von 1966 bis 1970, und heuer seit 4. Februar in der SPÖ nicht Innenminister sonder Zahl (Abg. Schwemlein: Bitte tritt ab!), die die politische Verantwortung für all das, was Sie in dieser Angelegenheit jetzt monieren, haben? (Abg. Schwemlein: Dafür hat der schwarze Minister die Akten daheim liegen!) Die politische Verantwortung für all diese Missstände, die Sie jetzt da hochfahren, hat die SPÖ und niemand sonst. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Gleiche Redezeit. (Abg. Ing. Westenthaler: Posch wird uns jetzt mit behäbiger Stimme erklären, wie die Demokratie in Gefahr ist!)

9.49

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Kiss sitzt nicht im Menschenrechtsausschuss. Das möchte ich für das allgemeine Verständnis dazusagen, damit es da kein Missverständnis gibt.


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Ich möchte etwas zum konkreten Bericht sagen. Wir haben im Menschenrechtsausschuss einen Antrag eingebracht. Die Entschließung darin beinhaltet im Wesentlichen drei Dinge, nämlich einerseits, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, jährlich einen Bericht über die Einhaltung, den Stand und die Fortentwicklung der Menschenrechte in Österreich dem Nationalrat zuzuleiten, dass Regierungsvorlagen im Hinblick auf ihre Verträglichkeit mit den Grund- und Menschenrechten geprüft werden sollen und dass bei der Vollziehung der Gesetze und Verordnungen besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte zu legen ist.

Dieser Antrag wurde leider im Ausschuss – wie viele andere Anträge auch – niedergestimmt. Viele Anträge werden leider nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt, werden nicht einmal behandelt. Das ist leider die Praxis in diesem Ausschuss.

Die Regierungskoalition hat demgegenüber einen eigenen Entschließungsantrag eingebracht, in dem die Bundesregierung ersucht wird, dem Nationalrat einen Bericht über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in den EU-Mitgliedstaaten vorzulegen sowie dem Nationalrat über den Entwurf der Grundrechts-Charta der EU zu berichten.

Was ich damit sagen wollte, ist: Das ist der Geist, der da zum Ausdruck kommt. Das ist das, was Kollege Khol einmal gesagt hat: Wenn man mit dem Zeigefinger auf andere weist, dann weisen immer drei Finger auf einen zu und auf einen zurück. Und daher wäre ein solcher Bericht, glaube ich, für Österreich dringend notwendig. Ich glaube, er wäre schon in der Vergangenheit notwendig gewesen, aber unter diesen besonderen Umständen ganz besonders, und die ÖVP ist sich dessen voll bewusst.

Die drei EU-"Weisen" haben über die Lage der Menschenrechte in Österreich insgesamt einen positiven Bericht geliefert. Österreich braucht sich, was die Menschenrechte anbelangt, nicht zu verstecken, auch wenn Herr Bundeskanzler Schüssel bei der 10.-Oktober-Feier in Klagenfurt etwas süffisant und geringschätzig von den "so genannten drei Persönlichkeiten" geredet hat, um sich den Applaus der Menge zu sichern. – Nun gut.

Auf Grund des gegenständlichen unglaublichen Anschlages auf die Grund- und Meinungsfreiheit – und ich glaube, dass sich sehr viele in der ÖVP sehr wohl der Kategorie dieser unglaublichen Affäre bewusst sind, ich glaube, dass sich sehr viele in der ÖVP sehr wohl bewusst sind, was für ein unglaublicher Anschlag auf die Meinungsfreiheit, auf die Privatsphäre da stattgefunden hat, auf welche Art und Weise Druck auf unabhängige Medien ausgeübt wurde, wie interveniert wurde, vor allem wenn man weiß, dass das Ganze ja eine Geschichte hat, dass das nicht das erste Mal ist, dass ja immer wieder gesagt wurde, dass man gegen die Justiz marschieren wolle, dass man Abgeordnete verfolgen wolle, dass man Journalisten eingeschüchtert hat – ist daher, glaube ich, dieser Menschenrechtsbericht notwendig.

Wenn Kollege Ofner von diesem Rednerpult aus sagt, der Verkauf von Daten ist ein Geschäft, ist quasi ein "Zubrot", so als ob jemand eine Versicherungspolizze verkaufen oder Zeitungen austragen würde, dann ist das eine Unglaublichkeit! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist in Wirklichkeit eine Unglaublichkeit dieser Regierung, eine unglaubliche Verharmlosung eines Tatbestandes, den diese Regierung setzt. Das muss einmal gesagt werden!

Abschließend möchte ich noch eines sagen, auch im Hinblick auf die unglaublich gehässigen Zwischenrufe des Herrn Abgeordneten Westenthaler in Richtung von Frau Abgeordneter Petrovic und gegen viele andere hier im Hohen Haus: Was wäre dem 20. Jahrhundert erspart geblieben, wenn all diejenigen, die beschlossen haben, Politiker zu werden, Maler geblieben wären – ob in Braunau oder in Simmering. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit 5 Minuten. Danach werden wir voraussichtlich abstimmen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.54

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn die Nervosität des Abgeordneten Westenthaler ein Indikator dafür ist, wie sehr er und die Frei


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heitliche Partei mit dieser Affäre zu tun haben, in sie verwickelt sind, dann sind die letzten 14 Tage ein ausreichender Gradmesser, um hier einen Beweis liefern zu können. Herr Westenthaler ist in den letzten 14 Tagen nur mehr schimpfend auf der Flucht vor seiner eigenen Verantwortung in der Causa "Datenspitzelei". (Beifall bei den Grünen.) Das kann man überall beobachten, wo Herr Westenthaler auftritt, leider auch hier in diesem Haus, wo er sich durch gehässige Zwischenrufe hervorgetan hat.

Herr Präsident, ich sage das nicht zufällig. Ich ersuche Sie, die Zwischenrufe, die dieser Herr (in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler) hier macht, die – egal, ob sie die Abgeordnete Petrovic oder sonst jemanden betreffen – unzulässig sind in diesem Hause ... (Beifall bei den Grünen.) Hier hat niemand "alte Schachtel" zu sagen – egal, um wen es sich handelt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist unglaublich, Herr Abgeordneter Westenthaler! Sie sollten sich schämen! Sie sollten sich wirklich schämen! (Lang anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe.)

Es ist ein unglaubliches Niveau, das Sie in die Debatten einbringen können, auch durch Ihre Zwischenrufe, aber – da bin ich schon bei den Ausführungen des Abgeordneten Kiss – Sie, Herr Abgeordneter Kiss, sind nicht einmal in den Debattenbeiträgen viel besser als Herr Abgeordneter Westenthaler mit seinen Zwischenrufen. Nach dieser Debatte gestern im Innenausschuss wissen Sie nämlich ganz genau, dass Abgeordneter Pilz nicht im Zusammenhang mit der Beschaffung von Daten aus dem EKIS als Beschuldigter im Gegenstand und im Mittelpunkt von Ermittlungen steht. Abgeordneter Pilz hat im Ausschuss den Innenminister gefragt: Bin ich im Mittelpunkt von Ermittlungen der Sonderkommission? – Antwort des Innenministers: Nein! Und weiters: Gibt es sonst irgendwelche Ermittlungen gegen mich? – Antwort des Innenministers: Nein!

Was sagen Sie hier und heute? – Sie wiederholen die Behauptung. Und, was ganz interessant ist, weil Sie das Gegenteil wissen, im EKIS finden sich keine Disziplinarakte, Herr Abgeordneter Kiss. Das wissen Sie. Trotzdem stellen Sie hier diesen Zusammenhang her. Sie wissen, dass der Disziplinarakt nicht im EKIS "geparkt" ist. Trotzdem versuchen Sie hier ganz bewusst, eine Konstruktion zu schaffen, mit der Sie den Abgeordneten Pilz zum "Gegenstand" und zum "Mittelpunkt" der polizeilichen Erörterungen machen wollen.

Herr Abgeordneter Kiss! So unseriös kann man eine Debatte nicht führen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich denke, wir hätten dringend eine Debatte über den Menschenrechtsbericht notwendig, wenn ich mir die Spur, die breite Straße von Menschenrechtsverletzungen durch politische Parteien, durch politische Funktionäre in den letzten Jahren ansehe.

Können Sie sich nicht mehr daran erinnern, dass Abgeordneter Haider einen Volksschuldirektor öffentlich wegen Alkoholismus vorgeführt hat? Eine falsche Behauptung, eine unseriöse Behauptung! Da werden Menschenleben öffentlich zerstört. (Beifall bei den Grünen.)

Können Sie sich nicht mehr daran erinnern, dass Abgeordneter Haider einen jugoslawischen Staatsbürger auf Grund von Daten, die er sich offensichtlich von einer Pensionsversicherungsanstalt besorgt hat, öffentlich vorführen und ihn des Landes verweisen wollte, weil er in diesem Land Sozialhilfe erhalten hat? Können Sie sich nicht mehr erinnern? Das steht alles in den Zeitungen. (Abg. Schwemlein: Was ist mit Herrn Doralt?)

Können Sie sich nicht mehr an die Fälle der letzten Wochen und Monate erinnern, wo etwa der Herr Justizminister zusammen mit den Regierungskollegen, mit seinen Regierungskollegen von den Freiheitlichen eine ganz, ganz kleine Zeitung, die "Linkswende" heißt, deswegen vors Gericht gebracht hat, weil in dieser Zeitung der Terminus "Scheißregierung" verwendet wurde und sich die Regierungsmitglieder daher von der Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff vertreten lassen mussten? Hat das nicht mit Menschenrechten, mit politischen Rechten zu tun?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!


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Abgeordneter Karl Öllinger
(fortsetzend): Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, über die Menschenrechte zu diskutieren, und zwar hier und heute, bei dieser Gelegenheit. Und das muss auch die ÖVP in diesem Hause noch begreifen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung!)

9.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Haben Sie den Wunsch, einen Antrag zu stellen? Ich erteile Ihnen das Wort zur Geschäftsbehandlung mit dem Hinweis, dass von mehreren Fraktionen tatsächliche Berichtigungen erbeten wurden, ich aber im Hinblick auf die Praxis der Präsidialkonferenz, die in der XX. Gesetzgebungsperiode festgestellt hat, dass tatsächliche Berichtigungen in einer solchen Debatte nicht möglich sind, weder der SPÖ noch der FPÖ das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung erteilt habe.

Kollege Graf hat mich jetzt gefragt, ob er an Stelle einer tatsächlichen Berichtigung das Wort zur Geschäftsbehandlung haben kann. Das bedeutet, dass das Wort zur Geschäftsbehandlung die nicht zulässige tatsächliche Berichtigung ersetzen soll. Ich habe daher Herrn Kollegen Dr. Graf das Wort nicht erteilt.

Ich nehme jetzt an, dass Sie einen Antrag oder eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung haben, die keine tatsächliche Berichtigung substituieren soll. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.00

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich beantrage die raschestmögliche Herbeischaffung des Stenographischen Protokolls, und zwar aus zwei Gründen: Zum Ersten hat mir Abgeordneter Öllinger vom Rednerpult vorgeworfen, ich hätte Zwischenrufe gemacht, die in Wirklichkeit nicht meinem Sprachgebrauch entsprechen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Es wird sich nach Herbeischaffung des Protokolls sehr schnell herausstellen, dass Herr Öllinger die Unwahrheit gesagt hat. Ich erwarte mir, dass er so viel Anstand hat, sich dann auch zu entschuldigen.

Zum Zweiten wurde von einem Abgeordneten vom Rednerpult aus ein direkter Vergleich gezogen zwischen dem Führer des Unrechtsregimes aus der nationalsozialistischen Zeit, Adolf Hitler, mit einem Abgeordneten der Freiheitlichen Partei. Das ist der zweite Grund, warum ich die schnellste Herbeischaffung des Protokolls beantrage. So kann es ja nicht sein, dass hier vom Rednerpult aus unflätigste Beschimpfungen gemacht und Behauptungen aufgestellt werden, die jeglicher Grundlage entbehren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erstens ist ein solcher Antrag nach der Geschäftsordnung nicht zulässig. Zweitens ist der Ordner der Freiheitlichen informiert, dass ich bereits vor fünf Minuten den Auftrag gegeben habe, das Stenographische Protokoll beizuschaffen, und das wird daher auch geschehen.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Zur Abstimmung steht der Antrag, die Tagesordnung der heutigen Sitzung um einen Punkt zu ergänzen, nämlich um den Menschenrechtsbericht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Ergänzung der Tagesordnung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher bleibt es bei der Tagesordnung ohne Veränderung.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der Österreichischen Volkspartei hat gemäß § 93 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Khol und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Reformvorhaben für soziale Gerechtigkeit ohne Neuverschuldung dringlich zu behandeln.


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Diesem Antrag wird stattgegeben. Die Dringliche Anfrage wird drei Stunden nach ihrer Einbringung zum Aufruf gelangen. Das ist um 12 Uhr.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 957/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Beantwortung 957/AB der Anfrage 1021/J betreffend politisch motivierte Personalentscheidungen durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung soeben die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage festgelegt wurde, wird die Kurzdebatte nach Ende der Debatte zur Dringlichen Anfrage aufgerufen werden.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen nach § 33 (1) der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich Weitergabe von Polizeidaten an Dritte, Aufklärung der Weitergabe von sensiblen Daten oder dem Redaktionsgeheimnis unterliegenden Informationen des ORF an politische Parteien einzusetzen. Es liegt auch das geschäftsordnungsmäßig entsprechend unterstützte Verlangen vor, eine Debatte darüber durchzuführen.

Nach § 33 (2) der Geschäftsordnung werden diese Debatte und im Anschluss daran die Abstimmung nach Erledigung der beiden vorher bekannt gegebenen Verhandlungsgegenstände stattfinden.

Schließlich haben die Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich einzusetzen. – Auch dazu liegt das Verlangen vor, eine Debatte durchzuführen.

Die Debatte und die Abstimmung über diesen Antrag finden im Anschluss an die soeben bekannt gegebene Debatte statt.

*****

Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 12 Uhr.

(Die Sitzung wird um 10.05 Uhr unterbrochen und um 12.01 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen.

Ich habe mir im Anschluss an die Einwendungsdebatte heute Morgen nach eigenem Entschluss und über Wunsch des Abgeordneten Westenthaler und der Kollegin Dr. Petrovic Rohprotokolle seitens des Stenographenbüros vorlegen lassen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es unkomplette Roh protokolle sind, weil wir heute zeitgleich auch eine Sitzung des Bundesrates haben und daher das Stenographenbüro voll ausgelastet ist.

Ich habe in den Rohprotokollen Ausdrücke wie "Sudelkampagne", "Fratze des Unrechts", "Sie sind eine Lachnummer!" und anderes gefunden. – Den Ausdruck "alte Schachtel" habe ich im Rohprotokoll nicht gefunden. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Öllinger, der Ball liegt bei Ihnen! Entschuldigen Sie sich!)

Der Grüne Klub hat ersucht, sich auch die Tonbandaufzeichnungen anhören zu dürfen und die Ausdrucksweise in der heutigen Einwendungsdebatte in der nächsten Präsidialsitzung zur Spra


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che zu bringen. – Ich denke, es ist im Interesse aller Fraktionen, diesem Wunsch stattzugeben. (Abgeordnete der SPÖ stellen zwei lebensgroße Pappfiguren mit Flugblättern mit der Überschrift "Scharf gezielt und voll getroffen" zur Entnahme zwischen den Reihen der Abgeordnetenbänke auf.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte die Heftigkeit der Diskussionen in der Einwendungsdebatte zum Anlass nehmen, Sie in aller Form zu bitten, zu ersuchen – wie Sie wollen –, in der jetzt anschließenden Debatte, die ja im Fernsehen live übertragen wird, zu beweisen, dass man auch sehr große Meinungsverschiedenheiten und sehr heftige politische Auseinandersetzungen in einem Ton und in einem Stil austragen kann, wie es die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes – ich glaube, mit Recht – von uns allen verlangen. Darum darf ich Sie sehr herzlich bitten.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Reformvorhaben für soziale Gerechtigkeit ohne Neuverschuldung (1325/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Behandlung der Dringlichen Anfrage 1325/J.

Die schriftliche Anfrage ist an alle Abgeordneten verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer findet daher nicht statt.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Als 1970 die SPÖ-Alleinregierung die Finanzverantwortung für Österreich von der ÖVP-Alleinregierung übernahm, wies das Budget ein Defizit von 7,2 Milliarden Schilling auf; die gesamte Staatsverschuldung betrug 43,6 Milliarden Schilling.

Als mit 4. Februar 2000 die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel gebildet wurde und Finanzminister Grasser die Finanzverantwortung für die Republik übernahm, betrug das voraussichtliche Defizit 109 Milliarden Schilling. Die Finanzschuld des Bundes belief sich auf rund 1.700 Milliarden Schilling. Somit werden täglich mehr als 274 Millionen nur an Zinsen fällig. Darüber hinaus hat der Bund außerbudgetäre Verbindlichkeiten von mehreren hundert Milliarden S. Allein aufgrund der Höhe der Finanzschuld ist jeder Österreicher mit einem Schuldenberg von über 215.000 S belastet.

Diese Schuldenpolitik, die den Österreicherinnen und Österreichern ein riesiges Budgetdefizit hinterlassen hat, geht auf Kosten der zukünftigen Generationen und beschneidet die Handlungsfähigkeit der Politik. Dies ist eine tief- und langwirkende soziale Ungerechtigkeit. Darüber hinaus wurde damit Österreich zum Schlußlicht in der Budgetsanierung in Europa.

Obwohl sich Österreich im Stabilitätspakt von 1997 dazu verpflichtet hat, mittelfristig einen ausgeglichenen Haushalt oder einen solchen mit einem leichten Überschuß anzustreben, entfernte sich Österreich in den Jahren 1998 und 1999 immer weiter von diesem Ziel, wofür der damalige Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger die Hauptverantwortung zu tragen hat. Dies führte auch zu heftiger internationaler Kritik seitens des IWF und der EU. Das vom damaligen Bundesminister für Finanzen vorlegte Stabilitätsprogramm wurde von der EU als zu wenig ambitioniert bezeichnet.

Als Folge dieser internationalen Kritik und der guten konjunkturellen Lage beschloß die nunmehrige Regierung, unter Einbeziehung der Sozialpartner und aller Gebietskörperschaften sowie der Oppositionsparteien, bis zum Jahr 2002 ein Null-Defizit sowie eine Staatsverschuldung von unter 60 % des BIP anzustreben. Der Weg zu diesem "Gesamtbudgetdefizit von 0 %", welches Bund, Länder und Gemeinden umfaßt, wurde am 1.9.2000 beim Reformdialog II vorgestellt. Der Konsolidierungsbedarf wurde dabei für 2001 mit 90 Mrd. S und für 2002 mit


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101 Mrd. S angegeben. Diese neue Zielsetzung der neuen Regierung wurde allgemein begrüßt und erfuhr breite Zustimmung von der Bevölkerung.

Ein ausgeglichenes Budget gibt der Bundesregierung den notwendigen Spielraum, um Vollbeschäftigung zu schaffen, den Wohlstand der Bevölkerung zu steigern, die Armut zu bekämpfen, unseren Kindern eine finanziell gesicherte Zukunft zu ermöglichen und somit den Generationenvertrag aufrecht zu erhalten. Soziale Gerechtigkeit kann auf Dauer nur durch einen strukturell richtigen und ausgewogenen Staatshaushalt gesichert werden.

Die von den Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ gebildete Bundesregierung beabsichtigt daher, verstärkt Strukturmaßnahmen zu setzen, wobei darauf Rücksicht genommen wird, das Wirtschaftswachstum sowie die Konjunktur zu stützen, die Geldwertstabilität zu wahren und die Konsolidierungsbeiträge sozial gerecht zu verteilen.

Diese Bundesregierung will die Budgetsanierung vor allem ausgabenseitig vornehmen. Dabei wird vor allem darauf Bedacht genommen, daß sich der ergebende Konsolidierungsbedarf von 101 Mrd. S in sozial gerechter Weise verteilt wird. Durch Privatisierungen, die Forcierung der Verwaltungsreform und Maßnahmen beim Finanzausgleich können erhebliche Mehreinnahmen bzw. Einsparungen erzielt werden.

Der restliche Konsolidierungsbeitrag in der Höhe von 5 Mrd. S soll in einer sozial gerechten Reform durch die Erhöhung der sozialen Treffsicherheit erreicht werden. In Österreich werden 800 Milliarden Schilling an Sozialleistungen gewährt. Um dieses dicht geknüpfte Sozialsystem auch in der Zukunft aufrechterhalten zu können, wurde eine Expertengruppe zur Sicherstellung der sozialen Treffsicherheit unter Vorsitz von Univ.Prof. Mazal eingerichtet. Diese Expertengruppe hat einen umfangreichen Bericht erstattet. Univ.Prof. Mazal hat in diesem Zusammenhang betont, daß es möglich wäre, mehr als 30 Mrd. S im Sozialbereich gerecht einzusparen. Die Bundesregierung hat auf Grund dieses Expertenberichtes ein Maßnahmenpaket zur sozialen Treffsicherheit beschlossen, das etwas mehr als 5 Mrd. S einspart; das entspricht rund 0,6 % der Gesamtaufwendungen im sozialen Bereich. Bei diesen Summen kann von einem Sozialabbau keine Rede sein. Univ.Prof. Mazal hat zum Maßnahmenpaket der Bundesregierung gemeint, daß ,dieses einen seriösen Versuch darstellt, das Sparen mit einer Systemverbesserung zu verbinden‘.

Neben dem Maßnahmenpaket zur sozialen Treffsicherheit hat die Bundesregierung – um dem Gedanken der sozialen Ausgewogenheit zu entsprechen – eine Behindertenmilliarde und die Erhöhung des Pendlerpauschales sowie der Heizkostenzuschüsse beschlossen.

Die in Angriff genommenen Budgetsanierungsmaßnahmen stellen nicht nur keinen Sozialabbau dar sondern sind dringende Schritte, um eine Trendumkehr und damit auch eine Absicherung des Sozialsystems zu erreichen, endlich Schluß zu machen mit dem Schuldenmachen und wieder verstärkt Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen.

Der ÖGB forderte zur Sanierung des Bundeshaushaltes, vor allem auf die nach seinen Angaben bestehenden Steuerrückstände in der Höhe von 30 Mrd. S zuzugreifen und diese für eine Senkung des Budgetdefizits zu nutzen.

Der Beweis dafür, daß die Bundesregierung auf dem richtigen Weg ist, stellt die jüngste Entwicklung des Arbeitsmarktes dar. Im September 2000 waren in Österreich 26.097 Menschen weniger arbeitslos als im Vorjahr; 14,5 % weniger. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote für September beträgt nach EUROSTAT 3,1 %. Sie ist damit geringer als die Hälfte des EU-Durchschnittes von 8,3 %. Aber nicht nur die Arbeitslosenzahlentwicklung gibt Grund zur Freude, auch die Beschäftigung expandiert in Österreich relativ kräftig. Ende September 2000 waren um 25.523 Personen in Österreich mehr beschäftigt als im Vorjahr. Dies ergibt die neue Rekordbeschäftigung für September von 3,175.932. Besonders erfreulich ist, daß die Frauen diesen Anstieg der Beschäftigten mit 25.304 mehr beschäftigten Frauen in Österreich fast zur Gänze allein tragen.


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Gleichzeitig ist auch bei den Problemgruppen der Jugendlichen und der älteren Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit beträchtlich gesunken. Die Jugendarbeitslosigkeit weist nach wie vor den niedrigsten Wert aller EU-Staaten auf; 4,3 % laut EUROSTAT in Österreich, im EU-Durchschnitt 16,1 %.

Ebenso hat sich in der Problemgruppe der über 50-jährigen die Arbeitslosigkeit verringert. Diese Altersarbeitslosigkeit sinkt um 21,6 % gegenüber dem Vorjahr. Allein diese Entwicklung zeigt, daß die beste Sozialpolitik eine gute Wirtschaftspolitik ist.

Im Hinblick auf die soziale Sicherheit zukünftiger Generationen muß dem Schuldenmachen Einhalt geboten werden.

Daher stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

Dringliche Anfrage:

1. Wie hoch belief sich der exakte Schuldenberg zum Zeitpunkt Ihrer Amtsübernahme?

2. Wie entwickelt sich der Zinsendienst in der Prognose bis 2005, falls keine Kapitaltilgungen vorgenommen werden?

3. Aus welchem Grund streben Sie bereits für das Jahr 2002 ein Nulldefizit an?

4. Welche Maßnahmen zur Entlastung beim Zinsendienst sehen Sie vor?

5. Welche Auswirkungen haben die im Budget 2001 geplanten Maßnahmen zum Abbau des Budgetdefizits auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen (Arbeiter, Angestellte, Wirtschaftstreibende, Bauern, Pensionisten, öffentlich Bedienstete usw.)?

6. Welche Schritte sind für eine zusätzliche Unterstützung der Familien – die Hauptstützen unserer Gesellschaft – vorgesehen?

7. Wie soll die Behindertenmilliarde eingesetzt werden?

8. Wie soll die soziale Situation der Studierenden durch Begleitmaßnahmen nach der Einführung der Studienbeiträge verbessert werden?

9. Wie beurteilen Sie den Lohnabschluß im öffentlichen Dienst im Lichte seiner Auswirkungen auf die Defizitsituation des Budgets und der sozialen Gerechtigkeit?

10. Wie sehen Sie die Haltung von SPÖ-Parteivorsitzenden Gusenbauer, der behauptet, daß bei den Privatstiftungen 10 Mrd. S Mehreinnahmen zu erzielen wären, im Lichte der Ausführungen des ehemaligen SPÖ-Finanzministers Edlinger, der noch 1999 davon gesprochen hatte, daß "er im Zusammenhang mit der angesprochenen Gesamtregelung des Privatstiftungsrechtes keinen methodischen Änderungsbedarf sehe"?

11. Wie hoch sind derzeit die Steuerrückstände?

12. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diese Steuerrückstände zur Senkung des Budgetsdefizits zu mobilisieren?

13. Welche Finanzstrafverfahren laufen derzeit gegen den ÖGB bzw. seine Teilorganisationen wegen der unversteuerten Auszahlung von Schwarzgeldern an Funktionäre?

14. Wann wurde beim ÖGB bzw. seinen Teilorganisationen zuletzt eine Betriebsprüfung bzw. eine Lohnsteuerprüfung durchgeführt?


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15. Haben SPÖ und Grüne Vorschläge für eine nachhaltige Budgetsanierung an Sie herangetragen?

16. Wenn ja, wie lauten diese?"

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Anfragebegründer und Erstanfragesteller ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Die Geschäftsordnung sieht eine Redezeit von maximal 20 Minuten vor. – Bitte, Herr Abgeordneter Khol.

12.04

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! (Abg. Großruck  – in Bezug auf die im Sitzungssaal aufgestellten Pappfiguren –: Herr Präsident! Da sind zwei nicht angelobte Mitglieder! – Heiterkeit.) Die Abgeordneten der Volkspartei und der Freiheitlichen Partei haben die heutige Sondersitzung des Nationalrates zur Reformpolitik der Bundesregierung für soziale Gerechtigkeit ohne Neuverschuldung aus vier Gründen verlangt.

Der erste Grund ist folgender: Am 17. Oktober – also nächste Woche – wird die Bundesregierung das Budget 2001 und die Finanzplanung für das Jahr 2002 und dazu das Budgetbegleitgesetz, ein umfangreiches Reformwerk, beschließen. Die Begutachtungsfrist hat diese Woche geendet. Nächste Woche wird beschlossen. Wir von den Regierungsparteien wollen von Ihnen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, erfahren, wie Sie das Reformziel dieser Regierung gemeinsam mit dem Nationalrat erreichen wollen – wir wollen Sie dabei unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Pappfiguren werden von Bediensteten des Hauses aus dem Saal entfernt.)

Der zweite Grund, meine Damen und Herren, ist, dass die Mehrheit dieses Hauses das Reformziel der Bundesregierung "neu regieren" für soziale Gerechtigkeit, für Vollbeschäftigung ohne Neuverschuldung teilt und dass wir daher eine Dringliche Anfrage an den Bundesminister für Finanzen eingebracht haben, um zu erfahren, mit welchen konkreten Maßnahmen er diese Ziele erreichen wird. (Abg. Parnigoni: Das ist Schüssels Märchenstunde, aber sonst nichts!)

Der dritte Grund ist, dass beim großen Reformdialog – einem neuen Instrument der Sozialpartnerschaft und der Partnerschaft aller wichtigen Kräfte in unserem Lande – am 14. Juli 2000 und am 2. September 2000 alle Sozialpartner, letztlich dann auch alle Parteien, der Bund, die Länder und die Gemeinden die Frage eines Nulldefizits diskutiert haben und es einen breiten Konsens gegeben hat – es waren natürlich nicht alle einverstanden –, dass in diesem Land das Schuldenmachen ein Ende haben soll (Abg. Parnigoni: Wo Sie Meister waren, Herr Kollege!), dass wir keine neuen Schulden aufnehmen sollen und dass wir die Staatsfinanzen auf eine gesunde Basis stellen sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen heute auch mit den Parteien der Opposition diskutieren, ob diese Zielsetzung von ihnen noch geteilt wird oder ob sie diese Zielsetzung zwar teilen, aber andere Instrumente vorlegen als jene, die die Bundesregierung vorschlägt (Abg. Schwemlein: Ja, sozial gerechte legen wir vor!), oder ob sie sich von diesem Ziel als Mythos bereits verabschiedet haben unter dem Ansturm des Drucks von politischen Kräften, weil man findet, dass alles sehr schwierig und alles sehr kompliziert ist. Das wollen wir auch wissen: Teilen Sie noch diese grundsätzliche Einstellung, die Schuldenpolitik muss ein Ende haben, oder kritisieren Sie nur die Maßnahmen?

Und der vierte Grund dafür, dass wir diese Sondersitzung verlangt und diese Dringliche Anfrage eingebracht haben, besteht darin, dass wir klar dokumentieren wollen, dass die Sparpolitik nicht nur im Staate, sondern auch hier im Hohen Hause Platz zu greifen hat. Wir werden die notwendigen Anträge vorbereiten, dass auch dieses Haus in zwei Jahren 100 Millionen Schilling einspart, bei sich selbst im Haus, bei den Politikerpensionen, bei den Pensionssicherungsbeiträgen, bei den politischen Parteien. (Abg. Dr. Kostelka: Dazu brauchen Sie eine Dringliche Anfra


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ge?) Das werden wir in dem Hohen Haus darzulegen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auf diesem Schaubild sehen Sie, wie sich die Defizite in diesem Land entwickelt haben. (Der Redner stellt ein Schaubild betreffend Schulden- und Defizitentwicklung auf das Rednerpult. – Abg. Dr. Mertel: Schüssel war das!) Als 1970 die ÖVP aus der Regierungsverantwortung ausschied, hatte dieses Land wenig Schulden, wie Sie auf diesem Schaubild sehen, und eine Zinsenlast von 2,7 Milliarden. Als die Regierung Schüssel mit Frau Riess-Passer und Grasser an führender Stelle in der Finanzpolitik die Verantwortung übernommen hat, gab es ein erwartetes Budgetdefizit von 109 Milliarden, eine Zinsenlast von über 100 Milliarden im Jahr und Schulden von 1 700 Milliarden. (Abg. Parnigoni: Die ÖVP hat alle Anträge in der Regierung unterstützt!)

Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich: Im Jahre 1975, als die Regierung Kreisky mit der Schuldenpolitik begann, sagte der damalige Abgeordnete Arthur Mussil: "Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen und vernichten die Arbeitsplätze von übermorgen." – Das Schuldenbild zeigt genau, dass er ein Prophet war. (Der Redner zeigt ein neues Schaubild.) Wir müssen heute schon sagen: Die Schulden von vorgestern sind die Steuern, die wir heute zu zahlen haben. (Abg. Sophie Bauer: Da waren Sie dabei!) Die Schulden von vorgestern sind die Sparmaßnahmen, die wir heute zu ergreifen haben. Und wenn wir nicht an der Schuldentilgung arbeiten, sondern weiter Schuldenpolitik machen, dann sind die Arbeitsplätze unserer jungen Menschen gefährdet. Schuldenpolitik ist die unsozialste Politik, die man nur betreiben kann, und ist verantwortungslos! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der erste Fragenkomplex in unserer Dringlichen Anfrage bezieht sich auf die Schulden. Aber zu diesen Fragen gehört auch die Frage nach den Steuerrückständen. Ich höre immer wieder aus Gewerkschaftskreisen – ich bin selbst Gewerkschafter (ironische Heiterkeit bei der SPÖ)  –, dass es Steuerrückstände in Höhe von 30 Milliarden Schilling gäbe und dass das Geld auf der Straße läge.

Herr Bundesminister! Wir wollen wissen: Wie steht es hier wirklich? Welche Maßnahmen gibt es, um die Steuerrückstände auch zur Budgetdefizitbehebung zu verwenden? Wir wollen von Ihnen auch wissen, ob die Meldungen stimmen, dass es Teilgewerkschaften gibt, die Steuernachzahlungen zu leisten haben und gegen die Finanzstrafverfahren eingeleitet werden. Es ist sehr wichtig zu wissen, ob alle ihren Anteil in diesem Lande leisten – oder ob es manche gibt, die gleicher sind als alle anderen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Warum ist ein Nulldefizit, warum ist der Schuldenabbau so wichtig? Wir haben jetzt im Budget einen Deckungsbedarf – und deswegen sitzen wir hier und deswegen strengen wir uns alle an – von 100 Milliarden Schilling, eine unvorstellbare Summe. Genau die gleiche Summe bedeuten die Zinsen, die wir für die Staatsschulden der Vergangenheit zu zahlen haben. Hätten wir keine Schulden, bräuchten wir kein Budgetbegleitgesetz, bräuchten wir keine Maßnahmen der sozialen Treffsicherheit, bräuchten wir all diese nationalen Kraftanstrengungen nicht. Hätten wir die Schulden nicht, hätten wir heute nicht diese Probleme. (Abg. Sophie Bauer: 14 Jahre lang waren Sie in der Regierung!)

Meine Damen und Herren! Neue Schulden bedeuten die Belastung unserer Kinder, und diese wollen wir unter allen Umständen vermeiden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mir schien, dass die Frage eines Nulldefizits eigentlich auch bei der Sozialdemokratie unbestritten war. Als wir Regierungsverhandlungen mit den Sozialdemokraten führten, die auf Grund der bekannten Vorkommnisse dadurch scheiterten, dass die Sozialdemokraten die Verhandlungen abbrachen, war die Reduktion der Neuverschuldung auf Null ein erklärtes Ziel. Aber jetzt, wo die konkreten Maßnahmen zur Diskussion stehen, höre ich von der Klubklausur der Sozialdemokratie, dass dieses Nulldefizit ein Mythos sei. Der steirische Politiker Sallmutter, ein führender Funktionär von Ihnen, schreibt zur SPÖ-Haltung, die SPÖ sei der Gehirnwäsche bei den Regierungsverhandlungen erlegen und habe sich damals zum Nulldefizit bekannt. – Aber jetzt ist ja das nicht mehr notwendig. Und die "Salzburger Nachrichten" übertiteln den Bericht über diese Sallmutter-Äußerung: "Vorwärts in die Vergangenheit".


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Meine Damen und Herren! Sagen Sie es hier, legen Sie es heute auf den Tisch: Teilen Sie das Ziel, im Interesse der jüngeren Generation keine neuen Schulden zu machen und mit sozial verträglichen Maßnahmen das Budget zu sanieren, oder teilen Sie es nicht? Befinden Sie sich voll auf dem Weg in die Vergangenheit? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sollte das wirklich der Fall sein und die Schuldenpolitik nach Ihrem Willen weitergehen und wenn Sie das als Sozialromantik brandmarken, dann muss sich die SPÖ angesichts der konkreten Maßnahmen den Vorwurf gefallen lassen, das Richtige unter dem Druck der politischen Opportunität nicht zu tun. Und das wird gemeiniglich als Populismus verstanden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Welche konkreten Maßnahmen schlagen wir vor? Worum geht es eigentlich? Herr Bundesminister für Finanzen, wir fragen in den Fragenkomplexen 6 bis 10 und 15 und 16: Wo sollen bei den Sozialausgaben Einsparungen vorgenommen werden? Sie sehen hier auf diesem Schaubild den Stellenwert, meine Damen und Herren. (Der Redner zeigt ein weiteres Schaubild betreffend Sozialausgaben.)

Bis zur Veröffentlichung der Maßnahmen der Bundesregierung am 19. September war eigentlich relative Ruhe im Land. Erst als wir diese Maßnahmen auf den Tisch gelegt haben, nach denen wir heute im Detail fragen, gab es den großen Sturm. Warum? Wir wenden alles in allem 800 Milliarden Schilling im Jahr – es kann etwas weniger sein, da streiten sich die Gelehrten, es können auch 700 Milliarden Schilling sein – für die Sozialausgaben auf. Das ist die Sozialquote in unserem Lande. Einsparen wollen wir 5 Milliarden Schilling. Das heißt also, je nach den Berechnungen geht es um 0,5, 0,6 oder 0,7 Prozent, also um wenig im Verhältnis zu dem, was wir in diesem Sozialstaat leisten. (Abg. Öllinger: Sie sagen nicht die Wahrheit!) Und diese großen Ausgaben für die soziale Sicherheit unserer Mitmenschen, für uns alle müssen und wollen wir weiter bestreiten, die soziale Sicherheit in unserem Lande wird durch ein Einsparungsvolumen von 0,6 Prozent in keiner Weise angegriffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man muss die Proportionen wahren, und man muss auch wissen, dass man für Sozialmaßnahmen auch Bewegungsfreiheit braucht. In diesem Zusammenhang möchte ich der Bundesregierung wirklich meine Anerkennung aussprechen: Gestern wurde beschlossen, dass österreichischen Kriegsgefangenen, Heimkehrern, neuerlich zu ihrer Pension 300 S im Monat dazu geleistet werden sollen. Ich glaube, das verdient den Applaus des ganzen Hauses. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir fragen heute nach den Details der Maßnahmen, die wir am 19. September aus dem Ministerrat gehört haben. Die Details müssen ja auch noch beraten werden in den Parteien. Aber auch in den Ausschussberatungen, im Budgetausschuss wird noch geschliffen, gefeilt, gerundet werden. Wir wollen von Ihnen hören, Herr Bundesminister, aber auch von anderen auf der Regierungsbank, was im Konkreten geplant ist. Wie schaut es aus mit der Mitversicherung für Frauen mit Kindern? Die bleibt! Für Frauen, die je Kinder gehabt haben, die die Verantwortung dafür getragen haben (Abg. Dr. Petrovic: Die Männer nicht?), auch wenn die Kinder bereits aus dem Haus sind – auch die anderen Partner –, bleibt die beitragsfreie Mitversicherung. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen auch wissen, wie die begünstigte Mitversicherung für Partner ohne Kinder aussieht.

Wir wollen auch wissen, wie es mit der steuerlichen Gleichstellung von Unfallrenten mit Invaliditätsrenten ist. Gibt es eine Abfederung für Schwerversehrte? Wie schaut es aus mit der "Behindertenmilliarde"? Eine großartige Sache. Und wie wird diese eingesetzt? Wir haben im Bereich der Behinderten das drückendste und größte Arbeitslosenproblem. Wir haben 37 Prozent arbeitslose Behinderte, Mitmenschen von uns, für die wir besondere Sorgfalt aufbringen und ein besonderes Herz zeigen sollten. Was können wir mit dieser Milliarde bewirken, damit Behinderte Arbeitsplätze bekommen? Das wollen wir! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen auch hören, wie sich die Maßnahmen in der Arbeitslosenversicherung gestalten. Da sind noch viele Details offen zu diskutieren. Der Mazal-Bericht hat in diesem Bereich einen Bedarf an Veränderung aufgezeigt. Das wollen wir hören. Und wir wollen


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auch mit Frau Ministerin Gehrer diskutieren, wie bei gleichzeitiger Verbesserung des Stipendienwesens, bei Einführung der Studentendarlehen, bei einer Forschungsmilliarde für die Universitäten die Studienbeiträge nun konkret ausschauen. Welche sind die konkreten Maßnahmen? Wir tragen das Ziel der Studienbeiträge mit als einen Eckpunkt einer großen und umfassenden Hochschul- und Universitätsreform. Frau Bundesminister, die Details würden uns interessieren.

Meine Damen und Herren! All diese Maßnahmen bedeuten natürlich für die Betroffenen ein Opfer. Alle! Es ist unsere Aufgabe, dass wir diese Maßnahmen sozial gerecht konstruieren, dass wir sehr sorgfältig überlegen, damit es zu einer sozial gerechten Neuordnung kommt. Der geschäftsführende Klubobmann der Sozialdemokraten spricht von einer "negativen Umverteilung". – Herr Kollege Kostelka, ich kann nur sagen – er telefoniert zwar gerade, aber vielleicht kann er mir doch ein Ohr schenken –: "Negative Umverteilung" ist so ein Jargonausdruck aus dem altmarxistischen Vokabular. Da schaut jetzt auch Herr Gusenbauer betroffen! (Abg. Dr. Kostelka: Das ist leider die Realität!) Vergessen Sie bitte dieses Vokabular des Marxismus, den gibt es nicht mehr! Wir sprechen von sozialer Gerechtigkeit.  – Kümmern Sie sich darum! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder wollen auch Sie mit voller Kraft zurück in die Vergangenheit? (Abg. Silhavy: In der Vergangenheit ist es manchen noch besser gegangen als heute!)

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich ausführen, was eigentlich alles nicht kam. Ich verstehe die Unruhe bei den Sozialdemokraten, denn sie haben ja aus allen Rohren eine Gräuelpropaganda in die Welt gesetzt, welche Maßnahmen alle kämen, die jetzt aber nicht kommen. Sie haben davon gesprochen, dass die Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Arbeitsaufnahme für die Arbeitslosen verschärft werden würden, dass die Notstandshilfe, die Abfertigung, die Familienbeihilfe gekürzt werden würden, dass das Pflegegeld besteuert, dass das Pflegegeld gekürzt werden würde. Das alles kann man nachlesen! Weiters behaupteten Sie, dass das 13. und 14. Gehalt besteuert werden würden. – Nichts davon ist im Programm der Bundesregierung! Herr Finanzminister, ich würde mich freuen, wenn Sie uns das bestätigen würden: Nichts davon ist im Programm der Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! (Der Redner stellt ein weiteres Schaubild auf das Rednerpult.) Wir haben in der Vergangenheit nicht gespart, wir haben heute keine Not. Uns bietet sich auf Grund der Wirtschaftsentwicklung, die auf diesem Schaubild dargestellt ist, die Möglichkeit, diese notwendigen, sozial gerechten Maßnahmen durchzuführen. Wir haben ein wunderbares Wirtschaftswachstum, das ständig ansteigt. Wir haben eine sinkende Arbeitslosenquote. Immer weniger Menschen in unserem Land sind arbeitslos. Die Lehrlinge haben kein Problem mehr, sie finden Lehrlingsarbeitsplätze. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Teuerung geht zurück, und wir haben ein unglaublich hohes Exportwachstum. Schauen Sie sich die gelbe Fläche hier an! (Abg. Öllinger: Das geht aber wieder nach unten!) Wir haben ein großartiges Exportwachstum. Und in einer solchen Zeit müsste es möglich sein, die Schuldenpolitik zu beenden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! "Neu regieren" heißt, die Verantwortung für eine Trendwende zu tragen. Herr Bundesminister für Finanzen! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wir bitten um die notwendigen detaillierten Auskünfte. Wir tragen die Bemühungen um dieses Ziel im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger voll mit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt der Herr Finanzminister zu Wort. Die vereinbarte Redezeit ist in diesem Fall 20 Minuten. – Bitte, Herr Minister.

12.24

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzler! Werte Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! In der Dringlichen Anfrage wird ausgeführt, was Realität ist


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in Österreich. Dieser österreichischen Bundesregierung wurden die österreichischen Staatsfinanzen als Sanierungsfall übergeben. Den Sanierungsfall erkennt man spätestens dann, wenn man weiß, dass wir zurzeit jeden Tag 680 Millionen Schilling an Zins- und Tilgungszahlungen für die Schulden aus der Vergangenheit aufwenden müssen. (Abg. Haigermoser: Jeden Tag!) 680 Millionen Schilling jeden Tag, das sind 250 Milliarden Schilling im Jahr!

Wenn man bedenkt, dass man, wenn man hohe Aufwendungen für Zinsen und Tilgungen für Altschulden hat, auch hohe Einnahmen braucht, damit man diese Altschulden bedienen kann, dann ergibt sich daraus die sehr hohe Steuer- und Abgabenquote, die uns übergeben wurde. Meine Damen und Herren! Hätten wir diese Altschulden nicht, dann hätte jeder Erwerbstätige in Österreich um 7 300 S netto mehr im Monat in der Brieftasche. (Abg. Parnigoni: Dann hätten wir aber auch keine Schulen, keine Universitäten, keine Straßen, keine Eisenbahnen!) Das ist die Situation, in der diese Bundesregierung antreten musste, und das ist der Grund, warum wir gesagt haben: Nicht so weiter wie bisher, nicht tarnen, nicht täuschen, nicht unter den Teppich kehren, sondern mit Ingeborg Bachmann gesprochen: Die Wahrheit ist zumutbar. Wir gehen die Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung ein, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Meine Damen und Herren! Wir sagen: Keine neuen Schulden mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es haben sich alle Parteien, alle Sozialpartner, alle Wirtschaftsforscher zu dem Ziel "Konsolidierung der Staatsfinanzen, keine neuen Schulden mehr!" bekannt, weil sie wissen, dass wir eine unsoziale Politik, die zu Lasten unserer Kinder, zu Lasten unserer Enkelkinder geht, beenden müssen. Wir haben die Verpflichtung, Rahmenbedingungen für unser Land zu gestalten, die auch in Zukunft Vollbeschäftigung und volle Auftragsbücher für die Unternehmen sicherstellen, die sicherstellen, dass wir auch weiterhin eine Investitionsquote haben wie zurzeit, da sie sich in Österreich auf Rekordhöhe bewegt, und ebenso eine möglichst hohe Exportquote und insgesamt einen möglichst großen Erfolg unserer Unternehmen. In Summe also Rahmenbedingungen, die in Österreich für die Zukunft eine möglichst hohe Lebensqualität und möglichst großen Wohlstand sicherstellen sollen.

Meine Damen und Herren! Damit verbunden ist eine Politik, mit der diese österreichische Bundesregierung jeden Tag in den letzten acht Monaten nach einem trachtete: nach mehr sozialer Gerechtigkeit in Österreich. Das ist ein Eckpfeiler der Politik dieser österreichischen Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wissen, dass die alte Bundesregierung eine Steuerreform beschlossen hat, die für die Bevölkerung eine strukturelle Entlastung von 20 Milliarden Schilling bringt und 12 Milliarden Schilling an Mehrleistungen im Wege des Familienpaketes zur Verfügung stellt. Das waren für die Bevölkerung 32 Milliarden Schilling an Entlastung, mehr an Kaufkraft. Sie wissen, dass das nicht leistbar war, Sie wissen, dass das ein Wahlzuckerl war, Sie wissen, dass das mit zusätzlichen Schulden und Krediten finanziert worden ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir, die neue österreichische Bundesregierung, haben gesagt: Wir wollen das nicht rückgängig machen, wir wollen das aufrechterhalten, weil es uns wichtig ist, dass die Masseneinkommen, weil es uns wichtig ist, dass die sozial Schwachen, die allein erziehenden Mütter, die Mehrkinderhaushalte tatsächlich entlastet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deswegen haben wir nun beides in Übereinstimmung zu bringen: Konsolidierung der Staatsfinanzen einerseits und Aufrechterhaltung der Entlastung für die sozial Schwachen in Österreich andererseits. Wir haben mit dem Bundeskanzler und der Frau Vizekanzlerin an der Spitze einen Reformdialog einberufen, bei dem wir ein 100-Milliarden-Paket vorgestellt haben. Wie können wir die Staatsfinanzen konsolidieren? Zu 70 Prozent auf der Ausgabenseite, vor allem indem wir die öffentliche Verwaltung in die Pflicht nehmen, indem wir Städte, Gemeinden und Länder in die Pflicht nehmen, weil wir wissen, dass es das Recht der Bevölkerung ist, dass wir in Österreich den Staat neu bauen, dass wir entbürokratisieren, dass wir die Verwaltung "zurückfahren", und dass wir damit einen sehr, sehr wichtigen Beitrag leisten und zuallererst auf der eigenen Seite einsparen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Wir haben bei diesem Reformdialog auch ein 27-Milliarden-Schilling-Paket auf der Einnahmenseite dargestellt, weil wir nicht nach der Prämisse des heiligen Florian handeln wollten: Alle sind betroffen, nur ich selbst bin nicht betroffen. Wir haben ein Paket präsentiert, gemäß dem die Unternehmer einen Beitrag leisten, gemäß dem die Vermögenden, die Konzerne, die Stifter einen Beitrag leisten, gemäß dem die Bauern einen Beitrag leisten, die öffentlich Bediensteten und auch die Arbeitnehmer und die Pensionisten. Meine Damen und Herren! Einkommen unter 30 000 S brutto im Monat wollen wir mit diesem 27-Milliarden-Schilling-Paket allerdings nicht treffen, weil nur jene einen Beitrag leisten sollen, die es sich auch wirklich leisten können, weil sie besser verdienen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Das stimmt nicht!)

Damit ist es gelungen, 75 Prozent der Erwerbstätigen aus der Ziehung zu lassen, nämlich jene, die unter 30 000 S brutto im Monat verdienen, und damit ist es gelungen, 75 Prozent der Pensionisten, nämlich jene, die monatlich eine Bruttopension von unter 20 000 S haben, aus der Ziehung zu lassen. (Abg. Huber: Das stimmt ja nicht!)

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen zwei Beispiele mitgebracht, damit man sieht, inwieweit die Bevölkerung wirklich betroffen ist. Ich glaube, sie hat das Recht, diese Information zu bekommen.

Erstes Beispiel: eine Alleinerzieherin mit einem Kind unter 10 Jahren, 18 000 S brutto Monatsbezug. Im Vergleich zum Jahr 1999 – alte Bundesregierung – wird diese allein erziehende Mutter – alle Maßnahmen eingerechnet – im Jahr 2001 um 1 925 S netto mehr im Jahr zur Verfügung haben – trotz Konsolidierung des Haushaltes! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Das ist Realitätsverweigerung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das tut weh! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Zweites Beispiel, meine Damen und Herren, damit das keine Einzelfallbetrachtung ist, damit wir der Bevölkerung die Realität darstellen können: zwei Verdiener, zwei Kinder unter 10 Jahren, Monatsbruttoverdienst einmal 25 000 S, einmal 15 000 S. Im Jahre 2001 bleiben dieser Familie im Vergleich zu 1999 – alte Bundesregierung – 5 951 S netto mehr im Jahr in der Brieftasche. Und das ist soziale Politik, für die wir stehen wollen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit der Abg. Reitsamer. )

Meine Damen und Herren! Das ist eine Sanierung des Haushaltes, wobei wir wissen: Wir verlangen vielen in unserem Lande Beiträge zur Konsolidierung ab, aber wir wollen mit einer unsozialen Politik, die am Rücken unserer Kinder und Enkelkinder ausgetragen wird, brechen. Wir wollen in diesem Land eine Zukunftsperspektive ermöglichen und gestalten. Deshalb verfolgen wir eine Finanzpolitik, die sozial gerecht ist und die die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes sicherstellt. – Ein kleiner Schritt in der Gegenwart, aber ein großer Schritt für die Zukunft der Bevölkerung, für die Zukunft unseres Landes, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Somit darf ich zur Beantwortung der einzelnen Fragen kommen.

Zu Frage 1: Wie hoch belief sich der exakte Schuldenberg zum Zeitpunkt Ihrer Amtsübernahme?

Es waren zusammengerechnet 2 245 Milliarden Schilling, die sich zusammengesetzt haben aus: Finanzschuldenstand des Bundes zum 31. Dezember 1999: 1 700 Milliarden Schilling, Verwaltungsschulden: 300 Milliarden Schilling, außerbudgetäre Verpflichtungen – ÖBB, Schieneninfrastrukturgesellschaft, ASFINAG, ÖIAG, Bundesimmobiliengesellschaft, Umwelt-Wasserwirtschaftsfonds –: 244,5 Milliarden Schilling. In Summe also sind der neuen österreichischen Bundesregierung 2 245 Milliarden Schilling Schulden übergeben worden.

Zu Frage 2: Wie entwickelt sich der Zinsendienst in der Prognose bis 2005, falls keine Kapitaltilgungen vorgenommen werden?

Er entwickelt sich im Jahre 2001 auf 102 Milliarden Schilling, im Jahre 2002 auf 103 Milliarden Schilling, im Jahr 2003 auf 97 Milliarden Schilling, 2004 auf 98 Milliarden Schilling, 2005 auf


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101 Milliarden Schilling. Er ist deshalb teilweise sinkend, weil wir es schaffen, mit höheren Zinsen dargestellte Altschulden in solche umzuwandeln, die niedriger verzinst sind.

Zu Frage 3: Aus welchem Grund streben Sie bereits für das Jahr 2002 ein Nulldefizit an?

Erster und sicher entscheidender Punkt, meine Damen und Herren: Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Konsolidierung der Haushalte! Wir haben jetzt den stärksten Konjunkturaufschwung seit zehn Jahren in Österreich. Wir haben reales Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent. Wir werden auch in den Jahren 2001 und 2002 ein deutlich über dem langfristigen Durchschnitt liegendes Wirtschaftswachstum in unserem Land zu verzeichnen haben. Wir haben eine Arbeitslosenrate, die im September knapp über 3 Prozent gelegen ist, das heißt, wir haben eine sehr hohe Beschäftigung in Österreich. Wir haben Rekordwerte in der Exportquote, bei der Investitionsquote in Österreich, und somit haben wir jetzt die Möglichkeit – bei guter Konjunktur, bei guten Einnahmen –, den Haushalt in Ordnung zu bringen.

Außerdem kommt noch dazu, und das ist uns besonders wichtig: die Unterstützung der österreichischen Bevölkerung für die Sanierung der Staatsfinanzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, dass das entscheidend ist, meine Damen und Herren, denn die Bevölkerung ist der höchste Souverän, und wir können nur dann diesen Weg gehen, wenn er unterstützt wird.

Ich werde jetzt etwas eher Ungewöhnliches machen, wenn ich hier davon berichte, aber das hat mich wirklich sehr bewegt – neben Hunderten Briefen, die ich hier nicht zitiere –: Herr Franz Häusler aus der Steiermark hat eine Inlandspostanweisung an mich als Finanzminister gerichtet, in der er mir 10 000 S zur Tilgung der Staatsschulden überwiesen hat. – Das ist ein Beweis für viele, die bei der Sanierung der Staatsschuld mitmachen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: Das ist nicht zum Lachen, werte Freunde da drüben!)

Ich glaube auch, dass das nicht zum Lachen ist, sondern dass wir der Bevölkerung dafür danken sollten, dass sie bereit ist, ihren Beitrag auch tatsächlich zu leisten.

Zweitens, meine Damen und Herren, muss ich sagen, dass alle, ob es die OECD war, ob es die Europäische Union war, ob es der Internationale Währungsfonds war, gesagt haben: Es kann nicht sein, dass Österreich in der jährlichen Defizitentwicklung das Schlusslicht in Europa ist! Und all diese Organisationen – wir waren gerade erst in Prag –, mit denen wir gesprochen haben, haben gesagt, sie gratulieren der österreichischen Bundesregierung, der Mehrheit des Parlaments dazu, dass wir den Mut haben, diesen Weg zu gehen, weil er für die Zukunft dieses Landes ohne Alternative ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir gehen jetzt diesen Weg, weil wir natürlich auch Offensivmaßnahmen in Österreich umsetzen wollen, weil wir uns dazu bekannt haben, für die Forschung und Entwicklung plus Infrastrukturmaßnahmen in den nächsten drei Jahren 10 Milliarden Schilling – 10 Milliarden Schilling für Forschung und Entwicklung und Infrastruktur! – zur Verfügung stellen zu wollen, und zwar über die normalen Ansätze hinaus. Das ist mehr, als jemals eine österreichische Bundesregierung für Forschung und Entwicklung und damit Zukunftsarbeitsplätze zur Verfügung gestellt hat. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir wollen nicht über Lohnnebenkosten und die hohe Belastung der Arbeitsplätze indirekt reden, die zum Schaden der Arbeitnehmer, zum Schaden des Wirtschaftsstandortes sind, sondern wir wollen handeln und erstmals seit vielen, vielen Jahren in Österreich die Lohnnebenkosten um 15 Milliarden Schilling senken, weil wir wissen, dass das ein wichtiger Impuls für die Arbeitnehmer und für den Wirtschaftsstandort ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu Frage 4: Welche Maßnahmen zur Entlastung beim Zinsendienst sehen Sie vor?

Zielsetzung ist es, ab 2002 den Zinsendienst um 3 Milliarden Schilling zu drücken, und zwar durch Erlöse aus dem Bereich Bundesimmobiliengesellschaft. Vorgesehen sind der Verkauf der


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UMTS-Lizenzen, Verkäufe von in Bundeseigentum stehenden Wohnungen sowie der Verkauf von Anteilen der Österreichischen Bundesforste, also etwa 1 bis 1,5 Prozent des österreichischen Waldes, die den Bauern als Aufstockung und als Arrondierung zur Verfügung gestellt werden sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu Frage 5, sicher sehr wichtig: Welche Auswirkungen haben die im Budget 2001 geplanten Maßnahmen zum Abbau des Budgetdefizits auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen?

Ich sage eines dazu und schicke das voraus: Motto der österreichischen Bundesregierung war es, die Konsolidierung so zu gestalten, dass der, der mehr verdient oder mehr besitzt, auch mehr zur Budgetkonsolidierung beitragen kann. Und das haben wir auch so durchgezogen, meine Damen und Herren!

Wir haben 70 Prozent des Konsolidierungsbedarfs von etwa 100 Milliarden Schilling für das Jahr 2002 durch ausgabenseitige Maßnahmen erreicht. Wir haben 30 Prozent durch mehr Steuergerechtigkeit sichergestellt, und mehr Steuergerechtigkeit heißt, Steuergestaltungsmöglichkeiten, die vor allem Wirtschaftstreibenden, vor allem Besserverdienenden zugute kommen, werden eingeschränkt oder beseitigt. Es werden Steuerlücken geschlossen, es wird die Steuerbemessungsgrundlage verbreitert, es werden Privilegien beseitigt.

Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen schon gesagt: Jeder, der monatlich unter 30 000 S brutto an Erwerbseinkommen hat, ist einkommensteuerlich nicht belastet, jeder Pensionist, der unter 20 000 S brutto an Monatspension hat, ist einkommensteuerlich nicht belastet. Das heißt, 75 Prozent der Bevölkerung sind nicht belastet.

Von den rund 100 Milliarden Schilling Konsolidierungsbedarf im Jahre 2002 – wir müssen das in Zukunft umsetzen, wir müssen den Staat neu bauen, und wir sind stolz darauf, dass uns das gelingen wird – entfällt mehr als die Hälfte, nämlich rund 53 Milliarden Schilling, auf Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung – egal, ob das jetzt der Finanzausgleich, ob das der Umbau der öffentlichen Verwaltung zwischen Bund und Ländern ist. Fest steht: Die Erwerbstätigen sind mit rund 13,2 Milliarden Schilling betroffen, die privaten Haushalte mit etwa 4,5 Milliarden Schilling, die Pensionisten mit rund 5,3 Milliarden Schilling, die Unternehmer mit rund 14,3 Milliarden Schilling, die Stiftungen mit etwa 2,2 Milliarden Schilling. Wir haben im Bereich der Landwirtschaft – weil diskutiert wurde, ob sie einen Beitrag leisten oder nicht – die Dieselpreissenkung, die ja im Regierungsübereinkommen vorgesehen war, verschoben. Sie kommt 2001, 2002 nicht, und das heißt, somit leistet auch die Landwirtschaft einen Beitrag von 1,4 Milliarden Schilling.

Zu Frage 6: Welche Schritte sind für eine zusätzliche Unterstützung der Familien – die Hauptstützen unserer Gesellschaft – vorgesehen?

Sie wissen, dass wir eine ganz wesentliche Initiative für die Familien mit der Einführung des Kindergeldes für alle ab dem 1. Jänner 2002 setzen werden. Es wird damit aus einer Versicherungsleistung eine reine Familienleistung. Der Anspruch wird auf 24 Monate im einen Fall und auf weitere 12 Monate für den Partner, das heißt 36 Monate in Summe, ausgedehnt. Das Kinderbetreuungsgeld wird auf 6 250 S im Monat angehoben, wovon 250 S für die Pensionsversicherung abgegeben werden. Das ist besonders wichtig, dass es auch einen Pensionsanspruch gibt. Das, meine Damen und Herren, ist ein Meilenstein in der Familienpolitik und wird zu einer ganz wesentlichen Verbesserung der finanziellen Lage von Familien mit Kleinkindern führen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu Frage 7: Wie soll die Behindertenmilliarde eingesetzt werden?

Kollegin Elisabeth Sickl hat mit den Betroffenen, mit den Interessenvertretungen bereits mehrere Gespräche geführt. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass Behinderte am Arbeitsmarkt stärker integriert werden können. Im September waren 27 245 Personen mit Behinderungen als arbeitslos gemeldet. Ich glaube, dass das in einer entwickelten Volkswirtschaft nicht sein darf, dass das nicht gangbar ist. Wir müssen einen Impuls setzen, damit Behinderte am Arbeitsmarkt besser integriert werden.


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Wir werden vor allem Jugendliche und Schulabgänger gerade in Bezug auf Arbeitsplatzsuche besser unterstützen. Wir werden ältere Behinderte besser unterstützen. Wir werden versuchen, Zusatzqualifikationen für Behinderte zu ermöglichen, und wir werden auch versuchen, die Bevölkerung über das bereits bestehende Ausmaß hinaus zu sensibilisieren, damit wir im Sinne einer Solidarität und einer Integration der Behinderten wesentliche Fortschritte erreichen können. Dafür ist eine Milliarde Schilling zusätzlich vorgesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu Frage 8 betreffend die soziale Situation der Studierenden. Wie werden wir mit Begleitmaßnahmen die Einführung der Studiengebühren verbessern?

Für das Studienjahr 2001/2002 haben wir uns darauf geeinigt, zusätzlich 450 Millionen Schilling für die Studierenden in Österreich zur Verfügung zu stellen – neben der Milliarde, die wir ohnehin in die Verbesserung der Ausstattung und des Equipments der Universitäten geben werden. Diese 450 Millionen Schilling werden für eine Anhebung der Studienförderungsbeträge, für eine Ausweitung des Bezieherkreises für Studienförderungen, für eine Anhebung der Zuverdienstmöglichkeiten für Studierende, für die Schaffung einer "Student Service Card", mit der es begünstigte Darlehen für die Studierenden geben soll, eingesetzt. Sie werden eingesetzt für eine Verlängerung der Anspruchsberechtigung für Studien, Abschlussstipendien für Berufstätige, und es wird auch eine Erhöhung der Ausgaben für Leistungsstipendien geben.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen, die Kollegin Gehrer weitsichtig vorbereitet, ist das eine wichtige Maßnahme einer Gesamtreform, die zu Leistungsorientierung, zu Wettbewerbsfähigkeit bei jedem sozialen Anspruch unserer Universitäten führen wird.

Zu Frage 9: Wie beurteilen Sie den Lohnabschluss im öffentlichen Dienst im Lichte seiner Auswirkungen auf die Defizitsituation des Budgets und der sozialen Gerechtigkeit?

Ich möchte der Frau Vizekanzler, Herrn Staatssekretär Alfred Finz und der Gewerkschaft sehr herzlich danken. Ich denke, es ist hier gelungen, ein Vorbild insofern abzugeben, wie ein Gehaltsabschluss sozial gerecht gestaltet sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Ich fühle mich verpflichtet, kurz Folgendes aus dem letzten Präsidialprotokoll zu verlesen:

Übereinstimmung besteht, dass im Rahmen der Debatte über die Dringliche folgende Redeordnung gilt: Begründung: 20 Minuten, Bundesminister 20 Minuten, sodann je vier Redner aller Fraktionen zwei Mal je 10 Minuten. – Ich mache nur darauf aufmerksam.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Ich bin in den nächsten drei oder vier Minuten fertig.

Zu Frage 9, Gehaltsabschluss.

Wie gesagt, sozial gerecht deshalb, weil ein Fixbetrag von 500 S pro Monat für die unteren Einkommensbezieher 2001 ein Plus von mehr als 3 Prozent bedeutet. Ich glaube, darauf kann man stolz sein.

Zu Frage 10, nämlich SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer würde behaupten, dass bei den Privatstiftungen 10 Milliarden Schilling an Mehreinnahmen zu erzielen wären.

Ich darf darauf hinweisen, dass mein Amtsvorgänger Edlinger in seiner Anfragebeantwortung vom Februar 1999 ausgeführt hat, dass er überhaupt keinen Änderungsbedarf bei der Besteuerung der Privatstiftungen sieht. (Aha-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das ist aus dem Zusammenhang gerissen, das wissen Sie ganz genau! – Abg. Parnigoni: So gehen Sie mit dem Parlament um!)


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Ich darf darauf hinweisen, dass es mein Vorvorvorgänger Lacina war, der die Stiftungen in Österreich mit dieser Attraktivität eingeführt hat, weil er wusste, dass sie eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion in Österreich haben. Eine volkswirtschaftliche Funktion, meine Damen und Herren! Es geht darum, dass Beteiligungen an Unternehmen in Österreich gehalten werden. Es geht darum, Arbeitsplätze mit Stiftungen zu sichern. Es geht darum, den Ausverkauf von österreichischen Unternehmen ins Ausland zu verhindern. Es geht darum, einen Beitrag für den Kapitalmarkt zu leisten, und es gibt Arbeitsplätze vor allem in beratenden Berufen, vor allem im Bankenbereich. Es geht darum, dass Kulturdenkmäler in Stiftungen leichter erhalten werden können. Es geht darum, dass Förderungen gemeinnütziger und kultureller Zwecke – Beispiel Stiftung Leopold – leichter möglich sind. – Und somit ist Augenmaß in dieser Frage gefordert und wichtig.

Wir haben gesagt, wir wollen einen Beitrag der Stifter, weil diese es sich leisten können, einen Beitrag zu leisten. Und dieser Beitrag von 2,2 Milliarden Schilling ist mit Augenmaß so angelegt, dass wir uns volkswirtschaftlich nicht schädigen, dass Kapital dieses Land nicht verlässt. Es ist eine Reform mit Augenmaß, die es ermöglicht, einen wichtigen Beitrag zur Konsolidierung zu erhalten, aber unser Land und unsere Volkswirtschaft nicht schädigt. Das wäre dann der Fall, wenn wir 10 Milliarden Schilling aus diesem Bereich holen würden – ein Vorschlag des Kollegen Gusenbauer –, denn das kostet Arbeitsplätze, das führt dazu, dass Kapital ins Ausland verlagert wird, dass Unternehmen ins Ausland verlagert werden.

Zu Frage 11: Wie hoch sind derzeit die Steuerrückstände?, in Verbindung mit Frage 12: Welche Maßnahmen setzen wir, um die Steuerrückstände abzubauen?

Wir haben auf Grund einer Auswertung einer Schichtenanalyse in etwa 7 bis 8 Milliarden Schilling an Abgabenrückständen. Erste Maßnahme: die Einführung der Anspruchsverzinsung, Guthaben und Verbindlichkeiten werden verzinst; eine wichtige Lenkungsmaßnahme. Wir haben organisatorisch eingegriffen, haben die Zahl der Mitarbeiter in der Einbringung vervielfacht; jetzt sind auch die Außendienstmitarbeiter für die Einbringung mitverantwortlich. Wir haben im Bereich der Selbstbemessungsabgaben das Entstehen von Rückständen unterbunden. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die in Österreich und in Europa, vor allem wenn es um die Vorsteuerproblematik geht, sicherstellen wird, dass wir diese Rückstandsproblematik bewältigen.

Zu den Fragen 13 und 14: Welche Finanzstrafverfahren laufen derzeit gegen den ÖGB beziehungsweise seine Teilorganisationen wegen der unversteuerten Auszahlung von Schwarzgeldern an Funktionäre? Wann wurden beim ÖGB beziehungsweise seinen Teilorganisationen zuletzt Betriebsprüfungen, Lohnsteuerprüfungen durchgeführt?

Der Fall ist mittlerweile allgemein bekannt. Sie kennen das Urteil des Obersten Gerichtshofes, das hiezu ergangen ist. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich im Sinne der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht die Fragen 13 und 14 nicht beantworten kann.

Zu den Fragen 15 und 16: Haben SPÖ und Grüne Vorschläge für eine nachhaltige Budgetsanierung an Sie herangetragen? Wenn ja, wie lauten diese Vorschläge?

Ich darf darauf hinweisen, dass wir erstmals seit vielen Jahren die Opposition zu Gesprächen eingeladen haben. Ich habe zwei Gespräche mit den Abgeordneten Gusenbauer und Professor Van der Bellen geführt. Es war uns ein Anliegen, zu informieren, es war uns ein Anliegen, Transparenz bezüglich der Konsolidierung unseres Haushaltes zu ermöglichen.

Wir haben darüber hinaus eine vertrauliche Behandlung der Gespräche vereinbart, woran ich mich heute halten möchte. Ich möchte dazu nur sagen, dass kein praktikabler, umsetzbarer Vorschlag gekommen ist, der sozusagen dieses Gesamtproblem der Konsolidierung von 100 Milliarden Schilling möglich gemacht hätte. – Damit entschuldige ich mich für 5 Minuten Überziehung und bedanke mich sehr herzlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.50


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die Vereinbarung für diesen Teil der Debatte ist zweimal vier Redner – von den Sozialdemokraten, den Freiheitlichen, der Volkspartei und den Grünen. Im Anschluss daran normale Redeordnung, wie sie in der Geschäftsordnung vorgesehen ist.

In diesem Sinne, Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer: 10 Minuten. – Bitte.

12.50

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Einleitend sollte man vielleicht einen Satz zum Demokratieverständnis der beiden Regierungsparteien sagen: Diese heutige Inszenierung wird gewählt, damit hier zwei Stunden lang – nur mit kurzen Unterbrechungen durch Oppositionsredner – Regierungspropaganda im Parlament veranstaltet werden kann. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Die Regierung hat guten Grund, dies so zu inszenieren, denn nach diesen Märchenstunden, die hier abgehalten wurden, braucht man in der Tat etwas länger als 10 Minuten, um all das richtig zu stellen, was Sie hier, Herr Kollege Stummvoll und Ihre Kollegen, schon Fälschliches gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Was machen Sie hier? Sie sollten ja demonstrieren!)

Punkt eins: Die Bundesregierung, die jetzt im Amt ist, hat keineswegs einen "Scherbenhaufen" übernommen, sondern ein modernes, fortschrittliches, sozial ausgewogenes Land im Herzen Europas, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Lebhafter Beifall und Rufe der Zustimmung bei der SPÖ.)

Die Budgetkonsolidierung ist keine Erfindung dieser Bundesregierung (Abg. Gaugg: 1 700 Milliarden Schilling Schulden!), sondern die Budgetkonsolidierung hat im Jahre 1995 begonnen, und es ist in den vergangenen vier Jahren gelungen, das Budgetdefizit von 5,4 Prozent auf 2,2 Prozent zu senken; im Unterschied zu Ihnen allerdings sozial ausgewogen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Khol spricht von "altmarxistischer Diktion". (Abg. Dr. Stummvoll: Ja!) Ich würde ihn einladen, mit dem Herrn Finanzminister ein Privatissimum zu veranstalten, denn es war der Finanzminister, der hier im Hohen Haus angekündigt hat, dass die Budgetkonsolidierung zu einer Umverteilung von oben nach unten führen wird. (Bundesminister Mag. Grasser: Richtig!)  – Genau das Gegenteil ist der Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sprechen davon, dass die Bezieher von Einkommen unter 30 000 S brutto nicht belastet würden. – Die Wahrheit ist, es gibt 26 Maßnahmen – Veränderungen von Gebühren und Steuern, 26 Maßnahmen auch in den Pensionsbereich hinein –, die in erster Linie die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen treffen. Was Sie sagen, ist nicht die Wahrheit, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Sie versuchen, sich die Feder der von der vorhergegangenen Regierung beschlossenen Steuerreform und Erhöhung der Familienförderung selbst an den Hut zu stecken. Sie haben jedoch keinen Beitrag dazu geleistet! Die Freiheitliche Partei war es, die gegen diese Steuerreform, die der großen Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher etwas gebracht hat, gestimmt hat. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Sie jetzt machen, ist, den Österreicherinnen und Österreichern nicht nur das wegzunehmen, was sie durch die Steuerreform und die Erhöhung der Familienförderung bekommen haben, sondern Sie nehmen, wie Ihnen die Wirtschaftsforscher bereits nachgewiesen haben, dem unteren Einkommensdrittel in unserem Land nicht nur das weg, sondern bedeutend mehr,


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weil Ihr Gesamtpaket nicht sozial treffsicher ist, sondern lupenreinen Sozialabbau bedeutet, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Das ist die Wahrheit!)

Wenn Sie so stolz darauf sind, dass Sie mit ausgabenseitigen Maßnahmen operieren – wenn auch nur in einem Teilbereich –, dann sollten Sie sich vielleicht an das erinnern, was Ihnen der Rechnungshofpräsident ausgerichtet hat: dass ausgabenseitige Maßnahmen in erster Linie die treffen, die von der Solidargemeinschaft des Staates etwas haben. Und das sind in erster Linie die Schwächeren in dieser Gesellschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie schon so überzeugt davon sind, dass alle Menschen so glücklich darüber sind, dass Sie diesen ganz radikalen Schröpfkurs durchführen, würde ich Sie ersuchen, einmal aus den Bürokratieburgen, aus den Villen, aus den Landsitzen (Abg. Ing. Westenthaler: Aus der Toskana!) herauszukommen und mit den wirklich Betroffenen zu reden und sich anzuhören, was die mitteilen. Ich kann Ihnen nur aus ein paar Mails zitieren, die mir zugekommen sind und in denen die Menschen mir mitteilen, was offensichtlich das Prinzip der Bundesregierung in Bezug auf die Studiengebühren ist (Ruf: Von wem ist das Prinzip?)  – vom Herrn Abgeordneten Khol; ich zitiere –: "Und wenn da Aussagen gemacht werden, dass, was nichts kostet, auch nichts wert ist, dann möchte man schön langsam an der Menschheit verzweifeln." – Das sagen die Menschen über Ihre Politik, Herr Abgeordneter Khol! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein Mail, das mir zugekommen ist, sagt – ich zitiere wörtlich –: "Noch am 3. August hat Frau Bundesminister Gehrer bestätigt, dass es über Studiengebühren keinerlei Diskussionen gibt, der Zugang zu den Universitäten auf jeden Fall frei bleiben muss. Wo ist ihre Glaubwürdigkeit geblieben? Ein erschütterndes Bild unserer Zeit! Der Souverän wird öffentlich und ohne Genierer angelogen." (Abg. Heinisch-Hosek: Jawohl!)  – Das schreibt die betroffene Bevölkerung, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben Recht, Herr Finanzminister, wenn Sie sagen, dass die Bevölkerung Verständnis dafür hat, dass gespart werden muss. Das kommt in allen Briefen zum Ausdruck. Mir schreibt zum Beispiel ein Behinderter: "Ich verstehe, dass man auch beim Budget sparen muss, aber warum tut man dies auf Kosten der Ärmsten und auf Kosten der Unfallrentner?" – Das sind die Stimmen der Betroffenen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und die sollten Sie hören. Aber dazu müssten Sie hinausgehen und mit den Menschen reden und nicht ein solches Paket oktroyieren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Finanzminister! Ich kann mich genau daran erinnern, wie wir uns über den Kurs der Budgetkonsolidierung unterhalten haben und über die Bedingungen, die es dafür gibt. Sie selbst haben gesagt, die Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung dürfen keine negativen sein. Was ist das Ergebnis? – Nach Vorlage Ihres Pakets richten Ihnen die Wirtschaftsforscher aus, dass sie für das nächste Jahr das Wirtschaftswachstum um nahezu ein halbes Prozent nach unten revidieren müssen. Genau das Gegenteil dessen, was Sie angekündigt haben, findet heute statt, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr. )

Es war dem Altparteiobmann der FPÖ vorbehalten, im Frühjahr dieses Jahres einen Belastungsstopp zu fordern. Das Ergebnis dieser Forderung ist, dass Österreich mit 46 Prozent Steuer- und Abgabenquote auf Grund Ihres Budgets die höchste Steuerbelastung in der gesamten Geschichte dieses Landes haben wird. Keine Spur von Belastungsstopp, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber offensichtlich gibt es ja geteilte Realitäten, denn während hier von Ihnen die Studiengebühren gepriesen werden, sich in der Steiermark die Frau Landeshauptfrau von den Studiengebühren absetzt, gibt es wunderbare Vorkommnisse: Der Herr Altparteiobmann der FPÖ war am 5. Oktober beim Gösser Kirtag – wie immer mit dem Hubschrauber eingeflogen –, und dort haben ihn die Studenten mit ihrer Forderung konfrontiert: "Uni-Reform statt Studiengebühren! Unterschreiben Sie mit Ihrer Unterschrift und zeigen Sie Solidarität!" – Wer unterschreibt? –


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Jörg Haider, und er schreibt explizit "okay" dazu. – Was gilt, meine sehr verehrten Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Lebhafte ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Realität ist: Auf den Kirtagen werden starke Sprüche geklopft, und hier im Parlament wird ein beinharter Schröpfkurs gegen die Mehrheit der Bevölkerung beschlossen. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Mazal-Bericht haben viele Experten mitgearbeitet. Die große Mehrheit der Experten findet sich aber in dem Maßnahmenpaket zur asozialen Treffsicherheit der Bundesregierung nicht wieder. Sie haben nämlich nicht den Bericht angewendet, der klar besagt hat, es sollen Maßnahmen zum sozialen Lückenschluss gesetzt werden. Ganz im Gegenteil: Sie haben den Bericht dazu verwendet, Sozialabbau in Österreich durchzusetzen.

Daher werden wir Sozialdemokraten den sozialen Dialog mit all diesen betroffenen Gruppen organisieren, denn uns geht es nicht um Sozialabbau, sondern um soziale Sicherheit in unserem Lande, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Wenn Sie, Herr Finanzminister, sagen, Sie sind an einem Umbau des Staates interessiert, so ist das eine gefährliche Drohung, dann heißt das, dass Sie unsere solidarische Gesellschaft hin zu einer Ellbogengesellschaft verändern wollen. – Und das lehnen wir ab, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

13.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es wurde von mir die Worterteilung zu einer an sich geschäftsordnungsmäßig zulässigen tatsächlichen Berichtigung verlangt. Ich stehe aber jetzt vor dem Problem, abzuwägen, ob ich das Recht auf tatsächliche Berichtigung innerhalb der laufenden zwei Stunden akzeptiere – oder das Recht akzeptiere, dass alle vier Fraktionen in gleichem Umfang, chancengleich ins Fernsehen kommen, was wir uns in der Präsidiale gewünscht haben.

Wollen Sie dazu etwas sagen, Abgeordneter Kostelka? – Bitte.

13.02

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich sehe nicht ganz ein, warum, wenn der Herr Finanzminister seine Redezeit, die vereinbart worden ist, um ein Viertel überzieht in einer Weise, über die es in der Präsidiale keine Vereinbarung gab, eine solche tatsächliche Berichtigung nicht zugelassen werden soll. (Abg. Haigermoser: Man wird doch noch fragen dürfen! Wollen Sie das Fragerecht in Frage stellen?)

13.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kostelka! Wenn ich eine tatsächliche Berichtigung zulasse, muss ich alle anderen zulassen. Und wenn ich mehrere zulasse, ist der erste Klub, der da "hinausfliegt", der schwächste und der zweite, der "hinausfliegt", der zweitschwächste.

Ich muss eine Entscheidung treffen, und die treffe ich in der Richtung, dass tatsächliche Berichtigungen am Ende dieser Debatte stattfinden. (Abg. Dr. Khol setzt zu einem Beifall an. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Nein, kein Applaus!) Ich entschuldige mich bei den betroffenen Kollegen, aber ich halte das für eine gerechte Lösung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Westenthaler.

13.03

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Frau Vizekanzlerin! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass wir einen Finanzminister haben, der viel zu sagen hat, der den Menschen die


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Wahrheit sagt. Es ist alles nicht so schlimm, sage ich Ihnen, wie so mancher Applaus und so manches Schreiverhalten aus Ihren Abgeordnetenbänken, die mich an den Fanblock West eines Fußballstadions erinnern, aber nicht an das Parlament. Das sage ich Ihnen auch ganz deutlich im Hinblick auf Ihre Schreierei, die Sie heute von sich gegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer! Sie stellen sich hier her und behaupten, es gebe 26 Maßnahmen, die die kleineren und mittleren Einkommen belasten, haben aber keine einzige Maßnahme auf den Tisch gelegt, haben nicht eine einzige genannt. Sie gehen her, kritisieren das Budget in Bausch und Bogen, bringen aber keinen einzigen Alternativvorschlag! (Abg. Dr. Mertel: Diese Rede haben Sie schon gehalten!) Sie haben eine Klubklausur abgehalten, bei der Sie sich pikanterweise in ein Museum – ich nehme nicht an, in das Parteistaatsmuseum, sondern in ein anderes Museum – zurückgezogen haben. Zwei Tage Klubklausur: Nicht eine einzige Alternative, kein einziger Lösungsansatz!

Heute jedoch bringen Sie Anträge ein, in denen Sie zu allem nur nein sagen. Sie sind von einer Partei mit großer Tradition zu Österreichs destruktiver Neinsagerpartei Nummer eins geworden. Das ist Ihr Erfolg, Herr Gusenbauer! Das bleibt letztlich übrig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edler: Westenthaler! Kleindienst!)

Sie haben einen unglaublichen Schuldenberg, ein Finanzdesaster hinterlassen – der Herr Finanzminister hat das heute ja deutlich gemacht –: 2 200 Milliarden Schilling Schulden, 100 Milliarden Schilling Budgetdefizit, 9 Milliarden Schilling Krankenkassendefizit, eine Million Menschen in Österreich an der Armutsgrenze! – Das ist Ihre Bilanz des Schreckens. Das können Sie nicht wegdiskutieren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ. (Abg. Parnigoni: Da war die ÖVP der Koalitionspartner!)

Des Weiteren haben Sie auch in Ihrer eigenen Partei ein Finanzdesaster in der Höhe von 350 Millionen Schilling hinterlassen. Ich gebe zu, für den ersten Teil, nämlich die Sanierung des Staates, die Aufräumarbeiten Ihrer Hinterlassenschaft, ist nun die neue Regierung zuständig, der neue Finanzminister, für den zweiten Teil, für das 350-Millionen-Schilling-Finanzdesaster in Ihren Parteikassen, gebe ich Ihnen einen Tipp, und zwar die Telefonnummer 330 87 35 in Wien. Es ist dies die Schuldnerberatungsstelle zur Beratung bei Pleiten und Konkursen aller Art. Dort können Sie anrufen, dorthin können Sie sich wenden, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Obwohl Sie ein derartiges Finanzdesaster haben, haben Sie – Ihre Finanzminister, Ihre Sozialminister – es nicht verabsäumt, den Menschen in den vergangenen Jahren in unglaublicher Art und Weise das Geld aus den Taschen zu ziehen. Bei den Steuern etwa haben Sie folgende Maßnahmen durchgeführt: Sie haben die Lohn- und Einkommensteuer in den Jahren 1996/1997 erhöht, ebenso die Körperschaftsteuer, die Tabaksteuer, die Umsatzsteuer, die Versicherungssteuer. Sie haben darüber hinaus die Rezeptgebühr dreimal erhöht, Sie haben die Normverbrauchsabgabe erhöht, Sie haben die Energieabgabe auf Strom und Gas erhöht.

Und Sie haben natürlich auch fest gekürzt, und zwar genau in dem Bereich, den Sie heute kritisieren, nämlich im Sozialbereich. Sie haben das Karenzgeld in Dauer und Höhe gekürzt, Sie haben das Pflegegeld gekürzt, Sie haben es sogar gewagt, den Ärmsten und Armen in diesem Land, nämlich den Behinderten, das Pflegetaschengeld zu halbieren. Das war Ihre Leistung! (Abg. Edler  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Und ihr? – Da ist es festgehalten!) Sie haben beim Bausparen gekürzt, Sie haben allgemeine Absetzbeträge gekürzt, ebenso bei der Absetzbarkeit von Sonderausgaben, bei der Steuerfreiheit von Überstunden, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Sie habe die Geburtenbeihilfe abgeschafft, Sie haben die Studentenfreifahrt abgeschafft.

Das ist Ihre Bilanz nach 30 Jahren sozialistischer Finanzminister und Sozialminister. Davon kommen Sie nicht weg, und ich bin froh, dass Österreich von so einer Politik befreit ist, meine


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Damen und Herren. Ich bin wirklich sehr froh. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Stile eines sozialistischen Inkassobüros haben Sie einen Feldzug gegen die kleinen Leute durchgeführt. Sie haben Steuern erhöht, Massensteuern und Tarife erhöht, was wir nicht tun. Sie haben Sozialleistungen abgebaut, und Sie haben die kleinen Leute letztlich wirklich belastet.

Damit ist jetzt Schluss! Sie haben Ihre Chance verspielt. Sie haben die Chance verspielt, das Budget, den Staat zu sanieren. Jetzt sind andere an der Reihe, die einen anderen Weg gehen (Abg. Dr. Gusenbauer: Kahlschlag in der Sozialpolitik!), die eben nicht hergehen und vor allem die sozial Schwächeren belasten, sondern die sagen: 70 Prozent der Menschen, also jene, die im unteren und mittleren Einkommensbereich liegen, werden nicht betroffen sein von diesen Maßnahmen. Jetzt gibt es eine Regierung, die Schluss macht mit den Schulden, die eine Lohnsteuersenkung von im Schnitt 9 000 S im Jahr bringen wird, ein Familienpaket, eine Behindertenmilliarde. Der Finanzminister hat es bereits angedeutet: eine Milliarde Schilling für Startjobs für Behinderte. Das ist die größte Behinderteninitiative nach der Einführung des Pflegegeldes, die es in Österreich jemals gegeben hat. Auch dafür danken wir dieser Regierung, dem Finanzminister und dem Bundeskanzler. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir führen keine Erhöhung von Steuern und Tarifen durch, sondern wir gehen einen Weg hin zu einem modernen, schlanken Staat mit einer effizienten Verwaltung, der letztlich zum Ziel hat, auch eine höhere Lebensqualität und eine soziale Gerechtigkeit in diesem Land zu erreichen.

Wir sparen erstmals vor allem auch bei jenen, bei denen es die Bevölkerung auch verlangt, bei "denen da oben", wie es immer so schön heißt, auch bei Ihnen! Wir haben ein 100-Millionen-Schilling-Sparpaket für Parteien und Politiker auf den Tisch gelegt, was in dieser Form bisher noch nie da war. Das ist auch das Bekenntnis zu Fairness im Sparen. Auch die Parteien, auch die Politiker, auch Sie, Herr Kollege Gusenbauer, müssen dazu beitragen, dass wir das Sparziel erreichen und damit einen gerechten Beitrag leisten, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer hält ein Schriftstück in die Höhe.)

Aber Sie brauchen keine Sorge zu haben, Herr Kollege Gusenbauer, wir sind auch im Politiker-Sparpaket sozial gerecht gewesen. Wir wissen schon, dass es eine Partei gibt, nämlich Ihre, die in Wirklichkeit ein Konkursfall ist und die mit dem Ausfall von Parteienförderungsgeldern so ihre Probleme hat.

Meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat heute in einer eindrucksvollen Art und Weise wirklich den Wahrheitsbeweis für das soziale Gewissen erbracht und auch dafür, dass diese Regierung und die Politiker, die diese Regierung repräsentieren, das Herz am rechten Fleck haben.

Die SPÖ hat bewiesen, dass sie mit Geld nicht umgehen kann: nicht im eigenen Haus, nicht im Bundesbudget, nicht bei den Krankenkassen und auch nicht beim Österreichischen Gewerkschaftsbund. Ich bin schon sehr gespannt, ob Herr Kollege Verzetnitsch heute endlich einmal hier herauskommen und uns erklären wird, wie viel denn seine Gewerkschaftsorganisation, der ÖGB, Steuern wird nachzahlen müssen, und zwar auf Grund von Lohnsteuerhinterziehung, Abgabenhinterziehung, bewiesen mit einem Gerichtsurteil des Obersten Gerichtshofes Wien, in welchem eindeutig steht, dass in der Gewerkschaft Bau-Holz Schwarzgeld geflossen ist, bar aufs Handerl für ausgewählte Mitarbeiter.

Ich zitiere aus diesem Urteil: "Die Auszahlung dieser Beträge erfolgte anhand von in der Gewerkschaft Bau-Holz erstellten Listen der Mitarbeiter und der auf sie entfallenen Beträge. Sie wurden bar ausgezahlt. Es wurde den Mitarbeitern keinerlei Mitteilung gemacht, dass diese Zahlungen nur einmalig seien oder jederzeit widerrufen werden könnten, jedoch wurde darauf hingewiesen, dass über die Auszahlung Stillschweigen zu bewahren sei und insbesondere anderen Gewerkschaftsangestellten keine Mitteilung zu machen sei."


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Das muss man sich einmal vor Augen führen: Stillschweigen über Zahlungen in der Gewerkschaft, fern von der Steuer, bar aufs Handerl!

An einer Stelle weiter hinten heißt es dann in diesem Urteil: "Es bestand in der Gewerkschaft von den Auszahlenden und auch den Empfängern dieser Gelder Konsens darüber, die Beträge als Schwarzgeldzahlungen zu leisten und entgegenzunehmen."

Das ist ein ungeheuerlicher Skandal! Kommen Sie heraus, Kollege Verzetnitsch, und klären Sie das endlich auf! Wir wollen in dieser Sache Aufklärung haben, wir wollen dazu eine entsprechende Stellungnahme von Ihnen haben.

Das ist Ihr Skandal: Jahrzehntelang haben sich privilegierte Mitarbeiter des Gewerkschaftsbundes an der Steuer vorbei, an Abgaben vorbei aus den Töpfen der Gewerkschaft bedient!

Ich habe hier noch ein Beispiel, und zwar betrifft es die Gewerkschaft der Chemiearbeiter. Es geht dabei darum, dass ein langjähriger Zentralsekretär der Gewerkschaft der Chemiearbeiter Anzeige wegen Lohnsteuerhinterziehung gegen Herrn Vorsitzenden Gerhard Linner, verantwortlich für die finanzielle Gebarung der Gewerkschaft der Chemiearbeiter, und gegen den Österreichischen Gewerkschaftsbund auf Grund beiliegender Sachverhaltsdarstellung macht.

Dieser langjährige Zentralsekretär lieferte eine Sachverhaltsdarstellung im August 2000 – das ist noch aktuell –, in der es darum geht, dass Sitzungsgelder, Aufwandsersätze und Auslandsspesen an der Steuer vorbei geschmuggelt worden sind. Da ist also Steuerhinterziehung begangen worden. Er beschreibt auch einen Fall in Graz, in der Gewerkschaft der Chemiearbeiter in der Steiermark, wo es viele Jahre von einem Sparbuch Schwarzgeldzahlungen an Mitarbeiter gegeben hat, wo auch die Vermögenssteuer hinterzogen worden ist. Es besteht somit seines Erachtens der Tatbestand der Steuerhinterziehung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben heute die verdammte Pflicht, für Aufklärung zu sorgen! Sie können und auch der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes kann hier nicht hergehen und Steuergerechtigkeit einmahnen und gleichzeitig zulassen, dass in seinem Gewerkschaftsbund Steuer- und Abgabenhinterziehung im großen Stil durchgeführt wird! Das wird noch ein gerichtliches Nachspiel haben. Sie werden sich auch deshalb verantworten müssen, weil es eine entsprechende Strafanzeige von unserer Seite und auch von anderen Personen in dieser Frage gibt. Und Sie werden den Menschen nicht erklären können, dass Sie für Steuergerechtigkeit eintreten, wenn auf der anderen Seite Petite gemacht wird.

Klären Sie diese Sache auf! Das ist ein sozialistischer Skandal, der beweist, dass die SPÖ mit Geld nicht umgehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

13.13

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! – Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein Wort an die Adresse des Kollegen Gusenbauer.

Kollege Gusenbauer hat versucht, diese Sondersitzung als Regierungspropaganda abzuwerten. (Abg. Parnigoni: Ist sie auch!) Herr Kollege! Die Regierung kann nichts dafür, dass Sie eine schwache Rede halten und die Argumente der Regierung die besseren sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Das nächste Mal eine bessere Rede, das nächste Mal bessere Argumente, und es wird keine Regierungspropaganda sein. So einfach wäre das! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Denken Sie an die 14 Jahre Ihrer Regierungsbeteiligung!)


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Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Lebensweisheit: "Man kann es nicht jedem recht machen!" (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Im Spannungsverhältnis Regierung – Opposition gilt diese Lebensweisheit "Man kann es nicht jedem recht machen!" noch viel stärker.

Aber lassen Sie mich, meine Damen und Herren, Folgendes doch sagen – und das lässt sich sehr deutlich nachweisen –: Die Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger hat ein Vertrauen in diese Bundesregierung, und zwar zu Recht, denn es gibt einige wichtige Erfolgszahlen, die in die bisherige Regierungszeit fallen.

Erfolgsmeldung Nummer eins: Die Wirtschaftsforscher weisen nach, dass wir in Österreich heuer 30 000 Arbeitsplätze mehr als im Vorjahr haben. (Abg. Parnigoni: Das war die gute Politik der vorherigen Regierung!) Das ist nicht allein ein Erfolg der Regierung, sondern das ist ein Erfolg der Unternehmer und der arbeitenden Menschen, aber sie zeigen, dass sie Vertrauen in diese Regierung haben, denn sonst würden die Unternehmer nicht investieren und die Mitarbeiter nicht so motiviert arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erfolgsmeldung Nummer zwei: Die Wirtschaftsforscher sagen, dass wir in Österreich heuer das höchste Wirtschaftswachstum seit 1990 haben werden. Auch das ist nicht unmittelbar ein Erfolg der Regierung, aber es signalisiert das Vertrauen der arbeitenden Menschen in diese Bundesregierung, denn nur dann wird investiert, wenn Vertrauen in die Zukunft besteht, und die Wirtschaft und die Arbeitnehmer haben Vertrauen in diese Regierung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erfolgsmeldung Nummer drei: Im September dieses Jahres hatten wir in Österreich 26 000 Arbeitslose weniger. Das heißt, dass diese Bundesregierung mit ihren Maßnahmen nicht nur Vertrauen geschaffen hat, sondern auch tatsächlich erreicht hat, dass der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit so erfolgreich ist wie schon lange nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erfolgsmeldung Nummer vier: Wir haben in Österreich die geringste Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der Europäischen Union. Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass es nichts Heikleres, nichts Sensibleres gibt als arbeitslose Jugendliche. Diese Regierung hat mit ihrer bisherigen Politik auch ein wichtiges Signal in diese Richtung gesetzt, das zur Folge hatte, dass die Unternehmer bereit sind, Jugendliche einzustellen, und die Jugendlichen hoch motiviert an die Arbeit gehen.

Herr Kollege Gusenbauer! Noch etwas darf ich Ihnen sagen. (Abg. Dr. Gusenbauer spricht mit Abg. Dr. Niederwieser.) Herr Kollege Gusenbauer, würden Sie den Dialog so verstehen, dass wir auch mit Ihnen gerne kommunizieren? (Abg. Dr. Gusenbauer: Ich höre Sie gut!)  – Uns ist es auch lieber, dass die Jugendlichen Arbeit in der Wirtschaft haben, anstatt auf der Straße zu demonstrieren. Das ist uns lieber! Wir bekennen uns dazu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob es Ihnen nicht lieber ist, dass die Jugend auf der Straße demonstriert. Das lassen Sie mich sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie wissen, dass das ein unerhörter Vorwurf ist! Letztklassige Bemerkung, eines Abgeordneten unwürdig! – Abg. Schieder: Das ist unanständig!)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe: Der SPÖ geht es so wie jemandem, dem die Droge entzogen wird. 30 Jahre lang war Schuldenmachen eine "Droge" für die SPÖ, und zwar sowohl wirtschaftspolitisch als auch sozialpolitisch. Sie haben geglaubt, mit Schuldenpolitik alle Probleme in die Zukunft schieben zu können. Sie haben geglaubt, mit Schuldenpolitik Arbeitsplätze sichern zu können.

Wir haben es am Beispiel "Konsum" und am Beispiel Verstaatlichte gesehen: Schulden sind der Feind der Arbeitsplätze! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Schulden sind aber auch der Feind der sozialen Sicherheit. Sozialleistungen mit Schulden abzusichern ist unfair. Deshalb, weil Ihnen diese "Droge" entzogen wird, sind Sie so aufgeregt und sind in diesem Zustand. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. ) Herr Kollege Kostelka, ich ver


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stehe es, es ist "Drogenentzug"! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ihre Verleumdungen können Sie zu Hause erzählen! – Abg. Dr. Kostelka: Das ist unanständig!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Folgendes auch sagen: Diese Regierung hätte es viel leichter, wenn sie einfach sagen würde: Wir machen so weiter wie bisher. Dann hätten wir diese ganze Aufregung nicht, es wäre alles anders. Wenn diese Regierung es nicht so macht, dann macht sie das aus sozialer Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und unserer Enkel, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch das will die Mehrheit unserer Bevölkerung! (Abg. Dr. Kostelka: Das ist eine Klientelpolitik!) Diese Tatsache, nämlich dass wir soziale Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Enkel wahrnehmen (Abg. Dr. Gusenbauer: Das glaubt Ihnen niemand!), können Sie durch noch so viele und laute Zwischenrufe nicht aus der Welt schaffen.

Lassen Sie mich auch Folgendes sagen: Keiner von uns – auch die Mehrzahl der Bürger stimmt dem zu – glaubt, dass Budgetsanierung (Abg. Dr. Gusenbauer: Wichtig ist!) im Ausmaß von 100 Milliarden Schilling ohne schmerzvolle Maßnahmen möglich ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Richtig! Aber wo? – Abg. Dr. Kostelka: Bei wem?) Das kann nicht ohne Schmerzen gehen.

Auch mich als Vertreter der Wirtschaft schmerzt es, wenn ich hören muss: Der Investitionsfreibetrag soll wegfallen, Verlustvortrag und Rückstellungen nur mehr begrenzt. Das schmerzt mich auch, aber meine Erfahrungen der letzten Wochen, gewonnen in vielen Gesprächen mit Bürgern, sind: Die Bürger sind zu Opfern bereit, und zwar unter zwei Voraussetzungen, die diese Regierung sicherstellt.

Voraussetzung Nummer eins: Der Bürger muss das Gefühl haben, dass die Lasten gerecht verteilt sind. – Sie sind gerecht verteilt, meine Damen und Herren, alle Bevölkerungsgruppen leisten ihren Anteil. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Voraussetzung Nummer zwei: Die Bürger müssen das Gefühl haben, dass das Sparen einen Sinn hat, dass auch oben gespart wird. – Auch das geschieht! Wir sparen bei der Regierung, beim Parlament, bei der Verwaltung und bei der Bürokratie. Das ist effizientes Sparen, und das ist soziale Gesinnung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einer meiner Vorredner hat zu Recht gesagt, kaum einer von uns könne sich vorstellen, was es bedeutet, jährlich 100 Milliarden Schilling nur für Zinszahlungen aufbringen zu müssen.

Lassen Sie mich zwei Vergleiche anstellen, um die Größenordnung zu begreifen! Erster Vergleich: 100 Milliarden Schilling nur für Zinszahlungen heißt, dass wir jedes Jahr 50 000 Einfamilienhäuser bauen könnten.

Zweiter Vergleich: 100 Milliarden Schilling für Zinszahlungen bedeutet bei 458 Milliarden Schilling Nettosteuereinnahmen des Bundes, dass wir jeden fünften Steuerschilling nur für die Zinsen der Vergangenheit zahlen müssen. Aber für uns ist Budgetpolitik Zukunftsgestaltung und nicht Schuldenmachen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich Folgendes auch sagen: Herr Altfinanzminister, wenn Sie heute behaupten, dass eine Umschichtung im Sozialbudget im Ausmaß von 0,7 Prozent – also 5 Milliarden Schilling von 700 oder 800 Milliarden Schilling (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo sehen Sie 800 Milliarden Schilling im Sozialbudget?)  – eine Sozialdemontage ist, dann ist das zumindest eine Unwahrheit, denn diese Regierung ist gekennzeichnet von sozialer Verantwortung: Erhöhung der Pendlerbeihilfe, Erhöhung des Heizkostenzuschusses, Starthilfe für Behinderte, 300 S monatlich für Kriegsgefangene. Das ist soziale Verantwortung, und das ist soziale Treffsicherheit, Herr Kollege!

Aus all diesen Gründen, meine Damen und Herren, darf hier folgenden


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Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Haigermoser und Kollegen betreffend Sicherung einer positiven Wirtschaftsentwicklung und der Arbeitsplätze in Österreich

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, ihren Weg der Budgetsanierung bei Beachtung der sozialen Gerechtigkeit fortzusetzen (Abg. Dr. Gusenbauer: Das habt ihr bisher nie gemacht!), um damit eine positive Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung in Österreich auch für die Zukunft sicherzustellen.

*****

Meine Damen und Herren! Das ist der Weg in die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Stummvoll, den er soeben verlesen hat, ist – ich hoffe, im Original – ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.22

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum "neu regieren", das Herr Kollege Khol immer beschwört, gehört offensichtlich auch das rituelle Weihrauchschwenken – alle Wochen einmal wie zum Beispiel heute. Herr Kollege Khol und die Kollegen von den Freiheitlichen, falls Sie vom Weihrauch, den Sie schon gestern geschwenkt haben, nicht zu benebelt waren und das Fenster geöffnet und hinausgeschaut haben, dann konnten auch Sie es wahrnehmen: Es haben gestern alleine in Wien 40 000 oder 50 000 Studierende demonstriert. In Graz und in anderen Landeshauptstädten waren Zehntausende von Studenten unterwegs (Abg. Steibl: 4 000 waren es in Graz!), um gegen die "Bildungssteuer", die Sie hier einführen, zu demonstrieren. (Beifall bei den Grünen.)

Die Studiengebühr ist eine inakzeptable und kontraproduktive "Bildungssteuer", und ich kann Ihnen nur sagen, dass wir von den Grünen mit den Betroffenen voll solidarisch sind, und zwar nicht nur mit den Studenten, sondern auch und vor allem mit den Eltern der Studierenden. (Abg. Großruck: Mit den Professoren!)  – Ich weiß nicht, was Sie daran so lustig finden, Herr Kollege von der ÖVP da hinten.

Gerade jene Eltern werden davon betroffen sein, die knapp über der Schwelle des Einkommens liegen, bei der ein Studierender Studienbeihilfe bekommen kann. Das sind die Bezieher von Einkommen in der Höhe von 25 000 bis 30 000 S, und wir wissen, dass das kein hohes Einkommen in Österreich ist. Diese Personen werden schlagartig mit einer Zusatzbelastung im Ausmaß von 10 000 S – bei zwei Kindern mit einer solchen in der Höhe von 20 000 S – konfrontiert. – Das nennen Sie moderne Bildungspolitik?! Es wäre ja zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass Sie damals vor dem Sommer, als ich das zu thematisieren versucht habe: Priorität für Bildung, Priorität für Ausbildung, für Fortbildung, für Weiterbildung, Priorität für Forschung und Entwicklung, gesagt haben: Ja, natürlich, ist eh klar, das werden wir machen, Herr Kollege Van der Bellen! – Aber was kam dann? – Dann kam die Einführung einer "Bildungssteuer"!

Ich werde versuchen, den Weihrauch, der hier aufgestiegen ist, mit konkreten Geschichten, mit Anekdoten, wenn Sie so wollen, mit konkreten Beispielen zu durchlöchern.


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Eines, was mir zum Beispiel auffällt, Herr Kollege Khol – stammt diese Anfrage von Ihnen?; tatsächlich, sie stammt von Ihnen; ich hätte Ihnen mehr zugetraut, das muss ich schon sagen –, ist, dass bei der Frage fünf, wo alle Bevölkerungsgruppen aufgezählt sind, die vielleicht davon betroffen sind, eine Gruppe fehlt – typischerweise –, und das sind die Frauen. Das ist kein Zufall! Ich hoffe, es wird Ihnen wenigstens teilweise peinlich sein, was Sie da im Bereich der Frauen vorhaben. (Abg. Schwarzenberger: Das ist keine Berufsgruppe!)

Zum Beispiel schlagen Sie vor – es gibt zahllose andere Beispiele, und ich empfehle Ihnen, die Stellungnahme der Arbeiterkammer dazu durchzulesen –, das Weiterbildungsgeld im Anschluss an die Elternkarenz zu streichen. Sehr "schön", muss ich sagen. Da verlässt sich eine Frau – und typischerweise sind es ja Frauen, die das Karenzgeld beziehen – darauf, dass sie nach der Elternkarenz ein Weiterbildungsgeld bezieht, wenn sie einen entsprechenden Kurs belegt. – Na, nix, schmecks, ist aus, Planung im Eimer!

So viel zur langfristigen Planung einer angeblichen Wirtschaftspartei, nämlich der ÖVP. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Bestimmungen dürften auch EU-rechtlich nicht haltbar sein, denn die EU hat das so genannte Gender-Mainstreaming in einer Richtlinie festgeschrieben. Das ist eine Richtlinie, die verlangt, dass speziell frauenpolitische Auswirkungen besonders beachtet werden müssen. Davon kann in Ihrem Paket überhaupt keine Rede sein. (Beifall bei den Grünen.)

Was mir und uns von den Grünen ganz besonders auf den Keks geht, das sind Ihre Maßnahmen im Bereich der Arbeitslosenunterstützung, wo Sie gleichzeitig sagen: Wir sind ja eh dafür, die Armut zu bekämpfen, die Notstandshilfe ist nicht betroffen, es ist eh alles in Ordnung, abgefedert und so weiter! – Sie wollen eine Wartefrist von vier Wochen einführen, Sie wollen die so genannte Nettoersatzrate – das ist de facto die Höhe der Arbeitslosenunterstützung – kürzen, und Sie wollen die Familienzuschläge im Bereich der Arbeitslosenunterstützung kürzen.

Herr Kollege Gaugg! Ich habe einmal geglaubt, dass Sie in gewisser Weise ein echter Arbeitnehmervertreter sind, ungeachtet Ihrer anderen politischen ... Lassen wir das andere weg. Herr Kollege Gaugg, Sie werden diesem Paket zustimmen, so wie es derzeit vorliegt, mit diesen Kürzungen bei den Arbeitslosen. Das ist wirklich bemerkenswert – da doch diese Partei im Ernst behauptet, für den kleinen Mann, für die kleine Frau da zu sein, für alle Leute mit niedrigen Einkommen da zu sein.

Die Notstandsunterstützung, Herr Kollege Khol, wird gesenkt laut Ihrem Programm – vielleicht kennen Sie Ihr eigenes Programm nicht, das weiß ich nicht –, denn wenn die Arbeitslosenunterstützung gesenkt wird, an welche die Notstandsunterstützung geknüpft ist, dann sinkt natürlich auch die Notstandsunterstützung. – So viel zur christlich-sozialen Einstellung dieser Partei! (Beifall bei den Grünen.)

Nicht nur, dass Sie kein Armutsbekämpfungsprogramm vorlegen, nein, Sie setzen auch noch Maßnahmen, die die Armut weiter verschärfen werden. Und das müssen Sie einmal vor Ihrem Gewissen verkraften.

Diese 4-Wochen-Regelung hat mehrere Dinge zur Folge. Nehmen wir eine arbeitslose Sekretärin als Beispiel! Angenommen, sie erhält 7 000 S an Arbeitslosenunterstützung. Jetzt bekommt sie von der Arbeitsmarktverwaltung eine Karenzvertretung angeboten. Wenn sie sie nicht annimmt, dann werden ihr sechs Wochen von der Arbeitslosenunterstützung gestrichen, und wenn sie sie annimmt, dann werden ihr irgendwann einmal vier Wochen gestrichen, denn eine Karenzvertretung ist zeitlich begrenzt, läuft eines Tages aus, und dann werden die vier Wochen bei der Arbeitslosenunterstützung gestrichen. – Es ist mir unverständlich, wie Sie so etwas im Ernst durchbringen und tatsächlich machen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Arbeitsloser, der vorher 17 000 S und mehr verdient hat, hat überhaupt nur mit Leistungskürzungen zu rechnen. In anderen Fällen kann es punktuell sogar zu Erhöhungen kommen, aber ab dieser Einkommensgrenze gibt es nur Leistungskürzungen.


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Jetzt schauen wir uns einmal die familienpolitische Auswirkung an, auf die die ÖVP ja immer so stolz ist und wie die FPÖ auch immer behauptet hat.

Ein Arbeitsloser, der vorher genau 17 000 S verdient hat und drei Kinder hat, wird in Zukunft mit 8 800 S das Auslangen finden müssen. Vorher, in der jetzigen Rechtslage, hat er immerhin – das ist wenig genug, es reicht auch kaum zum Überleben – 10 300 S bekommen. Diesen Leuten streichen Sie 1 500 S im Monat! Das ist unglaublich! Das ist wirklich unglaublich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dazu muss ich in den letzten Tagen ununterbrochen von "Abfederungen" lesen. Das gehört einfach zum neuen Wortschatz, den Sie hier in Österreich zu prägen versuchen. "Abfederung" heißt auf gut Deutsch, in verständlichem Deutsch: Federn lassen, ab-federn! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Die, die betroffen sind, müssen entsprechend viele Federn lassen! Das ist alles, was dahinter steckt.

Erklären Sie einmal einer allein erziehenden Mutter – sagen wir mit einem Einkommen von 5 000 S aus Teilzeitbeschäftigung –, warum es richtig und sozialpolitisch vertretbar sein soll, wenn eine Mutter mit einem Kind um 400 S mehr bekommen wird – sehr gut! –, aber eine mit zwei Kindern um 200 S weniger und eine mit drei Kindern um 900 S weniger! Die Arbeiterkammer – etwas verzweifelt – schreibt: "Sollen Arbeitslose nicht mehr als ein Kind haben?" – Das ist die "Familienpolitik" der ÖVP. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Im Lohnsteuerbereich ergeben sich ähnliche Effekte, die ein Monatsgehalt und mehr ausmachen können, wenn zum Beispiel jemand entlassen wird, später aber vor dem Arbeitsgericht gewinnt und eine Nachzahlung erhält. Diese wird er in Zukunft zum vollen Grenzsteuersatz versteuern müssen! Da geht es der Größenordnung nach um Monatsgehälter  – nicht um 500 S bei Einkommen wie bei Ihnen und bei mir!

Abschließend: Im Einzelnen hat man den Eindruck, dass es ein konzeptloses Papier ist. Aber wenn man die Details vergisst und nur versucht, sozusagen die großen Linien nachzuvollziehen, dann sieht man doch etwas. Sehr viele dieser Maßnahmen konzentrieren sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – im Bereich des Arbeitsrechts, im Bereich des Sozialversicherungsrechts, im Bereich des Steuerrechts. Mit anderen Worten: Arbeitslos zu werden wird in Hinkunft noch viel riskanter werden als derzeit, wo es ohnehin schon riskant ist.

Wenn es eine Linie gibt in diesem Papier, das Sie vorlegen, dann die, dass Sie das Risiko, wenn man arbeitslos geworden ist, erhöhen. Das ist eine Schwächung der Arbeitnehmerseite, die die FPÖ mitvertritt, eine Schwächung der Arbeitnehmerseite, die jemand wie der Gewerkschafter Gaugg, der hier im Raum sitzt – Kärntner und FPÖ-Abgeordneter, wenn ich nicht irre –, mitvertritt. Er ist es, der dieses Paket mitvertritt. Das ist die neue Linie, die Wende, das neue Regieren, das Herr Khol immer beschwört. Also wenn hier eine Wende vorliegt, dann ist das der Versuch einer systematischen Schwächung der Arbeitnehmerseite! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten, geschäftsordnungsmäßige: 10 Minuten. – Bitte.

13.33

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Wie war das mit der Steuerhinterziehung, Herr Kollege?) Vorerst ein paar kurze Bemerkungen zu Ausführungen von Herrn Westenthaler.

Herr Westenthaler, Sie haben in der Plenarsitzung vom 21. September behauptet, bei der Gewerkschaft Metall gebe es Schwarzgeldzahlungen und Steuerhinterziehungen. – Ich habe in einer tatsächlichen Berichtigung darauf hingewiesen, dass es dies in der Gewerkschaft Metall nicht gibt. Sie haben am Montag dieser Woche in einer Presseaussendung neuerlich behauptet, es gebe ... (Abg. Ing. Westenthaler: Bau-Holz! Geben Sie es einmal zu! Bau-Holz!)  – Mon


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tag haben Sie behauptet, es gebe in der Gewerkschaft Metall Schwarzgeld und Steuerhinterziehungen.

Ich fordere Sie auf, Herr Westenthaler: Wenn Sie Unterlagen haben, legen Sie sie auf den Tisch! Geben Sie sie dem Staatsanwalt, geben Sie sie den Steuerbehörden! (Abg. Ing. Westenthaler: Ist alles bei Gericht!) Wenn Sie die Unterlagen über die Gewerkschaft Metall nicht auf den Tisch legen können, dann sind das Verleumdungen, und dann stellen Sie diese Verleumdungen ein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Staatsanwalt!)

Sie haben diese Sitzung unter das Motto "Wahrheitsbeweis für die soziale Treffsicherheit" gestellt. Herr Klubobmann Westenthaler! Es gibt eine Fernsehaufzeichnung von Ihrem Auftritt. Und es hat mir gefallen, als Sie gesagt haben, in der heutigen Sitzung werden wir "Tacheles" reden. – Ja, dann reden wir Tacheles, Herr Klubobmann! Reden wir Tacheles!

Erstens einmal (der Redner hält eine Anzeige mit der Überschrift "Wir sichern die Zukunft" in die Höhe): Sie inserieren um zig Millionen Schilling aus Steuergeldern in Tageszeitungen. Es wird in den nächsten Wochen sogar noch mehr werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Tacheles!)  – Darin schreiben Sie, es werden keine neuen Steuern eingeführt, und drei Viertel der Österreicher werden durch die Maßnahmen nicht belastet.

Wir werden den Wahrheitsbeweis antreten, meine sehr geehrten Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, denn was es bisher von Seiten der Regierungsparteien gegeben hat, war ja die reinste Märchenstunde. (Der Redner hält die Titelseite der Zeitschrift "AK für Sie" mit der Schlagzeile "Stark belastet" in die Höhe.)

Ich zitiere aus der letzten Ausgabe der Zeitschrift der Arbeiterkammer, "AK für Sie", und ich kann den arbeitenden Menschen, die vielleicht vor den Fernsehern sitzen, nur empfehlen, diese Ausgabe genau zu lesen, zu studieren. – Wenn Sie sie nicht haben, dann fordern Sie sie bei der Arbeiterkammer an, Sie werden sie bekommen. (Abg. Ing. Westenthaler hält einen Ausschnitt der Zeitung "Kurier" in die Höhe. Die Überschrift lautet: "Gewerkschafter kassierten jahrelang Schwarzgeld".) Darin finden Sie eine Globalbetrachtung darüber, was die Arbeitnehmer verlieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie lieber etwas zum Schwarzgeld!)

Sie von den Regierungsparteien haben sich darüber beklagt, dass Herr Abgeordneter Gusenbauer 26 Maßnahmen erwähnt, aber keine einzige angeführt hat. – Die Zeit reicht nicht für alles, aber ich werde Ihnen jetzt fast 30 im Detail ein bisschen erläutern. Belastungspaket Nummer 1: Höhere Kfz-Steuer, höhere Stromsteuer, Verteuerung der Autobahnvignette, Urlaubsentschädigung nur noch anteilig, Entfall des Postensuchtags. – In Summe:18,1 Milliarden Schilling.

Belastungspaket Nummer 2: Höhere Steuer auf Urlaubs- und Kündigungsentschädigung – Sie behaupten immer, es gibt keine höhere Steuer! –, Einschleifen des allgemeinen Absetzbetrags, Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrags. Gesamtverlust: 7,5 Milliarden Schilling.

Letztes Paket: Steuer auf Unfallrenten – aber Sie plakatieren, wir führen keine Steuern ein! –, Kürzung der Familienzuschläge für Arbeitslose, Krankenversicherung bei Zusatzpensionen, Sperre des Arbeitslosengelds und vieles andere mehr. Wenn die Zeit reichen würde, könnte ich weiter gehen. In Summe: 33,3 Milliarden Schilling. (Abg. Ing. Westenthaler: Steuerhinterzieher beim Gewerkschaftsbund!)

Herr Kollege Westenthaler! Wenn Sie das nicht glauben, dann lade ich Sie ein: Klagen Sie die Kammer! Verlangen Sie eine Richtigstellung! (Abg. Ing. Westenthaler: Kollege Kostelka, was sagen Sie dazu? Es heißt doch immer, wir klagen zu viel!) Ihr Repräsentant, der Herr Justizminister, der auf dem Briefpapier einer Anwaltskanzlei steht, wird sich freuen, wenn er wieder ein Geschäft macht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Also das Erste ist widerlegt. Es wird eine Reihe von Steuern erhöht, und ich könnte fortsetzen, insgesamt sind es mehr als 30 Punkte.


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Aber noch ein paar Beispiele aus dieser Zeitung, weil der Herr Finanzminister ein Beispiel über eine Familie mit rund 40 000 S Einkommen gebracht und erklärt hat, was sich diese Familie erspart.

Die Wahrheit, Herr Finanzminister, ist Folgende: Ich nenne Ihnen ein ähnliches Beispiel, nur um 2 000 S im Bruttoeinkommen differierend. Eine Familie – ich kann den Namen nennen, es ist Familie Novak in Mödling –: Zwei Kinder studieren. Pendler. Der Mann verdient 33 000 S, die Frau 15 000 S, beides brutto. Bei der Steuer verliert der Mann 1 353 S, und die Frau 750 S. Studiengebühren für zwei Kinder: 20 000 S, Mehrbelastung aus Kfz-Steuer 1 300 S, Mehrbelastung aus Vignette 450 S. Dazu die Erhöhung der Stromsteuer. – In Summe: 27 583 S! (Widerspruch der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Gaugg. )  – So viel muss diese Familie in Zukunft auf Grund Ihrer Belastungen mehr zahlen! – Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Alles falsch! Wo ist das Stipendium? Da kriegt man ein Stipendium!)

Noch ein Schmankerl. Anita Fellner, saisonbeschäftigtes Stubenmädchen im Fremdenverkehr. Verlust von vier Wochen Arbeitslosengeld, weil sie es vier Wochen lang nicht bekommt: 6 200 S. Aber sie hat ein kleines Auto. Daher: Mehrbelastung aus Kfz-Steuer 507 S, Mehrbelastung für Vignette 450 S, für Stromsteuer 520 S, für Selbstbehalt bei der Krankenversicherung 1 000 S. Ein Stubenmädchen mit 6 200 S Bruttoverdienst hat in Zukunft eine jährliche Mehrbelastung von 8 677 S! Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. –  Abg. Ing. Westenthaler   – den "Kurier"-Artikel von vorhin neuerlich in die Höhe haltend –: Das ist die Wahrheit!)

Aber wie schaut es mit anderen Bereichen in diesem Land aus, bei einer anderen Klientel? – Über die Arbeitgeber haben Sie nichts gesagt, Herr Stummvoll. Die Arbeitgeber zahlen auch einen Beitrag, das stimmt. Im nächsten Jahr 14,1 Milliarden Schilling, im Jahre 2002 noch einmal 14,1 Milliarden Schilling und – man höre und staune! – im Jahre 2003, wenn die Maßnahmen greifen, die Herr Leitl vereinbart hat, da zahlen sie nichts mehr, da haben sie 700 Millionen Schilling mehr, und die 14 Milliarden Schilling zahlen sie nicht mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Bauern. Herr Bauernpräsident, ich sage kein Wort aus meiner Sicht zu den Bauern. Ich zitiere aus einer Zeitschrift. (Der Redner hält eine Ausgabe der Zeitschrift "FORMAT" gut sichtbar in die Höhe; diese trägt die Schlagzeile: "So retten Sie Ihr Geld".)  – Das Fernsehen wird mir verzeihen, wenn ich hier für "FORMAT" Reklame mache, aber ich würde wirklich allen empfehlen, das "FORMAT" dieser Woche zu kaufen.

Seite 37 – ich zitiere nur die Überschrift, es ist nicht mein Kommentar! –: "Die reiche Ernte der Bauern. Für ihr Nulldefizit spart und belastet die Regierung, wo und bei wem es nur geht, nur die Bauern kommen ungeschoren davon." – Und jetzt passen Sie auf! – "Sie erhalten sogar mehr Förderung als je zuvor." – Die Arbeitnehmer "bedanken" sich bei dieser Regierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Bauern haben ein Durchschnittseinkommen von 13 000 S! Das ist Ihnen zu hoch?! ... 1 000 Euro, da liegen die Bauern darunter! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt kommt noch ein besonderes Schmankerl, und zwar im Zusammenhang mit dem Auftritt des Herrn Klubobmann Khol in einer der letzten Sendungen von "Betrifft". Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn Sie schon die Menschen in diesem Lande belasten, wissen Sie, was ich dann ganz verwerflich finde? – Dass über diese Menschen, die Ärmsten der Armen, denen man noch etwas wegnimmt, auch noch kübelweise Hohn ausgeschüttet wird!

Ich rufe Ihnen Folgendes in Erinnerung – vielleicht, Herr Klubobmann, können Sie sich nicht mehr daran erinnern –: In dieser Sendung ist ein Beispiel zitiert worden, das Beispiel einer Teilzeitbeschäftigten mit drei Kindern, die arbeitslos geworden ist. Das ist kein SPÖ-Beispiel, das ist kein ÖGB-Beispiel, das ist kein Kammer-Beispiel, sondern das ist ein Beispiel, das der Herr Arbeitsminister Bartenstein – APA 513 vom 29. September – ausgesandt hat.

Diese Frau soll in Zukunft 3 900 S Arbeitslosengeld bekommen. Vorher hat sie 5 300 S gehabt. Und dann haben Sie, Herr Khol, vor laufender Fernsehkamera wie folgt argumentiert: Sie haben


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sinngemäß erklärt, dass man ihr die 1 400 S ruhig wegnehmen kann, denn vorher hat sie von den 5 300 S auch nicht leben können. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Leikam: Genieren Sie sich! Eine Schande! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Reitsamer, Edlinger, Brix und Dr. Mertel. )

Herr Klubobmann Khol! Ich habe immer geglaubt, Sie sind ein Christ, aber den Ärmsten der Armen etwas wegzunehmen und dann noch einen Kübel Hohn darüber zu schütten, das ist ungeheuerlich. Herr Klubobmann! Genieren Sie sich – am besten 24 Stunden pro Tag! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe. – Unruhe im Saal.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf daher angesichts dieser Beispiele folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nürnberger und GenossInnen betreffend Rückziehung des Ministerratsbeschlusses vom 19. September 2000, mit dem das asoziale Treffsicherheitspaket geschnürt wurde

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Ministerratsbeschluss vom 19. September 2000, mit dem das asoziale Treffsicherheitspaket geschnürt wurde, zurückzuziehen."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Regierungsparteien! Sie wären wirklich gut beraten, dieses Paket zurückzunehmen, es neu zu überdenken, denn die Menschen unseres Landes werden sich das nicht gefallen lassen.

Noch einmal: Sie können heute schon sicher sein, das einfache Parteimitglied aus dem Bärental – Haider ist gemeint – wird Ihnen für diese Maßnahmen wieder eine große Kopfwäsche erteilen. Sie können nämlich in dieser Ausgabe von "FORMAT" auch nachlesen, was es da alles für Diskussionen gegeben hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich bin überzeugt davon: Sie können noch eine Märchenstunde verbreiten, aber die Menschen in diesem Lande werden Ihnen sicherlich nicht glauben! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Kein Wort zu den Steuerhinterziehungen des Gewerkschaftsbundes! – Alle anwesenden weiblichen Abgeordneten der SPÖ und der Grünen begeben sich demonstrativ mit je einem großen grauen Kuvert zu Abg. Ing. Westenthaler und überreichen ihm dieses. – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit. – Unruhe im Saal.)

13.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag des Herrn Abgeordneten Nürnberger ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung. (Weitere anhaltende Zwischenrufe.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter Gaugg, Sie haben das Wort.

13.43

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gar nicht gewusst, dass Herr Klubobmann Westenthaler einen so großen Fanklub unter den Damen der SPÖ hat, dass sie ihm sogar Liebesbriefe in Massen bringen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber es scheint so zu sein, dass nicht nur die Studenten marschieren, sondern es marschiert auch die SPÖ im Parlament. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )


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Es ist schon eigenartig, wenn man Herrn Klubobmann Gusenbauer zuhört oder die Krokodilstränen des Herrn Nürnberger fließen sieht. Da muss ich ihn ja fragen: Wo war er denn in den letzten Jahren – oder auch Sie, Frau Kollegin Mertel –, als die alte Koalition mit den Finanzministern der SPÖ ihre Beutezüge durch Österreich durchgeführt hat? – Einer von ihnen sitzt hier herinnen, der weiß es ganz genau. (Demonstrativer Beifall des Abg. Wenitsch.  – Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Dr. Mertel. )

Sie von der SPÖ sind es, die es zu verantworten haben – Frau Mertel, hören Sie einmal zu! –, dass in Österreich eine Million Menschen an der Armutsgrenze lebt. Das ist Ihre Art der Politik. Sie haben Beutezüge in Österreich durchgeführt, und gleichzeitig waren Sie Weltmeister im Schuldenmachen, Herr Kollege Nürnberger und Herr Kollege Verzetnitsch!

Es ist schon eigenartig und eine Kindesweglegung, wenn der Herr ÖGB-Spitzenfunktionär Nürnberger sagt, na bei den Metallern haben wir keine Schwarzgelder gezahlt, aber bei Chemie und bei Bau-Holz. (Der Redner hält einen Artikel der Zeitung "Kurier" mit der Überschrift "Gewerkschafter kassierten jahrelang Schwarzgeld" in die Höhe.)  – Denn das ist die Schlagzeile, die Ihnen bestens bekannt ist. Sie ist unwiderrufen, und es gibt auch schon Verurteilungen im Zusammenhang mit der Auszahlung. Das ist Ihre Form der Sozialpolitik!

Um dem Gedächtnis der SPÖ nachzuhelfen, möchte ich darauf hinweisen, ein unverdächtiger Zeitzeuge wurde gestern zu den Studentendemonstrationen befragt, Herr Professor Van der Bellen. Herr Ex-Minister Scholten hat Folgendes gesagt: Das kenne ich, genauso ist es uns ergangen, als wir die Studentenfreifahrt abgeschafft haben. Da haben sie auch demonstriert, und solche Demonstrationen unterstützen immer die Regierung.

Also das ist eine gute Empfehlung, wenn der Herr Scholten das sagt, der ja nicht unbedingt der Beliebteste war; letztlich auch bei Ihnen nicht. Aber eines stört mich ganz gewaltig. Hier hat eine neue Regierung in der Frage der Budgetkonsolidierung eine neue Form des Dialogs gesucht. Da waren die Damen und Herren der SPÖ, vom ÖGB und von den Grünen dabei, und alle haben sich letztlich dazu bekannt.

Aber dann hat gerade die SPÖ diese Hand zum Dialog ausgeschlagen und ist mit Trillerpfeifen und Trommeln marschieren gegangen. Dass letztlich Spitzenfunktionäre des ÖGB sich dazu hinreißen haben lassen, zu sagen, dass die Republik brennen wird, das lässt tief blicken. Das lässt tief blicken, nämlich auf die Frustration der letzten Jahre, in denen Sie nicht sagen durften, was Sie gerne gesagt hätten, und es ist Ihnen auch nicht gelungen, die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten.

Herr Professor Van der Bellen, Sie haben mich angesprochen. Mein Zeuge ist Herr Finanzminister Grasser. (Abg. Dr. Van der Bellen: Oje!) Gerade ich bin nicht mit allem einverstanden, was er plant. Aber einen dauerhaften Sparkurs zu fahren, das geht halt nicht, ohne dass man jemanden trifft. Das ist ein Faktum. (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber wen, das ist die Frage!)

Eines kann ich Ihnen versichern: Über die Frage der vierwöchigen Wartefrist bei den Arbeitslosen reden wir noch. Sollte das in der Form, wie es heute vorliegt, beschlossen werden, kann man mit meiner Zustimmung nicht rechnen! Das sage ich in aller Deutlichkeit, weil so kann es nicht sein, und das ist auch nicht gedacht, weil ich davon überzeugt bin, dass diese Einsparungen in der Größenordnung von 1,5 Milliarden Schilling auch anders zu erzielen sind.

Ich lade auch Sie, Herr Professor, ein, hier mitzutun und mitzumachen, und auch den ÖGB. 30 Jahre lang gab es das "Schweigen der Lämmer" – und jetzt gibt es eine Horrormeldung nach der anderen, bei der eigentlich der inhaltliche Teil fehlt. Da werden Rechenbeispiele konstruiert, die in der Praxis kaum bis gar nicht stattfinden. Da werden Flugzettel über die Ambulanzgebühren verteilt. – Ja haben Sie Ihre eigenen Maßnahmen alle schon vergessen, wie Sie die Arbeiter – auf gut Kärntnerisch gesagt – "g’schnäuzt" haben?!

Das alles haben Sie vergessen, all Ihre wirklich schlechten Dinge. Sie haben zwei Dinge in dieser Republik hinterlassen: Erstens haben Sie die Interessen der Arbeitnehmer über Jahre hin


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weg verraten – und zweitens entwickeln Sie sich zu einer katastrophalen Oppositionspartei! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. Er hat das Wort. – Bitte.

13.48

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Damen und Herren der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren vor allem in Richtung SPÖ und Grüne! Wir könnten uns diese Debatte heute ohneweiters ersparen (Abg. Nürnberger: Das glaube ich Ihnen schon! – Abg. Dietachmayr: Das könnte Ihnen so passen!), wenn es nicht zuvor 30 Jahre SPÖ-Politik gegeben hätte, meine Damen und Herren.

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Können Sie mir sagen, wie intelligent es ist, 100 Milliarden Schilling jährlich an Zinsen zu zahlen? – Das ist nicht sonderlich intelligent, aber das haben wir Ihrer Politik zu verdanken, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Sparen ist ja nicht besonders lustig, und zwar für keine Partei. Aber die Ursachen dieser Situation sind ganz klar festgestellt. Ich muss dazu sagen, dass wir den Stillstand auch in der Sozialpolitik überwinden müssen, meine Damen und Herren, und ich streite von Herzen gern mit jenen, die sagen, jeder Umbau im Sozialsystem ist sofort mit einem sozialen Stillstand verbunden beziehungsweise dass man auf überkommenen Strukturen beharren muss.

Es finden vielfach mutige Reformschritte und auch -schnitte statt. Das muss stattfinden, meine Damen und Herren, damit sich auf diesem Gebiet ein bisschen etwas entwickelt. Auch wir in der Steiermark waren einigermaßen überrascht, als es plötzlich geheißen hat, dass Studiengebühren eingeführt werden sollen. Das war nicht lustig für uns. Es war Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic, die sofort ein Expertenteam einberufen und Schritte in die Wege geleitet hat, die jetzt Eingang in einen Entschließungsantrag finden, den wir noch heute beschließen werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Klubobmann! Sie haben leider Gottes lange Zeit hindurch gehandelt, und deswegen müssen wir jetzt eine Politik machen, die Hand und Fuß hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Wir haben auch entsprechend gedacht! – Abg. Dr. Mertel: Wo war denn unser Regierungspartner? Die ÖVP hat geschlafen, die war nicht dabei!)

Meine Damen und Herren! Wenn die SPÖ in der Steiermark plakatiert, wir sollten uns nicht kaputt sparen, muss ich sagen: Ich habe noch niemanden getroffen, der nur deshalb, weil er spart, kaputt geworden ist – noch niemanden, Herr Klubobmann Kostelka! Aber ich habe viele Leute getroffen, die wegen zu vieler Schulden kaputt geworden sind. Das gilt vor allem auch für die SPÖ, die wegen zu vieler Schulden einen baldigen Kollaps zu erwarten hat, Herr Kollege Gusenbauer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Wenn man auf Kosten der anderen spart, kann man nicht kaputt gehen!)

Dass die Position der ÖVP und in diesem Fall auch die Position der Frau Landeshauptmann von den Steirerinnen und Steirern goutiert wird, beweist auch, dass 62 Prozent der Steirer die Haltung der Frau Landeshauptmann unterstützen, meine Damen und Herren, die des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreters Schachner hingegen nur 24 Prozent. (Abg. Dr. Gusenbauer: Weil sie gegen die Bundesregierung ist! Deshalb unterstützen sie sie!)

Herr Kollege Gusenbauer! Zu den Studiengebühren, weil Sie gerade so mit mir reden: Am 21. September um 22 Uhr habe ich sehr aufmerksam der "Zeit im Bild 2" gelauscht. Da waren Sie geladen, und Sie haben davon gesprochen, dass die Nationalbank jetzt wegen des gestiegenen Dollarkurses Gewinne macht. (Abg. Dr. Gusenbauer: Höhere Gewinne, ja!) Vielleicht können Sie sich an diese Diskussion erinnern. Und wissen Sie, was Sie damals gesagt haben? – Ich habe es fast wörtlich da. Sie haben gesagt, man kann ohneweiters die Studiengebühren für zwei Jahre aussetzen. – Heißt das, dass sie dann wieder eingeführt werden sollen, Herr Kollege Gusenbauer? (Abg. Dr. Gusenbauer: Allein aus diesem Titel! Sie haben nicht ganz zitiert!) Sie


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sind so verräterisch mit Ihrer Politik. Herr Kollege Gusenbauer! Nicht nur euer Finanzsprecher Nowotny, sondern auch Herr Finanzminister Lacina, Herr Finanzminister Staribacher und Herr Minister Einem haben von Studiengebühren gesprochen, und heute tun Sie so, als ob Sie damit nie etwas zu tun gehabt hätten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich ist im europäischen Vergleich das einzige Land, in dem es bis jetzt keine Studiengebühren gibt – das wissen Sie –, sei es in Form von Einschreibgebühren oder indem es den Numerus clausus, also Zugangsbeschränkungen, gibt.

Meine Damen und Herren! Im SPÖ-Parteiprogramm der Steiermark "Arbeit für unser Land" heißt es wörtlich: Da aber die Qualität der Hohen Schulen nur durch wachsende Mittel aufrechterhalten werden kann, ist eine nachträgliche Studiengebühr durchaus in Erwägung zu ziehen. – Schachner-Blazizek. Das ist eine Akademikersteuer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Das zeigen Sie mir aber!)  – Ich zeige es Ihnen, ich habe es da.

Meine Damen und Herren! Das, was die SPÖ in der Steiermark macht, ist eine reine Angstpolitik. Frau Dr. Rieder schreibt den Lehrerinnen, dass sie ihren Job verlieren. Herr Dörflinger schreibt allen Betroffenen, dass die Spitäler geschlossen werden. Die SPÖ verwendet Plakatflächen, die vom Land gesponsert werden, für ihre Parteiwerbung. – Das ist die Politik der SPÖ, mit der wir nichts am Hut haben wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bringe den in meiner Rede zitierten Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Amon MBA, Mag. Schender, Miedl und Kollegen betreffend ein Sechs-Punkteprogramm für eine Universitätsreform ein und verlese gemäß § 55 Abs. 3 GOG in Verbindung mit § 53 Abs. 4 die Kernpunkte des Antrages, dessen Text ohnedies verteilt wurde.

Es geht darin um eine studentische Finanzierung neu, es geht darum, dass ein schnelleres Studieren möglich gemacht wird, es geht unter anderem um den Studentenanwalt, der von Frau Landeshauptmann Klasnic vorgeschlagen wurde, es geht um neue Strukturen in der Universität, es geht um ein neues Dienstrecht, das bis zum Ende des Jahres 2001 beschlossen werden soll, es geht um eine Universität neu mit voller Rechtsfähigkeit und mehrjährigen Globalbudgets, und es geht um den Forschungsstandort Universität, wo in Zusammenarbeit mit außeruniversitären Einrichtungen einige Vorzüge und Vorteile erarbeitet werden sollen.

Meine Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag wird im Namen der zitierten Abgeordneten eingebracht. Ich bitte auch Sie von der SPÖ und von den Grünen um Ihre diesbezügliche Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der in seinen Hauptpunkten verlesene Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung. Infolge seines großen Umfanges wird er erst jetzt verteilt werden. Er konnte nicht verteilt werden, bevor er eingebracht wurde. Es wird aber in wenigen Minuten die Verteilung erfolgen.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Amon MBA, Mag. Schender, Miedl und Kollegen betreffend Sechs-Punkteprogramm einer Universitätsreform

Die österreichische Universitätslandschaft ist im Umbruch begriffen und sieht sich gegenwärtig mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Bestehen im europäischen wie auch internationalen Wettbewerb, Neuausrichtung des Universitätsprofils, überlange Studienzeiten und hohe Drop-Out-Quoten, Qualifikationsmängel bei den Absolventen und nicht mehr zeitgemäße Infrastrukturen an den Universitäten. Die zunehmende Bedeutung von Wissenschaft und Technologie für eine positive Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft sowie Versäumnisse in der


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Vergangenheit verlangen im Hinblick auf die Zukunft unserer Jugend ein rasches und effizientes Handeln der Bundesregierung.

Im Zusammenhang mit der Studienbeitragsdiskussion wurde von vielen Betroffenen Kritik an der derzeitigen Praxis der Unterhaltsdurchsetzung laut: Die Verfahrensdauer sei zu lange, das Verfahren selbst zu kompliziert. Viele Studierende hätten Hemmungen, ihren unterhaltspflichtigen Elternteil zu klagen. Daher sollten in diesem Bereich Verbesserungsvorschläge geschaffen werden.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Frau Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird ersucht, folgende Vorhaben zur einer Universitätsreform umgehend in Angriff zu nehmen, die Maßnahmen in einem breiten und tiefen Dialog mit Lehrenden und Studierenden zu beraten, die soziale Verträglichkeit zu prüfen und zeitgerecht abzuschließen:

1) Studentische Finanzierung neu

Die Anspruchsberechtigung auf Studienbeihilfe soll nach oben erweitert werden, mehr Studierende sind in das Beihilfensystem einzubeziehen.

Die Familienbeihilfe von bis zu öS 30.000,- pro Studierendem im Jahr soll beibehalten und die Zuverdienstgrenze für Studierende auf öS 100.000,- jährlich angehoben werden.

Unterstützung und Beratung bei der Errichtung von Studienfonds sowie der Wirtschaft bei ihrem verstärkten Engagement durch zweckgerichteten Mitteleinsatz.

2) Schnell Studieren

Engpässe an den Universitäten werden durch zusätzliche Investitionen und Organisationsverbesserungen unter Einsatz der ,Universitätsmilliarde’ beseitigt.

Ausstattungsmängel sollen behoben, zu mehr Verlässlichkeit bei der Anmeldung zu Übungen und Prüfungen motiviert sowie Angebote für vorlesungsfreie Zeiten initiiert werden.

Beauftragung eines Studentenanwaltes mit erweitertem Dienstleistungsangebot für die Studierenden.

Verstärkung der Maturantenberatung und Überprüfung der Studienpläne bezüglich einer effizienten Studienberatung und Gestaltung einer Studieneingangsphase.

3) Neue Strukturen

Standortbereinigung durch Schwerpunktsetzung.

Synergieeffekte durch neue Zusammenarbeitsmodelle erzielen.

Setzung von IKT-Schwerpunkten in allen Bereichen.

4) Ein neues Dienstrecht

Bis zum Ende des Jahres soll ein neues Dienstrecht vorgelegt, auf breiter Basis diskutiert und 2001 beschlossen werden. Wichtige Zielsetzungen sind:

Durchlässigkeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft durch neue Karrieremodelle sicherstellen.


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Verwirklichung eines All-Inclusive-Einkommensmodells.

Vertragsbedienstete statt Beamte, Rückbau der Pragmatisierung, zeitlich befristete Assistentenverträge.

Forschungsassistenten als Übergang, Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs steigern.

5) Uni neu

Volle Rechtsfähigkeit der Universitäten, Einführung mehrjähriger Globalbudgets auf Basis von Leistungsverträgen, Einführung von Kostenrechnung, internem Controlling und Leistungskennzahlen.

Schaffung klarer Verantwortlichkeiten.

Schwerpunktsetzungen im Studienangebot und mehr Wettbewerb.

Evaluierung von Forschung und Lehre zum Ausbau von Stärken und Abbau von Schwächen.

Beteiligung am europäischen Bildungs- und Forschungsraum, Förderung der Mobilität.

6) Forschungsstandort Universität

Aus den zusätzlichen Mitteln für Forschung und Entwicklung sollen in Zusammenarbeit mit dem Rat für Forschung und Technologieentwicklung wesentliche Projekte der universitären Forschung gefördert werden.

Neue Forschungsassistentenregelung.

Zusammenarbeit mit außeruniversitären wirtschaftsnahen Einrichtungen und der Wirtschaft.

Ansiedelung einer internationalen Großforschungseinrichtung.

Schwerpunktsetzung bei der Schaffung von leistungsfähigen Einrichtungen unter Berücksichtigung von Evaluierungsergebnissen bestehender Einrichtungen.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Justiz ersucht, Maßnahmen zu setzen, um eine rasche Festsetzung von Unterhaltsansprüchen für Studierende zu gewährleisten."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit: maximal 10 Minuten. – Bitte.

13.54

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Grasser! Sie haben einen sehr schönen, aber auch sehr anspruchsvollen Satz der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann – "die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar" – im Zusammenhang mit dem "Neusprech" bei der Budgetsanierung gebracht.

Herr Bundesminister! Ich würde Sie bitten, ich würde Sie wirklich ersuchen, angesichts der Tatsache, dass diese Frau nicht zuletzt an den Verhältnissen und an so manchem dumpfen Verhältnis in diesem Land und damit auch an diesem Satz zerbrochen ist, beim Zitieren derartiger Sätze etwas sensibler zu sein, auch als Vertreter einer Partei, die momentan in eine der größten Spitzelaffären dieses Landes verwickelt ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister beziehungsweise auch Herr Klubobmann Khol! Sie haben uns in den letzten Minuten "Neusprech" in diesem Land geliefert. Das, was die Ärmsten, was so manche


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Arme tatsächlich belastet, das ist bei Ihnen soziale Treffsicherheit. Das, was die Leute nicht mehr ertragen können, nicht mehr aushalten können, das läuft bei Ihnen unter dem Titel "Wir schaffen das Nulldefizit". Das, was den Leuten die Bildung nimmt, Nullbildung, läuft bei Ihnen unter dem Titel "Wir schaffen die Staatssanierung".

Das ist nicht unser Programm, meine Damen und Herren, und auch nicht das vieler Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei den Grünen.) Sie werden es auch mit diesem Wendeplan (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, der viel Geld kostet, mit einer Marketing-Kampagne nicht schaffen, auch wenn Sie Millionen dafür aufwenden, den Leuten einzureden, dass das sozial verträglich und sozial gerecht ist.

Das Gegenteil ist der Fall. Sie kürzen die Unfallrenten um ein Drittel. Ja wissen Sie, was es heißt, wenn einer, dem wegen eines Arbeitsunfalls ein Arm fehlt und der dafür 3 000, 4 000 oder 5 000 S erhält, jetzt um ein Drittel weniger erhält? (Zwischenruf des Abg. Gaugg. ) Wissen Sie, was das heißt, Herr Kollege Gaugg? – Das ist Abgeltung für erlittenes Unrecht, für erlittene Unbill. Und das heißt jetzt: um ein Drittel weniger. Die Betroffenen werden bestraft.

Wissen Sie, was das Beispiel, das mein Vorredner, Kollege Nürnberger, gebracht hat, bedeutet, das ja noch viel brutaler in der Aussendung des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums enthalten ist? Es wird als Beispiel für Überversorgung die Teilzeitbeschäftigte mit drei Kindern und einem Bruttobezug von 6 000 S genannt, die netto 4 941 S verdient hat! Das Arbeitslosengeld lag hier mit 5 352 S – das ist ein Originalzitat aus einer Aussendung des Wirtschaftsministeriums – um mehr als 400 S höher als der letzte Aktivbezug. Künftig erhält diese Frau nur mehr 80 Prozent des aktiven Netto-Letztbezugs, also 3 952 S. – Das sind monatlich um fast 1 400 S weniger als vorher.

Herr Abgeordneter Khol, glauben Sie wirklich, dass es berechtigt ist, dieser Frau diese 1 400 S wegzunehmen? Woher soll sie das Geld für ihr Leben nehmen, wenn sie eine allein erziehende Mutter ist? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Glauben Sie wirklich, um beim nächsten Beispiel zu landen, dass es sozial ist, wenn Sie Personen die Mitversicherung streichen und sie damit zumindest teilweise aus der Krankenversicherung, aus dem Leistungsrecht der Krankenversicherung hinaus drängen? Glauben Sie wirklich, dass man einer Frau, die verheiratet ist, die arbeitslos geworden und auf Notstandshilfe angewiesen ist, aber beispielsweise drei Kinder zu versorgen hat, auch noch einen Beitrag für die Krankenversicherung zumuten kann? Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie allen Ernstes, dass das Maßnahmen sind, die diejenigen, die unter 30 000 S liegen, nicht belasten, Herr Finanzminister? Haben Sie eine Vorstellung davon, was es heißt, mit 5 000, 10 000 oder meinetwegen 12 000 oder 13 000 S auskommen zu müssen? Haben Sie wirklich eine Vorstellung davon, wie es ist, wenn man dann von diesem Geld auch nur 5 Prozent wegnimmt, wo ein Prozent schon zu viel ist?

Diese Menschen können es sich nicht leisten, und daher ist das, was Sie in allen diesen Bereichen tun – ob das die Mitversicherung, die Unfallrenten, die Arbeitslosenversicherung betrifft –, eine Grausamkeit nach der anderen, für die Sie Verantwortung tragen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Glauben Sie wirklich, Sie können einen Dialog mit der Opposition führen, den Sie offensichtlich gar nicht anstreben? Sonst hätten Sie ja eine breite Debatte eröffnet, aber nicht eine Dringliche Anfrage von Du auf Du zwischen Khol und Grasser gestellt, wo die Opposition doch weitgehend eliminiert ist. Es geht Ihnen doch gar nicht um den Dialog, sonst wären Ihre Leute ja hier und würden sich an der Diskussion beteiligen. Schauen Sie doch einmal in Ihre Reihen! Wo sind denn die Leute, die mit der Opposition diskutieren wollen? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wo findet die Debatte statt? Sie haben ein propagandistisches Versatzstück nach dem anderen hier serviert und glauben, das sei ein Dialog. Den Dialog hier im Hohen Haus, den Dialog mit der Bevölkerung – wo führen Sie ihn denn?


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39. Sitzung / Seite 61

Ich wette, meine Damen und Herren, dass der Herr Grasser nicht nur 10 000 S Spende von dem einen Herrn erhalten hat, der es sich leisten konnte, 10 000 S zu schicken, sondern dass er wahrscheinlich auch viele Briefe von anderen Personen erhalten hat, die es sich nicht leisten können, auch nur einen Schilling herzugeben. Aber von diesen Menschen, Herr Grasser, haben Sie nichts erzählt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es gibt leider noch genügend Menschen in dieser Republik, die es sich nicht leisten können, auch nur auf einen Groschen zu verzichten, und die alle – die alle! – treffen Sie mit Ihren Maßnahmen, und zwar ganz brutal.

Glauben Sie denn wirklich – um mit Beispielen fortzufahren –, dass ein Mensch, der in einem Jahr fünf oder sechs befristete Arbeitsverhältnisse eingehen muss  muss, weil er ein Kulturschaffender oder eine Kulturschaffende ist, wo die Beschäftigung jeweils nur wenige Wochen dauert –, sich fünf oder sechs Monate Sperre des Arbeitslosengeldes leisten kann? Glauben Sie wirklich, dass es gerechtfertigt ist zu sagen, dass der einen sozialen Übergenuss gehabt hat?

Herr Abgeordneter Khol, Sie sind ja auch im Fernsehen aufgetreten und haben dort verkündet: Wir machen das, was die Experten im Bericht zur sozialen Treffsicherheit vorgeschlagen haben! – Nichts von dem setzen Sie um, Herr Abgeordneter Khol! Sie wissen das ganz genau! Die Experten haben am Montag einen Bericht geliefert, und am Dienstag ist die Regierung drübergefahren. Von den Maßnahmen, die die Experten vorgeschlagen haben, findet sich das Allerwenigste in dem Programm, das Sie als Regierungsparteien jetzt umsetzen wollen. Sie haben das schon vorher gewusst. Dazu haben Sie die Experten nicht gebraucht. Sie haben sie gebraucht, um den Sozialabbau zu legitimieren, den Sie betreiben wollen (Beifall bei den Grünen), damit Sie den Menschen, die es sich nicht leisten können, noch das Wenige wegnehmen können. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister Grasser! Sie waren ja der "nette" Mensch, der vor einigen Monaten gesagt hat: Ich glaube eigentlich schon, dass die Reichen in diesem Land auf soziale Transferleistungen freiwillig verzichten sollen. Ich appelliere an alle Reichen in diesem Land, nicht die Kinderbeihilfe, nicht die Familienbeihilfe, nicht die Wohnungsförderung zu beantragen. – Herr Bundesminister Grasser: 500 Milliarden Schilling sind in Stiftungen geparkt. Ich appelliere an Sie: Richten Sie an die Reichen den Appell, dass sie normal Steuern, Kapitalertragssteuern zahlen! 25 Prozent der Erträge aus den Stiftungen! Ja, das wäre schön. Wir würden uns wünschen, dass die Reichen in diesem Land, die 500 Milliarden Schilling haben, 25 Prozent von ihren Kapitalerträgen zahlen! Dann hätten wir kein Problem mit dem Budgetdefizit. Dann hätten wir um einige Milliarden Schilling mehr.

Das ist soziale Schieflage. Was eiern Sie denn da die ganze Zeit herum? Immer die Debatte zwischen Haider, Gaugg, Grasser, Prinzhorn: Werden es nur 2 Milliarden, werden es nur 0,5 Milliarden, wird es doch eine Milliarde, die die ganz Reichen zahlen? Was ist denn das für eine soziale Verantwortung von den Superreichen? Und da kommen Sie daher mit Ihren schön gemeinten Appellen: Bitte verzichtet auf die Familienbeihilfe! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist nicht das Thema! Es geht darum, dass auf sozial gerechte Weise alle in die Verantwortung genommen werden, dass nicht irgendwo 500 Milliarden geparkt sind und anders oder besser besteuert werden, nämlich wesentlich günstiger besteuert werden als die Spareinlagen des kleinen Sparbuchsparers, denn der muss von seinen Erträgen 25 Prozent bezahlen, ganz ...


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist erschöpft. Ihren Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Wenn das so ist, Herr Präsident Prinzhorn, dann, meine ich, sollten die Reichen in diesem Land auch einen Beitrag im Rahmen der Stiftungen zahlen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

14.05

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren Volksvertreter! Zunächst haben wir eine prinzipielle Frage zu klären, nämlich die Frage, ob das Ziel, in den nächsten zwei Jahren keine neuen Schulden mehr zu machen, außer Streit steht. Ich habe eigentlich gedacht, nach dem Reformdialog 1 und 2 hätten wir einen solchen Konsens, bei dem alle Bundesländer, ganz gleich, wer an der Spitze eines Bundeslandes steht, dabei sind. Da sind Sozialdemokraten, Christdemokraten und Freiheitliche dabei, Städte, Gemeinden, die Sozialpartner und die politischen Parteien. Ich hätte gedacht, dass wir das Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen und keine neuen Schulden mehr zu machen, außer Streit stellen können.

Ich habe noch in Erinnerung, dass sich Oppositionsführer Alfred Gusenbauer Ende August sehr klar zu diesem Ziel bekannt hat, genauso wie auch Professor Van der Bellen. Ich war allerdings etwas überrascht, als in diesen Tagen ein sehr wichtiger Sozialdemokrat, der Gewerkschafter Sallmutter, ein Buch präsentiert hat mit dem Titel "Der Mythos Nulldefizit", in welchem er massiv kritisiert hat, dass eine "Gehirnwäsche" von Seiten der Regierung, der Regierungen in ganz Europa eingesetzt habe. Dieser Mythos sei überhaupt nicht vertretbar, meint er, wir bräuchten das überhaupt nicht. Auf die Frage, ob nicht auch 1996 ein solcher Crash-Kurs notwendig gewesen wäre, antwortete Sallmutter: Ja, die "Gehirnwäsche" hat auch unter Sozialdemokraten gut funktioniert.

Wenn wir der Bevölkerung gegenüber gemeinsam eine Kraftanstrengung, die nicht schmerzlos sein kann, vertreten wollen, dann ist es schon wichtig, zu wissen, ob dies überhaupt funktionieren kann und ob dies auch wirklich außer Streit steht. Ich möchte das schon wissen.

Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt in der Debatte sehr genau die ersten zwei Runden zugehört und musste feststellen, dass enorm viel Kritik von Seiten der Opposition – keine einzige Maßnahme blieb unbestritten – geübt worden ist, dass aber kein einziger Vorschlag dahin gehend gekommen ist, konstruktiv, alternativ zu diesem Ziel etwas beizutragen. Und das reicht nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie können nicht wegdiskutieren, in welcher Situation wir sind. Wir haben auf Grund der Schulden der Vergangenheit im Jahre 1999 114 Milliarden Schilling für die Bedienung der Schulden ausgegeben. In dieser Summe sind nicht nur die klassischen Zinsen enthalten, sondern auch die Spesen und die Zinsen für die Swaps, die man auch rechnen muss. Das ist von den Wirtschaftsforschern völlig außer Streit gestellt worden.

Überlegen Sie einmal, was man mit 114 Milliarden Schilling sonst anfangen könnte! Natürlich kann man der Auffassung sein, das Ziel "Nulldefizit" brauche nicht 2002 erreicht sein, sondern es würde vielleicht auch reichen, wenn dies 2003 oder 2004 der Fall wäre. Aber was wäre denn die Folge davon? Wäre es dann leichter, dieses Ziel zu vertreten? – Ich glaube es nicht. Und das wissen doch diejenigen, die mit Wirtschaftspolitik ein bisschen zu tun haben, ganz genau. Heuer, nächstes Jahr und übernächstes Jahr noch einmal 60 Milliarden Schilling Defizit zu machen – das wäre ja die Alternative –, hieße, dass dann jeweils noch einmal 3 Milliarden Schilling pro Jahr an zusätzlichem Defizit dazukommen würden.

Jetzt haben wir eben eine wirkliche Chance, ein Fenster der Gelegenheit, ein "window of opportunity": Die Konjunktur ist so gut wie schon lange nicht – im ersten Halbjahr 4 Prozent Wachstum –, über 10 Prozent Exportsteigerung, hervorragende Beschäftigungsdaten. Ja wann denn, meine Damen und Herren, soll man das Budget in Ordnung bringen, wenn nicht in Zeiten der Hochkonjunktur?! Wenn es schlechter wird, geht es ja erst recht nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Vergessen Sie eines nicht – und darauf möchte ich vor allem die sozialdemokratischen Abgeordneten hinweisen –: Es gab unter Ihrer Mitbeteiligung eine Formulierung, die ganz klar die Verpflichtung Österreichs beschrieben hat, nahe zum Nulldefizit hinzukommen. "Close to balance" lautete das Ziel. Was heißt denn bitte "close to balance"? Da ist es doch ehrlicher zu sagen: Hören wir mit dem Schuldenmachen auf! Damals gab es einen Bundeskanzler Klima und einen Finanzminister Edlinger. Von diesem Ziel können Sie sich nicht einfach verabschieden! Wir können über die verschiedenen Wege dorthin diskutieren. Aber es ist mir sehr wichtig, dass wir zur Sache diskutieren, dass wir von Weihrauch und Brandqualm zur Sache zurückkehrend diskutieren, dass wir uns klar machen, worum es geht. Das ist der entscheidende Punkt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen ganz offen: Was mich wirklich stört, ist der Unterschied zu anderen, aber vergleichbaren Ländern. Während Länder wie Schweden, Finnland, England, die USA oder Norwegen darüber diskutieren, wie sie ihre Budgetüberschüsse  – die sie jetzt haben, weil sie früher saniert haben – investieren können, etwa in Bildung, in Forschung, in Entwicklung, in Telekom, sind wir in der Situation, dass wir später – aber noch nicht zu spät –, dass wir jetzt diesen notwendigen Aufholprozess starten müssen.

Abgeordneter Gusenbauer – er ist im Moment nicht im Saal anwesend – hat zuvor gesagt, wir hätten ein modernes Land übernommen. – Natürlich! Und damit es modern und gut geführt bleibt, meine Damen und Herren, müssen wir die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig, also jetzt, setzen und dürfen nicht einfach zuwarten, bis es zu spät ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben kritisiert, dass unsere Maßnahmen eine Umverteilung von unten nach oben und nicht von oben nach unten seien. – Ja bitte, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Zinsen- und Schuldenbedienung doch die klassische Umverteilung zu Lasten der kommenden Generationen bedeutet! Das ist doch das eigentliche soziale und nachhaltige Unrecht, das wir begehen können. Das ist eine Umverteilung, die wir gemeinsam ändern müssen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: ... Nur die Kapitalerträge besteuern!)

Wir haben aber noch etwas geplant, und das möchte ich hier schon auch erwähnen. Natürlich kann man jetzt zig Einzelbeispiele bringen, die einzelne Betroffene anführen. (Abg. Öllinger: Das Ministerium!) Es ist völlig korrekt: Darüber muss man reden! Es hat sich aber auch die Arbeitsmarktsituation deutlich geändert: Wir sind nahe an der Vollbeschäftigung. Und unser gemeinsames Ziel muss es doch sein, Arbeit zu vermitteln und nicht einfach Arbeitslosigkeit zu verwalten, Herr Abgeordneter Öllinger! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Übersehen Sie daneben nicht die Positivimpulse, die wir gemeinsam – trotz der Sanierungsmassnahmen – setzen. Wir wollen eben die Integration der Behinderten in den Arbeitsmarkt stärken – aber ohne Geld geht das nicht. Daher wird eben das Privileg, dass eine Unfallrente nicht besteuert wird, während gleichzeitig eine Invaliditätspension voll besteuert wird, nicht länger aufrechtzuerhalten sein. Aber das Geld wird reinvestiert in die Förderung von Behinderten. So machen wir das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie reden natürlich nicht darüber, dass wir endlich, nach Jahrzehnten, die Arbeiter mit den Angestellten im Krankheitsfall gleichgestellt haben, damit 1,25 Millionen Arbeiter die gleichen Rechte wie die Angestellten haben, nämlich mehr Geld im Krankheitsfall.

Sie kommen mit Beispielen anderer benachteiligter Gruppen daher. Aber dann sagen Sie auch, dass jetzt, seit dem 1. September, Flüchtlinge durch diese Regierung einen Versicherungsschutz haben. Übrigens haben, wo der Bund nicht einspringt, alle Länder bisher zusätzliche Angebote gemacht – mit Ausnahme des sozialdemokratisch regierten Landes Wien. Da wäre anzusetzen, und auch das könnte in einer solchen Situation erwähnt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu den Studenten. Niemand hat Freude damit, dass wir Studentengebühren oder Studiengebühren und -beiträge einheben müssen. Aber sagen Sie auch ehrlich dazu, dass der Gratiszugang zu den Universitäten heute vor allem eine Mittelstandsförderung ist, denn es gehört auch


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zur intellektuellen Ehrlichkeit, zuzugeben, dass heute ein relativ kleiner Anteil aus Arbeiter- und Bauernfamilien studiert, dass der überwiegende Anteil aus Mittelstandsfamilien und dem gehobenen Mittelstand stammt. (Abg. Sophie Bauer: Jeder soll die Chance haben, zu studieren!) Und dazu gehört dann auch die Ehrlichkeit, anzuerkennen, dass dies der gerechtere Weg ist. Denn wenn man einer allein erziehenden Mutter, wie etwa in Wien, zumutet, für den Kindergartenplatz ihres Kindes 1 200 S im Monat – begünstigt! – zu zahlen, dann sind 830 S im Monat für einen Studienplatz, bei freiem Zugang zu den Universitäten, absolut vertretbar, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Bures: Kinderzulage werden Sie kürzen!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn wir ehrlich diskutieren, dann reden wir auch darüber, dass es der damalige Wissenschaftsminister Einem gewesen ist, der eine Studie über die zusammenfassende Darstellung unterschiedlicher Studiengebührenvarianten in Auftrag gegeben hat, in der Studiengebühren oder Studienbeiträgen ganz klar der Vorzug und eine Empfehlung dafür gegeben wurde.

Wenn wir intellektuell ehrlich diskutieren, dann zitieren wir doch auch das Programm der steirischen SPÖ, in welchem steht:

Da die Qualität der hohen Schulen nur durch wachsende Mittel – wie sie Bildungsministerin Gehrer plakatiert und einführen wird – aufrechterhalten werden kann, ist eine nachträgliche Studiengebühr, etwa als Zuschlag zur Einkommensteuer – eine Akademikersteuer – durchaus in Erwägung zu ziehen. – Zitatende.

Es erfordert die Ehrlichkeit, darüber zu diskutieren, welches Modell das Beste ist. Ich möchte nicht haben, dass junge Akademiker nach ihrem Studium eine höhere Besteuerung haben als die anderen. Hingegen ist eine faire Beitragsleistung, die bescheiden ist und für untere Schich-ten sozial abgefedert wird, absolut sinnvoll und vertretbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Mein Dank gilt in dieser schwierigen Situation vor allem jenen, die nicht nur kritisieren, wie heute die Opposition – was mich enttäuscht –, sondern mittragen: Die Beamten waren trotz schwieriger Lage, trotz großem Druck von innen und von außen und trotz vieler Ermunterungen auch von der ver öffentlichten Meinung bereit zu einem Opfer, bereit zu einem sozial verträglichen Gehaltsabschluss. Ich gratuliere der Frau Vizekanzlerin und Herrn Staatssekretär Finz, dass sie das geschafft haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke den Landwirtschaftsvertretern, ich danke den Wirtschaftsvertretern; beide Gruppen haben ein gewaltiges Opfer gebracht. Ich hoffe sehr, dass wir auch mit den anderen Interessenvertretungen unter der Prämisse eines sozial verträglichen und auch allgemein akzeptierten Budgetziels zu Einigungen kommen. Aber das Ziel muss außer Streit sehen, und ohne dieses Ziel zu unterstreichen, sollten wir heute nicht weggehen, denn sonst trennt uns mehr, als ich eigentlich gehofft habe! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

14.17

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der heutigen Besprechung – ich würde fast sagen: des "Belastungspakets", wenn ich an die Reden der Oppositionsparteien denke – vergessen die Damen und Herren von der Sozialdemokratie das, was sie in den letzten 30 Jahren zu verantworten gehabt haben. (Abg. Edlinger: Da treffen wir uns mit der ÖVP!)

Herr Kollege Nürnberger! Ich möchte Ihnen schon sagen: Wenn Sie so stolz darauf sind, dass Sie nicht in die neue Regierung eingetreten sind, weil Sie selbst gegen diese Ihre neuerliche Regierungsbeteiligung waren, so sollten Sie auch den Mut haben, den Damen und Herren


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Österreicherinnen und Österreichern zu sagen, dass Sie sich damit selbst auch aus Ihren Gestaltungsmöglichkeiten für Ihre Klientel hinausreklamiert haben. Sie sollten also hier keine Krokodilstränen vergießen. Herr Kollege Nürnberger, bleiben Sie bei der Wahrheit: Sie selbst haben sich aus der Verantwortung dieser Republik hinausreklamiert!

Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass in jener Zeit, als Sie noch auf der Straße demonstriert haben und als Kollege Gusenbauer in Frankreich Sekt trinkend – in der Zeit des Embargos gegen Österreich durch die EU-14 – abgebildet worden ist, die Arbeitnehmervertreter von der ÖVP und von den Freiheitlichen, die Kollegen Tancsits und Feurstein, Kollege Gaugg und meine Wenigkeit, immerhin 600 Millionen Schilling an Erleichterungen für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer herausverhandelt haben – etwas, sehr geehrter Herr Kollege Gusenbauer von der Sozialdemokratie, was im Übrigen die Grünen mit ihrem Abstimmungsverhalten zum Sozialrechts-Änderungsgesetz anerkannt haben, Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, jedoch nicht! (Abg. Edlinger: Mit wem haben Sie das denn ausverhandelt?)

Man sollte nicht auf der Straße demonstrieren, sondern man sollte, wenn man frei gewählter Parlamentarier ist, dort die Arbeit suchen, wo sie zu finden ist, nämlich im Parlament am Verhandlungstisch, und man sollte in entsprechender Form tätig werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schön, die Studenten auf der Straße zu sehen. Ich selbst war Studentenvertreter, ich selbst habe mehrmals demonstriert, ich selbst war jemand, der von 1966 bis 1973 an der Veterinärmedizinischen Hochschule, wie sie damals noch geheißen hat, studiert hat. Ich habe selbst Studiengebühren gezahlt, am Anfang 360 S, am Schluss, im Wintersemester 1971/72, 560 S. Wenn Sie das hochrechnen, entspricht das in etwa der heutigen Belastung.

Ich weiß daher, was Studieren mit Studiengebühren bedeutet. Sie aber vergessen, Ihrer Klientel – die Sie glauben, in dieser Frage zu haben – das zu sagen, was angehenden Akademiker auch würdig ist zu sagen, dass es nämlich – etwas, das Frau Bundesministerin Gehrer und diese Regierung, bestehend aus Freiheitlichen und der ÖVP, von Anfang an gesagt haben – Verbesserungen in der Höhe der Stipendien und beim Zugang zu den Stipendien für sozial Schwache geben wird.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wo waren Sie in den letzten 30 Jahren? Sie haben seit Abschaffung der Studiengebühren bis zum heutigen Tag die Zugangsbedingungen zu den Stipendien aus sozialer Not – also für die "Ärmsten der Armen", um in Ihrer Diktion zu bleiben – nicht geändert. Jene, die ihr Einkommen auf Basis von Bilanzen nachweisen, bekommen heute noch leichter Stipendien als jene, die als Lohnsteuerpflichtige 100 S oder 150 S über der Einkommensgrenze liegen.

Ich glaube, dass Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, keinen Grund haben, jetzt die Studenten auf die Straße zu treiben (Abg. Sophie Bauer: Sie treiben ja die Studenten auf die Straße!), sondern dass Sie eigentlich allen Grund hätten, sich zu fragen, was denn Ihr Herr Minister Einem und andere dafür zuständige Minister im Rahmen der Regierungsverantwortung in der Bildungspolitik weiter gebracht haben. (Abg. Silhavy: Kollege Haupt, Sie waren auch schon einmal seriöser!)

Ich gebe Ihnen schon Recht, wenn Sie meinen, dass einiges an der inneren Reform der Universitäten hinterfragenswert ist, aber Reformen der Universität zur Beschleunigung des Studiums haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, in jenen Jahren, als Sie die Ressortverantwortlichkeit innegehabt haben, keinesfalls herbeigeführt.

Wenn ich mir ansehe, wie auf manchen Instituten mancher Universitäten heute noch ausreichend Prüfungstermine einfach verweigert werden, obwohl es seit 1997 in der Autonomie der Universitäten liegt, dass auch die drittelparitätisch vertretenen Studentenvertreter endlich für die Studenten tätig werden, dann muss ich sagen: Es sollten sich auch die Damen und Herren


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Studentenvertreter einmal fragen, wo sie die Interessen der Studenten in den letzten Jahren seit ihrer Wahl in den Universitätsgremien zur Beschleunigung der Studien vertreten haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf auch noch daran erinnern, dass aus freiheitlicher Sicht jene Dinge, die heute von Ihnen als Belastungspaket dargestellt werden, zumindest in ihrer Gesamtauswirkung ungefähr ein Drittel von dem ausmachen, was Sie in den Jahren 1996, 1997 und 1998 zu verantworten gehabt haben.

Da Sie von Seiten der Gewerkschaft monieren, dass dieses Maßnahmenpaket ausschließlich auf Kosten der Armen und Ärmsten ginge, möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: In den Jahren 1996, 1997, 1998 und 1999 waren die Sozialleistungen für die unteren Einkommensgruppen immer gleich hoch, während die höheren Einkommensgruppen – mit zirka 60 000 S Gehalt – nur mit 12 Prozent Anteil in der Sozialversicherung figuriert haben. Auch diesbezüglich hat die neue Bundesregierung einen deutlich anderen Belastungseffekt gesehen: Mit 60 000 S Einkommen zahlt man heute zwar noch immer nicht 18 Prozent wie bei den niedrigen Einkommen, aber wenigstens 13,4 beziehungsweise 14,2 Prozent.

Auch da wird deutlich, dass wir von den Besserverdienenden mehr abgeschöpft haben, während für die Einkommensgruppen im unteren Bereich der Einkommenspyramide die Belastungen durch die Sozial- und Pensionsversicherung gleich geblieben sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie sich all das im Detail ansehen, dann werden Sie erkennen, dass von uns Freiheitlichen, aber auch von unserem Regierungspartner, der Österreichischen Volkspartei, die soziale Symmetrie sehr wohl gewahrt worden ist. Die unteren Einkommensgruppen haben wir deutlich besser bedient als die Bezieher von hohen Einkommen, und wir haben sie in entsprechender Form berücksichtigt. (Abg. Edlinger: Bedient habt ihr sie!) Und die Zahlen der Arbeiterkammer, die Sie in Ihren Tresoren vermutlich bis nach der Wiener Landtagswahl eingeschlossen halten werden, um auf Kosten aller Arbeitnehmer, die in den Arbeiterkammern pflichtversichert sind, Wahlkampf führen zu können, sind schon Legende.

Noch ein paar Bemerkungen zur Arbeiterkammer: Kollege Nürnberger! Ich habe hier ein Schreiben einer Arbeitnehmerin, die die Arbeiterkammer Wien ersucht hat, in ihrem Ansuchen um eine Berufsunfähigkeitspension – sie hatte einen Bandscheibenschaden, wurde operiert und ist nun durch eine etwa 20 Zentimeter lange und vier Zentimeter dicke Wunde nach innen in der Wirbelsäule schwer bewegungsgeschädigt – von der Arbeiterkammer unterstützt zu werden. Ich kann Ihnen dazu Folgendes mitteilen, Kollege Nürnberger: Sie hat vom dortigen Sozialversicherungsexperten Dr. Heider – mit "ei" geschrieben – ausgerichtet bekommen, dass er ihre Vertretung leider nicht übernehmen kann, weil er selbst sich psychisch überlastet fühlt.

Eine solche Arbeitnehmervertretung wünsche ich mir für meine Arbeitnehmer nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.25

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Politiker der SPÖ – es sind leider nicht mehr viele anwesend –, wann sie endlich der Wahrheit ins Gesicht schauen wollen: Wie lange noch wollen Sie die Bürgerinnen und Bürger mit Unwahrheiten verunsichern? Wollen Sie wirklich, dass die Republik brennt, so wie es der ÖGB-Fachvorsitzende Kaske angekündigt hat? Das ist nicht Ihr wahres Ziel, behaupten Sie. Ich übernehme in dieser Hinsicht die Meinung unseres Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel, der immer wieder betont: Das ist der falsche Weg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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39. Sitzung / Seite 67

In der Steiermark hat die SPÖ jetzt wieder eine Briefkampagne an die Senioren gestartet. Sie spricht wieder einmal vom "Rentenklau". Sie haben unter Vranitzky die Pensionisten geblufft und versuchen es heute wieder. – Tatsache und richtig ist, dass es eine verstärkte Einschleifregelung des allgemeinen Absetzbetrages geben wird. (Abg. Silhavy: Ja! Und was heißt das?) Diese betrifft aber nur jene Pensionisten, die eine jährliche Pension von über 300 000 S beziehen. Für mich bedeutet das soziale Treffsicherheit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Weniger Geld ist eine Kürzung der Pension! Das ist der Punkt!)

Die anderen Pensionisten – die Mehrheit der Pensionsbezieher – sind von dieser Regelung nicht betroffen, aber die SPÖ-Politiker scheuen nicht davor zurück, wieder einmal einen Brief an alle Senioren zu verschicken – und das ist eine grob fahrlässige Propaganda auf dem Rücken der älteren Menschen in diesem Land. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)  – Ich weiß nicht, was Sie da zum Lachen finden, Frau Kollegin, ich finde das überhaupt nicht zum Lachen. (Abg. Silhavy: Ich lache nicht! ...)

Soziale Treffsicherheit bedeutet und heißt, dort Hilfe nachhaltig zu sichern, wo für Menschen Nachteile in der Gesellschaft bestehen. Daher muss bei Subventionen dort gekürzt werden, wo keine sozialen Bedürfnisse bestehen. (Abg. Silhavy: Arbeitslosengeld zu kürzen, Familienzuschläge zu kürzen: Das ist soziale Treffsicherheit?) Und von den 725 Milliarden Schilling im jährlichen Sozialbudget für alle ÖsterreicherInnen werden 0,7 Prozent dafür verwendet, diese nachhaltige soziale Sicherung für jene, die wirklich einen Bedarf und Not haben, auch in Zukunft zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, wirklich für sozial Bedürftige eintreten, dann leisten auch Sie gefälligst einen Solidarbeitrag. Das ist aber kein Zuckerl für Schwarze, Rote oder Blaue, sondern das dient der sozialen Sicherstellung aller Menschen in Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie sprechen weiters in der Steiermark von einer Reduzierung der Zahl der Lehrer im Landesschuldienst, und zwar soll es um 650 weniger geben. Auch das ist eine Briefpropaganda, die genauso haltlos und unwahr ist (Abg. Silhavy: ... ÖGB ...!)  – wir kommen noch auf den ÖGB zu sprechen – wie die angekündigte Schließung von Krankenhäusern durch den SPÖ-Landesrat Dörflinger, die sich als Ente entpuppte. Aber die SPÖ verfehlt ihr Ziel nicht, nämlich Angst zu machen und zu verunsichern. Wo bleibt die Seriosität (Abg. Silhavy: Das frage ich mich bei Ihrer Rede schon die ganze Zeit!), die Sie als Politiker den Menschen gegenüber zeigen sollten?

Ihr ganzer Beitrag zur Sanierung des Budgets beschränkt sich auf ein Format von zehn mal 15 Zentimeter, nämlich die rote Karte. (Der Redner hält eine rote Karte in die Höhe.) Es fragt sich nur, an wen sie sich richtet! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: An Sie natürlich! – Abg. Dr. Mertel: Jetzt sind Sie schon wieder nicht in der Regierung! Sie waren es vorher nicht, und jetzt auch nicht?)

Ich frage Landeshauptmannstellvertreter, Generaldirektor außer Dienst, Universitätsprofessor DDr. Schachner-Blazizek, warum die SPÖ im Wahlkampf nicht auf die Leistungen der letzten fünf Jahre eingeht? Die Antwort darauf kann ich Ihnen geben: Es gab keine herzeigbaren Leistungen! Aber um von den eigenen Schwächen abzulenken, sind die bundespolitischen Themen gerade gut genug. (Abg. Silhavy: Nein, die sind schlecht genug!)  – Nein, Frau Kol-legin! Bei dieser Landtagswahl in der Steiermark geht es um jene Probleme beziehungsweise Leistungen, die für die Steirerinnen und Steirer wichtig sind! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Ich habe lange nachgedacht, um etwas Positives von Landeshauptmannstellvertreter, Universi-tätsprofessor, Generaldirektor außer Dienst, DDr. Schachner-Blazizek zu finden. Es ist mir nichts eingefallen, aber anscheinend auch den eigenen SPÖ-Kollegen nicht. Ich zitiere aus einem Schreiben eines SPÖ-Funktionärs: "Strengen wir uns gemeinsam mit der steirischen SPÖ und Peter Schachner-Blazizek an."


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39. Sitzung / Seite 68

Da fällt mir aber doch eine "Leistung" des Herrn Landeshauptmannstellvertreters Schachner-Blazizek ein. Im vorigen Jahr hat Herr Landeshauptmannstellvertreter Schachner-Blazizek allein 54 Millionen Schilling für Eigenwerbung verschwendet – eine "großartige Leistung"! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Mit diesen 54 Millionen Schil-ling wären die von der SPÖ heftig kritisierten Studiengebühren für mehr als 10 000 Studenten für ein Semester bezahlt. Es wäre auch ein Beitrag zur sozialen Treffsicherheit gewesen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Wir sind nicht im steirischen Landtag, wir sind im Parlament in Wien!)

Da wir schon bei den Studenten sind: Ich habe gehört, dass die Gewerkschaft für die gestrige Demonstration der Studenten sehr gute Konditionen mit den ÖBB ausverhandelt hat, um die Studenten mit der Eisenbahn zum Beispiel von Linz nach Wien zu bringen. Ich frage mich, ob sich die ÖBB noch solche kaufmännischen Handlungen leisten kann, Fahrten an den ÖGB um 180 S anstelle der für jeden anderen Bürger geltenden Tarife um 580 S zu verkaufen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Das ist keine Propaganda, das habe ich schwarz auf weiß, Sie können gerne eine Kopie betreffenden Schreibens haben. (Abg. Edler: ... Bauernbund auch!) Aus Fairness werde ich den Namen des Vorsitzenden hier nicht bekannt machen, aber ich werde Ihnen das Schreiben gerne zeigen.

Warum hat der ÖGB nicht einmal daran gedacht, anstelle der vielen Demonstranten die Pensionisten finanziell zu unterstützen und ihnen Zuschüsse zu gewähren, damit diese in solche Genüsse kommen können? (Abg. Parnigoni: Luft holen, Hannes!) Wäre das nicht auch ein Beitrag zur sozialen Treffsicherheit? – Aber ich glaube, Sie sind nicht interessiert an der sozialen Treffsicherheit. Das ist die Tragik an dieser Situation für Sie als Opposition, aber nicht für diese Regierung! (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Leikam. ) Diese Regierung gibt klar die Richtung an, und wir sind sehr stolz darauf. (Abg. Silhavy: Das ist eine Peinlichkeit!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr soziale Treffsicherheit ist notwendig, um auch in Zukunft auf unser schönes Österreich stolz sein zu können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

14.31

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! In aller Kürze zunächst ein Entschließungsantrag – die Begründungen dazu sind bereits erfolgt –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Grünewald, Haidlmayr, Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Abstandnahme von der geplanten Besteuerung der Unfallrenten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Finanzminister wird aufgefordert, von der geplanten Besteuerung der Unfallrenten Abstand zu nehmen.

*****

Ansonsten ein paar ganz kurze Bemerkungen. Punkt eins: Der Herr Bundeskanzler – ich werde ihm eine kleine schriftliche Unterlage dalassen –, der das Nulldefizit beschworen hat, hat sich dazu vielleicht den falschen Koalitionspartner ausgewählt. Ich lese mit Staunen in der Ausgabe der "Wiener Zeitung" vom 28. September, dass die Freiheitliche Partei Österreichs, die laut Parteiengesetz im Jahr 1999 immerhin knapp 120 Millionen Schilling aus Steuermitteln an


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39. Sitzung / Seite 69

Wahlkampfkostenrückerstattung bekommen hat, noch dazu Schulden in der Höhe von 11,3 Millionen Schilling gemacht hat. Die Kreditkosten dafür belaufen sich auf knapp 2 Millionen Schilling. – Im Jahr 1999 war das! Bei der Freiheitlichen Partei, der Partei, die mit der Forderung nach einem Nulldefizit angetreten ist! Unterzeichnet Dr. Susanne Riess-Passer und Detlev Neudeck.

Ich werde das dem Herrn Bundeskanzler hier lassen, denn ich weiß nicht, ob er da den richtigen Koalitionspartner für ein Nulldefizit in diesem Lande hat. (Beifall bei den Grünen. – Die Rednerin legt ein Schriftstück auf den Platz von Bundeskanzler Dr. Schüssel auf der Regierungsbank.) Da stellt sich schon die Frage, wie man mit knapp 120 Millionen Schilling aus Steuergeldern so umgehen kann. Das ist beachtlich!

Punkt zwei: Sie haben gesagt, die Opposition war nicht bereit, mit Ihnen über Alternativen zu reden. – Wir haben es von der Bundesregierung schriftlich bekommen als Anlage zu Zl. 433 000/002 und ein paar Schrägstriche. Ich denke, das stammt aus Ihrem Ressort, Herr Bundesminister, nämlich ein Vorblatt zu all diesen Gesetzen im Finanzbereich. Dort steht: Alternativen: keine.

Bitte, worüber wollen Sie mit uns reden, wenn Sie uns, allen 183 Abgeordneten, schriftlich mit-teilen, wir brauchen über nichts zu reden, es gibt keine Alternativen? – Ich finde, das ist eine etwas dreiste Aufforderung, die Sie da an uns richten, das ist ein etwas dreistes Verhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Das ist eine Persönlichkeitsspaltung! Schizophren ist das!)

Punkt drei – auch das ist bereits von Van der Bellen gesagt worden, aber ich rufe es Ihnen in Erinnerung –: Es besteht eine rechtliche Verpflichtung in diesem Land – nach EU-Recht und nach österreichischem Recht –, die Auswirkung legistischer Vorhaben auf die Situation von Frauen zu prüfen. Gender-Mainstreaming heißt das. Das ist durch einen EU-Ratsbeschluss verankert, das haben Sie selbst in den Leitlinien zum NAP übernommen und das steht auch im Koalitionsabkommen. Kein Wort dazu! Sie wollen mit der Opposition nicht über Alternativen verhandeln, darüber hinaus aber werden rechtliche Verpflichtungen auch irgendwie ignoriert. Wir nehmen das zur Kenntnis. Ich weiß nicht, ob es die österreichischen Frauen so zur Kenntnis nehmen werden. Ich hoffe nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das führt dann zu so skurrilen Blüten, dass es nicht einmal, wenn es um Geld geht, Gleichstellung gibt. Es gibt keine Gleichstellung! Das sind skurrile Blüten – nach der alten und der neuen Rechtslage –, aber zumindest da hätten Sie doch ein bisschen reformieren können. In § 21 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, auch in der neuen Fassung, heißt es: Zeiten, in denen der Arbeitslose in Folge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt bezogen hat ... – Also der Arbeitslose, der in Folge Schwangerschaft kein Entgelt bezieht, ist in 100 Prozent der Fälle eine Frau! Nicht einmal die sprachliche Gleichstellung ist Ihnen irgendetwas wert! Und so gehen Sie mit den Frauen generell in diesem Land um. Ich hoffe, Sie bekommen dafür die Rechnung präsentiert. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Punkt vier: Der Herr Bundeskanzler hat argumentiert, weil Kindergärten zu teuer sind, sollen jetzt auch die Unis etwas kosten. – Ich denke, die Logik dieser Argumentation spricht für sich, ich brauche das nicht weiter auszuführen. (Abg. Dr. Mertel: Da gibt es noch etwas dazwischen!)

Ich komme daher zu meinem letzten Punkt. Ich finde es bemerkenswert, dass in der Thematik Stiftungen nur auf Gusenbauer und Edlinger Bezug genommen wird. Ich hätte gerne die Meinung des Finanzministers dazu gehört und werde in Zukunft immer ein ceterum censeo anbringen. Ich bin nämlich der Meinung, dass Milliardäre, dass Stiftungsgründer einen gerechten Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten sollen (Abg. Edlinger: Ich auch!), der nicht geringer sein soll als der Beitrag der "kleinen" Sparbuchinhaberinnen und -inhaber – also 25 Prozent von den Erträgen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.36


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39. Sitzung / Seite 70

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu Wort gemeldet ist Frau Vizekanzler Dr. Riess-Passer. – Bitte.

14.36

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich das legitime Recht der Opposition, die Regierung zu kritisieren (Abg. Schwemlein: Danke!), es ist Sinn der Demokratie, unterschiedliche Standpunkte und Argumente auszutauschen. Was aber ganz sicher nicht Ihr Recht ist, meine Damen und Herren von der Opposition, ist, mit falschen Argumenten unter Weglassung der Hälfte der Sachverhalte und durch falsche Behauptungen ein verzerrtes Bild zu erzeugen: und das tun Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Die darf alles weglassen!)

Ich brauche mir nur vor Augen zu halten, was von Seiten der Oppositionsvertreter und der Gewerkschafter in den letzten Wochen alles behauptet wurde, was angeblich Absicht dieser Regierung sei, was in diesem Sanierungspaket enthalten sei: Von der Erhöhung von Steuertarifen, von der massiven Verschlechterung beim 13. und 14. Monatsgehalt war die Rede – das hat die Arbeiterkammer sogar in Druckschriften ausgesandt –, von einer Erhöhung der Mehrwertsteuer (Abg. Schwemlein: Kraftfahrzeugsteuer, Autobahn-Vignette müssen Sie auch aufzählen!), einer Erhöhung der Kapitalertragsteuer, einer Erhöhung des Höchststeuersatzes, einer Kürzung der Familienbeihilfe und so weiter und so fort. All das haben Sie behauptet. Man muss auch einmal sagen, dass das eine Methode der Verunsicherung und der Angstmache ist, die nicht legitim ist und die nicht dazu dient, dass wir in diesem Land eine ordentliche demokratische Auseinandersetzung zwischen Parteien führen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ganz besonders interessant sind die Beispiele, die Sie dann anführen, diese Rechenbeispiele, mit denen Sie immer kommen. Herr Präsident Verzetnitsch hat vor kurzem in einem Interview in den "Salzburger Nachrichten" ein Beispiel genannt: Ein Arbeitnehmer ohne Kinder mit einem Bruttomonatsgehalt von 20 000 S hat eine jährliche Mehrbelastung von 18 000 S. – Wenn man sich das ansieht und wirklich rechnet, dann stellt man fest, dass er im Vergleich zum Vorjahr, im Vergleich zum Jahr 1999, monatlich de facto 338 S weniger an Belastung hat. (Abg. Edlinger: Die Steuerreform ist das!) Zu Ihrem Ergebnis kommen Sie nur, weil Sie eben immer mit falschen Zahlen operieren.

Auch das Beispiel, das Herr Kollege Nürnberger heute hier von diesem Rednerpult aus verkündet hat und in dem er die Belastung für eine Familie mit zwei studierenden Kindern dargelegt hat, ist falsch, wobei er noch dazu ausgelassen hat, dass bei einem Einkommensbezieher mit dem von ihm genannten Einkommen natürlich ein Stipendium zum Tragen kommt. (Abg. Bures: Nein! Falsch!) Das ist einfach keine anständige Argumentation, die Sie hier vorbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Genauso wenig wie das Argument der Frau Abgeordneten Petrovic, das sie gerade in Bezug auf die Kindergärten genannt hat, zutrifft, denn wenn Sie der Meinung sind, so wie wir, dass Kindergärten zu teuer sind, dann würde ich Sie bitten, das Modell des Kinderbetreuungsgeldes zu unterstützen (Abg. Dr. Petrovic : Nein! Der kostenlose Kindergarten!), das genau in die Richtung geht, nämlich dass Frauen die Möglichkeit haben, sich eine professionelle Kinderbetreuung auch leisten zu können. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was Sie auch nicht erwähnt haben und was ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit ist, ist die Behindertenmilliarde, die diese Bundesregierung für eine Joboffensive für Behinderte zur Verfügung stellt, denn das ist eines der wirklich größten Probleme der Allerschwächsten in unserer Gesellschaft. Wir haben überall auf dem österreichischen Arbeitsmarkt einen Rückgang der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, nur bei den Behinderten ist sie im Steigen begriffen. Deswegen ist es im Sinne der sozialen Gerechtigkeit ein ganz wichtiges und großes Anliegen dieser Bundesregierung, in diesem Bereich etwas zu tun, um genau diesen


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Schwächsten zu helfen, sich auch auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können, überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen. (Abg. Schwemlein: Auch wenn Sie es nicht sagen, wird es nicht stimmen! Es ist nicht so!) Es wäre Ihnen gut angestanden, während der 30 Jahre sozialdemokratischer Regierung in diese Richtung auch einmal etwas zu unternehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Merken Sie eigentlich, wie dünn der Applaus ist?)

Zur sozialen Gerechtigkeit gehört für mich auch, dass wir im Einvernehmen – ich betone das ausdrücklich – mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst eine Lohnrunde vereinbart haben mit einem Fixbetrag von 500 S, der genau darauf abzielt, dass die kleineren und mittleren Einkommen ausdrücklich begünstigt werden. Ich bin froh darüber, dass sich der überwiegende Teil der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu diesem Weg bekannt hat. Den einzigen, die dagegen gestimmt haben, den Richtern und Hochschullehrern, also den Besserverdienenden, wäre Solidarität in diesem Bereich gut angestanden, auf jeden Fall besser angestanden, als jetzt auf der Straße unter dem Titel "soziale Gerechtigkeit" zu demonstrieren. (Abg. Schwemlein: Aber zu Beginn der Verhandlungen haben Sie etwas anderes gesagt!) Dann muss man eben selber auch einen Beitrag leisten.

Ich bedanke mich daher an dieser Stelle bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, weil wir sehr gute und konstruktive Gespräche geführt haben, weil wir uns – auch im Sinne der sozialen Gerechtigkeit – darauf verständigt haben, Essensmarken, das heißt freiwillige Sozialleistungen für Besserverdienende, zu streichen, den Todesfallbeitrag im Sinne der Solidarität der Berufsgruppen untereinander abzuschaffen und gemeinsam daran zu arbeiten, in einer umfassenden Verwaltungsreform sicherzustellen, dass der Staat auch bei sich selber spart, und zwar in einem Ausmaß von 10 Milliarden Schilling in den nächsten zwei Jahren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur sozialen Gerechtigkeit gehört es meiner Meinung nach auch, dass sich diese Bundesregierung darauf verständigt hat, einen Pensionszuschlag für die Kriegsheimkehrer sicherzustellen; das sind jene Menschen, die oft viele Jahre lang in Kriegsgefangenschaft waren, die Jahre ihres Lebens verloren haben und daher heute vielfach nur eine sehr kleine Pension oder überhaupt nur die Mindestpension beziehen. Das ist jene Generation, die dieses Land aus den Trümmern wieder aufgebaut hat. (Abg. Schwemlein: Sie sprechen so erfrischend langsam!) Deswegen ist es auch eine Verantwortung der Republik, diesen Menschen eine Unterstützung angedeihen zu lassen, genauso wie es zur Verantwortung der Republik gehört, die Entschädigung für die Zwangsarbeiter sicherzustellen und die offenen Restitutionsfragen zu regeln. Das ist auch eine Aufgabe, Herr Kollege, hinsichtlich der es Ihnen in 30 Jahren sozialistischer Regierung, sozialistischer Bundeskanzler, sozialistischer Finanzminister gut zu Gesicht gestanden wäre, eine Re-gelung zu treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: So lange bin ich nicht da! Ich nicht!)

Soziale Gerechtigkeit – das ist heute schon mehrfach betont worden, und man kann es nicht oft genug sagen – heißt, Schluss machen mit dem Schuldenmachen der vergangenen Jahre. Und was mir bei der heutigen Diskussion von Seiten der Opposition eigentlich gefehlt hat, ist, dass sie einmal eine Alternative aufzeigen würde (Abg. Dr. Petrovic: Keine! – Abg. Schwemlein: Hat der Grasser gesagt!), nämlich eine Alternative zum Weg des Nulldefizits, das ja kein persönliches Vergnügen des Finanzministers ist, sondern sicherstellen soll, dass wir keine Schulden mehr machen, mit denen wir künftige Generationen in diesem Land belasten. Sie haben es leider Gottes verabsäumt zu sagen, was Ihre Alternative wäre. Ihr Alternative wäre, weiter Schulden zu machen, weiter die Steuern zu erhöhen und weiter die kommenden Generationen zu belasten, denn das ist ja die Konsequenz aus den Schulden, die ein Staat macht, dass man eben Steuern erhöhen muss.

Ich erinnere nur an einen Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei vor der Regierungsbildung in Richtung Erhöhung der Mineralölsteuer. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, zu welchen Belastungen das geführt hätte. Sie sollten einmal ausrechnen, was Ihr Vorschlag, nämlich eine Erhöhung der Mineralölsteuer, für den Bezieher eines Durchschnittseinkommens in der jetzigen


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Situation in Österreich bedeutet hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Regierung ist jedenfalls stolz darauf, dass es ihr gelungen ist, sicherzustellen (Abg. Schwemlein: Dass Sie auf sich stolz sind, ist klar! Ob die Menschen auf Sie stolz sein werden, ist eine andere Frage!), dass drei Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Lande nicht belastet werden, sondern sie nur von jenen einen Beitrag einfordert, die ihn auch leisten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald, Haidlmayr, Öllinger, Freundinnen und Freunde, der von Frau Abgeordneter Petrovic eingebracht wurde, ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Jetzt wird wieder "Herzenswärme" einziehen!)

14.44

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Sitzung heute ist wirklich dringend notwendig (Abg. Schwemlein: Darum sind so wenige von euch da!), denn sie gibt die Möglichkeit, viele Falschmeldungen, die von der Opposition dauernd verbreitet werden, zu korrigieren und zu widerlegen. Es ist ja wirklich grauenhaft, wie bewusst Falschinformationen in die Welt gesetzt werden (Abg. Dietachmayr: Welche?), nur um diese Bundesregierung in Misskredit zu bringen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Hören Sie einmal zu! Ich sage Ihnen etwas. Das fängt damit an, dass wir uns heute hier vom Herrn Abgeordneten Gusenbauer sagen lassen mussten, dass diese Regierung ein Finanz-ressort übernommen hätte, das geordnet war. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was haben Sie für einen Begriff von Ordnung, von geregelten Finanzen, wenn Sie einen derartigen Schuldenberg hinterlassen? – Heute haben wir vom Herrn Finanzminister gehört, 680 Millionen Schilling – täglich! – müssen zurückgezahlt werden. Herr Abgeordneter Schwemlein, für Sie ist das offensichtlich alles irrsinnig lustig (Abg. Schwemlein: Woraus schließen Sie das?), aber für die Bevölkerung ist das wirklich eine ungeheuer schwere Bürde, die Sie ihr aufgelastet haben. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Schwemlein kann nicht anders! Der ist so! Geistiges Nackerpatzl!)

Sie informieren auch weiter falsch, wenn Sie der Regierung vorwerfen, sie würde Sozialabbau betreiben, und zitieren beispielsweise die Unfallrente. Darf ich Sie daran erinnern, wer tatsäch-lich Sozialabbau in diesem Lande betrieben hat? – Das waren Sie, als Sie noch in der Regierung waren. Damals haben nämlich die Behinderten 4 Milliarden Schilling zum ersten Sparpaket beitragen müssen. Sie haben beispielsweise – das ist schon von meinem Klubkollegen erwähnt worden – das Taschengeld für heimuntergebrachte Behinderte auf 500 S gesenkt. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Und für diesen unsozialen Akt gibt es wirklich keine Entschuldigung. Das können Sie überhaupt nicht rechtfertigen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben weiters die Behinderten, die arbeiten, steuerlich dermaßen schlechter gestellt, dass bei ihnen eine enorme Einkommenseinbuße zu verzeichnen war. Sie haben dort angesetzt, wo es wirklich die am schlechtest Verdienenden betroffen hat. Das ist das Resümee Ihrer Politik! Ich frage mich wirklich, mit welcher Berechtigung Sie mit Fingern auf diese Regierung zeigen, die für die Behinderten wirklich ein Herz bewiesen hat, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich weiß schon, das ist ja Ihre Strategie und Ihre Linie. Sie versuchen, mit Angriffen auf die Regierung, mit Ihrer Schlechtmachepolitik all das zu verdecken, was in der Zeit, als Ihre Partei noch in der Regierung war, an Negativem passiert ist. Ich darf Sie daran erinnern, dass


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namhafte SPÖ-Politiker, zum Beispiel Frau Ederer oder Herr Stadtrat Rieder, bezüglich Pflege-geldbezieher Folgendes gesagt haben:

Im Interesse der Pflegequalität sollte das Pflegegeld nur noch dann zu 100 Prozent ausbezahlt werden, wenn der Nachweis der Pflege durch ordnungsgemäß ausgebildete Betreuer oder Familienangehörige erbracht wird. Ohne einen solchen Nachweis soll nur noch ein verkürzter Betrag zur Auszahlung kommen. – Zitatende.

Das heißt, Sie wollten das Pflegegeld kürzen, wenn nicht Belege vorgelegt werden. (Abg. Schwemlein: Wenn die Pflegeleistung nicht vollbracht wird! Das ist ein großer Unterschied!) Jetzt möchte ich Sie gerne fragen, ob Sie sich schon einmal ausgerechnet haben, wie viel Stundenlohn für einen Behindertenbetreuer bei diesem Pflegegeld übrig bleibt. Da gibt es Berechnungen: zwischen 20 und 60 S in der Stunde! Dann können Sie mir sagen, wie viele Stunden sich ein Behinderter da an Pflege einkaufen kann. Ganz, ganz wenig; das würde sich nie ausgehen.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist erschöpft. Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Der Schlusssatz kommt schon. Ich würde Sie bitten, dass Sie endlich einmal zur Seriosität zurückkehren, dass Sie endlich einmal aner-kennen, dass diese Regierung – trotz Sparmaßnahmen! – zum Beispiel 1 Milliarde Schilling für diejenigen zur Verfügung stellt, die es am allerdringendsten brauchen, nämlich für die Behinderten in diesem Land. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Der war früher viel besser!)

14.49

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister und Damen Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch wenn ich Sie vielleicht damit langweile, möchte ich, als voraussichtlich letzter Redner meiner Fraktion, doch nochmals zunächst die Kernsätze festhalten.

In den 30 Jahren sozialdemokratischer Bundeskanzler und Finanzminister ist die Staatsschuld von 47 Milliarden Schilling auf über 2 000 Milliarden Schilling angewachsen (Zwischenrufe bei der SPÖ), was einen jährlichen Zinsendienst von über 100 Milliarden Schilling erfordert. Müssten wir diese Summe nicht aufbringen, hätten wir einen Budgetüberschuss, für den es manch sinnvolle Verwendungsmöglichkeit gäbe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Haben Sie eigentlich eine Ahnung, dass das Fremdkapital auch eine Rentabilität besitzt? Haben Sie das schon einmal gehört?)

Jeder Versuch des seit 1986 in der Koalition befindlichen kleineren Koalitionspartners, irgendetwas gegen die ausufernden Staatsschulden zu unternehmen, wurde vom größeren Partner systematisch abgeblockt. Diese Regierung, Hohes Haus, hat es sich nun zum Ziel gesetzt, die Staatsschuld nicht noch weiter anwachsen zu lassen, das heißt, ehestens ein ausgeglichenes Budget anzustreben.

An alternativen Vorschlägen zu diesem Vorhaben ist seitens der Oppositionsparteien im Wesentlichen nur der Vorschlag gekommen, dieses Ziel nur in kleineren Schritten anzupeilen – ein Scheibchen pro Jahr – und das Ziel ein paar Jährchen hinauszuschieben. Hohes Haus! Das hätte nichts anderes bedeutet, als dass die Staatsschuld und mit ihr der jährliche Zinsendienst während dieser Jährchen noch weiter anwachsen würden.

Einzig sinnvoll war daher der von der Bundesregierung beschrittene Weg einer umfassenden Operation des Patienten. Hohes Haus! Eine schmerzlose Operation gibt es nicht. Eine Sanierung zum Nulltarif gibt es nicht (Abg. Schwemlein: Hoffentlich erwachen Sie einmal aus der


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Narkose! Ich bin neugierig, wie es Ihnen geht, wenn Sie aus der Narkose wach werden!), auch nicht eine Sanierung nach dem Florianiprinzip: Sanierung ja, aber nur nicht bei meiner Gruppe!

Genau das, Hohes Haus, war jedoch die Interessenpolitik von gestern. Alle Gruppen hatten sich gerne daran gewöhnt, dass die Republik Österreich alljährlich mehr Geld über sie ausgeschüttet hat, als sie dem Steuerzahler gleichzeitig aus der Tasche zog. Der Staat soll zahlen – und der Staat war in der Interpretation der jeweiligen Gruppe die Gesamtheit aller anderen Gruppen.

Hohes Haus! Viel schlimmer noch als die Höhe der Staatsschuld als solche wiegt die Tatsache, dass dadurch in breiten Kreisen ein Versorgungs- und Anspruchsdenken immer stärker wurde, das – wir merken es heute – jeder Sanierung hemmend im Weg steht.

Der Österreichische Seniorenbund – ich darf wohl sagen: alle weiter blickenden Senioren in Österreich – fühlt sich einer Interessenpolitik in viel weiter gehendem Sinne verpflichtet, verpflichtet nicht nur den Senioren von heute, sondern auch den Senioren von morgen und von übermorgen. (Abg. Dr. Khol: Das sind wir!) Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, der nächsten Generation nicht eine noch größere Last aufbürden zu dürfen. Daher bejaht der Österreichische Seniorenbund grundsätzlich und ausdrücklich die Notwendigkeit einer umfassenden Reform, zu der alle Bevölkerungsgruppen – auch die Pensionisten – ihren Beitrag zu leisten haben, allerdings unter Wahrung gewisser Gleichheitsgrundsätze und sozialer Symmetrie.

Wir bejahen daher, dass der vorgesehene Wegfall von Absetzbeträgen jeweils nur die obersten 25 Prozent der Einkommensbezieher treffen soll: die obersten 25 Prozent der Aktiven und die obersten 25 Prozent der Pensionisten. Mit anderen Worten: 75 Prozent aller Pensionen – alle kleinen Pensionen! – bleiben von den vorgesehenen Maßnahmen unbetroffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir fragen allerdings – und damit greife ich jetzt ein Beispiel aus dem oberen Bereich heraus –, wie es sich mit dem Gleichheitsgrundsatz verträgt, wenn die jährliche Einkommensminderung bei einer Pension von 26 000 S 5 460 S beträgt, bei einem Aktiveinkommen gleicher Höhe aber nur 756 S.

Wenn argumentiert wird, eine Pension dürfe nicht mit einem gleich hohen Aktiveinkommen verglichen werden, da ja Aktive höhere Aufwendungen und Abzüge haben, sei hinzugefügt, dass die vorgesehene Mehrbelastung für Aktive auch für höhere Aktiveinkommen unter 4 000 S bleibt gegenüber Abzügen von bis zu über 8 000 S für Pensionisten.

Hohes Haus! Die Bundesregierung hat zugesagt, im Zuge der parlamentarischen Behandlung noch zum Abschleifen von Ecken und Kanten bereit zu sein. An diesem Abschleifen mitzu-wirken ist der Österreichische Seniorenbund gerne bereit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Bundesminister Gehrer. – Bitte, Frau Bundesminister.

14.54

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Die moderaten Studienbeiträge sind ein erster Schritt zu einer großen Uni-Reform; einer großen Uni-Reform mit einem neuen, einem verbesserten Angebot für die Studierenden, mit einem neuen Dienstrecht, mit der vollen Rechtsfähigkeit der Universitäten, mit einer Schwerpunktsetzung zwischen den verschiedenen Angeboten.

Da hier verschiedentlich Behauptungen aufgestellt wurden, ist es mir ein Anliegen, vier Klar-stellungen zu treffen.


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Klarstellung Nummer eins: Niemand wird auf Grund finanzieller Schwierigkeiten nicht studieren können. Das heißt umgekehrt: Jeder kann studieren – und wenn es notwendig ist, mit einer finanziellen Unterstützung durch Beihilfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herrn Kollegen Van der Bellen möchte ich gerne Nachhilfe geben und ihm sagen, was "abfedern" heißt. "Abfedern" heißt, einen starken Aufprall vermeiden. Das tun wir, indem wir die Studienbeihilfen um 450 Millionen Schilling auf 1,9 Milliarden Schilling erhöhen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine zweite Klarstellung möchte ich prophylaktisch treffen: Es ist eine Unwahrheit, wenn behauptet wird, die Regierung plane die Einführung von Schulgeldern. Ich fordere alle, die Verantwortung tragen, auf, die Verbreitung einer derartigen Unwahrheit zu unterlassen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dritte Klarstellung: Die Nivellierung nach unten hat ein Ende, und Leistung ist wieder gefragt! Deshalb haben wir die Leistungsstipendien vervierfacht. Wer etwas leistet, erhält in einem Jahr zusätzlich 15 000 S. Ich glaube, das ist ein wichtiges neues Signal. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich fasse die Förderungen zusammen: 15 500 Studierende mehr werden durch das Gesamtpaket Förderungen erhalten. Zusammen mit der Familienbeihilfe erhalten 40 Prozent der Studierenden ab dem Herbst 2001 eine Unterstützung durch den Staat, durch den Steuerzahler.

Meine Damen und Herren! Eine vierte Klarstellung ist mir noch besonders wichtig: Wir haben viele hervorragende Angebote an den Universitäten, wir haben sehr gute Professorinnen und Professoren, wir haben sehr gute Studierende, darum ist es auch gerechtfertigt, wenn wir für dieses Angebot von denen, die es sich leisten können, 833 S im Monat einheben. Ich glaube, wer es sich leisten kann, darf für dieses gute Angebot auch 833 S im Monat zahlen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Klar ist aber auch, dass gerade in der inneren Organisation und bei mancher Ausstattung für eine moderne Verwaltung noch einiges zu tun ist. Mittels der moderaten Studienbeiträge werden wir diese Schwerpunktinvestitionen setzen.

Meine Damen und Herren! Wir verlassen uralte ausgetrampelte Pfade. Wir wollen mit einer modernen Universität neue Wege gehen. Ich lade Sie ein, mit uns diesen Weg zu gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste und letzte Rednerin dazu zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

14.58

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin immer wieder überrascht über die Zweigleisigkeit, die diese Bundesregierung an den Tag legt.

Kollegin Partik-Pablé hat heute hier gesagt: Wir haben ein warmes Herz, es gibt eine Milliarde Schilling zusätzlich für behinderte Menschen! Sie vergisst dabei aber etwas sehr Wesentliches: Einem Interview mit Herrn Klubobmann Khol entnehme ich, dass er sagt, man werde die eine Milliarde über die Erlöse der Besteuerung der Unfallrenten finanzieren. Sie nehmen den behinderten Menschen also Geld weg, sagen hier jedoch nur, dass sie ihnen Geld geben. Das ist die Unwahrheit, die sie verbreiten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese Zweigleisigkeit setzt sich natürlich fort. Nehmen wir die Diskussion betreffend das Erbe, das sie übernommen haben! Herr Bundeskanzler Schüssel ist angetreten mit folgenden Worten: Es gab noch nie so gute Voraussetzungen für ein Land: Wir sind wirtschaftlich stark und wohlhabend, die Demokratie steht auf festen Beinen, die Arbeitslosenrate sinkt, wir haben die niedrigste in ganz Europa, in Österreich sind noch nie so viele Menschen erwerbstätig gewesen


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wie heute. Das ist unsere ökonomische Erfolgsbilanz. – Damit ist er angetreten. Dann kam eine Werbefirma – eine Imagekampagne hat diese Regierung ja auch höchst notwendig – und hat ihm empfohlen, das Land so darzustellen, als würde es in Schutt und Asche liegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vielen Österreicherinnen und Österreicher, die dieses Land zu diesem wohlhabenden Land gemacht haben, werden sich das von Ihnen nicht bieten lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben aber auch eine neue Sprache entwickelt, wie auf Grund der heutigen Diskussion wieder trefflich nachzuvollziehen ist. Der Begriff "Steuererhöhung" wird von Ihnen durch "Anpassungen" ersetzt. "Pensionskürzungen" wird ersetzt durch einen "Pensionsbonus", den Sie geben. Zu 3,5 Milliarden Schilling, die Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch eine Änderung des Arbeitsrechts gestrichen haben, sagen Sie "Aktion Fairness". Die Kürzung der Unfallrente, die Kürzung beim Arbeitslosengeld, die Kürzung des Kinderzuschusses von arbeitslosen Menschen nennen Sie "soziale Treffsicherheit".

Frau Bundesministerin Gehrer! Sie haben das jetzt in Ihrer Rede noch fortgesetzt: Die Einführung von Studiengebühren heißt bei Ihnen "Qualitätsverbesserung von Universitäten" und "Universitätsreform". – Daran sieht man, mit welcher Chuzpe Sie an die Dinge herangehen und welch unsoziale, unredliche und unehrliche Politik diese Regierung macht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie betreiben nämlich ausschließlich eine sehr arrogante, sehr überhebliche Politik. Vor allem zu Ihnen, Herr Bundesminister Grasser, passt diese arrogante und überhebliche Art ganz besonders. Sie machen eine "kalte" Politik für Millionäre.

Herr Stellvertretender Klubobmann Gaugg, Sie selbst sagen: Es kann nicht sein, dass es sich Millionäre wie Prinzhorn richten und dass das auf Kosten der Arbeiter geht. Aber Ihre Partei macht das gerade: Auf Kosten der Arbeiter werden Prinzhorns belohnt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Herr Bundesminister Grasser! Ich weiß, dass Ihnen die Probleme der Menschen völlig egal sind, es ist Ihnen aber nicht egal, wenn es um Ihre eigene Geldbörse geht, wenn es um die Geldbörse des Herrn Bartenstein geht, wenn es um die Geldbörse des Herrn Prinzhorn geht. Die anderen Menschen sind Ihnen egal, nur Ihre eigene Geldbörse ist Ihnen sehr wichtig!

Herr Bundesminister! Ihre arrogante und kaltherzige Politik ist sehr schlimm. Ich fordere Sie auf – Sie sind ja nicht von Arbeitslosigkeit bedroht ... (Bundesminister Mag. Grasser spricht mit einem Mitarbeiter.) – Entschuldigung, Herr Bundesminister, ich hätte gerne Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Bundesminister! Ich weiß schon – Hand auf Ihr kaltes Herz! –: Sie sind von Arbeitslosigkeit nicht bedroht, Sie haben sich Ihr Rückkehrrecht gesichert, bevor Sie den Job als Bundesminister angenommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen, die von Ihrem "Sozialpaket" "nicht betroffen" sind, die weniger als 30 000 S verdienen, dürfen nicht einmal mehr essen, denn die Umsatzsteuer für Kaffee ist höher, auch jene für Tee und Kakao, die Steuern wurden auch für Bier und für Schnitzel erhöht. Diese Menschen dürfen auch nicht mit dem Auto fahren, denn auch dafür wurde die Steuer erhöht. Diese Menschen dürfen auch nicht arbeitslos werden, denn auch in diesem Bereich wird gekürzt. Sie nehmen den Ärmsten Geld, um es den Reichen zu geben.

Sollte dem nicht so sein, ersuche ich Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, folgenden Entschließungsantrag zu unterstützen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Doris Bures und Genossen betreffend Schließung von Steuerlücken bei Privatstiftungen


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Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, Vorschläge zur Beseitigung der Steuerprivilegien für Kapitaleinkommen im Rahmen von Stiftungen vorzulegen, mit dem Ziel, eine steuerliche Gleichstellung der Kapitalerträge von Stiftungen mit den Zinseinkommen aus Sparguthaben herzustellen und die Veräußerung von Beteiligungen steuerlich den Veräußerungen von Beteiligungen durch natürliche Personen gleichzustellen.

*****

Ich bringe einen weiteren Entschließungsantrag ein, er betrifft die ungerechte Einführung von Ambulanzgebühren – denn krank sein darf man auch nicht mehr, wenn man kein Geld hat! –, dieser lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bures und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 19. Oktober 2000 eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, mit der die unsozialen Ambulanzgebühren abgeschafft werden."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es Ihnen um eine sozial gerechte Politik geht, wie das bei der Sozialdemokratie der Fall ist, dann nehmen Sie Abstand von Ihren Regierungsvorhaben.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist erschöpft. (Abg. Haigermoser: Wir auch!) Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend): Ich appelliere an Sie, von Ihren unsozialen Maßnahmen abzugehen und die sozial gerechten Maßnahmen der Sozialdemokratie zu unterstützen! (Beifall bei der SPÖ.)

15.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die von Frau Abgeordneter Bures eingebrachten Entschließungsanträge betreffend Schließung von Steuerlücken bei Privatstiftungen sowie betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Ich rufe nunmehr zu den tatsächlichen Berichtigungen auf.

Herr Abgeordneter Edlinger wünscht das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung.  – Ich ersuche Sie, § 58 der Geschäftsordnung einzuhalten und mit der Wiedergabe des Sachverhaltes, den Sie zu berichtigen wünschen, zu beginnen.

15.05

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe zwei Bemerkungen zu berichtigen:

Herr Abgeordneter Khol und auch einige andere haben behauptet, dass die SPÖ-Regierungen den Schuldenstand allein zu verantworten haben. – Das ist falsch.

Wahr ist vielmehr, dass die SPÖ-Alleinregierungen in 13 Jahren 369 Milliarden Schilling Schulden erzeugten, die ÖVP-Koalitionen in ebenfalls 13 Jahren 1 110 Milliarden, wobei kein Minister an so vielen Schulden aktiv beteiligt war wie der jetzige Bundeskanzler Dr. Schüssel mit 863 Milliarden Schilling. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)


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Zweitens: Herr Bundesminister Grasser hat behauptet – das wird auch in der Anfragebegründung ausgeführt –, dass ich eine Änderung im Stiftungssteuerbereich für nicht notwendig gehalten habe. Ich werde zitiert mit der Aussage, dass "er" – also ich – "im Zusammenhang mit der angesprochenen Gesamtregelung des Privatstiftungsrechtes keinen methodischen Änderungsbedarf sehe". – Das ist an und für sich falsch und nur im Zusammenhang mit der Steuer-reform 2000 richtig.

Ich bin vielmehr für eine stärkere Besteuerung der Stiftungen – was die ÖVP bei der Steuerreform 2000 verhindert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

15.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf zu Wort gemeldet. – Ich bitte Sie ebenfalls, § 58 der Geschäftsordnung einzuhalten.

15.07

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich möchte eine Behauptung des Abgeordneten Öllinger berichtigen.

Kollege Öllinger hat behauptet – mehrfach hat er das heute behauptet, auch noch nach der Richtigstellung –, dass Klubobmann Westenthaler gesagt hätte, dass Abgeordnete Petrovic eine "alte Schachtel" sei. – Dies ist unwahr und unrichtig!

Das Protokoll wurde eingesehen. Die behauptete Beleidigung ist nicht gefallen. Nationalratspräsident Fischer hat dies bestätigt. (Abg. Edlinger: Was hat er dann gesagt? – Abg. Schieder: Was hat er gesagt? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben das im Nachhinein noch einmal behauptet – daher wider besseres Wissen. Offensichtlich hören Sie schlecht, denn sonst wäre es jetzt an Ihnen, sich bei Klubobmann Westenthaler zu entschuldigen; das gebietet auch der Anstand. Ich fordere Sie daher auf, diese falsche Behauptung aus der Welt zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Schieder: Was hat er gesagt?)

15.08

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zweytick – und darüber spreche ich – hat in seiner umfangreichen Darstellung unter anderem auch behauptet, dass Studenten, die von Linz zur Demonstration nach Wien gefahren sind, um den Preis von 180 S gefahren sind, statt 580 S zu bezahlen. Die ÖBB hätten daher ihre kaufmännische Sorgfalt nicht erfüllt.

Ich stelle tatsächlich richtig: Studenten sind Gott sei Dank – noch! – halbpreisberechtigt. Sie müssten also für eine Hin- und Rückfahrt von Linz nach Wien zum Halbpreis 290 S bezahlen. Es ist aber durchaus üblich und entspricht durchaus kaufmännischen Grundsätzen, dass, wenn große Gruppen reisen, noch zusätzliche Ermäßigungen gegeben werden. (Beifall bei den Grünen.)

15.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Öllinger hat sich weiters zu einer Erwiderung gemeldet. – Bitte.

15.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Ich erwidere auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Graf, der mich hier angesprochen und behauptet hat, ich hätte mehrmals die Behauptung in den Raum gestellt – auch, nachdem das Protokoll schon veröffentlicht worden sei –, dass Herr Abgeordneter Westenthaler diesen Spruch gemacht hat. (Zwischenrufe


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bei den Freiheitlichen.) Das ist nicht richtig! (Abg. Ing. Westenthaler: Welchen Spruch?)  – Ich mache Ihnen nicht die Freude, diesen Spruch zu wiederholen; Sie kennen ihn zur Genüge. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja ungeheuerlich! Sie sollten sich einmal entschuldigen!)

Ich habe diese Feststellung im Rahmen einer Wortmeldung gemacht! Und allein die Tatsache, dass dieser Zwischenruf von Ihnen nicht im Protokoll aufscheint, heißt noch lange nicht, dass er nicht gefallen ist, denn Sie wissen sehr gut, wie viele Zwischenrufe hier gemacht werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind ein Manipulant! Nur Ihre Wahrheit zählt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

15.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser zu Wort gemeldet. Bitte § 58 der Geschäftsordnung zu beachten und mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Äußerung zu beginnen.

15.11

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Frau Vizekanzlerin hat das Beispiel des Kollegen Nürnberger als falsch bezeichnet, wonach eine Familie, die ungefähr 49 000 S verdient, eine "Abfederung", wie das so schon heißt, bekommen würde und das daher bei den Studiengebühren einzurechnen wäre. – Diese Behauptung der Frau Vizekanzlerin ist falsch.

Tatsache ist, dass nach allen bekannten Berechnungsmethoden, die bisher vorliegen, eine Familie mit diesem Einkommen auch in Zukunft keinerlei Studienbeihilfe, auch keine erweiterte Studienbeihilfe bekommen wird. Das heißt, dass die Eltern diese 20 000 S für ihre zwei Kinder voll zu bezahlen haben und nichts zurückbekommen werden. Das ist das Faktum und nicht die Schönfärberei, die Sie hier betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Haigermoser und Genossen betreffend Sicherung einer positiven Wirtschaftsentwicklung und der Arbeitsplätze in Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 35.)


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Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Nürnberger und Genossen betreffend Rückziehung des Ministerratsbeschlusses vom 19. September 2000, mit dem das asoziale Treffsicherheitspaket geschnürt wurde.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf und Genossen betreffend Sechs-Punkteprogramm einer Universitätsreform.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 36.)

Wir kommen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen betreffend Abstandnahme von der geplanten Besteuerung der Unfallrenten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist denn der Herr Gusenbauer?)  – Das ist die Minderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend Schließung von Steuerlücken bei Privatstiftungen. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Wo ist denn der Gusenbauer? Wo ist er denn? – Abg. Ing. Westenthaler: Für das Protokoll: Herr Gusenbauer ist nicht für diese Anträge der SPÖ!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Ohne Gusenbauer!)

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bures und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieder ohne Gusenbauer!)

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 957/AB

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu der kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 957/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch die Schriftführerin erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Antragsteller und Erstredner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ihre Redezeit beträgt demnach 10 Minuten.

15.15

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Im Vorfeld dieser Debatte wurde der Verdacht geäußert, wir wollten diese Debatte gebrauchen, um über etwas völlig anderes als über parteiliche Postenbesetzungen zu reden. Das ist natürlich – wer den Klub der Grünen kennt, weiß das – nicht unsere Art und auch diesmal nicht der Fall. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Deswegen spreche ich über parteiliche Postenbesetzungen und richte eine erste Frage an den Herrn Bundesminister für Inneres bezüglich parteiliche Postenbesetzungen in den letzten Jahren und nehme Bezug auf einen Hinweis aus der Wiener Sicherheitsexekutive betreffend den letzten Offizierskurs.

Herr Bundesminister! Entspricht es den Tatsachen, dass beim letzten Offizierskurs der Wiener Exekutive, der Wiener Bundespolizei unter 21 Bewerbern die 15 Besten ausgesucht werden sollten? Bis zu diesem Punkt werden wir uns mit größter Wahrscheinlichkeit auf die Fakten sehr schnell geeinigt haben.

Entspricht es weiters den Tatsachen, dass der wahrscheinlich körperlich leistungsfähigste Bewerber ein Angehöriger der so genannten AUF war? Entspricht es weiters den Tatsachen, dass seine sonstigen Leistungen so zu wünschen übrig ließen, dass der Kommission nichts anderes übrig blieb, als ihn auf den 21. Platz zu reihen? Entspricht es weiters den Tatsachen, dass daraufhin die Spitze des Ministeriums zum überraschenden Schluss kam, auf Grund des Ergebnisses sei ein derartig sprunghafter Bedarf an Polizeioffizieren eingetreten, dass 21 statt 15 aufgenommen werden sollten?


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Und wenn das alles stimmt, frage ich als Letztes: Trägt dafür der Bundesminister für Inneres die Verantwortung, und wie lautet der Name dieses Ministers? (Abg. Ing. Westenthaler: Oder trägt der Pilz die Verantwortung?) – Nein, Kollege Westenthaler, für dieses Missverhältnis von körperlichen Kräften zu geistigem Unvermögen muss ich die Verantwortung wohl Ihrer Fraktion und Ihrer Gewerkschaftsfraktion zumessen. Dieses Verhältnis ist ein Privileg, das man nur bei Ihnen und Ihren Kameradinnen und Kameraden findet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: So tief! Der tiefste Politiker Österreichs!)

Die Postenbesetzungen im AUF-nahen Bereich waren in den letzten Jahren – und da geht es durchaus auch um die Verantwortung eines sozialdemokratischen Innenministers, der das zugelassen hat; das soll man gar nicht verheimlichen – die wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich der illegale Spitzelring der Freiheitlichen Partei im Bundesministerium für Inneres und in der Exekutive bilden konnte. Und jetzt – am Vormittag haben wir ein bisschen weniger Zeit gehabt – möchte ich Ihnen etwas genauer dieses System schildern und auch erstmals schildern, wie es nach unserem heutigen Wissensstand zur Bildung dieses Systems gekommen ist.

Anfang der neunziger Jahre hatte die AUF im Rahmen der Exekutive nicht nur in Wien bei Personalvertretungswahlen beachtliche Erfolge. Das hat sich inzwischen offensichtlich geändert, schlechte gewerkschaftliche Arbeit schlägt sich eben in Wahlergebnissen nieder. Und Mitglieder der AUF waren in der Lage, über Wien hinaus Schlüsselpositionen zu besetzen, insbesondere auch im kriminalpolizeilichen Apparat. Die Freiheitliche Partei hatte damals – unter Anführungszeichen – "sicherheitspolitisch" ein doppeltes Vorhaben.

Vorhaben Nummer 1 war polizeiliche Vorbereitung des systematischen Rufmordes an Gegnern und Kritikern. Jahrelang ist das – nicht nur vom heutigen "einfachen Parteimitglied" – erfolgreich praktiziert worden. Ein Großteil des dazu verwendeten Materials stammt aus der Kriminalpolizei, zum kleinen Teil aus der Staatspolizei, zum Teil aus dem Informationssystem EKIS! (Abg. Dr. Martin Graf: Und zum Großteil vom Pilz!)

Das zweite Einsatzgebiet des freiheitlichen Spitzelringes ist viel weniger bekannt. Anfang der neunziger Jahre hatte die Freiheitliche Partei in zunehmendem Maße ein inneres Problem. Die Flut an neuen Posten, von Gemeinderäten bis hin zu Landtagsmandaten, erlaubte es nicht mehr (Abg. Öllinger: Nationalrat auch!), genau und in jedem Moment zu wissen, wen man da gerade am Abend im Wirtshaus kennen gelernt und am Vormittag auf eine Wahlliste befördert hatte. Das wurde zu einem Sicherheitsproblem, und zwar aus einem einfachen Grund (Abg. Dr. Martin Graf: Sie dürfen nicht von den Grünen auf andere schließen!), weil sich immer öfter herausgestellt hat, dass das Vorstrafenregister der freiheitlichen Jungpolitiker viel länger war als das Register ihrer politischen Erfahrungen. (Beifall bei den Grünen.)

Insbesondere in Niederösterreich bestand seit Anfang der neunziger Jahre das Problem, dass die Freiheitliche Partei irgendwie verhindern musste, dass die Szene der Klein- und Mittelkriminalität mehr oder weniger geschlossen in die Freiheitliche Partei übersiedelt. (Abg. Mag. Schweitzer: Der Mann hat viele Freiheiten da herinnen! Unglaublich!) Aus einer gewissen Perspektive gesehen ist es natürlich eine Frage, die sich jeder "zu Recht" – unter Anführungszeichen – stellt: Warum soll ich ein Delikt planen, wenn ich freiheitlicher Abgeordneter werden kann? (Abg. Mag. Schweitzer: Unglaublich!)

Das war eine Frage, die viele potenzielle freiheitliche Politiker auf eine Art und Weise beantwortet haben, die natürlich die Freiheitliche Partei in ein schiefes Licht gebracht hat. Mit Vorstrafen, mit einem einschlägigen Register ein Landtagsmandat (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben ja auch eine! Haben Sie nicht auch eine Vorstrafe?), endlich immun sein, endlich nicht mehr verfolgt werden können – das war eine durchaus verlockende Perspektive. (Abg. Mag. Schweitzer: Pilz ist auch verurteilt! Sie sind vorbestraft, oder? – Abg. Ing. Westenthaler: Straftäter Pilz!)

Und die Freiheitliche Partei etwa in Niederösterreich hat es damals zugelassen – vielleicht auch gewünscht, vielleicht auch organisiert –, dass Revierinspektoren aus Wien illegale EKIS-Abfragen getätigt haben, um draufzukommen, ob sich nicht schon wieder einer, den man gerade


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am Abend vorher kennen gelernt und mit dem man sich angefreundet hat und am nächsten Vormittag auf eine Liste gesetzt hat, am Tag nach der Wahl als eine äußerst einschlägige Bekanntschaft entpuppt. Da ist abgefragt worden, und da ist man auch fündig geworden. Der Revierinspektor Mayerhofer ist fündig geworden und hat durchaus einschlägige Kandidaten für die Freiheitliche Partei in Niederösterreich ausmachen und ausforschen können. Er hat dafür auch ein Landtagsmandat der Freiheitlichen Partei erhalten.

Deswegen verstehe ich auch die Erklärung von Jörg Haider. Jörg Haider erklärt bei jeder Ge-legenheit: Wir brauchen in Österreich keine Gesinnungspolizei! Ein freiheitlicher Spitzenpolitiker kann das nur sagen, wenn er weiß, die Freiheitliche Partei selbst ist die Gesinnungspolizei. Und wenn man selbst die Gesinnungspolizei ist, dann braucht man keine Gesinnungspolizei.

Meine Damen und Herren! Ich wollte mit diesem kurzen, sachlichen, lösungsorientierten Diskussionsbeitrag (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP) darauf hinweisen, dass wir in dieser Causa noch viel zu besprechen haben. Wir werden natürlich, so uns die Geschäftsordnung die Möglichkeit gibt, dieses Plenum nützen. Trotzdem werden wir nicht müde werden, auch einen Untersuchungsausschuss zu verlangen, nicht weil wir dort besser unsere Argumente vorbringen können, sondern weil wir gerade Mitgliedern, Funktionären, Mandataren und äußerst einfachen Mitgliedern Ihrer Fraktion die Möglichkeit geben wollen, endlich einmal unter Wahrheitspflicht auszusagen. Sie werden sehen, das ist etwas ganz anderes. Das ist eine für Sie äußerst ungewohnte Situation. Ich bin dafür, Sie einmal an etwas völlig Neues, nämlich an die Wahrheitspflicht, zu gewöhnen.

Wenn Ihnen das Parlament dazu eine Möglichkeit verschaffen kann, dann wäre es sehr vernünftig, wenn sich die Österreichische Volkspartei einmal überlegen würde, ob sie die politische Zeche für die Freiheitliche Partei so lange in dieser Causa bezahlen will, bis sie selbst den Verlust Tag für Tag und Stimme für Stimme messen kann.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihre Redezeit ist beendet. Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Letzter Satz: Ich bin deshalb schon sehr gespannt auf die Ausführungen des Herrn Innenministers, dem ich zugute halten muss, dass er im Gegensatz zu den Versuchen freiheitlicher Funktionäre bis jetzt keinen Versuch unternommen hat, diese Ermittlungen, die jetzt endlich stattfinden und, wie ich hoffe, auch zu Ergebnissen führen werden, zu behindern. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte.

15.26

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre Informationen über parteiliche Postenbesetzungen habe ich gerne aufgenommen, ich bitte Sie aber um Verständnis, dass ich die Sachfrage zum Offizierskurs jetzt nicht beantworten kann. Ich habe keine Kenntnis von dieser Angelegenheit. Ich werde dem aber nachgehen und Ihnen eine entsprechende schriftliche Information zukommen lassen.

Zu den Anmerkungen, die Sie zu diesem Offizierskurs und dessen Einberufung gemacht haben, darf ich aber doch einige Punkte anführen.

Zum Ersten: Ich glaube, dass es richtig wäre, dass ordentlich, genau, sorgsam und restlos ermittelt wird. Ich möchte aber alle Mitglieder dieses Parlaments, alle Fraktionen herzlich ersuchen und einladen, mitzuhelfen, dass es keine Vorverurteilungen gibt, bevor Ergebnisse vorliegen. Ich muss zum derzeitigen Zeitpunkt des Ermittlungsstandes sagen, dass Ausdrücke wie "illegaler Spitzelring" oder "illegale EKIS-Anfragen" in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht nicht berechtigt sind. Ich möchte Sie bitten, das auch so zur Kenntnis zu nehmen.


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Ich wehre mich dagegen, dass es Vorverurteilungen gibt, ohne dass die Tatsachen endgültig auf dem Tisch liegen, und ich werde alles dazu beitragen, dass es auch keine Einflussnahme auf die Ermittler gibt. Ich habe selber dafür gesorgt, dass es ein freies Ermittlungsteam gibt, und ich habe weiters dafür gesorgt, dass es ohne irgendwelche politischen Weisungen, auch nicht des Ressortchefs, arbeiten kann. Ich habe dafür gesorgt, dass alle Ressourcen, die der Leiter dieser Sonderkommission haben will, ob finanziell, ob organisatorisch, ob logistisch oder personell, nach Menschenmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Wir haben gestern der Staatsanwaltschaft einen ersten Sachverhaltsbericht übergeben, zur Kenntnis bringen können. Und wie Sie den Medien vermutlich entnommen haben werden, hat die Staatsanwaltschaft heute gerichtliche Vorerhebungen beantragt auf der Basis des Zwischenberichtes der Sonderkommission und zweier Anzeigen.

Auch derjenige, der die gesamte Diskussion in Gang gebracht hat, Herr Josef Kleindienst, soll als Zeuge vernommen werden.

Es geht uns im Ministerium sehr darum, alles dazu beizutragen, dass diese Vorfälle, diese behaupteten Vorfälle, rasch geklärt werden, dass sie aber auch sorgsam und genau überprüft werden. Es geht vor allem darum, dass Menschen, normale Staatsbürger, Bürger dieses Landes vor Missbrauch geschützt werden, aber es geht auch darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Beamte vor Misskredit in Schutz genommen werden. Es ist nicht gut und nicht denkbar – und ich wehre mich mit Händen und Füßen dagegen –, dass wegen einiger vielleicht behaupteter schwarzer Schafe der gesamte Exekutivdienst mit fast 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins schlechte Licht kommt. Das hat sich dieser Exekutivdienst nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe daher auch gemeinsam mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit vier Sofortmaßnahmen umgesetzt, die seit gestern in Kraft sind. Sie stellen an der besonders sensiblen Stelle der Funkleitzentralen für Anfragen per Funk oder Telefon das Vier-Augen-Prinzip her, ebenso bei Dokumentationen, die Dienstaufsicht durch Dienststellenleiter wird verstärkt und es werden seit gestern laufend und verstärkt Kontrollen der Dokumentation der Anfragen durchgeführt, einschließlich des Aspekts ihrer Zulässigkeit.

Ich als Bundesminister für Inneres lasse nicht einen großen Dienst, der sorgsam und mit großem Erfolg für die Sicherheit der Menschen in diesem Land sorgt, auf einen Kleindienst reduzieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.31

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Bundesminister, ich möchte gleich zu Beginn, weil auch heute wieder so im Raum stand, dass irgendjemand von der Opposition die 32 000 Beamtinnen und Beamten der gesamten Sicherheitsexekutive in einen Topf wirft (die Abgeordneten Ing. Westenthaler und Kiss: So ist es!), und weil Abgeordneter Kiss dasselbe gestern schon im Ausschuss getan hat und Schuldzuweisungen in unsere Richtung gemacht hat, eindeutig und klar feststellen: Wir sind sehr daran interessiert, dass diese ganze Angelegenheit des Datenmissbrauchs, des Datenklaus aufgeklärt wird, dass die faulen, blauen Zwetschken, die anscheinend in dieser Sicherheitsexekutive vorhanden sind, auch dementsprechend genannt werden, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit den roten Kirschen?) Aber es wird nicht möglich sein, uns vorzuwerfen, mit dieser Datenaffäre die gesamte Exekutive zu belasten. Das wird Ihnen und auch Ihren Kollegen in der ÖVP- und FPÖ-Fraktion nicht gelingen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Wir hoffen, dass die von Ihnen eingeleiteten Maßnahmen, über die wir gestern sehr ausführlich gesprochen haben, recht bald zu einem Ergebnis führen, und dass


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auch Namen von Personen genannt werden, gegen die ermittelt wird, damit diese Verdächtigungen nicht im Raum stehen bleiben.

Was ich aber in Ihrer Anfragebeantwortung vermisst habe, Herr Bundesminister, ist, dass Sie auf die Fragen des Abgeordneten Pilz bezüglich Postenbesetzungen überhaupt nicht eingegangen sind. Zu diesem Thema hätte ich schon gerne einige Informationen bekommen, und es ist ja auch eine Anfrage von mir und eine Anfrage von Kollegin Mertel Gegenstand der jetzigen Debatte. Kollege Pilz hat ja meine Anfrage aufgegriffen, um diese Debatte heute überhaupt führen zu können.

Es verhält sich schon so, dass, seit diese Regierung im Amt ist, immer wieder festzustellen ist – ich möchte beinahe sagen, es ist schön langsam ein System erkennbar –, dass parteipolitische Besetzungen auf breitester Basis und quer durch die ganze Republik vorgenommen werden (Abg. Murauer: Das war früher so!), dass Leistung und Ausbildung und Dienstalter und dergleichen anscheinend nicht immer entscheidend sind, sondern es sind andere Kriterien, die dafür entscheidend zu sein scheinen  – habe ich gesagt. (Abg. Murauer: Nennen Sie Beispiele!) Ich habe diese Anfrage auch deshalb gestellt, aber seit unseren Anfragen gab es eine Reihe weiterer Fälle.

Herr Bundesminister! Ich möchte an Sie schon auch die Frage richten, welche Qualifikation hat zum Beispiel dieser AUF-Mann, der nicht mehr in der Zentralpersonalvertretung in Wien sitzt, weil er dort von den Beamten abgewählt wurde? Welche Qualifikation hat er für den Posten, den er derzeit in der Bundespolizeidirektion Klagenfurt, nämlich im Begleitschutz des Herrn Landeshauptmannes einnimmt? Welche Qualifikation hat er dafür? Mir wird gesagt, dass er diese Qualifikationen nicht hat. Trotzdem übt er diese Funktion aus. Ein abgewählter Personalvertreter, ein AUF-Funktionär ist im Begleittross des Herrn Landeshauptmannes.

Ich weiß auch nicht, ob es unbedingt zur Aufgabe eines Sicherheitsbeamten gehört, dass gerade dieser AUF-Mann – wie zum Beispiel vergangen Montag ganztägig zu sehen war – immer der Schirmhalter für den Herrn Landeshauptmann ist. Wir sagen immer, wir haben zu wenig Personal, die gut ausgebildeten Sicherheitskräfte sollten andere Aufgaben übernehmen. Herr Bundesminister! Hier wäre es angebracht, der Sache einmal nachzugehen.

Herr Bundesminister! Noch eine weitere Frage: Ich höre, dass die Besetzung des Postens des Sicherheitsdirektors in Kärnten deshalb nicht erfolgen kann, weil das einfache Parteimitglied aus dem Bärental Ihren Vorschlag nicht akzeptiert. Es geht mir nicht darum, dass dort ein ÖVP-Mann Sicherheitsdirektor werden soll, ein ausgezeichnet qualifizierter Mann. Mich wundert nur, dass die ÖVP zur Kenntnis nimmt, dass der Herr Bundesminister die Bestellung nicht vornimmt. Aber das einfache Parteimitglied hat ja Einspruch erhoben, und so wird Kärnten aller Voraussicht nach den ersten blauen Sicherheitsdirektor in einem Bundesland erhalten. Und Sie schweigen dazu, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Martin Graf: Darf ein Freiheitlicher nichts werden in dieser Republik?)

Sagen Sie uns, welche Gründe Sie dafür haben, dass die Nachbesetzung des Sicherheitsdirektors im Bundesland Kärnten auf die lange Bank geschoben wird. Warum nehmen Sie die Bestellung nicht vor? Entscheidet über diese personellen Maßnahmen das einfache Parteimitglied aus dem Bärental, oder entscheiden noch Sie, Herr Bundesminister? Ich wäre Ihnen für eine Information sehr dankbar. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Was dürfen Freiheitliche noch machen in diesem Land?)

15.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

15.36

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die "kurze sachliche Darstellung" des Kollegen Pilz zum angeblichen freiheitlichen Spitzelring im Innenministerium hat mich belustigt, vor allem deswegen, weil er so unendlich viele "Fakten" eingebracht hat, die den Tatsachen entsprechen, die nachvollziehbar sind. Es war dies genau jene


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Melange aus Behauptungen, aus Vermutungen, kurz das Gebräu, das Pilz so gerne einbringt. Nichts ist an Fakten da, Vermutungen sind sein Metier und es ist dann am politischen Gegner, sich verteidigen zu müssen, wenn er angepatzt ist.

Also Kollege Pilz, um es in der Sache zu sagen: Sie haben eine Anfrage des Kollegen Leikam zum Anlass genommen, um im Rahmen dieser Anfragebesprechung einmal mehr Ihr Leib- und Lieblingsthema abzuhandeln. Ich möchte in einer sehr seriösen Art und Weise dem, was Sie gesagt haben, entgegnen. (Abg. Gradwohl: Seit wann kannst du seriös reden?)  – Na bitte, urteile selbst: fern von jeglicher Polemik!

Kollege Pilz! Mit Recht – und da attestiere ich Ihnen Genauigkeit in Ihren Angaben – haben Sie moniert, dass es selbstverständlich auch in der Vergangenheit unter sozialistischen Innenministern Parteipolitik gegeben hat. Immerhin haben wir ja seit 1945 eine breite Auswahlpalette zur Verfügung. Ausgenommen die Periode von 1966 bis 1970 waren es nur Sozialdemokraten, die das Innenressort geführt haben. (Abg. Sophie Bauer: Sie waren ja die letzten Jahre mit in der Regierung!) Seit 4. Feber ist es zum Glück – und wir nehmen es dankbar zur Kenntnis – ÖVP-Innenminister Dr. Ernst Strasser, der dies tut. Sie haben mit Recht gesagt, auch unter den SPÖ-Innenministern habe es Parteipolitik gegeben. (Abg. Sophie Bauer: Sie waren mit in der Regierung! – Abg. Dr. Mertel: Ein Schläfer!)

Aber hören Sie mir doch zu, Frau Kollegin. Sie wissen noch gar nicht, wo ich hin will, und schon kreischen Sie dazwischen. Lassen Sie mich doch in Ruhe argumentieren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Unerhört so etwas!) Ich nehme den Ausdruck "kreischen" mit Bedauern zurück, also: schon schreien Sie dazwischen.

Mit Recht sagt Kollege Pilz, und wer sich in Österreich vor allem im Exekutivbereich bewegt, egal in welcher Landeshauptstadt, bei welchem Posten, in welchen Kommissariaten wird bestätigen: Unter den SPÖ-Ministern im Innenressort hat es eine beinharte, brutale Parteipolitik gegeben. Da hat das Parteibuch gegolten und nicht die Qualifikation, nicht die objektive Leistung und schon gar nicht Aus- und Fortbildung. Das ist ein Faktum, da hat Kollege Pilz Recht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber es war doch so, bitte geben Sie es doch zu! Alle miteinander wissen Sie es. Nicht einmal Portier konnte man werden, geschweige denn Reinigungsfrau, wenn man nicht das SPÖ-Parteibuch hatte. Das sind doch Tatsachen! Reden wir doch die Dinge nicht weg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber ich will ja seriös sein! Und Seriosität in Bezug auf Personalpolitik ist seit 4. Feber mit dem Namen Ernst Strasser im Innenministerium verbunden, denn seitdem er das Innenressort führt, seitdem er in Absprache mit seinen Spitzenbeamten Personalbesetzungen vornimmt, geht es nach objektiven Kriterien. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Lachen Sie doch nicht! Sagen Sie mir ein Gegenbeispiel! (Beifall bei der ÖVP.) Seither geht es nach dieser Objektivierung, geht es nach Leistung, geht es nach Qualifikation, geht es nach Aus- und Fortbildung, und das ist auch schriftlich dokumentiert in diesen Anfragebeantwortungen durch den Innenminister.

Wenn also Kollege Pilz in der Sache selbst argumentiert hätte, hätte er meine volle und uneingeschränkte Zustimmung. Er hat meine Zustimmung dort nicht, wo er am Thema vorbei geredet und aus Personalbesetzungen der Vergangenheit auf eine derzeitige "Spitzelaffäre" – und ich sage das unter Anführungszeichen – geschlossen hat.

Kollege Pilz! Wir werden ja noch ausgiebig Gelegenheit haben, vor allem auf Grund der gestrigen Sitzung des Innenausschusses und der Fakten, die in diesem Innenausschuss der Öffentlichkeit präsentiert wurden, über Ihre Rolle in Angelegenheit Spitzel, Datenklau, Beschaffung von Daten überhaupt zu reden. (Abg. Gradwohl: Das soll seriös sein!?) Ich sage es ihm doch seriös. – Ich würde mich sehr freuen, Kollege Pilz, wenn Sie das, was Sie gestern via Fernsehen vollmundig der Öffentlichkeit verkündet haben, auch täten: nämlich mich zivilrechtlich zu klagen. (Abg. Dr. Pilz: Keine Sorge, das läuft!)  – Das freut mich!


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Ich hoffe jedenfalls, dass mir der Nationalrat die Immunität aberkennt, damit ich vor Gericht unter Eid aussagen kann, genau wie Sie es auch tun werden müssen, Kollege Pilz. Es würde mich freuen, wenn Sie dann beispielsweise Fragen darüber beantworten müssten, wie Sie zu geheimen Papieren aus der Bundespolizeidirektion kommen, wer Ihnen diese Papiere zur Verfügung gestellt hat und wie Sie sie missbräuchlich verwendet haben. Wenn Sie dann unter Eid aussagen müssen, Kollege Pilz, dann kreuze ich mit Ihnen im Gerichtssaal gerne die Klingen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reindl. – Bitte.

15.41

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Pilz von den Grünen hat in seinem Debattenbeitrag zu Recht erkannt, dass die Aktionsgemeinschaft Freiheitlicher und Unabhängiger große Erfolge gehabt hat. Das stimmt, das ist richtig.

Er hat aber dann davon gesprochen, dass die Freiheitlichen in den neunziger Jahren ein doppeltes Vorhaben gehabt hätten: erstens, hat er gemeint, den systematischen Rufmord an politischen Gegnern und zweitens, hat er gemeint, die Besetzung von Mandaten mit Mandataren, deren Vorstrafenregister länger sei als ihre politischen Erfolge.

Meine Damen und Herren! Sie können sich selbst ein Bild von den Aussagen eines Abgeordneten machen, der ja bekanntlich zur Exekutive nicht das beste Verhältnis hat. Diese Aussagen des Abgeordneten Pilz entbehren jeder Grundlage, und sind schlichtweg als falsch zu bezeichnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zum eigentlichen Tagesordnungspunkt, zum Thema ... (Abg. Öllinger: Welche Aussagen haben Sie gemeint?)  – Die Aussage, die er gemacht hat, also: Die Freiheitliche Partei hätte systematischen Rufmord betrieben und die Besetzung von Mandaten, also das Vorstrafenregister der Mandatare sei länger als deren politische Erfolge. – Ist das in Ordnung, Herr Öllinger? (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist euer Stil!)

Die Besetzung öffentlicher Leiter-Funktionen und Planstellen ist natürlich immer wieder problematisch, so auch in der Exekutive, in der es Gott sei Dank genug hoch qualifizierte, männliche und weibliche Beamte gibt. Aber eines steht fest: Eine ausgeschriebene Funktion kann nur mit einer Person besetzt werden, und natürlich stellt sich hierbei dann auch sofort die Frage, ob die jeweilige Entscheidung politisch motiviert war. Wird die Planstelle mit einer der ÖVP nahe stehenden Person besetzt, so stellt sich die SPÖ natürlich die Frage, ob das politisch motiviert war. Ist es umgekehrt, wird es wahrscheinlich die andere Fraktion tun. So geschehen auch in der Anfragebegründung der Abgeordneten Leikam und Genossen, in der es unter anderem wortwörtlich heißt:

"Seit dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung häufen sich jedoch die Beschwerden von Beamten der Sicherheitsexekutive, wonach ein berufliches Fortkommen oftmals nicht allein durch die fachliche Qualifikation, sondern vielmehr durch die politische Gesinnung gewährleistet ist." – Zitatende.

Hohes Haus! Das heißt auf Deutsch: Wird ein Posten im öffentlichen Dienst nicht mit einer der Sozialdemokratie nahe stehenden Person besetzt, dann ist diese Besetzung politisch motiviert. Abgeordneter Leikam hat in seinem Redebeitrag gesagt, da stecke sogar System dahinter.

Konkret zu den beiden Fällen, auf die die Anfrage der Abgeordneten Leikam und Genossen Bezug nimmt: Im Fall der Besetzung der Leiterfunktion des Kriminalbeamteninspektorates der Bundespolizeidirektion Graz hat die Begutachtungskommission keine die berufliche Aus- und Fortbildung betreffende fachliche Bewertung vorgenommen, obwohl es im Hinblick auf das Anforderungsprofil der zu besetzenden Position dringend geboten gewesen wäre. (Abg. Leikam: Wo ist die Antwort des Ministers?)  – Ja, das ist ja auch richtig, es geht ja auch aus der


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Akte hervor, Kollege Leikam. Infolgedessen war es richtig, nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz zu entscheiden, in dem es im § 4 Abs. 3 heißt:

"Von mehreren Bewerbern, die die Ernennungserfordernisse erfüllen, darf nur der ernannt werden, von dem auf Grund seiner persönlichen und fachlichen Eignung anzunehmen ist, dass er die mit der Verwendung auf der Planstelle verbundenen Aufgaben in bestmöglicher Weise erfüllt." – Zitatende.

Auch bei der zweiten Besetzung ist es in etwa dasselbe. Da geht es um eine Besetzung bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten. Da war ebenso richtig zu entscheiden, es ist auch richtig entschieden worden. Ich bin mir auch sicher, dass Herr Oberstleutnant Richard Fetz seine Aufgaben als Leiter der Kriminalbeamten des Kriminalbeamteninspektorates der BPD Graz zur vollsten Zufriedenheit aller – auch zur Zufriedenheit der politisch anders Denkenden – erfüllen wird. Das Gleiche gilt auch für Frau Petra Lerchbaumer bei der SID in Kärnten.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden immer jene Personen unterstützen, die fachlich und persönlich am besten qualifiziert sind und nicht jene Personen, die rein zufällig das richtige Parteibuch haben.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Hermann Reindl (fortsetzend): Das ganz im Sinne einer alten freiheitlichen Forderung nach Objektivierung der Postenbesetzung im öffentlichen Dienst. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als letzter Redner dazu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Information für Herrn Abgeordneten Kiss sei noch einmal festgehalten: Die Klage auf Unterlassung und Widerruf Ihrer Behauptungen seitens des Grünen Klubs ist eingebracht. Es ist klar, Herr Abgeordneter Kiss, dass Sie hier diese Behauptungen so oft wiederholen können, wie Sie wollen. Es wäre allerdings auch nicht unangemessen gewesen, wenn Sie es in Form einer Frage an den Herrn Innenminister gemacht hätten. Sie können das hier behaupten, so oft Sie wollen, aber draußen werden Sie sich genauso verantworten müssen wie jeder andere normale Staatsbürger. Das ist keine Frage, die die Immunität betrifft – und das wissen Sie auch.

Herr Abgeordneter Kiss! Weiters wäre interessant gewesen, zu erfahren, warum Sie die Möglichkeit nicht genutzt haben, hier das zu wiederholen, was Sie heute am Vormittag behauptet haben, was Sie gestern behauptet haben. Sie haben nämlich behauptet – wobei Sie sich ganz offensichtlich auf den Innenminister berufen –, dass Abgeordneter Pilz Gegenstand polizeilicher Ermittlungen rund um die Sonderkommission ist. (Abg. Dr. Puttinger: Nicht SOKO, sondern BPD!) Sie wissen genauso gut wie ich, dass Abgeordneter Pilz im Ausschuss den Innenminister gefragt hat, ob er Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen rund um EKIS beziehungsweise die Sonderkommission ist – offensichtlich nein! Ob er Zentrum und Mittelpunkt weiterer Ermittlungen sei – offensichtlich auch nein!

Abgeordneter Pilz wird – so wie andere Abgeordnete auch – im Rahmen der EKIS-Abfragen leider vorkommen. (Abg. Kiss: Woher wissen Sie das?)  – Ich nehme es an, Herr Abgeordneter Kiss, weil es mich nicht wundern würde. Und das ist genau der Punkt, Herr Innenminister! Es geht nicht darum, dass 30 000 Bedienstete der Exekutive jederzeit und immer Lust verspüren, EKIS-Abfragen zu machen über Abgeordnete, über Künstler oder auch über einfache Asylwerbende – auch diese Abfragen hat es ja gegeben –, sondern es geht darum, dass sich über die Jahre gut dokumentieren lässt, dass ganz offensichtlich bestimmte Exekutivbeamte, die zu einer bestimmten Partei in einem Naheverhältnis stehen, derartige Abfragen gemacht haben.


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Ich akzeptiere Ihre Haltung, wonach Sie keine Vorverurteilung machen, voll, und würde Sie auch darin unterstützen. Aber eines sei mir unbenommen, nämlich darauf hinzuweisen, was über die Jahre hinweg von Medien berichtet wurde.

In der Causa des Paul W., jenes Salzburger Exekutivbeamten, der in einem Strafverfahren wegen Missbrauch des Amtsgeheimnisses zwar aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde, zuvor aber vom Chef der Freiheitlichen Partei auf einer öffentlichen Parteiveranstaltung dafür belobigt wurde, dass er das Amtsgeheimnis gebrochen hat, hat Abgeordnete Partik-Pablé gemeint, das sei ein "entschuldbarer Notstand" gewesen, aus dem heraus die Verletzung beziehungsweise der Missbrauch des Amtsgeheimnisses erfolgt sei. Er ist freigesprochen worden mangels Beweisen.

Meine Damen und Herren! Der Zweite und heute hier schon Zitierte – inzwischen auch Abgeordneter der Freiheitlichen, der belobigt worden ist dafür, dass er offensichtlich disziplinarrechtlich verurteilt wurde – ist der niederösterreichische Landtagsabgeordnete "Leopold" – nennen wir ihn einfach "Leopold". (Rufe bei den Freiheitlichen – auf Abg. Dipl.-Ing. Schöggl weisend –: Nein! Nicht "Leopold"!) Dieser "Leopold" ist Gegenstand von Ermittlungen – auch der Staatsanwaltschaft! – gewesen, und ich hätte mir gewünscht, dass der damalige sozialdemokratische Innenminister die Polizei, seine eigene Truppe, etwas intensiver zu Ermittlungen aufgefordert hätte.

Es ist nämlich schon merkwürdig, dass die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft damals eingestellt wurde und der Öffentlichkeit dann auch in einem Artikel, der im "Kurier" vom 10. Januar nachzulesen ist, mitgeteilt wurde: Es gibt doch keinen Datenklau durch die Wiener Polizisten! – damit war der Beamte "Leopold" gemeint –, während es – Gott sei Dank! – inzwischen – weil die Polizei von sich aus die Sache nicht auf sich hat beruhen lassen – zu einer disziplinarrechtlichen Verurteilung des Herrn "Leopold" gekommen ist. Das ist deswegen merkwürdig, weil diese Sache niemand erfahren hätte, hätte nicht der Abgeordnete Pilz diesen Fall an die Öffentlichkeit gebracht.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist erschöpft. Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Es hätte niemand erfahren, dass es in diesem Fall eine disziplinarrechtliche Verurteilung gegeben hat. Meine Damen und Herren! Schon allein deswegen unterscheidet sich die Veröffentlichung eines Disziplinarurteils durch den Abgeordneten Pilz sehr wesentlich vom Bespitzeln von unbescholtenen Bürgern, ganz egal, ob Sie Parlamentarier, Kulturschaffende oder Asylwerbende sind! (Beifall bei den Grünen.)

15.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte sowie die


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Aufklärung der Weitergabe von sensiblen Daten oder dem Redaktionsgeheimnis unterliegenden Informationen des ORF an politische Parteien.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis S: 5, F: 4, V: 4 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte.

Aufklärung der Weitergabe von sensiblen Daten oder dem Redaktionsgeheimnis unterliegenden Informationen des ORF an politische Parteien.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundesministeriums für Inneres und anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten hin überprüfen."

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte 5 Minuten, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Ich erteile es ihm hiemit.

15.53

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich hoffe, Sie bleiben da, weil es ja teilweise um Ihr Ressort geht. (Abg. Dr. Khol: Das glaube ich nicht!) Meine Damen und Herren, wir verlangen die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses, weil wir zutiefst davon überzeugt sind, dass er einmal kommen wird, kommen muss und notwendig ist zur Demokratiehygiene – eine hygienische Maßnahme zur Wahrung der Polizei und ihrer Aufgabenstellung in diesem Staat. Die Verdachtsmomente sind so stark, dass eine politische Aufklärung dieses politischen Skandals unabdingbar ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Westenthaler! Ihre Realitätsverweigerung funktioniert schlicht und einfach nicht mehr. Sie haben an einen Innenminister, der sich ausdrücklich darauf berufen hat, kein Richter zu sein, und der noch lange nicht am Ende, sondern erst ganz am Beginn von Untersuchungen steht, die Frage gerichtet, ob es in diesem Zusammenhang bereits konkrete beweisbare Fakten gibt. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein!) Der Herr Innenminister hat gesagt, nein, aber er hat Ihnen auch gleichzeitig gesagt, dass es nahezu täglich neue Fakten gibt. Und wenn wir davon ausgehen, was wir wissen, dann ist eines klar: Es ist ein freiheitlicher Spitzelskandal! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die handelnden Personen waren Politiker Ihrer Fraktion. (Abg. Dr. Martin Graf: Im Vernadern seid ihr gut!) – "Vernaderung" stimmt in diesem Zusammenhang, weil eine in diesem Zusammenhang genannte Person der Abgeordnete Naderer aus Salzburg ist. Die Personen sind auf jeden Fall Politiker der Freiheitlichen Partei. Das Ziel ist ein politisches, und auf jeden Fall ist auch der Zweck ein politischer.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Es hat in Salzburg, es hat in Niederösterreich Disziplinarverurteilungen gegen Ihre Mitglieder, gegen Ihre Funktionäre, gegen Ihre Abgeordneten gegeben. Zeigen Sie mir eine Fraktion in diesem Haus, die flächendeckend über alle Landtage, die flächendeckend auch in diesem Haus eine entsprechende Tätigkeit entwickelt hat, um auf diese Art und Weise Leute unter Druck zu setzen, ausschließlich mit dem Ziel, zu Informationen zu kommen. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Sagen Sie den Namen eines freiheitlichen Abgeordneten! – Abg. Ing. Westenthaler: Was war in Salzburg?)

Kommen wir gerne auf Salzburg zu sprechen, meine Damen und Herren. In Salzburg, Herr Kollege Westenthaler, ist Folgendes passiert: Es wurden illegal beschaffte Daten weitergegeben an Dr. Jörg Haider, Ihrem einfachen Parteimitglied aus Kärnten! Das hat auch zu einer Diszi


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plinarverurteilung in diesem Zusammenhang geführt, es hat nur kein Gerichtsurteil gegeben. (Abg. Ing. Westenthaler: Oja, es hat ein Urteil gegeben!) Wissen Sie, warum dieses Gerichtsurteil nicht existiert hat? (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe das Urteil hier! "Im Namen der Republik": freigesprochen!) Nicht, weil der entsprechend disziplinierte Exekutivbeamte die Daten an Haider nicht weitergegeben hat – o ja, das ist sogar außer Streit gestellt worden –, sondern, weil ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass er selbst, höchstpersönlich, sich diese Daten aus dem Polizeicomputer besorgt hat. Wahrscheinlich hat er sie irgendwo auf dem Gang gefunden, wie das halt so ist. Und das ist Ihr "Freispruch", meine Damen und Herren von der FPÖ!

Der Zusammenhang mit der FPÖ ist eindeutig, in Niederösterreich genauso wie in Salzburg, und Wien wird folgen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Spuren laufen in die AUF-Sekretariate. Die Spuren laufen in die Wiener FPÖ, wo Sie ja lange gesessen sind, Herr Kollege Westenthaler. Und die Spuren laufen selbstverständlich zum persönlichen Sekretär von Dr. Haider, aber sie laufen auch in dieses Haus, in Ihr Klubsekretariat. (Abg. Dr. Ofner: Und nach Schwechat!) Und all das wird zu untersuchen sein. Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, dass, wenn die Untersuchung fair und gründlich ist, Sie am Ende der Untersuchung zur Kenntnis zu nehmen haben werden, dass Sie eine Partei sind, die gegen die demokratischen Spielregeln verstoßen hat und die strafgesetzwidrige Handlungen in diesem Zusammenhang nicht nur deckt, sondern angeregt hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Ofner: Was ist mit dem Menschen in Schwechat? – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist eine miese Vernaderung! Das ist ganz mies!)

Meine Damen und Herren! Das Ganze hat System. In diesem Zusammenhang darf ich Sie nur daran erinnern, was unter frenetischem Applaus der freiheitlichen Fraktion am 23. April 1996 Dr. Haider hier erklärt hat. Er hat sich ausdrücklich auf einen Verschlussakt des Ministeriums berufen und in weiterer Folge gesagt, dass "wir" – nämlich die freiheitliche Fraktion – "Ihren gesamten Aktenverlauf, Herr Minister, in Händen haben". (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Aus heutiger Sicht ist sehr deutlich, was gemeint war. Herr Minister! "Ihren gesamten Aktenverlauf, jeden Akt, der bei Ihnen vorbeiläuft, haben wir in Händen!" – Und Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, sagen noch immer, die Luft sei draußen, es sei nichts zu untersuchen. (Abg. Dr. Ofner: Da ist nichts drin!) Das ist eine Ungeheuerlichkeit in einer Dimension, wie sie viele von uns überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen wollten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lesen Sie die Zeitungen, meine Damen und Herren! Nicht nur Politiker, nicht nur Journalisten, nicht nur Manager und Künstler haben Sie in diesem Zusammenhang beschattet, bespitzelt, sondern sogar Ihre eigenen Wähler, beispielsweise in St. Pölten, wo ganze Gemeindebauten perlustriert wurden, auch Wähler der Freiheitlichen Partei, nur um für den Wahlkampf festzustellen: Gibt es dort Ausländer, oder gibt es dort keine Ausländer?! – So viel zu Ihrer ausländerfreundlichen Politik. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben nicht einmal vor Ihren eigenen Mitgliedern Halt gemacht. Sie haben Zierler bespitzelt, Sie haben letztendlich auch Klubmitglied Ortlieb bespitzelt. Meine Damen und Herren! Diese Bespitzelung hat System, System, das menschenverachtend ist. (Abg. Dr. Ofner: Und was ist mit Schwechat?)

Wir haben den Rednern der ÖVP ganz genau zugehört. Kollege Ellmauer hat überhaupt nur 30 Sekunden für diese Sache benötigt. (Abg. Großruck: In der Kürze liegt die Würze!) Er hat heute am Vormittag erklärt, es sei im Ausschuss ausgemacht worden, das Ganze am 18. Oktober zu diskutieren und nicht heute. Kollege Ellmauer – ich gratuliere ihm dazu – hat null Worte zur Verteidigung der freiheitlichen Fraktion in diesem Spitzelskandal gefunden. Sie beginnen, sich abzusetzen, meine Damen und Herren, und ich glaube, dass das durchaus sinnvoll ist.

Einer, der in diesem Zusammenhang nicht lacht, ist Herr Kollege Kiss. Herr Kollege Kiss hat erklärt, dass das EKIS im Grunde genommen viel zu sensibel ist, um parteipolitischer Spielball zu sein. Ich kann ihm nur Recht geben. Und das ist auch der Grund, warum wir einen Unter


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suchungsausschuss fordern. Das muss geklärt werden! Sie haben das EKIS zum parteipolitischen Spielball degradiert. (Abg. Haigermoser: Der Mann wird immer schwächer!)

Letzte Bemerkung in diesem Zusammenhang, und da hätte ich mir gewünscht, dass der Herr Bundesminister anwesend ist. (Rufe bei der SPÖ: Der Khol hat ihn weggeschickt!) Was hat Strasser gesagt? – Wir ermitteln, und wir haben nicht zu spekulieren! Wir ermitteln, und wir sind keine Richter! Ist das ein Freispruch, Herr Kollege Westenthaler? Ganz im Gegenteil! Der Herr Bundesminister für Inneres hat korrekt gesagt: Wir werden aufklären, und wir sind nicht die Richter!

Ich muss aber auch hinzufügen, dass in diesem Zusammenhang einige Fragen offen sind, nicht zuletzt die Frage: Warum ist eigentlich Kleindienst noch immer nicht vernommen worden? Warum? (Abg. Kiss: Ist er schon!)  – Vernommen worden ist er nicht. (Abg. Kiss: Aber ja!) Warum wird die Öffnung von Konten nach wie vor nicht beauftragt? (Abg. Kiss: Sie waren ja gestern nicht mehr im Ausschuss! Sie waren ja schon bei der Pressekonferenz!) Warum, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben Sie solche Angst davor, ausländische Experten zu befragen und zu befassen?

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Stimmen Sie der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses zu, wenn Sie wirklich nichts zu verbergen haben! Meine Damen und Herren von der ÖVP! Der öffentliche Druck wird so groß werden, dass Sie einem derartigen Antrag irgendwann in Zukunft werden zustimmen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass – wenn man sich die Reden genau ansieht – Sie heute bereits sehr wohl nachzudenken beginnen, wie Sie zu argumentieren haben, dass Sie Ihre Entscheidung dann mit Ihren jetzigen Reden vereinbaren können.

Meine Damen und Herren! Sie werden zustimmen müssen. Ich würde meinen, es ist in Ihrem Interesse: Tun Sie es heute! (Beifall bei der SPÖ.)

16.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

16.04

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Die Spitzelaffäre der FPÖ ist ein Anlass, um sich wieder einmal die Geisteshaltung, mit der die Freiheitliche Partei diesen Staat umgestalten will, vor Augen zu führen und zu analysieren. Und hier – das kann man Ihnen nicht vorwerfen – verfolgen Sie eine klare Linie auf dem Weg zum autoritären Staat. (Abg. Dr. Ofner: Herr Präsident! Haben Sie das gehört?) In kürzester Zeit ist bereits eine Flut von Unvorstellbarem vorgefallen, das ich in Erinnerung rufen möchte. Das beginnt einmal mit der Ansage Ihres Alt-Parteiobmannes, Ordnung in den Redaktionsstuben schaffen zu wollen. (Abg. Dr. Ofner: Ich freue mich darüber, dass die Herrschaften nichts mehr zu reden haben!)  – Herr Kollege Ofner, warum sind Sie so aufgeregt? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Na über Ihre Meinung!) – Meine Meinung werde ich hier äußern, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Frau Abgeordnete. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Und wir müssen sie kritiklos zur Kenntnis nehmen?)

Das ging dann über den Versuch, die Justiz zu instrumentalisieren und Kritiker und Kritikerinnen mit Klagen mundtot zu machen. Bis Sie mich mundtot machen, müssen Sie sich noch sehr anstrengen. (Abg. Dr. Martin Graf: Ich bin fünfmal geklagt worden, aber ich habe noch nie geklagt! Was sagen Sie dazu?)

Überlegungen, Oppositionelle, so Ihnen die Äußerungen nicht passen, strafrechtlich zu verfolgen. Ein Spitzelnest in der Polizei haben Sie aufgebaut mit dem Ziel, Kritiker und Kritikerinnen unter Druck zu setzen. Im ORF ist Bespitzelung vorgefallen, und Sie haben das genutzt, um Vorzensur im ORF üben zu können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Als Generalsekretärin sollten Sie wenigstens die Presseaussendungen aus dem ORF lesen!) Es ist tatsächlich ein atemberaubendes Tempo, das Sie hier innerhalb von wenigen Monaten vorgelegt haben. Ich muss Ihnen sagen, ich verstehe, wenn Leute zunehmend Angst bekommen und sich fragen, wenn sich das schon in wenigen Monaten so entwickelt, wie wird es erst in einem Jahr aussehen? Auf


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was alles müssen wir uns noch gefasst machen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Diese Leute wenden sich alle an die Menschenfreunde in der SPÖ!)

Sie konstruieren für sich gespenstische Wirklichkeiten, wie das auch aus diversesten Interviews in der letzten Zeit klar geworden ist. Ein wesentliches Element für die Wirklichkeiten, die Sie konstruieren, ist das böse Andere, gegen das Sie dann auftreten müssen. Sie erliegen zum Teil Ihren eigenartigen Konstruktionen der Wirklichkeit, wie zum Beispiel Ihrem Bild des Regierungsfunks, das Sie jetzt jahrelang immer getrommelt haben und an das Sie offensichtlich mittlerweile selber glauben. Sie haben den Eindruck: Jetzt sind wir in der Regierung, und jetzt nehmen wir den ORF in Besitz, und jetzt achten wir darauf, dass das berichtet wird, was uns passt! Aber wir werden nicht zulassen, dass die freie Meinung in diesem Staat durch freiheitliche Meinung ersetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sind durch die Spitzelaffäre massiv unter Druck gekommen und massiven Vorwürfen ausgesetzt. Sie haben eine breite Klagsflut über das Land gelassen. Ich frage Sie: Warum klagen Sie Herrn Kleindienst nicht? (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt sollen wir auf einmal klagen! Sollen wir ihn mundtot machen?) Klagen, das ist Ihre Methode und nicht meine. Warum klagen Sie kleine Zeitungen, Intellektuelle, Künstler, aber nicht jenen Mann, der dermaßen massive Vorwürfe gegen Sie erhebt? (Abg. Ing. Westenthaler: Den sollen wir klagen! Das ist ja irre! Total irre!) Sie sagen, das stimmt nicht! Stellen Sie sich, Herr Westenthaler! Stellen Sie sich doch bitte! Hier haben Sie gekniffen, hier ziehen Sie den Schwanz ein! (Beifall bei der SPÖ.)

Es liegt der Verdacht nahe, dass Sie Angst haben, sich der Wahrheitspflicht zu stellen. (Abg. Dr. Martin Graf: Also sollen wir jetzt mehr klagen oder weniger? Was ist Ihr Vorschlag, Herr Kollege Schwemlein? Geben Sie uns einen Rat! – Abg. Schwemlein: Gar keine Klage!) Der Untersuchungsausschuss ist deshalb von großer Notwendigkeit, weil die politischen Fragen im Zusammenhang mit diesem Skandal geklärt werden müssen. Es muss geklärt werden, wo die Fäden in diesem Spitzelnetz zusammenlaufen und wer die Auftraggeber sind. Das sind die politischen Fragen, die zu klären sind.

An die Kollegen von der ÖVP möchte ich die Frage richten, da jetzt klar geworden ist, dass Abgeordnete dieses Hauses bespitzelt worden sind, da die Vermutung besteht, dass Regierungsmitglieder bespitzelt worden sind, vielleicht auch Kollegen aus Ihrer Partei: Wie fühlt man sich eigentlich selbst, wenn man sich die Frage stellen muss: Bespitzelt einen der Koalitionspartner?

Ich möchte den Kollegen Ortlieb fragen – Frau Kollegin Zierler ist ja nicht hier –: Wie fühlt man sich, wenn die Partei, die einen auf Plakaten abbilden will, vorher klar signalisiert: Ich misstraue dir! Ich bespitzle dich und überprüfe dich zuerst!? (Abg. Ortlieb: Ich habe ja nichts zu verbergen!)

Es gibt also viele Gründe dafür, dass auch einige von Ihnen massives Interesse an einer Klärung haben sollten und unserem Antrag auf Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses im eigenen und auch im politischen Interesse zustimmen sollten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Ofner: Alle klagen! Eine Flut von Klagen!)

16.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Zweimal Kiss ist zweimal zu viel! – Abg. Dr. Martin Graf: Oder einmal zu wenig! – Abg. Schwarzenberger: Zweimal Sachlichkeit! – Ironische Heiterkeit des Abg. Schwemlein. )

16.10

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Am 10. Mai 1999 – ich zitiere Passagen aus dem Stenographischen Protokoll der damaligen Nationalratssitzung – hat ein Abgeordneter dieses Hauses Folgendes zum Thema Untersuchungsausschüsse gesagt:

"In absehbarer Zeit wird ... der Nationalrat über ... Informationsquellen zu diesem Bereich verfügen: erstens über die strafgerichtlichen Erhebungen, zweitens über die Sonderkommission des Innenministeriums ...


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Meine Damen und Herren! Diese Gremien sind absolut unabhängig, und wenn deren Bericht in diesem Haus vorliegt, dann, meine Damen und Herren, Hohes Haus, ist auch Zeit, politische Konsequenzen zu ziehen. Und dies wird Aufgabe des Nationalrates und nur des Nationalrates sein. ...

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates vor dem Vorliegen dieser Unterlagen würde bedeuten, dass sich ein ... Gremium mit dieser Frage beschäftigt, dessen einzige Auswirkung wäre, die Tätigkeiten der anderen Gremien wesentlich zu beeinträchtigen, und das kann weder in unserem Interesse noch im Sinne der Sache sein." – Zitatende. (Abg. Schwarzenberger: Wer war das?)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Sie würden es nicht glauben (weitere Rufe: Wer war das? Wer war das?): Der, der vor 10 Minuten noch den Antrag der SPÖ zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses begründet hat, Dr. Peter Kostelka war es (ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), der dies noch am 10. Mai 1999 – zweifelsfrei natürlich aus einer anderen Position, das geben wir schon alle zu; wir wissen es auch und wir sehen ja, in welcher Problematik er sich befindet –, der das vor eineinhalb Jahren gesagt hat. (Abg. Dr. Spindelegger: Der Kostelka war es?!)

Kollege Kostelka! Was ist es denn, was Sie innerhalb von eineinhalb Jahren dazu veranlasst hat, diese grundsätzliche Neupositionierung in Sachen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von damals zu heute zu vollziehen? (Abg. Dr. Kostelka: Aber sagen Sie den ganzen Sachverhalt!) Was bewirkt, Kollege Kostelka, der Machtwechsel? – Phantomschmerzen, wie ich es in der Einwendungsdebatte gesagt habe? – Offensichtlich!

Es verwirrt dies möglicherweise auch etwas die Erinnerung, denn sonst könnte man nicht heute hier herausgehen und lauthals die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fordern, wenn man noch vor eineinhalb Jahren in der Causa Omofuma etwas ganz anderes gewollt hat. Damals war Kollege Kostelka der Meinung: Liebe Opposition, das brauchen wir nicht! – Jetzt als Oppositioneller ist er der Meinung: Liebe Regierung, jetzt brauchen wir es natürlich! (Abg. Fischl: Ein echter Demokrat!) Das ist Kostelka am 10. Mai 1999 und am 12. Oktober 2000. – Es kann sich jeder ein Bild darüber machen, welcher Wendehals er in dieser Angelegenheit ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Kuntzl, damit Sie auch Ihr Fett abkriegen: Sie haben offensichtlich die Dimension dieser Problematik überhaupt nicht begriffen. Sie reden da von Ereignissen, die in den vergangenen Monaten stattgefunden hätten. Haben Sie in der Sache überhaupt je nachgelesen? Haben Sie recherchiert? Wissen Sie, was Sie gesagt haben? (Abg. Edlinger: Jetzt wird er gefährlich!)

Frau Kollegin Kuntzl! All das, was gestern im Innenausschuss diskutiert wurde, ist unter der Verantwortung von SPÖ-Innenministern geschehen. Die politische Verantwortung für all das, was Sie als Datenspitzelaffäre behaupten, liegt zweifelsfrei bei einem Karl Schlögl, bei einem Caspar Einem oder bei einem Franz Löschnak, um nur die letzten drei herzunehmen. (Abg. Schieder: Warum wollen Sie dann keinen Untersuchungsausschuss?) Das ist unter deren politischer Verantwortung passiert. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Warum wollen Sie keinen Ausschuss? Warum wollen Sie sie schützen?)

Der Herr Bundesminister hat es gesagt. Er hat gestern in der Sitzung des Innenausschusses mitgeteilt, dass er einen Bericht an die Staatsanwaltschaft gibt, elf Seiten umfassend, mit zwei Beilagen. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist ja lächerlich! – Abg. Dr. Mertel: Das ist absurd! Das ist lächerlich! Sie machen sich lächerlich!) Und damit ist die Justiz am Zug. Also gut, ich nehme zur Kenntnis, Frau Kollegin Mertel (Abg. Dr. Mertel: Sie machen sich lächerlich!), ich nehme zur Kenntnis, dass ich mich lächerlich mache, aber dann hat sich offensichtlich auch Ihr damaliger Klubobmann Kostelka lächerlich gemacht, wenn er am 10. Mai 1999 eben dies abgelehnt hat, was er heute gefordert hat.


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Von wegen Lächerlichkeit: Für mich ist die Dimension dieser Problematik viel zu bedeutsam, und die Österreicher haben ein gutes Gespür dafür, bei wem die Sicherheit in diesem Land gut aufgehoben ist. Bei Ihnen von der SPÖ und bei den Grünen zweifelsfrei nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Werte Kolleginnen! Hohes Haus! Zum Schlusse kommend: Man kann über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen unterschiedlicher Meinung sein. Man kann die Argumente des Peter Kostelka vom 10. Mai 1999 würdigen. Da er damals – auch aus meiner Sicht – schon die richtigen Argumente eingebracht hat, bin ich heute auch der Auffassung, dass wir keinen Untersuchungsausschuss brauchen. (Abg. Öllinger: Nein!) Es ist jetzt die Sonderkommission des Innenministeriums an der Arbeit, und es ist in zweiter Linie die Justiz an der Arbeit. Wenn diese Ergebnisse vorliegen, ist immer noch Zeit genug, dass der Nationalrat sich mit dieser Thematik beschäftigt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

16.15

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kostelka, das Besondere an Ihren Ausführungen und jenen der Frau Kuntzl ist nur gewesen, dass Sie ein besonderes Zeugnis davon abgelegt haben, wie leicht man doch Ehrabschneidung begehen kann. (Abg. Schwemlein: Wie bitte? Wem wird die Ehre abgeschnitten?) Das ist eine Tatsache.

Es war dies einfach der missglückte, aber doch verzweifelte Versuch – um bei meinem Sinnbild von heute früh zu bleiben –, der missglückte, aber verzweifelte und leider nicht gelungene Versuch, sich vom begossenen Pudel zum reißenden Tiger rezumutieren. Das ist Ihnen nicht gelungen, Herr Kollege Kostelka, denn Sie haben wieder nichts auf den Tisch legen können (Beifall bei den Freiheitlichen), wieder sind Sie gescheitert. (Abg. Dr. Mertel: Blabla!)

Es ist schon sehr interessant, was da heute hier so alles passiert und auch in den letzten Tagen passiert ist. (Abg. Schwemlein: Sie waren am Vormittag so schwach! Jetzt hätten Sie sich vorbereiten können, und jetzt sind Sie wieder so schwach!) Da gibt es einen geschäftsführenden Klubobmann der SPÖ namens Kostelka, der in der Präsidialsitzung des Nationalrates die Stirn hat, den Fall Omofuma – ein sehr tragischer Fall, weil da ein Schubhäftling zu Tode gekommen ist – direkt auf eine Ebene zu stellen und in Vergleich zu ziehen mit dem Fall Kleindienst und der Sudelkampagne. Das ist Ihr Stil! Und da sollten alle, die in den letzten Wochen und Monaten so aufrichtig auch in der Causa Omofuma unterwegs waren – was ich auch schätze –, einmal in sich gehen und nachdenken, ob dieser Mann als geschäftsführender Klubobmann seine Aufgaben überhaupt zu leisten vermag, wenn er diese beiden Skandale auf eine Ebene setzt. Das ist nämlich die Dimension, die mittlerweile angerissen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es geht ja noch weiter: Es wurde gestern via Medien ein Antrag angekündigt, ein Antrag eines Abgeordneten der grünen Partei. Er kündigte laut an, er werde im Ausschuss einen Antrag stellen, dass ein frei gewählter Mandatar ausgeschlossen wird aus diesem Ausschuss, seine Arbeit nicht verrichten darf, nicht hineingelassen wird. (Abg. Schwemlein: Ja wo war er denn die ganze Zeit? Wo war der besagte Abgeordnete die ganze Zeit?) Dann ging er in den Ausschuss hinein und meldete sich nicht einmal zu Wort. Kein Antrag! Kleinlaut hat er dann irgendwelche Erklärungen abgegeben, aber er musste, weil er erkannt hat, dass er nicht demokratiefähig ist mit diesem Antrag, kleinlaut nachgeben.

Oder: Da geht ein grüner Abgeordneter hier heraus, behauptet, dass ein anderer Abgeordneter irgendetwas gesagt hätte, kann das nicht einmal belegen, bezeichnet das Stenographische Protokoll als falsch, womit er indirekt den Vorwurf der Dokumentenfälschung erhebt. (Abg. Schwemlein: Da haben wir bei Ihnen schon einschlägige Erfahrungen gemacht!) Er kann nicht nachweisen, was er behauptet – es ging um einen Zwischenruf –, und ist nicht Manns genug, sich zu entschuldigen und das zurückzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Stenographisches Protokoll
39. Sitzung / Seite 95

Da kommt heute ein SPÖ-Politiker heraus, ein Gewerkschafter namens Nürnberger, und sagt: Klagen Sie das "FORMAT"! Dann kommt heute Frau Kuntzl hier heraus und sagt: Klagen Sie den Herrn Kleindienst! Und was ist? – Herr Pilz geht her und klagt Herrn Abgeordneten Kiss. Also jemand von jener Partei, die immer sagt: Klagen heißt mundtot machen, klagen ist schlecht für die Demokratie, verlagern wir doch nicht die Politik in die Gerichtssäle!, der geht her und bringt heute Klage ein, und die anderen verlangen von jenen, die sie dafür kritisieren, dass sie Oppositionspolitiker, Medien und Buchschreiber klagen. Das ist doch absurd, was sich da abspielt! Das ist doch nicht mehr nachvollziehbar. Sie müssen sich doch längst einmal selbst die Frage stellen, ob Sie sich selber noch ernst nehmen. Ich glaube es nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da wird von einem "großen Datenklau im ORF" gesprochen, der gar nicht stattfindet, worüber der Generalintendant selbst sagt: Das gibt es nicht. Es gibt keinen Zugriff von Politikern oder von außen auf irgendeinen Computer. Das ist eine richtige Seifenoper, eine "Real-life Soap" in der heutigen Neusprache.

Da wird ein illegaler freiheitlicher Spitzelring auf den Tisch gelegt. Ohne jegliche Beweise, einfach dahingesagt, in die Menge geschmissen! Da wird behauptet, es gebe einen illegalen Spitzelring der Freiheitlichen, es gebe eine dichte Indizienkette. – Die Indizienkette ist wirklich bestechend: ein Sudelbuchautor, der in seinem Buch und auch sonst keine Namen nennt, weil er keine kennt, dann ein Gusenbauer, der mit Gruselmärchen herumrennt (Zwischenrufe bei den Grünen), ein geschäftsführender Klubobmann der SPÖ als begossener Pudel, der Nächste ein Abgeordneter Pilz, der aufdecken will und selbst in die Grube fällt, die er gegraben hat. Eine wirklich tolle Indizienkette! Diese Indizienkette bürgt für Erfolg, nämlich für einen ordentlichen Lacherfolg. Das ist die Tatsache, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch was den ORF betrifft, hat der Generalintendant mehrfach festgestellt, dass business as usual herrscht, dass es überhaupt keine Veränderung gibt. Er hat das auch in Interviews mitgeteilt.

Ich sage Ihnen etwas: Sie gehen nach dem Motto vor: Haltet den Dieb! Herr Cap setzt sich in eine Pressekonferenz und sagt: Das ist jetzt das Ende der Meinungsfreiheit, was hier passiert, nämlich diese Interventionen. Ich sage Ihnen, er sagt zwar, das ist das Ende der Meinungsfreiheit, aber er meint etwas ganz anderes. Er meint nämlich das Ende der Freiheit der SPÖ, die Meinungsfreiheit nach ihren politischen Zielen zu manipulieren. Das meint Herr Cap, und das lehnen wir auf das Entschiedenste ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie sollten sehr vorsichtig umgehen mit Ihren Anwürfen, mit Ihren Diffamierungen und mit der Schlammschlacht, denn das richtet sich im Regelfall immer gegen Sie selbst. Sie haben bisher überhaupt nichts auf den Tisch legen können, Sie werden nichts auf den Tisch legen können, es löst sich – wie ich das immer gesagt habe und wie ich das heute noch einmal sage – alles in Luft auf. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Rosemarie Bauer. )

16.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

16.21

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Das war ja wieder einmal großartig, Herr Abgeordneter Westenthaler. Sie hätten zum Thema sprechen sollen. Abgesehen davon, dass Sie in einem Rundumschlag so ziemlich alles in der Republik, angefangen von den Parteien hier im Haus bis über so genannte "Sudelbuchautoren" ... Jetzt wiederhole ich diesen Begriff "Sudelbuchautoren", der aus den dreißiger Jahren kommt, Herr Abgeordneter Westenthaler (Abg. Gaugg: Man muss sich Tag und Nacht mit dieser Literatur befassen!), und der in diesem Zusammenhang schon deshalb völlig verfehlt ist, weil auch die Vorwürfe, die Sie in diesem Zusammenhang gemacht haben, nicht haltbar sind. Hätten Sie das Buch gelesen, wüssten Sie, dass Herr Kleindienst, der nicht mein Freund ist, den ich genauso wenig oder so viel schätze wie jemand anderen, der ein Buch schreibt, sehr wohl in bestimmten Zusammenhängen Namen nennt (Abg. Haigermoser:


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Sie lesen heimlich Kleindienst! Das unterscheidet uns!), was ich mutig gefunden habe und was in diesen Causen, die er beschreibt, nicht unbedingt selbstverständlich ist.

Er nennt Namen. Sie sagen, er nennt keinen einzigen Namen und ist ein Sudelbuchautor. Das ist Ihre Diktion, sich mit Vorwürfen auseinander zu setzen? (Abg. Ing. Westenthaler: Entschuldigen Sie sich einmal für Ihre heutigen Aussagen!)

Ich komme gerne darauf zurück, Herr Abgeordneter Westenthaler. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo steht das drinnen?) Es war von meiner Seite hier keine Behauptung, dass das Stenographische Protokoll die Unwahrheit gesagt hat. Von Ihnen stammt diese Behauptung, dass ich behauptet hätte, das Stenographische Protokoll sage die Unwahrheit. (Abg. Dr. Puttinger: Das muss nicht richtig sein, haben Sie gesagt!) Ich habe ausschließlich behauptet, dass Sie eine Behauptung gemacht haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Das muss nicht richtig sein, haben Sie gesagt!) Sie haben eine Behauptung gemacht, und es gibt Personen in diesem Haus, die das gehört haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Ach so! Und das Stenographische Protokoll? Sie sind wirklich feig!)

Ich komme aber jetzt zurück auf die Causa und noch einmal zurück auf den Vorfall in Salzburg. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind feig! Sie sind nicht satisfaktionsfähig!) Nicht satisfaktionsfähig? Herr Abgeordneter Westenthaler, satisfaktionsfähig, das gibt es in Ihren Reihen und in vergangenen Zeiten. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind nicht einmal Manns genug, sich zu entschuldigen!) Da fügt man sich Schmisse zu oder duelliert sich. (Abg. Haigermoser: Und Sie, Kollege, sind ein revolutionärer Marxist!) Aber das hat Gott sei Dank heute schon jeglichen Stellenwert verloren, wenn es darum geht, die Wahrheit zu finden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Nehmen Sie das zurück!)

Meine Damen und Herren! Ich komme zurück auf die Salzburger Causa, den Herrn Paul W. Sie müssen sich das noch einmal vorstellen, Herr Abgeordneter Westenthaler: Dieser Mann verschafft dem Herrn Haider geheime Daten aus Polizeibeständen. (Abg. Fischl: Sie fabulieren schon wieder!) Herr Haider bittet beim Salzburger Landesparteitag diesen Polizisten auf die Bühne und belobigt ihn für den Missbrauch des Amtsgeheimnisses, spricht von "vorbildlicher Haltung". Frau Abgeordnete Partik-Pablé erklärt aus juristischer Sicht: "Entschuldbarer Notstand"! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er wurde freigesprochen!)

Abgeordneter Westenthaler, damals noch Generalsekretär, tritt auf den Plan und macht die Vorwärtsverteidigung – wie üblich! Er geht her und sagt: Der Salzburger Polizeidirektor, der in dieser Causa gegen den Paul W. Ermittlungen eingeleitet hat, der muss verschwinden. Der Salzburger Polizeidirektor ist abzuservieren.

Ich zitiere aus dem "Standard" vom 10. Jänner 1998: "Westenthaler präsentiert erneut interne Polizeiunterlagen, die das Scheitern Schweigers dokumentieren sollen." – Und dann kommen die angeblichen Beweise des Herrn Westenthaler. Da wird aus internen Polizeiprotokollen munter zitiert über eine kroatische Verbrecherbande, über Wirtshausschlägereien, über Schwerverbrecher, denen der Führerschein abgenommen und wieder ausgehändigt worden sei, und über einen polnischen Alkolenker, in der Diktion des Herrn Westenthaler ebenfalls ein Schwerverbrecher.

Das alles hat sich in Salzburg zugetragen. Da gibt es viele Ausländer, die irgendwelche Alkodelikte begangen haben. Das sind Schwerverbrecher, und der Herr Schweiger deckt sie, und deshalb muss er weg.

Das ist Ihre Auseinandersetzung in dieser Causa gewesen, obwohl klar ist, auch disziplinarrechtlich klar ist, obwohl auch durch die Äußerung des Herrn Parteivorsitzenden Haider klar ist: Dieser Mann hat das Amtsgeheimnis verletzt. Nein, es erfolgt keine Auseinandersetzung mit der Causa, sondern eine Auseinandersetzung erfolgt mit dem Polizeidirektor. Der wird angeschwärzt, der wird beschuldigt, dem wird vorgeworfen, in dieser Frage parteiisch vorgegangen zu sein.


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Herr Westenthaler! Von Ihnen haben wir in dieser Causa, bei der es darum geht, dass freiheitliche Funktionäre ganz offensichtlich in Wien, in Salzburg, möglicherweise auch noch anderswo EKIS-Daten dazu verwendet haben (Abg. Haigermoser: Kollege! Setzen Sie sich! Das Licht leuchtet schon!), missliebige Personen aus anderen Parteien, aus der eigenen Partei auszuspionieren, heute keine einzige Erklärung gehört. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb, Herr Abgeordneter Westenthaler, braucht es einen Untersuchungsausschuss, nicht nur um die Verantwortung des damaligen Innenministers Schlögl, sondern auch um Ihre Verantwortung und die Ihrer Partei zu klären. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Ekel erregend, mit dem nackten Finger auf andere Leute zu zeigen!)

16.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, da wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kommen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Gusenbauer ist gegen den Vorschlag! – Oh-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Für das Protokoll: Gusenbauer ist nicht da! Er ist wahrscheinlich bei einer Sitzung des Parteivorstandes!)

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen damit zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Untersuchung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich sowie der Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörde, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt personenbezogene Daten an dazu nicht Berechtigte weitergegeben wurden.

Dieser Antrag ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgender Gegenstände wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt:

1. Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich.

2. Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt personenbezogene Daten an dazu nicht Berechtigte weitergegeben wurden."

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gehen in die Debatte ein. Bevor wir das tun, möchte ich die Geschäftsordnung noch einmal ganz kurz zur Kenntnis bringen: 5 Minuten Redezeit für die einzelnen Redner, für die Begründung 10 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung, die wahrscheinlich ohnehin nicht erfolgen werden in dieser Angelegenheit, sollten nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich möchte gleichzeitig auch noch einen Appell an alle Fraktionen richten: Die Debatte, die gerade stattgefunden hat, hat bei fast jedem einzelnen Redner Worte und Äußerungen mit sich


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gebracht, die hart an der Grenze dessen waren, was bei einer normalen Debatte passieren sollte. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Ich ersuche daher, auch wenn es um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geht, sich einer Redeweise zu bedienen, die auch von der Allgemeinheit der Parlamentarier würdig empfunden wird. (Abg. Haigermoser: Frau Mertel! Das wäre auch eine Möglichkeit!)

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

16.29

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich stimme Ihnen vollkommen zu: Es ist wichtig, dass man ein Mindestmaß an Redekultur in diesem Haus beibehält, und deswegen halte ich es für äußerst problematisch, von einem "Sudelbuchautor" zu sprechen, insbesondere wenn man weiß – ich bleibe jetzt kurz bei dieser Terminologie –, dass der "Sudelbuchautor" berichtet, dass er im "Sudelbüro" in der Reichsratsstraße regelmäßig den "Sudelgeneralsekretär" informiert hat. Der "Sudelgeneralsekretär" war nämlich der Hauptgesprächspartner des "Sudelbuchautors". Aber das sollen sich die "Sudelkameraden" untereinander ausmachen. (Abg. Achatz: Herr Präsident! Ist das in Ihrem Sinn?)

Herr Kollege Westenthaler! Es wäre doch für Sie eine Erleichterung, wenn Sie das "Sudel" wegließen, denn dann würden Sie wieder zu einem ganz normalen Generalsekretär werden, und das könnte doch auch für Sie eine Arbeitserleichterung darstellen.(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Also lassen wir das "Sudel" weg und bleiben wir bei den ganz normalen Bezeichnungen der handelnden Personen.

Die politische Verantwortung ist doch nicht die Verantwortung der einfachen Beamten, sondern eine mehrfache. Die politische Verantwortung ist einerseits die Verantwortung der Minister, die damals im Amt waren. Und da haben die Regierungsabgeordneten Recht, wenn sie sagen: Das waren mit großer Wahrscheinlichkeit sozialdemokratische Minister.

Ich finde, es spricht doch nichts dagegen, die Verantwortung sozialdemokratischer Minister zu klären! Ich verstehe nicht, warum der Generalsekretär und der Sicherheitssprecher mit vereinten Kräften versuchen, die zeugenschaftliche Einvernahme eines ehemaligen sozialdemokratischen Innenministers zu verhindern. Das sind Beziehungen und Seilschaften, die sich meinem Verständnis entziehen. (Abg. Edlinger: Bitte nicht von "Seilschaften" reden! Da wird es einem schlecht hier herinnen!) – Na ja, es ist dann immer die Frage, was man unter einem Seil versteht.

Das Zweite ist: Wir müssen untersuchen – und das kann kein Gericht der Welt –, warum bestimmte Systeme – nicht nur technische Systeme – offensichtlich anfällig für Missbrauch sind. Es ist doch eine der hervorragenden Aufgaben dieses Hauses, solche Untersuchungen vorzunehmen.

Das Dritte ist: Es gibt politische Auftraggeber für derartige Vorkommnisse, und es gibt eine einzige Spur, und diese Spur führt in eine Organisation, die sich selbst "Combo" bezeichnet hat. Das ist beileibe keine Musikgruppe, sondern "Combo" ist die Abkürzung für Kommunikationsbüro. Das Kommunikationsbüro hatte seinen Sitz in der Reichsratsstraße, in Räumen des österreichischen Parlaments. Und jetzt ist ganz wichtig, dass der in die einschlägige Lektüre vertiefte Abgeordnete Westenthaler (Abg. Ing. Westenthaler liest) endlich von uns darüber aufgeklärt wird, dass es nicht um ihn allein geht.

Ja, Westenthaler war "Combo"-Mitglied. Aber es hat auch andere "Combo"-Mitglieder gegeben. Das war eine Dreier-Combo und kein Solokonzert Westenthaler, das da stattgefunden hat, und die "Bandmitglieder" der "Combo" haben geheißen: Westenthaler, Haider und Riess-Passer. Das war "Combo". Aber wer jetzt welches Instrument gespielt hat, und wer den Ton angegeben hat, das kann ich derzeit nicht klären. Das kann auch kein Gericht klären, weil es nicht verboten ist, aus Riess-Passer, Westenthaler und Haider "Combo" zu bilden. (Abg. Ing. Westenthaler: Sind Sie auf Speed? Haben Sie etwas eingenommen?)


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Das ist ein erlaubter Vorgang, über dessen Sinnhaftigkeit man zwar streiten kann, aber die Verbindungen zu Herrn Kleindienst und anderen Personen sind zu klären, und das wäre die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses. (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie etwas eingenommen? Nein, gelt?)

Eines ist hier zu fragen: Sitzen in diesem Hause Abgeordnete und saßen in diesem Hause Abgeordnete und gibt es Regierungsmitglieder und gibt es einen heutigen Landeshauptmann, die Auftraggeber für kriminelle Machenschaften in der österreichischen Exekutive waren? Das ist eine der politischen Schlüsselfragen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wenitsch: Grüne!)

Jetzt frage ich noch einmal: Warum will die ÖVP diese Aufklärung verhindern? – Schauen Sie sich einmal die Vorwürfe rund um "Euroteam" an. Ich möchte jetzt nicht bewerten, was einen Untersuchungsausschuss mehr oder weniger rechtfertigt, aber ich kenne keinen Vertreter der Österreichischen Volkspartei, der bis jetzt versucht hat, zu erklären, warum zwar "Euroteam" – ich sage: wahrscheinlich zu Recht! – im Rahmen eines Untersuchungsauschusses überprüft wird, aber warum ein illegaler freiheitlicher Spitzelring, mit möglichen Köpfen namens Westenthaler, Haider und Riess-Passer, nicht überprüft werden soll. (Abg. Öllinger: Rumpold!)

Rumpold war wahrscheinlich nicht viel mehr als ein ausführendes Organ in der Kärntner Straße, und das Gleiche gilt für Kreißl und viele andere mehr. Nein, wenn es eine Zentrale gegeben hat, dann war diese Zentrale wenige Meter entfernt, und zwar in der Reichsratsstrasse, und nirgendwo sonst. Das ist der Punkt, und das wollen wir klären.

Meine Damen und Herren von der ÖVP: Haben Sie kein Interesse daran, mit wem Sie eine Koalition gebildet haben? Haben Sie kein Interesse daran, zu wissen, wie lange Ihr Koalitionspartner noch politisch handlungsfähig ist und wie lange manche aus diesem Bereich sich noch auf freiem Fuß befinden? Haben Sie kein Interesse daran, zu erfahren, mit wem Sie sich eingelassen haben? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Haben Sie kein Interesse daran, festzustellen, ob die Regierungsbank nicht bald eine verlängerte Anklagebank wird? Haben Sie kein Interesse daran, zu wissen, wann, wo und warum möglicherweise Abgeordnete in ganz andere Säle und mit ganz anderen Pflichten übersiedeln müssen? Ist Ihnen das völlig egal? Interessiert den Klubobmann Khol nicht, ob ihm sein Gegenüber in den Verhandlungen möglicherweise früher oder vielleicht später abhanden kommen wird? (Abg. Dr. Puttinger: Die Regierung als "Anklagebank" zu bezeichnen, das finde ich schlimm!)

Interessiert es Sie nicht, ob Ihr Koalitionspartner politisch überhaupt handlungsfähig bleibt, wenn sich all das bewahrheitet, was sich derzeit an konkretem Verdacht abzeichnet? Oder glauben Sie, da gibt es quer über Österreich zufällig systematisch verstreut überall Beamte, die gleichzeitig, ohne einander zu kennen und ohne oben irgendwo verbunden zu sein, plötzlich illegale EKIS-Abfragen starten?

Glauben Sie, da gibt es einen EKIS-Virus in Österreich, der gleichzeitig Beamte in fast allen Sicherheitsdirektionen und Bundespolizeidirektionen befällt, und der EKIS-Virus führt zum Ausbruch der rätselhaften EKIS-Krankheit, wo dann die Betroffenen, die sich untereinander nicht kennen und unverbunden sind, plötzlich wie wild abzufragen beginnen, und zwar interessanterweise ständig Daten von Abgeordneten der Opposition, Wissenschaftlern, Künstlern und Journalisten? Glauben Sie wirklich an den rätselhaften Virus, oder interessieren Sie sich für "Combo", Westenthaler und etliche andere Personen?

Ich würde Ihnen empfehlen: Stellen wir das doch einmal gemeinsam fest! Stellen wir gemeinsam fest, ob Abgeordnete dieses Hauses Auftraggeber der Machenschaften rund um den freiheitlichen Spitzelring sind! Geben wir einer parlamentarischen Untersuchung eine Chance, weil diese parlamentarische Untersuchung die einzige Chance darstellt, ein System, das offensichtlich undicht und schwer beschädigt ist, wieder zu reparieren!

Mir geht es nicht darum, primär festzustellen, wer es war – das werden zum Teil die Gerichte tun –, sondern darum, das System so in Ordnung zu bringen, dass kein Journalist, kein Politiker,


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kein Künstler, kein Wissenschaftler, kein einziger Mensch auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich sich vor den Instrumenten und den Möglichkeiten des Beamtenapparates des Innenministeriums zu fürchten hat. Den Menschen die Sicherheit zu geben, dass nur das Gesetz im Bundesministerium für Inneres Gültigkeit hat, den Menschen diese Sicherheit zu geben, ist die oberste Aufgabe eines österreichischen Nationalrates, und dazu braucht er einen Untersuchungsausschuss. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

16.38

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir haben hier einen Skandal aufzuklären, der eindeutig politische Dimensionen aufweist, und ich sehe nicht ein, dass bei diesem Skandal nur die einfachen Beamten und die einfachen Parteimitglieder auf der Strecke bleiben sollen, während die Drahtzieher, die hinter dieser Sache stecken und die sich diese einfachen Beamten "organisiert" haben, nicht zur Verantwortung gezogen werden können, weil die politische Verantwortung nicht untersucht wird.

Diese Drahtzieher verschanzen sich hinter einfachen Beamten, die, wie wir soeben gehört haben, offensichtlich von sich aus zum gleichen Zeitpunkt völlig unabhängig voneinander begonnen haben, Politiker, Künstler, Redakteure oder wen auch immer – das wird bei den Nachforschungen herauskommen – zu bespitzeln, und zwar ohne Grund, ohne Auftrag, ohne Sinn.

Das glauben Sie doch selbst nicht! (Abg. Dr. Puttinger: Warum hat das Landeshauptmann-Stellvertreter Buchleitner nicht getan?) Vor allem Ihre Reaktionen auf diese Vorwürfe sprechen Bände: ein katastrophaler Auftritt in der Sendung "Report", der an Peinlichkeit unüberbietbar war! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Außerdem Ihre Ankündigung – zitiert in der "Presse" –: Wir werden dem ORF per Gesetz die Parteilichkeit austreiben!

Diese Reaktionen machen Sie doch verdächtig! Diese Reaktionen bestätigen doch gerade die politische Dimension dieses Skandals! Sie selbst haben sich verdächtig gemacht! Sie selbst haben die politische Dimension durch peinliche Auftritte und durch unqualifizierte Äußerungen im Umfeld dieses Skandals ins Spiel gebracht.

Es ist wirklich eine Schande, dass man sich hinter den einfachen Parteimitgliedern, die diese Sachen gemacht haben (Abg. Mag. Kukacka: Welche Sachen?)  – das wird sich herausstellen! (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen)  –, verschanzt.

Aber Sie wollen ganz einfach die politische Dimension unter den (Abg. Murauer: Unter "die Sachen" kehren!) Teppich kehren. Sie haben, wie ich glaube, allen Grund, so zu handeln, wie Sie handeln, sonst könnten Sie ja von sich aus einem Untersuchungsausschuss zustimmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich dachte, Sie können reden!) Ich will nur die Fakten festhalten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Machen Sie einen Rhetorik-Kurs!)

Das Erste ist: Es gibt einen Herrn, der Sie der Bespitzelung von bestimmten Personen bezichtigt, und zwar sollen freiheitliche Mitarbeiter und Personen, die in einem Naheverhältnis zu den Freiheitlichen gestanden sind, bestimmte Leute bespitzelt haben. Darüber gibt es eine Aussage, dafür gibt es somit einen Zeugen. Das ist Tatsache!

Das Zweite ist: Es gibt jemand, der damit protzt, dass er jederzeit in der Lage ist, sich Informationen zu organisieren. Das belegt, in welchem Zustand sich das Sicherheitssystem befindet. Man protzt auch in der APA damit. Das heißt: Es gibt sogar jemanden, der das zugibt, und zwar einen Politiker namens Haider. (Abg. Gaugg: Doktor!  – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Haider!)


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Also: Auf der einen Seite gibt es einen Zeugen, der überzeugend sagt: Es sind Personen der FPÖ involviert, und auf der anderen Seite gibt es jemanden, der sagt: Jawohl, ich benütze diese Zugänge! – Und angesichts dessen behaupten Sie, es gebe keine politische Dimension?!

Ich stelle fest, man hat von zwei Seiten gut begründete Aussagen. Und man wird wahrscheinlich in dieser Sache auch Haider als Zeugen vernehmen müssen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten in einen Rhetorik-Kurs gehen!) Ich bezweifle, dass die Polizei mit ihren Nachforschungen im Polizeibereich allein das Auslangen finden wird. Wir werden uns ganz genau anschauen, wann der Herr Justizminister und wann die Staatsanwaltschaft aktiv geworden sind, denn die Beschuldigungen, dass es sich da um einen strafrechtlichen Tatbestand handelt, gab es lange vor dem Bericht der Sicherheitspolizei. (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Allein das Nichttätigwerden eines bereits angeschlagenen Bundesministers gibt Anlass zur politischen Sorge. Und ich verstehe die ÖVP nicht – und ich sehe viele betroffene Gesichter: nicht von jenen, die nicht nachdenken, sondern von jenen, die nachdenken –, wenn sie nicht auch der Meinung ist, dass man in dieser Causa einem Untersuchungsausschuss zustimmen müsste. Sie handeln da gegen Ihre Überzeugung – die wenigen, die im Saal geblieben sind, bis auf einige wenige, die nicht nachdenken! (Abg. Kiss: Wo ist da ein angeschlagener Bundesminister? Er hat Fieber! Nehmen Sie sich an der Nase!) Das habe ich schon gesagt, Herr Abgeordneter Kiss.

Kollege Westenthaler! Es gibt die Aussage eines Zeugen auf der einen Seite, und es gibt das Geständnis eines Politikers auf der anderen Seite, dass er diese Tatsachen und diese Wahrnehmungen auch verwenden wird. Und trotz allem sagen Sie, das habe keine politische Dimension. Ich sage Ihnen: Das ist einer der größten Skandale der zweiten Republik!

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist schon abgelaufen.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (fortsetzend): Sie täten gut daran, im Sinne des politischen Klimas und der politischen Hygiene einem Untersuchungsausschuss in dieser Causa zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Wahnsinn! Zu Weihnachten einen Rhetorik-Kurs! Das ist ein Wahnsinn, was er aufführt, das kann sich keiner anhören!)

16.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

16.44

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wittmann, zu den von Ihnen erwähnten "Sachen": Zum Ersten: Zum Thema "SPÖ und Daten" teilt uns die heutige Ausgabe der "Salzburger Nachrichten" mit, dass auch SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter Gerhard Buchleitner Abfragen über "W." aus dem Polizeicomputer hatte. (Abg. Ing. Westenthaler: Ah da schau her!)

Zum Zweiten möchte ich Ihnen, Herr Kollege Wittmann, mitteilen, dass Herr ORF-Generalintendant Weis (Unruhe bei der SPÖ)  – hören Sie doch zu, etwas mehr Ruhe! – im Zusammenhang mit dem Datenklau festhält, es gebe keinen wie immer gearteten Beweis dafür, dass der groß in die Öffentlichkeit getragene vermutete Datenklau tatsächlich je stattgefunden hat. – Frau Bures! Herr Nürnberger! Herr Wittmann! Dies zum Theaterdonner des Herrn Wittmann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe gehört, der Nürnberger hat auch bespitzelt!)

Zur Forderung nach Einsetzung von Untersuchungsausschüssen möchte ich Folgendes sagen: Ich habe verstärkt den Eindruck, dass diese Forderung von anderen, wichtigeren Dingen in diesem Hohen Haus ablenken soll, wie zum Beispiel von der Situation der österreichischen Staatsfinanzen, die am Vormittag zur Diskussion stand. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe den Eindruck, dass Sie mehrere Untersuchungsausschüsse eingesetzt haben möchten, damit Sie keine Vorschläge zu machen brauchen, in welcher Form wir Ihr Finanz


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desaster reparieren können, meine Damen und Herren von den Sozialisten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie waren "großartig" in Steyr! Als Steyrer Abgeordneter habe ich natürlich beobachtet, was Sie bei Ihrer Klausur zusammenbringen und welche Vorschläge Sie der Republik machen können. Und als ich die Zeitungen gelesen habe, habe ich nur Folgendes festgestellt: Ihnen ist nur "nein" eingefallen zu all dem, was vorgeschlagen wurde. Das war das Ergebnis Ihrer Klausur in Steyr. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Da hat seinerzeit Herr Sinowatz noch mehr zusammengebracht, Kollege Schwemlein! Vielleicht kannst du dich noch erinnern. Er war ebenfalls mit der Klausur in Steyr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zum Kollege Pilz und den Grünen. Sie sind natürlich geprägt vom ständigen Misstrauen gegenüber der Exekutive und den Beamten, keine Frage. Das sind wir gewöhnt, das ist traurig genug. Nur: Mit Untersuchungsausschüssen von eigenen dunklen Informationskanälen abzulenken, dafür sind wir, meine Damen und Herren von den Grünen, nicht zu haben – auf keinen Fall! Wir sind für die Untersuchung durch Justiz und Gerichte.

Folgendes gehört in diesem Zusammenhang auch festgehalten, auch wenn es die Damen und Herren von der linken Seite dieses Hohen Hauses nicht hören wollen: Wir, die beiden Regierungsparteien, sind auf der Seite der 32 000 Exekutivbeamten. Das ist keine Frage! Und selbstverständlich vertrauen wir auch dem Innenminister und seinen höchsten Beamten, insbesondere dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Buxbaum, und dem mit der Sonderkommission beauftragten Sicherheitsdirektor Mag. Siegel. Darüber gibt es sicherlich keinen Zweifel, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am 10. Oktober ist der Zwischenbericht übergeben worden, und zwar an den Innenausschuss, an die Staatsanwaltschaft und an den Minister, der, wie er schon ausgeführt hat, die Kommission ohne Einflussnahme arbeiten hat lassen. Auch das haben Sie zunächst einmal grundsätzlich nicht als gegeben angenommen (Abg. Schwemlein: Was ist dem Innenausschuss übergeben worden?!), sondern hinterfragt und angezweifelt, Kollege Schwemlein, wie das offensichtlich immer Ihre Art ist. (Abg. Schwemlein: Nichts wurde übergeben! Nichts wurde dem Innenausschuss übergeben! Das ist die Unwahrheit, was Sie da sagen! Das stimmt nicht!)

Dieser Bericht hat elf Seiten und zwei Beilagen, und darin wird dezidiert festgestellt, dass keine parteipolitischen Zusammenhänge erwähnt worden sind, auch wenn sich das Herr Schwemlein, Sozialisten und Grüne gewünscht haben.

Meine Damen und Herren! Es gibt allerdings einen politischen Zusammenhang mit dem Untersuchungsfall Peter Pilz aus den Reihen der Grünen.

Herr Pilz! Wie sind Sie an die geheimen Akten in disziplinären Angelegenheiten der Polizeidirektion Wien herangekommen? (Abg. Schwemlein: Machen wir einen Untersuchungsausschuss!) Auf diese Akten hat nur ein ganz kleiner Personenkreis, haben nur ganz wenige Personen Zugriff. Daher frage ich Sie, Herr Pilz: Wer sind Ihre Hintermänner und Hinterfrauen? Wer sind sie? Wo ist Ihr Briefkasten, in welchem sich immer geheime Akten befinden, wie Sie es im Ausschuss gesagt haben? Geheime Akten landen bei Ihnen immer im Briefkasten, haben Sie gesagt. Wo hängt dieser Briefkasten? Wie kommen Sie, Herr Pilz, an diese Verschlussakte heran, und warum, Herr Pilz, meiden Sie die Staatsanwaltschaft?

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Abgeordneter.


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Abgeordneter Walter Murauer
(fortsetzend): Warum gehen Sie nicht zur Staatsanwaltschaft?

Meine Damen und Herren! In der Sache Kleindienst gibt es die gleiche geordnete Vorgangsweise wie bei den vorherigen Regierungen, nämlich indem der Minister ermittelt und Justiz und Gerichte beurteilen. Aber das wollen Sie nicht hören.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Noch einmal: Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Walter Murauer (fortsetzend): Zwischenzeitlich können die Grünen ihren Fall Pilz hier im Parlament vorführen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Da es keine tatsächliche Berichtigung gibt, muss man feststellen, was Murauer betreffend Innenausschuss gesagt hat, war falsch! – Ruf bei der SPÖ: Murauer, du musst aufpassen! – Weitere Zwischenrufe.)

16.50

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! (Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Debatte sollte vom Rednerpult aus geführt werden. Geben wir Herrn Abgeordnetem Bösch eine Chance! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sind der Ansicht, dass Herr Kollege Wittmann sich hier am Rednerpult in Bezug auf die Peinlichkeit öffentlicher Auftritte nicht allzu sehr exponieren sollte. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich habe gedacht, dass das Verhalten der Opposition gestern im Innenausschuss der Höhepunkt an Demaskierung sein wird, aber ich musste mich heute eines Besseren belehren lassen.

Meine Damen und Herren der SPÖ! Ihr Bundesparteivorsitzender und Klubobmann hält es seit mehreren Stunden nicht für notwendig, dieser Sitzung hier beizuwohnen. (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Er hält es nicht für notwendig, an Abstimmungen teilzunehmen, von denen Sie von der SPÖ behaupten, das Wohl und Wehe unserer Republik hänge davon ab! (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Anscheinend sind ihm Parteiverpflichtungen wichtiger als die Republik Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Gestern im Innenausschuss wollten Sie auf Anstiftung des Kollegen Pilz von den Grünen verhindern – oder Sie haben es zumindest unterstützt, Herr Kollege Schwemlein –, dass ein frei gewählter Abgeordneter seine Pflichten erfüllen konnte, als frei gewählter Mandatar im Innenausschuss, wo er einen ordentlichen Sitz hat. Sie wollten ihm die Teilnahme daran verwehren, mit der Begründung, er stünde im Kreuzfeuer dieses Buches, um das es jetzt gerade geht. Meine Damen und Herren! Das war eine Ungeheuerlichkeit!

Wir halten fest: In diesem Buch, dem Sie so viel Bedeutung beimessen, steht nicht der Klubobmann der FPÖ im Kreuzfeuer, sondern alle Parteien dieses Hauses. (Ironische Heiterkeit des Abg. Edlinger. ) Und ob das stimmt, was in diesem Buch behauptet wird, wird die Sonderkommission des Innenministeriums feststellen.

Meine Damen und Herren der SPÖ! In diesem Buch stehen alle Parteien im Kreuzfeuer, vor allem jene, die in den letzten Jahrzehnten Verantwortung getragen haben, vor allem Ihre Partei, die über Jahrzehnte hinweg den Innenminister gestellt hat. (Abg. Edlinger: Das ist lächerlich, was Sie da sagen! Der Einem hat sich selbst bespitzelt?! Absurd!)

Auf die Frage in der gestrigen Ausschusssitzung, ob es Beweise dafür gebe, dass irgendein Freiheitlicher irgendeinem Exekutivbeamten irgendeinen Auftrag gegeben habe, und ob es dabei zu irgendwelchen Gegenleistungen gekommen sei, hat der Herr Minister nach dem Stand der derzeitigen Ermittlungen klar mit nein geantwortet. – Das ist der Stand der Ermittlungen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der einzige Fall, der in Bezug auf Datenmissbrauch in den letzten Wochen bekannt, evident und auch öffentlich nachvollziehbar geworden ist, ist der Fall eines


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Stenographisches Protokoll
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SPÖ-Funktionärs in Schwechat. Dieser Fall ist Ihnen bekannt, und er ging auch durch die Öffentlichkeit. Sie sollten auch das zur Kenntnis nehmen. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Meine Damen und Herren! Gestern hat der Herr Innenminister auch Maßnahmen angekündigt. Er hat nicht nur den Stand der Ermittlungen erläutert, sondern er hat auch Maßnahmen angekündigt, die das EKIS hinkünftig sicher machen werden. Er hat angekündigt, dass Maßnahmen gesetzt werden, die sicherstellen, dass sich hinkünftig niemand mehr unbefugt an diesem Datensystem vergreifen wird können. Er hat auch angekündigt, interne Maßnahmen zu setzen, die sicherstellen, dass auch der Abgeordnete Pilz hinkünftig nicht mehr zu Unrecht hier im Plenum oder anderswo in der Öffentlichkeit aus vertraulichen Papieren wird zitieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Ankündigung des Herrn Ministers verfolgen wir mit Wohlwollen. Wir gehen davon aus, dass die Sonderkommission ihre Ermittlungen konsequent weiterführt, und wir warten deren Untersuchungsergebnisse ab. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ihre Angriffe, meine Damen und Herren von der Opposition, gehen heute und gingen auch gestern ins Leere. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Jetzt kommt der Höhepunkt der Debatte! – Abg. Murauer: Jetzt kommt die Trauerrede!)

16.55

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin nicht Mitglied des Innenausschusses, auch nicht des STAPO-Kontrollausschusses. Ich bin zuversichtlich, dass im Rahmen der polizeiinternen Überprüfung Resultate erzielt und auch Konsequenzen gezogen werden, aber eines kann dabei sicherlich nicht passieren, nämlich die politische Verantwortung wird dabei nicht geklärt werden.

Wie gesagt, ich weiß nicht, wie es um diese polizeiinternen Vorgänge steht. Aber allein das, was mir aus ganz offiziellen Quellen zur Verfügung steht, reicht zur Überprüfung der politischen Verantwortung im Parlament ja himmelhoch aus. (Abg. Murauer: Welche Quellen? Welche Quelle?)  – Dazu komme ich gleich. Seien Sie nicht so ungeduldig!

Da komme ich zum einen auf die Methode. Ich werde es mir jetzt angewöhnen, das, was da an Zwischenrufen aus den freiheitlichen Reihen tönt, dann auch publik zu machen, weil es akustisch oft schwer für die StenografInnen ist, alle Zwischenrufe zu erfassen.

Als Peter Pilz Dinge gesagt hat, die offenbar für die Freiheitlichen sehr unangenehm sind, da habe ich vom Herrn Klubobmann der Freiheitlichen ganz deutlich den Zwischenruf gehört: "Haben Sie etwas eingenommen?" – Zweimal hat er diese Frage gestellt, und ich denke, das ist typisch. Ich würde auch sagen, es erhöht die Glaubwürdigkeit des Herrn Kleindienst, denn dieser sagt, er kennt solche Methoden, politische Konkurrentinnen und Konkurrenten verächtlich zu machen.

Er schreibt: Das habe ich bei den Freiheitlichen oft erlebt. Wenn jemand etwas zur Diskussion stellte, was nicht dem allgemeinen Tenor oder Haiders Wunsch entsprochen hat, dann ist sofort gelacht worden: Haha, Dümmling!

Persönliche Verächtlichmachung, das Unterstellen, man habe etwas eingenommen, oder der Hinweis auf irgendwelche persönliche Eigenschaften, die jemanden in der Öffentlichkeit lächerlich oder verächtlich machen sollen – all das scheint mir allein durch den heutigen Tag erwiesen. Ich finde, das ist eine Schande für dieses Haus! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Darin sind Sie Meister!)


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Meine Damen und Herren! Was mir auch sonst noch bekannt ist, ... (Abg. Haigermoser: Kennen Sie den Brief der Staatsanwaltschaft ob Ihrer Verächtlichmachung?)  – Ja, das passt genau in die Vorgangsweise, Herr Haigermoser. Sie gehören auch zu jenen, die immer wieder diese Vorgangsweise wählen. Sie dokumentieren das Wesen und die Art der FPÖ auf das Trefflichste. Bravo, kann ich nur sagen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß nicht, Herr Klubobmann Westenthaler, ist das eine Fälschung, was da in der Zeitschrift "Format" abgedruckt war? Hat Herr Chefredakteur Weber Ihnen zu Unrecht etwas unterstellt? (Die Rednerin hält die Zeitschrift in die Höhe.) Ist das Ihre Unterschrift? Ist das ein Faksimile? Da heißt es: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Lieber Josef! Die FGÖ sollte doch in der Anfangsphase jedes Mitglied aufnehmen, denn der Herr Diplomingenieur – Punkte, Punkte – ist ein FP-Informant. (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie keine Informanten?)

Über was hat er informiert? Über die Mariazellerbahn oder über den Taktverkehr der ÖBB? Und dann zufällig – ich weiß nicht, ob es ein Zufall ist – gab es von Ihrer Seite eine Pressekonferenz zu einem Thema, bei dem dann genau ÖBB-Internas kamen – vielleicht von diesem Herrn Diplomingenieur.

Sagen Sie es, wenn es eine Fälschung ist! Das wäre ja tatsächlich etwas, was zu klagen wäre. Tun Sie nicht so, als könnten Sie die Grenzen nicht auseinander halten! Sie wollen sie nicht auseinander halten, weil das Ihre politische Verantwortung genau anspricht. (Abg. Ing. Westenthaler: Apokalypse!)

Wie sich das geändert hat! Sie haben doch gesagt – nicht irgendjemand von der Opposition –: "Das hat ein gerichtliches Nachspiel!" – Ist Ihnen da jetzt die Lust vergangen, oder sind die Fakten nicht ausreichend, um zu klagen, oder haben Sie Angst davor, dass hier etwas zu Tage kommen könnte? (Beifall bei den Grünen.)

Und jetzt komme ich noch einmal auf diese Aussagen zurück, die wirklich ein Bruch mit den Grundrechten, mit der Pressefreiheit, mit der Meinungsfreiheit in Österreich sind. (Die Rednerin hält neuerlich eine Zeitschrift in die Höhe.) Ist das von Ihnen oder nicht? Da heißt es: "... ein Gesetz zu schaffen, das dem ORF diese politische Haltung der Redakteure austreiben werde." – Hier ist freilich von einer linken Haltung die Rede. Von rechten Haltungen, die "ausgetrieben werden sollten", scheinen Sie offenbar wenig zu halten. Das, was Sie anstreben, ist eine Parteilichkeit des ORF in Ihre Richtung, und das ist doch wohl etwas, was zu untersuchen wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist zu Ende. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Ich brauche keine geheimen Unterlagen und keine noch nicht bekannten Tatsachen. Allein das, was in der letzten Zeit unwidersprochen veröffentlicht wurde, schreit nach einem Untersuchungsausschuss! (Beifall bei den Grünen.)

17.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Für das Protokoll: Ohne Gusenbauer! Gusenbauer auf Parteiveranstaltung! Gusenbauer in Paris! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 273/A bis 301/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1325/J bis 1347/J eingelangt.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, 18. Oktober 2000, 10 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 17.01 Uhr