Stenographisches Protokoll

49. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 30. November 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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49. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 30. November 2000

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 30. November 2000: 9.02 – 18.38 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen

Beratungsgruppe VI: Bildung und Kultur; Wissenschaft

Beratungsgruppe III: Äußeres

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1202/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 8

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 90

Redner:

Mag. Ulrike Lunacek 91

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 93

Dr. Peter Kostelka 94

Dr. Gerhard Kurzmann 95

Mag. Walter Tancsits 96

Karl Öllinger 97

Antrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 324/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz, BGBl. Nr. 354/1981, und das Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976, geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 13. Dezember 2000 zu setzen – Annahme 8, 137

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 8


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49. Sitzung / Seite 2

Wortmeldung der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter betreffend Protokollführung 88

Wortmeldung der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic betreffend Zwischenrufe, die einer sofortigen Reaktion seitens des Vorsitz führenden Präsidenten bedürften 88

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 7

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Ing. Peter Westen-
thaler
7, 8

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 d. B.) 8

Beratungsgruppe VI: Kapitel 12: Bildung und Kultur, Kapitel 14: Wissenschaft 9

Redner:

Dr. Dieter Antoni 9, 70

Mag. Karl Schweitzer 11, 84

Dieter Brosz 13

Werner Amon, MBA 18

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 20, 34, 41, 52

Dr. Dieter Antoni (tatsächliche Berichtigung) 22

DDr. Erwin Niederwieser 23

Dr. Martin Graf 26

Dr. Kurt Grünewald 28

Dr. Gertrude Brinek 31

Mag. Christine Muttonen 35, 72

Dr. Brigitte Povysil 36

Dr. Eva Glawischnig 38

Dr. Andrea Wolfmayr 39

Beate Schasching 42, 79

Mag. Dr. Udo Grollitsch 44

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 46

Theresia Haidlmayr 46

Wolfgang Großruck 48

Dr. Robert Rada 49

Otmar Brix (tatsächliche Berichtigungen) 51, 72

Dr. Sylvia Papházy, MBA 53

Mag. Kurt Gaßner 54

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 56

Dr. Günther Leiner 56

Christian Faul 58

Jutta Wochesländer 59

Mag. Andrea Kuntzl 61

Mag. Johanna Mikl-Leitner 62


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49. Sitzung / Seite 3

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 64

Dr. Elisabeth Pittermann 64

Hans Sevignani 66

Mag. Walter Posch 67

Werner Amon, MBA (tatsächliche Berichtigung) 69

Edeltraud Lentsch 69

Dr. Gerhard Kurzmann 71

Ing. Hermann Schultes 73

Inge Jäger 74

Mag. Rüdiger Schender 76

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (tatsächliche Berichtigung) 79

Franz Kampichler 80

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 82

Karl Öllinger 82

Helmut Haigermoser 82

Mag. Ulrike Lunacek 84

Dr. Peter Pilz 85

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 89

Franz Riepl 89


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49. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend Abstandnahme von der Einführung von Kostenbeiträgen in postsekundären Bildungseinrichtungen – Ablehnung 26, 90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen betreffend Forcierung der Forschungsanstrengungen zum Schutz und zur Sicherheit der Verbraucher im Zusammenhang mit der gefährlichen Ausbreitung von CJK sowie BSE – Ablehnung 65, 90

Annahme der Beratungsgruppe VI 90

Beratungsgruppe III: Kapitel 20: Äußeres 98

Redner:

Peter Schieder 99

Mag. Walter Tancsits (tatsächliche Berichtigung) 100

Mag. Karl Schweitzer 101

Mag. Ulrike Lunacek 103

Dr. Michael Spindelegger 106

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 108, 128

Dr. Caspar Einem 111

Wolfgang Jung 114

Dr. Peter Pilz 116

Wolfgang Jung (tatsächliche Berichtigung) 118

Edeltraud Gatterer 118

Dr. Kurt Heindl 120

Dr. Gerhard Kurzmann 121

Inge Jäger 123

Mag. Karin Hakl 124

Anton Heinzl 126

Inge Jäger (tatsächliche Berichtigung) 129

Dr. Reinhard Eugen Bösch 129

Mag. Christine Muttonen 130

Dr. Christof Zernatto 131

Ilse Burket 132

Dr. Gerhart Bruckmann 134

Mag. Beate Hartinger 135

Dr. Günther Leiner 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Inge Jäger, Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Transparenz bei der inhaltlichen und finanziellen Schwerpunktsetzung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit – Ablehnung 123, 137

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen betreffend Initiative für eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses im Nahen Osten – Ablehnung 127, 137

Annahme der Beratungsgruppe III 137

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 7

345: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

389: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste und das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert werden

392: Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird

393: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Punzierung und Kontrolle von Edelmetallgegenständen (Punzierungsgesetz 2000) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Leitbild für den österreichischen Sport (334/A) (E)

Dr. Günther Kräuter und Genossen betreffend Änderung des Forstgesetzes sowie der Straßenverkehrsordnung (335/A)

Mag. Walter Posch und Genossen betreffend die finanzielle Unterstützung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (336/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor CJK und zum Schutz vor Gefahren der Ansteckung durch TSE bei Tieren (TSE-Gesetz) (337/A)

Reinhart Gaugg, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz – 2. SVÄG 2000) (338/A)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Informations- und Maßnahmenpaket zur Konsumentenerziehung (339/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend die internationale Anerkennung der Rolle indigener Völker im Bereich nachhaltiger Entwicklung (340/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundeskanzler betreffend demokratische Grundrechte (1605/J)


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49. Sitzung / Seite 5

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Werkverträge (1606/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Werkverträge (1607/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Werkverträge (1608/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Werkverträge (1609/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Werkverträge (1610/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Werkverträge (1611/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Werkverträge (1612/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Werkverträge (1613/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Werkverträge (1614/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Werkverträge (1615/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Werkverträge (1616/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Werkverträge (1617/J)

Ing. Peter Westenthaler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Demonstration vom 23.11.2000 (1618/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend illegale Aktenflüsse zur Zeitschrift "Format" (1619/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Finanzierung von Mieten und Neubauten von ehemaligen Bundesgebäuden (1620/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzierung von Mieten und Neubauten von ehemaligen Bundesgebäuden (1621/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend eine sexistische Zeichnung auf dem Werbeplakat für die Chemieolympiade (1622/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Bestellung von Herrn Alexander Rieder als designierten Direktor der Tourismusschule Bischofshofen (1623/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Salzburg TV – Freiheit für Privat-TV (1624/J)


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49. Sitzung / Seite 6

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Tiermehl in Futtermischungen für Rinder (1625/J)

Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend sichere und preisgünstige Verwendung von Blut und Blutprodukten (1626/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Doris Bures und Genossen (1289/AB zu 1343/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1290/AB zu 1345/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1291/AB zu 1423/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1292/AB zu 1294/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1293/AB zu 1295/J)

 

 


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49. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich eröffne die 49. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 47. Sitzung vom 28. November 2000 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Bures, Fischl, Gaál, Gahr, Lexer, Dr. Moser, Dr. Ofner und Mag. Stoisits.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht: Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser wird durch Bundesminister Herbert Scheibner vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 GOG auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 1289/AB bis 1293/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (345 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste und das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert werden (389 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird (392 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Punzierung und Kontrolle von Edelmetallgegenständen (Punzierungsgesetz 2000) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird (393 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9a E Vr 8457/00, Hv 5014/00) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Andrea Kuntzl wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB,


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Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9a E Vr 8857/00, Hv 5238/00) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Verfassungsausschuss:

Antrag 333/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzniveaus in Österreich;

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 332/A (E) der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen betreffend Modellregionen im Tourismus.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1202/AB

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1202/AB zur Anfrage 1211/J der Abgeordneten Lunacek und Genossen betreffend Revision des österreichischen Geschichtsbildes durch die Frau Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten abzuhalten.

Diese kurze Debatte wird gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass die Abgeordneten Dolinschek, Dr. Stummvoll beantragt haben, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 324/A der Abgeordneten Dolinschek, Dr. Stummvoll und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz, BGBl. Nr. 354/1981, und das Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976, geändert werden, eine Frist bis 13. Dezember 2000 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (310 und Zu 310 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (370 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß ist eine Tagesblockzeit von 8 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 156 Minuten, FPÖ und ÖVP je 116 Minuten und Grüne 92 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes, die 20 Minuten überschreitet, beziehungsweise die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe


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zuständigen Staatssekretärs, die 10 Minuten überschreitet, soll auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ferner soll die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staatssekretäre vom Beginn an auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Danke, das ist angenommen.

Beratungsgruppe VI

Kapitel 12: Bildung und Kultur

Kapitel 14: Wissenschaft

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Beratungsgruppe VI des Bundesvoranschlages für das Jahr 2001.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt nicht vor.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

9.06

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren im Hohen Haus! Einen schönen guten Morgen. (Abg. Dietachmayr: Guten Morgen!) Wir verhandeln und diskutieren heute zu Beginn der Tagung das Kapitel 12 – Budget Unterricht und Erwachsenenbildung.

Lassen Sie mich eingangs sagen, dass wir die Auffassung vertreten, dass das von Ihnen vorgelegte Bildungsbudget unseres Erachtens keinerlei Impulse für die Weiterentwicklung und die Bewältigung der notwendigen Herausforderungen im Bildungssektor darstellt.

Sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsfraktionen! In Wirklichkeit haben Sie das Bildungsbudget eingefroren. Sie werden Tausende Lehrer abbauen, Sie werden Studiengebühren einführen, Sie planen, in absehbarer Zeit im postsekundären Bildungsbereich Schulgeld einzuführen, und im Sinne des lebensbegleitenden Lernens sparen Sie im Bereich der Erwachsenenbildung diese im wahrsten Sinn des Wortes kaputt.

Ihre ideenlose Rasenmäher-Sparmethode ist in der Tat ein Anschlag auf die Qualität unseres Bildungswesens. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kein ernst zu nehmender Bildungsexperte, kein ernst zu nehmender Bildungspolitiker kann dazu etwas anderes behaupten. Immer wieder sprechen Sie von einer Qualitätsoffensive im Bildungswesen. Doch all das stimmt mit dem, was Sie hier vorlegen und was Sie in den letzten Tagen auch gemacht haben, wirklich nicht zusammen. Sie irritieren und verunsichern mit diesen Maßnahmen Schülerinnen, Eltern und Lehrer und alle Weiterbildungswilligen.

Derart einschneidende Maßnahmen, die Sie hier kalt lächelnd einführen – ich meine das Budgetbegleitgesetz, ich meine das Finanzausgleichsgesetz –, können, wenn überhaupt, von den Betroffenen nur dann mitgetragen werden, wenn sie von diesen auch verstanden werden. Aber diese Informationen, diese notwendigen Diskussionen darüber verweigern Sie. Sie verweigern die Diskussion mit den Schülern, jene mit den Lehrern, jene mit den Eltern, und letztlich verweigern Sie auch die Diskussion mit uns Oppositionsparteien. Ich darf Ihnen schon in Erinnerung rufen, dass es sehr lange her ist, dass es die letzte Unterrichtsausschusssitzung gegeben hat.


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Meine Damen und Herren! Dann wundern Sie sich, wenn bei Schülern, Eltern und Lehrern Unruhe auftaucht, wenn sich Unverständnis und Unmut breit machen, und Sie wundern sich auch, wenn plötzlich Streikdrohungen im Raum stehen. (Abg. Böhacker: Nein, wundern tun wir uns überhaupt nicht!)

Kollege Schweitzer und Kollege Amon werden sich wahrscheinlich heute einmal mehr hierher stellen und behaupten, es werden keine Lehrerposten abgebaut (Abg. Böhacker: Uns wundert nichts mehr!), die Mittel für Bildung werden nicht gekürzt. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Schweitzer. ) Sie werden sagen, im Bildungswesen sei alles in bester Ordnung. Einmal mehr werden Sie alte Statistiken und alte Studien aus der OECD, die bereits Jahre zurückliegen, zitieren und sagen: Das ist alles nicht wahr. (Abg. Mag. Schweitzer: Nein! Neue, vom 12. Juli!)

Meine Damen und Herren! Sie tun das, obwohl Sie ganz genau wissen, dass Ihre Aussagen und Ihre Feststellungen nicht den Tatsachen entsprechen.

Längst sind wir Oppositionspolitiker nicht mehr die Einzigen, die sagen: In Bildung muss mehr investiert werden!

Am Wochenende war im "Standard" ein Streitgespräch zwischen Herrn Generalsekretär Lorenz Fritz und unserem Parteivorsitzenden Alfred Gusenbauer nachzulesen. Es war Ihr Generalsekretär Fritz, der Alfred Gusenbauer Recht gegeben und gesagt hat, dass er es für dringend notwendig hält, dass in Bildung und Ausbildung weiter und mehr investiert werden muss. Lesen Sie es im "Standard" vom vergangenen Wochenende auf Seite 10 nach.

Ich darf Herrn Lorenz Fritz zitieren: "Konform gehe ich mit Ihrer Kritik", Herr Gusenbauer, "an den Einsparungen bei Bildung, Qualifikation und Forschung. Da müsste die öffentliche Hand, selbst in Zeiten, in denen man einspart, sehr wohl investieren." – Zitatende.

Der Vertreter der Wirtschaft oder überhaupt die Vertreter der Wirtschaft wissen nämlich ganz genau, dass Investitionen in das Humankapital, also Investitionen in unsere Jugend, ein entscheidender Faktor für den Wettbewerb im Wirtschaftsbereich sind und für den Ausbau des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wo sind die von Ihnen im Regierungsprogramm, in diversen Papieren, in diversen Reden angekündigten Investitionen und Strukturmaßnahmen im Bildungsbereich? Welche Maßnahmen setzen Sie im Bereich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, die hoffnungslos überfüllt sind und die Klassenschülerzahlen jenseits von 36 aufweisen – inakzeptabel hoch? (Abg. Mag. Schweitzer: Die Hauptschulen sind leer!) – Ich habe soeben von den berufsbildenden Schulen gesprochen.

Was unternehmen Sie insbesondere im Informations- und Kommunikationstechnologiebereich, um mehr Lehrer zur Verfügung zu stellen? Mit welchen Maßnahmen fördern Sie die Fremdsprachenoffensive? Was tun Sie, damit Integrationsmaßnahmen für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, für Kinder mit Behinderungen und spezifischem Förderbedarf nicht reduziert werden? – Lehrer abbauen.

Wie werden Sie die Reduzierung der Nachmittagsbetreuung verhindern? – Mit Lehrerabbau.

Was tun Sie zur Umsetzung moderner pädagogischer Lehr- und Lernformen, wie Projektarbeit, Team-teaching, fächerübergreifenden Unterricht? – Lehrer abbauen.

Meine Damen und Herren! Sie werden mir heute wieder antworten – davon gehe ich aus, weil Sie das ja bereits oft genug getan haben –, dass Sie ja alle von mir angesprochenen Notwendigkeiten mittragen. Aber in Wirklichkeit ist es so, dass die Bundesländer gefordert sind, dass der Landesschulrat gefordert ist, dass der Bezirksschulrat gefordert ist und dass diese Dinge ja durchaus im Zuge der Autonomie direkt an den Schulen geregelt werden können. Schulen müssen eben kreativ und flexibel sein, sagen Sie immer. Das könnten wir Sozialdemokraten uns schon auch vorstellen.


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Sie aber haben es bis heute verabsäumt, die Regelungsdichte an unseren Schulen endlich zurückzunehmen. Erst dann, wenn Sie diesen Schritt setzen, werden mehr pädagogische Autonomie und eine höhere Flexibilität an den Schulen möglich sein. Aber das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Lehrerdienstrecht tasten Sie bewusst nicht an. Mit dem Nicht-Antasten dieser unflexiblen Maßnahmen verhindern Sie nämlich wirklich strukturelle Verbesserungen, Sie verhindern aber auch mögliche Synergieeffekte.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss und möchte noch darauf hinweisen, dass die Erwachsenenbildung nach wie vor das größte Stiefkind Ihrer Bildungspolitik ist. Obwohl in Ihrem Regierungsprogramm die Weiterbildung zum zentralen Schwerpunkt Ihrer Bildungspolitik erhoben wurde, frieren Sie die Mittel für die Erwachsenenbildung auf niedrigstem Niveau ein. Das steht in eklatantem Widerspruch zur Kritik des Rechnungshofes und zu vielen, vielen Empfehlungen der OECD. In Wirklichkeit haben Sie kein Interesse daran, einen deutlichen Impuls in Richtung Weiterbildung, in Richtung lebenslanges Lernen zu geben.

Meine Damen und Herren! Rasenmäher-Sparmaßnahmen stellen für uns wirklich keine Strukturmaßnahmen dar. Massiver Personalabbau, das Einführen von Studiengebühren, dass Sie bereits mit Schulgeld drohen und das Kaputtsparen im Bereich der Erwachsenenbildung sind für uns Sozialdemokraten keine Bildungsoffensive.

Sie sollten unserer Jugend Chancen geben und ihr nicht die Chancen nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Wunschgemäß ist die Uhr auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

9.15

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Antoni, ich werde keine alten Zahlen nennen, ich bringe neue Zahlen, um die Situation des österreichischen Bildungswesens im internationalen Vergleich aufzuzeigen, und zwar die Situation, die das Jahr 2000 beschreibt.

Die OECD-Ausgaben für Bildung liegen bei durchschnittlich 4,6 Prozent der Budgets. In Österreich liegen die Ausgaben bei 6 Prozent. (Abg. Dr. Niederwieser: Das war unsere Politik! Kollege Schweitzer! Das war unsere Regierung!) Kollege Niederwieser! Ich möchte jetzt einmal ein paar Vergleichswerte laut Eurostat-Bericht vom 12. Juli 2000 bringen, der EU-Schnitt ist immer 100. (Abg. Dr. Niederwieser: Das war unsere Regierung!)

Im Primärbereich gibt Irland 68, Deutschland 92, Schweden 145, Österreich 166 Bewertungspunkte für die Bildung aus. Im Sekundärbereich: Griechenland 44, Deutschland 85, Frankreich und Dänemark 136, Österreich 155. – Die Ausgaben für den Bildungsbereich sind also durchaus respektabel, Herr Kollege Niederwieser.

Die Kosten für die Lehrer machen einen sehr, sehr hohen Anteil aus. 93 Prozent der Ausgaben sind die Personalkosten. Deshalb war es notwendig, dass sich das Ministerium beziehungsweise die Frau Bundesministerin überlegt hat, was da an Maßnahmen zu setzen ist, damit diese Kosten nicht weiter explodieren.

Diese Personalkosten resultieren ja in erster Linie auch aus den Betreuungsverhältnissen. Wenn wir uns die Betreuungsverhältnisse anschauen, dann sehen wir, dass wir im internationalen Vergleich auch da weitaus besser liegen. Bei Volksschulen 11,8, bei Hauptschulen 9,3, bei AHS und BHS 9,7 Schüler pro Lehrer. – Das sind durchaus respektable Betreuungszahlen.

Dazu kommt dann noch die Tatsache – und darauf zielen ja diese Maßnahmen, die Sie so kritisieren und wogegen die AHS-Lehrer streiken, auch ab –, dass die Lehrer relativ wenig in der Klasse stehen und viele andere Tätigkeiten erfüllen. Da es gar nicht so viele Stunden gibt, dass


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die Lehrer mehr in der Klasse stehen könnten, müssen wir sie außerhalb des Unterrichtes auch beschäftigen.

Nur 616 Stunden pro Jahr – das ist der niedrigste Wert innerhalb der OECD – stehen unsere Lehrer in der Klasse. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Kollege Posch! Im AHS-Bereich sind genau 27 Prozent der Gesamtarbeitszeit der Lehrer dem Eigentlichen zuzuordnen, nämlich dem Unterrichten. Ich glaube, dass dieser Wert äußerst niedrig ist und dass es kein Problem ist, wenn dieser Wert durch die getroffenen Maßnahmen angehoben wird. Dagegen kann man nicht protestieren, wenn man verantwortungsvoll Politik machen will. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Antoni! Ich werde Ihnen einen Grund dafür sagen, dass wir Probleme haben: Das große Problem ist einerseits die Altersstruktur, kombiniert mit dem Gehaltsschema. Der durchschnittliche Lehrer ist bei uns heute 45 bis 50 Jahre alt, und durch die Biennalsprünge wird dieser natürlich von Jahr zu Jahr um sehr viel teurer.

Das zweite Problem ist, dass unter Ihrer Führung weit mehr Lehrer ausgebildet wurden, als angestellt werden konnten. Man hat nie gesagt: Freunde, ihr dürft einfach nicht mehr studieren und hoffen, dass ihr auch angestellt werdet! – Niemand hat eine Arbeitsplatzgarantie zu erwarten. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn er sich vornimmt, irgendetwas zu studieren, dann tut er das, aber er hat kein Recht auf einen Arbeitsplatz. Er kann studieren, was er will, aber das Recht auf Anstellung hat er deshalb noch lange nicht! Das werden Sie einmal zur Kenntnis nehmen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Antoni. )

Sie haben Folgendes – ich sage es unter Anführungszeichen – "verbrochen" unter Ihrer Führung: 1980/81 hatten wir 1,19 Millionen Schüler und 93 389 Lehrer, 1996/97 hatten wir 1 Million Schüler, Rückgang 200 000, und 112 461 Lehrer. Das heißt, die Schülerzahl ging um fast 200 000 zurück, während die Zahl der Lehrer um fast 20 000 angestiegen ist.

Herr Kollege Antoni! Es kann nicht gut gehen, wenn man Lehrer anstellt, weil sie das richtige Parteibuch genommen haben, und sagt: Irgendwie werden wir Sie schon unterbringen. Heute haben wir Vergleichszahlen von diversen Ländern und sehen, dass wir weitaus mehr angestellt haben, als wir tatsächlich brauchen. Das ist das Problem, mit dem sich diese Regierung in erster Linie zu befassen hat.

Sie gehen jetzt her, nutzen diese Situation, die Sie selbst verursacht haben, und tun nichts dagegen beziehungsweise lassen über Ihre Schülervertretungen sogar zu, dass diese Kampfmaßnahmen unter völlig falschen Voraussetzungen durchgeführt werden.

Was in den Briefen der Lehrerkollegien – zum Beispiel vom akademischen Gymnasium oder von anderen Schulen – von Ihren Gewerkschaften an Unwahrem steht, ist geradezu abenteuerlich.

Ich würde Sie auffordern, dass einer Ihrer Redner dazu Stellung bezieht: Warum ist durch die Maßnahmen, die das Kustodiat und das Ordinariat betreffen, die Nachmittagsbetreuung der Kinder nicht mehr gesichert? Warum werden deshalb auf einmal mehr als 36 Schüler in einer Klasse sitzen? – Das ist doch überhaupt nicht mit dem in Verbindung zu bringen. Keine dieser Maßnahmen geht zu Lasten der Schüler.

Das Einzige, was die Lehrer trifft, ist, dass in Hinkunft für die Erfüllung eines Ordinariats oder Kustodiats gleich viel bezahlt wird, egal, wie alt oder wie jung der Lehrer ist. Wenn sich die Alten so viel Sorgen um die Jungen machen, dann steht es ihnen ja frei, die Ordinariate und Kustodiate die Jungen machen zu lassen, damit diese mehr verdienen. Das ist absolut kein Problem. Die ausgebrannten älteren Lehrer könnten durchaus so sozial sein und sagen: Junge Kollegen, macht ihr das Ordinariat, macht ihr das Kustodiat. – Das wäre absolut kein Problem. Das möchte ich Ihnen schon sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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49. Sitzung / Seite 13

Herr Kollege Niederwieser! Kommen Sie heraus und erklären Sie mir, warum die individuelle Betreuung und pädagogische Beratung durch die Klassenvorstände durch diese Maßnahmen entfallen wird! Kommen Sie heraus, erklären Sie das! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Erklären Sie mir, warum die Auswahlmöglichkeit für die Wahlpflichtfächer durch diese Maßnahmen drastisch eingeschränkt wird, warum aktuelles Unterrichtsmaterial nicht mehr angeschafft werden kann! – Das ist doch alles nicht wahr, was da behauptet wird seitens Ihrer Gewerkschaft, seitens der Lehrkörper (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist aber sehr wohl wahr!), die Sie auffordern, diese Briefe zu versenden, die Eltern zu verunsichern und in Wahrheit einen Streit ums Geld auf dem Rücken der Schüler auszutragen. Darum geht es in Wirklichkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es geht um rein politisches Kalkül, dieses steckt dahinter, vor allem hinter den Streikmaßnahmen der AHS-Lehrer.

Vielleicht hatten Sie Gelegenheit, die Diskussion mit dem Gewerkschaftsvertreter zu verfolgen. Es war relativ einfach: Wenn man etwas fordert, ohne es argumentieren zu können, dann kann man keine Diskussion gewinnen, wenn es keine Gründe für diese Forderungen gibt beziehungsweise wenn es keine Argumente dafür gibt, was da behauptet wird.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Meine Damen und Herren von den Grünen! Ich sage es noch einmal: Mit diesen unwahren Behauptungen werden Sie kein politisches Kapital schlagen. Diese Kampfmaßnahmen, die Sie unterstützen, sind nicht gerechtfertigt. Diese Kampfmaßnahmen führen dazu, dass in der nächsten Woche viele Hunderttausend Schüler am Vormittag unbeaufsichtigt auf der Straße stehen werden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Kampfmaßnahmen führen dazu, dass sich viele Eltern Sorgen über jene Zeit machen müssen, die die Schüler unbeaufsichtigt verbringen. Sie werden unter Umständen einen Urlaubstag nehmen müssen, weil – von Ihnen mitgetragen, von Ihnen provoziert – Kampfmaßnahmen stattfinden, die absolut keine Berechtigung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wollen mit diesen Kampfmaßnahmen die Sanierungspolitik unterminieren. Aber das wird Ihnen nicht gelingen. Wir werden weitere Vorschläge machen, wie wir das Bildungssystem in Hinkunft in den Griff bekommen.

Ich bin gespannt darauf, ob Sie mitdiskutieren, wenn es darum geht, das Bildungsunternehmen Schule, das Dienstleistungsunternehmen Schule in die Realität umzusetzen, ob Sie bereit sind, Schulmanager zu akzeptieren, ob Sie bereit sind, auf Ihre roten Besetzungen in vielen Bereichen zu verzichten, wenn es Qualifiziertere gibt, ob Sie bereit sind, der leistungsbezogenen Bezahlung zuzustimmen, so, wie wir uns das vorstellen, ob Sie bereit sind, einem Bildungskonto, wie es Kollege Amon und ich vorgeschlagen haben, zuzustimmen, damit es auch im Bildungsbereich zu mehr Konkurrenz kommt. Das alles schauen wir uns an. (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie können jetzt herauskommen und Antworten geben, sagen, ob Sie diesen Vorhaben zumindest einmal konstruktiv gegenübertreten, ob Sie mit uns darüber diskutieren und – wenn unsere Vorschläge gut sind – dann auch zustimmen werden. Kommen Sie heraus und beziehen Sie einmal Stellung, und machen Sie nicht auf der Straße Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Die Uhr ist wunschgemäß auf 15 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Dieser Mann ist heute schon quicklebendig!)

9.26

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Schweitzer bietet immer Anlass, dass man überhaupt nur auf ihn reagiert, dazu würde aber die Redezeit von 20 Minuten nicht ausreichen. Ich hebe mir das für den Schluss auf. Ich gehe zunächst einmal zu den wichtigen Dingen über.


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49. Sitzung / Seite 14

Frau Bundesministerin! Es gibt zwei interessante Interviews von Ihnen, die ich in den letzten Tagen gelesen habe – eines im "NEWS" und eines in der "Kleinen Zeitung". Ich möchte mich anhand dieser beiden Interviews der Problematik des Budgets 2001 und der Maßnahmen der Budgetbegleitgesetze nähern.

Die erste Aussage, die ich aus "NEWS" zitieren will, war Ihre Meinung: "In der Öffentlichkeit punkten die, die Dinge falsch darstellen. Das ist für die Schule nicht gut, für das Ansehen der Lehrerschaft nicht gut."

Frau Bundesministerin! Ich war mir zuerst nicht sicher, ob das ein Akt der Selbsterkenntnis und des Eingestehens ist, dass nämlich auch von Ihrem Ministerium und von Ihnen selbst verschiedene Dinge einfach nicht so dargestellt wurden, wie sie wirklich sind. In der Folge des Interviews habe ich allerdings mitbekommen, dass es offenbar kein Akt der Selbsterkenntnis war, sondern sehr wohl wieder auf jene ausgerichtet war, die in den letzten Tagen Kritik geäußert haben.

Ich möchte anhand eines Beispiels noch einmal aufzeigen, dass die Zahlen, die von Ihnen in vielen Bereichen genannt wurden, aus meiner Sicht einfach nicht zutreffend sind. Schauen wir uns noch einmal die Klassenvorstandsregelung an.

Immer wieder, in jeder Zeitung, werden Sie damit zitiert, Kollege Schweitzer ist auch ans Rednerpult geschritten und hat gesagt: Jetzt gibt es eine neue Regelung: 20 000 S werden nun für die Klassenvorstandstätigkeit bezahlt. Alle bekommen gleich viel. – Das stimmt im AHS-Bereich. So weit ist das richtig. Es ist allerdings eine Halbwahrheit.

Eine Halbwahrheit ist es deshalb, weil Sie nicht dazusagen, dass bislang 9 000 S durch zwei Belohnungen – das werden Sie aus dem AHS-Bereich auch wissen – bezahlt wurden, und diese 9 000 S jetzt nicht mehr bezahlt werden. Da dies nicht bezahlt wird, ergibt das jetzt nicht eine Zahlung von de facto 20 000 S mehr, sondern von 11 000 S. (Abg. Wenitsch: Das ist auch gut!)

Jetzt würde ich das so darstellen: Gehen wir einmal davon aus, dass jemand eine Steuererklärung macht und angibt, er hat 20 000 S – sagen wir einmal – für Fachliteratur ausgegeben. Dann bekommt er 9 000 S von seinem Arbeitgeber zurück, und das schreibt er nicht in seine Steuererklärung. (Abg. Großruck: Tu nicht etwas kreieren!) Was ist damit? – Damit wird wohl eine Halbwahrheit sehr schnell zu einer unrichtigen Aussage, und alle, die das tun würden, hätten Probleme. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Tu nicht Schreckensszenarien kreieren!) Ich würde mir erwarten, dass die Zahlen von Ihnen auch so dargestellt werden, wie sie wirklich sind.

Ein zweiter Punkt hat mich dann vom Tonfall her doch wieder aufhorchen lassen und mir gezeigt, dass da mehr dahinter steht. In der "Kleinen Zeitung" sagen Sie:

"Ein Lehrer, der Klassenvorstand ist, steht im nächsten Jahr in den 38 Schulwochen 50 Minuten mehr in der Klasse." – Das stimmt natürlich auch so weit.

Aber zu dieser Sache mit der Betonung der 50 Minuten: Lehrer arbeiten ja eigentlich nicht stundenweise, sondern nur 50 Minuten, aber lassen wir das dahingestellt. Faktum ist jedoch, dass eine Stunde Mehrarbeit ja nicht bedeutet, 50 Minuten in der Klasse zu stehen – sonst könnten wir jetzt sagen, sie sollen 40 Stunden arbeiten –, sondern dass zur Unterrichtstätigkeit auch Vorbereitung und Nachbereitung gehören und vieles mehr.

Das heißt, es geht nicht um 50 Minuten Mehrarbeit – ich darf Sie daran erinnern: es sind 1,11 Werteinheiten –, sondern das sind mehr als 2 Stunden pro Woche.

Ich möchte ein weiteres Beispiel dafür bringen, wie von Ihnen in der Öffentlichkeit die Zahlen – möglicherweise für die breite Öffentlichkeit wohlfallend, jedoch nicht der Realität entsprechend – dargestellt werden.

Dritter Punkt: der Lehrstellenabbau. Dazu gab es originelle Fragen in der "Kleinen Zeitung".


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49. Sitzung / Seite 15

Ich zitiere: Der Redakteur sagte: "Gut. Sprechen wir über Peter M."

Ihre Antwort, Frau Ministerin, war: "Wer ist Peter M.?"

Darauf der Redakteur: "AHS-Lehrer. 32 Jahre. Zwei Kinder. Fächerkombination Deutsch/Englisch. Musste sieben Jahre auf die Anstellung warten. Jetzt halbe Lehrverpflichtung, befristet. 18.000 brutto. Peter M. fliegt aus dem Boot, weil die Klassenvorstände auf Ihr Betreiben eine Stunde länger unterrichten müssen. Was sagen Sie dem Kollegen?"

Ihre Antwort: "So ein Fallbeispiel kann es gar nicht geben."

Der Redakteur: "Wir könnten Ihnen ein Dutzend nennen."

Ihre Antwort: "Gut, wenn der seine Familie zu erhalten hat und Alleinerzieher ist, dann wird eben der Landesschulrat darauf Rücksicht nehmen."

Das ist die eine Aussage, und ich zitiere Ihnen gleich auch noch eine andere, und dann frage ich mich, wie Sie das eigentlich wissen können.

Auf die Frage von "NEWS", wo sich denn die Einsparungen auswirken werden, sagen Sie wörtlich: "Das weiß ich nicht."

Darauf folgt die Frage: "Mehr Kinder pro Klasse?

Gehrer: Mehr Kinder, nein. Ich weiß das nicht."

Und dann sagen Sie immer wieder: Härtefälle sind ausgenommen. Ich frage Sie daher: Wenn dieser Härtefall ausgenommen ist, wer verliert dann seinen Job? Die, die nur ein Kind haben? Die, die – ich weiß es nicht – nur eine Wohnung haben oder sich sonst nur irgendwie den Lebensunterhalt sichern müssen? – Sie definieren "Härtefälle" nicht.

Uns werfen Sie immer wieder vor, dass wir keine Zahlen bringen, dass wir unrichtig argumentieren. Sie als Ministerin aber haben die Verantwortung, die Dinge auf den Tisch zu legen – das ist Ihre Verantwortung! –, aber es liegt nichts vor. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte noch einmal auf die Frage des Abbaus der Stellen zurückkommen. Würde ich die Zahlen kennen, würden Sie mir wirklich die Berechnungen vorlegen, dann wäre ich durchaus bereit, zu sagen: Dem stimme ich zu – dem stimme ich nicht zu. Ich kenne sie jedoch nicht.

Sie haben im Ausschuss gesagt, dass es das Ziel dieser Bundesregierung ist, die Personalkosten in dieser Legislaturperiode einzufrieren. Auf die Nachfrage, wie lange sie eingefroren werden sollen, haben Sie mit einem Bonmot geantwortet und gemeint: Wahlen sind in der Politik das Entscheidende, und wenn die nächsten Wahlen sind, wird sich das möglicherweise ändern.

Gehen wir einmal davon aus, dass die nächsten Wahlen 2003 sind. Damit haben wir drei Budgets vor uns, die von dieser Bundesregierung vorzulegen sind: das vorliegende Budget 2001, das Budget 2002 und das Budget 2003. Und Sie haben wörtlich gesagt: In dieser Legislaturperiode soll das Budget eingefroren werden. In der Zeitung werden Sie jetzt aber zitiert mit: in den nächsten zwei Jahren. – Das stimmt aber nicht mit der Legislaturperiode überein.

Wir können uns darauf einigen: Wenn es nur zwei Jahre eingefroren werden soll, geht es eben nur um 8 000 Stellen. Ich nehme die 12 000 Stellen vom letzten Mal zurück, wenn Sie zurücknehmen, dass Sie bis 2003 einfrieren wollen! Andernfalls kommen wir – und das lässt sich nachrechnen; der Struktureffekt, von Ihnen mit 3 Prozent bezeichnet, beträgt bei 70 Milliarden Schilling Personalkosten pro Jahr in etwa 2 Milliarden Schilling –, wenn das eingespart werden muss, in etwa auf 4 000 Stellen, zumindest vom Äquivalent her, wie immer es dann auch geschieht.

Die Maßnahmen, die Sie jetzt setzen, sind ja interessant, denn wenn die Klassenvorstandstätigkeit extra bezahlt und das Budget nicht erhöht wird, dann bedeutet das doch, dass


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49. Sitzung / Seite 16

noch weniger zur Verfügung steht und der Abbau noch höher sein muss, denn Sie geben für einen bestimmten Bereich zusätzlich Geld aus, frieren aber den Gesamtbetrag ein. Aus meiner Sicht wird es mehr – aber wir können uns über die mathematischen Spitzfindigkeiten des Systems gerne noch unterhalten.

Ich komme zu einem weiteren Punkt in der "Kleinen Zeitung", der mir sehr gut gefallen hat, nämlich zu Ihrer Aussage: "Wir müssen in der Regierung aufpassen, dass wir uns nicht in einen Wirbel manövrieren, wo eine Neuerung von der anderen abgelöst wird und wo eine totale Verunsicherung entsteht."

Frau Bundesministerin! Sie haben im Budgetausschuss gesagt, dass wir eine Regelung für die Pflichtschullehrer beschließen, die gar nicht in Kraft treten soll, weil das Modell des Herrn Helm noch vor Beginn des nächsten Schuljahres beschlossen werden soll, und daher brauchen wir die Regelung nicht. Sie beschließen Budgetbegleitgesetze, von denen Sie als Zielvorstellung angekündigt haben, dass wir sie nicht brauchen und dass sie bis zum In-Kraft-Treten schon wieder geändert werden sollen. Das ist der Wirbel, von dem Sie hier reden. Das ist die Politik, mit der Sie verunsichern, nicht wir, nicht die Opposition. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme zu den Protesten der LehrerInnen. Auch dazu ein Zitat von Ihnen: "Und es gibt einige, die die Privilegien verteidigen. Die gehören meiner Meinung nach zur linken Reichshälfte, und die bringen Verunsicherung." (Abg. Dr. Martin Graf: Reichsdrittel!) Reichsdrittel, okay, etwas eingeschränkter.

Ich sage Ihnen jetzt eine Mailingliste, sie heißt "Lehrerforum", ich sage Ihnen auch, wie Sie hineinkommen: Sie brauchen dort nur hinschreiben unter "Majordomo@ccc.at", und dann geben Sie ein: subscribe: "Lehrerforum". Dann bekommen Sie alle Mails, die in diesem Lehrerforum eingehen, und Sie werden sehen, dass dort sehr häufig druntersteht: FCG-Gewerkschafter.

Ich weiß nicht, ob Sie die Spaltungslinie zwischen "linker" und "rechter Reichshälfte" jetzt schon in Ihrer Fraktion ansiedeln. Aber ich finde es schon bemerkenswert, wenn all diese Personen als "linke Reichshälfte" bezeichnet werden – wahrscheinlich als "Mailing-Chaoten" oder so, nach der Diktion der Regierungsparteien. Ihre Gewerkschafter, Ihre eigenen Leute sind nicht die "linke Reichshälfte".

Viele Zahlen, die ich hier nenne, nehme ich aus Berechnungen, die von Ihrer Gewerkschaft kommen, von niemand anderem! Die Verunsicherung müssen Sie dann also wohl auch auf Ihre Kappe nehmen, wenn es Ihnen nicht gelingt, Ihre eigenen Leute zu überzeugen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt haben Sie aber noch wenig zu diesen Streiks gesagt! Das wäre interessant!) – Ich komme noch darauf zu sprechen, wenn das rote Licht nicht zu früh leuchtet, gehe ich auf Ihre Aussagen auch noch ein, Herr Kollege Schweitzer, aber es gibt wichtigere Dinge.

Das letzte Mal haben Sie gesagt, dass wir darauf antworten sollen. Wir haben es dann gemacht, aber Sie waren nicht im Saal. Die Frage an die SPÖ haben Sie das letzte Mal schon eingefordert, aber wenn Sie jedes Mal hinausgehen, wenn eine Frage beantwortet wird, ist das ein fades Spiel, denn eine Frage einmal zu beantworten, sollte eigentlich reichen. (Abg. Mag. Schweitzer: Aber jetzt bin ich da! Einmal geht es noch!) – Okay, wenn Sie sitzen bleiben, vielleicht geht es sich noch aus.

Zur Polemik, die Sie letzte Woche gebracht haben, Frau Ministerin – ich nenne es bewusst "Polemik" –, ich sei so gesetzestreu und wolle in den Ausschüssen nur über Gesetze verhandeln. Das, was ich gemeint habe – ich habe das auch gesagt –, ist: Ich würde gerne über die Inhalte des Bildungssystems sprechen (Abg. Dr. Pumberger: Herr Brosz! Sagen Sie uns etwas vom Lehrerstreik!), aber diese Inhalte sind kein Thema im Unterrichtsausschuss im Zusammenhang mit der Bildungspolitik der Regierung.

Ich würde gerne über Ihre Aussage sprechen, die ich ja unterstütze: Es gibt eine enorme Wissensvermehrung, es gibt einen großen Wissensaustausch innerhalb weniger Jahre. Das


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Wissen hat eine Halbwertszeit von nur vier Jahren erreicht. Über all das können wir seriös reden, aber ich frage mich: Was sind die Auswirkungen? Was sind die strukturellen Ergebnisse, die Antworten des Bildungssystems?

Natürlich gibt es LehrerInnen, die sehr engagiert darauf antworten, aber es ist die Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen zu gestalten, die LehrerInnenausbildung zu verändern, die Struktur des Schulsystems zu verändern, eine funktionierende Technologieoffensive zu starten. – Ihre Technologieoffensive kommt in jeder Zeitung vor, was ich jedoch höre, ist, dass 400 Schüler an einer einzigen HTL abgewiesen werden. Das ist die Technologieoffensive? Das ist die Antwort darauf, dass die FPÖ verhindert, dass in Kernbereichen ausländische Arbeitskräfte geholt werden? – Setzen Sie ein Zeichen! Setzen Sie das um! Bringen Sie neue Ausbildungsplätze! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Antoni. )

Da ich noch Redezeit zur Verfügung habe, kann ich mich jetzt mit Ihren Aussagen, Herr Kollege Schweitzer, auseinander setzen. (Abg. Mag. Schweitzer: Sagen Sie etwas zum Streik!) Zu den OECD-Zahlen: Sie sagen immer, Österreich habe so hohe Bildungsausgaben. (Abg. Mag. Schweitzer: Eurostat war das! Juli 2000!) – Eurostat, okay. Haben Sie schon einmal überlegt, dass es bei dieser Statistik auch darum geht, nicht an die unterste Stelle zu fallen? Das Kriterium der Bildung kann ja nicht sein: Wer am wenigsten ausgibt, macht die beste Bildung. (Abg. Mag. Schweitzer: Österreich ist ja ganz vorne!) Ja das ist auch ein Verdienst, und ich bin sehr stolz drauf, dass es in Österreich ein Bildungssystem gibt, das einen entsprechenden Wert genießt (Abg. Mag. Schweitzer: Also, was jammert ihr?), und dass nicht wie in anderen Ländern die Bildungsausgaben auf Kosten der Privatkassen, nämlich jener, die Schulgeld zahlen müssen, zurückgeschraubt werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Das betrifft doch die öffentlichen Aufwendungen!) Es geht nicht darum: Nulldefizit – Nullbildung. Das ist etwas anderes, das sollte man vielleicht nicht in einen Topf werfen, wie Sie das immer machen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das betrifft doch die öffentlichen Aufwendungen!)

Zu den Personalkosten: 93 Prozent Personalkosten. Ja, natürlich, aber warum? – Weil schon in den letzten Jahren bei allen anderen Ausgaben (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ weisend –: Dort drüben sind die Gründe!)  – Sie haben nicht ganz Unrecht, dorthin zu zeigen – eingespart wurde, nämlich überall dort, wo man leicht einsparen konnte, und das waren nicht die Personalkosten, sondern alles andere. Fortschrittliche Projekte, Begleitmaßnahmen in den Schulen, all das ist schon gekürzt worden. Deshalb ist der Prozentsatz jetzt auch wesentlich höher, nur ist er aus meiner Sicht kein Maßstab.

Zur Entlohnung: Schauen Sie sich einmal die Entlohnung im internationalen Vergleich an. Finden Sie, dass Österreichs Lehrer im internationalen Vergleich überdurchschnittlich bezahlt sind? Wenn ja, dann belegen Sie es.

Womit Sie Recht haben, ist die Altersstruktur; da pflichte ich Ihnen bei. Nur: Man kann ja nicht einfach sagen, wie das Kollege Grasser gemacht hat: Am Anfang soll man es so lassen und später soll man es zurückschrauben. Das hat mit einer Abflachung der Gehaltskurve, die wir alle fordern – ich glaube, das fordert auch die SPÖ, wir fordern es auf jeden Fall –, nichts zu tun. (Abg. Amon: Aber wenn wir es machen, sind Sie dagegen!) Das über das Lebenseinkommen zu verteilen, kann ja keine Einsparung bringen (Abg. Mag. Schweitzer: Machen wir eine leistungsabhängige Besoldung!), daher ist es irgendwie anders als das, was Sie hier darstellen. (Abg. Mag. Schweitzer: Machen wir eine leistungsabhängige Besoldung! Sind Sie dabei?)

Zur Frage der pädagogischen Tätigkeiten. Sie haben gesagt: Die Lehrer sollen sich dem Eigentlichen zuwenden, pädagogischen Tätigkeiten. Das Eigentliche in der Schule besteht nicht darin, dass ein Lehrer 40 Stunden in der Klasse steht. Das kann ja wohl nicht die Zielvorstellung sein, oder? (Abg. Mag. Schweitzer: Aber 27 Prozent sind wenig!)

Sie sagen ja nicht, was das Ziel ist; das benennen Sie nur aus Einsparungsgründen. Sie sagen: ein pädagogisch vernünftiges Modell. Wie soll ein pädagogisch vernünftig gestalteter Lehrerberuf ausschauen? Welche Anteile soll er haben? Wie soll er zusammengesetzt sein? (Abg. Mag. Schweitzer: Das Dienstleistungsunternehmen Schule regelt das alles allein!) Sie sagen


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nur: einsparen, da kann man Geld holen, das ist das Ziel. Aber das ist keine Bildungspolitik, das ist die Politik des Sparstrumpfs, und die mag ich im Bildungsbereich nicht haben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Sagen Sie etwas zu den Streiks!)

Zu den Streiks sage ich jetzt auch noch etwas. Ich habe gesagt, dass ich die Streiks für ein richtiges Zeichen halte – dazu stehe ich auch (Abg. Mag. Schweitzer: Sehr gut!)  –, und zwar ganz einfach deshalb, weil hier Maßnahmen gesetzt werden, die für das Bildungssystem in einem Ausmaß prägend sind, das ganz relevant ist. Es heißt, auf drei Jahre sollen 10 Prozent der Dienstposten abgebaut werden. Was das für das Bildungssystem bedeutet (Abg. Mag. Schweitzer: Absoluter Nonsens!), können Sie sich vorstellen. Aus meiner Sicht ist das sehr schwerwiegend, und ich bin daher dafür, dass jetzt von den Betroffenen ein Zeichen gesetzt wird – und das sind ganz bestimmt auch die LehrerInnen.

Zu den ständigen Vorwürfen von "Chaoten" gegenüber den Demonstranten und jenen, die "Unwahrheit" verbreiten: Ich glaube, dass die Berechnungen jener, die in den Schulen sind, und deren Aussagen schon glaubwürdig sind. Ministerin Gehrer sagt immer, dass es keine Einsparungen gegeben hat, dass es im Integrationsbereich keine Einsparungen gibt, dass all das nicht stattfindet.

Ich sagen Ihnen: Gehen Sie zu den LehrerInnen, gehen Sie in die Schulen, und fragen Sie, was sich jetzt schon abspielt! (Abg. Mag. Schweitzer: Erklären Sie mir eine einzige Behauptung: Warum steigen die Klassenschülerzahlen durch diese Maßnahme?!) – Das habe nicht ich behauptet. Die Klassenschülerzahl ist de facto jetzt schon gestiegen. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum steigen die durch diese Maßnahme?) Ganz einfach: weil die Werteinheiten zum Beispiel schon heuer kontingentiert wurden und zum Beispiel auf Grund des Finanzausgleiches. Das ist ja eindeutig. (Abg. Mag. Schweitzer: Der hat keine Ahnung!) Da steht drinnen, dass die Relation zwischen Lehrern und Schülern sinken soll. Und Sie werden die Lehrer wohl nicht in dem Ausmaß mehr in die Klassen stellen, dass sie das ausgleichen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das heißt doch nicht, daß die Klassenschülerzahlen steigen!)

Letztes Wort zu den Kampfmaßnahmen: Ich hoffe, dass sie Erfolg haben werden und dass sie nicht allzu lange dauern müssen. Daran, dass in den Schulen sehr lange gestreikt wird, kann wohl niemand Interesse haben. Sobald es wieder Diskussionsbereitschaft gibt, sobald Sie, die Ministerin, die ÖVP, bereit sind, einen Konsens oder einen Dialog zu ermöglichen, wird das auch nicht mehr notwendig sein. Aber solange diese Politik von dieser Regierung gemacht wird, wird es legitim sein, sich auch dagegen zu wehren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

9.43

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen zu diesem Budgetkapitel namens meiner Fraktion sehr herzlich bedanken: bei Ihnen, Frau Bundesministerin, bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei Ihren Beamten sowie bei den Mitarbeitern der Klubs, für die ausgezeichnete Kooperation im Rahmen dieser Budgeterstellung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: "Im Namen der Lehrer" musst du sagen!) – Auf die Lehrer komme ich selbstverständlich noch zu sprechen, ich habe ja ausreichend Redezeit zur Verfügung, möchte aber zunächst schon auf die Ausführungen der beiden Vorredner, von Herrn Brosz und Herrn Dr. Antoni, eingehen.

Herr Dr. Antoni, Sie sprechen heute wieder – das ständige Wiederholen dieser Argumentation macht diese Aussage nicht richtiger – von einem Kahlschlag im Bildungssystem. (Zwischenruf des Abg. Dr. Hannes Bauer. ) Sie sprechen von einer "Rasenmäher-Methode", und Sie sprechen – wörtlich – von einem "Anschlag auf das Bildungssystem". Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wenn 13 Prozent der Gesamtbudgetausgaben für Bildung eingesetzt werden,


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wenn wir im Unterrichtsbudget ein Plus von 1,7 Prozent haben, dann ist das doch kein Anschlag auf das Bildungssystem. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie wissen, auch ich hatte Probleme, als mehr oder weniger über Nacht – obwohl es ja viele Jahre hindurch Diskussionen gegeben hat – 5 000 S Studiengebühr pro Semester eingeführt wurden. Ich habe den Dank hinsichtlich der guten Kooperation deshalb an den Beginn meiner Ausführungen gestellt, weil uns im Zusammenhang mit der sozialen Abfederung dieser Studiengebühren wirklich einiges gelungen ist. (Abg. Mag. Gaßner: Da ist euch etwas "gelungen"!) Ich möchte das schon auch sagen, weil ich heute zu sagen wage, dass in Österreich niemand allein auf Grund der Einführung dieser Studiengebühr aus sozialen Gründen nicht im Stande sein wird, ein Studium an einer österreichischen Universität zu absolvieren.

Wir haben sichergestellt, dass die Beihilfen und Stipendien an Breite und Höhe ausgeweitet werden. Wir haben sichergestellt, dass die Familienbeihilfe in der derzeitigen Form erhalten bleibt. Wir haben die Zuverdienstgrenze für die Studierenden auf 100 000 S erhöht und eine Jahresdurchrechnung eingeführt. Und wir bieten ein fast zinsenloses Darlehen an. Damit ist sichergestellt, dass jeder, der in Österreich studieren will, in Österreich auch studieren kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Brosz und Herr Kollege Antoni! Sie sagen: Mehrausgaben für Bildung bedeuten 1 : 1 auch eine bessere Qualität in der Ausbildung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Antoni. ) Doch, Sie haben es vorhin gesagt. (Abg. Brosz: Ich habe es gerade umgekehrt gesagt!) Na ja, aber dann ist ja der Umkehrschluss zulässig, Herr Kollege Brosz, wenn Sie es umgekehrt gesagt haben. Wenn Sie gesagt haben, dass jene, die am wenigsten für Bildung ausgeben, die schlechteste Ausbildung haben, dann ist der Umkehrschluss zulässig, dass jene, die am meisten ausgeben, die beste Bildung haben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brosz. )

Ich sage Ihnen aber, dass alle internationalen Studien belegen, dass das nicht der Fall ist. Alle internationalen Studien belegen auch, dass nicht die Frage der Klassenschülerhöchstzahlen für die Qualität der Ausbildung entscheidend ist. Interessanterweise schneiden jene, die die höchsten Klassenschülerhöchstzahlen haben, wie die Japaner und die Menschen in Singapur, am besten bei allen internationalen Studien ab. Das ist doch ganz interessant.

Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass dieser Zusammenhang nicht stimmt. Es stimmt nicht, dass ein Mehr an Geld für Bildung automatisch eine bessere Ausbildung bedeutet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie kritisieren die neuen Regelungen im Zusammenhang mit den Klassenvorständen und den Kustodiaten. Sie haben – ich erinnere mich sehr gut daran –, als wir den § 61 geändert haben, kritisiert, dass das Gegenrechnungsmodell dazu führt, dass an den Schulen plötzlich keine Schulskikurse und keine Exkursionen mehr durchgeführt werden können, weil wir ja den Lehrern damit die Überstunden nehmen. Jetzt verändern wir diesen § 61 – die Frau Bundesministerin hat ja schon bei der Einführung gesagt, dass sie das sehr kritisch begleiten wird –, und jetzt können plötzlich wieder keine Schulskikurse und Exkursionen stattfinden. (Abg. Mag. Mühlbachler: Genau so ist es!) Diese Argumentation ist hanebüchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie sich die aktuelle Studie zur Lehrerarbeitszeit ansehen, werden Sie feststellen, dass AHS-Lehrer 13 Stunden und 28 Minuten – das ist ihre Selbstbeurteilung – unterrichtend in der Klasse verbringen. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass der überwiegende Teil der österreichischen Lehrerinnen und Lehrer eine hervorragende Ausbildung in unserem Bildungssystem leistet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Führen wir uns Folgendes vor Augen: In unserem Land sind 122 000 – 122 000! – Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt, und wir haben 1,2 Millionen Schüler. Das ergibt eine Pro-Kopf-Zahl, Schüler/Lehrer, von 9,83. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. ) Auf einen Lehrer kommen – ja, es ist eine Milchmädchenrechnung, das stimmt, das ist eine einfache Division – 9,83 Schüler. Ich frage Sie: Müssen wir nicht die Strukturmaßnahmen so setzen, dass die Verhältniszahl dem entspricht, was diese Division ergibt?


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49. Sitzung / Seite 20

Wie kommen Sie zu Ihren Klassenschülerhöchstzahlen, frage ich Sie, wenn auf 122 000 Lehrer 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler kommen? – Das ist das Problem. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Brosz: Anfragebeantwortung der Ministerin!)

Wenn wir heute sagen, dass jemand, der die Tätigkeit eines Klassenvorstandes ausübt, in Hinkunft keine Abschlagsstunde mehr erhält, sondern diese ... (Abg. Mag. Posch: Reden Sie nicht von Sachen, die Sie nicht verstehen!) – Herr Kollege Posch, davon verstehe ich etwas, aber offensichtlich negieren Sie das Problem.

Ihre einzige Argumentation im Bildungssystem ist, es muss mehr Geld geben, weil das eine bessere Bildung bedeutet. Sonst fällt Ihnen nichts ein!

Die Antwort auf diese Strukturmaßnahme – und es ist das eine Strukturmaßnahme – kann nicht ein Streik auf Kosten der Schülerinnen und Schüler sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der österreichischen Bevölkerung hält sich das Verständnis für diese Streikmaßnahmen sehr in Grenzen, das kann ich Ihnen sagen, Herr Kollege Posch. Herr Kollege Posch, offensichtlich verstehen Sie das Problem ... (Abg. Mag. Posch führt ein Gespräch mit Abg. Dr. Pittermann.) – Herr Kollege Posch, könnten Sie mir bitte Ihr geschätztes Ohr leihen? – Er leiht es mir nicht.

Herr Kollege Posch! Sie unterstellen mir, dass ich nichts davon verstehe. Aber offensichtlich verstehen Sie nichts davon. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Erzählen Sie Arbeitern und Angestellten, die keine Jobgarantie haben, warum jene, die einen sicheren Arbeitsplatz haben, den höchsten Anteil an Streiks in unserem Lande haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Erzählen Sie das denjenigen, die Sie angeblich vertreten. Es gibt kein Verständnis dafür.

Ich möchte auch sehr klar sagen – Herr Brosz verlangt das –: Es gibt auch nicht so etwas wie eine Anstellungsgarantie, wenn jemand eine Ausbildung absolviert. Die einzige Möglichkeit wäre, das über begrenzte Studienplätze zu regeln – das wollen Sie aber auch nicht. Sie wollen eine Planwirtschaft für den Arbeitsmarkt. Dieser Planwirtschaft für den Arbeitsmarkt erteilen wir jedoch eine klare Absage! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Brosz: Sie verändern die Spielregeln mit Ihren Maßnahmen!)

Mit diesen Strukturmaßnahmen, die wir setzen, machen wir auch einen ersten Schritt in Richtung Kippen des Senioritätsprinzips, denn in Hinkunft werden junge Lehrer (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer ), die als Klassenvorstände tätig sind, ein höheres Einkommen beziehen, und die älteren Lehrer werden nichts verlieren. Auch das ist bei dieser Maßnahme entscheidend. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Gaßner: Die jungen Lehrer werden nicht mehr beschäftigt!) Deshalb ist diese Maßnahme sinnvoll und gut für das österreichische Bildungssystem.

Abschließend kann ich Ihnen eines sagen: Die Schulen, die uns derzeit schreiben, und die sozialdemokratischen Gewerkschafter, die uns derzeit anschreiben und uns mitteilen, welche schulischen Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können, werden wir uns sehr genau anschauen. Wir werden ... (Heftige Zwischenrufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)  – Nein, nein! Es geht nicht darum, Herr Kollege Edlinger! Wie der Schelm denkt – so schaut es aus! Sie wollen uns Repressalien unterstellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Keinesfalls, aber wir werden uns das sehr genau anschauen und schauen, ob das nicht deshalb gesagt wird, um zu versuchen, eine unsoziale Maßnahme, die es nicht gibt, nachzuweisen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Gehrer. – Bitte.

9.53

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Bildung muss immer von Verantwortung getragen sein. Und für mich, meine


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49. Sitzung / Seite 21

Damen und Herren, zeugt es nicht von Verantwortung, wenn mit falschen Behauptungen Ängste geschürt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich meine, dass diejenigen, die diese falschen Behauptungen den Eltern über die Schüler weitergeben, dafür auch die Verantwortung tragen müssen und dafür geradestehen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es hat nichts mit den Strukturmaßnahmen zu tun, dass angekündigt wird, dass Schiwochen, Sportwochen nicht mehr gehalten werden, dass die Schüler nicht mehr beraten werden, dass man sie nur noch vor dem Konferenzzimmer kurz abfertigen wird, dass es keine Freigegenstände mehr geben wird, dass Unterrichtsmaterialien nicht mehr beschafft werden. Das ist doch absolute Panikmache und absolute Irreführung der Eltern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich freue mich über jeden, der konstruktive Kritik übt, der sich positiv einbindet in eine Zukunftsdiskussion, aber ich lehne es ab, mit Falschmeldungen Verunsicherungen zu schüren.

Es wird immer wieder gefordert, Zahlen zu nennen. (Abg. Brosz: Die Berechnungen offen legen, das ist der Punkt!) In vielen Ausschüssen – ob das der Unterrichtsausschuss, der Bildungsausschuss ist, ob das der Finanzausschuss, ob das der Budgetausschuss ist – und auch schon mehrmals hier im Plenum habe ich alle Zahlen auf den Tisch gelegt. Außerdem nehme ich an, dass alle lesen können, was auf meiner Homepage steht. Dort können Sie sich jede Information holen, über jede Strukturmaßnahme.

Ich erkläre es Ihnen jetzt noch einmal: Struktureffekte sind notwendig, um die Personalkosten zu stabilisieren – das haben wir mit Ihnen bei den Koalitionsgesprächen vereinbart, und das führen wir weiter. Diese Strukturmaßnahmen sind mit der Gewerkschaft besprochen, sind durchgerechnet.

Ein Klassenvorstand erhält in Zukunft 20 000 S im Jahr für diese Tätigkeit, dafür steht er eine Unterrichtsstunde mehr in der Klasse. Wissen Sie, was die jungen Kolleginnen und Kollegen sagen, wenn ich mit ihnen spreche, was sie haben wollen? – Sie wollen nicht weniger arbeiten, sie wollen mehr verdienen. Und das ist eine gute Einstellung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Gaßner: Aber zuerst müssen sie einen Job haben! – Abg. Mag. Schweitzer: Lass du Alter die Jungen den Klassenvorstand machen, dann funktioniert das!)

Meine Damen und Herren! Durch diese Strukturmaßnahmen werden im AHS-Bereich 650 Dienstposten nicht mehr nachbesetzt werden und im BHS-Bereich auch 650 Dienstposten. Wir haben insgesamt 40 000 Dienstposten in diesen Bereichen, und 4 000 Dienstposten sind immer noch mit Überstunden belegt, 2,6 Milliarden Schilling werden für Überstunden ausgegeben. Bei einer vernünftigen Einteilung werden diese 650 Dienstposten aufgefangen: durch Pensionierungen, Abbau von Überstunden und das Vorruhestandsmodell. Das ist unser Sozialplan. Das ist gerecht und vernünftig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn man sich das Budget anschaut, kann man nicht einfach an den Tatsachen vorbeigehen: Das Bildungsbudget wird angehoben. Schauen Sie in unserem Land die Schulen an. Wir haben die modernsten und schönsten Schulbauten, wir haben die beste Ausstattung in den Schulen. Wir sind in diesem Bereich Europaspitze. Das alles muss man doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.  – Abg. Huber: Das ist der Scherbenhaufen, von dem Sie immer reden!)

Es wird hier immer gefordert, dass man im Bereich der neuen Kommunikationstechnologien Schwerpunkte setzt. Meine Damen und Herren! Ich mache das seit fünf Jahren, und ich kann es Ihnen nicht ersparen, Ihnen die Schwerpunkte noch einmal zu sagen.


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49. Sitzung / Seite 22

50 Prozent aller Lehrer haben bereits den Computer-Führerschein, die restlichen Lehrer werden von den PIs geschult.

Wir haben das Lehramt "Informatik" eingeführt, das im Wintersemester 2000/2001 in Wien, Klagenfurt und Salzburg startet. Jahrelang hat man vorher darüber geredet, es aber nicht gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Ing. Herbert. L. Graf. )

Es wird im IKT-Bereich ein Bakkalaureats-Studium in Graz geben. Die pädagogischen Institute haben IKT-Schwerpunkte. Alle österreichischen Schulen haben Internet, sind bestens ausgestattet. Wir liegen gleichauf mit den skandinavischen Ländern. (Abg. Brosz: Es geht um Ausbildungsplätze, die fehlen!) Wir bieten die Schwerpunkte in den Handelsakademien, in den HTLs und in den Fachschulen an. Wir werden in Zukunft pro Jahr 20 000 Absolventen haben, die eine grundlegende IKT-Ausbildung haben.

Ich habe vor zwei Tagen einen großen Wirtschaftsgipfel gehabt. Wir definieren gemeinam mit der Wirtschaft die Ziele, setzen die Ausbildungsschwerpunkte, passen sie ständig an und modernisieren sie. Wir sind im Bereich der neuen Kommunikationstechnologien weit voran und bieten die notwendigen Ausbildungen an. Wir haben die Computermilliarde in den nächsten Budgets, wir werden sie nachhaltig einsetzen, nachhaltig und vernünftig. Ich bin neugierig, ob Sie bei diesen Aktivitäten dann einmal eine positive Einstellung haben.

Meine Damen und Herren! Zu den Streiks, die nächste Woche stattfinden werden, muss ich sagen: Ich bedauere es, dass die AHS-Lehrer durch gezielte Fehlinformationen diese Maßnahmen treffen, die Augenmaß vermissen lassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Ich danke aber allen, den vielen Lehrern und Lehrerinnen, die mit Augenmaß agieren, die wissen, dass eine Neuabgeltung der Funktion des Klassenvorstandes keinen Einfluss auf Freigegenstände und Sportwochen hat. Ich danke den über 80 Prozent Lehrerinnen und Lehrern, die wissen, dass Lehrer sein mehr als ein Job ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass es ein verantwortungsvoller Zukunftsberuf ist.

Und deswegen sage ich: Lehrer sein ist mehr, und die Eltern müssen sich auf die Schule verlassen können. Das ist Verantwortung!

Diese Regierung hat die Qualität der Bildung und den verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern zur Zielsetzung. Das ist neu Regieren in einer neuen Zeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.00


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49. Sitzung / Seite 23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Antoni zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie höflich, § 58 Abs. 2 GOG zu berücksichtigen und mit der Wiedergabe des Wortlautes zu beginnen, den Sie zu berichtigen wünschen. – Bitte.

10.00

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Jawohl, Herr Präsident! – Frau Bundesminister, Sie sprechen immer wieder, auch heute, davon, dass Klassenvorstandsarbeit in Hinkunft mit 20 000 S im Jahr abgegolten wird. Diese Aussage trifft ausschließlich auf L1-Lehrer zu (Abg. Böhacker: Das ist richtig! – Abg. Mag. Schweitzer: Wer streikt denn? Es streiken nur die L1-Lehrer, die AHS-Lehrer!), und deren haben wir nicht so viele.

Wir haben aber auch Lehrer in den allgemein bildenden Schulen. Die Hauptschullehrer bekommen im Jahr 15 000 S, die Volksschullehrer bekommen im Jahr überhaupt nur 7 500 S, aber man hört ständig nur die Aussage: 20 000 S für die Klassenvorstandsarbeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Lehrer werden sogar für das Streiken bezahlt! Wo gibt es das, dass für das Streiken noch bezahlt wird? – Abg. Schwemlein  – in Richtung des Abg. Schwarzenberger –: Georg, sprich nicht auch noch bei der Schule mit!)

10.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Zwischenrufe des Abg. Mag. Schweitzer in Richtung SPÖ.)

10.01

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Kollege Schweitzer, du wolltest, dass ich herauskomme, jetzt horch bitte gefälligst zu! (Abg. Mag. Schweitzer: Redest du zur Schule?)  – Ja!

Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Mag. Schweitzer. ) Herr Kollege Schweitzer hat mich zweimal aufgefordert, herauszukommen und zur erwähnten Frage Stellung zu nehmen, und jetzt stehe ich da, und er redet mit irgendjemandem. (Abg. Mag. Schweitzer: Mit dir! )  – Das ist doch nicht höflich, Kollege Schweitzer! (Abg. Mag. Schweitzer: Ich höre dir zu!)

Es sind, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, hier in dieser heutigen Diskussion ein paar Worte gefallen, die weit über die Bildungspolitik hinaus Bedeutung haben. Herr Kollege Amon hat gesagt: Wir werden uns die Leute genau anschauen, die da falsche Informationen verbreiten! Und die Frau Ministerin – und das hat mich irgendwie gewundert (Unruhe im Saal  – Abg. Edlinger: Was ist denn! – Ruf bei der SPÖ: Herr Präsident, bitte!)  – hat ebenfalls gemeint, man müsse sich diese Dinge anschauen. Und das ist der Unterschied zwischen "Regieren neu" und "Regieren alt": Damals, als wir noch an der Regierung waren und gegen uns demonstriert worden ist, haben wir niemals daran gedacht, irgendwelche Sanktionen gegen jene, die vorgehabt haben, gegen uns zu demonstrieren, zu ergreifen. Sie hingegen drohen Sanktionen an! Das ist der Unterschied! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Und das, lieber Kollege Amon, ist der Unterschied im demokratischen Verständnis zwischen "Regieren neu" und "Regieren alt".

Das ist auch das, was Ihnen und dieser Regierung zwar zwischen den Zeilen, aber deutlich genug die drei Weisen hinterlassen haben: dass Sie solche Dinge nicht tun sollten, nämlich zu sagen: Wir werden uns anschauen, wer eine falsche Zeile an die Eltern schreibt! (Abg. Mag. Mühlbachler: Geh, bitte, das ist doch lächerlich!) Das ist abzulehnen, Kollege Amon. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Amon und insbesondere Herr Kollege Schweitzer! Lassen Sie mich – sagen wir einmal so – jetzt ein wenig darstellen, wie sich der kleine Maxl so meinen Tag vorstellt. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer ist der "kleine Maxl"?)  – Der kleine Maxl ist derjenige, der hier herauskommt und meint, dass der Wissenschaftssprecher oder der Bildungssprecher der SPÖ (Abg. Dr. Krüger: Das ist diskriminierend: "der kleine Maxl"! Das ist eine Diskriminierung von Kleinwüchsigen!) bei der Gewerkschaft nur anzurufen braucht und sagen muss: Lieber Kollege Jantschitsch, möchtest nicht einmal streiken? Lieber Kollege Neugebauer, es würde uns passen, wenn der ÖGB, die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst einen Streikbeschluss fassen würde! Schon um halb sieben in der Früh hat der Chirac angerufen, hat mich gefragt, was er denn jetzt weiter tun soll! – So stellt sich der kleine Maxl den Tag eines sozialdemokratischen Abgeordneten vor (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ein Alptraum!), und das ist wohl ein Unsinn sondergleichen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie müssen doch selber einsehen, dass diese Dinge nicht stimmen können, denn wie soll eine Gewerkschaft wie die AHS-Gewerkschaft, wo wir 18 Prozent Stimmanteile haben, auf unseren Zuruf reagieren und sagen: Die SPÖ hat gesagt, dass wir streiken sollen, und daher streiken wir!?

Lieber Kollege Schweitzer! Was mich aber hinter diesen Worten, die sich ja wirklich als Unsinn entlarven, erschreckt, das ist die Vorstellung, dass Leute nicht selber zum Denken imstande sind, und das gerade in einer Bildungsdebatte.

Wie kann man Lehrern, wie kann man erwachsenen Menschen, wie kann man auch nur Schülern unterstellen, sie könnten nicht selbst rechnen, sondern würden sich nur von uns beein


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49. Sitzung / Seite 24

flussen lassen?! Dieses Bild, dass diese Menschen so dumm sind wie die Hampelmänner und nur machen, was die SPÖ sagt, missfällt mir. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Nicht alle!) Die Menschen sind bereit und imstande, selbst zu denken, Kollege Schweitzer (Abg. Mag. Schweitzer: Die BHS streikt ja nicht!), und das nicht zuletzt wegen eines guten Bildungssystems. (Abg. Edlinger: Das ist sozialdemokratische Bildungspolitik der letzten 30 Jahre!)  – Jawohl, das stimmt!

Wenn Herr Kollege Schweitzer hier herausgeht und die OECD-Studie 2000 zitiert, dann freut es mich (Abg. Mag. Schweitzer: Eurostat!)  – die OECD-Studie hast du zitiert, soviel ich weiß; von mir aus kann es auch Eurostat sein, das sind dieselben Daten –, dass wir einmal über Daten diskutieren können. Das ist immerhin ein Fortschritt: dass wir nicht nur über Gefühle und vorgefasste Meinungen, sondern auch über Fakten diskutieren können.

Diese Daten, lieber Kollege Schweitzer, die letzten, die da drinnen stehen, stammen aber aus dem Jahre 1998 und aus dem Jahre 1999, und damals war, soweit ich mich erinnern kann, die FPÖ noch nicht in der Regierung, sondern die Regierung der damaligen Jahre war eine sozialdemokratisch geführte Regierung, und das Bildungssystem, das sie Ihnen hinterlassen hat, ist selbstverständlich ein ausgezeichnetes Bildungssystem. Wir machen uns jetzt nur Sorgen, dass Sie in kurzer Zeit imstande sind, dieses ausgezeichnete Bildungssystem zu ruinieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Deine Sorgen sind unbegründet!)

Wenn Kollege Schweitzer gemeint hat, wir hätten die Lehrer vorher informieren müssen, und hinzugefügt hat, dass es nicht klug sei, Pädagoge zu werden, dann muss ich ihn schon fragen (Abg. Mag. Schweitzer: Dass es keine Arbeitsplatzgarantie gibt!), ob ihm entgangen ist, wer denn Unterrichtsministerin der letzten Zeit gewesen ist und dass (Abg. Mag. Schweitzer: Keine Arbeitsplatzgarantie!)  – das wollte ich gerade noch dazusagen – die Frau Ministerin Jahr für Jahr Briefe geschrieben hat, in welchen sie die Schülerinnen und Schüler höherer Schulen aufgeklärt hat, wie es denn mit den Chancen steht, wenn man Lehrer wird. Zumindest diese Dinge hätten Sie registrieren müssen. Das ist auch immer im Unterrichtsausschuss berichtet worden. Mich wundert es, dass Sie das unbeachtet gelassen haben. Aber das ist überhaupt so die Strategie von Ihrer Seite.

Es ist jetzt schon sogar Herr Kollege Brosz inzwischen so weit, dass er, wenn er Vorwürfe gegen die Bildungspolitik der Vergangenheit erhebt, was er ein wenig getan hat, nur zu uns hinüberschaut. Die da in der Mitte, die vor euch sind, die gibt es offensichtlich, was die Vergangenheit betrifft, gar nicht mehr! Die haben irgendwann gesagt: alles weg, was in der Vergangenheit gewesen ist, als sie mit uns in der Regierung waren, das gibt es nicht mehr. (Abg. Brosz: Ich habe nach hinten geschaut, zur Regierungsbank!)

Kollege Brosz! Du müsstest es wirklich wissen! Dass sie das so machen, weil es eine Taktik ist, ist uns sehr wohl bewusst. Aber wir sollten uns im Klaren sein, dass auch die ÖVP eine Geschichte hat. Sie war einmal in der Regierung, und sie ist es noch immer. (Abg. Böhacker: Aber Sie sind es nicht mehr!) Und man muss sowohl die guten als auch die schlechten Seiten der Vergangenheit sehen. Die Schulen, von denen wir jetzt reden, und die Lehrer, die angestellt worden sind, haben ja auch mit den Schulden, die Sie uns jetzt vorwerfen, etwas zu tun. Sie sagen: Wieso diese Schulden? – Diesen Schulden stehen doch Werte gegenüber. Für dieses Geld ist ja etwas geschaffen worden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das nennt man auch "in die Zukunft investieren", indem man nämlich zum richtigen Zeitpunkt schaut, dass man die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Menschen sich in der Wirtschaft und in der Gesellschaft bewegen können. (Abg. Mag. Schweitzer: Sie haben nicht viel Zustimmung dafür bekommen!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich kann Ihnen nicht ersparen, Ihnen zu sagen, dass wir uns um die Situation im Bildungssystem aus mehreren Gründen Sorgen machen.

Erster Grund: die Studiengebühren. – Wir glauben nach wie vor, dass die Studiengebühren trotz allem, was unter "Abfederung" eingeführt worden ist, eine große Gefahr für die Zugänglichkeit


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zum Bildungssystem darstellen. Diese Studiengebühren – das sagen internationale Fachleute, und das sagen auch österreichische Fachleute – sind geeignet, Menschen vom Studieren abzuhalten. Sogar die steirische Kommission, die rasch vor den Landtagswahlen eingerichtet worden ist, hat gemeint – ich zitiere den Bericht der steirischen Expertengruppe –: "Vorgangsweise und Inhalt werden als verfehlt angesehen. Nachhaltiger Schaden für das österreichische Bildungssystem."

Auch die Positionen, die in den letzten Tagen dazu eingenommen wurden, sind nicht widerrufen worden. Auch hat zum Beispiel Rektor Leibetseder in einem Brief große Sorge um den freien Zugang zu den Universitäten geäußert. Auch in der Zeitung "Academia", einer Zeitschrift eines sehr weit rechts ... (Abg. Großruck: Na was?), eines sehr konservativen Vereines, steht Ähnliches zu lesen. Ich mag gar nicht die Überschrift dieses Artikels zitieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Was natürlich großen Unmut erregt hat, ist die Situation, dass die Leute sich getäuscht vorkommen, und dieses Sich-getäuscht-Vorkommen hat ja durchaus einen Grund. Ich habe hier ein Zitat der Frau Ministerin vom 11. Februar 2000 – da hat es diese Regierung schon gegeben –, das da lautet: "Gratis ist nichts im Leben." Weiters heißt es: Bildungsministerin Gehrer sorgt für Aufregung in einem "Standard"-Gespräch.

Oder: 12. April 2000, Budgetausschuss: Kollegin Plank fragt die Ministerin, ob sie für Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen eintritt. Die Ministerin antwortet darauf mit den Worten: "Die Einführung von Studiengebühren ist mir für eine wissenschaftliche Grundausbildung kein Anliegen."

Oder: "Der Standard" vom 9. Mai 2000: "Gehrer gegen Studiengebühren."

Aber dann ist irgendetwas passiert, und auf einmal hat es Studiengebühren gegeben. Doch jetzt herzugehen und so zu tun, als ob das das Beste auf der Welt wäre und als ob man damit den Universitäten etwas Gutes antun würde, das ist das Verwerfliche, das ist das, was wir anprangen, denn Sie wissen genau – jene, die Bildungspolitik machen –, dass die Studiengebühren für den sozialen Zugang zu unseren Universitäten etwas Schädliches sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber der wirkliche Oberkasperl kommt dann erst noch. Ich lese in der "Kleinen Zeitung", Klagenfurt, vom 21. September 2000 Folgendes: "Haider setzte Uni-Gebühren durch."

Im Interview mit Herrn Haider sagt dieser sinngemäß, er sei es gewesen, der der Regierung diese Gebühren aufgezwungen hat. – Warum ich "Kasperl" sage, hat folgenden Grund (Abg. Dr. Martin Graf: Hat das mit Caspar Einem zu tun?): Mein Kollege Dobnigg hat aus Leoben ein Dokument mitgebracht, aus dem hervorgeht, dass am 5. Oktober 2000 bei einem Fest Herr Haider die Resolution der Hochschülerschaft gegen Studiengebühren unterschrieben hat. Es ist seine Originalunterschrift, und es waren auch genug Leute dabei. Also das ist wirklich ein Kasperltheater sondergleichen, und es ist nur gut, dass man einmal weiß, wie diese Dinge funktionieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich mit folgendem Thema schließen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Frau Ministerin Gehrer hat gesagt: "Was nichts kostet, ist nichts wert!" – Das gilt einmal für die Kindergartenkinder: "Was nichts kostet, ist nichts wert!" (Der Redner stellt ein Taferl vor sich auf das Rednerpult, auf der in der oberen Hälfte geschrieben steht: "Gehrer: ,Was nichts kostet, ist nichts wert!‘"; in der unteren Hälfte sind Kinder abgebildet.)

Es gilt dasselbe Prinzip jetzt auch für die Studierenden: "Was nichts kostet, ist nichts wert!" (Der Redner stellt ein zweites Taferl vor sich auf das Rednerpult mit der Aufschrift: "Gehrer: ,Was nichts kostet, ist nichts wert!‘", unter welcher Jugendliche abgebildet sind.)

Und die Frage ist natürlich (der Redner stellt ein weiteres Taferl, auf dem ein großes Fragezeichen abgebildet ist, vor sich auf das Rednerpult – Abg. Böhacker: Verkehrt!)  – nein, das stimmt so! –, wann die Schülerinnen und Schüler drankommen.


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49. Sitzung / Seite 26

Die Bildungspolitik wird ja in diesem Hohen Haus schon längst nicht mehr von den KollegInnen Amon oder Schweitzer oder Brinek gemacht, sondern von den Abgeordneten Trattner und Stummvoll.

Daher bringe ich jetzt gegen diese Aussage, die im Budgetausschuss gemacht worden ist, folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Antoni, DDr. Niederwieser betreffend Abstandnahme von der Einführung von Kostenbeiträgen in postsekundären Bildungseinrichtungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, vom Vorhaben der Einführung von Kostenbeiträgen im postsekundären Bildungsbereich Abstand zu nehmen.

*****

Wir ersuchen Sie hiermit um eine deutliche Bereinigung dessen, was im Budgetausschuss hinsichtlich der Einführung von Gebühren, von Schulgeldern im postsekundären Bereich gefasst worden ist. Sie wissen, was das bedeutet, Sie können sich jetzt klar distanzieren.

Einen weiteren Unterschied gibt es noch zwischen "Regieren alt" und "Regieren neu": Die Bildungspolitik war früher etwas, was auf dem Minoritenplatz gemacht worden ist. Der Minoritenplatz steht seit der Ministerschaft Firnberg für jenes Ministerium, in welchem Bildung und Forschung vereinigt sind und in welchem Bildungspolitik gemacht wird. In der Zwischenzeit gibt es aber andere Orte der Bildungspolitik. Wir haben gestern über den Stubenring diskutiert, wo Herr Kollege Bartenstein Forschungspolitik macht. Es wird Forschungspolitik im Verkehrsministerium in der Radetzkystraße gemacht – über Forschung können wir kaum noch diskutieren! Und Bildungspolitik wird vor allem in der Himmelpfortgasse gemacht.

Solange Sie nicht bereit sind, das zu ändern und das Primat der Bildungspolitik wieder zurückzuerobern, so lange werden Sie sich von uns sehr scharfe Kritik an Ihrer Bildungspolitik gefallen lassen müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

10.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Antoni, DDr. Niederwieser ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

10.16

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen und Kolleginnen! An sich wurde von Herrn Kollegen Niederwieser der Block "Wissenschaftspolitik" schon eingeleitet, wir haben ihn auch schon bei den Budgetbegleitgesetzen und auch im Rahmen der Ausschüsse diskutiert. Hinsichtlich der Wissenschaftspolitik ist die Welt tatsächlich so weit in Ordnung, da ja kein einziges Wort der Kritik – mit Ausnahme der Kritik an den ungeliebten Studiengebühren – von Seiten des Kollegen Niederwieser hier in der Debatte zum tertiären Sektor vorgebracht worden ist. Sie wissen auch ganz genau, warum: weil nämlich die Budgetsituation gerade im Wissenschaftsbereich unter den Bedingungen, die wir vorfinden, hervorragend ist. – Das ist eine Tatsache!

Eigentlich hätte ich mir bei einer differenzierten Betrachtung in diesem Zusammenhang vom Wissenschaftssprecher der SPÖ schon erwartet, dass er neben der Kritik, die man durchaus


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49. Sitzung / Seite 27

hier vom Rednerpult aus anbringen soll und in den Debatten auch äußert, auch einmal das Positive herausstreicht. Aber das haben Sie wieder verabsäumt, und daher fällt es mir dann immer schwer, die anderen Punkte unvoreingenommen zu sehen, weil dann in Wirklichkeit die Diskussion immer in der schiefen Ebene liegt.

Beim Thema "Studiengebühren" machen Sie immer den Untergriff, diese würden den freien Zugang zur Hochschule hemmen. Ich sage Ihnen: Das stimmt nicht, das ist international auch belegt! Wer die Inskriptionszahlen der letzten Wochen und Monate gesehen hat, wurde eines Besseren belehrt. Wir haben in Österreich steigende Studierendenzahlen – das lässt sich nicht wegleugnen –, und das trotz der nunmehr feststehenden Tatsache, dass es Studiengebühren geben wird.

Studiengebühren sind nur dann – und da gebe ich Ihnen Recht – unter Umständen geeignet, Studierende vom Studium abzuhalten, wenn keine begleitenden Maßnahmen getroffen werden. Aber diese wurden im ausreichenden Maße getroffen: Jeder österreichische junge Mensch, der studieren möchte und es auch will, wird in Zukunft studieren können. Wir haben dafür ausreichend Vorsorge getroffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Einzige, das dem vielleicht noch entgegenstehen könnte, ist der Umstand, dass man auch Leistung erbringen muss. Darauf haben wir auch geachtet. Es ist die Politik, was die Rahmenbedingungen betrifft, im nächsten Jahr natürlich gefordert. Die Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, dass jeder Studierende tatsächlich auch in einer angemessenen Zeit mit seinem Studium fertig werden kann, müssen wir da und dort an verschiedenen Universitäten und Hochschulen noch schaffen. Diesbezüglich haben wir auch budgetär entsprechend vorgesorgt. Wir haben dafür gesorgt, dass die Universitäten und Hochschulen in die Lage versetzt werden, und zwar durch budgetäre, aber auch außerbudgetäre Mittel, die Ressourcen so zur Verfügung zu stellen, dass es jedem Studierenden in Zukunft möglich sein wird, zu studieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Härtefälle, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es immer geben, aber auch in dieser Hinsicht haben wir vorgesorgt. Wir haben uns dazu bekannt, dass Härtefälle ausgeglichen werden, dass wir diesbezüglich etwas unternommen wollen. (Zwischenruf des Abg. Edler. )  – Herr Kollege, danke für Ihren Zwischenruf.

Da die Wissenschaftspolitik also von der großen Oppositionspartei als in Ordnung befunden worden ist – und natürlich auch von den Regierungsparteien –, werde ich mich der Bildungsdebatte im ureigensten Sinn zuwenden und nun über den primären und sekundären Bildungssektor sprechen. Ich bringe, weil Kollege Edler hier meinen Heimatbezirk angesprochen hat, ein Beispiel aus unserem gemeinsamen Heimatbezirk. Ich darf Ihnen sagen: Ich habe den Eindruck, dass gerade bei Lehrern die Diskussion über die Pragmatisierung deswegen so heftig geführt wird – und in Ihren Reihen sitzen 13, 14, 15 Lehrer, also überproportional viele –, damit sie während der Arbeitszeit unter Umständen parteipolitisieren können. Das ist es in Wirklichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Aha!)

Die Studie besagt, dass Lehrer nur 27 Prozent ihrer Arbeitszeit in der Klasse verbringen! In der sonstigen Arbeitszeit rufen sie in Einbegleitung der Streikmaßnahmen zu Veranstaltungen mit dem Thema "Bildungspolitik – Sparen bis zur Verblödung" auf. Das halte ich, gelinde gesagt, für ausgesprochen dumm. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wenn dann Experten von der Arbeiterkammer gerufen werden, frage ich mich: Wie viele Schillinge Arbeiterkammerumlage zahlt denn ein Lehrer? – Ich glaube, gar keinen! Aber man muss ja diese angeblich überparteiliche "Initiative Transdanubien gegen Schwarz/Blau" – "Bildungspolitik – Sparen bis zur Verblödung?" unterstützen.

Ich sage Ihnen, was da unter Bildungspolitik diskutiert wird: Mit einem gewissen Mobbing werden in diesem Aufruf die Lehrer in der Dienstzeit zu dieser Veranstaltung hingetrieben. Da schaut dann schon die SPÖ mit ihren Gewerkschaftern: Wer geht denn dort hin? Da schaut man dann schon ganz genau. Da wird dann diskutiert über die Regierungsbeteiligung der FPÖ, die, so heißt es, mit Recht bei vielen Menschen Besorgnis und Widerstand hervorgerufen hat.


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Bereits in den ersten acht Monaten Amtszeit der neuen Regierung, heißt es weiter, zeichnet sich weiterer Sozialabbau – Stichwort Pensionsreform, Gesundheitswesen, Nullbudget, Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Besteuerung von Invaliditätspension – ab (demonstrativer Beifall bei der SPÖ); die Rücknahme frauenpolitischer Rechte – lauter "bildungspolitische" Ziele, geeignet, von Lehrern in der Dienstzeit diskutiert zu werden!

Es stimmt einfach nicht, dass die Invaliditätspension besteuert wird durch diese Regierung! Das haben Sie in Ihrer Regierung eingeführt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn schon, dann informieren Sie richtig! Die Frau Bundesminister sagt hier sehr richtig: Wenn Lehrer Bildungspolitik betreiben, haben sie auch Verantwortung! Und Verantwortung heißt auch, dass man nicht Falschinformationen verbreitet. Und das wird hier in gezieltem Ausmaße permanent getan.

Wenn das Bildungspolitik ist, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Niemand in Österreich hat für derartige Vorhaben Verständnis, wenn sie von Lehrern ausgehen. Wir wollen, dass unsere Kinder bestmöglich ausgebildet werden, und wir wollen nicht, dass unter dem Deckmantel überparteilicher Initiative in den Schulen durch Lehrer Parteipolitik betrieben wird. (Abg. Edler: Ihr macht ja eine andere Politik, als ihr versprochen habt!) Das wollen wir nicht! Diese Zeiten sind vorbei, Kollege Edler! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie weiterhin parteipolitisches Mobbing befürworten, dann werden Sie auch weiterhin für die Pragmatisierung einstehen, denn das ist dann der einzige Schutz; da gebe ich Ihnen schon Recht.

Wer erwartet, dass diese Regierung quasi eine Arbeitssicherungsverpflichtung übernimmt oder Arbeitsplatzrechte garantiert, der wird tatsächlich enttäuscht. Es gibt eine Reihe von Berufen, wo Menschen studieren und nachher keine Arbeitsplatzsicherheit haben. (Abg. Haller: Die Mehrzahl!) Das ist nun einmal systemimmanent. Kollege Schweitzer hat es gesagt: Eine planwirtschaftliche Regelung für Akademiker nach dem Studium wird es nicht geben. Gleiches Recht für alle, auch gleiches Recht für Lehrer, so wie es für andere Berufsgruppen auch gilt. Wir wollen den Lehrern nicht ihren Idealismus nehmen, wir wollen den Lehrern ihren Idealismus wieder zurückbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte.

10.25

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Verglichen mit all den bisherigen Versprechungen und gemessen am Budget macht sich die Bildungs- und Forschungspolitik in der Realität doch recht kümmerlich aus. Kürzungen von 1 Milliarde Schilling im heurigen Jahr werden egalisiert, werden ausgeglichen durch eine Milliarde, die man sich als Opfer von Studentinnen und Studenten sowie ihren Eltern erwartet.

Seit Jahren versprochene Technologiemilliarden werden nun wieder – ja was? – erneut versprochen! Über deren Verteilung aber zwischen drei Ressorts entscheidet ein Finanzminister, für den Orientalistik ein überflüssiger Luxus ist und der Universitäten gern als Gewinn bringende GesmbHs organisiert sehen würde. – Hoffnung kommt da nicht auf. (Beifall bei den Grünen.)

Wirkliche forschungspolitische Ansätze, Strategien und Leitbilder werden zu Allgemeinplätzen und zu Selbstverständlichkeiten.

Was hören wir? – Konkurrenz und Wettbewerb – no na net! Flexibilität, Markt- und Anwendungsorientierung sowie nicht näher definierte Leistungsanreize werden uns als große Innovation verkauft. Aber – hört die Signale!, darf ich sagen – es gibt wieder eine neue Reform. Eine Reform, die zitiert wird als "totaler als alles bisher Dagewesene". Und wenig sensibel als vielmehr vollmundig formuliert lese ich: Bei dieser Totalreform wird kaum ein Stein auf dem anderen bleiben. – Das stand gestern in der Zeitung.

Wenn nun die Verrohung der Sprache bereits zur Boulevardschlagzeile der Forschungs- und Bildungspolitik wird, bekomme ich ein wenig Angst oder, sagen wir es anders – wenn man nicht schreckhaft ist –, wird mir unwohl. Reformation als Abbruchunternehmen und Universitäten als


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Steinbrüche zu verkaufen – das ist nicht die Strategiedebatte und die Zukunftsdebatte, die ich mir wünsche. (Beifall bei den Grünen.)

Es muss hier gesagt werden, dass kein legitimiertes Kollegialorgan auch nur einer österreichischen Universität diesen Wunsch ausgesprochen hat, dass bei uns kaum ein Stein mehr auf dem anderen bleiben soll. Aber es finden sich immer wieder Erfüllungsgehilfen für politische Wünsche, und daran arbeiten einige; es sind vielleicht zu viele.

So viel jetzt zu den vertrauensbildenden Maßnahmen. Es ist das Geschick oder das Gespür der Politik, das ich vermisse. – Dazu kommen jetzt aber noch Inhalte.

Uns wirft man vor, das seien alles irrlichternde Ängste, Furcht vor Veränderung, das seien die Betonierer, die alles so bleiben lassen wollten, wie es ist, die alles gutheißen würden, wie es ist. Dazu zähle ich mich nicht, aber: Sind diese Ängste nicht doch irgendwo begründet?

Ich bringe Ihnen ein Beispiel und zitiere aus einem Gutachten zur Universitätsreform aus dem Schwarzbuch der Rektorenkonferenz. Das ist jetzt kein Kabarett, es ist auch keine Satire, es ist Realität: "Sooft etwas Wichtiges im Kloster zu behandeln ist, soll der Abt die gesamte Gemeinschaft zusammenrufen und selbst darlegen, worum es geht. Er soll den Rat der Brüder hören und dann mit sich selbst zu Rate gehen. Was er für zuträglich hält, das tue er." – Seite 40 des Schwarzbuches der Rektorenkonferenz zur Universitätsreform, zur Strukturreform, zur Personalreform; Vorbild: die Regeln des Benediktinerordens.

Es geht aber weiter, und zwar dahin gehend, wie man sich Hierarchien und Leitungsstrukturen vorstellt: "Wenn weniger wichtige Angelegenheiten des Klosters zu behandeln sind, soll er nur die Älteren um Rat fragen." – Seite 41.

"Wenn die Gemeinschaft größer ist, sollen aus ihrer Mitte Brüder von gutem Ruf und vorbildlicher Lebensführung ausgewählt und zu Dekanen bestellt werden. Als Dekane sollen jedoch nur solche erwählt werden, mit denen der Abt seine Last unbesorgt teilen kann." – Das ist Demokratie, Kritik und so weiter.

Es geht aber noch weiter und wird eigentlich immer besser: "Vielmehr liegen die Entscheidungen im Ermessen des Abtes. Was er für heilsamer hält, darin sollen ihm alle gehorchen." – Das ist Pädagogik der Neuzeit!

Nächstes Zitat, Seite 41: "Keiner im Kloster" – zur Erleichterung für einige, die es nicht glauben wollen: Kloster steht natürlich für Universität – "darf dem Willen seines eigenen Herzens folgen." – Also jetzt wird es schon etwas grauslich.

Und wenn ich zum Schluss, auf Seite 46, lese: "Wegen des heiligen Dienstes, den sie geloben, darf es für sie nach einem Befehl des Oberen kein Zögern geben, sondern sie erfüllen ihren Auftrag sofort, als käme er von Gott", kann ich nur sagen: Na bravo! "Daher verlassen die Mönche sofort, was ihnen gerade wichtig ist, und geben den Eigenwillen auf." – Zitatende.

Also, mein Wunsch, Mönch zu werden, ist seither stark geschwunden. (Beifall bei den Grünen.)

Ich hoffe doch, Frau Ministerin, Sie werden nicht die Regeln eines Männerordens und die Gelübde von Gehorsam, Armut und Keuschheit als Leitbild unserer Universität verordnen. Aber da vertraue ich Ihnen, muss ich sagen. Da vertraue ich Ihnen sogar.

Immer häufiger werden Universitäten jetzt als Produktionsstätten gesehen. Das halte ich im Prinzip für nicht schlecht, das ist weder rechts noch links, das ist weder gut noch böse. Aber es drängt sich jetzt irgendwie alles zur Mitte, und da bleibt wenig Raum zum Atmen und noch weniger zum Denken bei dieser Reform. (Beifall bei den Grünen.)

Budgets werden ja auch produziert. Der Input wird von der Bundesregierung und ihren Abgeordneten geliefert, der Output aber betrifft alle: die so genannten Chaoten, die so genannten Spießbürger, die gesamte bunte Gesellschaft, die mit diesem Output eines neuen Gesetzes und


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mit diesem Budget leben muss. Es heißt, Universitäten seien zum Wohle der Gesellschaft, zur gedeihlichen Entwicklung und zur Problemlösung der Menschen berufen. Ob das über Verordnungsweg geht, mit den Gelübden der Gehorsamkeit, der Armut im Budget und der Keuschheit, auf die ich noch warte, ist die große Frage.

Das heißt, es ist keinesfalls weit hergeholt, wenn auf diesem Weg der Gesetzwerdung von der politischen Entscheidung bis zur Betroffenheit durch die Verkündigung im Bundesgesetzblatt sich so etwas auftut wie Verfremdung und Entfremdung, und das nicht nur bei Chaoten – die auch wahlberechtigt sind! –, sondern auch bei den so genannten Spießbürgern, bis zu den Konzernchefs hinauf.

Was mich aber interessiert, viel mehr als die gesamten Kolonnen und Spalten von nackten Zahlen, ist die Frage: Was soll das Produkt der Universität sein? Und: Decken sich die Vorstellungen der Gesellschaft mit jenen Produkten, die die Regierung für wertvoll, gut und teuer und machbar hält?

Was mir auffällt, ist: Sie haben diese Antwort gefunden. Ihre Reden und Ihre zur Schau getragene Selbstsicherheit lassen das vermuten, und diese zur Schau getragene Selbstsicherheit wehrt sich auch gegen neue Fragen. Aber ich habe da noch Fragen, und ich zweifle auch an Ihren schnellen Antworten.

Eine Kollegin von der ÖVP, die heute leider nicht da ist, hat kürzlich gemeint, bei der Diskussion um Studiengebühren vermisse sie bei uns Inhalte und sehe nur Kritik. Beginnen wir mit der Frage, ob die Behauptung, Studiengebühren seien positiv, eine sehr inhaltsreiche ist. Die Begründung dafür hält, soweit ich gehört habe, einer kritischen Betrachtung und einer erneuten Befragung nicht stand. Was wurde denn behauptet? – Studiengebühren würden fleißigere, schnellere, bessere Studierende produzieren. Wir reden ja über Produktion: Sie produzieren schnellere und bessere Studierende.

Ich frage auch, ob es überprüfbar ist, ob die Behauptung stimmt, durch die Studiengebühren würden positive Struktureffekte an den Universitäten erzielt. Innovationsschübe werden als Meilensteine bezeichnet, wenn die Studenten eine Milliarde Schilling zur Sanierung des Budgets beitragen, aber so letztlich eigentlich nur den Status quo aufrechterhalten, nachdem uns eine Milliarde genommen wurde.

Der Glaube und die Verordnung von Ideologien sind keine politische Strategie, um die Universitäten weiterzubringen. Ich glaube auch, dass Wahrheitsbeweise in einem Diskurs anzutreten sind, und ich bitte Sie und fordere Sie gleichzeitig auf, in diesen Diskurs einzutreten und nicht Universitäten, ihre Betroffenen, ihre Angehörigen und auch ihr Klientel, die Gesellschaft, aus dieser Diskussion auszuschließen. (Beifall bei den Grünen.) Studiengebühren-Kritiker sind keine unbedarften Rotznasen, keine fachfremden Idioten. Sie haben Erfahrung, Studien und Daten herangezogen, um ihre Kritik zu belegen, um die Berechtigung dieser Kritik auch zu beweisen.

Ich glaube auch, dass man über manches noch streiten kann, aber dazu ist es einfach notwendig, einmal von diesem Katheder der kritiklosen Selbstgefälligkeit herunterzusteigen, und darauf warte ich schon, seit ich hier im Parlament stehe und sitze. – Das ist vielleicht noch zu kurz, aber trotzdem, warten und hoffen darf man.

Dass Irren menschlich ist, ist für Sie eine Weisheit, die anscheinend wenig Berechtigung hat. (Abg. Dr. Pumberger: Errare ...!) Wenn Sie die Menschlichkeit des Irrens bestreiten und nicht bereit sind, Selbstkritik zu üben, würden Sie sich an und für sich von der menschlichen Art entfremden. Ich glaube, so weit sollten Sie nicht vom großen Begriff der Hominiden entfernt sein.

Mächtigen war Kritik nie bequem. – Auch das wurde mir übel ausgelegt als Unterstellung und unberechtigte Kritik. Aber das ist so eine einfache Tatsache, dass man nur kurz darüber nachdenken muss: Was haben Mächtige lieber – Applaus oder Kritik? Sie werden lernen müssen, auch in Budgetdebatten über Inhalte zu diskutieren und sich auch Kritik anzuhören, diese nicht abzuschütteln, nicht zu schubladisieren und jene, die sie äußern, auch nicht zu denunzieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich glaube, es waren nicht die Bequemen und die Angepassten, es waren auch nicht die Eifrigsten und Emsigen, die Schnellen und Glatten, die bloßen Geschäftemacher, die die Machthaber stören, sondern gerade dieser Gruppe von Menschen hat es bedurft, um in der Universität so etwas heranzubilden wie Kritikfähigkeit, Neugier, spannende Fragen und Verantwortung. (Abg. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Grünewald, wir sind schon kritikfähig!)

Ich streite aber nicht ab, dass Universitäten, viele ihrer Lehrer und Studenten sich auch den Moden der Zeit unterworfen und ihre Karrieren diesen Moden angepasst haben. Das gefällt mir auch nicht. (Abg. Dr. Martin Graf: Wir sind für jede Kritik offen!) Ich glaube aber, Kollege Graf, und Sie werden mir ein bisschen beistehen, dass Universitäten immer noch Ort der Unruhe, des Zweifels und zugleich auch der Fragen sein sollten. Das halte ich für viel spannender, als sich einzig und allein zuzuspitzen in der Erzeugung immer schnellerer Schaltkreise oder Mikrochips. (Abg. Dr. Krüger: Aber das ist schon mehr eine Predigt als eine Rede!)  – Wenn Sie Predigten hören wollen, gehen Sie in die Kirche. Ich habe nicht vor, Sie zu bekehren.

Ich glaube, dass Ihr Ideal der sicheren Erkenntnis – ich weiß nicht, Kollege Krüger, wie sicher Sie sich sind – irgendwo auf schwachem Boden steht (Abg. Jung: Nichts Apodiktisches!)  – nein, das ist nicht apodiktisch! –, und daher schaut Ihr Wissen ein bisschen alt aus. Aber es kann sein, dass wir uns da treffen könnten; ich nehme mich da nicht aus.

Ich will damit eigentlich nur sagen, dass Fragen notwendig sind, notwendiger als billige, rasche und unsensible Antworten. (Beifall bei den Grünen.) Die entscheidende Frage – und da entferne ich mich jetzt vom Budget – ist aber nicht die Budgetdebatte in der Politik, sondern das sind die Menschen, und die fragen sich: Lohnt sich das Leben oder nicht? Das klingt jetzt wieder sehr nach Predigt, aber vielleicht denken Sie einmal eine Minute nach. Halten Sie einmal eine Minute still und fragen Sie sich, ob die Leute draußen Budgetkolonnen interessieren oder das, was wir mit Bildung und Forschung anstellen. (Abg. Dr. Krüger: Sie haben sich dem Schwarzbuch und den Mönchen sehr angenähert!) Dem Schwarzbuch angenähert? – Ja, okay.

Ich glaube, dass Politik und Universitäten Respekt vor diesen Fragen vermitteln sollten, und wenn Sie und wenn wir Verantwortung tragen müssen, müssen wir der Universität den Raum geben, die Zeit, die Weite geben und die Hast nehmen und vor billigen Lösungen warnen.

Und da sehe ich wenig Signale. Ich wünsche es mir aber, und ich bitte die Frau Ministerin und andere darum, da den Dialog aufzunehmen. Darüber lässt sich sprechen, darüber lässt sich streiten, und vielleicht lässt sich darüber auch einmal Konsens finden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

10.40

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das von meinem Vorredner Gesagte kann ich nicht alles unkommentiert lassen, vor allem nicht die Kloster-Metapher. Anlässlich dieser Bildungsdebatte ist mir eingefallen, dass es zur Kompetenz des Oberstufenschülers, der Oberstufenschülerin gehört, Textsorten identifizieren, Metaphern zuordnen zu können. Also: Die Kloster-Metapher in einem Werkstattbericht ist zulässig. Da würde sich Präsident Welzig, der auch gerne in klassischen Metaphern denkt und spricht, wahrscheinlich sehr freuen. Ich finde darin noch nichts Obszönes – abgesehen davon, dass ich mir gut vorstellen kann, in einem gemischten Kloster Äbtissin zu sein, mit klugen Studenten um der Wahrheit willen unterwegs zu sein. Das ist ein schönes Universitätsbild. Ich habe kein Problem damit, Herr Professor. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mehr Probleme mit der anderen Metapher, die Sie verwendet haben, nämlich jener der "Mächtigen und Unterdrückten". Immer wieder sprechen Sie von den Mächtigen und Unterdrückten, von den Mächtigen, die den Unterdrückten das Denken verbieten würden. Das ist doch schon eine sehr verstaubte Metapher. Sie erinnert mich an einen längst überholten Kunstbegriff, wonach Kunst nur das ist, was weh tut, und Veranstaltungen umfasst, zu denen eigent


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lich keiner hingeht. Darüber sind wir hinweg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube, wir sollten hier auch diese Kompetenz der Oberstufenschülerinnen und -schüler an den Tag legen und die Metaphern das sein lassen, was sie sind – wie gesagt, in einem Werkstattbericht –, und mehr Rationalität und weniger selektive Wahrnehmung walten lassen.

Übrigens, Sie wissen ja, was mit der mittelalterlichen Universität passiert ist. Spätestens unter Joseph II. wurden die Universitäten verstaatlicht, und Joseph II. hat sie zu Ausbildungsanstalten machen wollen. Genau das, was Sie nicht wollen! Also wir sind auf gutem Kurs in die richtige Richtung unterwegs. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Doch ein paar Fakten, weil sie zum Teil im Ausschuss erwähnt wurden und ihnen nicht widersprochen werden konnte. Vielfach wurde gesagt, im sekundären Bildungsbereich gebe Österreich viel aus, aber im postsekundären und im tertiären Bereich, im Hochschulwesen, da hätte Österreich einen Nachholbedarf.

Ich darf auf die jüngste Hochschulzeitung verweisen. Österreich liegt bei den Bildungsausgaben auf allen Stufen, auch im tertiären Bereich, an vorderster Front. Ach, "Front" darf man nicht sagen, das ist schon wieder so eine Kriegsmetapher. – Entschuldigung!

Ich zitiere: Je Studierendem an den Hochschulen liegen die österreichischen Ausgaben bei 48 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Österreich liegt an drittbester Stelle. – Also Bronzemedaille in Europa – wir lassen Italien, Deutschland, Schweden, Dänemark und so weiter hinter uns –, das ist kein schlechtes Ergebnis. Und dieses Ergebnis wird mit dem künftigen Budget fortgeschrieben, meine Damen und Herren. Sie müssen also nicht ängstlich sein.

Sie müssen auch nicht ängstlich sein, lieber Herr Professor Grünewald, dass jemand eine Reformdebatte oktroyiert bekommt. Wenn Sie umsichtig einschlägige Literatur lesen – auch meine geschätzten Vertreterinnen und Vertreter von Buko, Proko, Rektorenkonferenz tun das –, können Sie erkennen: In ganz Europa werden Universitäten reformiert, nicht nur in den Ländern des Ostens, sondern auch in der deutschen Republik, in Frankreich, in anderen Ländern. Also Uni-Reform ist kein Schreckgespenst, das die österreichischen Regierungsparteien erfunden haben.

Der Vorsitzende der deutschen Hochschulrektorenkonferenz sagte: An den Unis brauchen wir die Organisation von mehr Eigenverantwortung und Engagement und faire Rahmenbedingungen in einem Wettbewerb, den wir uns nicht aussuchen können. – Damit wird signalisiert: So hat auch Österreich zu denken!

So läuft auch die Diskussion, und insofern setzt diese Regierung, lieber Kollege Niederwieser, nur fort, was von der Regierung davor begonnen wurde.

Ich erinnere daran: Das UOG 1993 war noch nicht in allen Universitäten "gekippt", wie man so schön sagt – wahrscheinlich ist das auch wieder eine inadäquate Metapher –, da hat der damalige Minister Einem schon ein neues Vollrechtsfähigkeitspapier vorgelegt. In Ordnung! In Ordnung ist es auch, wenn jetzt dieses Vollrechtsfähigkeitspapier beziehungsweise das Ansinnen weiterentwickelt wird. Für diese Weiterentwicklung setze ich mich gerne ein.

Das Rahmenkonzept der Rektorenkonferenz geht auf Basis dieser Vollrechtsfähigkeits-Idee vor und sagt: Die gegenwärtigen, geltenden Gesetze – UOG 1993 – reichen nicht aus, um den notwendigen Aktionsradius, um die Vollrechtsfähigkeit, um Autonomie zu erreichen. Die Probleme sind bekannt: zu viele einzelne, teilweise nicht kongruente Rechtsvorschriften, zu viel an bürokratischer Regulierung, unpräzise Verantwortungsstrukturen, starre haushaltsrechtliche Vorgaben, Jährlichkeitsprinzip, keine Kostenrechnung, keine Gestaltungsmöglichkeiten, was das Verhältnis Studierende zu Mittelausschüttung/Mitteleinsatz betrifft.

Wir haben eigentlich auch zu wenige Daten über das Hochschulwesen, wir müssen uns aber auch vergegenwärtigen, meine geschätzten Damen und Herren, die Sie sich nicht so sehr mit


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Universität beschäftigen: 300 Beamte verwalten 6 000 Universitätslehrer und 240 000 Studierende, die zusammen lehren und forschen. Das ist vier-, fünf- oder sechsmal soviel wie in den frühen siebziger Jahren, aber die Strukturen sind gleichgeblieben. Welches Unternehmen würde es sich leisten, bei einem Anwachsen des Betriebes auf das Vier-, Fünf- und Sechsfache die Strukturen beizubehalten? – Niemand! Jeder müsste darüber nachdenken, was zu ändern sei.

Ich sage daher gerne – es ist das etwas, was immer wieder verlangt, aber vielleicht nicht gehört wird, obwohl es gesagt wird –: Was ist denn die eigentliche Aufgabe einer Uni-Reform? – Die eigentliche Aufgabe ist das Herausarbeiten einer Balance zwischen der Spezifik der Bildungsaufgaben und modernen Formen einer effizienten und zugleich partizipatorischen Organisation. Das ist unsere Aufgabe. Und wenn es schon nicht vorrangig zur vornehmen Aufgabe der Universität gehört, so gehört es auch zur Aufgabe der Universität, über die Herstellung dieser Balance nachzudenken und das Nachdenken nicht jemand anderem zu überlassen. Das wäre schade. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Um auch ein paar ängstliche Rektoren zu beruhigen: Das GesmbH-Modell ist nicht mehr aktuell. Es war ein Modell, das, glaube ich, auch in der vorigen Gesetzgebungsperiode aufgetaucht ist, aber das Bürokratiemodell UOG 1993 – Rechtslehrer Hausmaninger führt das schön aus – taugt auch nicht.

Daher: Der Vorschlag hinsichtlich wissenschaftliche Anstalten, Sui-generis-Lösung, das kann doch eine Herausforderung sein, zu der wir ja sagen können. Da muss nicht vorher schon per Resolution eine Reform abgelehnt werden. Zur Reform gehört auch eine Dienstrechtsreform, die Fortsetzung der Schwerpunktsetzung im Studienangebot, die Ermöglichung von Globalbudgets, die Etablierung eines Leitbildes mit Umsetzungsmöglichkeit; Leitbilder gibt es jetzt schon, aber es fehlt an Umsetzungsmöglichkeiten.

Meine Damen und Herren! So gesehen sind die Universitäten Orte der methodisch geleiteten Wissensproduktion. Pardon! "Produktion" darf ich nicht sagen, das ist schon wieder eine falsche Metapher, eine Marktmetapher. (Abg. Dr. Grünewald: Das habe ich nicht gesagt! Zuhören!) Ich meine mit diesen Unis Orientalistik, Ethnologie, Medizin, Informatik und alle anderen Studienrichtungen, damit Sie über das Spektrum der von mir und von der Volkspartei unterstützten und forcierten Studienrichtungen – ich habe auch die Orientalistik genannt! – auch einmal unterrichtet sind. Diese Orte der Wissensproduktion auf höchstem Niveau müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie sich einer Konkurrenz zu stellen haben; ich habe den Eindruck, dass diese Erkenntnis noch nicht ganz gereift ist, und zwar nicht – noch einmal –, weil die böse Bundesregierung das will, sondern weil sich mittlerweile auch Fachhochschulen, andere Einrichtungen des postsekundären Bereiches, Privatuniversitäten, Business-Schools jeder Art etabliert haben und diese die Universitäten nicht extra dazu befragen. Das ist auch das Spiel der freien Kräfte in einem freien Markt.

Ich meine, dass die Universitäten falsch daran täten, würden sie bloß Kopien von Business-Schools, von Fachhochschulen, von Privatuniversitäten und anderen Einrichtungen werden. Sie würden damit ihren Eigenwert, ihre Exklusivität und ihre unvergleichbare Kompetenz aufgeben. Das wäre schade. Ich meine aber auch, sie würden das aufgeben, wenn sie die Rechtfertigung dieses Ziels und dieses Anspruches jemand anderem überließen.

Ich meine, dass wir in der Reformgeschichte und in der Reformarbeit immer wieder neu beginnen müssen und dabei immer wieder irren. Ich zitiere an dieser Stelle gerne – und tue es auch hier – ein Wort von Ralf Dahrendorf, der gemeint hat, es gelte nicht mehr zwischen Ost-Unis und West-Unis und Ost-Reform-Unis und West-Reform-Unis zu unterscheiden, sondern nur mehr nach Reformbedarf. Und die Reformarbeit spielt sich vielfach auf der Ebene von Versuch und Irrtum ab.

Dahrendorf sagt das treffend: "We try and we err and we try again, and the worst that can happen is not that we err but that we stop trying."

Let’s start trying and continue trying! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.49


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49. Sitzung / Seite 34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Gehrer. – Bitte, Frau Minister.

10.49

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es stimmt mich bedenklich, wenn ich höre, was von der Opposition bezüglich der Falschmeldungen von den Schulen gesagt wird und welche Reaktionen Sie haben. Ich stelle also auf Grund Ihrer Reaktionen und Wortmeldungen fest: Wer eine nachweisbare Falschmeldung verbreitet, hat dafür keine Verantwortung. – Das ist kein neues Denken in Verantwortungskriterien.

Ich möchte auch zur Thematik der Studienbeiträge Folgendes festhalten: Wenn immer wieder versucht wird, mir anhand alter Aussagen vorzuwerfen, ich hätte Studienbeiträge immer abgelehnt, dann bitte ich Sie wirklich, sich einmal meine gesamte Argumentationskette anzuschauen. Ich habe mich schon als Landesrätin in Vorarlberg dafür ausgesprochen, dass in Fachhochschulen Studienbeiträge eingehoben werden, ich habe mich dafür ausgesprochen, dass für gewisse Gruppen und Senioren Studienbeiträge eingehoben werden.

Außerdem, meine Damen und Herren, gibt es eben Entwicklungsprozesse. Die gibt es nicht nur bei der ÖVP, sondern auch bei der SPÖ. So lese ich etwa hier über eine Aussage von Herrn Minister Einem vom 26. November 1998:

"Entgegen der üblichen SP-Linie sind Studiengebühren für Wissenschaftsminister Caspar Einem diskutierbar. Eine Bedingung sei dazu allerdings Voraussetzung, meinte er in der neuesten Ausgabe des SP-Lehrermagazins ‚Freie Lehrerstimme‘: Der erzielte Ertrag müsse in einem vernünftigen Verhältnis zum Aufwand der Einhebung stehen" – das machen wir, wir automatisieren die Einhebung –, "und er muss auch für Zwecke der Umverteilung zur Studienförderung verwendet werden." Und das machen wir auch, meine Damen und Herren.

Wenn Sie jetzt völlig gegen diese Studienbeiträge sind, dann haben Sie auch eine Meinungsänderung mitgemacht. Und ich meine, derartige Entwicklungsprozesse sind legitim, müssen anerkannt werden, sie können nicht ständig in ein Eck gestellt werden, indem man behauptet, es sei unredlich, etwas weiterzuentwickeln. Ich finde es vernünftig und gescheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Wissenschaftsbudget ist ein Budget, das sich sehen lassen kann. Wir haben die Mittel für die Investitionen wieder höher angesetzt. Wir haben die Personalkosten abgedeckt. Wir haben die Mittel für die Weiterentwicklungen der Fachhochschulen berücksichtigt. Und gerade in diesem Bereich werden wir in den nächsten Jahren wieder 600 Ausbildungsplätze mehr auch für die neuen Technologien haben.

Ich meine, dass unsere guten Universitäten es sich verdient haben, dass wir gemeinsam an deren Weiterentwicklung arbeiten. Deshalb haben wir das Projekt "Modern studieren und forschen" initiiert. Unter Leitung eines Universitätsprofessors ist eine Lenkungsgruppe eingesetzt worden, und diese Lenkungsgruppe wird noch vor Weihnachten die Eckpfeiler für ein neues, modernes Dienstrecht zur Diskussion, zu einer breiten Diskussion vorlegen. Wir wollen alle einbinden, wir wollen alle mitnehmen.

Wenn gesagt worden ist: Was haben Mächtige lieber – Applaus oder Kritik?, dann muss ich sagen, ich empfinde schon diesen Ausdruck "Mächtige" persönlich als eine unzulässige Unterstellung. Wer Verantwortung hat, der ist ein Arbeiter, ein Arbeiter für die Gesellschaft, ein Arbeiter für die Gemeinschaft, ein Arbeiter für dieses Land. Er hat sehr vorsichtig mit dieser Verantwortung umzugehen. Ich fühle mich nicht mächtig, sondern ich meine, dass ich viel Verantwortung habe und vieles weiterentwickeln muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich meine aber, dass es richtig ist, in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Meine Sicht der Kritik ist: Kritik ist ein Spiegel, dem man jemandem vorhält. Man muss sich immer überlegen,


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49. Sitzung / Seite 35

welche Reaktionen man selber auslöst, ob man diese Reaktionen möchte, und man muss aus der Kritik etwas lernen. Ich meine aber auch, dass es das Bemühen von Abgeordneten sein muss, mit einem positiven Dialog Entwicklungen weiterzubringen. Ich möchte in einem kritischen Dialog mit positiv denkenden Abgeordneten unsere guten Universitäten noch weiterentwickeln. Und dazu lade ich Sie ein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edler: Das Spiel der Umfaller ist das!)

10.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

10.54

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich denke schon, dass Entwicklungsprozesse wichtig sind, bedenklich ist es, glaube ich, nur, wenn sie so quasi über Nacht passieren und man nicht ganz sicher ist, woher diese Eingebungen plötzlich kommen.

Österreich ist in Sorge, und auch ich bin in Sorge über die Entwicklungen im Bildungssystem. Wenn man sich so umschaut, was in Österreich zurzeit los ist, dann sieht man, dass die Schülerinnen und Schüler streiken, dass die Lehrer und Lehrerinnen Dienststellenversammlungen abhalten, die AHS-Lehrer werden streiken, und die Eltern sind besorgt und unterstützen diese Lehrerinnen und Lehrer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Also nein! – Abg. Neudeck: Nein, wirklich nicht!)  – Doch! Die Sie kennen, offensichtlich nicht, aber sonst weiß ich von vielen Eltern, die das unterstützen.

Jedenfalls wird mit dem Bildungssystem weiter auf Crash-Kurs gefahren, und somit richtet sich die Regierung stark gegen diese eben genannten Gruppen. Das Nulldefizit – allein das Wort "Nulldefizit" ist ja eine ungeheuerliche Wortschöpfung – muss nämlich auf Biegen und Brechen durchgeführt werden; Biegen und Brechen auch deshalb, weil nur der kleine Mann draufzahlen und drankommen wird – die "kleine Frau" wird sowieso an den Herd geschickt.

Da gibt es ganz viele Beispiele. Denken Sie etwa an die Zivildiener, die plötzlich über Nacht nur mehr die Hälfte ihres Lohns bekommen – auch so eine Aktion –, oder an die Studenten und Studentinnen, die schneller studieren sollen und die auch durch diese neuen Studiengebühren dazu motiviert werden sollen. Was wird passieren? – Die werden schneller studieren, nebenbei mehr arbeiten, was wiederum bedingt, dass sie länger studieren werden. Das heißt, es ist ein Teufelskreis, den Sie da einleiten, Sie werden letztlich aber von den Studenten und Studentinnen nicht mehr Geld zur Erreichung dieses Nulldefizits bekommen. Viele werden aber auch zu studieren aufhören. Möglicherweise ist das der ideologische Hintergrund, vielleicht sollen nur mehr Wohlhabende eine gute Ausbildung erhalten.

Ich denke, das sollte auch einige in der ÖVP schmerzen, weil diese doch immer wieder für gute Ausbildungen eingetreten ist, noch dazu, da kurz bevor dann dieser Schwenk über Nacht stattgefunden hat, hoch und heilig versprochen wurde, dass es niemals Studiengebühren geben würde – ein gebrochenes Versprechen ganz einfach!

Es ist schon eigenartig, welchen skurrilen Weg da die blau-schwarze Regierung geht. Zum Beispiel hat Österreich doch eine relativ niedrige AkademikerInnenquote, und ich denke, dieser Trend wird jetzt noch verstärkt werden. Aber vielleicht ist auch das ein Ziel. Diese Sehnsucht nach Vergangenheit haben wir ja gerade aus den Ausführungen der Vorrednerin herausgehört.

Aber das ist nicht alles. Nicht nur an Universitäten, sondern auch in weiteren Bereichen soll gezahlt werden, oder zumindest steht es wieder so im Raum. Es wird vielleicht wieder über Nacht ein Beschluss gefasst, vielleicht auch deshalb, weil durch das Verschleudern der Telekom-Aktien jetzt doch kein Geld oder wenig Geld hereinkommt. Es wird überlegt, ob nicht auch im postsekundären Bereich, also bei den Pädaks, bei den Sozialakademien und den Kollegs, gezahlt werden soll. Was das zum Beispiel für die HTLs und die Kollegs heißt, ist klar: Die werden einfach nicht mehr stattfinden, es wird einfach keine mehr geben.


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Wenn man diesen Weg so weiterspinnt, dann kommt man zu einem Schluss, der da heißt: Ende der Schulpflicht, Beginn des Schulgeldes! – Ich weiß schon, dass das in der APA dementiert worden ist, aber mein Vertrauen in irgendwelche Versprechen ist einfach gering. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte auch noch den Bereich des berufsbildenden Schulwesens beleuchten. Seit dem Ausbau der berufsbildenden Schulen hat sich die SchülerInnenzahl vervierfacht, und es ist ein weiterer Anstieg zu erwarten. Die Maßnahmen, die diesbezüglich getroffen werden, sind spärlich. Es heißt, jeder Schüler, jede Schülerin findet Aufnahme in einer Schule. So heißt es von offizieller Seite. Das klingt ja ganz gut, aber die Realität ist eine andere.

Die Schüler und Schülerinnen suchen sich heute nicht mehr die Schulen aus, die am nächsten liegen, sie gehen auch nicht mehr in die Schule, in die der Vater schon gegangen ist, sondern sie versuchen, einen Platz zu bekommen, der ihren Talenten entspricht und Zukunftschancen bietet. Sie bestehen die Aufnahmegespräche, sie haben vielleicht einen Notendurchschnitt, der es ihnen ermöglicht, einen Platz zu bekommen. Allerdings ist das nur ein virtueller Platz, denn die Realität ist eine andere. Die Schulen haben nicht genug Lehrer, die Schulen haben nicht genug Werteinheiten, also werden sich die Jugendlichen umschauen müssen, irgend einen Platz in irgend einer Schule zu bekommen.

Wenn ein Schüler oder eine Schülerin die Möglichkeit hat, in eine erste Klasse zu gehen, dann wird nach der ersten Klasse noch einmal gründlich gesiebt, denn es gibt nicht genug Werteinheiten, um die Klassenanzahl weiter beizubehalten. Das nennt sich dann Bildungsoffensive. Wenn ich mir die Fremdsprachenoffensive anschaue, kann ich nur sagen: Auch da gibt es leider nicht genug Geld. Immer wieder werden Finnland und Skandinavien zitiert: Schauen Sie sich einmal genau an, wie viel Geld dort in Bildung und in Forschung investiert wird!

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen: das Thema Bildung von Mädchen und Frauen. Was wird mit den Mädchen passieren, wenn diese "Bildungsoffensive" – unter Anführungszeichen – so weiter geht? Ich denke, es wird sehr wenigen Mädchen oder immer weniger Mädchen die Chance geboten, eine höhere Bildung zu erlangen. Auch bei den Studenten und den Studentinnen: 10 000 S sind einfach zu viel!

Und das ist auch wieder ein Weg, den wir sozusagen gegenläufig zur EU gehen. Wenn Sie sich zum Beispiel anschauen: Österreich hat eine relativ niedrige Frauenerwerbsquote. Dänemark hat die höchste Frauenerwerbsquote der EU, nämlich 75 Prozent, Alleinerzieherinnen sind gut abgesichert, Familien mit mehreren Kindern sind ebenfalls gut abgesichert, Kinderbetreuungsplätze sind vorhanden, und – man höre und staune! – die Geburtenrate liegt 28 Prozent über der Österreichs. Und das hat auch etwas mit Bildung zu tun, meine Damen und Herren, und mit politischem Weitblick. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch das Klima in den Klassen wird sich ändern. Eines möchte ich schon sagen: Klassenvorstand zu sein ist eine der wichtigsten und verantwortungsvollsten pädagogischen Aufgaben und nicht eine reine Verwaltungstätigkeit. Und ganz im Sinne des neoliberalen Denkens der Regierung: Wert hat nur, was messbar ist. Und nicht Messbares, wie pädagogische Fähigkeiten, Kenntnisse über das Leiten von Gruppen, über Konfliktmanagement, das alles ist nichts mehr wert. Meine Damen und Herren! Kein Wunder, dass die Lehrer und Lehrerinnen und die Eltern und die Schüler und Schülerinnen und auch wir von der Sozialdemokratischen Partei sich um unser Bildungssystem Sorgen machen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Ich erteile ihr das Wort.

11.03

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Österreich hat etwas Besonderes zu bieten: die Schönheit seiner Landschaft, die Schönheit seiner Menschen – seine noch weitgehend unzerstörte Natur und sein reiches kulturelles Erbe. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.  –


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Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Da hat er jetzt aber gelacht, der Niederwieser!) Dieses Ensemble von Kultur, Bauten, Landschaft und Natur hebt uns vom übrigen Europa ab. Und es muss uns bewusst werden, dass unser kulturelles Erbe in einem rasch zusammenwachsenden Europa der wichtigste, weil unverwechselbare Teil unserer ganz eigenen österreichischen Identität ist. Daher steigt auch im kommenden Jahr unser Bildungs- und Kulturbudget um 1 Milliarde Schilling, von 76 auf 77 Milliarden Schilling, an, denn Bildung und Kultur, meine Damen und Herren, sind untrennbar miteinander verbunden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nur eine Gesellschaft, die sich ihrer Kulturgüter von klein auf bewusst ist, wird sie auch als ihr wirklich persönliches Anliegen sehen. Denken wir zum Beispiel an den Steffl in Wien, oder denken wir an irgendein Marterl, das von einer Schulklasse im ländlichen Raum restauriert und dann schlussendlich auch als ihr Marterl anerkannt und angesehen wird.

Bildung ist Geschichte, und dieses Geschichtsbewusstsein gilt es lebendig zu halten.

Gerade im Zuge der Restitutionsfragen wurden einzigartige Sammlungen in Österreich leider nur punktuell aufgearbeitet. Die Rückgabe des bekannten Klimt-Bildes "Dame mit Federboa" ist beschlossene Sache. Viele Sammlungen gehören aber prinzipiell besser inventarisiert und überprüft, auch im Sinne diverser Museumszusammenführungen. Für Inventarprobleme nenne ich nur die Österreichische Galerie als Beispiel.

In Zusammenhang mit der ganzen Diskussion um die Restitution stellt sich aber natürlich auch die Frage, wieweit andere Länder, die Alliierten, die ehemalige UdSSR, verpflichtet sind, Kunstschätze österreichischer Herkunft wie beispielsweise die bekannte Papyrus-Sammlung Pahlewi oder die Bücher aus dem Hause Esterhazy oder die Tapisserien des Kunsthistorischen Museums rückzuerstatten. Auch das muss diskutiert werden. Auch das gehört in das allgemeine Bild eines Geschichtsbewusstseins, denn nur bei entsprechender Bildung ist der geschichtliche Zusammenhang erkennbar und die Identifikation mit der eigenen Kultur, die so wichtig ist, möglich.

Es scheint mir daher ganz besonders wichtig, dass schon unsere Kinder in dieses geschichtliche Denken einbezogen werden, dass unseren Kindern unsere Schlösser, unsere Denkmäler, unsere Museen, unsere Gärten in einer für sie annehmbaren Weise näher gebracht werden und dass unsere Kinder und auch die Erwachsenen in diese Restauration unserer Denkmäler aktiv einbezogen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das soll sich möglichst so weit entwickeln wie beispielsweise in England das System des National Trust, dass es also auch bei uns freiwillige Helfer gibt, die Schlösser und Denkmäler, weil es ihnen ein persönliches Anliegen ist, mitrestaurieren und dann durchaus auch mitbesitzen. Dies formt und bildet die Bevölkerung, Teile der Wirtschaft sowie Teile der Berufswelt bereits ganz anders als derzeit bei uns in Österreich, obwohl kulturpolitische Projekte, wie unlängst bewiesen, bereits über 50 Prozent der Erwachsenen sehr wohl ein persönliches Anliegen sind, über die sie auch mitbestimmen wollen. Obwohl das jetzt schon so ist, ist der Sinn für die persönliche Verantwortung bei der Bewahrung des kulturellen Erbes bei uns sicherlich noch nicht genügend entwickelt. Und das muss unser Ansatz sein.

Unser Ansatz soll nicht sein: Kulturpolitik ist nichts fürs Volk, sondern unser Ansatz muss lauten: Kulturpolitik muss den Menschen ein solches Anliegen sein, dass sie zu ihrem ganz persönlichen Projekt wird.

Das heißt nämlich erfolgreiche Kulturpolitik: Motivation für Kultur, praktiziert auf den Grundfesten der Demokratie!

Das heißt erfolgreiche Kulturpolitik: Nicht zwischen Staat oder Markt entscheiden, sondern für die Interaktion!

Das heißt auch erfolgreiche Kulturpolitik: Nicht das Denkmal auf der einen Seite zu sehen und den passiven Betrachter auf der anderen Seite. Diese beiden Seiten müssen im Sinne einer


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gemeinsamen Identifikation zusammen gebracht werden, denn nur so ist es möglich, das österreichische kulturelle Erbe, seine Bauten, seine Sammlungen, seine Gärten, seine Kulturlandschaften, im Sinne einer nationalen Stiftung, eines österreichischen Kulturparks zu einem wesentlichen Teil der österreichischen Identität im Herzen Europas zu machen.

Ich möchte mit den Worten von Hugo Portisch schließen: Diese Notwendigkeit, diesen Gedanken, diese Identifikation nicht wahrzunehmen, wäre ein Grund, an der Fähigkeit Österreichs zu zweifeln, seine Zukunft in Europa eigenständig zu gestalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

11.09

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich etwas überraschend, aber doch sehr deutlich war das Bild, das Kollegin Povysil soeben gezeichnet hat und das ihr Kulturverständnis wiedergegeben hat: eine weitgehend intakte österreichische Natur, schöne Menschen, die brav und anständig ins Museum gehen und sich das kulturelle Erbe der Vergangenheit zu Gemüte führen. (Abg. Großruck: Das gilt auch für Sie!) Das ist dezidiert nicht mein beziehungsweise unser Kulturverständnis. (Beifall bei den Grünen.)

Zur "intakten Natur" sage ich jetzt nur einen Satz: Mittlerweile sind zwei Drittel der Tier- und Pflanzenarten in Österreich bedroht – das zum Bild der Intaktheit der Natur.

Besonders am Herzen liegt mir jedoch: Wenn man das kulturelle Erbe der Vergangenheit beschwört, dann sollte einem bewusst sein, dass wir heute das kulturelle Erbe der Zukunft produzieren beziehungsweise die Rahmenbedingungen für das Produzieren des kulturellen Erbes der Zukunft induzieren und fördern müssen. Wenn man von einem Kulturverständnis ausgeht, das sich ausschließlich in die Vergangenheit richtet, dann nimmt man den kommenden Generationen genau dieses kulturelle Erbe von heute und produziert – ich habe es schon öfters gesagt – bei der Gegenwartskunst und bei der Gegenwartskultur ein schwarzes Loch. Das ist nicht das, was wir wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht nicht nur um Schlösser, um Gärten und um Denkmäler, es geht in den kommenden Monaten vorwiegend um die Eröffnung des größten Kulturbezirkes Europas, nämlich des Museumsquartiers. Im Moment sieht es so aus, dass es ein Museum ausschließlich für die Vergangenheit, ein Kulturbezirk ausschließlich für die Vergangenheit wird, in dem all die spannenden, zeitgenössischen Einrichtungen, die sich mit dem Gegenwärtigen beschäftigen, keinen Platz mehr haben. Es tut mir Leid, dass Frau Dr. Povysil zu dieser Problematik keinen einzigen Satz verloren hat.

Wir haben jetzt 20 Jahre lang geplant, diskutiert, und es wird nächstes Jahr eröffnet. (Abg. Dr. Pumberger: Seit wann sind Sie schon in der Politik?) In der vorangegangenen Rede war jedoch kein einziger Satz über die Kultur der Gegenwart zu hören. Bezüglich der Frage, wie man mit der Gegenwartskultur umgeht, kommt besonders von Seiten der Freiheitlichen immer wieder Erschreckendes ans Tageslicht. Das Zitat von Herrn Abgeordneten Schweitzer – er ist im Moment nicht da – einer kritischen Institution gegenüber, dass sie nicht nur die Hand beißt, sondern sogar die Halsschlagader, birgt ein sehr seltsames Verständnis in sich und belegt eigentlich den Vorwurf, den wir immer wieder belegt wiederholen müssen, nämlich dass Institutionen, die sich auch mit der politischen Situation der Gegenwart auseinander setzen, von Förderungen ausgeschlossen werden sollen, dass also ein direkter Zusammenhang zwischen politischer Gesinnung und kunst- und kulturpolitischer Förderung hergestellt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das macht aber niemand!)

Es ist leider so! Ich habe jetzt gerade das Beispiel genannt. Für mich ist auch bedauerlich, dass die Vorsitzende des Kulturausschusses, Frau Dr. Povysil, Erstunterzeichnerin dieser Anfrage ist,


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in der speziell der Zusammenhang zwischen der politischen Gesinnung von Akteuren und den Förderungen hergestellt wird.

Ich möchte noch auf ein anderes Problem eingehen, nämlich auf die Strukturen der Museen beziehungsweise die Änderungen, die im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes für nächstes Jahr geplant sind. Das ist vorwiegend die Eingliederung des Museums für Völkerkunde und des Theatermuseums in das Kunsthistorische Museum.

Wir halten das für äußerst problematisch. Die offizielle Argumentation für diese Eingliederung ist, dass das zu kleine Museen sind, sodass sie mit den vorhandenen Budgetmitteln ihre Aufgaben nicht bewältigen können, obwohl es ein Gutachten der Intercontrol Wirtschaftstreuhand-GesmbH gibt, das eindeutig feststellt, dass zum Beispiel das Theatermuseum als ausgegliederte, selbständige Institution sehr wohl fähig ist, positiv zu bilanzieren.

Was ist da der für uns problematische Hintergrund? – Ich glaube, man kann in dieser Museenlandschaft nicht alles über einen Kamm scheren. Man kann nicht Anstalten, die auch wissenschaftliche, zeithistorische Aufgaben haben, gleichsetzen mit reinen Ausstellungshäusern, wie zum Beispiel dem Kunstforum. Das Theatermuseum, das Zeitgeschichte anhand von Nachlässen, Briefen, Fotos, Theaterzetteln und Regiebüchern konserviert, hat einen ganz anderen Auftrag als ein rein kommerzieller Kunstausstellungsbetrieb. Gleiches gilt für das Museum für Völkerkunde.

Dass man dadurch, dass man alles über einen Kamm schert, einen Verlust von Vielfalt und Pluralismus in unserer Museenlandschaft in Kauf nimmt, ist aus unserer Sicht bedauerlich. Wir sprechen uns daher massiv gegen die Eingliederung dieser beiden Museen, die ganz andere Aufgaben als das Kunsthistorische Museum haben, aus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ganz bedenklich ist für mich vor allem, dass sie ihre wissenschaftliche Autonomie nicht voll behalten dürfen. Wir werden daher dieses Gesetz weiterhin kritisieren und auch bekämpfen.

Frau Dr. Brinek hat vorhin ein Zitat gebracht, in dem sie gemeint hat, dass der Satz "Kunst ist nur das, was wehtut" einem überholten Kunst- und Kulturbegriff entspreche. (Abg. Dr. Brinek: Das wäre eine lange Diskussion wert!) Eine derartige Aussage wäre einen langen, ausführlichen Diskurs wert.

Ich möchte zu unserem Kulturverständnis sagen: Unser Fokus ist auf das gerichtet, was sich in Interaktion mit dem Gegenwärtigen abspielt. (Abg. Dr. Brinek: Mit Interaktion bin ich schon einverstanden!) Die Interaktion ist das, was gegenwärtig entsteht und das kulturelle Erbe der Zukunft betrifft. Wir konstatieren bei der Prioritätensetzung im Budget und bei strukturellen Maßnahmen im Moment insgesamt eine völlig entgegengesetzte Ausrichtung. Es genießt also genau das, was jetzt das Spannende, das Zeitgenössische, das Lebendige, das Junge, die junge Kunst und die junge Kultur ausmacht, keine Priorität. Und ich finde das bedenklich und traurig. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Dies ist aus dem Budget und den Strukturen zu ersehen, es ist auch an Handlungen, Anfragen und Äußerungen einzelner Akteure der Regierungsparteien ablesbar, und es ist bedauerlich. Also: Kunst ist zwar nicht nur, aber auch das, was wehtut, und vor allem auch das, was politisch wehtut. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. Ich erteile ihr das Wort.

11.16

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich widme mich dem Thema Bundesmuseen sehr gerne und oft, aber heute möchte ich es nur streifen. Die bereits erfolgte Überleitung von Bundesmuseen in die Vollrechtsfähigkeit hat ihre grundsätzliche Sinnhaftigkeit bereits unter Beweis gestellt. Und die zwei


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te Stufe, die Eingliederung der kleineren Bundesmuseen, eben des Österreichischen Theatermuseums und des Museums für Völkerkunde, soll bereits gemachte Erfahrungen einbeziehen und Synergieeffekte noch stärker als bisher nutzen.

Ein enges Kooperationsverhältnis und sich daraus ergebende geänderte Organisations- und Planungsstrukturen sollen dabei unter ausdrücklicher Beibehaltung der wissenschaftlichen Autonomie – und ich bin mir sicher, das wird sehr betont, und diese wissenschaftliche Autonomie wird gewährleistet bleiben – der einzelnen Häuser verstärkt und optimal genutzt werden.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einen nicht unwichtigen Bereich kurz erwähnen, für den das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur auch noch zuständig ist, auch wenn es sich nur um eine nachgeordnete Dienststelle handelt, nämlich den Denkmalschutz.

Auch da hat sich in der neuen Regierungskonstellation einiges geändert, es gibt zum Beispiel eine Gesetzesnovelle, auf deren Einzelheiten ich leider nicht näher eingehen kann. Im Wesentlichen geht es darum, dass Denkmalschutzgesetz und Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut in einem Gesetz vereinigt wurden, was logisch erscheint, dass die Ausfuhrbestimmungen wesentlich liberalisiert und den Bestimmungen der EU angepasst wurden. Hier gibt es einige Unterschiede in der Annahme. Denkmal und Kulturgut wurden als Begriffe gleichgesetzt, Unterschutzstellungs-Kriterien wurden neu definiert, und eine umfangreiche Liste von Park- und Gartenanlagen wurde durch Verfassungsbestimmungen in Bundeskompetenz übernommen.

Ich möchte dazu sagen, dass es freilich auch in diesem Bereich noch einiges zu tun gibt, um die Strukturen den heutigen kundenfreundlichen, serviceorientierten Bedürfnissen anzupassen. Zum Beispiel habe ich eine kleine Anregung am Rande: Man könnte das alte Amtsdeutsch in manchen Formularen ruhig etwas modernisieren, und so manch bürokratische Vorgangsweise könnte noch abgebaut werden, aber ich bin sicher, das wird in der nächsten Zeit passieren.

Worauf ich aber hier und heute detaillierter eingehen möchte, ist ein sehr interessantes Programm, nämlich das Programm "Kultur 2000". Es handelt sich dabei um ein erstes Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft zur Kulturförderung für den Zeitraum von 2000 bis 2004. Was in diesem Programm erstellt wurde, ist ein einheitliches Finanzierungs- und Planungsinstrument, das helfen soll, eine immer engere Union der Völker Europas zu verwirklichen, einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedsstaaten zu leisten, unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt und unter gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes. Das kulturelle Schaffen der einzelnen Mitgliedsländer wird so weiter gefördert, Kontakte und Austausch werden verstärkt, ein gegenseitiges Kennenlernen von Kultur und Geschichte der Völker Europas kann stattfinden.

Die Betonung eines gemeinsamen Kulturraums verstärkt ganz sicher das Gefühl für die eigenen Ressourcen, intensiviert Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden, Künstlern und Künstlerinnen, privaten und öffentlichen Veranstaltern, Trägern und Teilnehmern an kulturellen Netzen und schafft neue Bindungen. Es wird mir sicherlich niemand widersprechen, wenn ich eine Förderung des kulturellen Dialogs, des künstlerischen Schaffens, der transnationalen Verbreitung und der dadurch möglich werdenden Entwicklung neuer Formen des kulturellen Ausdrucks für alle Beteiligten ausdrücklich begrüße.

Meine Damen und Herren! Für das Gesamtprogramm stehen im Jahre 2000 rund 35 Millionen Euro zur Verfügung. Die Einreichfrist endete am 10. Mai dieses Jahres. Es sind europaweit zirka 1 250 Projekte eingereicht worden, und unser Ministerium hat in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt eine eigene Beratungsstelle dafür eingerichtet.

Drei Aktionsschritte sind vorgesehen. Aktion 1 betrifft den Bereich kulturelles Erbe. Hier werden gemeinsame kulturelle Themen und Strömungen durch Wanderveranstaltungen und Ausstellungen an die Öffentlichkeit gebracht. Es geht um die Bereiche Mehrsprachigkeit, neue Medien, Restaurierung, Konservierung und Aufwertung des Architekturerbes des 19. und 20. Jahrhunderts sowie weiters – und mir sehr am Herzen liegend – um den Bereich Buch und Lesen. Es gibt literarische Übersetzungen, auch in Regionalsprachen, einschließlich der Mittel- und Ost


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europas, schließlich pädagogisch ausgerichtete Kooperationsprojekte zur Herausgabe von Büchern mit Multimediapartnern und die Weiterbildung von Fachleuten.

Es gibt kulturelle Zusammenarbeit, Veranstaltungen, Festivals, Ausstellungen. Maximal fünf, mindestens drei Partner sind beteiligt. Aktionsdauer: ein Jahr, Haushaltsmittel: 16 Millionen Euro; mit maximal 60 Prozent unterstützt.

Aktion 2 betrifft die Entwicklung von Synergien, von Kultur und Bildung, Ausbildung, Forschung und von neuen Technologien unter besonderer Berücksichtigung der europäischen Kulturgeschichte. Weiters gibt es ein Kooperationsabkommen im Bereich Musik. Dauer: mindestens drei Jahre, fünf verschiedene Staaten sind daran beteiligt. Dafür steht ein Gesamtbudget von 13 Millionen Euro zur Verfügung. Anzahl der Projekte: etwa zwölf. Maximal 60 Prozent Gemeinschaftsmittel finden Verwendung.

Aktion 3: Veranstaltungen mit europäischer und internationaler Ausstrahlung. Dabei geht es um die Unterstützung europäischer Kulturstädte. Pro Stadt stehen 220 000 Euro zur Verfügung. So genannte Laboratorien für das Kulturerbe werden eingerichtet, die für die Erhaltung und den Schutz von öffentlich zugänglichem kulturellen Erbe von außergewöhnlicher und europäischer Bedeutung zuständig sind. Maximal vier Projekte, mindestens drei Mitgliedstaaten müssen teilnehmen. Symposien über Fragen von gemeinsamem kulturellen Interesse werden vom jeweiligen Vorsitzland organisiert.

Für den Bereich "Kulturelles Erbe", also die Aktion 1, wurden ein Projekt unter österreichischer Federführung und 14 weitere Projekte mit österreichischer Beteiligung ausgewählt, wobei die Dombauhütte zu St. Stephan als europäisches Laboratorium für kulturelles Erbe ebenfalls mit einer Förderung bedacht wurde.

Meine Damen und Herren! Dieses länderübergreifende Kulturprogramm "Kultur 2000" mit seiner über das einzelne Land hinaus ausstrahlenden Bedeutung, die gleichzeitig das Selbstwertgefühl der einzelnen beteiligten Mitgliedsländer stärkt und das Bewusstsein der eigenen kulturellen Identität unterstreicht, ist als wichtiger und für die Zukunft bedeutsamer Kulturbeitrag zu betrachten – im Sinn von Völkerverständigung, von Austausch, Verbindung, Zusammenarbeit und Kulturförderung. Ich denke, dass wir alle uns in seiner positiven Bewertung wohl einig sein können. – Danke. (Bravoruf und Beifall bei der ÖVP.)

11.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Ministerin.

11.24

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! In dieser Diskussion wird über ein Budgetvolumen von 109 Milliarden Schilling diskutiert. Das sind 13,5 Prozent des gesamten Budgets! Das ist unglaublich viel Geld für Bildung, Ausbildung, Weiterbildung und Kultur, und ich finde, es ist gut so, dass wir dafür so viel Geld ausgeben! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist aber auch eine sehr große Herausforderung für alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in einer so kurzen Zeitspanne dieses Budget zu erstellen, es tatsächlich zu machen, die Zahlen tatsächlich festzuschreiben, aufzuteilen. Daher möchte ich auch die Gelegenheit wahrnehmen, um allen meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für diese enorme Leistung, in dieser kurzen Zeit dieses Riesenbudget zu erstellen, herzlich zu danken! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Bereich Kultur ist ein sehr wichtiger Bereich, und er ist im Budget stabil. Wir haben etwas dazubekommen. Ich finde in diesem Zusammenhang, die Diskussion um das Museumsquartier sollte unter den Voraussetzungen geführt werden, die dort wirklich vorhanden sind. Es ist die größte Kulturbaustelle Europas! Es wird nach jahrelangen Diskussionen 2001 eröffnet werden, und es wird dort das "Quartier 21" geben, wo 3 500 Quadratmeter für zukunftsorientierte, progressive, lebendige, junge Kulturinitiativen zur Verfügung gestellt werden. Diese 3 500 Quadratmeter sollen von diesen jungen, innovativen Kulturangeboten belebt werden! Wir


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werden dafür Sorge tragen, dass sowohl unser Kulturerbe als auch die zukunftsorientierte Kulturarbeit im Museumsquartier Platz haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist im Zusammenhang mit dem kulturellen Erbe auch davon gesprochen worden, dass es in England das System des National Trust gibt. Wir haben für das kommende Jahr Rubbellose vorgesehen. Wir wollen mehr für den Denkmalschutz tun. Dass die Bürger und Bürgerinnen sich beteiligen können, ist eine optimale Gelegenheit, bei der wir zeigen können, was uns der Denkmalschutz wert ist. Es wird also eine Rubbellosaktion aufgelegt, und wir erwarten uns, dass sie etwa 50 Millionen Schilling für den Denkmalschutz bringen wird. Das wird eine große, neue Initiative für die Erhaltung unserer Kulturgüter sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist auch von der Zusammenführung des Kunsthistorischen Museums mit dem Völkerkundemuseum und dem Theatermuseum gesprochen, und ein Gutachten ist zitiert worden. Man sollte allerdings das Gutachten nur vollständig zitieren. In diesem Gutachten steht nämlich, dass in spätestens zwei Jahren das Theatermuseum Defizite schreiben wird, und das wollen wir nicht. Deshalb suchen wir eine vernünftige Lösung mit Synergieeffekten.

Eine erfreuliche Meldung habe ich heute erhalten! Sie kommt vom anderen Ende der Welt, aus Cairns, Australien: Das Welterbekomitee hat im Rahmen seiner 24. Sitzung in Cairns, Queensland, Australien, am 30. November um 9.30 Uhr Ortszeit, 0.30 Uhr mitteleuropäische Zeit, einstimmig beschlossen, die Kulturlandschaft Wachau in die Welterbeliste der UNESCO aufzunehmen! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Ich gratuliere den Verantwortlichen in der Wachau, und ich bin stolz darauf, dass wir nun in Österreich sechs Weltkulturerbestätten haben! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

11.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte.

11.28

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Trotz dieser erfreulichen Meldungen möchte ich doch oder muss ich leider wieder zu etwas Unerfreulicherem zurückkehren – unerfreulich deshalb, weil wir es bei dem, was uns die blau-schwarze Regierung in letzter Zeit vorführt, wirklich mit einem extremen Abbau im Sozialwesen, im Bildungswesen, aber vor allem auch in der Demokratie zu tun haben.

Ich spreche deshalb von Demokratieabbau, weil zum Beispiel Herr Kollege Amon in seiner Rede zum Unterrichtsbudget ganz eindeutig gesagt hat, man werde sich die sozialdemokratischen Lehrer anschauen müssen. – Was meint er denn damit, der Herr Amon? Was will er sich da so genau anschauen? (Abg. Haller: Das ist ein Verdrehen von Aussagen! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Brinek und Mag. Tancsits. )

Er hat gesagt: Die sozialdemokratischen Lehrer werden wir uns sehr genau anschauen. – Ich frage Sie: Was ist das für ein Ausspruch? Was will er uns damit mitteilen? Will er uns vielleicht das Gleiche mitteilen wie sein Kollege Strobl im Wiener Landtag, der das noch deutlicher macht? Dieser droht nämlich tatsächlich den Schulaufsichtsbeamten, falls sie ihre – wie er behauptet – Falschinformationen nicht zurücknehmen, mit Konsequenzen. Er sagte: Mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen werden wir ihnen drohen!

Was soll denn das heißen? Will man uns einen Maulkorb umhängen, weil wir nichts anderes tun oder weil unsere Kollegen nichts anderes tun, als Lehrerinnen und Lehrer darauf aufmerksam zu machen, was sie ganz persönlich in ihrer Lebensplanung zu erwarten haben?

Ich möchte das auch an einem Beispiel festmachen. Kollege Graf hat auf "Transdanubien" so abfällig hinübergesehen, daher bringe ich jetzt ein Beispiel aus "Transdanubien". Gerade ein Beispiel aus dem Bezirk Floridsdorf möchte ich Ihnen präsentieren, denn für diesen Bezirk, Frau


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Ministerin, sind Sie uns noch die Antwort schuldig, wie Ihre Einsparungszahlen genau zu verstehen sind.

Heißt es, dass in Floridsdorf im nächsten Jahr 126 oder 160 Lehrer weniger beschäftigt werden können? Das ist nämlich die Frage. Können Sie uns sagen, ob bei den Einsparungsmaßnahmen nur der Landeslastenausgleich geltend wird oder ob auch die Budgetbegleitgesetze geltend werden? Können Sie uns sagen, ob das zu addieren ist oder ob das voneinander getrennt zu sehen ist? – Diesbezüglich wartet man auf Antworten, und das betrifft genau 34 Lehrer, die nicht wissen, ob sie im nächsten Jahr weiter arbeiten können.

Da geht es zum Beispiel um eine 25-jährige Lehrerin, die gerade dabei ist, sich eine Wohnung anzuschaffen. Kann sie sich diese im nächsten Jahr leisten, wenn sie dafür Kreditverpflichtungen eingehen muss, oder kann sie es nicht?

Oder: ein junger Kollege, der dabei ist, eine Familie zu gründen. Kann er sich im nächsten Jahr seine Ausgaben noch leisten, oder kann er das nicht? – All das sind Fragen, die offen sind, und es geht dabei um einzelne Lehrer, um Einzelschicksale, aber vor allem geht es auch um die Qualität in den Schulen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte noch einmal fest: Schulaufsichtsbeamte tun nichts anderes, als zu informieren. Sie verunsichern nicht! In diesem Fall verunsichert die Behörde, verunsichern Sie, Frau Ministerin.

Zu einem anderen Punkt, den ich gerne in diesem Zusammenhang noch ansprechen möchte; dabei stimme ich mit Ihnen genau in einem Satz überein. Sie sagen: Lehrer sein ist mehr als ein Job. – Ja, Lehrer sein ist in der Tat mehr als ein Job. Das denke ich auch, wenn ich mir heute etwa anschaue, was der "Kurier" titelt. Da heißt es: "Wiens Lehrer machen an ihren Schulen mobil".

Richtig, sie machen mobil, aber nicht, um zu Streiks aufzurufen, sondern Lehrer machen mobil gegen den Drogenkonsum. Was tun diese Lehrer gegen den Drogenkonsum? – 1 800 Wiener Lehrer und 270 Direktoren drücken freiwillig die Schulbank, um ihr Engagement als Kampfansage gegen den Drogenmissbrauch festzumachen.

Und der Direktor des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien hat gesagt: Die Schule ist die einzige Institution der Gesellschaft, die alle Kinder erreicht. Die Schule ist in gewisser Weise auch zu einem Familienersatz geworden und für die Jugendlichen das erste Bindeglied zum Berufsleben. – Zitatende.

All das kann ich nur doppelt unterstreichen. Was heißt das aber? – Das bedeutet Engagement der Lehrer außerhalb der Unterrichtszeit, und das ist auch klar und festgeschrieben, denn Lehrerarbeitszeit heißt nicht, nur in der Klasse zu stehen. Lehrerarbeitszeit ist viel, viel mehr. Lehrerarbeitszeit heißt auch, sich zu engagieren in einer Zeit, in der andere Menschen Freizeit haben: am Abend, in Seminaren, an Wochenenden. Das ist richtig und gut, aber das muss man auch so akzeptieren und entsprechend würdigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage nicht, Frau Bundesministerin, dass Sie das nicht gewürdigt haben, ich sage das vor allem in die Richtung der FPÖ, die es sich immer wieder, vor allem in der letzten Zeit, offensichtlich zum Hobby gemacht hat, Lehrer und die Lehrerarbeitszeit zu verunglimpfen.

Ich möchte das am Beispiel dieser Drogeninitiative noch einmal herausstreichen und möchte auch darauf hinweisen, dass geplant ist, Workshops mit Eltern an Schulen durchzuführen. – Ja, wann wird denn das stattfinden? Ganz sicherlich zu den Tageszeiten, zu denen die Eltern auch Zeit haben, um gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern Konzepte auszuarbeiten, wie sie dem Drogenmissbrauch entgegentreten können.

Frau Bundesministerin! Ich hoffe sehr, dass diese Appelle an Sie nicht ungehört verhallen, dass Sie Unklarheiten aufklären, dass Sie den Wiener Lehrerinnen und Lehrern sagen, was in den nächsten Jahren passiert, mit welchen Zahlen wir in den nächsten Jahren tatsächlich operieren können und wie die Verhandlungen weiter geführt werden. Ich hoffe auf ein positives Ergebnis


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bis zum März 2001, wenn es um die Zuschläge geht, die für uns äußerst wichtig sind. Dann wird entschieden, ob wir die ganztägige Betreuung an den Wiener Schulen sichern können oder ob das auch fallen wird. Immerhin tritt der Bund ja mit 299 Dienstposten zusätzlich in Vorlage. Und da geht es darum, ob die Kinder am Nachmittag in der Schule betreut werden können oder nicht.

All das sind dringende Fragen. All das zeigt auch sehr gut, dass es bisher in unserem Schulleben sehr gut funktioniert hat. Nun gilt es, das zu sichern, es gilt, das zu erhalten, und wir Lehrerinnen und Lehrer stehen für die Qualität an den Schulen. Wir SozialdemokratInnen stehen natürlich auch hinter dieser bisher positiven Bildungspolitik, die darauf abzielt, hier gemeinsame Arbeit zu machen: zum Positiven für unsere Bildung, zum Positiven für unsere Jugend. Und wir fordern die blau-schwarze Regierung auf, nicht an den Chancen der Jugend in unserem Land zu sparen! (Beifall bei der SPÖ.)

11.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Ich erteile es ihm.

11.36

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber auch liebe Kollegen auf der Galerie! Der Universitätslehrerverband stattet uns soeben einen Besuch ab. Er hat dazu in einer Aussendung aufgerufen, und ich freue mich darüber. Wir sind zu fünft, wenn ich richtig gezählt habe. Liebe Kollegen! Sie haben massiv dazu ermuntert, an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie haben dazu ermuntert, an der heutigen Debatte teilzunehmen. Ich nehme Sie pars pro toto, ich nehme Sie ernst und freue mich, dass Sie am öffentlichen politischen Geschehen teilnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie in Ihrer Aussendung fordern, dass Sie mit den Studierenden gemeinsam die Zukunft überlegen wollen, dann ist das ein zusätzliches Lob wert. Gestatten Sie mir aber auch, ein Versäumnis zu erwähnen: Es hat uns ja niemand daran gehindert, das schon in der Vergangenheit zu tun. Die Einführung der Studiengebühr ist vielleicht nicht der geeignete Anlass dafür, hier möglichst öffentlich zu werden.

Aber sei’s drum, es ist ein Anlass, es ist eine Situation, die für uns neu ist. Wir haben sie schon diskutiert, und ich habe meine eigene Einschätzung hier kundgetan, dass ich die Art der Einführung und den Zeitpunkt für unglücklich halte. Ich sage aber auch dazu, dass ich darum ersuche, dass jene Heerschar von Professoren und Rektoren hervortreten möge, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten nach Studiengebühren gerufen hat. Diese Professoren sind derzeit in der Versenkung verschwunden, man hört kaum von diesen Äußerungen, natürlich auch nicht von der Seite des politischen Gegners.

Herr Niederwieser ist jetzt leider nicht im Saal. Ich hätte mich sehr gerne mit ihm über seine "Kasperltheorie" in Bezug auf unseren ehemaligen Bundesparteiobmann und über jenes Papier, mit dem er hier gewachelt hat, unterhalten. (Abg. Dr. Niederwieser steht so beim Präsidium, dass der Redner ihn nicht sehen kann. – Heiterkeit.)

Aber zwischendurch doch etwas dazu: Herr Dr. Haider, der erfolgreichste Politiker der Nachkriegszeit in unserem Land, war bei einer Veranstaltung in meiner Heimatstadt und wurde dort, wie es bei seinen Auftritten nicht ungewöhnlich ist, von 1 500 Personen sehr euphorisch empfangen. Und alle haben ihm irgendetwas hingehalten, auf dem er unterschreiben möge, ob das ein T-Shirt, ein Kapperl, ein Bild oder sonst etwas war. (Abg. Dr. Niederwieser kehrt zu seinem Platz zurück und macht den Redner darauf aufmerksam.)  – Danke, ich sehe Sie jetzt, Herr Kollege Niederwieser, der Sie in diesem Zusammenhang Ihre Kasperl-Argumentation geführt haben.

Zurück zum Auftritt von Herrn Dr. Haider. Unter diesen Hunderten zu leistenden Unterschriften, in einer Hochstimmung und einem großen Getöse in diesem Raum ist auch ein Zettel gewesen,


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auf dem ihn ein Student gegen die Einführung von Studiengebühren hat unterschreiben lassen. (Abg. Dobnigg: Wahrscheinlich gefälscht! Unterschoben!)

Ich habe die beiden Personen im Anschluss zusammengeführt, und es gab eine äußerst konstruktive Debatte darüber. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Sie hätten halt teilnehmen sollen oder vielleicht auch der Herr, der Ihnen den Zettel zugeschoben hat. Herr Karl Dobnigg hätte dabei sein sollen. Herr Dr. Haider hat dort seine alte und durchaus erhaltene Auffassung betreffend Studiengebühren wiederholt.

Er hat immer, wie auch unsere Fraktion, die Auffassung vertreten, dass es durchaus Personengruppen an den Universitäten gibt, die sich eine Studiengebühr leisten können und auch sollen. Dass diese für gewisse Zielgruppen auch einzuführen ist, haben Sie selbst und Ihr Minister gefordert. Was ist denn anderes passiert?

Es wird hier der Vorwurf erhoben, dass sich beispielsweise Kinder von Arbeitern künftig ein Studium nicht mehr leisten werden können. Herr Dr. Niederwieser, ich habe in den späten sechziger Jahren am Verhandlungstisch – und nicht auf der Straße! – für die Abschaffung der Studiengebühr geworben, und wir konnten das erreichen. Aber was haben wir erreicht? – Sie kennen ja die Studien bezüglich der sozialen Situation der Studierenden. Wir konnten den Prozentsatz der Arbeiterkinder von 1972 bis 1998 – aus diesem Jahr stammt die Studie – um kein Promille erhöhen. Lesen Sie nach: Man ist nach wie vor im 5-Prozent-Bereich. (Abg. Öllinger: Sie schon überhaupt nicht!)

Wenn man weiß, dass diese 5 Prozent ausschließlich Stipendienbezieher sind und dass das Stipendiensystem in diese Richtung ausgeweitet wird, dann ist das nicht die Zielgruppe, die eine Studiengebühr trifft, treffen wird und treffen soll. Das ist eine Fama, verabschieden Sie sich davon!

Wir haben heute auch gehört, was es sonst noch an Begleiterscheinungen dieser Studiengebühr geben wird. Frau Bundesminister, Sie haben mit mir darüber geschmunzelt: Es werden künftig keine Mädchen mehr an die Unis kommen.

Ich kann nicht nachvollziehen, wie Frau Mag. Muttonen das begründen will. Sie hat auch gemeint, dass weniger Mädchen an den Universitäten zu weniger Bildung, damit zu weniger Weitblick und dadurch zu einer Reduzierung der Geburtenrate führen werden. Sie sollte wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass – bedauerlicherweise, sage ich dazu – ein höheres Bildungsniveau kontraproduktiv zur Geburtenrate ist. Es neigen sozusagen eher die niedrigeren Niveaus zum Kinderkriegen, das ist einfach eine soziologische Realität. Diese Sorge haben wir daher überhaupt nicht. Auch die Zahlen bestätigen, dass es bei der Inskription keinen Knick geben wird. Das wünschen wir uns alle.

Noch mehr hätte ich mir gewünscht – das ist auch an die Kollegen auf der Galerie gerichtet –, dass es zuerst zur Vollrechtsfähigkeit der Universitäten gekommen wäre und dass man den Universitäten die Möglichkeit gegeben hätte, Studiengebühren relativ zu ihrem jeweiligen Angebot selbst zu bestimmen. Das deckt sich im Übrigen mit dem Gros der Meinungen an den Universitäten, nur – siehe die einleitende Aussage – sind diese derzeit nicht zu finden.

Wenn man die Studie zur Lehrerarbeitszeit auch aus anderer Sicht betrachtet, gebe ich Frau Schaschl vollkommen Recht. (Abg. Dr. Niederwieser: Schasching heißt sie!)  – Pardon, dass ich den Namen falsch gesagt habe! – Lehrersein ist eine hoch qualifizierte berufliche Tätigkeit und kein Job. Was wir hier an Zahlen bekommen, zeigt, dass die Lehrer ein sehr breites Arbeitsspektrum haben. Es ist schön, dass das erhoben wurde.

Die Studie zeigt, dass die Lehrer zu über 80 Prozent mit ihrer Tätigkeit höchst zufrieden sind. Sie zeigt auch, dass die Lehrer zu mehr als 80 Prozent über überdurchschnittliche oder zumindest gehobene durchschnittliche Lebensqualität verfügen und mit ihrem Beruf im Großen und Ganzen sehr glücklich und zufrieden sind.


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Dass sie das sind, beweist wiederum umgekehrt, dass jene Minderheit, die Sie derzeit aufputschen und mit Falschmeldungen sogar zu Streiks treiben, eben die Minderheit ist und auch bleiben wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Prammer: Was ist falsch?)

11.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.44

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Ich berichtige den Kollegen Grollitsch in einem Punkt.

Was diese Unterschrift anlangt, soll der Herr Alt-Parteiobmann nicht gewusst haben, was er unterschrieben hat. Das haben Sie behauptet.

Tatsache ist, dass mir berichtet wurde, dass die Studenten sehr wohl gesagt haben: Wir sammeln hier Unterschriften gegen die Studiengebühren, und dass er das dann unterschrieben haben soll. – Ich war persönlich nicht dabei, habe das aber vom betreffenden Studenten und vom Kollegen Dobnigg so erzählt bekommen.

Auch in einem zweiten Punkt muss ich Sie berichtigen. Ich habe nicht von einer "Kasperl-Aktion" gesprochen, sondern ich habe gesagt, dass der Alt-Parteiobmann ein Kasperl ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Das ist noch ärger!)

11.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das ist auch nicht freundlicher. (Abg. Dr. Grollitsch: Schämen Sie sich, Herr Niederwieser! – Abg. Achatz: Unbeschreiblich! Niedriges Niveau! Typisch Niederwieser! Ganz niedriges Niveau! Ihr Name spricht für sich!)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

11.45

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie wissen schon, warum ich mich zu Wort gemeldet habe. Wir haben das Problem der Schulintegration noch immer nicht gelöst. Das Problem ist deshalb nicht gelöst, Frau Ministerin, weil Sie in den letzten Jahren absolut kein Interesse gezeigt haben, geschweige denn irgendetwas getan hätten, um die Schulintegration von behinderten Kindern in Österreich zu fördern beziehungsweise auszubauen.

Ganz im Gegenteil, Frau Ministerin! Die Schulintegration, die nie ein lieb Kind von Ihnen war – das ist einfach so; aber Sie müssen nicht lauter lieb Kinder haben, das soll nicht der Vorwurf sein –, wird jetzt weiterhin gekürzt. Wenn Sie sagen, wir bauen Lehrer ab, dann geht das ganz einfach auf irgendjemandes Kosten. Als Erste davon negativ betroffen, massivst negativ betroffen sind behinderte Kinder in der Volksschule, in der Hauptschule und auch in der Unterstufe der AHS.

Frau Ministerin! Sie wissen, Sie können nicht auf Basis nackter Schülerzahlen rechnen. Wenn Sie das tun, dann gibt es keine Stützlehrer in den Klassen, dann gibt es niemanden mehr, der den sonderpädagogischen Förderbedarf für Kinder mit Behinderung abdecken kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß schon, dass Sie mir sagen werden: Laut Gesetz gibt es keine Stützlehrer. – Ja, Frau Ministerin, das stimmt; und es ist Ihr Versagen, dass es diese Stützlehrer laut Gesetz nicht gibt! (Beifall bei den Grünen.)

Aber dort, Frau Ministerin, wo diese Stützlehrer bisher zumindest auf Goodwill der Schule hin vorhanden waren, werden sie in Zukunft nicht mehr vorhanden sein können, denn durch die Reduktion der Planstellen können Schulen – auch die Schulen, die das möchten – diese Stütz


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lehrer ganz einfach nicht mehr zur Verfügung stellen. Frau Ministerin! Das ist für behinderte Menschen eine Diskriminierung erster Rangordnung! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Was bringt das Ganze, wenn Sie jetzt zum Beispiel auch für diese Behindertenmilliarde sind, zu der Sie sagen: Wir müssen mit diesem Geld Behinderte am ersten Arbeitsmarkt integrieren? – Frau Ministerin, vergessen Sie das! Wenn Sie den Kindern nicht einmal die Chance geben, in eine Regelschule zu gehen, wie sollten sie dann jemals die Voraussetzungen bekommen, um wirklich am ersten Arbeitsmarkt tätig sein zu können? – Das geht ganz einfach nicht!

Sie müssen einmal bereit sein, zu akzeptieren, dass dann, wenn niemand ausgesondert wird, auch nicht der schwierige Prozess der Integration durchgeführt werden muss. Lassen Sie alle Kinder dort in die Schule gehen, wo sie es wollen, wo sie ihre Stützlehrer haben und wo sie ihren sonderpädagogischen Anspruch erfüllt bekommen! Lassen Sie die Kinder gemeindenah, wohnortnah in die Schule gehen!

Es ist doch in keiner Hinsicht mehr einzusehen, Frau Ministerin, warum speziell behinderte Kinder stundenlang durch halb Oberösterreich – und in anderen Bundesländern ist es auch nicht anders – gefahren werden, bis sie zu ihrer Schule, einer Sonderschule, kommen, obwohl die Regelschule vielleicht 600 Meter neben ihrer Wohnung, neben ihrem Haus steht. Frau Ministerin, das ist eine Zumutung, und diese Zumutung ist nicht mehr haltbar!

Ich weiß, Frau Ministerin, dass Sie nicht akzeptieren wollen, dass speziell die 17. Schulorganisationsgesetz-Novelle wirklich wieder eine Flut von zusätzlichen Diskriminierungen für behinderte Menschen erzeugt hat und dass die Grundsatzforderung der behinderten Menschen und von deren Eltern in Österreich "Gleiche Bildungschancen für alle!" bei Ihnen ungehört geblieben ist und auch ungehört bleibt.

Frau Ministerin! Es ist die falsche Rechnung, und es ist der falsche Sparmechanismus, wenn Sie auf Kosten der Bildung in Österreich sparen wollen. Was würde denn das bedeuten? – Ich habe heute, als ich in mein Büro hier im Parlament gerollt bin, zufällig ein Pickerl an einer Litfaßsäule gesehen. Dort stand zu lesen: Weitere Einsparungen in der Bildungspolitik schaffen noch schlechtere Politiker in der ÖVP und in der Freiheitlichen Partei, als wir sie jetzt schon haben. (Beifall bei den Grünen.) Daran ist verdammt viel Wahres! (Abg. Dr. Fekter: Aber nein, sind wir nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn Sie nicht bereit sind, sich die Bildung etwas kosten zu lassen und speziell jungen Menschen die Chance zu geben, etwas zu lernen und einen Bildungsstand zu erreichen (Abg. Dr. Fekter: So gut wie noch nie!), wie sollen sie dann, wenn sie erwachsen sind, etwas können, wenn man ihnen diesen Bildungsweg bereits im Kindesalter durch Ihre falschen Einsparungsmaßnahmen abgeschnitten hat!? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Nein, bitte!)

Herr Amon! Mit Ihren Rechenkünsten ist es auch nicht so weit her, wie Sie immer glauben. Sie haben gesagt, es kommt im Durchschnitt auf zehn Schüler ein Lehrer. (Abg. Amon: Weniger!) Weniger – umso schlimmer, umso schlechter Ihre Rechnung! (Abg. Amon: Ja?) Sie haben nämlich vergessen, dass auch Herr Schweitzer und viele andere noch Pädagogen sind, sehr wohl noch Lehrer sind, obwohl sie nicht in der Schule stehen. (Abg. Amon: Ja!) Das heißt, die werden in diesen Schnitt eingerechnet. (Abg. Amon: Genau!) Es werden auch Lehrer eingerechnet, die nur eine Halbtagsverpflichtung haben. (Abg. Amon: Das ist auch so!) Eben! (Abg. Amon: Und deshalb, Frau Haidlmayr, geht es darum, dass die Lehrer mehr unterrichten!)

Wenn Sie dies umlegen und jetzt ganzheitlich denken und rechnen würden, dann müsste Ihr Schnitt ein völlig anderer sein, denn Sie können nicht davon ausgehen, dass jemand, der Lehrer ist, obwohl er gar nicht unterrichtet, eingerechnet wird. (Abg. Amon: Genau!) Sie müssen von denen ausgehen, die unterrichten. (Abg. Amon: Das ist genau das Problem! Es sind zu viele Lehrer, die nicht unterrichten!) Da ist, bitte, die Zahl Lehrer : Schüler nicht 1 : 10. Rechnen Sie das nach! Ich kann Ihnen behilflich sein und werde Ihnen zeigen, wie das geht. (Beifall bei den Grünen.)


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Herr Amon! Manchmal ist es auch besser, wenn Lehrer nicht in der Klasse stehen und unterrichten. Manchmal ist es besser – ich meine jetzt konkret Kollegen Schweitzer –, dass er in diesem Haus ist und von uns beobachtet wird, als dass er auf die Kinder losgelassen wird (Abg. Jung: Sie sind ganz schön unverschämt, Frau Kollegin!), die sich nicht wehren können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Jung: Sie nehmen sich sehr viel heraus!)

Das soll natürlich nicht heißen, dass das Parlament das Auffangbecken werden soll. Aber im Einzelfall ist es wirklich vernünftiger, und in diesem Fall ganz bestimmt! (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Die Schüler waren sehr zufrieden mit ihm! – Abg. Mag. Schweitzer: Würde ich Sie ernst nehmen, sagte ich etwas!)

11.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte. (Abg. Achatz  – in Richtung der Abg. Haidlmayr –: Nahtlos an das Niveau von Niederwieser haben Sie angeknüpft! – Abg. Mag. Schweitzer: Die Freiheit sei ihr gegönnt!)

11.55

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Vom Roten Kreuz kennen wir den Begriff der Rettungskette. Da wird – auch den Laien – ganz einfach erklärt, was bei einem Unfall zu tun ist: zuerst die Gefahrenstelle absichern, dann den Verletzten aus der Gefahrenzone bergen und erstversorgen. – Meine Damen und Herren! Dasselbe geschieht jetzt mit dem Budget.

Meine Damen und Herren! Wir müssen das Budget in Ordnung bringen (Abg. Mag. Kogler: Und auch die Regierung!), und wir können Reformen und Neuerungen erst dann durchführen, wenn wir die Zahlen im Griff haben. (Abg. Öllinger: Die Regierung in Ordnung bringen!) Es ist leicht für einen Minister, meine Damen und Herren, aus dem Vollen zu schöpfen und auszugeben, viel leichter als die Aufgabe, die unsere Bundesministerin hat (Abg. Öllinger: Bitte bringen Sie die Regierung in Ordnung, Kollege Großruck!), nämlich mit den knappen Mitteln, die vorhanden sind, das Optimale zu machen. Genau das geschieht! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der linken Reichshälfte! Sie haben aus dem Vollen geschöpft, obwohl die Töpfe schon leer waren. (Abg. Öllinger: Sie sind die Regierung!) Sie haben Schulden gemacht. Sie haben ausgegeben, Sie haben gesagt: die Schulden – was kostet die Welt? Nach uns die Sintflut! – Sie sehen ja jetzt, wie die Sintflut für Sie ist.

Wir gehen jetzt daran, das Budget in Ordnung zu bringen. Das engagierte Ziel, im Jahre 2002 keine Neuverschuldung mehr zu haben, ist meiner Ansicht nach unterstützenswert und erstrebenswert. Es wird auch von der breiten Masse der Bevölkerung unterstützt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Konsolidierung ist angesagt, und trotzdem ist es der Frau Bundesministerin gelungen, das Unterrichtsbudget um 1 Milliarde Schilling – von 76,333 Milliarden auf 77,327 Milliarden Schilling – zu erhöhen. (Abg. Öllinger: ... Programm für die Bundesregierung!) Das Budget für Forschung und Wissenschaft wird von 31 Milliarden auf 38 Milliarden Schilling angehoben – trotz dieses engagierten Ziels der Budgetkonsolidierung!

Meine Damen und Herren! Mir kommt die Reaktion der SPÖ so vor: Jeder Redner, der herauskommt, bringt gebetsmühlenartig, bringt in Wiederholungen das vor, was uns der Herr Gusenbauer, wenn er hier ist – er ist ja meistens nur hier, wenn das Fernsehen anwesend ist –, in seinen Grundsatzreden vorgesprochen hat. Ich habe heute ... (Abg. Mag. Schweitzer: Hilft uns eh am meisten!) Ja, Schweitzer, ich werde vielleicht einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung dahin gehend einbringen, dass der Herr Gusenbauer eine unbegrenzte Redezeit bekommt, aber nur dann, wenn das Fernsehen direkt überträgt! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Gebetsmühlenartig haben Sie heute – ich habe es mitgeschrieben – folgende Begriffe wiederholt. Ich zitiere: Kälte, schröpfen, ausbeuten, frostig, umverteilen, Grauslichkeiten, totsparen, verhindern, verschleudern, Abbau von sozialen Maß


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nahmen, Abbau von Bildung, Demokratieabbau, Rasenmäher-Sparmaßnahmen, kaputtsparen, Bildungssystem ruinieren, Crash-Kurs, Teufelskreis und so weiter. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dietachmayr: Jawohl! – Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Diese Wortschöpfungen haben Sie heute in Ihren Beiträgen gebetsmühlenartig wiederholt.

Meine Damen und Herren! Etwas mehr Optimismus wäre auch für Sie angesagt. Sie sind nur pessimistisch, Sie verstreuen Pessimismus. Da darf es einen nicht wundern, wenn man selbst in einem solchen Zustand ist, wie Sie es sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Dann darf es einen nicht wundern, wenn in Zeitungskommentaren in ganz Österreich über Sie hergefallen wird, auch in jenen Zeitungen und Magazinen, die uns nicht unbedingt ganz wohlgesinnt sind. Lesen Sie sie durch, auch zwischen den Zeilen! Oder lesen Sie diesen Kommentar von Norbert Stanzel im "Kurier" in dieser Woche: "Wettbewerb des Negativmarketings" nennt er die Politik der SPÖ. Und: "Wie unlängst erwähnt, es zeigt sich, dass die SPÖ bei ihrem Vorhaben, mittels einer Herbstoffensive verlorenes Terrain gutzumachen, keinen Schritt vorwärts kommt."

So geht es in diesen Kommentaren weiter. Lesen Sie sie, und besinnen Sie sich eines Besseren! Bringen Sie positive Vorschläge! Bringen Sie Vorschläge, wie wir noch mehr in die Bildung investieren können, wie wir die Bildungsangebote noch qualifizierter machen können! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy hält eine Ausgabe von "NEWS" aufgeschlagen in Richtung Rednerpult.) Das wären Vorschläge, aber nicht "Grausamkeiten", "Gruseligkeiten" oder wie auch immer.

Es war, glaube ich, vorige Woche, liebe Heidrun Silhavy, da habe ich neben den Schlagzeilen auf der ersten Seite ein Bild mit einer Badewanne vor dem Parlament gesehen. Da haben angeblich seit fünf Uhr früh die Studenten demonstriert. Es war zwar nur eine Hand voll, einige wollten sogar die Fahne vom Parlament herunterreißen. Das stört mich zwar, aber das, was ich gesehen habe, stört mich noch mehr, nämlich folgendes Bild: Da sitzt ein SPÖ-Jungfunktionär in der Badewanne, der arme Teufel, ihn hat gefroren, er ist ausgezogen gewesen, nackt und hat gezittert. (Abg. Dr. Khol: Eine Hose hat er angehabt!) Und das ist genau der Zustand, in dem sich auch die SPÖ derzeit befindet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Entblößt, zittrig, und das Wasser steht Ihnen bis zum Hals! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Nicht schlecht!)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es müßig, mit Ihnen eine konstruktive Diskussion über das Bildungsbudget zu führen. (Abg. Silhavy: Ist das dein Beitrag zum Bildungsbudget? Kabarett gehört ins Kunstfach!) Das gelingt nicht, das können wir nicht, weil Sie nicht dazu bereit sind, auf positive Argumente einzugehen und Ihre Ideen einzubringen. Außer "Grauslichkeiten" fällt Ihnen nichts ein.

Meine Damen und Herren! Das Bildungsbudget, die Bildung, die Wissenschaft, die Kultur sind bei unserer Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer in besten Händen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo!) Sie weiß als gelernte Lehrerin, wovon sie spricht, sie weiß, worüber sie spricht, sie weiß, was Not tut. Ich glaube, dass wir alle darauf vertrauen können, dass sie auch das Richtige tun wird. Sie wird das Richtige tun!

Jetzt habe ich noch einen Wunsch in eigener Sache: Helfen Sie mir, dass wir in Grieskirchen bald eine HTL bekommen, denn es ist notwendig, dass wir auch Informatiker ausbilden können! In diesem Sinne darf ich Sie, Frau Bundesministerin, um Ihre beste Unterstützung bitten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen).

12.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rada. Er hat das Wort.

12.02

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich gebe zunächst Herrn Abgeordnetem Großruck insofern Recht, als er die Situation des jungen Mannes in der Badewanne vor dem Parlament geschildert hat: Das


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Wasser bis zum Hals, die Kälte! Er hat gezittert. – Das stimmt, aber nicht deshalb, weil er vor dem Parlament stand, sondern er hat gezittert vor dieser Bildungspolitik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Weil er im Wasser war!) Und alle jungen Menschen können zittern, wenn sie und wir das hören, was Sie sagen, Herr Abgeordneter Großruck.

Eine weitere Bemerkung zu den Vorrednern: Ich hoffe, sehr viele Lehrerinnen und Lehrer haben heute Herrn Abgeordneten Amon gehört (demonstrativer Beifall bei der ÖVP – Abg. Dr. Khol: Er war sehr gut!), als er der Frau Bundesministerin zu diesem Bildungsabbau gratuliert hat, der einmalig in der Republik Österreich ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Machen Sie das fest an einigen Beispielen!) Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Wenn Sie sagen, alle Ihre Maßnahmen seien mit der Gewerkschaft akkordiert, dann frage ich mich wirklich: Warum streiken die Lehrerinnen und Lehrer am 5. Dezember? (Abg. Dr. Khol: Das fragen wir uns auch!) Es ist so, wie Kollege Großruck sagte: Das Wasser steht den Lehrern bis zum Hals. Sie werden Einkommensverluste hinnehmen müssen. Und auch uns wird das Wasser sehr bald bis zum Hals stehen, wenn wir den Qualitätsverlust, den die österreichischen Schulen erleiden werden, durchleben müssen.

Frau Ministerin! Sie haben gesagt, mit falschen Daten würden falsche Ängste geschürt werden. – Ich habe nach Ihren Ausführungen im Budgetausschuss noch einmal alle Daten durchgerechnet. Sie bestreiten nämlich immer wieder, dass mit dem Finanzausgleich alle Dienstposteneinsparungen abgegolten sind. Frau Bundesministerin, das stimmt einfach nicht! Der Finanzausgleich wird einzig und allein auf Schülerquoten, wenn man so will, auf Schülerköpfe, abgerechnet. Wenn man jetzt in jeder Sparte diese Kopfquote erhöht, bedeutet das – vorsichtig gerechnet – bis zum Jahr 2004 5 504 Dienstposten weniger im Pflichtschulbereich. Und ich spreche jetzt nur vom Pflichtschulbereich. Das hat absolut nichts damit zu tun, dass laut Budgetbegleitgesetz Klassenvorstandsstunden und Kustodiate nicht mehr absetzbar sind. Diese kommen ganz einfach kumulativ noch dazu.

Daher kommt man auf mindestens 7 000 Dienstposten. Wenn man jetzt von diesen Dienstposten weiterrechnet, wie viele davon doppelt und dreifach besetzt sind, weil es Karenzurlaube gibt, weil es Krankenstände gibt, weil es Ausfälle gibt, weil es Sonderverwendungen gibt, dann sind das noch wesentlich mehr. Da geht es nicht darum, dass Lehrerinnen und Lehrer um ihr Einkommen bangen, dass Lehrerinnen und Lehrer um ihre Anstellung bangen, da geht es einzig und allein darum, dass Qualität abgebaut wird.

Es ist Ihnen, Frau Ministerin, sicherlich geläufig, dass diese Woche die Landesschulinspektoren Österreichs tagen. Sie werden vielleicht von Ihren Beamten gehört haben, dass es derzeit – und ich betone: derzeit  –, in diesem Schuljahr, nur drei Bundesländer gibt, die organisatorisch den Pflichtschulbetrieb einigermaßen, so wie bisher, qualitativ sicher bewerkstelligen können. Sechs Bundesländer können das bereits nicht mehr. Und wenn all diese Maßnahmen schlagend werden, dann wird es noch viel mehr treffen.

Einige exemplarische Beispiele: Wir haben im Vorjahr mit Begeisterung die flexible Schuleingangsphase in der so verlässlichen Volksschule beschlossen. Ich gebe gerne zu, das ist pädagogisch eine hervorragende Maßnahme, weil endlich auch in jenen Schulstandorten, wo rein rechnerisch eine Vorschulklasse nicht mehr möglich war, diese schulpflichtigen, aber noch nicht schulreifen Kinder ordentlich gefördert werden konnten. (Abg. Mag. Schweitzer: Nicht administrierbar! Weil es ein "Topfen" gewesen ist!) Diese Schuleingangsphase wird es in Hinkunft nicht mehr geben, weil wir Dienstposten einsparen müssen.

Wir haben vor zwei Jahren mit Begeisterung in diesem Haus die Fremdsprachenoffensive in der Grundschule beschlossen. Wir haben mit Begeisterung Zweitlehrer, native speakers, eingesetzt, wir haben mit Begeisterung unsere Lehrer im Ausland für diese Aufgabe ausgebildet. Wir müssen nun Stunden einsparen. Frage ich nur in meinem Bundesland unsere Lehrerinnen und Lehrer und die Schulaufsicht: Wo habt ihr heuer zu Schulbeginn die ersten Maßnahmen gesetzt?, kommt als Antwort: Bei den native speakers.


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Frau Bundesministerin! Es entwickelt sich hier in Österreich eine Situation, die sehr fatal werden könnte. Es gibt nämlich auch Schulen an Orten, wo sehr betuchte Eltern leben. Von diesen Eltern und von den Elternvereinen wissen wir bereits jetzt, dass sie sich so einen native speaker eben selber zahlen werden. Das kann aber nicht Usus an österreichischen Schulen sein, und unsere Bundesregierung kann sich da nicht der Verantwortung entziehen.

Frau Abgeordnete Haidlmayr hat heute hier bereits das Problem der Integration angesprochen. Auch im Bereich der Integration gibt es rigorose Sparmaßnahmen. Wenn wir die Zweitlehrer, die Stützlehrer und die Assistenzlehrer in Hinkunft nicht werden bezahlen können, was wird die Folge sein? – Die Ausgliederung wird wieder die Folge sein, es wird wieder so sein, dass Kinder mit "anderen Bedürfnissen" – ich sage es nur so harmlos – wieder in anderen Lokalitäten, in der allgemeinen Sonderschule unterrichtet werden.

Wir betonen betreffend unsere gute österreichische Schule auch, wie tüchtig wir im Bereich der unverbindlichen Übungen und Freigegenstände sind. Wir freuen uns alle – und ich freue mich mit dazu –, wenn unsere Schüler bei diversen Schulolympiaden hervorragend abschneiden: Olympiasieger in Physik, Olympiasieger in Mathematik und sonstige Sieger! Aber wir können uns diese Ausbildungsschiene nicht mehr leisten – oder wir wollen uns diese nicht mehr leisten –, weil in diesem Bereich enorm eingespart wird.

Da die Redezeit ja immer zu kurz ist, noch ein Letztes, weil wir heute auch das Kapitel "Wissenschaft" diskutieren. "Forschungs- und Entwicklungspolitik" wird immer wieder als großes, wichtiges Schlagwort dargestellt. Es ist in der Tat sehr wichtig, denn ohne Forschung keine Industrie. Sogar in der gewerblichen Wirtschaft wackeln in diesem Bereich Arbeitsplätze. Wenn man sich jetzt das Forschungszentrum Seibersdorf anschaut und die Entwicklung dort verfolgt – ich erwähne das deswegen, weil ich als Abgeordneter aus dieser Region gerade vom Forschungszentrum Seibersdorf äußerst überzeugt bin –, so sieht man: keinerlei Aufstockung von zusätzlichen Forschungsmitteln.

Das Einzige, was derzeit im Gespräch ist, Frau Ministerin – ich weiß schon, das fällt nicht unbedingt in Ihr Ressort, denn es ist alles, was Forschung und Entwicklung betrifft, auf mehrere Ministerien so verschachtelt worden, dass wir keinen konkreten Ansprechpartner mehr haben –, ist: Es soll anstelle von mehr Forschung und anstelle von mehr hoch qualifizierten Forschern einen dritten Vorstandsdirektor geben, nur weil sich der Herr Generaldirektor von Siemens Austria dies einbildet. Will er einen seiner Wirtschaftsfreunde befrieden oder der neuen Frau Ministerin ein Einstandsgeschenk machen?

Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Das trifft die Schule, das trifft vor allem die Qualität der Schule, und das trifft auch alle Junglehrerinnen und Junglehrer, die in Ausbildung stehen.

Ich habe Sie schon einmal gefragt – und ich frage Sie heute noch einmal –: Brauchen wir noch die Pädagogischen Akademien, wenn wir sowieso in den nächsten fünf bis zehn Jahren keinen Junglehrer anstellen können? (Beifall bei der SPÖ.)

12.11


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49. Sitzung / Seite 52

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brix zu Wort gemeldet. Bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt wiederzugeben und dann den tatsächlichen. – Bitte.

12.11

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Großruck hat hier davon gesprochen, dass Frau Bundesministerin Gehrer deswegen kein Geld hat, weil die vorige Regierung so viele Schulden gemacht hat.

Ich stelle tatsächlich richtig (Ruf bei der ÖVP: Da gibt es nichts zu berichtigen!): Im Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Konsolidierungspakete steht wortwörtlich im Kapitel 12 "Unterricht und kulturelle Angelegenheiten" – ich zitiere –: "Die Konsolidierungsziele wurden insgesamt – trotz Erfolgen in Teilbereichen – verfehlt." (Beifall bei der SPÖ.)

12.11


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49. Sitzung / Seite 53

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte.

12.11

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Gerade der Forschungs- und Impulspolitik schenkt diese Regierung großes Augenmerk. Wir haben aber eine andere Vorgangsweise. Die Gelder werden nicht nach dem Gießkannenprinzip oder sonstigen dubiosen Systemen irgendwie verteilt, sondern wir benennen Projekte, wir lassen sie begutachten und evaluieren. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung wurde geschaffen. Es wird in dieser Legislaturperiode 10 Milliarden Schilling zusätzlich für Innovationen geben – sowohl im Infrastrukturbereich wie im Forschungsbereich wie im Entwicklungsbereich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

7 Milliarden Schilling davon gehen speziell an die Forschung. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung wird in den nächsten Sitzungen erste Empfehlungen abgeben. Wir haben bereits 24 Projekte identifiziert für die Grundlagenforschung an den Universitäten, für wichtige Forschungsbereiche, die wir beantragen, denen in den nächsten Monaten Geld zur Verfügung gestellt werden wird. Das ist zukunftsorientierte Forschungspolitik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein persönliches Anliegen ist es mir, zu dem gesamten Pflichtschulbereich noch etwas zu sagen. Da stellt sich wieder heraus, dass die größere Oppositionspartei ein extremes Problem mit der Verantwortlichkeit hat. Den Finanzausgleich haben die Herren Landeshauptleute, hat der Herr Bürgermeister der Stadt Wien ausverhandelt. Sie haben gesagt: Wir leisten in unserem Wirkungsbereich dadurch einen Beitrag, dass wir die Pflichtschulen besser organisieren. Sie haben sich zu neuen Verhältniszahlen bekannt, zu Verhältniszahlen, die sie bis 2004/2005 umsetzen werden. Deswegen: Mich da zu fragen, wie viele Lehrer es in Floridsdorf geben wird, ist ein ganz klares Missverständnis bezüglich Zuständigkeiten und Kompetenzen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Schulaufsichtsbeamte müssen nicht nur informieren, sie müssen informieren und managen. Nur Informationen weiterzugeben ist ein Uraltverständnis von einer Management-Funktion. Vielleicht hat man das früher so gemacht, indem man sich als Briefträger für schlechte Nachrichten empfunden hat. Schulaufsichtsbeamte haben die Aufgabe, die Zielsetzungen, die der Herr Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien im Finanzausgleich vereinbart hat, umzusetzen, zu managen. Das ist die Aufgabe! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Zwei wichtige Bereiche noch: Die tatsächlichen Zahlen, die sich aus diesen neuen Verhältniszahlen ergeben, setzen sich zusammen aus Maßnahmen im Dienstrecht, die wir mit den Ländern vereinbaren werden, und aus Maßnahmen der Organisation. Lesen Sie bitte den Finanzausgleich genau! Es ist falsch, dass da noch Lehrerdienstposten dazukommen, dass man die Organisation und den ganzen Bereich des Dienstrechtes rechnet. Das ist eine gemeinsame Aktivität: das Dienstrecht und die Maßnahmen im Bereich der Organisation.

Falsch ist es auch, wenn behauptet wird, dass die Integration nun nicht mehr möglich ist. Betreffend Verhältniszahl für die sonderpädagogische Betreuung – ich sage klar und deutlich: Blindenschulen sind Regelschulen, Gehörlosenschulen sind Regelschulen, Sonderschulen sind Regelschulen (Abg. Haidlmayr: Das sind Sonderschulen!)  – soll man endlich aufhören, diesen Schulen Segregation zu unterstellen. Eine besondere und eine gute Ausbildung zu bieten kann doch nichts Negatives sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Verhältniszahl 1 : 3,2 im Sonderschulbereich zeigt auf, dass wir europaweit an der Spitze liegen mit den Lehrern, die wir für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zur Verfügung stellen – und ich werde dafür sorgen, dass das auch so bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Sie hat das Wort.

12.16

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr! Ich bedauere sehr, dass Ihre Aussagen nahtlos an die des Kollegen Niederwieser anschließen, dessen verbale Entgleisungen und Verfehlungen ich auf das Schärfste zurückweisen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Unser Bildungssprecher Mag. Karl Schweitzer hat mir aus der Seele gesprochen, und die Frau Bundesministerin hat es bestätigt: Es sind keine Arbeitsplätze für Junglehrer gefährdet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es ist indiskutabel, dass AHS-Lehrer vor Abschluss der Verhandlungen streiken, und es ist unverantwortlich, dass AHS-Lehrer ihre Erpressungsversuche auf dem Rücken der Kinder austragen, die bedauerlicherweise nicht betreut werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Realitätsverlust!)

Die streikenden Lehrer schaden dem Ansehen des Lehrerstandes in der Öffentlichkeit, und es entsteht der Eindruck, dass die Lehrer ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich dem Unterricht, nicht nachkommen wollen. Es wird auch fälschlicherweise immer so dargestellt, es seien Schulschikurse und unverbindliche Übungen gefährdet. – Das ist nicht der Fall.

Sehr geehrte Damen und Herren! Worum geht es? – Es geht darum, dass für Klassenvorstandstätigkeiten und Kustodiate statt Abschlagsstunden bei der Lehrverpflichtung finanzielle Zulagen geleistet werden. Mag. Schweitzer hat das eingehend beleuchtet.

Es gibt viele hochmotivierte Lehrer, die gerne arbeiten, die gerne viel arbeiten und dafür gerne auch etwas verdienen. Und es ist Zeit, dass das Leistungsdenken auch im Lehrberuf durchgängig Eingang findet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Pragmatisierung hat im Lehrberuf – das zeigt sich wieder einmal – ausgedient. Hier im Nationalrat ist, wenn man den "Standard"-Berichten glauben darf – ich habe das nicht überprüft –, jeder Zehnte Lehrer. Im österreichischen Durchschnitt ist jeder 64,33. Österreicher Lehrer. Und ich habe eine Bitte an alle Lehrer, die hier im Nationalrat sitzen, dass sie nämlich zum Wohle des Ansehens ihres Standes mithelfen, weitere derartige Maßnahmen zu verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Von der Bildung in der Schule zur Bildung in den Museen. Das Bundesmuseen-Gesetz sieht die Museen als Orte lebendiger und zeitgemäßer Auseinandersetzung mit ihnen anvertrautem Sammlungsgut. Museen werden als umfassende Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche verstanden, in denen zeitgemäßes und innovatives Wissen vermittelt wird. Dies ist ein klarer Auftrag an die Museumspädagogik. Die Museumspädagogik boomt in den letzten Jahren, und es ist gut investiertes Geld.

Wichtig ist, dass in der Bevölkerung ein breites Grundverständnis für Kunst und Kultur existiert und geschaffen wird; und dazu kann die Museumspädagogik einen wesentlichen Beitrag leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist wichtig, dass Kinder von klein auf als Museumspublikum ernst genommen werden. Das Kindermuseum "Zoom" – wir haben ja relativ spät ein eigenes Kindermuseum bekommen, aber dafür ist es ein sehr gutes – wird jetzt im neuen Museumsquartier entsprechenden Raum bekommen. Und mir gefällt der Zugang der Geschäftsführerin Claudia Haas, die es für wichtig erachtet, altersspezifisch motorische, kognitive und soziale Fähigkeiten anzuregen.

Ziel ist es, alle Sinne anzusprechen. Dass das gelingt, habe ich neulich bei meiner sechsjährigen Tochter gesehen. Auf die Frage: Was hat dir am besten gefallen?, hat sie gesagt: alles! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wesentlicher Faktor ist für Frau Dr. Haas die persönliche Betreuung, weshalb sie auch um Voranmeldung bittet. Kinder haben Defizite in der Zuwendung, auch da kann das Museum teilweise Abhilfe schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Museumspädagogik hilft, Neigungen festzustellen und Begabungen zu fördern. Ein Mensch, der seine Ausbildung, sein Berufsleben seinen Neigungen entsprechend gestalten kann, wird erfolgreich und glücklich sein und so auch zum Erfolg der Wirtschaft beitragen.

Von der Bildung zur Wissenschaft. Der tertiäre Bildungssektor ist im Umbruch. Die Akkreditierung der Privat-Unis, über die ich mich sehr freue, hat eine neue Ära im Universitätswesen eingeleitet. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Da geht was weiter!) Die Ausgliederung der öffentlich-rechtlichen Unis ist ein nächster wichtiger Schritt. Anfang dieser Woche hat die Rektorenkonferenz über eine Änderung des Dienstrechtes, der Pragmatisierung zugunsten von mehrjährigen, verlängerbaren Leistungsverträgen beraten.

Es ist wichtig zum Nutzen der Kunden, der Studierenden, dass Wettbewerbs- und Leistungsdenken neben den privaten auch in den öffentlich-rechtlichen Universitäten Eingang finden. Jeder einzelne Universitätsprofessor ist gefordert, neue Entwicklungen in der Lehrtätigkeit zu berücksichtigen und sich selbst fortzubilden. Eine Wechselbeziehung zwischen der Wirtschaft und dem tertiären Bildungssektor ist dringend notwendig. Die Studenten brauchen zeitgemäßes Know-how als Grundvoraussetzung für ihren beruflichen Erfolg. Die Wirtschaft kennt die Anforderungen von morgen.

Es ist auch wichtig, hervorragende Experten aus dem In- und Ausland für eine Lehrtätigkeit an den Universitäten in Österreich zu gewinnen. Ich befürworte es, dass wir dem Institut der Stiftungsprofessuren an öffentlich-rechtlichen und privaten Universitäten in Zukunft einen größeren Stellenwert einräumen. Es ist notwendig, steuerliche Erleichterungen für die Sponsoren von Stiftungsprofessuren zu schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist viel zu tun in den Bereichen Bildung, Kultur und Wissenschaft. Wir sollten alle die Ärmel hochkrempeln und gemeinsam die Reformen angehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte. (Abg. Schwemlein  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Gaßner –: Kurt, sag ihr wenigstens, wie eine Schule von außen ausschaut, weil von innen kennt sie sie nicht! – Abg. Mag. Schweitzer: Du schon? – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Schwemlein und Mag. Schweitzer. )

12.23

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich halte es mit Frau Povysil, die gemeint hat, dass es lauter schöne Menschen gibt, und sage daher: Liebe schöne Menschen! Allerdings wenn ich mir die Schreie des Herrn Schweitzer anhöre (Abg. Mag. Schweitzer: Zwischenrufe!), dann wird dieses "Schön" etwas relativiert. (Abg. Mag. Schweitzer: Die sozialistischen Lehrer sollen aus der Schule herausgehen, damit die Junglehrer Platz haben!)

Ich möchte mich ganz kurz mit meiner Vorrednerin beschäftigen, die gemeint hat, Herr Niederwieser hätte sich verbale Entgleisungen erlaubt. Ich weiß nicht, was da passiert ist! Ich möchte aber auch auf eine verbale Entgleisung des Herrn Abgeordneten Schweitzer hinweisen, der, ungestraft vom Präsidium – es führte Herr Präsident Prinzhorn den Vorsitz –, gemeint hat: Das habt ihr verbrochen! (Ruf bei der SPÖ: Ungeheuerlich!)  – Ungestraft hat er gesagt, dass die SPÖ das "verbrochen" hat, nämlich eines der besten Bildungssysteme der ganzen Welt! Wie ist denn dann das zu bezeichnen, was Sie jetzt vorhaben, Herr Kollege Schweitzer? (Beifall bei der SPÖ.)


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Zurück zum Bildungsbudget. Es wurde heute schon oftmals gelobt, dass das Bildungsbudget erhöht worden ist. Um 1,3 Milliarden Schilling wird es mehr geben. Allein 400 Millionen Schilling davon entfallen aber erstmalig auf die Miete an die Bundesimmobiliengesellschaft. Ich hoffe, dass es nicht zu Entwicklungen wie bei den Universitäten, konkret der Universität Linz, kommen wird. Es liegt mir ein Schreiben des Herrn Landshauptmannes und des Bürgermeisters von Linz vor, darin wird darauf hingewiesen, dass diese Ausgliederung gar nicht möglich sei, weil es andere vertragliche Regelungen gebe. – Ich bitte Sie, Frau Bundesministerin, darauf zu achten, ob das nicht auch bei anderen Bundesschulen der Fall ist.

Es wäre wirklich interessant, wie dieses Budget erfüllt werden soll. 1,3 Milliarden Schilling mehr – 400 Millionen sind schon weg, mit dem Rest sollen die Biennalsprünge, das "äquivalente Einsparungspotential", wie das so schön umschrieben wird, Gehaltserhöhungen et cetera abgegolten werden.

Das Ganze wird sich auf dem Rücken der Lehrer abspielen. Na gut, das ist opportun, über die Lehrer kann man schimpfen! Aber, das wird sich auch auf dem Rücken der Schüler abspielen, weil es in Richtung massiver Qualitätsverminderungen, Qualitätsverluste gehen wird. Alles für den Fetisch "Nulldefizit"! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Halali gegen die Lehrer hat ja das "einfache Parteimitglied aus Kärnten" bereits im Sommer eröffnet, als er gemeint hat, dass man mit diesen parasitären Elementen aufräumen werde. (Abg. Mag. Schweitzer: Das hat er nie gesagt!) Die Bundesregierung hat sich dieser Jagdgesellschaft angeschlossen und mit dem neuen Budget und seinen Begleitgesetzen dieses Verhalten fortgesetzt.

Frau Bundesministerin! Sie haben wirklich nachhaltige Reputation in Ihrem Bereich gehabt. Seit einem halben Jahr haben Sie diese allerdings verspielt. Ich möchte jetzt gar nicht mehr darauf eingehen.

Studiengebühren: Noch im Sommer sagten Sie nein. – Eingeführt!

Nächster Paukenschlag: Studiengebühren für den postsekundären Bildungsbereich. – Im Ausschuss so gut wie beschlossen!

Wie lange wird es noch dauern, bis wir wieder von einem allgemeinen Schulgeld reden werden? Wie lange noch, bis für einen Schulbesuch wieder Geld wird bezahlt werden müssen? Ganz nebenbei bemerkt: Die Summen, die Eltern bereits heute aufbringen müssen für Dinge, die durch die Schule notwendig werden, sind gar nicht so gering, Sie müssten sich einmal mit den Eltern darüber unterhalten.

Nächster Paukenschlag: Frau Gehrer sagt, es werden keine Lehrer gekündigt! – Allein die Klassenvorstands- und Kustodiatsumstellungen betreffen in allen Schulen insgesamt 3 500 Lehrerposten. Natürlich werden sie nicht gekündigt, ihr Vertrag wird halt nur nicht verlängert, sie werden arbeitslos. Bei den Pflichtschulen kommt dann noch das Finanzausgleichspaket dazu. Sie haben zwar schon gesagt, das gehe Sie nichts an, Faktum ist aber, das sind auch für den Zeitraum des Finanzausgleichs 5 000 bis 7 000 Lehrerposten.

Ob all das noch aufgefangen werden kann, das schaue ich mir an! Das schneidet in die Qualität unseres Bildungssystems ein! Es wird dann keine ganztägige Schulform mehr geben, es wird keine integrativen Maßnahmen mehr geben, es werden die Kleinschulen geschlossen, die Lehrverpflichtung wahrscheinlich angehoben und auch die Schülerzahl erhöht werden.

Frau Bundesministerin! Ich habe mir das Interview, das Sie der "Kleinen Zeitung" gegeben haben, durchgelesen. Da wurden Sie gefragt, ob diese beiden Punkte, nämlich Lehrverpflichtung und Klassenschülerzahl, vom Tisch seien, und Sie sagten darauf "vorerst einmal" – also wird man darüber sicherlich wieder reden!

Sie behaupten immer wieder, es werde nichts gekürzt. Ich darf Ihnen ein ganz einfaches Beispiel einer zwölfklassigen Hauptschule nennen, nämlich die Hauptschule Schwertberg, also


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dort, wo ich herkomme. Diese Schule hat im heurigen Herbst, im Vorfeld dieser Maßnahmen, bereits Kürzungen in einem derartigen Ausmaß vornehmen müssen, dass es keine Sport-Neigungsgruppen mehr gibt – damit wurden zehn Stunden eingespart –, dass zweite und dritte Leistungsgruppe zusammengelegt wurden, in diesem Fall im Fach Mathematik – vier Stunden eingespart.

Die Pikanterie am Rande ist aber: Es wird ja immer gesagt, all das werde durch Pensionierungen aufgefangen. In dieser einen kleinen Schule wird es in den nächsten sieben Jahren keine Pensionierung mehr geben, weil alle, die es sich noch irgendwie haben richten können, schon in Pension sind!

Frau Ministerin, noch ein Letztes: Sie sagen, Sie setzen auf Dialog. – Wo war denn der Dialog mit den Gewerkschaften, als per Gesetz kaltblütig eingeführt wurde, dass eine Supplierstunde gratis zu halten ist? Eine Arbeitsstunde ist gratis zu halten! Wo gibt es das sonst noch?

Wo war dieser Dialog, als eingeführt wurde, die Überstundenzuschläge ganz einfach zu kürzen? Wo gibt es denn so etwas? Und das ohne sozialpartnerschaftliche Abklärung! Die kalte Erhöhung der Lehrverpflichtung durch die Klassenvorstands- und Kustodiatsregelung habe ich schon erwähnt.

Nun sind Sie enttäuscht, Frau Minister, weil die AHS-Lehrer nicht mehr mit Ihnen reden, sondern ganz einfach streiken wollen! In diesem Interview mit der "Kleinen Zeitung" und im "Mittagsjournal" sagen Sie klar und deutlich: Das Paket wird nicht mehr aufgeschnürt! – Ja was ist denn das für eine Meinung, für eine Haltung zum Dialog? (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gehrer. ) Sie reden nicht mit den Leuten, Sie teilen es nur mit. Sie sagen hier in diesem Interview dann: Aber jetzt müssen wir es den Leuten nahe bringen! Jetzt, nachdem es beschlossen ist!

Das ist keine Form des Dialogs, das ist meiner Meinung nach eine Verhöhnung der Lehrerinnen und Lehrer. Es erfolgt nun ein massiver Qualitätsabbau des österreichischen Bildungswesens, damit wir dann sagen können: Na, jetzt haben wir alles kaputtgespart, aber ein Nulldefizit ist uns gelungen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Schweitzer zu Wort gemeldet. – Bitte die Redezeit zu beachten!

12.32

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Mein Vorredner, Herr Kollege Gaßner, hat gemeint, der Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider, habe die Lehrer als "parasitäre Elemente" bezeichnet. – Das entspricht nicht der Wahrheit!

Er hat mit diesem Ausdruck, den ich selbst nicht verwenden würde, zwei dienstfrei gestellte Gewerkschafter in Kärnten gemeint (Ruf bei der SPÖ: Sind das keine Lehrer?), die sich – dienstfrei gestellt! – als Bezieher von Mehrfachgehältern insgesamt in etwa 150 000 S monatlich auf ihr Konto haben buchen lassen, was einer Jahresverdienstsumme von 2,1 Millionen Schilling entspricht.

Ich denke, das ist zu viel für dienstfrei gestellte Gewerkschafter. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Ich erteile ihm das Wort.

12.33

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kurz zu etwas Positivem – ich hoffe, dass auch die Opposition das mittragen kann –, nämlich zum Medizinstudium, das ja nun reformiert wird. Ich glaube, dass der Studierende, der


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den Arztberuf gewählt hat, schon in der Ausbildung zwar die Schiene der Wissenschaftlichkeit einschlagen können soll, vor allem aber den Patienten im Vordergrund stehend sehen sollte. Dies wird durch die neue Strukturierung des Studiums gewährleistet. Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Ministerin, recht herzlich bedanken, auch bei allen Beamten, vor allem bei den Professoren der Medizinischen Fakultät in Wien, die ein Curriculum erarbeitet haben, das das Medizinstudium wirklich zukunftsweisend umgestaltet.

In diesem Studium wird nun besonders auf den Patienten Rücksicht genommen, auf den Menschen, der sich in einem ungeheuren Ausnahmezustand befindet, der krank ist, der sich in einer ungewohnten Umgebung befindet, wenn er in das Krankenhaus kommt, der aus seinem alltäglichen Umfeld, der Familie, dem Arbeitsplatz, herausgerissen wurde, der Angst haben muss, dass er nicht wieder auf den Arbeitsplatz zurückkehren kann, der oft schematisiert wird, der auch heute manchmal noch eine Nummer im Krankenhaus ist – ich persönlich habe das vor kurzem so erlebt und werde es vielleicht am Samstag wieder erleben –, der zu wenig informiert wird, wartet, nicht wissend, was mit ihm jetzt wirklich geschieht, und sehr häufig nummernhaft abgestempelt ist.

Diese neue Studienordnung stellt den Patienten als Menschen in den Vordergrund. Auf dessen spezielle Bedürfnisse wird in der neuen Strukturierung des Medizinstudiums Rücksicht genommen. Ich hoffe, dass, wie es in Angriff genommen wurde, das Studium nun in zwölf Semestern absolviert werden kann. Es sind sehr viele Praktika vorgesehen, und zwar in kleinen Gruppen und patientennah. Am Schluss, vor der dritten Diplomprüfung, sind Pflichtfamulaturen von 24 Wochen eingeschaltet, das heißt, dass damit eine sehr patientenbezogene Ausbildung gewährleistet wird.

Es werden auch Wahlpflichtelemente eingeführt, die zu einer Vertiefung, zu einer wissenschaftlichen Vertiefung des Medizinstudiums führen sollen, mit denen die Grundzüge des wissenschaftlichen Arbeitens nahe gebracht werden und eine gute Vorbereitung für die Diplomarbeit geboten wird. Auch für zukünftige wissenschaftliche Tätigkeiten des Einzelnen wird so Vorsorge getroffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte jetzt als einen der medizinischen Wissenschaftszweige die Biotechnologie herausnehmen. Es muss in Zukunft eine spezielle Sensibilität für die Beurteilung der Biotechnologie in der Medizin vermittelt werden. Hohe wissenschaftliche und therapeutische Relevanz ist angesagt. Die Biotechnologie greift in die gesamte Medizin ein, führt naturgemäß weit über die Medizin hinaus und berührt fundamentale Fragen unseres Selbstverständnisses, unserer sozialen Verantwortung, der Gestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, der Sinnhaftigkeit von Wissenschaftlichkeit und technisch Machbarem.

Ich denke dabei etwa an die Embryonenforschung, an die Klonierung. In dieser Hinsicht sind wir gefordert, gerade wir Mediziner! Das daraus resultierende Konfliktpotential sollte auch mit Medizinstudenten besprochen, diskutiert werden, Lösungsansätze sollten gefunden werden, insbesondere im Hinblick auf die Frage, in welchem Umfang und in welcher Form mögliche Mehrheitsentscheidungen und gesetzgeberische Maßnahmen ärztliche Tätigkeiten beeinflussen sollen, müssen oder dürfen, auch wenn ethisch fundierte Lösungsansätze da besonders schwierig sind! – Ich selbst kann das immer wieder erleben.

Im neuen Curriculum der Wiener Fakultät fehlt aber die Ernährungswissenschaft und die psychosomatische Medizin als Lehrstuhl. Gerade Letzteres halte ich für ein ganz wichtiges Fach, in dem die Beziehungen zwischen Körper und Seele erforscht werden und auch gelehrt werden sollten, mit dem wir Ärzte im täglichen Leben oft konfrontiert sind. Wie Sie wissen, haben gerade Kreuz- und Gelenksschmerzen zu 70 bis 75 Prozent psychogene Ursachen. Daher fehlt mir gerade die Psychosomatik, und dies tut mir Leid. (Beifall bei der ÖVP und den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Als positiv zu bewerten ist das neue Prüfungssystem, das nun objektiver wird und einen Methodenmix beinhaltet. Die Ausbildung erfolgt jetzt, wie schon gesagt, personenbezogen, mit dem Patienten zusammen, es werden vor dem Patienten patientenorientierte Gespräche in


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Kleingruppen geführt. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Student dadurch mit der Unzulänglichkeit, mit Versäumnissen, mit Fehlern, auch mit Behinderung, mit dem Tod, mit dem Fehlerhaften unseres Daseins überhaupt, also nicht immer nur mit dem Machbaren, sondern auch mit wirklicher Behinderung und dem Kranksein, das das ganze Leben begleitet, konfrontiert wird und damit viel mehr Verständnis für das Kranksein und die seelische Situation während einer solchen Phase mitbekommt. (Beifall bei der ÖVP und den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben das nicht gelernt! Ich wünschte es. Wir haben auf Kosten der Patienten sehr viel Lehrgeld zahlen müssen. Ich wünsche den jetzigen Studenten, dass sie es nicht zahlen müssen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. Ich erteile ihm das Wort.

12.40

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte diese wirklich niveaulose und niedrige Rede des Kollegen Großruck nicht kommentieren, aber eines muss ich feststellen: Es hat mich eigentlich sehr verwundert, dass Ihr stoischer Klubobmann Khol plötzlich aufspringt und sich über dieses niedrige Niveau unheimlich freut. Das zeigt eindeutig die Tendenz der ÖVP, die Tendenz nach unten und die Tendenz zum Minimalismus. Das habe ich heute feststellen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Aufschlussreicher waren schon die Ausführungen vom Kollegen Amon. Wenn er heute die Zuverdienstgrenzen für die Studenten angesprochen hat, dann gibt er indirekt zu, dass die Mehrzahl der Studenten in Österreich auf eine Arbeit, auf den Zuverdienst angewiesen ist. Und sie werden in Zukunft noch mehr arbeiten müssen, weil sie die von Ihnen eingeführten Studiengebühren von 10 000 S auch noch dazuverdienen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Er hat dann darauf hingewiesen – und für mich ist das verwerflich –, es gebe ja auch einen Bildungskredit, einen Bildungsscheck. Ja was werden wir denn im Lehrerbereich vorfinden, Frau Minister? – Lehrerinnen und Lehrer, die mit ihrem Studium fertig sind, einen Haufen Schulden haben und sicherlich keine Anstellungsmöglichkeit vorfinden. Das sind Ihre Zukunftsvisionen! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin! Ich habe Sie eigentlich immer bewundert, wie Sie sich in vielen Fragen persönlicher Kritik, in Fragen der Kritik des Rechnungshofes vor die Lehrer gestellt haben. Sie haben sich auch vor die Lehrer gestellt, als der Finanzminister in Ihr Ressort eingegriffen hat und Sie letztlich auch Ihr Bundeskanzler offen gerügt hat. Doch in letzter Zeit, sehr verehrte Frau Ministerin, wirken Sie wie gelähmt, so, als ob Sie von einer Schlange gebissen worden wären, von einer Kobra vielleicht, ich weiß es nicht. Sie wiederholen monoton Ihre Stehsätze in den Zeitungen und auch heute wieder. Sie reden von der nicht vorhandenen Lehrerarbeitslosigkeit, Sie präsentieren Ihr Vorruhestandsmodell, Ihren Sozialplan, wissen aber, dass er nur sehr bedingt und sehr schwach greifen wird. Und Sie ignorieren die von den Experten errechneten Horrorzahlen der zu erwartenden Dienstfreisetzungen von Lehrern, die im Bereich von bis zu 10 000 Dienstposten liegen.

Meines Erachtens reagieren Sie auch mit Unverständnis und vor allem mit Häme auf die mit Recht angekündigten Kampfmaßnahmen der Lehrer, und Sie hoffen wie die Frau Vizekanzlerin und Ihre Parteikollegen ... (Abg. Mag. Schweitzer: Mit welchem Recht? Was ist die Begründung?) Ich sage dir die Begründung gleich. – Sie hoffen darauf wie Ihre Vizekanzlerin oder auch Ihr einfaches Parteimitglied aus Kärnten oder Sie von den Freiheitlichen, dass die Mehrzahl der Bevölkerung negativ auf diese Kampfmaßnahmen reagieren wird. Sie hoffen vor allem darauf, dass die Presse negativ darauf reagieren wird. (Abg. Mag. Schweitzer: Mit welchem Recht gibt es diese Kampfmaßnahmen?)


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Sehr verehrte Frau Ministerin! Lieber Karl Schweitzer! Neid habt ihr genug gesät. Freunde von der FPÖ! Neid habt ihr genug gesät. (Abg. Mag. Schweitzer: Mit welchem Recht?) Mit klaren Worten: "Privilegienritter", ja schärfer noch: die "Parasiten der Nation" – wir haben es gerade von dir selbst gehört –, die "Ferienkaiser", die "Halbtagsarbeiter". Das ist ein Auszug aus einer Schimpforgie der FPÖ-Abgeordneten hier im Haus. Und ich denke daran zurück, wie die Vizekanzlerin vor zwei Tagen einen Redner von der Ministerbank herunter hämisch korrigierte, weil er die Anzahl der freizusetzenden Beamten um 5 000 zu gering angegeben hat. Sie hat gesagt: Nein, nein, es sind noch um 5 000 mehr, die wir freisetzen werden. Sie hat sich gefreut darüber. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin! Viel Neid kommt auch aus Ihrem Ministerium. Und ich darf jetzt versuchen – Karl Schweitzer, vielleicht kannst du mir zuhören –, ein praktisches Beispiel hier anzuführen, damit Sie die Problematik wirklich sehen, ein Beispiel aus der Stadt Weiz. – Kollege Trinkl ist jetzt leider nicht da, er würde es kennen. – In Weiz gibt es eine Hauptschule mit 36 Klassen, unterschiedlichen Schwerpunkten, die ältesten Lehrer sind 50, die jüngsten sind zwischen 35 und 40 Jahre alt. Alle sind pragmatisiert oder haben einen I L-Vertrag.

Durch Ihre ersten Maßnahmen, Frau Minister, müssen drei Lehrer weg, da diese 60 Stunden fehlen. In Pension gehen, wie Sie es vorschlagen, können die 50-Jährigen sicherlich nicht. Es sind lauter Spezialisten: Einer trägt den EDV-Bereich, den Sie heute so hervorragend hingestellt haben, und ist der Motor für die Integration. Die Zweite macht die Ganztagsbetreuung und hat eine Familie mit zwei Kindern, die sie selbst versorgen muss, weil der Gatte den zweiten Bildungsweg beschreitet. Und der dritte Kollege ist ein Motor des musischen Bereiches. An die nächstgelegenen Dienstorte können sie nicht versetzt werden, denn dort herrscht dieselbe Situation.

Frau Ministerin! Was mache ich mit diesen Kollegen? Sie wissen es nicht; in den Zeitungen sagen Sie: Ich weiß es nicht. In dieser Ratlosigkeit habe ich an die Frau Landeshauptmann der Steiermark gedacht, die mir vor der Wahl einen Brief geschrieben hat, in dem sie bestätigt, dass diese Kolleginnen und Kollegen nicht gekündigt, nicht freigesetzt werden, sondern in die Bezirkspersonalreserve überwechseln können.

Liebe Frau Ministerin! Das Heer der ReservistInnen in der Bezirkspersonalreserve von Weiz lässt Sie grüßen. Sie werden arbeitslose Lehrerinnen und Lehrer sein, vielleicht mit einer Gehaltsgarantie, wie Sie es vorgeschlagen haben, aber dem Sparziel, das Ihnen der Finanzminister abverlangt hat, werden sie nicht dienen können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Ist die Schule auch für die Kinder da oder nur für die Lehrer?)

12.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wochesländer. – Bitte.

12.46

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Faul hat gerade einen Terminus verwendet, und zwar "Ferienkaiser". Ich kann wirklich sagen, es ist wahrscheinlich eine sehr, sehr weit verbreitete Meinung, dass man sagt: Lehrer wird man wegen der schönen langen Ferien, wegen der wenigen Arbeitszeit und weil man dann im höheren Dienstalter auch gut verdient. Das ist eine weit verbreitete Meinung, die ich Ihnen zwar demoskopisch nicht belegen kann, aber es ist wirklich Faktum, wie Sie feststellen können, wenn Sie sich so umhören. (Abg. Huber: Ihre Kollegen sagen das immer!)

Ich gehe nicht konform mit dieser Meinung, nein, ganz im Gegenteil. Es gibt sehr, sehr viele Lehrer, die ihren Beruf wirklich anständig und gut ausüben. Und ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass man Lehrer wird, weil man die Fähigkeit in sich spürt, Wissen zu vermitteln, weil man die Fähigkeit oder die Lust in sich spürt, junge Menschen zu begleiten, zu wertvollen Mitgliedern dieser Gesellschaft zu machen, und weil man diesen Beruf als etwas Schönes, etwas sehr Wichtiges sieht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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49. Sitzung / Seite 60

Aber, meine Damen und Herren, momentan komme ich mit meiner dieser Einschätzung ein bisschen ins Wanken, denn wenn ich mir den 5. Dezember ins Gedächtnis rufe und sehe, dass 20 000 AHS-Lehrer sofort bereit sind, in Warnstreik zu treten, dann, muss ich sagen, schaut das ein bisschen anders für mich aus. Ehrlich gestanden: Das Argument, dass man in Warnstreik tritt, um jungen Kollegen sozusagen die Beschäftigungslosigkeit zu ersparen, scheint mir schon etwas fadenscheinig zu sein. Ich selbst war einmal kurz Lehrerin und muss Ihnen sagen: Die Grabenkämpfe um die bessere Stundeneinteilung, um die besseren Abschlagsstunden und so weiter, ob die sehr solidarisch sind, das wage ich zu bezweifeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich gehe ehrlich gestanden vielmehr davon aus, dass die Neubewertung der Tätigkeiten der Klassenführung und Kustodiate diese Emotionen hat hochgehen lassen. Die geplante Stunde mehr in der Klasse müsste aber eigentlich für jeden guten Lehrer ein Geschenk sein, denn damit kommt er dem nahe, was er wirklich tun möchte, nämlich mit den Kindern zu arbeiten und nicht Verwaltungstätigkeiten auszuüben und Klassenbücher zu führen. Dazu kommt noch, dass die Lehrer jetzt für diese ausgelagerte Arbeit mit einer Pauschale extra honoriert werden. Und da kann dann auch Solidarität gezeigt werden, indem man als älterer Lehrer hergeht und sagt: Okay, das Kustodiat erhält der junge Lehrer, denn dadurch kann er mehr verdienen! – Darum geht es eigentlich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin ganz, ganz sicher: Diese Strukturmaßnahme ist ein Schritt hin zur Leistungsgleichstellung. Damit, sehr verehrte Frau Bundesminister, meine Damen und Herren, stehen wir hoffentlich auch am Beginn einer echten Dienstrechtsreform, die wir Freiheitlichen nicht nur als optimal erachten, sondern auch schon die längste Zeit fordern, nämlich hin zu einem leistungsorientierten Gehaltsschema, das zwischen Anfangs- und Endbezug eine relativ flache Kurve bildet, mit einer Funktionskomponente, die dafür sorgt, dass bestimmte Funktionen unabhängig vom Dienstalter abgegolten werden, und mit einer Leistungskomponente, die sicherstellt, dass – wiederum in Abkehr vom Dienstaltersprinzip – individuelle Leistungen abgegolten werden können.

Meine Damen und Herren! Die Schule von Morgen hat nur dann Zukunft, wenn sie sich zum Bildungsunternehmen entwickelt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Jawohl, sehr gut!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, im Speziellen Herr Abgeordneter Antoni und Herr Abgeordneter Brosz! Sie wurden von unserem Bildungssprecher Mag. Schweitzer schon anlässlich der Budgetrede zum Budget 2000 unseres Finanzministers dazu eingeladen, bei einer Bildungsoffensive mitzumachen. – Na viel habe ich davon nicht gemerkt, außer dass Sie querulieren.

Auf der anderen Seite ist die Verwirklichung der Bildungsoffensive etwas sehr Wichtiges. Aber was machen Sie eigentlich? Sie gehen her und verunsichern mit unrichtigen Darstellungen aufs Hinterhältigste Lehrer, Schüler und Eltern, und Sie reden nur von Grauslichkeiten und propagieren hetzerisch das Kaputtsparen des Bildungssystems.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): "Aufs Hinterhältigste", "hetzerisch" – das ist nicht notwendig!

Abgeordnete Jutta Wochesländer (fortsetzend): Entschuldigung!

Aber mit solchen Aktionen agieren Sie selbstverständlich kontraproduktiv und tragen dazu bei, dass Lehrer, die dieses Lehrer-Sein wirklich noch als eine Berufung empfinden, mehr als frustriert sind.

Meine Damen und Herren! Ich habe nichts gegen Methoden, dass man verhandelt und besonnen sagt: Das und das fordern wir! Aber mir ist zum Beispiel ein Forderungspapier der AKS, der "Aktion Kritische Schüler und Schülerinnen", in die Finger gekommen, und das ist in Ihrem Beisein entstanden, Herr Abgeordneter Brosz. Darin sind viele Details enthalten, die wirklich berechtigt sind, realisiert zu werden, aber es sind auch Forderungen enthalten,


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angesichts derer ich fragen muss: Wird den Jugendlichen auch gesagt, woher das nötige Geld dafür kommt? Wie kann ich das bezahlen? Wie kann ich das finanzieren?

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie verführen mit Ihren Parolen, mit Ihrer Panikmache, Ihren Falschinterpretationen – ich hoffe, ich kriege nicht wieder einen Ordnungsruf (Abg. Edlinger: Sie haben eh keinen gekriegt!)  –, mit Ihrer Gier auf Rückeroberung von Macht Lehrerinnen und Lehrer wie Schüler und Schülerinnen und Eltern zu Überreaktionen. Und das ist wirklich nicht notwendig. Argumentieren Sie anständig, dann wird es nicht diese Streiks geben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend mein Appell, meine Damen und Herren von der Opposition: Geben Sie der Jugend, den Lehrern und Lehrerinnen, der Bildung an und für sich, den Zukunftsanforderungen eine Chance! Hören Sie auf mit Ihren Boykottaufrufen und Hetzkampagnen, dann werden Lehrer und Lehrerinnen, Schüler und Schülerinnen dort wieder miteinander kreativ sein, wo sie zu Hause sind und sein sollen: in den Schulen und Bildungseinrichtungen – und nicht auf den Straßen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo!)

12.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

12.52

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte nach dem, was wir in den letzten Minuten gehört haben, wieder zu einer sachlichen, konstruktiven Oppositionswortmeldung zurückkommen. (Abg. Mag. Schweitzer: Diese Rede war aber sehr sachlich! – Abg. Edlinger: Daran sieht man, wie Ihnen die Sicht zur Objektivität verstellt ist, Herr Schweitzer! – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt macht Edlinger zur Bildung auch schon Zwischenrufe!)

Zum Thema Studiengebühren. Frau Bundesministerin! Sie haben im Zusammenhang mit der Einführung von Studiengebühren – nachdem Sie zuerst gesagt haben, Sie würden diese ablehnen, und sich dann nach nicht besonders großem Widerstand doch haben überzeugen lassen – sehr stolz von einem Tabubruch, den Sie hier vollziehen, gesprochen. Das stimmt, Sie vollziehen damit einen Tabubruch, nämlich indem Sie sich von einem Bildungssystem der Chancengerechtigkeit verabschieden und im Bildungssystem eine Hürde zum Zugang zu Wissen und Bildung einziehen.

Ich habe mich gefragt: Warum macht Sie dieser Tabubruch stolz? Warum sind Sie auf diesen Tabubruch stolz? – Sind Sie deshalb darauf stolz, weil Sie mit der Einführung von 10 000 S Studiengebühren einen Einstieg in dieses System schaffen und sich damit die Möglichkeit eröffnen, in den nächsten Jahren die Gebühren auch zu erhöhen? Jemand, der heute mit einem Studium beginnt, muss sich ja überlegen: Bleibt es bei diesen 10 000 S, oder werde ich dann mit noch mehr rechnen müssen? Oder sind Sie deshalb darauf stolz – und ich denke, dass hier der wahre Grund liegt –, weil Sie wissen, es ist der erste Schritt in Richtung eines Systemwechsels im Bildungssystem?

Es ist der erste Schritt in Richtung eines Systemwechsels, der darauf hinausläuft – und wir wissen ja, dass das bereits diskutiert wird, zwar nicht im Zusammenhang mit diesem Budget, aber als Vorstellung, wohin man das weiterentwickeln könnte –, dass auch Schulgeld eingeführt werden sollte, wie das Kollege Niederwieser heute schon angesprochen hat, und wir dann ein Bildungssystem haben, wonach möglicherweise nur mehr die Pflichtschule, also die Grundausbildung, allen frei zugänglich ist und all das, was auf dem aufbaut und darüber hinaus Chancen eröffnen könnte, nur mehr jenen zugänglich ist, die es sich leisten können. (Abg. Amon: Die Pflichtschule ist aber mehr als nur die Volksschule!)

Also wir haben es hier mit einem Tabubruch zu tun, einem Systemwechsel: weg von einem System der Chancengleichheit hin zu einem Bildungssystem für jene, die es sich noch leisten können.


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Aber die Kritik an den Studiengebühren ist ja nicht nur von Leuten gekommen, die das aus grundsätzlichen Überlegungen, aus grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Überlegungen ablehnen, weil sie sich Sorgen machen, sondern auch – und das finde ich ja besonders interessant – von Befürwortern von Studiengebühren, denn offensichtlich war es so, dass diese Studiengebühren sehr überfallsartig – das war das Urteil, das man überall lesen konnte – und unüberlegt eingeführt worden sind. Also ich glaube, diese Einführung war nicht nur bildungspolitisch falsch, sondern ist auch auf Basis eines stümperhaften Konzeptes erfolgt.

Was kritisieren Befürworter von Studiengebühren an Ihrem Konzept? – Zum einen, dass Sie Studiengebühren einführen, ohne parallel dazu Strukturreformen an den Hochschulen anzugehen. Was können Leute, die jetzt dafür zahlen müssen, dafür, dass sie nur deshalb so lange studieren, weil sie eben in vielen Bereichen an den Hochschulen nicht die entsprechenden Bedingungen vorfinden, um ihr Studium so zügig absolvieren zu können, wie sie das eigentlich wollen? Es gibt ja viele Studenten, die gerne schneller mit ihrem Studium fertig werden würden, lieber zügiger weiterkommen wollten, aber auf Plätze warten müssen, darauf, dass sie in die entsprechenden Veranstaltungen hineinkommen, die daher nicht die entsprechenden Bedingungen für ein zügiges Studium vorfinden, und diese Studenten müssen in Hinkunft "Strafe" zahlen für die Bedingungen, die sie vorfinden.

Der zweite Kritikpunkt war, dass Sie die Gebühren nicht für ein Leistungsangebot, das in Anspruch genommen wird, sondern für Zeit einführen. Jetzt habe ich schon gesagt, zum einen findet man die entsprechenden Bedingungen nicht immer vor. Da kommt aber noch etwas Wichtiges dazu, nämlich dass viele Studierende – wir wissen, das ist eine sehr große Zahl – neben ihrem Studium arbeiten, einerseits, um sich ihre Existenz zu verdienen – hinkünftig werden sie noch mehr arbeiten müssen –, und andererseits, was ja auch sehr wichtig ist, um Berufserfahrung zu sammeln und schon mit einem Bein im Berufsleben zu stehen. Das ist übrigens auch eine Empfehlung der OECD, dass die Studierenden schon neben der Ausbildung beruflich tätig sein sollten, was von ihr als zukunftsweisend bezeichnet wird. Und durch die Art, wie Sie diese Studiengebühren einführen, bestrafen Sie genau diese Leute, die diese zukunftsweisende Form der Kombination von Studium und Beruf vollziehen.

Der dritte Kritikpunkt bezog sich auf die Gestaltung Ihres Darlehensmodells. Sie haben sich dazu entschieden, die Studenten zu verschulden, was wir ablehnen. Es hätte auch grundsätzlich andere Modelle gegeben, die verträglicher und sinnvoller gewesen wären.

Der Effekt für das Budget ist nahezu null geworden, und man kann nur zu dem Schluss kommen, dass diese Maßnahme, noch dazu unter dem Titel "soziale Treffsicherheit", was ja besonders zynisch ist, aus rein ideologischen Gründen und nicht aus budgetären Gründen gesetzt wird, dass es ausschließlich darum geht, diesen von mir skizzierten Systemwechsel im Bildungsbereich einzuleiten. (Beifall bei der SPÖ.)

12.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Mag. Mikl-Leitner. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

12.59

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir den einen oder anderen Vorredner so anhöre, höre ich immer die Kritik, die Bundesregierung habe keine Visionen, es werde immer nur davon gesprochen, wie schlecht es den Lehrern gehe, ohne sich zu überlegen, welches Potential, welche Ressourcen in denjenigen liegen, die unsere Bildungsinstitute durchlaufen und in Anspruch nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte hier an dieser Stelle dokumentieren, dass wir, die regierenden Parteien, diejenigen sind, die tatsächlich Visionen haben, und dass diejenigen, die keine Visionen haben, nur die Opposition sind.


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Ich darf Ihnen diese Visionen auch anhand von niederösterreichischen Beispielen vorzeigen, an Beispielen der Fachhochschulen und der Donau-Universität in Krems.

Der Mehrwert für uns alle in den Fachhochschulen liegt darin, dass es eine enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis gibt und dass vor allem die Fachhochschulen eine immense arbeitsmarktpolitische und regionale Bedeutung erlangt haben. Wir wissen auch, dass internationale Firmen vor allem bei der Betriebsansiedelung darauf achten, wo das Bildungspotenzial liegt und wo das Ausbildungspotenzial. Das heißt, durch die Fachhochschulen kommt es zu einer Stärkung der Regionen, und deshalb wird es für uns auch weiterhin wichtig sein, dass es zu einer Dislozierung der Fachhochschul-Lehrgänge kommt, denn dadurch können wir die Benachteiligung der Region verbessern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf ein positives Beispiel aus Wiener Neustadt aufzeigen, das dafür steht, dass ein Fachhochschul-Standort Betriebsansiedelungen nach sich zieht. In Wiener Neustadt gibt es nicht nur eine Fachhochschule, sondern auch das regionale Innovationszentrum, und vor allem durch diese Verbindung von Fachhochschule und regionalem Innovationszentrum ist es uns gelungen, ein herzeigbares Technologiezentrum zu schaffen. Vor allem die Niederösterreicher wissen, dass wir die zweite Ausbauphase in Wiener Neustadt erst vor kurzem abgeschlossen haben. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Wir dürfen mit Stolz darauf verweisen, dass in diesem Technologiezentrum Forschungsprojekte von Seibersdorf, von der TU-Wien beheimatet sind, dass sich dort Unternehmungen aus der Software-Branche befinden, dass sich dort das Zentrum für Elektrochemie, echem, befindet, ebenso zahlreiche namhafte Firmen wie etwa die Firma Siemens. Allein an diesem Beispiel erkennt man, dass Bildung und Forschung einfach der beste Nährboden für zukunftsträchtige Arbeitsplätze sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dies wird uns aber nicht nur bestätigt am Fallbeispiel von Wiener Neustadt, sondern auch durch zahlreiche internationale Studien, aus denen klar hervorgeht, dass durch die Fachhochschulen die Abwanderungstendenzen verringert beziehungsweise verhindert werden und es zu einer immensen Stärkung des ländlichen Raumes kommt.

Ich darf noch ganz kurz auf die regionalen Innovationszentren eingehen. Wir können – Gott sei Dank! – in Niederösterreich auf ein flächendeckendes Netz verweisen. Vor allem hervorzustreichen ist, dass 90 Prozent der modernen, der innovativen Unternehmensgründungen langfristig Bestand haben und dass es uns durch diese innovativen Unternehmungen auch möglich ist, zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen und sicherzustellen. Und das, meine geschätzten Damen und Herren, ist für mich aktive, moderne Standortpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist eine Standortpolitik, die auf drei Säulen fußt: auf der Wirtschaft, auf der Forschung und auf der Bildung. Das ist unsere Standortpolitik, das ist die Standortpolitik der Bundesregierung. Ich darf Ihnen auch Ihre Standortpolitik noch einmal vor Augen führen: "Konsum", Verstaatlichte – daran ist im wahrsten Sinne des Wortes die wirtschaftliche Inkompetenz der SPÖ zu sehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Faul: Ihre Rede hat so einen langen Bart!)

Ich komme kurz zurück zu den Fachhochschulen. Wir werden auch weiterhin den Ausbau der Fachhochschulen forcieren. Das zeigt sich allein schon am Budgetvoranschlag. Wir haben das Budget diesbezüglich um 250 Millionen Schilling aufgestockt, das heißt von 855 Millionen auf 1,1 Milliarden Schilling. Allein das unterstreicht die wesentliche Bedeutung dieser Bildungsschiene.

Als zweites positives Beispiel sei die Donau-Universität in Krems angeführt. Das ist ein staatliches Weiterbildungsinstitut, eine staatliche Weiterbildungsuniversität mit privatwirtschaftlicher Führung, das vor kurzem sein fünfjähriges Bestandsjubiläum feiern konnte und – worüber wir uns glücklich schätzen können – für deren Absolventen große Nachfrage besteht. Gerade am Beispiel der Donau-Universität sieht man, dass neben den Mitteln aus dem Bundesbudget auch gewaltige Summen von Landesmitteln einfließen. Die Donau-Universität in Krems wird ausge


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baut, und das Land Niederösterreich hat es übernommen, für diesen Ausbau 495 Millionen Schilling bereitzustellen. Wir tun das wohl überlegt und auch sehr gerne, weil wir uns dessen bewusst sind, dass Wissen für uns Vorsprung bedeutet, dass Wissen für uns Kompetenz bedeutet und dass Wissen letztendlich für uns und vor allem für die Jugend Zukunft bedeutet und die besten Zinsen trägt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wichtig vor allem, und das merkt man auch am Beispiel der Donau-Universität, ist die internationale Verknüpfung. Es gibt an der Donau-Universität 600 Vortragende aus 31 Ländern. Daran zeigt sich, dass diese Internationalität für uns einfach eine Selbstverständlichkeit ist.

Diese Beispiele, die ich jetzt vorgebracht habe, sollen einfach nur zeigen, dass mit diesen Bildungseinrichtungen die Wissenschaft, die Forschung und der Arbeitsmarkt gefördert werden. Ich möchte unserer Frau Ministerin herzlich gratulieren. Sie hat trotz verschärfter Bedingungen einen sehr guten Budgetansatz vorgelegt, und sie hat das auch mit großer Sensibilität getan. – Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.06

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Abgeordnete Mikl-Leitner hat soeben in ihrer Rede eine ganze Reihe von tatsächlichen Unrichtigkeiten von sich gegeben, ich möchte nur auf Folgende verweisen:

Sie hat unter anderem gesagt, dass der SPÖ jedwede Vision und Konzepte für eine entsprechende Bildungs- und Forschungspolitik abgingen, hingegen Ihnen, der Bundesregierung, der heutigen Mehrheit, diese Konzepte eigen seien, und hat das mit Beispielen belegt, beispielsweise mit der Fachhochschule und der Donau-Universität Krems und der Fachhochschule und dem Technologiezentrum Wiener Neustadt.

Frau Abgeordnete! Sie wissen, dass diese Tatsachenbehauptungen falsch sind. Sie wissen auch, dass die meisten der Entscheidungen, von denen Sie hier gesprochen haben, in jener Zeit getroffen worden sind, in der ich Bundesminister für Wissenschaft und Forschung war (Beifall bei der SPÖ), und dass das reine Polemik und keine Tatsachen waren. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

13.08

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auf Grund des Universitäts-Studiengesetzes werden neue Studienordnungen installiert. Für die zukünftige medizinische Versorgung der Bevölkerung ist die Neuordnung des Medizinstudiums wichtig. Sie, Frau Bundesministerin, sahen Lateinkenntnisse für das Studium als Voraussetzung an. Jetzt liegt das Schwergewicht auf den Fähigkeiten für den künftigen Beruf.

Die Umgestaltung des Studiums beruht auch auf ausländischen Erfahrungen. Das Studium soll künftig nicht nach den traditionellen medizinischen Fächern mit der sehr theoretischen Einführung der Vorklinik erfolgen, sondern praxisorientiertes Lernen und Studieren sowie Kleingruppenunterricht sind angesagt, um den Menschen als Ganzes nicht aus den Augen zu verlieren.

Dieses "Medizinstudium neu" wurde letzte Woche von der Wiener Medizinischen Fakultät vorgestellt, wird aber mehr Geldmittel erfordern. Die bessere Ausbildung und im Durchschnitt kürzere Studiendauer, da in Zukunft ja Studiengebühren die StudentInnen belasten, sind besonders wichtig. StudentInnen haben Probleme, Übungsplätze zu ergattern. Zu wenig Plätze bei den meisten Studien und dadurch Zeitverzögerung haben den Verlust der Familienbeihilfe zur Folge.

Die Erklärungen der Kollegen Amon und Graf über zügiges Studium sind bemerkenswert. Nach ihren biographischen Daten waren die akademischen Karrieren beider nicht so zügig. Kollege


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Amon hat Realgymnasium, Handelsakademie/Handelsschule – vielleicht wurde die Privatuniversität ohne Matura besucht. Kollege Graf war auch erst mit 27 Jahren Magister, also auch eine relativ lange Studiendauer. (Abg. Dr. Martin Graf: Ich war Werkstudent!) Stipendien auf Grund ihrer Leistung hätten beide nicht erhalten. (Abg. Dr. Martin Graf: Ich habe gearbeitet!) Auch Kollege Großruck, der immer so kritisch ist, hat zehn Jahre Mittelschule und ein abgebrochenes Medizinstudium vorzuweisen. Er hat sich aber sein jugendliches Gemüt erhalten, wie man an der Stellung des Mikrophons sieht, mit dem er da so manipuliert. (Beifall bei der SPÖ.)

Die bundesseitige Finanzierung der Universitätskliniken erfolgt leider nicht entsprechend. Neben Forschung und Lehre werden dort aber die PatientInnen auch noch optimal versorgt.

Der Bund ist Träger des Lehr- und Forschungsbetriebes der Universitätskliniken, des klinischen Mehraufwands. Klagen der Stadt Wien beweisen, dass der Bund seinen Verpflichtungen bei Österreichs Klinikum, dem AKH, nicht nachkommt. Die Budgetsanierung der Regierung darf nicht auf dem Rücken Kranker und unserer wissenschaftlichen Reputation betrieben werden. Im AKH Wien werden die meisten ÄrztInnen und StudentInnen ausgebildet, der wissenschaftliche Output wies einen mehr als doppelt so hohen Impakt-Faktor als für Graz und Innsbruck zusammen auf. Ich fordere eine rasche Einigung mit entsprechenden Geldmitteln.

Die ÄrztInnen des AKH arbeiten durchschnittlich 72 Stunden pro Woche. – Wann wird endlich das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz entsprechend einzuhalten sein?

Wem die Gesundheit am Herzen liegt, verfolgt mit Bangen die BSE-Entwicklung und wünscht rasch die Erforschung. Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und GenossInnen betreffend Forcierung der Forschungsanstrengungen zum Schutz und zur Sicherheit der Verbraucher im Zusammenhang mit der gefährlichen Ausbreitung von CJK sowie BSE

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, rasch ein Schwerpunktforschungsprogramm betreffend Creutzfeldt-Jakob-Krankheiten beziehungsweise BSE-Ausbreitung in die Wege zu leiten, die dafür notwendigen Sach- und Budgetmittel zur Verfügung zu stellen und darüber dem Wissenschaftsausschuss bis spätestens 14. Dezember 2000 schriftlich zu berichten.

*****

Die Biowissenschaften zählen zu den Schlüsselforschungs- und Technologiebereichen des 21. Jahrhunderts. Große Hoffnungen und Erwartungen werden in sie gesetzt.

"Alles schläft", meint Christoph Zielinski, ein innovativer Forscher und Anwender neuer Methoden wie zum Beispiel der Krebsimpfung in einem "Standard"-Gespräch über die österreichische Wissenschaftspolitik "bezüglich einer befriedigenden Infrastruktur, die das Entstehen neuer Biotech-Unternehmen erleichtern könnte".

Zielinski meint, "dass am AKH medizinisches Silicon Valley entstehen könnte, aber ich habe den Eindruck, dass das von den maßgebenden Stellen niemand versteht".

Österreichs Biowissenschafter sind sehr engagiert, erhalten jedoch im internationalen Vergleich zu geringe Forschungsförderung. Die Regierungserklärung verweist auf den besonderen Forschungsschwerpunkt Biowissenschaft, Förderungsmaßnahmen gibt es kaum.

Ausländische Konzerne verdienen Unsummen mit biotechnisch produzierten Medikamenten, für unser Gesundheitswesen sind sie fast unerschwinglich. Um international an vorderer Front mitzumischen, sind entsprechende Mittel nötig. Wir investieren im internationalen Vergleich zu wenig.


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Frau Bundesministerin! Trennen Sie sich von den unsozialen Studiengebühren, die Begabte vom Studium ausschließen, hungern Sie das AKH nicht aus, jeder von uns kann es benötigen, unterstützen Sie das "Medizinstudium neu" und bedenken Sie, dass die Biowissenschaften zu den wichtigsten Zukunftshoffnungen zählen!

Wir SozialdemokratInnen wollen Österreich an vorderster Front und nicht als Schlusslicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Aber bei der Budgetverschuldung haben Sie uns zum Schlusslicht gemacht!)

13.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in einem sachlichen Zusammenhang und daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sevignani. – Bitte.

13.13

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Bildung und Jugend sind der Rohstoff, aus dem unsere Zukunft gemacht wird. Dazu müssen nicht nur die Ressourcen im Bildungsressort bestmöglich verteilt werden, es braucht auch strukturelle Veränderungen. Wir brauchen moderne Verwaltungs- und Strukturreformen, eine stärkere Flexibilisierung der Dienstzeiten, Durchrechnungszeiträume für Mehrdienstleistungen und die Einkehr eines stärkeren Leistungsprinzips, das auch nachvollziehbar und kontrollierbar ist.

Als Lehrer an einer Höheren Bundeslehranstalt habe ich für die Maßnahmen der Regierung im Bildungs- und Schulbereich völliges Verständnis, nicht jedoch für den angekündigten Streik der AHS-Lehrerkolleginnen und -kollegen. – Ein Lob an dieser Stelle sei ausgesprochen den Pflichtschullehrern und den vielen anderen Lehrern, die sich nicht an den Kampfmaßnahmen der Gewerkschaft beteiligen, sondern am Verhandlungstisch ihre Befürchtungen zur Sprache bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass das Ausgabenvolumen von 77 Milliarden 419 Millionen Schilling im Kapitel Bildung und Kultur gut und zielorientiert eingesetzt wird. Es ist ein Zeichen von Effizienz, dass die Personalausgaben gegenüber dem laufenden Jahr um 31,6 Millionen Schilling gesenkt werden können. Beim wesentlichen Posten der Sachausgaben verfügen wir sogar über eine Steigerung von 1 Milliarde 335 Millionen. Unser Ziel ist ein modernes und zukunftsorientiertes Schul- und Bildungssystem für Österreich.

Von der SPÖ gibt es keine ernst zu nehmenden Anregungen, weder dazu, wie der Sozialstaat finanziert werden soll, noch dazu, wie die Schulden abgebaut werden sollen, wie die Pensionen zu erhalten sind, und schon gar nicht dazu, wie die Zukunft unserer Jugend und die Bildungschancen gesichert werden sollen. Die SPÖ hat weder eine Vision noch ein Reformprogramm für die Zukunft des Landes und der Menschen. – Das Einzige, was Sie an Konzepten haben, sind Kampfmaßnahmen und die Straße! (Abg. Edlinger: Ist der Posch eigentlich nicht Ihr Freund?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Lehrer-Schüler-Verhältnis in Österreich ist wesentlich günstiger als im OECD-Durchschnitt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Im OECD-Schnitt kommt ein Lehrer auf 17,9 Schüler, in Österreich beträgt das Verhältnis 1 : 11,8. Und ausgerechnet im Bereich der AHS, wo Streik angedroht wird, haben wir ein noch krasseres Verhältnis. In der AHS-Unterstufe kommen in Österreich auf einen Lehrer 9,3 Schüler, im OECD-Durchschnitt sind es 15,5 Schüler. In der AHS-Oberstufe werden in Österreich 9,7 Schüler von einem Lehrer betreut, in der OECD 15,1.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Diese Zahlen zwingen uns, über die Verwaltungsstrukturen und die Abgeltung von Verwaltungstätigkeiten der Lehrer nachzudenken. Die Arbeitszeit-Studie hat gezeigt, dass Lehrer nur 37 bis 35 Prozent ihrer Gesamtarbeitszeit in der Klasse stehen. In Österreich steht ein Lehrer pro Jahr 616 Stunden in der Klasse, in Deutschland 788 Stunden und im OECD-Schnitt 642 Stunden.


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Dazu ist eine Neuregelung bei Kustodiaten und Ordinariaten längst überfällig. Klassenabschlagsstunde oder -vorstandsstunde, Kustodiate und Ordinariate werden in Zukunft unabhängig von Dienstalter und Gehaltsstufe in Pauschalbeträgen abgegolten werden. Ich vertrete die Auffassung: Lehrer ist kein Beruf, Lehrer soll Berufung sein! Die Lehrer müssen wieder verstärkt ihrer eigentlichen Aufgabe, dem Unterricht in der Klasse mit den Schülern, mit den Jugendlichen, nachkommen können. Niemand braucht vor den Maßnahmen Angst zu haben. Mehrleistungen werden abgegolten, und es kommt zu keinen Kündigungen. Andere Behauptungen sind unwahr!

Die Frau Bundesministerin Gehrer sagte es schon: Durch Pensionierungen, Abbau von Überstunden und durch Sozialpläne wie das Vorruhestands-Modell werden Härtefälle vermieden. Die Lehrer verlieren durch die Neuregelung nichts, weil die Zusatzleistungen in Pauschalbeträgen abgegolten werden. Klassenvorstände: 20 000 S im Jahr, Kustodiate: 16 000 S im Jahr.

Wir sind auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem. Ich bin sicher, dass nach dem 5. Dezember, nach diesen Streikmaßnahmen, auch bei den AHS-Lehrern wieder die Vernunft einkehrt, denn sämtliche Maßnahmen wurden mit der Gewerkschaft verhandelt.

Unser Ziel, meine Damen und Herren, ist ein modernes und zukunftsorientiertes Bildungssystem für Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

13.19

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministra! Hohes Haus! Das Grundstudium ohne Gebühren ist mir ein Anliegen – das haben Sie, Frau Minister, im Frühjahr dieses Jahres gesagt. Da jetzt in Österreich das Nulldefizit ausgerufen wurde, hat man auch Sie dazu genötigt, der Einführung von Studiengebühren zuzustimmen, wobei Sie in die Entscheidung des Bundeskanzlers und des Finanzministers wahrscheinlich ebenso wenig eingebunden waren, wie sich die Rektoren darüber beschweren, dass sie in Ihre Entscheidung nicht eingebunden worden seien.

Angeblich verkürzen Studiengebühren die Studiendauer: Jetzt schon arbeiten rund zwei Drittel aller Studierenden neben dem Studium, und in Zukunft werden sie noch mehr arbeiten müssen, was die Studiendauer verlängern wird. Angeblich wird das Leistungsangebot der Universitäten verbessert, angeblich geht es um mehr Qualität durch Studiengebühren. – In Wirklichkeit wird der Großteil davon für das Stopfen von Budgetlöchern verwendet. (Beifall bei der SPÖ.)

Angeblich erhöhen Studiengebühren die soziale Treffsicherheit: Jetzt schon sind die Stipendien völlig ungerecht verteilt, und durch die Studiengebühren wird sich dieser Effekt noch verstärken. Angeblich soll die Leistung der Studierenden steigen. – Wahr ist vielmehr, dass die Akademikerquote in Österreich ohnehin nicht hoch ist und wir im untersten Drittel der EU-Länder liegen, wobei völlig klar ist, dass Studiengebühren diese Situation noch verschärfen werden, weil nach allen Regeln des Marktes nämlich dann, wenn ein Gut teurer wird, die Nachfrage sinkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das ist von Ihnen ohnedies gewollt. Es geht Ihnen um einen sozialen Numerus clausus. Alle Maßnahmen im Bereich der Studienbeihilfe können das nicht ausgleichen, weil die Bezieher von Studienbeihilfen nur einen kleinen Teil der Studierenden insgesamt ausmachen und andererseits Eltern mit einem, zwei, manchmal drei Kindern besonders stark von dieser Maßnahme betroffen sind. Wenn man die Mehrkosten rechnet, die sich im Vollzugsbereich des Studienförderungsgesetzes ergeben, wird der budgetäre Effekt gering sein. Dafür haben Sie es sich mit allen StudentInnen verscherzt, sogar mit jenen Ihrer eigenen Fraktion. Studierende, die finanziell nicht gut ausgestattet sind, werden in Zukunft eben jährlich um 10 000 S mehr arbeiten müssen. Um 10 000 S mehr Arbeit für einen Studenten oder Studierenden heißt drei bis vier Wochen Vollarbeitszeit. Dass diese Zeit letztlich als Lernzeit fehlt, versteht sich von selbst. Daher verkürzen Studiengebühren nicht die Studiendauer, sondern sie verlängern sie.


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Dass Sie Studiengebühren auch dadurch abfedern wollen, dass Sie ein Darlehensmodell in Aussicht stellen und darüber Verhandlungen mit den Banken führen wollen, schlägt dem Fass den Boden aus. Nämlich auf der einen Seite vom Nulldefizit zu reden, dass man sparen müsse, nicht weiter Schulden machen dürfe, und dafür einer einkommensschwachen Bevölkerungsgruppe zuzumuten, sich zu verschulden, was man für sich selbst und den Staat ablehnt, ist blanker Zynismus. (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr als die Hälfte der Eltern von Studierenden hat ein Einkommen von unter 30 000 S netto pro Monat. Fast ein Drittel der Studierenden kommt aus Familien mit netto weniger als 20 000 S pro Monat. Für diese Studierenden haben die Studiengebühren genau jenen Abschreckungseffekt, den Sie sich wünschen. Das ist Ihre soziale Treffsicherheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wie haben Sie, Frau Ministerin, am 1. März 2000 gesagt: Es ist nicht mein Anliegen, Studiengebühren für eine Grundausbildung einzuführen. Ich meine, es ist die Aufgabe des Steuerzahlers, die Bildungsangebote in Österreich von der Volksschule bis zu einem Doktorat zu bezahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Regierung ist in Wahrheit mit dem Rasenmäher über das Budget drübergefahren, um sich in jedem Ressort ein paar Kosten zu ersparen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Steuerungseffekte Studiengebühren haben. Weder haben Sie auf die ökonomische Situation abgestimmt, noch haben Sie die unterschiedliche Betreuungssituation in den einzelnen Studienrichtungen berücksichtigt, noch haben Sie die tatsächlichen Kosten eines Studienplatzes evaluiert, noch gibt es Lenkungseffekte für die Universitäten, noch gibt es Anreizsysteme für die Studierenden, noch haben Sie auf die soziale Chancengleichheit Rücksicht genommen. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist alles bedacht worden! – Abg. Edlinger: Dann ist es noch ärger!)

Das ist überhaupt nicht bedacht worden, und daher, Frau Ministerin, glaube ich, dass es besser wäre, wenn Sie einen geordneten Rückzug antreten würden, so wie das die Regierung schon beim Arbeitslosengeld getan hat beziehungsweise bei der Sperrfrist, als Sie angesichts der Konfrontation mit der Realität gemerkt haben, wie realitätsfern und unsozial Ihre Vorschläge in Wahrheit waren. – So viel vielleicht noch einmal dazu.

Ein Wort sei mir noch gestattet, weil Herr Abgeordneter Schweitzer hier in einer tatsächlichen Berichtigung auf jenen Ausspruch seines Parteivorsitzenden von den "parasitären Elementen" Bezug genommen hat und relativierend gemeint hat, Herr Landeshauptmann Haider habe den Ausspruch von den "parasitären Elementen" nicht auf die Lehrer bezogen, sondern er habe Lehrervertreter, konkret zwei Kärntner Lehrervertreter, gemeint, die in Kärnten angeblich 150 000 S verdienen.

Wahr ist, dass Herr Landeshauptmann Haider am 28. Juni 2000 gesagt hat: Parasitäre Elemente müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Fasching vorbei ist. – Jetzt möchte ich diese Nazi-Sprache gar nicht näher kommentieren und nicht näher beurteilen. Nach meinem Dafürhalten macht es keinen Unterschied (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  – das wiederhole ich gerne und jederzeit –, ob damit Lehrer oder Lehrervertreter gemeint sind. Abgeordneter Schweitzer ist zwar jetzt nicht da, aber ich sage es ihm trotzdem – über das Protokoll –, weil es interessant ist, zu wissen und zu erfragen: Bei welcher Einkommensgrenze beginnt beziehungsweise hört für Herrn Abgeordneten Schweitzer der Mensch auf und wo fängt der Parasit an? – Das ist die entscheidende Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist die entscheidende Frage der Freiheitlichen in Bezug auf die Privilegiendiskussion: Bei welchem Einkommen fängt das Parasitentum an? – Sie brauchen nicht nervös zu werden, Sie auf der rechten Reichshälfte. Das möchte ich Ihnen noch gesagt haben. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Herr Abgeordneter Khol ist auch nicht im Haus, aber Sie werden es ihm ausrichten. (Abg. Schwarzenberger: Im Haus ist er schon!) – Er kann nicht immer da sein, ich verstehe das. (Abg. Achatz: Herr Gusenbauer ist auch nicht im Haus! Wo ist Gusenbauer?) Ich finde das in Ordnung. Er kann nicht immer dasitzen. Sie regen sich völlig künstlich auf. (Weitere Zwischen


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rufe bei den Freiheitlichen.) Ich verstehe, dass ein Klubobmann nicht immer hier sein kann. Das ist völlig in Ordnung. (Abg. Achatz: Aha! Jetzt auf einmal! – Abg. Haller: Aha!)

Dem Abgeordneten Khol sei noch im Hinblick auf die gestrige Debatte gesagt: Er hat sich homerisch lachend, nämlich wirklich homerisch lachend, über Abgeordneten Schwemlein amüsiert, als er einen Entschließungsantrag aus Anlass der Kaprun-Tragödie eingebracht hat und dann bei der Abstimmung nicht da war. Das ist der Punkt. Abgeordneter Schwemlein war bei der Abstimmung nicht da, weil er krank war, zum Arzt musste und nur wegen der Einbringung des Antrages hereingegangen ist. Daher war er bei der Abstimmung selbst nicht anwesend. (Abg. Schwarzenberger: Das kann ja Khol nicht wissen! Das kann ja Khol nicht wissen!)

Deshalb sollte man dem Abgeordneten Khol sagen, bevor er so etwas sagt, möge er Acht geben, es gibt nämlich feine Unterschiede, ob man so wie Abgeordneter Schwemlein krank ist – er hat es dem Abgeordneten Puttinger gesagt – oder ob man wie Abgeordneter Westenthaler zu einem Fußballmatch geht. Das ist ein feiner Unterschied. Zweitens geht Abgeordneter Westenthaler auch niemandem ab. (Beifall bei der SPÖ.)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Amon zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Abgeordneter Posch hat im Zusammenhang mit der Einführung von Studiengebühren gesagt, dass nach allen Regeln des Marktes die Nachfrage eines Gutes sinkt, wenn der Preis steigt. Das haben Sie gesagt.

Zum Ersten ist die Frage zu stellen, ob es sich um einen Markt handelt. Faktum ist aber, dass, wenn es sich um einen Markt handelt, wir einen Monopolanbieter beziehungsweise ein Oligopol haben und daher die von Ihnen aufgestellte Regelung nicht stimmt, wie auch die derzeitigen Inskriptionszahlen beweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

13.28

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn ich heute zum Kapitel "Bildung" spreche, würde ich gerne über die Vielfalt des österreichischen Bildungswesens sprechen, über die Chancen und Neuerungen, die von ÖVP-Ministern eingeführt wurden und die sich sehr bewährt haben, wie beispielsweise die Fachhochschulen.

Aber zurzeit kommt man beim Thema "Bildung" anscheinend über eine Sache nicht hinweg, und das sind die Studiengebühren. Es spielt dabei keine Rolle, dass diese Studiengebühren in den 15 EU-Ländern eher die Regel als die Ausnahme sind, und es spielt anscheinend auch überhaupt keine Rolle, dass diese Länder mehrheitlich von Sozialdemokraten regiert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Nur in Österreich muss Bildung laut Rot und Grün unentgeltlich bleiben. Geschätzte Damen und Herren! Wir sollten uns endlich einmal davon verabschieden, dass Bildung gratis ist. Es muss uns klar werden, dass immer irgendjemand für die Ausbildung zahlen muss, und ein Student kostet in Österreich immerhin über 100 000 S pro Jahr.

Leider sind nicht alle Studenten erfolgreich, und daher ist auch die Drop-out-Quote relativ hoch. Es ist daher notwendig, das österreichische System an das anderer Staaten heranzuführen. Eine Maßnahme wird eben sein, dass wir ab dem Wintersemester 2001 pro Monat rund 800 S Studiengebühren einheben werden, wie das die meisten EU-Staaten und beispielsweise so soziale Länder wie Frankreich oder aber auch Holland tun.


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Ich sehe nicht ein, dass eine allein erziehende Mutter in dem ach so sozialen Wien beziehungsweise sozialdemokratischen Wien mindestens – die Betonung liegt auf mindestens!  – 1 200 S Kindergartengebühren bezahlen muss, und 800 S Studiengebühren im Monat sollen dagegen unvorstellbar sein. Ich glaube, Sie gehen hier sehr an der Realität vorbei! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben aber auch für soziale Symmetrie gesorgt: Damit diese Gebühren niemanden vom Studium ausschließen, gibt es ein Bündel an sozialen Maßnahmen. Das wissen Sie, und trotzdem behaupten Sie draußen und hier herinnen permanent das Gegenteil! Wir erhöhen die Studienbeihilfe immerhin um 10 000 S pro Jahr, somit erhalten die Studenten, die eine Unterstützung benötigen, die Studiengebühren zurück. Der Kreis derer, die ein Stipendium erhalten, wird erweitert. So werden zum Beispiel Kinder aus Mittelstandsfamilien erstmals Anspruch auf Studienbeihilfe haben. Das kann man nicht oft genug betonen. Insgesamt stocken wir diese Studienbeihilfe im Budget 2001 um fast eine halbe Milliarde Schilling auf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auch die Zuverdienstgrenze für Studierende wird auf 100 000 S pro Jahr erhöht. Sehr viele Studenten arbeiten gerne neben ihrem Studium, weil sie danach eine wesentlich größere Chance haben, sofort in ihren Beruf einzusteigen. Nicht zu vergessen ist: Die Familienbeihilfe bleibt erhalten und wird nicht abgeschafft, so wie das die Sozialisten bei den Koalitionsverhandlungen (Abg. Schwarzenberger: Verlangt haben!) verlangt haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesem Maßnahmenbündel geben wir, wie gesagt, ab 2001 rund 400 Millionen Schilling zusätzlich aus. Das heißt auch, dass jede zweite Studentin beziehungsweise jeder zweite Student vom Staat unterstützt wird. Dafür bleibt der freie Zugang zu den Universitäten aufrecht, was in allen anderen Staaten auch keine Selbstverständlichkeit ist.

Geschätzte Damen und Herren! Man darf natürlich auch nicht vergessen, was mit diesen Studiengebühren geschieht. Wir haben sie nicht aus Jux und Tollerei beschlossen, sondern deshalb, weil wir dringend in die Universitäten investieren müssen. Zu Recht beklagen sich sehr viele Beteiligte, dass die Situation in manchen Bereichen unerträglich ist. Auch bei den Professoren und beim Lehrpersonal wird sich einiges ändern, wie zum Beispiel ein neues Dienstrecht zur effizienteren Gestaltung des Lehrbetriebes. Auch hier wird durch die Studiengebühren viel in Bewegung kommen, denn wenn vieles nicht mehr gratis ist, dann wird auch weniger umsonst sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

13.33

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich habe mich im Zusammenhang mit den Studiengebühren, aber insbesondere mit den Feststellungen von Vertretern der beiden Regierungsparteien noch einmal zu Wort gemeldet. Es wird abgefedert. Es gibt ein Bündel sozialer Maßnahmen, und es wird alles nicht so schlimm werden. Ich möchte zwei ganz speziell betroffene Gruppen ansprechen und meine, wenn Sie abfedern und ein Bündel von Maßnahmen gesetzt haben, sollte man das auch noch auf diese Gruppen ausdehnen.

Von diesen 10 000 S pro Studienjahr besonders betroffen sind natürlich – es hat schon Vorredner gegeben, die das angesprochen haben – die wenig verdienenden Berufstätigen, die allein erziehenden StudentInnen und die selbsterhaltenden StudentInnen, die jetzt zu dieser Studiengebühr verhalten werden. Wir alle wissen, dass die Zahl der berufstätigen Studierenden österreichweit über 50 Prozent liegt.

Sie werden mir auch alle zugestehen, dass die Realität des Studiums bei dieser Gruppe anders aussieht. Sie können nur weniger inskribieren, weniger Angebote seitens der Universität annehmen. Sie brauchen länger, und sie werden, wenn keine besondere Maßnahme für sie gesetzt wird, wesentlich mehr zur Kasse gebeten als andere. Sie studieren in der Regel acht, neun oder zehn Jahre. Ich glaube, es wäre falsch, Leute, die sich das antun – das sage ich einmal so –, für


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ihre Bereitschaft, lebensbegleitendes Lernen, qualitätsverbesserndes Lernen wirklich ernst zu nehmen, noch zu bestrafen. Das ist die eine Gruppe. (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Gruppe, die meines Erachtens auch nicht vergessen werden dürfte, sind jene Doktoratsstudenten, die eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben und die sich natürlich bei ihrer ersten Forschungsarbeit wesentlich mehr Zeit nehmen, als das ein normaler Doktorand macht, weil sie ganz genau wissen, dass von dieser Forschungsarbeit viel für ihre berufliche Laufbahn abhängt. Das ist eine solide, umfassende, in die Tiefe gehende Arbeit, deren Erstellung mitunter ohne weiteres zwei, drei Jahre dauern kann.

Auch diese Leute sollten eine Abfederung, wie Sie es nennen, erfahren beziehungsweise eine Maßnahme erhalten, damit sie nicht zu jenen gestempelt werden, die durch diese Gebühren über Gebühr belastet werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

13.36

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Debatte des Budgetkapitels "Kultur" gibt mir die Möglichkeit, zu einem Thema zu sprechen, das mir nicht nur ein langjähriges persönliches Anliegen ist, sondern mit dem ich auch durch meine frühere berufliche Tätigkeit in der Kulturverwaltung der Stadt Graz verbunden bin, nämlich dem Denkmalschutz.

Meine Damen und Herren! Im heurigen Jahr feiern wir 150 Jahre Denkmalpflege. Das ist ein Jubiläum der staatlichen Denkmalpflege, weil am 31. Dezember 1850 die k.k. Zentralkommission für die Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, wie das damals geheißen hat, gegründet worden ist. Diese Zentralkommission hatte die Aufgabe, zunächst im Rahmen des Ministeriums für Handel und Gewerbe, das damals auch für die Baubehörde zuständig war, beiden Anforderungen, nämlich der Forschung und der Erhaltung, gerecht zu werden. Das war ein Ziel, das bis in die heutigen Tage weitgehend unverändert geblieben ist.

Den Schwerpunkt der Aktivitäten stellte die Erforschung der Baudenkmale dar, um überhaupt einmal die Objekte festzustellen, die schützenswert waren und die aus damaliger Sicht erhalten werden sollten. Ab 1856 erschienen die Mitteilungen der k.k. Zentralkommission und das Jahrbuch der kaiserlich-königlichen Zentralkommission, denen heute die "Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege" und das "Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte" durchaus entsprechen.

Beide Fachzeitschriften aus dem 19. Jahrhundert zählten zu den ältesten kunstwissenschaftlichen und archäologischen Publikationen Europas. Sie legen eindrucksvoll Zeugnis über die Qualität dieser frühen österreichischen Forschungsergebnisse ab.

Die praktische Arbeit lag damals ganz in den Händen der Baubehörden und der Architekten, aus deren Reihen sich ehrenamtlich tätige Kuratoren rekrutierten. Die ersten staatlichen Maßnahmen zum Schutz von Denkmalen wurden aber bereits in der Zeit Maria Theresias gesetzt. In einem Erlass vom 13. April 1745, also vor 255 Jahren, heißt es – ich zitiere –:

Kein Maler, Bildhauer und Architekt, ob Lehrer und Akademiker oder nicht, kein Steinmetz, Ausgräber, Kalkbrenner, Maurermeister, Anstreicher oder sonst wer darf in öffentlichem Eigentum befindliche antike und moderne Gemälde oder Skulpturen zerstören oder ausbessern beziehungsweise überarbeiten oder retuschieren, ohne dass diese vorher von der Akademie besichtigt und untersucht werden. Ziel ist es, dabei sicherzustellen, dass die guten Werke, welche wert sind, immer zu leben, vor Zerstörung geschützt werden. – Zitatende.

Aber auch noch andere Verordnungen jener Zeit beweisen das immer stärker werdende Schutzinteresse, so das Edikt vom 12. August 1749, das den Schutz von Archivalien betraf, oder auch die Hofkanzleiverordnungen vom Februar und November 1776, welche die Anzeigenpflicht


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bei Funden, in diesem Fall in erster Linie von Münzen, die Ausfuhr von Kunstgegenständen und die Sicherung von Inschriften-Steinen regelten.

So weit ein kurzer Rückblick aus aktuellem Anlass in die Vergangenheit, der beweist, dass Österreich zu Recht und nicht erst seit dem letzten Jahrhundert in der Welt als Kulturnation gilt.

Wir wissen aber auch, vor allem wenn man die Dotierung für die Denkmalpflege über die Jahre vergleicht, dass dabei gespart werden musste. Das war nicht erfreulich, aber notwendig. Ein Drei-Stufen-Plan des Bundesdenkmalamtes hat die Prioritäten bei diesem Mitteleinsatz festgelegt. Dass die Einsparungsphase nur zeitlich begrenzt sein kann, das weiß jeder, der von Denkmalpflege etwas versteht. Es wird sicherlich wieder mehr Geld in den Schutz und in die Pflege vieler geschichtlich, künstlerisch oder kulturell bedeutender Denkmale investiert werden müssen. Man kann nicht erwarten, dass die Länder die Verantwortung für den Bund übernehmen und von sich aus für die Finanzierung erhaltenswerter Objekte sorgen.

Die aktuellen Probleme der Denkmalpflege, der Kampf um die unversehrte Erhaltung der Monumente der Vergangenheit sind überall grundsätzlich dieselben: Die historische Substanz wird durch zerstörende Umwelteinflüsse gefährdet. Es sind häufig kurzfristige wirtschaftliche Interessen, die zur Vernichtung vor allem wertvoller Bodenfunde führen. Falsche Erneuerungssucht ist eine weitere Gefahrenquelle, die nicht an unseren Landesgrenzen Halt macht.

Es war deshalb wichtig, Kulturgut nicht nur durch die nationale Gesetzgebung zu schützen – da ist also das Denkmalschutzgesetz zu nennen –, sondern auch durch internationale Abkommen wie das Europäische Kulturabkommen von 1954, die Internationale Haager Konvention aus dem selben Jahr oder das 1969 beschlossene Übereinkommen zum Schutz des Archäologischen Erbes. Oberstes Ziel von uns allen muss es sein – so wie es auf der Verdienstmedaille, die Sie, Frau Bundesministerin, verleihen, steht –, kulturelles Erbe für die Zukunft zu erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brix zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.42

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Lentsch hat behauptet, dass in Wien die Kindergartenplätze mindestens 1 200 S kosten. Ich stelle richtig: Tatsächlich kosten die Plätze in den Wiener Kindergärten, also in den Kindergärten der Stadt Wien, für ein Drittel der Besucher überhaupt nichts, für ein Drittel der Besucher kosten sie zwischen 700 S und 2 500 S, und für ein Drittel der Besucher beträgt die Höchstgrenze 2 500 S. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Kosten sie im Durchschnitt mehr als 1 200 S! – Abg. Achatz: Wenn man rechnen kann, Herr Kollege!)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte. (Abg. Achatz: Das war eine Bestätigung! Rechnen Sie doch einmal! Rechnen Sie einmal! – Abg. Schwarzenberger: Ein Drittel über 3 500 S!)

13.43

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich möchte, wenn die Diskussion jetzt beendet ist, ein paar Worte zur Kultur sagen. Ich möchte Sie gerne, nachdem wir zuerst von der Denkmalpflege gehört haben, zurück in die Gegenwart holen.

Wenn man sich die Budgetmittel für die Museen anschaut, dann bemerkt man, dass es starke Ungleichgewichte gibt. Auffallend ist die überproportionale Steigerung der Bundesmittel für das Kunsthistorische Museum. Es handelt sich dabei um eine sehr beachtenswerte Steigerung. Die Bundesmittel für die meisten anderen Museen stagnieren allerdings oder wurden gekürzt. Wieder einmal fällt auf, dass die Förderung zeitgenössischer und alternativer Kunstformen gekürzt wurde, das heißt also, es gibt einfach weniger Geld.


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Die Folgen sind weitreichend. Geplante Veranstaltungen müssen abgesagt werden, ergänzende Ankäufe können nicht mehr oder in einem nur mehr sehr reduzierten Ausmaß getätigt werden. Auch bauliche Maßnahmen werden zurückgestellt, und das Personal in den Museen ist schwer verunsichert, was die eigenen Zukunftsperspektiven betrifft. Traditionelle Museen werden also mit ausreichend Geld versehen, zeitgenössische wie das MAK oder das Museum moderner Kunst kommen zu kurz.

Ich glaube, es besteht kein Zweifel daran, dass ein Museum vor allem auch Bildungsfunktion hat. Im Moment scheint es mir allerdings so zu sein, dass es mehr um den finanziellen Erfolg und um Publikumszahlen geht.

Die nächsten Ausgliederungen stehen bevor. Eine der Hauptaufgaben nach einer solchen Ausgliederung ist es wohl, sich auch selbst zu finanzieren. Um das möglich zu machen, werden die Gesetze des freien Marktes befolgt werden müssen, es geht also um eine marktorientierte Ausstellungs- und Sammlungspolitik. Was das bedeutet, können Sie sich vorstellen: Spektakel und Sensationen, so genannte Events, werden mehr denn je gefragt werden. Und das zeigt uns der Alt-Parteiobmann der Freiheitlichen in Kärnten ganz gut vor. – Events und dann ein zusammenfassendes Event über die veranstalteten Events ist die Vorstellung von Kultur.

Aber gerade im Bereich der zeitgenössischen Kunst bedarf es einer besonderen Vermittlung, und das braucht Unterstützung, und das kostet auch Geld. Das geht langsam, wie es bei Lernprozessen eben so der Fall ist, und nur ganz selten handelt es sich dabei um diese so genannten Events.

Die Sorge ist, ob Museen, die sich mit zeitgenössischer und moderner Kunst beschäftigen, ohne Qualitätseinbußen werden existieren können. Die Sorge besteht, ob diese Museen ohne wesentliche Programmänderungen und inhaltliche Beschränkungen werden arbeiten können. In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, sind auch die Experten anderer Meinung und haben diesbezüglich sehr starke Bedenken angemeldet.

Einen Punkt möchte ich noch hervorheben: Ich glaube nicht, dass man davon ausgehen kann – vor allem nicht in diesem Bereich –, dass Publikumszahlen und Qualität identisch sind. Sie können das sein, aber im Bereich der zeitgenössischen Kunst und Kultur ist das vielleicht eher selten, und das beschränkt sich dann wieder auf so genannte moderne Klassiker. Ich glaube, es ist wichtig, das immer wieder aufzuzeigen. – Ich ersuche Sie, sich nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart zu stellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Wir stellen uns auch der Zukunft!)

13.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte. (Abg. Rosemarie Bauer: Die Jungfernrede!)

13.47

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Nein, so schauen keine Jungfrauen aus! – Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe am Beginn dieser heutigen Plenumssitzung die wehleidigste Rede des Tages hören müssen. Herr Kollege Brosz hat es fertig gebracht, zwanzig Minuten über das heutige Budgetkapitel zu lamentieren, ohne ein einziges Wort über Schüler, über Jugendliche, über Anforderungen an unser Bildungssystem zu verlieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Er hat dieses Forum im Moment der höchsten Aufmerksamkeit, als nämlich noch alle anwesend waren, dazu benützt, um den Anliegen der Schule, der Jugend und der Lehrer zu schaden. Jammern ist nämlich kein Konzept, das gilt auch für die Grünen. (Beifall bei der ÖVP.)

Einerseits verlangt er den kostenlosen und freien Zugang zu den Universitäten und andererseits Arbeitsplatzgarantien für lehrerwillige Akademiker. Wer so etwas verlangt, verstärkt das Imageproblem der Lehrer. Gerade jene mit der besten Ausbildung brauchen angeblich den stärksten Berufsschutz. Ja, bitte, welches Bild vermittelt das der Öffentlichkeit? Welches Bild hat


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die Öffentlichkeit von unseren Lehrern, wenn so etwas notwendig wäre? – Sie müssen bedenken, dass heute die meisten Menschen doch schon wissen, dass wir in einer Welt leben, in der Effizienz und Leistung zu unserem Leben gehören. Drängen Sie nicht die Lehrer in die undankbare Position, dass Sie ihnen diesen Platz in unserem Land künstlich garantieren wollen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Von unseren eigenen Kindern wissen die Österreicherinnen und Österreicher, dass unsere Lehrer Gewaltiges leisten. Wir kennen unsere Kinder, und wir wissen, dass sie nicht immer die einfachsten Kandidaten sind. Wie wird eine Mutter die Schule beschreiben? – Persönliche Umfrage: Es gibt wirklich gute Lehrer, und es gibt katastrophale Lehrer. Das ist doch die Wirklichkeit. Wer der Schule helfen will, darf sie nicht krankjammern, sondern muss sie reformieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wer das Image der Lehrer verbessern will, darf die Lehrer unter keinen Glassturz stellen. (Abg. Brosz: Kürzt die Mittel!) In der Schule geht es um fundamentale Lebensgrundlagen, um Wissen und um Motivation. Was liegt noch vor uns? – Es geht um die Verbesserung der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, um die Verbesserung der Effizienz der inhaltlichen Vorbereitung und um die Verbesserung der Verwaltungsabläufe.

Das Reformthema heißt Lehrerausbildung, heißt also auch Pädagogische Akademien. Lehrer von heute sind auch Wissensvermittler, aber in erster Linie müssen sie Motivationsexperten sein.

Zum Antrag des Kollegen Niederwieser betreffend die Einführung von Kostenbeiträgen möchte ich eine Klarstellung vornehmen: Kostenbeiträge, Studienbeiträge beziehen sich immer auf Universitäten und Hochschulen, so wie wir das meinen. Wenn die Pädagogischen Akademien einmal Hochschulen sind, werden sie wie solche behandelt. Schulen im Sinne der Schulgesetze bleiben beitragsfrei.

Die Umwandlung der Pädagogischen Akademien zu Hochschulen halten wir aus guten Gründen für sinnvoll. Herr Kollege Niederwieser – ich bitte, ihm das auszurichten – hängt an der Vergangenheit, aber dieses Vorhaben wird er hoffentlich nicht zurückdrehen wollen. Wir werden daher in diesem Fall seinen Antrag ablehnen.

Ein anderes Reformthema ist die Lehrerfortbildung, weil Kinder von heute neue Wege der gemeinsamen Wissenserarbeitung lernen sollen. Es muss auch gelingen, dass gute und motivierte Lehrer in der Schule größere Spielräume für eigene Initiativen erhalten als andere, die ihre Aufgaben nicht so ernst nehmen.

Nun komme ich noch zum ständigen Thema "Fremdsprachen". Englisch ist in der Wirtschaft von heute keine Fremdsprache, sondern eine Zweitsprache geworden. Daher ist diesbezüglich noch viel zu tun.

Unsere Lehrer leisten wertvolle Arbeit. Wir haben ihnen auch das Wertvollste anvertraut, das wir haben, nämlich unsere Kinder. Unsere Lehrer bringen Begabungen zur Entfaltung, und unser Schulsystem hilft, dass unsere Kinder gut auf die Zukunft vorbereitet werden.

Ein Dank an die Frau Bundesministerin dafür, dass wir trotz der Schuldenbinkel, die wir übernehmen mussten, unseren Schulstandard weiter verbessern werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte.

13.53

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meinem Vorredner möchte ich Folgendes sagen: Er hat wahrscheinlich den Rechnungshofbericht nicht gelesen, sonst wüsste er, dass das Bildungsministerium an diesem Schuldenberg massiv beteiligt war,


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und das ist auch massiv kritisiert worden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Das heißt, Sie werfen ihr zu hohe Budgetposten vor?)

Frau Ministerin! Ich komme jetzt zu einem Thema, das heute noch nicht angesprochen worden ist. Wie fühlen Sie sich als Bildungs- und Kulturministerin angesichts des Umstandes, dass in Oberösterreich bei einer Volksbefragung die Errichtung des neuen Musiktheaters mit großer Mehrheit abgelehnt wurde? Was ist in der Bildungs- und Kulturarbeit in Österreich schief gegangen? Was heißt das eigentlich für die Zukunft im Kultur- und Tourismusland Österreich? – Da wird ein mutiges und innovatives Kulturprojekt abgelehnt. Meiner Meinung nach bedeutet das für die Zukunft nichts Gutes. (Abg. Achatz: Ist das eine Beschimpfung der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher?) – Nein, das ist es nicht. Darauf komme ich noch zu sprechen. (Abg. Achatz: Das ist ungeheuerlich!)

Frau Ministerin! In anderen Ländern sanieren sich Städte mit Aufsehen erregenden Kulturprojekten. (Abg. Achatz: Nehmen Sie die Volksentscheidung hin!) Ich meine zum Beispiel das Projekt in Bilbao, wo das Guggenheim-Museum einen hervorragenden Aufschwung für die gesamte Stahlstadt gebracht hat. – Aber nun komme ich zur Antwort. (Abg. Dr. Pumberger: Frau Jäger! Stellen Sie die Demokratie in Frage? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Herr Präsident! Könnten Sie bitte Ruhe schaffen?

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Der Wunsch der Frau Abgeordneten Jäger ist verständlich. Sie wird sich kaum durchsetzen können, wenn der Lärmpegel so hoch ist.

Abgeordnete Inge Jäger (fortsetzend): Ich verstehe, dass die Bevölkerung Oberösterreichs dieses Musiktheater-Projekt abgelehnt hat, weil diese Bundesregierung seit Monaten, seit Wochen mit dem Einsatz von mehr als 80 Millionen Schilling den Österreichern darlegt, wie sehr wir verschuldet sind und dass wir absolut kein Geld haben. (Abg. Achatz: Die Arbeiterkammern, die Gewerkschaften!) Diese Kampagne hat tatsächlich gegriffen, und die Oberösterreicher haben gesagt, wenn sie uns so tief in die Brieftaschen greifen, dann sind wir auch nicht bereit, diesem Kulturprojekt zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

In Wirklichkeit ist das eine Absage an Ihre Regierungspolitik und eine Absage an diese massiven Eingriffe für die Menschen in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Dann war Ihr Antrag vom Freitag Heuchelei?)

Frau Kollegin Brinek! Ich glaube, wir alle müssen in diesem Bereich noch viel massiver arbeiten und wesentlich mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten. Ich möchte mich da überhaupt nicht ausnehmen. (Abg. Jung: Machen Sie nur weiter so ...!)

Was ich nicht verstehe, ist, dass bei der Abstimmung hier im Haus Herr Klubobmann Khol die armen Kollegen von der ÖVP dazu gezwungen hat, gegen dieses Musiktheater zu stimmen, obwohl das nicht im Koalitionsübereinkommen steht. Warum haben Sie da den armen Herrn Landeshauptmann so im Stich gelassen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Das stimmt doch nicht! – Abg. Dr. Brinek: Das stimmt nicht! Nein!)

Noch einmal zurück nach Linz: Linz ist eine moderne Industriestadt, hat einen Ruf als moderne Kulturstadt, ist zukunftsweisend und hat Prestige. Wir wissen, dass viele Konzerne ihre Standorte danach auswählen, ob es auch eine Möglichkeiten für die Manager, für die Menschen, die dort beschäftigt sind, gibt, am Kulturleben aktiv teilzunehmen. Deswegen ist dieses Projekt so schädlich. (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Unsinn, was Sie da sagen!)

Die Freiheitliche Partei missbraucht die Menschen in einem Kulturkampf für ihre kulturfeindlichen Zwecke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Mit einem Millionen-Werbeaufwand in der Diktion der dreißiger Jahre, "Kleiner Mann zahlt große Oper" (Abg. Achatz: Jetzt nicht mehr!) – das kommt von Hans Fallada –, wollten Sie den Menschen einreden, dass die Menschen keine Kultur haben. Die Menschen haben Kultur, aber sie sind nicht bereit, in Zeiten, in denen allgemein gesagt wird, wir müssen sparen, für Kulturprojekte, obwohl


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nachweislich das Bürgertum diese Kulturprojekte in Anspruch nimmt, Geld auszugeben und diese zu unterstützen.

Frau Ministerin! Was heißt das aber für das Kunsthaus in Graz? – Das ist das Nächste. Frau Vizekanzlerin Riess-Passer hat schon angekündigt, man könne doch mehrere Sachen abfragen lassen. Was heißt das für das Kunsthaus Graz? Was heißt das für Projekte in Salzburg? Was bedeutet das überhaupt für die Zukunft, wenn Ihr Koalitionspartner über ein Projekt nach dem anderen im Kulturbereich abstimmen lässt?

Ich denke, wir brauchen diesbezüglich eine ehrliche Auseinandersetzung. (Abg. Dr. Pumberger: Sie sind ein Demokratiemuffel!) Wir haben zugestimmt (Abg. Huber  – in Richtung Freiheitliche –: Hören Sie doch einmal zu!), und wir akzeptieren die Meinung der Bevölkerung. Selbstverständlich muss man jetzt andere Wege gehen. Wir haben auch zugestimmt, dass man, wenn eine Volksbefragung gemacht wird, diese auch selbstverständlich zur Kenntnis nehmen muss. (Abg. Achatz: Das war ein Volksentscheid! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)

Letzter Punkt: Frau Ministerin! Wie schaut es jetzt mit den Studentinnen und Studenten aus den Entwicklungsländern aus? – Es ist uns gesagt worden, Sie könnten per Weisung im Hochschul-Taxengesetz erreichen, dass die Menschen aus den Schwerpunktländern, die in Österreich studieren – im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sind diese immer berücksichtigt worden –, diese Hochschultaxen zurückbekommen. Meiner Meinung nach ist die Durchführung unpraktikabel. Daher bitte ich Sie, dazu Stellung zu nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Jägerlatein! – Abg. Dr. Khol: Keine Beleidigung für Latein – eine wichtige Sache!)

14.00

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das Wissenschaftsbudget, das uns heute vorliegt, ist sehr gut. Es ist ein Wissenschaftsbudget, das Investitionen im Bereich der Universitäten ermöglicht und sicherstellt, das garantiert, dass auch in Zukunft Wissenschaft und Lehre ein gutes Auslangen finden werden. Das hat letztendlich auch die Diskussion im Budgetausschuss gezeigt, denn es hat kaum Kritik gegeben von Seiten der SPÖ, von Seiten des Wissenschaftssprechers der SPÖ – mit Ausnahme der zwar nicht angenehmen, aber eben notwendigen Studienbeiträge.

Das veranlasst mich dazu, Ihnen, Frau Minister, aber auch dem Obmann des Wissenschaftsausschusses, meinem Kollegen Dr. Graf, eine herzliche Gratulation auszusprechen. Es ist Ihnen mit diesem Budget gelungen, den ordnungsgemäßen Betrieb der Universitäten sicherzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kaum begibt sich jedoch die sozialistische Fraktion in die Öffentlichkeit, ist diese sachliche Diskussion nicht mehr möglich. Kaum sind Sie in der Öffentlichkeit, sei es im Plenum, sei es sonst irgendwo im öffentlichen Leben, skandalisieren Sie, machen Sie Angst, wiegeln Sie auf durch Verbreitung von Unwahrheiten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Binder: Kommt Ihnen das nicht bekannt vor?)

Ja, ich werde Ihnen schon Beispiele nennen. Ich kann Ihnen schon sagen, wie Sie aufwiegeln, meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion. Mir ist ein Fax zugegangen. Absender dieses Faxes ist der ÖGB. Da steht drauf: "Aktion" (Zwischenruf des Abg. Dr. Hannes Bauer – hören Sie bitte zu! –, "Aktion ,Begleitung‘ des Abgeordneten zum Nationalrat Rüdiger Schender (FPÖ) in der 48. Kalenderwoche und Aktion Menschenkette rund um das Parlament am 5.12.2000". Da schicken die Gewerkschaften an ihre Unterorganisationen Faxe aus. Und was steht da drinnen? Es gibt hier einerseits die Verantwortung der Gewerkschaft, und es gibt andererseits die Verantwortung der Bezirke. In diesem Fax steht, dass die Bezirke Faxe und E-Mails an mich schicken sollen. Sie sollen mir vorgedruckte Textvorschläge zufaxen und mailen.


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Meine Damen und Herren! Das ist Meinungsterror der Gutmenschen im privaten Bereich. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Riepl.  – Abg. Edler: Unglaublich!)

Aber es geht weiter, Kollege Edler. Es wird noch viel unglaublicher. Da steht dann weiter:

"2. Motivierung von Funktionären zur Teilnahme an der Menschenkette um das Parlament". Da wird angeführt, die Bezirke sollen eine Mindestzahl von Menschen mitnehmen, es stehen Busse bereit, die die Menschen zum Parlament führen. (Abg. Ing. Westenthaler: Es kommt ja sonst keiner! – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Mit Bussen karren Sie Ihre Mitglieder aus ganz Österreich hier her, um ein demokratisch gewähltes Parlament zu behindern, um ein demokratisch gewähltes Parlament an einer Tagung zu hindern. (Abg. Dietachmayr: Demokratieverständnis! – Weitere anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Am Wort ist Herr Abgeordneter Schender. Bitte, ihm die Möglichkeit zu geben, seine Ausführungen zu machen!

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. Ich verstehe die Nervosität der roten Gewerkschafter, denn es kommt ja noch dicker.

Angefangen hat das mit der Blockade dieses Rednerpults durch Abgeordnete Haidlmayr, was einen unglaublichen und einzigartigen Akt in der Geschichte des Parlamentarismus darstellt. Es geht jetzt weiter mit dem Versuch einer Blockade des Parlaments durch die Menschenkette. Aber das ist noch nicht alles, meine Damen und Herren von der Sozialistischen Partei. (Zwischenruf des Abg. Reheis. )

Da steht dann weiter – passen Sie auf, es ist unglaublich, was jetzt kommt, das wird immer schlimmer –:

"3. Da der NR-Abgeordnete Rüdiger Schender in Puchenau wohnt, werden die Bezirke Linz und Linz Land/Urfahr Umgebung noch um folgende zusätzliche Aktion ersucht:

Aufstellen von mindestens zwei A-Ständern mindestens zwei Tage lang vor dem Wohnhaus des Abgeordneten." (Die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler: Das ist ja ungeheuerlich! – Abg. Haigermoser: Terror ist das! Das ist unglaublich!)

"Aufstellen von mindestens zwei A-Ständern mindestens zwei Tage lang vor der Kirche oder an sonst einem geeigneten öffentlichen Platz." (Abg. Haigermoser: An den Pranger wollt ihr die Abgeordneten stellen!)

"Sandwichmänner" sollen weiters nach Möglichkeit vor dem Wohnhaus des Abgeordneten Schender auf- und ab... (Abg. Riepl: Sie kennt sonst eh keiner!) Schauen Sie, Herr Kollege, mich kennt man ja in meiner Umgebung im Gegensatz zu anderen Kollegen aus Ihrer Fraktion. "Sandwichmänner" sollen vor meinem Wohnhaus auf- und abgehen. Das, meine Damen und Herren, ist ein unglaublicher Gesinnungsterror, das ist eine unglaubliche Entgleisung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dann steht da – und das ist ja wohl der Gipfel der Frechheit (Rufe bei der ÖVP: Terror!)  –: "Drei Aktionsteams zur Begleitung von öffentlichen Auftritten von NR Schender".

Das ist Spitzelei! Das ist Gesinnungsterror! Mich würde interessieren, was die sozialistischen Gewerkschafter dazu sagen. Herr Nürnberger, weil ich Sie so stehen sehe mit eingeschlafenem Gesicht, kommen Sie herunter, entschuldigen Sie sich und distanzieren Sie sich von diesen Maßnahmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Nürnberger! Der ÖGB ist kein vorgelagertes Politbüro der Sozialistischen Partei. Der ÖGB wäre dazu aufgerufen, die Interessen der Arbeitnehmer wahrzunehmen. (Abg. Dr. Hannes Bauer: Das habt ihr euch ja selber geschrieben! – Heiterkeit.)


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49. Sitzung / Seite 78

Meine Damen und Herren! Sie machen sich lustig darüber. ÖGB-Faxgerät, es steht sogar die Adresse des ÖGB mit Telefonnummer drauf. (Abg. Edler: Können wir das haben?) Selbstverständlich können Sie das haben. Und dann würde ich von Ihnen eine Distanzierung und eine Rücknahme von diesem Gesinnungsterror verlangen, denn dieses Plakat steht schon vor meinem Haus. Und wissen Sie, was auf diesem Plakat draufsteht? – Ich stimme – ich stimme, steht da drauf, handgeschrieben – im Nationalrat am 5. Dezember für das unsoziale Belastungspaket, für Studiengebühren. Unterschrieben: Rüdiger Schender, Nationalrat. (Abg. Schwarzenberger: Das ist untragbar! Das ist Unterschriftenfälschung! So nieder ist der Gewerkschaftsbund gesunken!)

Und weiters heißt es: Wenn Sie mir Ihre Meinung zu meinem unsozialen Verhalten mitteilen möchten ... Dann finden sich meine private Faxnummer, meine E-Mail-Adresse und so weiter.

Das ist noch nie da gewesen in dieser Republik, dass sich österreichische Gewerkschaften aufmachen, um gegen frei gewählte, demokratisch gewählte Mandatare Gesinnungsterror zu betreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber Sie waren sogar zu feig, dass Sie "ÖGB" dazuschreiben. Das sei nur nebenbei erwähnt.

Ich frage Sie: Was kommt als Nächstes? – Ich möchte es gar nicht wissen. Was Sie hier nämlich machen, ist nicht die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen, das ist nicht die Information Ihrer Mitglieder, sondern Sie machen Menschen schlecht (anhaltende Zwischenrufe – Abg. Dietachmayr hält eine Tafel mit der Aufschrift "Tiefer geht’s nicht!" in die Höhe) und brandmarken frei gewählte Abgeordnete, und zwar nicht allgemein und nicht auf Grund der politischen Linie einer Partei, sondern Sie machen das im engsten persönlichen Umfeld von Abgeordneten. Das ist Mobbing! Das ist politisches Mobbing ärgster Güteklasse! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren sozialistische Gewerkschafter! Was Sie hier machen, ist ein menschenverachtendes, organisiertes Politmobbing übelster Sorte. Das ist ein demokratiepolitischer Rückfall in die dreißiger Jahre. Das ist eine verantwortungslose, übelste Hetze auf frei gewählte politische Mandatare. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Zitat eines prominenten Fußballers, das gestern Kollege Haigermoser über Ihre Strategie gebracht hat, stimmt halt leider: Wenn wir schon nicht gewinnen können, dann trampeln wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt. Nur Sie, meine Damen und Herren, Sie trampeln jetzt nicht mehr auf dem Rasen, Sie trampeln auf den frei gewählten Mandataren. Im persönlichsten Umfeld vor der Haustüre trampeln Sie den Rasen kaputt (Abg. Edler: Wer?) und versuchen, zu diffamieren und schlechtzumachen, und das ist letztklassig, Kollege Edler. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das hat Gusenbauer sicher in Moskau gelernt!)

Aber lassen Sie mich noch sagen: Die Menschen sind empört über Ihre unglaublichen Rundumschläge – ich habe schon zahlreiche Anrufe bekommen –, sie sind empört über Ihre unmenschlichen, menschenverachtenden Rundumschläge. Sie verstehen die Notwendigkeit des Sanierungskurses dieser Bundesregierung, sie verstehen die Reformpolitik. Wir frei gewählten Abgeordneten werden uns auch nicht durch Ihren Gesinnungsterror und durch Ihr Mobbing, durch Ihr politisches Mobbing auf unserem Weg aufhalten lassen, diese Republik, die Sie 30 Jahre lang – 30 Jahre lang! – an den Rand des Ruins geführt haben, dieses Land wieder in einen ordentlichen Zustand zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich erwarte mir von den höchstrangigen Funktionären des ÖGB, die hier im Hohen Hause sitzen, eine klare Distanzierung von dieser Menschenhetze, ich erwarte mir von Ihnen eine persönliche Entschuldigung, denn das hier geht gegen Menschen, das sind persönliche Angriffe – das wird wahrscheinlich nicht nur mich betreffen, sondern die meisten meiner Kollegen hier in diesem Haus. Daher erwarte ich mir von Ihnen eine klare Distanzierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.12


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49. Sitzung / Seite 79

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Meine Damen und Herren! Bevor ich Frau Abgeordneter Petrovic das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile, möchte ich Sie ganz kurz darauf aufmerksam machen, dass die letzte Viertelstunde der Diskussion ganz dazu angetan war, die Grenzen in der Ausdrucksweise so zu überschreiten, dass sie nicht nur dieses Hauses nicht mehr würdig ist, sondern dass ich befürchte, dass es zu mehr kommen kann. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sind Nazi-Methoden von der SPÖ! – Abg. Dr. Petrovic: Herr Präsident! Bitte "Nazi-Methoden" zu protokollieren!)

Wir sind hart an der Grenze, und ich bitte alle nachfolgenden Redner, jetzt genau zu überlegen, welche Ausdrucksweise sie wählen. Ich glaube, dass alles dazu angetan ist, sich wirklich jetzt eines Tones zu bedienen, der der Sache, aber auch der Würde des Hauses angemessen ist. (Abg. Dr. Krüger: Nürnberger schweigt!)

Bitte, Frau Abgeordnete.

14.13

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mein Vorredner hat unter anderem die Behauptung aufgestellt, dass die Teilnahme beziehungsweise die Einladung oder Aufforderung zur Teilnahme an Veranstaltungen des Vorredners durch politisch Andersdenkende eine Ausprägungsform der Spitzelei sei.

Dies ist unrichtig: Die Teilnahme an kontroversiellen politischen Veranstaltungen ist ein Grundbestandteil der Demokratie, was Ihnen entgangen ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das ist eine Rede! Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

14.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte.

14.14

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! (Abg. Achatz: Was sagen Sie zu diesem ungeheuerlichen Vorgang?)  – Ich sage dazu gar nichts, ich möchte doch wieder mit etwas mehr Niveau zur Kulturdebatte zurückkehren (Beifall bei der SPÖ – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten schon einen Satz dazu sagen!), die uns eigentlich hier beschäftigen soll – mit etwas Niveau deshalb, weil ich meine, Abstimmungsergebnisse des Hohen Hauses kann man durchaus auch publik machen. Es hat jeder das Recht, zu erfahren, wie die Mandatare hier herinnen stimmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Einen Satz nur sollten Sie dazu sagen! Sie sind sicher nicht dafür!)

Aber nun zur Kultur: Geschätzte Frau Bundesministerin! Besonders augenfällig im Budget zu den Museen ist – meine Kollegin Muttonen ist darauf bereits eingegangen –, dass das Kunsthistorische Museum doch einen gewaltigen Zuwachs an Mitteln erhalten hat. Das ist durchaus positiv, es ist immerhin eine Steigerung um einen sehr großen Betrag, nämlich von 189 auf 280 Millionen Schilling. Aber in diesem Zusammenhang scheint es mir doch auch bemerkenswert zu sein – und ich möchte besonders darauf eingehen –, dass man in Zukunft an eine Zusammenführung und Strukturveränderung in den Bundesmuseen denkt und vorhat, das Theatermuseum und das Museum für Völkerkunde in einen Geschäftsbereich zusammenzuführen.

Ich meine allerdings – und möchte das auch ausführen –, dass gerade das Österreichische Theatermuseum durchaus fähig ist und das Recht haben sollte, auch weiterhin auf eigenen Beinen zu stehen. Blicken wir kurz in die Geschichte dieses wichtigen Theatermuseums – Wien ist ja eine Theaterstadt –: Die Vorläufer gibt es seit 1976, erst 1991 erfolgte die Loslösung von der Oesterreichischen Nationalbibliothek. Der Großteil der Sammlung des Theatermuseums ist erst seit dieser Zeit in eigenständiger Verwaltung. Die Bücher sind im Bereich der Nationalbibliothek geblieben, allerdings werden sie vom Theatermuseum verwaltet.


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49. Sitzung / Seite 80

Wichtig für mich ist, festzuhalten, dass im Februar 2000 zum ersten Mal eine eigene Ausstellung der Schausammlung des Theatermuseums stattgefunden hat. Das ist für mich auch der tatsächliche Beginn dieser Eigenständigkeit. Und ich frage mich, warum man schon wieder, nach so kurzer Zeit – man konnte eigentlich noch keine entsprechenden Erfahrungswerte sammeln, und es wurde auch noch keine Kostenrechnung vorgestellt und auch nicht, wie das in Zukunft abgewickelt werden soll –, eine Zusammenführung im Aufgabenbereich plant. Sie, Frau Minister, vergleichen – und das muss ich Ihnen leider sagen – in Ihrer Beantwortung einer Anfrage von Dr. Cap das Theatermuseum mit dem Kunsthistorischen Museum, also somit Äpfel mit Birnen, denn das Theatermuseum ist teilrechtsfähig, während das Kunsthistorische vollrechtsfähig ist, was bedeutet, dass auch alle Einnahmen in den eigenen Bereich fließen, während die Einnahmen aus Eintrittsgeldern des Theatermuseums immer noch an den Bund abgeführt werden sollen.

In diesem Zusammenhang scheint es mir aber auch bemerkenswert zu sein, dass man plant, laut Museumsordnung den Geschäftsführer den drei Direktoren der zusammenzuführenden Museen überzuordnen. Und da frage ich mich, ob es nicht vielleicht doch zu einem Interessenkonflikt kommen kann, wenn der Direktor des Kunsthistorischen Museums gleichzeitig auch der Geschäftsführer von drei Teilbereichen – nämlich von Kunsthistorischem, Theatermuseum und Völkerkunde-Museum – sein soll. Sollte man da nicht darüber nachdenken, ob damit nicht die Eigenständigkeit dieser drei wichtigen Bereiche in dem Sinne verloren geht? Und sollte man sich nicht auch fragen, ob so ein wichtiger Posten nicht auch ausgeschrieben werden sollte?

Ein weiterer Diskussionspunkt für mich ist auch, dass es in diesem Zusammenhang sehr schwierig sein wird, in Zukunft eigene wissenschaftliche Arbeit zu betreiben. Und das, denke ich, ist gerade für die Lebensfähigkeit und selbständige Arbeitsfähigkeit ein wesentliches Faktum, denn Basis der vielen Sonderausstellungen – und das muss man ja auch feststellen – sind immer noch funktionierende, eigenständige Museen.

Daher ersuche ich Sie und appelliere ich an Sie: Einer Theaterstadt wie Wien soll ein eigenes Theatermuseum erhalten bleiben. Ich bitte Sie, über diese Vorgangsweise nachzudenken, die Sie zurzeit in Planung haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Pittermann hat einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem sie die Bundesministerin für Bildung auffordert, Schwerpunktforschungsprogramme im Zusammenhang mit BSE und Creutzfeldt-Jakob zu initiieren. – Frau Abgeordnete Pittermann! Dieser Entschließungsantrag ist nicht mehr notwendig, denn die Regierung hat bereits alle erforderlichen Maßnahmen gesetzt. Wir brauchen dem heute nicht mehr zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Die wenigen Minuten, die mir noch zur Verfügung stehen, möchte ich für ein Thema verwenden, das mir schon sehr lange Sorge bereitet, und zwar geht es dabei um unsere öffentliche Rundfunk- und Fernsehanstalt. Ich möchte dazu gerne drei Anmerkungen machen, und zwar zwei positive und eine negative.

Ich beginne mit dem Positiven: Ich möchte die Programmverantwortlichen dafür loben, dass Österreich 1 ein dermaßen gutes Qualitätsangebot liefert, ein Angebot auf sehr hohem Niveau, das äußerst interessant aufbereitet ist, in dessen Rahmen aktuelle Sendungen angeboten werden. Ich gratuliere den Verantwortlichen wirklich dazu und möchte sie bitten, dieses hohe Niveau und diese hohen Standards unbedingt beizubehalten. Ich habe nur einen kleinen Wunsch bezüglich des technischen Bereiches: Österreich 1 ist in manchen Regionen sehr schwer zu empfangen, sogar entlang der Süd Autobahn, obwohl dieses Gebiet normalerweise sehr gut versorgt ist. Vielleicht kann der ORF, auch wenn Österreich 1 keine Werbegebühren abwirft, auch in diesem Bereich in die Technik investieren.


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49. Sitzung / Seite 81

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim Fernsehen fehlt uns leider ein ähnliches Qualitätsangebot. Unsere beiden Fernsehkanäle lizitieren sich permanent nach unten, und der traurige Tiefpunkt ist die derzeit laufende und vermutlich heute endlich zu Ende gehende Sendung "Taxi Orange". (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Was haben Sie für ein Problem?) Diese Sendung, die junge Menschen als Zielgruppe sieht, blockiert derzeit die besten Sendeplätze. Qualitätssendungen werden durch diese Sendung derzeit in die Nacht verdrängt. (Neuerlicher Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr viele Mitbürger, meine sehr geehrten Damen und Herren, beschweren sich bitter darüber, dass dieses schwache und niveaulose Programm zu den Hauptsendezeiten gesendet wird. Ernst Wolfram Marboe, ein anerkannter Fachmann im Bereich der Medien, nennt diese Sendung eine totale Manipulation. Werner Schneyder sagt in einer Anmerkung zu dieser Sendung, es sei "Müll und Tratsch".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich haben unsere Bürger die Möglichkeit, das Fernsehgerät abzuschalten, aber das ist auch schon die einzige Möglichkeit, gegen die Programmgewaltigen im ORF zu protestieren. Fachleute sehen mit großer Sorge, dass Hinauswurf und Ausgrenzung beziehungsweise oberflächliche Beliebtheitsbeurteilung Hauptthemen dieser Sendung sind. Aber eine Demokratie lebt von Toleranz, und deshalb sollten eigentlich alle verantwortungsbewussten Bereiche solche Werte sehr hochhalten. Der ORF macht momentan das Gegenteil: Der ORF setzt auf Banalität, auf Voyeurismus, auf Ausgrenzung, nur um ein junges Publikum als Seher zu gewinnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Besonders besorgniserregend ist für mich, dass für das Betrailern dieser Sendung gewaltige Geldmittel ausgegeben wurden. Man hat sehr viel investiert, um auf dieses schwache Programm hinzuweisen und um da endlich an Einschaltziffern im Ausmaß jener der Privatsender heranzukommen. Zu allem Überfluss gibt es noch eine zweite ähnliche Sendung am Abend, nämlich die "Expedition Robinson". Vielen Konsumenten hängen diese Sendungen wirklich zum Hals hinaus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)  – Ich bin sehr froh darüber, dass nicht nur ich allein das so sehe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Junge Menschen würden dringend Lebensmodelle brauchen, junge Menschen sind auf der Suche nach Lösungen und sind deshalb anfällig für solche Sendungen, aber mit diesem medialen Müll bringen wir junge Menschen nicht zu den gewünschten Ergebnissen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zusätzlich gibt es bei dieser Sendung – aber auch bei anderen Sendungen – Unterbrecherwerbung, das heißt eine Art von Werbung, die an sich in Österreich verboten ist. Ich weiß nicht, wie diese Vorgangsweise mit den eingehobenen ORF-Gebühren zu rechtfertigen ist und wie weit man diese Gebühr ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich mache Sie nur darauf aufmerksam – die Uhr funktioniert offensichtlich nicht ganz –, dass Sie die vorgesehene Redezeit bereits um eineinhalb Minuten überschritten haben.

Abgeordneter Franz Kampichler (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn schon dieser Unsinn gesendet werden muss, dann sollte zumindest im gleichen Ausmaß auch wertvolles Sendegut gebracht werden, das den Menschen wirklich etwas bringt. Meine einzige Hoffnung ist das neue ORF-Gesetz, das den öffentlich-rechtlichen Auftrag künftig stärker und klarer definieren wird und das in Zukunft auch dafür sorgen wird, dass der ORF seinen Gesetzesauftrag auch in entsprechendem Ausmaß erfüllt. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet.


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Aus gegebenem Anlass bringe ich zur Kenntnis: Eine tatsächliche Berichtigung sollte mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung beginnen und dann dieser Behauptung den berichtigten Sachverhalt gegenüberstellen.

Bitte, Herr Abgeordneter.

14.26

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen Bundesministerinnen! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat in seinem Debattenbeitrag die Auffassung vertreten, dass hinsichtlich BSE die Bundesregierung alle notwendigen Maßnahmen erlassen hat. (Ruf bei den Freiheitlichen: Seit wann kann man eine Auffassung berichtigen? – Abg. Mag. Schweitzer: Auffassungen kann man vertreten, wie man will!) – Das ist falsch!

Richtig ist vielmehr, dass diese Bundesregierung keine (Abg. Böhacker: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)  – keine! – entsprechenden Maßnahmen gesetzt hat, Maßnahmen, die notwendig sind. Wahr ist vielmehr, dass die Frau Bundesministerin außer Dienst Sickl und der Bauernminister Molterer in einem Geheimbrief vom 18. Juli 2000 versucht haben, für Österreich eine Ausnahmebestimmung für die Entfernung von Risikomaterialien zu erreichen. Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

14.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

14.27

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da Herr Abgeordneter Kampichler einen gut Teil seiner wertvollen Redezeit der Sendung "Taxi Orange" gewidmet hat, und zwar als Beispiel – wie er gesagt hat – für Banalität, Voyeurismus und Ausgrenzung, möchte ich das nicht so unwidersprochen im Raum stehen lassen. Man kann zu dieser Sendung stehen, wie man will, man kann sie als banal bezeichnen – dann müsste man viele Sendungen des ORF als banal bezeichnen –, man kann sie als voyeuristisch bezeichnen – dann dürfte man manchmal gar nicht den Fernseher aufdrehen –, aber mit Sicherheit kann man eines nicht sagen: dass sie ausgrenzend wirkt. Diese Sendung hat in Bezug auf Ausgrenzung von Homosexuellen, in Bezug auf die Darstellung von Homosexuellen mehr geleistet als jedes gut gemeinte Beschlussprogramm – das ohnehin in den seltensten Fällen gut gemeint war –, das wir hier diskutiert haben. Das sei Ihnen gesagt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Kampichler! Ich stimme mit Ihnen überein: Unterbrecherwerbung hat in einem derartigen Programm genauso wenig zu suchen wie in einem anderen Programm des ORF. Aber da möchte ich Sie schon bitten, dass Sie auch die Konsequenz haben, auch die anderen Sendungen des ORF, in denen leider Unterbrecherwerbung stattfindet, zu benennen. Sie haben Recht: Das soll raus aus dem ORF, die Leute zahlen Gebühren, da hat Unterbrecherwerbung, denke ich, wirklich nichts zu suchen. Aber bitte, wenn Sie mit "Taxi Orange" umgehen, seien Sie vorsichtiger oder versuchen Sie die Reaktionen von jungen Menschen gerade in Bezug auf jene Punkte, die ich genannt habe, dabei auch zu berücksichtigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

14.29

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Einige Anmerkungen zur Beratungsgruppe VI, auch aus einer gewissen Betroffenheit heraus.

Ich bin jetzt 31 Jahre in einem politischen Mandat, ich bin 14 Jahre lang in meiner Heimatgemeinde politisch tätig gewesen, habe dort mit aufrechten Sozialdemokraten Sträuße ausgefochten, zusammengearbeitet, wie es in einem demokratischen Gemeinwesen so üblich ist, und ich


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49. Sitzung / Seite 83

möchte die Vorkommnisse, die Kollege Schender uns nahe gebracht hat, und die Argumente, die in dieser Diskussion vorgebracht wurden, ganz kurz von meiner Warte aus beleuchten.

Vor nicht allzu langer Zeit hat man in unserem Geschäft die Fenster mit Anti-FPÖ-Parolen verklebt. Ich habe dem keine Bedeutung beigemessen, wir haben das entfernt. Ich habe gemeint: Na ja, das ist halt ein dummer Jungenstreich oder wie immer man das nennt. Aber nach dieser Wortmeldung meines Kollegen Schender komme ich jetzt zu der Überzeugung, dass das ganze System hat, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass das ganze System hat, zumal Sie auch vor den Familien der Betroffenen nicht mehr Halt machen, meine Damen und Herren. Das Schändliche an Ihrem Verhalten ist, dass Sie in Hohngelächter ausbrechen, wenn ein junger Mensch, ein junger Abgeordneter sich betroffen fühlt und sich schützend vor sein Heim und vor seine Familie stellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kollege Dietachmayr hat blitzschnell ein vorbereitetes Taferl herausgezogen mit der Aufschrift: "Tiefer geht es nicht!" Dazu möchte ich sagen: Das sollten Sie umdrehen, Herr Kollege, nicht uns entgegenhalten, sondern sich selbst den Spiegel vor Ihr Antlitz halten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Sie verteidigen!)

Von der Einschränkung der Ausübung des freien Mandates bis zum Mundtot-Machen ist es nur ein kleiner Schritt. Wir haben das in einer leidvollen Geschichte leider Gottes kennen lernen müssen, meine Damen und Herren. (Abg. Sophie Bauer: Sie wollen andere mundtot machen!) Ich rufe Ihnen zu: Wehret den Anfängen, meine Damen und Herren! Wir brauchen kein Blockwartesystem, sondern wir brauchen die freie Meinungsäußerung in dieser Republik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Reheis: Das ist unglaublich! Das ist schrecklich! – Abg. Sophie Bauer: Sie wollen mundtot machen!)

Was ist denn die Steigerung? – Demonstrieren Sie, wo Sie wollen! Das Demonstrationsrecht ist eines der hehrsten Rechte einer funktionierenden Demokratie, meine Damen und Herren! Aber man muss sich auch die Orte aussuchen. Demonstrieren Sie vor dem Parlament oder vor den Parteizentralen. (Abg. Öllinger: Auf dem Friedhof, mit der Kameradschaft IV!)  – Da sind Sie auch vorhanden, auf den Friedhöfen, und treten auf den Gräbern Verstorbener herum, Herr Kollege. Die Achtung der Verstorbenen ist auch ein hehres Recht einer funktionierenden Gesellschaft, gleich, wo sie, gleich, warum sie das kühle Grab erfahren mussten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Alte Nazis demonstrieren auf dem Friedhof!)

Was ist denn die Steigerung der Brandmarkung dieses freien Mandates? Wollen Sie die politische maria-theresianische Halsgerichtsordnung wieder einführen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Folter!): die Mundbirne, die Schandgeige, den Pranger, meine Damen und Herren?

Ich antworte Ihnen mit Voltaire: "Ich bin mit keinem Ihrer Worte einverstanden, doch ich werde bis ans Ende meiner Tage dafür kämpfen, dass Sie diese aussprechen können." (Abg. Dr. Lichtenberger: Was soll denn das?!)  – Meine Damen und Herren, das ist die Antwort! Kommen Sie mit Argumenten, und wir werden uns auf dem Felde dieser Diskussionsauseinandersetzung finden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Siehe Haider, Böhmdorfer! Strafverfolgung! – Abg. Brosz: Bei Ihren Zwischenrufen, da kommen Sie noch mit Voltaire! Jämmerlich!)

Zu guter Letzt ein Zitat aus dem Buch Norbert Lesers "... auf halben Wegen und zu halber Tat...". Das gehört zur Kulturdebatte. Oder wollen Sie jetzt auch den Vertrieb von Büchern verhindern? (Abg. Dr. Gusenbauer: Unerträglich!)

Zitat: "Am schärfsten hat Paul Blau, der ehemalige Chefredakteur der ,Arbeiter Zeitung‘, die Entwicklung der Partei", nämlich Ihrer, "zu ihrem Jahrhundertjubiläum charakterisiert: ,Das Erbe verschleudert, die Zukunft verspielt.‘ Von all dem weiß der ,Oberverschleuderer‘ Heinz Fischer nichts oder will es gar nicht wissen und wahrhaben. Er findet, von kleinen Retuschen abgesehen, rundum alles gut, solange er als Spitze der politischen Klasse ein bequemes Leben führen kann. Es scheint ihn nicht zu stören, dass diese Decke der Sozialdemokratie immer dünner und


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49. Sitzung / Seite 84

schleißiger wird, um ihn noch standesgemäß zu verhüllen und seine Blößen zu bedecken." – Ende des Zitats.

Sie sollten dieses Buch zu Ende lesen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

14.35

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerinnen! Ich hoffe, die Frau Bildungsministerin ist auch noch hier, um eine kurze Anfrage an sie richten zu können. Aber bevor ich das tue, muss ich doch noch ein Wort zu meinem Vorredner sagen. Herr Kollege Haigermoser, es ist sehr schön, dass Sie hier die Meinungsfreiheit verteidigen, aber Meinungsfreiheit heißt wohl für Sie auch, dass ein FPÖ-Politiker ungestraft sagen kann: "Unsere Ehre heißt Treue", einen alten SS-Spruch. Das kann es wohl nicht sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Eine konkrete Frage habe ich an die Frau Bildungsministerin Gehrer. Es kam vorhin schon eine Frage von der Frau Abgeordneten Jäger, und ich würde Sie, Frau Bundesminister, sehr ersuchen, diesbezüglich noch Stellung zu nehmen. Es geht dabei nämlich um die Studiengebühren für Studierende aus Entwicklungsländern.

Im ursprünglichen Bundesvoranschlag, im ursprünglichen Budget hat es geheißen, dass Studierende aus Entwicklungsländern von den Studiengebühren befreit sein werden. Mittlerweile sieht es so aus, dass im Hochschul-Taxengesetz geschrieben steht, dass Sie, Frau Ministerin, berechtigt sind, mit einer Verordnung entsprechend den Schwerpunkten der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und gegenüber den Reformländern einige Staaten festzulegen, deren Studierenden der Beitrag erstattet werden kann.

Ich habe im Budgetausschuss die Frau Außenministerin gefragt, wie sie dazu stehe. Sie hat gesagt, sie werde sich Ihnen gegenüber diesbezüglich einsetzen. Ich habe bisher noch von keiner Änderung gehört, und das gibt mir doch zu denken. Sollten Sie wirklich vorhaben, für Studierende aus den ärmsten Ländern dieser Welt, die in den eigenen Ländern oft nicht studieren können, entgegen den Prinzipien der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, bei welcher es sowohl um Armutsbekämpfung als auch um Bildungsförderung geht, nun nicht mehr die Möglichkeit zu schaffen, nach Österreich zu kommen und hier bei uns zu studieren?

Wie ist das mit der Rückerstattung? Wie soll das gehen, dass jemand, der diese Studiengebühr gar nicht aufbringen kann, zuerst einmal die 5 000 S pro Semester zahlen muss und sie dann zurückbekommt? Es ist ja nicht einmal klar, welche Länder da gemeint sind. Das ist in meinen Augen keine sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit. Ich ersuche Sie daher, uns eine Antwort zu geben, ob Sie vorhaben, das noch zu ändern, nämlich dass Studierende aus Entwicklungsländern von vornherein keine Studiengebühren zu zahlen haben. – Ich danke Ihnen für die Antwort im Voraus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine verehrten Ministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin seit längerer Zeit hier im Parlament und bekannt dafür, dass ich hier harten Auseinandersetzungen mit Worten nicht aus dem Wege gehe, sondern sie ganz gerne führe. (Abg. Öllinger: Das sieht man!) Aber hier im Parlament soll die harte Auseinandersetzung, wenn es um politische Auffassungsunterschiede geht, stattfinden. Was das betrifft, was Kollege Schender uns hier und heute ihn betreffend mitgeteilt hat, ist übrigens auch bereits beim Kollegen Sevignani in Tirol, beim Kollegen Gaugg in Kärnten und auch bei einigen Wiener Kollegen in die Realität umgesetzt worden.


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49. Sitzung / Seite 85

Herr Gewerkschaftsbundpräsident! Das ist eine Vorgangsweise, die, wie ich weiß, von Ihnen persönlich – so gut kenne ich Sie – nicht mitgetragen werden kann, weil das ein Stil ist, der in einer demokratischen Republik, wie es Österreich ist, nichts zu tun hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Begleitung eines privaten Menschen durch Funktionäre des ÖGB, um auf sein Verhalten hier hinzuweisen, das hat mit demokratischem Verhalten nichts mehr zu tun! All das, was Kollege Schender hier erzählt hat, was an Aktionismus rund um seine Person, um seine Privatsphäre passiert, hat mit demokratischem Verhalten nichts zu tun. Und hinter diesem Verhalten steht offensichtlich eine ganz gezielte Vorbereitung, die von hier im Haus vertretenen politischen Parteien nicht nur mit getragen wird, sondern auch mit initiiert wird.

Davon bin ich umso mehr überzeugt, als ich jetzt neue Informationen bekomme, was den 5. Dezember betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gewerkschaftsbundpräsident! Hier wird einmal mehr aufgerufen, dass dieser 5. Dezember, der Tag der Abstimmung über das Budget, das "Budget der Grausamkeit", ein schöner, ein passender Tag für Lehrausgänge wäre, wobei – ich zitiere – ein Rundgang um das Parlament auf keinen Fall versäumt werden sollte. Es könnte ja so sein, dass die Schüler sich an der von dem ÖGB für den 5. Dezember vorbereiteten Menschenkette beteiligen könnten, wenn sie einen vernünftigen Lehrausgang am Tag des 5. Dezember machen. – Freundliche Grüße: Österreichischer Gewerkschaftsbund. – Zitatende.

Auf diesem Flugzettel (der Redner hält ein Flugblatt in die Höhe), unter die Leute gebracht, meine sehr geehrten Damen und Herren (Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung des Abg. Verzetnitsch –: Kinder missbraucht ihr! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Und der Einem lacht dazu!), vom Gewerkschaftsbund, steht – ich zitiere –:

Wir lassen am 5. Dezember die Muskeln spielen. Mit einer Menschenkette um das Parlament demonstrieren wir gegen den Budgetbeschluss vom 6. Dezember. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verkehrsblockaden in ganz Österreich plant am gleichen Tag die Plattform "Checkpoint Austria". Ein Zusammenhang mit den Protestmaßnahmen von Gewerkschaft und "Checkpoint Austria" bestehe nicht, bemüht sich die Gewerkschaft hinzuzufügen. Es mag sein, dass der Gewerkschaftsbund nicht daran beteiligt ist, wenn "Checkpoint Austria" am kommenden Dienstag versuchen wird, Österreich lahm zu legen. Unter dem Motto "Und zu Krampus steht Österreich am Morgen still!" will "Checkpoint Austria" an rund 15 neuralgischen Punkten in ganz Österreich den Berufsverkehr lahm legen. (Abg. Öllinger: Na geh bitte!)

Das ist das Wollen von "Checkpoint Austria". Und es besteht, wenn man Ihnen zuhört, auch da kein Zusammenhang zwischen solchen Aktivitäten, wodurch die Politik einmal mehr auf die Straße verlegt wird, und den hier vertretenen politischen Parteien.

Herr Klubobmann von den Grünen, Herr Professor Van der Bellen! Bitte kommen Sie hier heraus und erklären Sie, wie es möglich ist, dass diese Aktion das, was sie will, am Montag, den 13. November 2000, in einer Pressekonferenz im Parlament, und zwar im Klub der Grünen, Eingang Schmerlingplatz-Mitte, um 10 Uhr vorstellen wollte! Was hat das Lahmlegen Österreichs mit dem Klub der Grünen zu tun? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Van der Bellen: Das war eine angemeldete Demonstration!)

14.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte. (Abg. Achatz:  Die Republik brennt, gell? Und dann brennt die Republik!)

14.43

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gestehe, wir haben keinen Einfluss darauf, ob auch weiterhin Menschen gegen diese Bundesregierung demonstrieren. Aber ich persönlich habe großes Verständnis dafür. Wäre ich arbeitslos und


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49. Sitzung / Seite 86

wüsste ich, wie tief mir in die Tasche gegriffen werden wird, würde ich mich im Studium oder in der Ausbildung befinden und würde ich den Griff des Finanzministers in die in diesem Fall nicht besonders gut gefüllten Taschen spüren – und Gleiches gilt für Unfallrentner und allein erziehende Mütter und, und, und –, hätte ich sicherlich noch mehr Verständnis dafür. Na glauben Sie, dass die Hunderttausenden Betroffenen jetzt aufstehen und sagen werden: Applaus der schwarz-blauen Bundesregierung! Wir zahlen freiwillig, bitte noch tiefer in unsere Taschen greifen, bitte Stiftungen schonen und in die Taschen derer mit kleinen Einkommen richtig tüchtig hineingreifen!?

Sie provozieren den Widerstand, Sie provozieren den Unmut. Sie rufen mit Ihren Budgetplänen ja die Leute dazu auf, im eigenen Interesse etwas dagegen zu unternehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weil Österreich aber ein ruhiges, sehr geordnetes Land ist, gibt es Menschen, die Demonstrationen anmelden. Und was passiert dann? – Demonstrationen werden angemeldet, und Rednerinnen und Redner von den Freiheitlichen treten hier zum Pult und versuchen, ordnungsgemäß angemeldete und vorbereitete Demonstrationen quasi zu kriminalisieren. Sie greifen damit eines der Grundrechte der Demokratie an, nämlich das Versammlungsrecht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Versammlungsfreiheit, meine Damen und Herren, bedeutet nicht, dass nur dann versammelt werden darf, wenn eine Reihe von Traktoren hinter dem freiheitlichen Alt-Parteiobmann nachfährt. Das ist nicht die einzige Möglichkeit, in dieser Republik rechtmäßig Versammlungen abzuhalten! Und merken Sie sich: Auch Gewerkschafter, auch Nicht-Traktorenbesitzer und -besitzerinnen können vom Versammlungsrecht Gebrauch machen! (Abg. Dr. Van der Bellen: Jetzt wird er munter, der Herr Schwarzenberger!)  – Einen Vertreter der Landwirtschaft hat das jetzt etwas aufgemuntert. Willkommen in der Debatte, Herr Kollege Schwarzenberger! Auch traktorlose Menschen haben in Österreich das Demonstrationsrecht, und sie werden es sich nicht nehmen lassen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das Zweite: Ich nehme zur Kenntnis, dass es freiheitliche Abgeordnete gibt, die sich vor Dreieckständern fürchten. (Heiterkeit.) Ja, warum nicht? Es gibt auch das Recht, sich vor Dreieckständern zu fürchten. Wenn Abgeordneter Schender in der Früh sein Haus oder seine Wohnung – ich habe noch nicht bei EKIS nachgeschaut, wie und wo Sie gemeldet sind – verlässt und einen Dreieckständer sieht und sich fürchterlich schreckt, hat er das Recht, uns davon zu berichten. – Ich weiß nur nicht, wie wir ihm helfen können. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Schreckhaftigkeit der Freiheitlichen scheint mir begründet zu sein. (Abg. Dr. Fekter: Tiefer geht’s nicht mehr, Herr Pilz, oder?) Wenn Abgeordneter Schender in der Früh aufwacht, weiß er noch nicht, aus welchem Grund ein Funktionär oder eine Funktionärin seiner Partei an diesem Tag wieder Schwierigkeiten bekommen wird: Wird es – das kann Abgeordneter Schender in der Früh nicht wissen – eine Steuerhinterziehung sein, ein "normaler" Betrugsfall, ein Spitzelring, eine Hühnerbraterei oder irgendetwas anderes? (Abg. Dr. Petrovic: Eine Handgreiflichkeit!) Ich möchte gerade im Moment nicht freiheitlicher Funktionär sein. Ich möchte – und das bin ich bei den Grünen gewohnt – in der Früh aufwachen und wissen, dass auch an diesem Tag nichts Belastendes über meine Kolleginnen und Kollegen vorliegen wird. (Unruhe im Saal. – Einige Abgeordnete der Freiheitlichen stehen bei den ersten Bankreihen ihrer Fraktion und sprechen miteinander.)

Herr Kollege Schender! Ja, das ist ein schönes Gefühl. (Beifall bei den Grünen.) Ich freue mich auf jeden Tag, an dem es immer wieder nur um freiheitliche Spitzel, freiheitliche Steuerhinterzieher, freiheitliche Kontakte zu Friedhofschändern, freiheitliche Video-Beschaffer in Oberwart und, und, und geht. (Ironische Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Ich habe das Beispiel Oberwart genannt und komme zum ORF, weil wir ja über Bildung und Kultur diskutieren. (An dieser Stelle wendet sich Abg. Dr. Petrovic an die das Protokoll führende Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion mit der Bitte, einen Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer,


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der gelautet haben soll: "Du bist ein Depp!", in das Stenographische Protokoll aufzunehmen. – Seitens der Protokollführung wurde infolge der im Saal herrschenden Unruhe zwar ein lautes Auflachen des Abg. Mag. Schweitzer, jedoch kein konkreter Zwischenruf vernommen.)

Ich verstehe insbesondere den Abgeordneten Schweitzer, der den Dreieckständer-Bedrohungs-Angstgefühl-Skandal hier ansprechen will, weil er Grund hat, von etwas anderem abzulenken, nämlich seiner persönlichen Involvierung in die gesamte Spitzelaffäre.

Ich erinnere an Folgendes: Ein Beamter des Bundesministeriums für Inneres hat ausgesagt – und mir das persönlich bestätigt –, dass ein Redakteur der "Kronen Zeitung", ein freier Mitarbeiter der "Kronen Zeitung" namens Horvath, dem Herrn Abgeordneten Schweitzer das Tatort-Video von Oberwart übergeben hat, ein illegal beschafftes Video. (Oh-Rufe bei den Grünen.) Abgeordneter Schweitzer hat dieses Tatort-Video einem ORF-Redakteur mit dem Namen Bernd Ender übergeben. (Neuerliche Oh-Rufe bei den Grünen.)

Der Versuch dürfte Folgender gewesen sein: Es bestand ein gewisses politisches Interesse, dass nicht so eindeutig klar ist, dass das Attentat von Oberwart einen eindeutig rechtsradikalen und rassistischen Hintergrund hatte, und das Video sollte offensichtlich dazu dienen, andere Spuren zu legen und andere Täterhypothesen unters Volk zu bringen. Und ich frage mich: Wann wird das untersucht? Wann wird das geklärt? Und: Welche Folgen hat das?

Das Einzige, was ich weiß, ist, dass durch die Informationen, die ich heute dazu der Wirtschaftspolizei gegeben habe, auch in diesem Bereich Ermittlungen angestellt werden. Und wir wollen sehr genau wissen, wie unter Mithilfe eines freiheitlichen Abgeordneten im Burgenland versucht wurde, den ORF mit zugespieltem Material politisch irrezuführen. (Abg. Schieder  – auf die noch immer vor den vorderen Bankreihen der Freiheitlichen stehenden freiheitlichen Abgeordneten, die miteinander sprechen, zeigend –: Herr Präsident, wollen Sie nicht einen Kaffee servieren lassen? – Heiterkeit.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich glaube, das ist keine Maßnahme, die hier helfen könnte. Es ist angebracht, keine Dauerkonferenzen durchzuführen, während ein Redner hier am Wort ist. Ich bitte daher, das zu berücksichtigen!

Herr Abgeordneter Pilz, setzen Sie bitte fort!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Ich verstehe allerdings den aktuellen Koordinationsbedarf in der Freiheitlichen Partei. Nur besteht ja rein technisch die Möglichkeit, das ein paar Meter weiter hinten zu machen. Aber ich verstehe, es drängt.

Reden wir doch von den politischen Hintergründen: War es nicht der Abgeordnete Schweitzer, der seinerzeit die ihm persönlich verbundenen Friedhofschänder von Eisenstadt öffentlich in Schutz genommen hat? Gibt es da nicht eindeutigen politischen Hintergrund? Und ich frage mich – von der Friedhofschändung in Eisenstadt bis zum Attentat in Oberwart und dem Versuch, das politisch umzudeuten –, was da passiert ist.

Meine Damen und Herren! Natürlich werden wir das im Rahmen einer Diskussion über die österreichische Bildungspolitik nicht klären können. Wir werden aber selbstverständlich einen neuerlichen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen.

Gestatten Sie mir eine kleine Bemerkung dazu: Nachdem mit dem Brief Binder die Freiheitliche Partei – ob zu Recht oder zu Unrecht – darauf hinweist, dass da einiges untersuchenswürdig wäre, warte ich endlich auf Ihre Zustimmung zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses. Ich richte auch heute wieder die herzliche Einladung dazu an Sie! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Letztes noch zur Bildungspolitik und zum Ausgangspunkt dieser Debatte, die wir in der letzten Stunde führen. – Frau Bundesminister, es sollte zumindest Ihnen klar sein, was Ihr öffentlicher Wortbruch an den Universitäten ausgelöst hat. Es waren nicht die Studentinnen und Studenten, die gesagt haben: Na ja, jetzt beginnt das Wintersemester, jetzt müssen wir auf die


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Straße!, sondern es waren die Studentinnen und Studenten, die bis heute nicht genau wissen, warum die Bildungsministerin – die den Universitäten und den Studierenden im Wort war, Studiengebühren zu verhindern – an einem Wochenende und nach einem langen Gespräch mit dem Bundeskanzler ihre Meinung völlig geändert und ihr Wort gebrochen hat. (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist unwahr! Sie hat es heute erklärt, aber Sie nehmen nie teil an Sitzungen!)

Dieses gebrochene Wort, Frau Bundesministerin Gehrer, war der Beginn einer völlig anderen Stimmung an den österreichischen Universitäten! Die Studentinnen und Studenten – und damit nehme ich Bezug auf das Budget – können mindestens genauso gut rechnen wie der Finanzminister, und sie wissen, dass die jetzige Bundesregierung Beschlüsse fassen will, und zwar noch in dieser Legislaturperiode, dass Abfangjäger gekauft werden um einen Betrag, der mindestens zwölf Jahreseinnahmen aus dem Titel "Studiengebühren" entspricht. Zwölf Jahre lang sollen österreichische Studentinnen und Studenten zahlen – ohne jede Rücksicht! –, damit die Regierung Abfangjäger kaufen kann! (Abg. Rosemarie Bauer: Sie waren der erste, der geschrien hat!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Das ist eine Frage der Prioritätensetzung, und das ist die Frage, die Sie zu beantworten haben! Warum sind Sie als Ministerin zu schwach, eine wirkliche Ausgabensteigerung bei Bildung, bei Forschung und Entwicklung durchzusetzen, und warum müssen Sie mitstimmen, wenn das Geld, das wir für Bildung und Forschung und Entwicklung dringend brauchen würden, im Militärischen verschleudert wird?

Frau Bundesministerin! Diese Frage sollten Sie auch den Studentinnen und Studenten in dieser Debatte beantworten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.55


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Abgeordnete Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.55

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Es hat einen sehr eigenartigen Vorgang gegeben, während Kollege Pilz hier gesprochen hat: Frau Kollegin Petrovic ist zur Protokollführung gelaufen und hat bei dieser offensichtlich etwas reklamiert.

Ich halte das für eine ungeheuerliche Beeinflussung der Protokollführung! Ich ersuche den Herrn Präsidenten, das Protokoll beizuschaffen, damit sichergestellt ist, dass die unabhängige Protokollführung durch solche Anweisungen an das Protokoll nicht gefährdet ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.55

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bin im Verlaufe dieser Sitzung bei Ihnen gewesen, da manche der deutlich vernehmbaren Zwischenrufe meiner Meinung nach eine sofortige Reaktion Ihrerseits nahe legen würden. Es war da unter anderem die Rede von "Stalin-Methoden", es war die Rede von "Nazi-Methoden" – und es war während der Rede des Kollegen Pilz, deutlich vernehmbar, seitens des Abgeordneten Schweitzer der Ruf "Du bist ein Depp!" zu hören.

Es wundert mich schon sehr, Frau Abgeordnete Fekter, dass Sie zu solchen Methoden greifen! Aber nach dem gestrigen Tag verwundert es mich vielleicht auch nicht mehr, wenn nämlich der Antrag einer Partei abgelehnt wird, einer Partei, die in diesem Antrag die "Lump!" - Aussage dem Herrn Bundespräsidenten gegenüber scharf verurteilt!

Herr Präsident! Ich rege an, die Sitzung zu unterbrechen, damit wir das Ganze jetzt an Ort und Stelle, und zwar ad hoc, klären. (Beifall bei den Grünen.)

14.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir werden über diesen Vorfall in der nächsten Präsidiale sprechen, und ich werde auch das Protokoll diesbezüglich anfordern beziehungsweise ein Gespräch mit der Protokollführerin darüber führen.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

14.57

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerinnen! Abgeordneter Pilz hat einmal mehr – das tut er ja in letzter Zeit sehr häufig – hier etwas behauptet, was mit der Wahrheit nichts zu tun hat, und zwar hat er behauptet, dass ich mir ein Tatort-Video von Oberwart auf illegale Weise beschafft hätte.

Tatsache und wahr ist, Herr Kollege Pilz, dass dieses Video von einem Journalisten gedreht wurde und er mir dieses zur Verfügung gestellt hat! – Aber das hättest du, Kollege Pilz, bereits vor vier Jahren im "NEWS" nachlesen können. Und in diesem Artikel steht auch der Name dieses Journalisten drin. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Pilz –: Peinlich, peinlich!)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.58

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte jetzt etwas tun, was von mir vermutlich nicht angenommen oder erwartet wird: Ich möchte nämlich Herrn Abgeordneten Schweitzer ausdrücklich danken – und ihm Recht geben – für eine Passage in seinem Redebeitrag von vorhin, da er in dieser klargestellt hat, dass die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem 5. Dezember – diese laufen unter dem Namen "Checkpoint Austria" – nichts mit dem ÖGB zu tun haben. Ich möchte das bekräftigen und Ihnen, Herr Abgeordneter Schweitzer, für diese Klarstellung danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Wichtig ist auch, festzuhalten, dass diese Bundesregierung mit ihren Maßnahmen viele Menschen in unserem Lande zu Protesten geradezu animiert. Diese Regierung fördert die Konfliktdemokratie, verlässt die Konsensdemokratie – und das leider auch in der Bildungspolitik!

Sehr geehrte Damen und Herren! Bildung beinhaltet auch den Bereich "politische Bildung". Ein Werkzeug der "politischen Bildung" ist das Internet. Das Internet gibt auch die Möglichkeit, unsere Diskussion hier live mitzuerleben und sich Informationen – wer immer das will – zu besorgen, so unter anderem, wo ein Abgeordneter erreichbar ist beziehungsweise wofür sich ein Abgeordneter einsetzt und wofür er stimmt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Regierung will uns weismachen, ein Großteil der Bevölkerung sei von den Maßnahmen, insbesondere auch im Bildungsbereich, nicht betroffen. – Mittlerweile wissen aber wirklich schon sehr viele, dass das, was Sie von den Regierungsparteien sagen, nicht richtig und daher Aufklärung, politische Information notwendig ist.

Meiner Überzeugung nach muss Demokratie auch auf der Straße gelebt werden können, muss auch dort erlaubt sein, wobei aber selbstverständlich klar ist, dass die Privatsphäre eines Abgeordneten gewahrt bleiben muss. Und dabei gibt es, so meine ich, auch kein Problem. Und: Bei den Aktionen des ÖGB ist das selbstverständlich auch sichergestellt, sehr geehrte Damen und Herren.

Der ÖGB wird daher die Arbeitnehmer auch in Zukunft weiterhin über die Haltung und das Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten ausführlich informieren, und ich glaube, das ist eine klare Position und eine klare Antwort auch auf den Diskussionsbeitrag und auf die Sorge, die


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Herr Abgeordneter Schender geäußert hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das so schwer, dass man sich davon distanziert? Bei Ihnen sollte das doch gehen, dass Sie sich von solchen Aktionen distanzieren! Sie könnten das doch tun!)

Wir werden alle im ÖGB unterstützen, die bestrebt sind, festzustellen und zu informieren, was Sie, Herr Abgeordneter Westenthaler, oder andere in diesem Haus von allen Parteien tun und wie Sie sich bei Abstimmungen verhalten. Wenn Ihnen das nicht recht ist, dann müssen Sie selbst damit fertig werden. (Beifall bei der SPÖ.)

15.0


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1

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir werden die Abstimmung noch vor Durchführung der Kurzdebatte vornehmen, um das Kapitel abschließen zu können.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über die Beratungsgruppe VI des Bundesvoranschlages für das Jahr 2001.

Diese umfasst die Kapitel 12 und 14 des Bundesvoranschlages in 310 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe VI des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Wenn dagegen kein Einwand erhoben wird, kommen wir gleich zur Abstimmung. – Es wird kein Einwand erhoben.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Antoni und Genossen betreffend Abstandnahme von der Einführung von Kostenbeiträgen in postsekundären Bildungseinrichtungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pittermann und Genossen betreffend Forcierung der Forschungsanstrengungen zum Schutz und zur Sicherheit des Verbrauchers im Zusammenhang mit der gefährlichen Ausbreitung von Creutzfeldt-Jakob-Krankheiten beziehungsweise BSE.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1202/AB

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen jetzt zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit der Ordnungszahl 1202/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein. Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lunacek.

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Frau Abgeordnete! Sie haben das Wort. Die Redezeit beträgt maximal 10 Minuten. – Bitte.

15.03

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Es geht hier um die Besprechung einer Anfrage und deren Beantwortung durch die Frau Außenministerin. (Lebhafte Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der ÖVP und der Grünen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Danke. – Darin ist es um ihre Rede anlässlich der Auslandskulturtagung Ende August gegangen. (Weitere anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der ÖVP und der Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Sie hat gesagt, die Lumpen-Partie da drüben! – Ruf bei den Freiheitlichen: Das hat sie gesagt? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da sollte man das Protokoll einsehen! Das sind Methoden!)

Ich würde mich jetzt sehr freuen, wenn die werten Damen und Herren Abgeordneten ihre Aufmerksamkeit in Richtung Podium lenkten und nicht weiter diskutierten. Meine Zeit hier ist nur beschränkt. Gut. (Weitere Zwischenrufe und Unruhe im Saal.)

Frau Ministerin! Sie haben in Ihrer Rede bei der Auslandskulturtagung vor den österreichischen Kulturattachés und Botschaftern den deutschen Außenminister kritisiert und gemeint, er habe von den besonderen historischen Erfahrungen Österreichs und Deutschlands gesprochen und dass er damit beide Staaten gleichermaßen für den Nationalsozialismus verantwortlich machen wollte. Sie haben gesagt, dass diese Haltung schlichtweg falsch sei, und weiters haben Sie gesagt, dass sich die historische Erfahrung Österreichs in wesentlichen Punkten von jener Deutschlands unterscheidet, denn Österreich ist am 13. März 1938 militärisch überfallen und okkupiert worden.

Für den Staat Österreich stimmt das ja – das haben wir in den letzten Tagen schon des Öfteren diskutiert –, aber auf die Frage, ob das Geschichtsverständnis Österreichs damit geändert werde und ob auch die Erklärung Vranitzkys, in der er die Mitschuld Österreichs eingestanden hat, verändert werden solle, haben Sie nur mit Nein geantwortet und die Präambel der Regierungserklärung zitiert, in der steht:

"Unser Land nimmt die hellen und die dunklen Seiten seiner Vergangenheit und die Taten aller Österreicher, gute wie böse, als seine Verantwortung an."

Frau Ministerin! Diese Antwort ist für mich nur eine halbe, denn Sie gehen in keinem Punkt auf den zweiten Teil der Wahrheit ein, und damit ist diese Position, die Sie hier darlegen, eine Verzerrung. Sie sprechen vom österreichischen Staat, der von den Nazis okkupiert wurde und der als Staat dann nicht mehr bestand – das stimmt, das ist verfassungsrechtlich richtig, das stimmt historisch –, aber Sie implizieren damit gleichzeitig, dass damit auch die Österreicherinnen und Österreicher gemeint sind und dass gemeint ist, dass die auch nur Opfer waren.

Ich finde es interessant, dass diese Haltung in den letzten Wochen und Monaten des Öfteren wiederkehrt, und zwar in einem Ausmaß, in dem wir es von ÖVP-Politikerinnen und -Politikern in den letzten Jahren meiner Erinnerung nach nicht so oft gehört haben.

Ähnlich hat ja der frühere Außenminister und jetzige Bundeskanzler Schüssel in seinem Interview mit der "Jerusalem Post" am 9. November argumentiert, und es sieht so aus, dass sowohl Sie, Frau Außenministerin, als auch der Herr Bundeskanzler tatsächlich davon ausgehen, dass Österreich und die Österreicher und Österreicherinnen in denselben Topf zu werfen seien, indem Sie sagen: Das ist alles gleich! Der Staat Österreich hat nach dem März 1938 nicht mehr existiert, er war das Opfer, und die Österreicher und Österreicherinnen haben auch nichts damit zu tun gehabt!

Dieser zweite Teil, die Rolle und die Verantwortung der Österreicherinnen und Österreicher, der kommt ja auch in der Regierungserklärung nur sehr vage formuliert vor und nicht so eindeutig, wie das mittlerweile klar sein sollte. Es sollte klar sein, dass Österreicher und Österreicherinnen sehr wohl und in viel höherem Ausmaß, als das 1945 klar war, teilgenommen haben an den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes.


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Es geht nicht an, dass Sie als Außenministerin und dass auch der Herr Bundeskanzler hier eine Geschichtsklitterung vollziehen. Ich frage mich wirklich: Woher kommt das? Warum machen Sie das jetzt?

Immer wieder ist als Begründung für diese Opfertheorie, die den Staat mit den Bürgerinnen und Bürgern gleichstellt – auch Sie haben das vor kurzem getan –, die Moskauer Deklaration aus dem Jahre 1943 genannt worden. Ich glaube, Sie haben die Moskauer Deklaration nicht ganz gelesen. Da steht sehr wohl drinnen, dass auch Österreicher und Österreicherinnen beteiligt waren. Aber in der Nachkriegszeit wurde diese Moskauer Deklaration zu so etwas wie einer Begründung dafür, dass die Opfertheorie ja stimmt und dass damit dem Staat Österreich, aber auch der Mehrheit der StaatsbürgerInnen quasi eine Generalabsolution erteilt werden soll.

Wenn Sie die Moskauer Deklaration zitieren, dann müssen Sie sie ganz zitieren, dann müssen Sie auch auf diesen zweiten Teil eingehen.

Genauso hätte ich mir von Ihnen erwartet, dass Sie bei der Auslandskulturtagung ganz eindeutig sagen, dass eine Vielzahl von Österreichern und Österreicherinnen mitschuldig, mitverantwortlich für die NS-Verbrechen war, dass Sie nicht nur sagen: Das ist ganz anders als in Deutschland, Österreich war Opfer. – Das ist zu wenig, Frau Ministerin! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger. )

Diese Opfertheorie ist ja auch darin impliziert, dass Sie immer davon sprechen, dass andere schuld sind: Die Deutschen sind schuld, die NS-Führer sind schuld. Es kommt mir doch tatsächlich so vor, als würden auch Sie, Frau Außenministerin, sich an etwas anlehnen, was 1945 in einem Memorandum der österreichischen Staatskanzlei für auswärtige Angelegenheiten festgeschrieben wurde. Darin ist Folgendes zu lesen – ich zitiere –:

Die Judenverfolgungen erfolgten während der Dauer der Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen. Die Verfolgungen wurden durch reichsdeutsche Behörden angeordnet und mit ihrer Hilfe durchgeführt. – Zitatende.

Frau Ministerin! Das war die Staatskanzlei für auswärtige Angelegenheiten im Jahre 1945. Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir im Jahre 2000 die Geschichte nicht mehr so betrachten, sondern sehr wohl sehen und Sie es auch ganz klar und deutlich sagen, dass Österreicher und Österreicherinnen daran beteiligt waren und dass Österreich auch eine Mitverantwortung trägt in den Fragen der Restitution et cetera. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger. )

Was Sie tun, ist, durch dieses implizite Weglassen diese Mitverantwortung abzusprechen, und das, Frau Ministerin, bringt mich zu der Frage, warum denn das gerade jetzt passiert. Im September oder Ende August noch waren Sie es, jetzt im November ist es der Herr Bundeskanzler, der auch bei seiner Erklärung vor zwei Tagen hier im Nationalrat etwas durchaus anderes, etwas bemerkenswert anderes gesagt hat als der frühere Bundeskanzler Vranitzky in seiner bekannten Rede. Bundeskanzler Schüssel hat nämlich gesagt, Österreich beziehungsweise wir hätten keine gesetzliche oder legalistische Verantwortung, das sei reine moralische Verpflichtung.

Frau Ministerin! Das ist ein Rückschritt angesichts dessen, was Vranitzky gesagt hat, der nämlich sehr wohl von einer moralischen und rechtlichen Verpflichtung gesprochen hat. Ich erwarte mir von Ihnen, dass Sie diese rechtliche Verpflichtung sehr wohl auch benennen und nicht so tun, als ob Österreich diese nicht hätte.

Kurz noch dazu, warum das denn gerade jetzt passiert. Das soll wohl Kitt sein für die Koalition mit den Freiheitlichen, das soll wohl Kitt sein für eine Koalition, bei der die Brüche ganz massiv sichtbar werden, bei der sichtbar wird, dass Sie zwar in einigen Punkten – vielleicht im Wirtschaftsbereich – sehr wohl übereinstimmen, dass es hier aber andere Details gibt, wo diese Koalition schon sehr im Gebälk kracht.

Was Sie mit diesen Formulierungen und mit dieser Negierung der Verantwortung und der Mitschuld der Österreicherinnen und Österreicher zur Zeit des Nazi-Regimes auch tun, ist, dass Sie


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so etwas wie ein Netz auswerfen all jenen gegenüber, die mit dieser Lebenslüge von Österreichs ausschließlicher Opferrolle weiterleben wollen und sich von geschichtlichen Tatsachen nicht irritieren lassen wollen.

Außerdem sieht es danach aus, dass hier zwei Geschichtsverständnisse zusammentreffen. Da ist zum einen die ÖVP, die den Ständestaat, die das Dollfuß-Regime verteidigt und sagt, deswegen, weil es den Staat Österreich verteidigt hat, ist alles andere, was dieses Regime verbrochen hat, anscheinend legitim. Dieser Ständestaat wurde zum Opfer, und deswegen ist auch Österreich das Opfer. Gleichzeitig gibt es jene, eher im Bereich der Freiheitlichen angesiedelt, die alle Schuld von sich weisen wollen und nicht wirklich bereit sind zur Restitution, auch wenn die Regierung jetzt ein bisschen etwas tut. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Frau Ministerin! Ich fordere Sie auf: Stellen Sie klar, dass Sie die Österreicherinnen und Österreicher ... (Abg. Dr. Khol: Die Redezeit ist lange zu Ende!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): ... nicht nur als Opfer sehen, sondern sehr wohl als mitverantwortlich an den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes betrachten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Frau Ministerin.

15.14

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Am 4. Mai hat der polnische Außenminister Bartoszewski, selbst ein ehemaliger Häftling in Konzentrationslagern, in diesem Haus aus Anlass des Jahrestages der Befreiung von Mauthausen gesagt – ich zitiere wörtlich –:

"Ein Jahr vor meinem Abitur wurde die souveräne Republik Österreich auf der Landkarte Europas ausgelöscht."

Und ich muss sagen, seine damalige Rede hat mich sehr beeindruckt.

Wir können heute die historische Wahrheit nicht umschreiben. Österreich war als Staat das erste Opfer des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland. Genau das habe ich eben in meiner Rede bei der Auslandskulturtagung gesagt, die Anlass dieser Debatte ist.

Bundeskanzler Schüssel hat ebenfalls stets beide Seiten der schweren österreichischen Geschichte angesprochen. Sie erinnern sich, er hat in seinem Interview in der "Jerusalem Post" die historische Verantwortung Österreichs für das bekräftigt, was Österreicher als Täter in der Zeit des Nationalsozialismus getan haben. Er hat aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass völkerrechtlich das souveräne Österreich das erste Opfer des Nazi-Regimes war.

Damit hat er die offizielle Position Österreichs bekräftigt, wie sie der damalige Bundeskanzler Dr. Vranitzky 1991 im Nationalrat formuliert hat, der nämlich sagte – ich zitiere, und Sie können das überall nachlesen –:

"Es ist unbestritten, daß Österreich im März 1938 Opfer einer militärischen Aggression mit furchtbaren Konsequenzen war."

Dr. Vranitzky sprach dann von österreichischen Tätern und sagte – Zitat –: "Viele Österreicher waren an den Unterdrückungsmaßnahmen und Verfolgungen des Dritten Reiches beteiligt, zum Teil an prominenter Stelle. Über eine moralische Verantwortung für Taten unserer Mitbürger können wir uns auch heute nicht hinwegsetzen." – Zitatende.

Zu dieser Verantwortung bekennt sich selbstverständlich auch diese Bundesregierung, die innerhalb weniger Monate – das brauche ich eigentlich nicht noch einmal zu sagen – die Frage


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der Wiedergutmachung für Zwangsarbeiter gelöst hat und immer noch Verhandlungen über die Vermögensrestitution führt.

In diesem Sinne hat sich auch kürzlich, vor zwei Tagen, nämlich in der Debatte vom 28. November, der Herr Bundeskanzler ausführlich geäußert. Österreich hat damit zu leben, dass es zwischen 1938 und 1945 in Österreich Täter und Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gab und dass wir auch moralische Verantwortung dafür tragen, wie sich das demokratische Österreich nach 1945 dieser Frage gestellt hat.

Wenn wir aber heute zu Recht sagen, dass wir als Österreicher moralische Verantwortung für die Vergangenheit und ihre schwierige Aufarbeitung tragen, so müssen wir als Österreicher aber auch sagen dürfen, dass, wie es nämlich der Historiker Gerald Stourzh formuliert hat, "das Ende Österreichs vom März 1938 ein von außen getragener Gewaltakt" – wörtliches Zitat – "war". Das entschuldigt keinen einzigen Täter, gehört aber zu Recht auch zur österreichischen Geschichte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte nur noch anfügen, dass ich es bedauere, dass dieses Thema inzwischen zum Anlass von parteipolitischer Polemik genommen wird, indem die so genannten moralisch Guten nur über eine österreichische Täterrolle sprechen und andere als die moralisch Bösen dargestellt werden, weil sie sich nicht an einem solchen einseitigen Umschreiben der Geschichte beteiligen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Waren denn die Zigtausenden österreichischen Opfer des Nationalsozialismus nicht auch Teil dieser Geschichte? Und auch hier erinnere ich an die Rede von Bartoszewski, die ich zwar jetzt nicht zitiere, die aber jeder nachlesen kann. Sollen die Täter die absurde Genugtuung erhalten, dass sie zum Wesentlichen Österreichs und der Österreicher erklärt werden? Sie entwerten nämlich damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Opfer all jener, die in Österreich in Opposition zum Hitlerregime waren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich kann daher nur alle Fraktionen in diesem Haus nochmals ersuchen, ernst zu nehmen, was Bartoszewski am 4. Mai in diesem Parlament ebenfalls sagte – und damit würde ich schon schließen –:

"Ohne kritisches Nachdenken über die Vergangenheit ist es unmöglich, einen vernünftigen Blick in die Zukunft zu erlangen – in eine bessere, der neuen Generation würdige Zukunft." – Danke, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Jede Fraktion hat Gelegenheit zu einer Stellungnahme von je 5 Minuten. Wir gehen nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen vor.

Herr Abgeordneter Dr. Kostelka erhält als Erster das Wort. – Bitte.

15.20

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Sie haben es soeben getan, und Herr Bundeskanzler Schüssel und Kollege Khol haben es vor wenigen Tagen mit allem Nachdruck getan, als die Rolle Österreichs anlässlich seines Untergangs im Jahre 1938 neu diskutiert wurde, und zwar mit der Begründung, dass die Zeitgeschichte nicht umgeschrieben werden darf.

Meine Damen und Herren! Genau das ist aber offensichtlich die Absicht von Vertretern der Bundesregierung! Militärisch gesehen haben Sie sicherlich Recht, aber der Untergang Österreichs im Jahre 1938 lässt sich nicht nur auf die militärhistorischen Aspekte einschränken. Wer immer Geschichte verknappt, verfälscht sie, und das ist der Grund dieser Diskussion. (Beifall bei der SPÖ.)


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Zum Beweis der reinen Opferrolle Österreichs hat der Herr Bundeskanzler in seiner Rede am Dienstag lange Passagen eines Telefonates zwischen Seyss-Inquart und Hermann Göring am Abend des 11. März 1938 zitiert. Was der Herr Bundeskanzler dabei aber unter den Tisch fallen ließ, war, dass Seyss-Inquart nicht ein verschwörerischer, illegaler Nationalsozialist war, sondern zu diesem Zeitpunkt Mitglied der österreichischen Bundesregierung und österreichischer Innenminister.

Meine Damen und Herren! Die Nationalsozialisten kamen daher nicht bei Nacht und Nebel im Gefolge der einmarschierenden deutschen Wehrmacht ins Land, sondern sie waren zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglieder der Bundesregierung, und das auf Grund eines Vertrages des damaligen österreichischen Bundeskanzlers mit Adolf Hitler. Auch in der österreichischen Bundesregierung saßen am 11. März 1938 nicht nur Opfer, sondern auch Täter.

Meine Damen und Herren! Die historische Wahrheit ist ganz einfach, dass 1938 und in der Zeit davor die Probleme so vielfältig waren, dass die damalige ständestaatliche faschistische Regierung mit ihnen allein nicht fertig wurde. Dazu fehlte allein schon die für faschistische Bewegungen typische Massenbasis. Und da die Hilfe von demokratischen Staaten schlicht und einfach nicht möglich war, weil ein faschistisches Regime diese Hilfe nicht erwarten konnte, hatte letztendlich das antidemokratische ständestaatliche Regime nur zwei Möglichkeiten: sich entweder an den faschistischen Mächten Italien oder Deutschland zu orientieren oder sich im Inland Hilfe zu suchen und damit den Weg zurück zur Demokratie zu finden.

Meine Damen und Herren! Die Tragik Österreichs im Jahr 1938 und davor war, dass sich seine Regierung konsequent für den Faschismus und gegen die Demokratie entschieden hat.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Österreich ist 1938 nicht als demokratischer Staat untergegangen, sondern es musste als faschistischer Trabant zuerst Italiens und dann Deutschlands nahezu zwangsläufig seine Selbständigkeit verlieren, weil es den demokratischen Weg verlassen hatte. – Und das ist die historische Wahrheit!

Meine Damen und Herren! Es bleibt für mich nur die Frage: Warum diese Debatte, und warum hier und heute? – Für mich gibt es darauf nur eine erkennbare Antwort, nämlich die, dass Sie offensichtlich weder Willens noch fähig sind, die Verantwortung für die eigene Geschichte zu übernehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.24

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Leopold von Ranke, der große Historiker des vergangenen Jahrhunderts, hat die Aufgabe der Geschichtswissenschaft einmal wie folgt beschrieben oder umschrieben: Er hat gesagt, die vornehmste Aufgabe der Historie sei die Erforschung und Darstellung dessen, wie es in der Vergangenheit wirklich gewesen ist. Das ist zugegebenermaßen ein sehr puristischer Standpunkt, der durch die Entwicklung in der Geschichtsschreibung auch überarbeitet worden ist. Es gehört heute selbstverständlich auch die Interpretation zur Geschichtswissenschaft dazu. Meine Damen und Herren! Aber nur Interpretation oder nur Suggestivfragen ohne jede Grundlagenforschung können die Geschichte nicht ersetzen.

Im Laufe der Geschichte hat es immer wieder Versuche gegeben, die Geschichte zu politisieren, zu instrumentalisieren, sie in den Dienst einer politischen Partei oder, wenn Sie wollen, von Staaten, von Dynastien zu stellen, und etwas Ähnliches, so scheint mir, erleben wir auch heute. Dies ist eine vorwiegend politisch-taktische Diskussion, die nur zu dem Zweck geführt wird, um in die Schlagzeilen zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was nun die Ereignisse von 1938 betrifft, so ist unbestritten, dass das damalige Österreich durch den Einmarsch ausländischer, reichsdeutscher Truppen aufhörte, zu existieren. Bundeskanzler Dr. Schuschnigg hat in einer Radiorede am 11. März 1938 wörtlich gesagt:


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Die deutsche Reichsregierung hat dem Herrn Bundespräsidenten ein befristetes Ultimatum gestellt, und der Herr Bundespräsident beauftragt mich, dem österreichischen Volk mitzuteilen, dass wir der Gewalt weichen.

Meine Damen und Herren! Klar ist aber auch, dass Österreich zwischen 1934 und 1938 keine Demokratie war, sondern ein autoritärer Ständestaat. Das war seit der von Bundeskanzler Dollfuß so genannten Selbstausschaltung des Parlaments am 7. März 1933 der Fall, die der Dritte Präsident des Parlaments, nämlich der Großdeutsche Straffner, vergebens zu verhindern versucht hat.

Dass seit dem Bürgerkriegsjahr 1934 der österreichische Ständestaat politisch zwischen dem faschistischen Italien Mussolinis und dem nationalsozialistischen Deutschland lag, ist wissenschaftlich ebenfalls unstrittig. Maßgeblichen Einfluss an dieser Ausrichtung hatten mit Sicherheit die Heimwehren beziehungsweise deren Führung.

Dass die Erste Republik politisch und wirtschaftlich instabil war, hat eine Reihe von Gründen, deren Erforschung ganze historische Seminare beschäftigt hat. Es war zum einen die Auseinandersetzung paramilitärischer Verbände, der Heimwehren, des Republikanischen Schutzbundes, die eine ständige Bürgerkriegsgefahr in dieser Ersten Republik heraufbeschworen, zum anderen aber auch die schwierige wirtschaftliche Lage.

Sie war gekennzeichnet durch eine hohe Arbeitslosigkeit; heute würde man sicherlich sagen: Massenarbeitslosigkeit. Und diese Wirtschaftskrise hat sich ab dem Jahre 1929 verschärft, als der Zollunionsplan des Bundeskanzlers Schober endgültig gescheitert war. Außerdem war damals – und das war ebenfalls ein Faktor – die Anschluss-Idee der Jahre 1918/1919 noch nicht tot. Ich möchte zwei Namen nennen, die dafür stellvertretend genannt werden können: Otto Bauer, aber auch Karl Renner, zwei bekannte sozialdemokratische Politiker, Staatsmänner.

Die Anschluss-Idee bei den Sozialdemokraten war erst nach der Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland vorbei. Der Anschluss-Gedanke war aber nicht nur auf die politischen Eliten jener Zeit beschränkt, sondern durch den Zwang der drückenden wirtschaftlichen Verhältnisse in breiten Bevölkerungsschichten verankert. Die Leute, die damals gejubelt haben, haben Arbeit und Beschäftigung, aber nicht Krieg und Konzentrationslager erhofft.

Der französische Kriegspremier Clemenceau hat nach dem Ersten Weltkrieg zynisch festgestellt: "Österreich? Das ist der Rest!" – Und aus dem Staat, den 1918/1919 "niemand wollte", war 1938 ein Staat geworden, den zu Wenige wollten.

Abschließend noch eine Bemerkung zu der Schlagzeile der Grünen, der angeblichen Revision der österreichischen Geschichte. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Dieses Wort "Revision" – und damit komme ich zum Schluss – ist natürlich ein Totschlag-Vokabel in dieser Diskussion, denn eine Revision des Geschichtsbildes gibt es immer. Immer, wenn neue Geschichtsforschungen vorliegen, muss das Geschichtsbild revisioniert oder geändert werden, und deswegen bekennen wir uns auch dazu, dass man diese neuen Vokabel einfließen lässt. Wir haben aber mit dem Antrag, wie Sie ihn vorgebracht haben, nichts zu tun, weil das Ausdruck eines politischen Kampfes und nicht einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist. – Danke. (Bravorufe und anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Tancsits. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.30

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Debatte darüber, ob der Satz der Frau Außenministerin, "Hitler-Deutschland hat Österreich militärisch überfallen und okkupiert", eine Revision der Geschichte darstellt, wirft bei mir die Frage auf: Wem sollte eine solche Revision denn nützen?


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Hat nicht das Ausland – vielleicht bis auf jene damals in Diskussion stehende Anmerkung des amtierenden deutschen Bundesaußenministers – ein unverfälschtes und richtiges Bild, wenn man die Auslandspresse der Jahre 1933 bis 1938 oder auch nach 1945 betrachtet oder wenn man die Moskauer Deklaration von 1943 oder auch die Präambel des Staatsvertrages von 1955 liest?

Dieses Ausland hat und hatte das richtige Bild! Hitler-Deutschland hat Österreich militärisch überfallen und okkupiert. Und ich möchte hinzufügen: Hitler-Deutschland wurde dabei von einer gewalttätigen und hochverräterischen fünften Kolonne in Österreich unterstützt.

Die österreichische Bevölkerung, ein großer Teil von ihr, und die österreichische Regierung haben sich in einem Abwehrkampf gegen diesen Versuch der Unterwanderung durch die fünfte Kolonne der Nationalsozialisten in diesem Land gestellt. Das haben so unverdächtige Zeitzeugen wie Karl Kraus in "Die dritte Walpurgisnacht" oder Bertolt Brecht in "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" beeindruckend geschildert.

Nicht umsonst gab es etwa ab dem 25. Juli 1942 – einem ganz bewusst gewählten Datum – in den USA einen von 13 Gouverneuren und dem damals sehr einflussreichen Senator Pepper organisierten "Austrian Day", an dem genau an diesen Abwehrkampf Österreichs von 1933 bis 1938 erinnert wurde. Und nicht umsonst gab es in den USA das Projekt einer österreichischen Legion zur Beteiligung an der militärischen Befreiung Österreichs. Diese Legion ist bekanntlich am Widerstand der sozialistischen Emigration gescheitert, weil diese sich erst nach 1945 langsam vom Gedanken des großdeutschen Einheitsstaates in vollem Umfang lösen konnte.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie daher: Warum sollte die Bundesregierung, sollte die Frau Bundesministerin dieses Geschichtsbild im Ausland revidieren wollen? Sollen wir denn heute nachträglich der Nazi-Propaganda Recht geben, die immer versucht hat, den militärischen Überfall auf Österreich als Wunsch eines überwiegenden Teiles der Bevölkerung darzustellen?

Es schreibt am 15. November in der "Presse" Herr Dr. Vetter, ein Gastkommentator – ich zitiere –:

"Die Aufarbeitung der österreichischen Geschichte kann nicht darin bestehen, im Jahr 2000 endlich den Goebbels’schen Lügen über die nationalsozialistische Einstellung Österreichs Glauben zu schenken." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das darf nicht geschehen! Das sind wir alle den Opfern des Naziterrors in Österreich von 1933 bis 1938 und auf dem Gebiet Österreichs von 1938 bis 1945 schuldig. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

15.35

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir waren schon weiter. Mit der Erklärung des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky hat auf politischer Ebene das stattgefunden, was die Geschichtswissenschaft in Österreich zu diesem Zeitpunkt schon längst – Herr Kollege Kurzmann, ohne Revision! – als richtig und wichtig erkannt hat und was mit dem Satz "Österreich war nicht nur Opfer, sondern auch Täter" sicherlich verkürzt wiedergegeben wird.

Aber nachdem in der vorigen Woche in diesem Haus ein Buch über Österreich unter der nationalsozialistischen Herrschaft präsentiert wurde – ein Sammelband –, möchte ich ganz kurz aus einem Beitrag des Zeithistorikers Hanns Haas aus Salzburg über die Zeit vor dem "Anschluß" zitieren.

Da heißt es als Kapitelüberschrift zum Beispiel "Anschluss von innen" und "Österreich wird unterwandert". Das beschreibt die österreichische Realität in der Zeit vor dem eigentlichen "Anschluß", vor dem Einmarsch der militärischen Truppen des Naziregimes. Österreich war schon


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damals – darauf hat Kollege Kurzmann durchaus hingewiesen – nicht mehr frei. Aber das ist nur eine Seite der Realität, die damals bestanden hat.

Es geht nicht nur darum, dass wir damals ein unfreier Staat waren. Es geht auch darum, welches Verhalten die österreichische Bundesregierung unter Dr. Kurt Schuschnigg gegenüber Hitler, gegenüber dem großdeutschen Reich gesetzt hat, indem es sich selbst als zweiter deutscher Staat bezeichnet hat und Minister – nicht nur Seyss-Inquart, sondern auch Gneise-Horstenau  – schon 1936, nach dem Juli-Abkommen, in die Regierung aufgenommen hat, deren Funktion es war, die Verbindung zu den Nationalsozialisten im Deutschen Reich, aber auch innerhalb Österreichs herzustellen. Dieser Gneise-Horstenau war zum Beispiel ein Minister ohne Portefeuille, dessen einzige Aufgabe es offensichtlich war, die Nazis, die vorher wegen illegaler Betätigung festgenommen worden waren, zu amnestieren.

Wenn Sie schon auf den militärischen "Anschluß" zu sprechen kommen, dann möchte ich Ihnen entgegenhalten, dass von militärischer Seite her als eine Konzession der Regierung Schuschnigg der Generalstabschef des österreichischen Bundesheeres Jansa, der als Einziger erkannt hat, was auf Österreich zukommt und Aufmarschpläne für das österreichische Bundesheer entwickelt hat, die natürlich den Nazis nicht unbekannt geblieben sind, auf Drängen der Nazis und von Hitler als Generalstabschef abgesetzt wurde. – Das sind Realitäten! Das sind Realitäten, die nicht verschwiegen werden dürfen! (Abg. Kiss: Wer hat sie denn verschwiegen?!)

Es geht nicht nur darum, dass Österreicherinnen und Österreicher ab 1938, ab dem Tag des Einmarsches – teilweise auch schon vorher, als illegale Nationalsozialisten – als Nationalsozialisten tätig waren und dem "Anschluß" zugejubelt haben, sondern es geht auch darum, dass die Institutionen dieser damaligen österreichischen Regierung, dieser politischen Verfassung, dem Druck nicht standhalten wollten und nicht standhalten konnten.

Es geht um eine Kooperation, um ein Liebäugeln bis hin zum Berchtesgadener Treffen zwischen Schuschnigg und Hitler, als Schuschnigg erklärte und Hitler wissen ließ (Abg. Kiss: Das ist allgemeiner wissenschaftlicher Standard!), dass er auf lange Sicht mitmachen könne, dass die Schnelligkeit das Einzige sei, was ihn an dem Drängen Hitlers, sich zu unterwerfen, störe; aber auf lange Sicht könne er mitmachen. (Abg. Kiss: Jeder, der sich mit der Zeitgeschichte auseinander setzt ...!)

Meine Damen und Herren! Da geht es nicht darum, zu richten, das steht mir nicht zu. (Abg. Donabauer: Sie sind aber ein sonderbarer Geschichtsforscher!) Das steht mir nicht zu! Es geht um historische Fakten, die auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, nahe gebracht werden können.

Ich habe gesagt: Wir waren schon weiter, und ich würde mir wünschen, dass wir dort, wo wir schon waren, anknüpfen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Historiker wirst du nicht mehr!) Um mit einem Wort eines früheren Bundeskanzlers – eines anderen – zu enden (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Lernen Sie Geschichte! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Kurzdebatte ist damit geschlossen; und auch die Langdebatte.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kehren zurück zur Tagesordnung.

Beratungsgruppe III

Kapitel 20: Äußeres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen mit der Verhandlung der Beratungsgruppe III: Äußeres.


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49. Sitzung / Seite 99

Wünscht ein Berichterstatter das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Somit gehe ich in die Rednerliste ein. Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

15.41

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selten passen zwei Tagesordnungspunkte so gut zueinander. Selten geht es in beiden Punkten auch um Fragen der Außenpolitik.

Die Jahre 1933 bis 1938 sind ja auch ein Beispiel dafür gewesen, wozu eine falsche Außenpolitik führen kann. Dies zeigte sich an der Problematik des Ausrichtens der österreichischen Außenpolitik auf Italien. Als es dann zum Accordin zwischen Italien und Deutschland kam, stand man vor den Trümmern der Außenpolitik, und es bestand keine Chance mehr, etwas zu tun, weil man sich nicht zur rechten Zeit auf den Westen hin orientiert hatte.

Dies war in Wirklichkeit auch mit ein Grund dessen, was wir heute diskutieren. Die Lehre daraus muss sein, dass die Außenpolitik gemeinsam getragen und nach Grundsätzen gestaltet werden soll, die das Beste für ein Land garantieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Ich bin all jenen sehr dankbar, die gesagt haben, man soll bei der politischen und der geschichtlichen Wahrheit bleiben. Herr Abgeordneter Tancsits hat zu Recht davon gesprochen – er hört mir leider nicht zu, aber vielleicht liest er es dann im Protokoll –, dass die Sozialdemokratie lange, wahrscheinlich fälschlicherweise und in einem hohen Ausmaß auch problematisch dem Gedankengut Deutschösterreich nachgehangen ist, bei der Auflösung der Monarchie und bei der Frage, ob dieser Rest allein lebensfähig ist oder nicht.

Aber der Vorwurf, dass erst nach dem Kriege Lehren daraus gezogen wurden, stimmt geschichtlich nicht, Herr Abgeordneter. Es war 1933, als Hitler die Macht in Deutschland ergriffen hatte – 1933 war es, als die österreichische Sozialdemokratie den "Anschluß"-Artikel aus ihrem Parteiprogramm gestrichen hat! Das ist die geschichtliche Wahrheit, Herr Abgeordneter Tancsits! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Schieder! Wir lassen immer ein paar einleitende Sätze zum vorigen Thema zu. Ich bitte aber, dann zum Budgetthema überzuleiten. – Bitte. (Abg. Mag. Kukacka: Aber Renner war für den "Anschluß"! Otto Bauer auch! Das muss man auch dazusagen!)

Abgeordneter Peter Schieder (fortsetzend): Herr Präsident! Ich muss Ihnen folgen und zur heutigen Außenpolitik kommen.

Meine Damen und Herren! Das Ende der Maßnahmen der 14 hat für die österreichische Außenpolitik die Chance und gleichzeitig die Verpflichtung gebracht, verlorene Positionen zurückzugewinnen und außenpolitisch in ganz Europa wieder Vertrauen aufzubauen. Wir haben uns hier im Haus zu dieser gemeinsamen Aufgabe bekannt und darauf hingewiesen, dass wir dazu bereit sind, dass dies aber keine Einbahnstraße sein kann. Mit eingebunden zu sein bringt selbstverständlich Pflichten, auch für eine Oppositionspartei, aber mit eingebunden zu sein, bringt auch Rechte.

Dazu gehört zum Beispiel das Recht, vorher konsultiert und nicht bloß nachher informiert zu werden. Ich glaube, oder sagen wir so: Ich hatte die Hoffnung, dass die viel beschworene gemeinsame Außenpolitik trotz aller Unterschiede, trotz aller Kritik an dieser Regierung nun für eine gewisse Zeit zur Behebung der Schäden in Europa wirklich gemeinsam sein könnte. Eine gemeinsame Außenpolitik ist nämlich nicht bloß eine gleiche Außenpolitik, meine Damen und Herren, das ist nicht bloß eine Ähnlichkeit oder Identität der Aussagen, sondern gemeinsame Außenpolitik bedeutet auch Kontakte bei der Evaluierung der Vorgänge und bei der Festlegung der österreichischen Absichten, Vorhaben und Ziele.


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Verstehen wir darunter das, Frau Bundesminister, dann ist es nicht besser geworden, sondern dann ist es derzeit um die gemeinsame Außenpolitik schlecht bestellt. Sie binden die Opposition nicht ein. Sie informieren nicht vorher. Sie kontaktieren nicht. Der Redlichkeit halber möchte ich aber gleich festhalten: Nachher informieren Sie sehr ausführlich und tun es auch so, wie es vereinbart wurde. Aber das genügt nicht. Gemeinsamkeit heißt auch, dass Kontakte bei der Erarbeitung vorhanden sind.

Zu den Beispielen dafür, wie wir ausgeschlossen, ausgeschaltet und dann überrascht worden sind, gehören etwa Ihre so genannte – aber es war von Ihnen wahrscheinlich auch so gemeint – Goodwill-Aktion und deren Finanzierung, das maßgeschneiderte Kooperationsprogramm mit der NATO, die Erarbeitung der österreichischen Positionen bezüglich der ESVP – und zwar der Vorschläge vor Feira –, ferner die österreichische Position zu den französischen Dokumenten betreffend die Feira-Aufträge zur ESVP an Frankreich – insbesondere in Bezug auf Militärkomitee, Beziehung zur NATO, Management der sicherheitspolitischen Institute und andere GASP-Fragen – sowie die Frage der Ankündigung der Reduzierung oder Einstellung gewisser UNO-Kontingente. Da kam es vorher zu keiner Kontaktnahme. Dies gilt auch für andere Fragen.

Es gibt – und das muss ich festhalten – in einigen Punkten Zusagen, von denen ich annehme, dass sie eingehalten werden. So liegt hinsichtlich der Behandlung der Institutionenfrage in Nizza die Zusage der Information vor; das werden wir sehen. Auch sind im heutigen Außenpolitischen Rat zu offenen Fragen bezüglich ESVP und GASP in Nizza die Zusagen gemacht worden, dass es zu einer schriftlichen Beantwortung aller Fragen kommen wird.

Für eine gemeinsame Außenpolitik wird das wichtig sein, Frau Ministerin. Wir erwarten aber doch, dass wir nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern rechtzeitig eingebunden werden.

Es sind große Probleme, die vor uns liegen. Die institutionellen Fragen der EU müssten gemeinsam getragen werden, oder die Frage der Erweiterung. Ich begrüße die strategische Partnerschaft – auch wenn es spät ist, ist es gut, dass dieses Programm jetzt kommt. Es wird wichtig sein, in diesen Ländern alle Gruppen einzubinden, auch die Opposition, aber auch in Österreich die Opposition einzubinden. Hier wird es überdies die Frage sein, den Regierungspartner entsprechend einzubinden, sonst wird das nicht funktionieren.

Auch hinsichtlich der EU-Kriseneinsatztruppe bestehen offene Fragen. Da wird es wichtig sein, dass wir gemeinsam vorgehen.

Die Entwicklung einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der EU und der Russischen Föderation ist ebenfalls eine wichtige Frage. Wie wichtig diese Kontakte zur Russischen Föderation sind und wie schnell da ein Misserfolg eintreten kann, hat ja die OSZE-Tagung hier gezeigt.

Die Vertiefung der Beziehungen EU – UNO ist ein weiterer Punkt oder auch die österreichischen Einheiten, internationale Fragen, die Reform des Außenamtes selbst und all das, was sich unter dem Begriff – ich möchte es so nennen – "neue europäische Außenpolitik" zusammenfassen lässt.

Frau Bundesministerin! Auch für eine Regierung gilt: Wie sie sich bettet, so liegt sie. – Betten Sie sich als Regierung in der Außenpolitik auf Gemeinsamkeit, dann werden Sie auch für Österreich ein gemeinsames Auftreten haben. Wenn Sie es nicht wollen, ist auch das Ihr Recht, und uns muss es recht sein. Für das Land wird es nicht gut sein! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek. )

15.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Tancsits zu Wort gemeldet. Ich bitte um die zu berichtigende Tatsachenbehauptung und den tatsächlichen Sachverhalt.

15.51

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schieder hat in seiner Rede gesagt, ich hätte gesagt,


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dass sich die Sozialdemokratie erst nach 1945 vom Gedanken des Anschlusses an den großdeutschen Einheitsstaat gelöst hätte.

Ich habe das nicht gesagt, ich möchte das tatsächlich berichtigen. Ich habe das der Sozialdemokratie nicht vorgeworfen. Darauf lege ich auch persönlichen Wert, wenn ich da missverstanden wurde.

Ich habe lediglich gesagt, dass die sozialistische Emigration in den USA sich erst nach 1945 vom großdeutschen Einheitsgedanken gelöst hatte. Ich führe dafür – in dieser kurzen Zeit – insbesondere die Schriften Friedrich Adlers an, der noch 1946 die Idee der österreichischen Nation verworfen hatte. (Beifall bei der ÖVP.)

15.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. Er hat das Wort.

15.52

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Außenministerin! Herr Präsident! Ich glaube, dass Kollegin Lunacek heute zwei Mitgliedern dieses Hauses Gelegenheit gegeben hat, einigen Nachhilfeunterricht in der Geschichte Österreichs zu bekommen.

Sie haben es – und das war eine bemerkenswerte Leistung – auch vermieden, aufzuzeigen, dass es sowohl dort als auch da welche gegeben hat, die – eben aus der damaligen Sicht, die ich nicht beurteilen kann, weil ich damals nicht gelebt habe – die Dinge etwas anders beurteilt und sich damit ins Unrecht gesetzt haben. Sie haben es bewusst vermieden, auf den Namen eines Linzer Bürgermeisters, den Sie gut kennen, einzugehen oder den Namen eines zweimaligen Staatsgründers, der sonst in Ihrer Bewegung hoch geschätzt wird, in dieser Debatte zu erwähnen. (Abg. Dr. Kostelka: Sie nicht?)

Natürlich! Aber was ich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass ich diese Debatte, geführt von den Kollegen Kurzmann und Tancsits, als einen Höhepunkt nicht nur der heutigen Sitzung, sondern all dieser Sitzungstage, die wir bereits hinter uns gebracht haben, bezeichnen möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dabei ist auch wirklich einmal deutlich herausgekommen, dass hier eine objektive Betrachtung der Geschichte stattfinden kann – wohingegen Sie versuchen, durch Revisionismus parteipolitisches Kapital herauszuholen. Das aber sollte nicht passieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Brosz: ... mutige Aussagen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Schweitzer! Ich habe Kollegen Schieder gebeten, zur Tagesordnung zu sprechen. Ich tue das in gleicher Weise bei Ihnen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Genau das wollte ich jetzt auch tun, Herr Präsident. Ich wende mich dem Thema dieser Debatte zu.

Ich verstehe auch den Wunsch der Frau Außenministerin – den sie vielleicht insgeheim gehabt hätte – nach Erhöhung ihrer finanziellen Zuwendung. Aber sie hat sich, wie alle anderen Minister dieser Regierung auch, an die Sparzwänge halten müssen und hat Umschichtungen innerhalb ihres Budgets gemacht.

Frau Außenministerin! Ich glaube, Sie haben diese Umschichtungen dergestalt gemacht, dass es insgesamt zu keinen großen Einschränkungen in der Außenpolitik kommen muss. Ich denke auch, es war durchaus sinnvoll, zu überlegen, ob in einzelnen Bereichen Botschaften, Konsulate, Außenhandelsstellen zusammengelegt werden können. Unter Umständen erzielen wir damit sogar Synergieeffekte.


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Als zentralen Punkt meines Beitrages möchte ich aber die bevorstehende Tagung von Nizza ansprechen. Frau Außenministerin! Zu den einzelnen Punkten haben wir ja schon diverse Gespräche geführt, und wir werden das im Hauptausschuss noch weiter tun.

Die Kommission sollte – und wir werden uns hoffentlich darauf einigen – insofern gestärkt werden, als wir versuchen, die Position des Präsidenten zu stärken. Insbesondere sollte Österreich auf eine vertragliche Verankerung des Entlassungsrechtes gegenüber einzelnen Kommissaren dringen. Ich glaube, das wäre eine sinnvolle Stärkung für den Kommissionspräsidenten. Es kann doch nicht so sein, dass, wenn es seitens eines Kommissars eine Verfehlung gibt, die ganze Kommission zurücktreten muss, weil man einen Kommissar loswerden will oder loswerden muss.

Inakzeptabel ist dagegen die Forderung, Frau Bundesministerin, die von anderen Mitgliedsländern erhoben wird: die Kommissare in Kommissare mit wichtigen Angelegenheiten und in Kommissare mit unwichtigen Angelegenheiten einzuteilen. Das sollten wir aus österreichischer Sicht auf alle Fälle verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Stimmgewichtung müssen wir – darauf haben wir uns ja schon verständigt – unbedingt die doppelte Mehrheit fordern. Das österreichische Stimmgewicht sollte bei der qualifizierten Mehrheit nicht unter 4 Prozent und bei der Blockade-Minderheit nicht unter 10 Prozent sinken, sodass wir nach wie vor Gewicht im Rat haben. Es muss auch unbedingt verhindert werden, dass sich die Großen durch eine besondere Stimmgewichtung die Blockade-Minderheit institutionalisieren. Diese Bestrebungen sind, wie Sie wissen, im Gange, und das muss unbedingt verhindert werden.

Zudem sollte die qualifizierte Mehrheit nicht von drei oder weniger Staaten verhindert werden können. Auch darauf müssen wir in den Verhandlungen besonderen Wert legen.

Ich bin sehr erfreut darüber, dass nun, wie ich vorgestern den Nachrichten entnehmen konnte, neben Österreich und Frankreich auch Deutschland für die uneingeschränkte Beibehaltung der Einstimmigkeit in den Bereichen der Visa-, Asyl- und Einwanderungspolitik eintritt. So wird unsere Forderung dort sicherlich ein sehr, sehr großes Gewicht haben, und es wird in diesen für Österreich wesentlichen Fragen zu keinen Veränderungen kommen, was die Beibehaltung der Einstimmigkeit betrifft.

Solange es nämlich keine verbindlichen Quoten zum Beispiel für die Aufteilung von Flüchtlingen gibt, Frau Bundesministerin, und solange es keinen gemeinsamen Fonds zur Abdeckung allenfalls entstehender Kosten gibt – die anderen Mitgliedstaaten also wohl mitbestimmen, aber nicht auch die Lasten mit uns teilen wollen –, so lange kann es hier kein Mehrstimmigkeitsprinzip geben und muss die Einstimmigkeit erhalten bleiben.

Frau Bundesministerin! Ich warne vor der Abschaffung der Einstimmigkeit im Artikel 71. Ich habe auch mit Kollegen Kukacka darüber gesprochen, und er hat mir gesagt, er werde das noch einmal prüfen lassen. In diesem Artikel geht es um Vorschriften über die Grundsätze der Verkehrsordnung, deren Anwendung die Lebenshaltung und die Beschäftigungslage in bestimmten Gebieten sowie den Betrieb von Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte. Davon wird meiner Ansicht nach auch das Wochenendfahrverbot in Österreich betroffen sein, Frau Bundesministerin.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – irgendjemand mit dem Fall des Wochenendfahrverbotes Freude hätte. Das sollte daher unbedingt noch einmal eingehend geprüft werden. Wenn dem so ist, wie ich glaube, dann ist auch hier Vorsicht geboten und die Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips angebracht.

Frau Bundesministerin! Dankbar bin ich auch dafür, dass die Einstimmigkeit für den Artikel 175 bereits im Regierungsübereinkommen paktiert ist. Ich hoffe, dass es im Interesse aller hier im Hause vertretenen Parteien ist, wenn die Bewirtschaftung der Wasserressourcen, die Fragen der Raumordnung, die Fragen der Bodennutzung und der Abfallbewirtschaftung beziehungsweise die Wahl der Energieträger weiterhin dem Einstimmigkeitsprinzip unterworfen bleiben.


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Zur Neugestaltung des Artikels 7 sollten wir, glaube ich, auf alle Fälle auf die Mehrheit von 14 beziehungsweise x minus 1 bestehen. Wenn sich das schon nicht durchsetzen lässt, dann halte ich diese Regelung, dass es zumindest 90 Prozent sein müssen, für eine sehr gute – schon auf Grund der Erfahrungen, die wir mit den Sanktionen zu Beginn dieses Jahres machen mussten.

Wenn das Verfahren rechtsstaatlich sein soll, Frau Bundesministerin, so müsste doch auch in irgendeiner Form der EuGH eingebunden sein. Auch das sollte in den Verhandlungen noch einmal urgiert werden.

Frau Bundesministerin! Abschließend noch zum Thema Erweiterung. Ich glaube, ohne eine erfolgreiche Institutionenreform – und im Moment sieht es nicht danach aus, als werde diese in Nizza erfolgreich sein – kann es keine rasche Erweiterung geben, weil die Institutionen so, wie wir sie jetzt kennen, für eine Erweiterung nicht geeignet sind.

Aber es gibt auch andere wichtige Argumente, die gegen eine allzu rasche Erweiterung sprechen. Ich wiederhole sie noch einmal: Die Auswirkungen der Erweiterung auf den Arbeitsmarkt, vor allem in den Grenzregionen, machen mir Sorgen, Frau Bundesministerin. Diese Sorgen und Ängste teile ich mit den Arbeitnehmern – insbesondere mit jenen an den Grenzen Niederösterreichs, im Burgenland, in der Steiermark und in Kärnten.

Ich glaube, wir sind gut beraten, die Ängste dieser Bevölkerungsteile ernst zu nehmen. Viele von ihnen haben das Gefühl, zu verlieren, wenn es zu einer raschen, nicht vorbereiteten Erweiterung kommt. Viele haben das Gefühl, dass ihr Arbeitsplatz wackelt, dass vor allem Tagespendler – die es ja geben wird, wie auch Sie in Ihrer Studie ausgeführt haben – die Löhne drücken könnten, weil bei uns derzeit bis zu 20 Prozent über dem Kollektivvertrag bezahlt wird, und zumindest diese 20 Prozent sofort weg sein werden, wenn es ein sehr großes Angebot an Arbeitskräften gibt.

Sie selbst beziffern das Pendlerpotential mit in etwa 200 000, und das ist schon beträchtlich. Deshalb sind die Auswirkungen, die von vielen befürchtet werden, als sehr realistisch einzuschätzen. Daher sagen wir Freiheitlichen, es sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass es zu einer friedlichen Erweiterung kommt. Die gesamte Erweiterung wird immer als Friedensprojekt bezeichnet, aber wenn die Erweiterung die Existenzängste, die viele haben, tatsächlich Realität werden lässt, dann kann das keine friedliche Erweiterung sein.

Frau Bundesministerin! Ich bin sehr froh darüber, dass Sie meinem Vorschlag, eine "Österreich-Plattform" zu gründen, gleich nach Nizza nähertreten wollen: ein Forum, in dem umfassend diskutiert werden soll, wie die innerösterreichische Vorbereitung auf die Erweiterung aussehen soll. Im Rahmen dieser "Österreich-Plattform" sollen sowohl Begleitmaßnahmen, die innerösterreichisch gesetzt werden müssen, als auch Maßnahmen, die wir von der Europäischen Union gesetzt haben wollen, ausgearbeitet werden.

Herr Kollege Schieder! Sie haben im Bereich der Außenpolitik die Zusammenarbeit zu Recht eingefordert. Ich glaube, dass diese "Österreich-Plattform" genügend Gelegenheit dafür bieten wird, dass wir gemeinsam im Interesse der österreichischen Bevölkerung, vor allem im Interesse der betroffenen Grenzbevölkerung, arbeiten können. Ich lade Sie herzlich dazu ein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

16.04

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meinen eigentlichen Ausführungen komme, muss ich doch wohl zuerst auf einige Anmerkungen des Herrn Abgeordneten Schweitzer eingehen. Herr Abgeordneter! Der SPÖ und uns vorzuwerfen, wir würden versuchen, durch Revisionismus parteipolitisches Kapital zu schlagen, weil wir eine Anfragebeantwortung der Frau Ministerin hier zur Besprechung vorlegen, das kann doch wohl nicht wirklich Ihr Ernst sein! Das weise ich massivst zurück (Beifall bei den Grünen), denn es sind Sie, gerade Ihre Fraktion, Ihr früherer Parteiobmann und


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andere, die in der Vergangenheit, auch in der nicht allzu fernen Vergangenheit, immer wieder Aussagen über die Zeit des Nationalsozialismus gemacht haben, die in den Bereich des Revisionismus gestellt werden können. Wir sind das auf keinen Fall!

Um aber auf die sachlichere Diskussion des heutigen Nachmittags zu kommen, und zwar zur Außenpolitik insgesamt, möchte ich Folgendes sagen, und auch dazu hat mir Herr Schweitzer einige Stichworte geliefert: Sie, Herr Kollege Schweitzer, haben auch hier wieder gesagt – und das ist genau die Befürchtung, die ich heute in der Früh im Auswärtigen Rat gegenüber der Frau Außenministerin angesprochen habe –, Sie seien gegen eine rasche Erweiterung, weil Sie sich Sorgen machen, was den Arbeitsmarkt betreffe, man müsse die Ängste der Leute ernst nehmen und so weiter. (Abg. Böhacker: Soll man das nicht?)

Natürlich muss man die Ängste der Menschen ernst nehmen. Aber wie machen Sie das? – Sie machen im Burgenland eine Volksbefragung, die nicht einmal durch die burgenländische Landesverfassung gedeckt ist. Sie machen eine Volksbefragung, täuschen den Menschen dort vor, dass sie damit auch wirklich eine bundesweite Volksabstimmung bewirken können, und Sie glauben doch wirklich, dass die Menschen darauf hereinfallen. (Beifall bei den Grünen.) Das ist ein populistisches Schaustück, was Ihre Partei derzeit im Burgenland macht. (Abg. Wattaul: Eine Volksbefragung ist ein "politisches Schaustück"?)

Außerdem hat es geheißen, Sie würden noch dieser Tage – es sind noch drei Tage bis zur burgenländischen Landtagswahl – 10 000 Unterschriften vorlegen. (Abg. Mag. Schweitzer: Geduld! Geduld!) Bis heute haben wir sie noch nicht. Ich hoffe, dass wir sie auch in den nächsten Tagen nicht bekommen werden (Abg. Mag. Schweitzer: Ihnen werden wir sie nicht vorlegen!), denn ich bezweifle, dass Sie mit Ihrer Methode, Stimmung gegen Menschen zu machen, die nur ein paar Kilometer jenseits der Grenze leben, so viele Stimmen, nämlich 10 000 Unterschriften, zusammenbekommen. (Abg. Mag. Schweitzer: Immer alles gegen die Menschen! Nicht für die Menschen!)

Herr Schweitzer! Na klar ist es gegen sie! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da könnte man mit Temelin genauso argumentieren!) Sie sagen, eine Erweiterung müsse gut vorbereitet sein. (Abg. Mag. Schweitzer: Grenzblockaden sind gegen die Menschen!) Natürlich sind wir alle dafür, dass die Erweiterung gut vorbereitet wird. Ich frage Sie, ich frage aber auch die Bundesministerin: Frau Bundesministerin, Sie haben heute in der Früh im Auswärtigen Rat, aber auch sonst schon des Öfteren gesagt, wie wichtig Ihnen eine strategische Partnerschaft mit den Beitrittsländern – gerade mit jenen an unseren Grenzen – ist. Sie haben angekündigt, dass Sie mehr in diese Richtung arbeiten wollen. Aber wir wissen doch ganz genau: Wenn wir von einer gut vorbereiteten Erweiterung sprechen, dann ist es zuerst einmal wichtig, Herr Abgeordneter Schweitzer, die Ängste ernst zu nehmen.

Wissen Sie, was das bedeuten würde? – Das würde bedeuten, dass zum Beispiel die Regierung – damit spreche ich wieder Sie an, Frau Ministerin – nicht 80 Millionen Schilling dafür verwendet, um im Inland klarzumachen, warum gespart werden muss, mit Fotos von Babys, die auf der einen Hälfte des Plakates sagen, sie sind pleite, auf der anderen nicht. Ich betone: 80 Millionen Schilling, um im Inland Werbung für Ihre Regierungspolitik zu machen! Haben Sie das wirklich nötig?

Wären diese 80 Millionen Schilling nicht besser eingesetzt, wenn man in den Grenzregionen wirklich Maßnahmen setzen würde, wenn man zum Beispiel eine Bildungsoffensive für die österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in diesen Regionen starten würde, für all jene Leute, die sich ängstigen, die meinen, da werde der Arbeitsmarkt überflutet? Wäre es nicht sinnvoll, mit diesem Geld, mit diesen 80 Millionen Schilling, verstärkt Initiativen zu setzen und vielleicht so etwas wie eine Begegnungsoffensive an den Grenzen durchzuführen?

Herr Schweitzer! Diesbezüglich habe ich weder von Ihnen (Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie das nicht mitbekommen?), aber leider auch nicht von Ihnen, Frau Außenministerin, etwas gehört, dass Sie in diese Richtung etwas unternehmen. (Abg. Mag. Schweitzer: "Österreich-Plattform"!) Sie reden immer nur von den Ängsten der Menschen. Natürlich muss man diese ernst


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nehmen, aber man muss auch etwas dagegen tun. Und das tun Sie nicht! (Abg. Mag. Schweitzer: Mit der "Österreich-Plattform"!) – Die braucht man jetzt vielleicht, aber von Ihrer Partei kommt immer nur etwas in Richtung einer Volksbefragung, und die Ängste werden von Ihrer Seite geschürt. (Abg. Böhacker: Haben Sie etwas anderes auch beizutragen als die ewige Leier?)

Positive Maßnahmen dazu, vielleicht auch mit Geld versehen, gibt es von Ihnen nicht. Damit – und damit komme ich zu Ihnen zurück, Frau Außenministerin – ist für mich auch die Haltung der Bundesregierung klar. So sehr ich von Ihnen persönlich auch weiß, dass Sie für diese Erweiterung eintreten, aber mit Ihrem Regierungspartner, den Freiheitlichen, die gerade im Burgenland derzeit auf populistische Art und Weise versuchen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Hussen Sie doch nicht so!), Wählerstimmen zu rekrutieren (Beifall bei den Grünen), sind Ihre Versuche in Richtung einer strategischen Partnerschaft mit den Beitrittsländern unglaubwürdig. Das kann nicht wirklich ernst gemeint sein. Das eine widerspricht ganz eindeutig dem anderen.

Aber lassen Sie mich auch zu anderen Punkten kommen, die mit der Außenpolitik zu tun haben; zahlreiche gibt es da. Herr Kollege Schieder hat schon einige Punkte angesprochen, die reformbedürftig wären, gerade was das Außenamt zum Teil selbst betrifft: zum Beispiel eine bessere Koordination mit den Außenhandelsstellen. Da gibt es zwar an manchen Stellen Fortschritte, aber da wäre, so denke ich, in Zukunft noch sehr viel mehr zu machen.

Was den OSZE-Vorsitz betrifft, so kann ich Ihnen durchaus Anerkennung dafür aussprechen, dass Sie zum Beispiel Zentralasien stärker in die OSZE hereingeholt haben, als das andere vor Ihnen getan haben. Was die Situation mit Russland betrifft, so bedarf es in der Zukunft – in der Vergangenheit gab es das leider nicht – auch stärkerer diplomatischer Bemühungen mit Moskau, und zwar eher hinter der politischen Bühne als auf ihr, denn ansonsten wird es für Russland in der OSZE, wo es ja eingebunden ist, in Zukunft schwierig sein. In der Troika wird Österreich ja weiterhin nächstes Jahr vertreten sein. Mit Rumänien wird es sicher eine nicht ganz einfache Aufgabe sein, noch dazu, da noch nicht klar ist, wer in Rumänien Regierungschef beziehungsweise Staatschef wird und wie diese Arbeit sich machen lässt. Ich meine, diesbezüglich werden hohe Anforderungen an die österreichische Außenpolitik, an die österreichische Diplomatie gestellt, um mit Russland ein besseres Einverständnis zu erlangen.

Frau Ministerin! Es gibt noch einige Punkte, in denen es meiner Meinung nach Fragestellungen gibt, die nicht geklärt sind. Es wurde beschlossen, das UNO-Kontingent aus Zypern – das wurde auch von Ihnen gesagt – Mitte nächsten Jahres abzuziehen. Ich habe gestern den Herrn Verteidigungsminister dazu befragt. Die Antwort war nicht sehr klar. Es gab in der "Presse" vor einigen Tagen eine Aussage, dass es eventuell eine Überlegung dahin gehend gibt, dass für das Eurokorps nicht 2000 Soldaten extra bereit gestellt werden müssten, sondern dass man vielleicht sogar die Soldaten auf Zypern, die jetzt bei den UNO-Truppen sind, beibehält und nur jene, die noch fehlen, dazunimmt und so das Eurokorps aufstellt. Das würde bedeuten, dass dieser Budgetposten auch für die nächsten Jahre im außenpolitischen Budget bleibt.

Frau Ministerin! Was ist Ihnen dazu bekannt? Sieht das so aus, oder werden die UNO-Truppen aus Zypern tatsächlich abgezogen? (Abg. Jung: Können Sie ein bisschen zum Thema reden?)

Ein anderer Punkt, zu dem ich auch eine Anfrage an Sie gestellt habe: Es geht um die Kulturinstitute. Österreich hat einige im Ausland. Im Iran ist das Österreichische Kulturinstitut das einzige eines EU-Landes. Dort war es leider so, dass entschieden wurde, dass zwar nach außen hin dieses Kulturinstitut als eigenständige Institution weiterbehalten wird, dass jedoch die Kosten und die Zuverdienste für den Erstzugeteilten, der auch gleichzeitig Chef des Kulturinstitutes ist, im Nachhinein gekürzt wurden. Ich kann zwar Ihre Antwort durchaus nachvollziehen, dass man sagt, das seien Synergieeffekte im Administrativbereich, aber gerade in einem sehr wichtigen Land in dieser Region, wo Österreich – ich wiederhole es – als einziges Land der EU ein Kulturinstitut hat und wo es über die kulturelle Ebene möglich ist, einen größeren Dialog zu führen, die Möglichkeiten des Kulturinstitutes zumindest ansatzweise zu beschneiden und nicht auszubauen, während jenes in Berlin gleichzeitig groß ausgebaut wird und es auch


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Überlegungen gibt, jenes in Ägypten wieder zu eröffnen, das erscheint mir doch als eine Weichenstellung, die nicht in die richtige Richtung geht.

Lassen Sie mich zum Schluss auch noch zu einzelnen Punkten der Entwicklungszusammenarbeit kommen! Sie haben es innerhalb des Budgets des Außenministeriums durchgesetzt, dass die Mittel im heurigen Jahr insgesamt gleich hoch bleiben wie im letzten Jahr, natürlich ohne Inflationsabgeltung. Also ganz dieselben Mittel sind es ja doch nicht mehr. Aber ich habe schon den Eindruck, dass Ihr Bemühen, das Budget des Außenministeriums insgesamt aufzustocken und für einzelne Punkte mehr zu bekommen, doch leider nicht so geglückt ist, wie es auch nach meinem Interesse für die österreichische Außenpolitik notwendig wäre.

Zur österreichischen Entwicklungszusammenarbeit: Wie, Frau Ministerin, wollen Sie in Zukunft stärker eine Kohärenz zwischen den einzelnen Ministerien bewirken? – Es ist immer noch so, dass Sie zwar offiziell die Koordinatorin der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit zwischen den Ministerien sind, dass aber eine regelmäßige Abstimmung über die Kriterien, die es für das Bilaterale sehr wohl gibt – wie zum Beispiel Armutsbekämpfung –, nicht stattfindet. Unter diese Kriterien stellt mittlerweile auch die Weltbank ihre Arbeit. Das sind Punkte, die in den anderen Ministerien zumindest unter Ihrer dezidierten Koordinationskompetenz derzeit noch nicht stattfinden. Das würde ich mir aber wünschen, und das erwarte ich von der österreichischen Entwicklungspolitik. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger. )

Noch einmal zu den Studiengebühren: Ich frage auch Sie noch einmal. Frau Ministerin Gehrer hat mir leider zuerst keine Antwort gegeben. Ich nehme daher an, dass das so beschlossen wird, wie geplant, dass nämlich die Studierenden aus Entwicklungsländern Studiengebühren zahlen müssen – aus den ärmsten Ländern dieser Welt! Frau Ministerin! Ich kann nicht einsehen, dass Sie hier nicht im Gespräch mit der Frau Bildungsministerin einen anderen Vorschlag durchsetzen konnten. Wenn Bildung einer der Schwerpunkte der österreichischen Entwicklungspolitik ist, dann ist das ein Manko, das nicht akzeptiert werden kann. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Jäger und Schieder. )

Insgesamt stelle ich fest, dass Sie, was die Entwicklungspolitik betrifft, eine Linie führen, die darauf hinausläuft, dass es vor allem eine Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene zwischen der österreichischen Bundesregierung und den Regierungen der Schwerpunktländer geben soll und dass Sie, wie Sie selbst sagen, anstreben, dass die Nicht-Regierungsorganisationen nur noch für ihre Tätigkeiten bezahlt werden, wenn sie Aufträge durchführen, dass Ihnen aber eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Nicht-Regierungsorganisationen auch in Bezug darauf, dass sie Vorschläge machen, um Projekte durchzuführen, kein prioritäres Anliegen ist.

Frau Ministerin! Damit kürzen Sie und verkürzen Sie das Engagement von Menschen in Österreich, die für einen Nord-Süd-Dialog, von dem Sie immer sagen, dass Ihnen dieser so wichtig sei, eintreten und die dafür auch bereit sind, viel ehrenamtlich zu arbeiten, auch unbezahlt zu arbeiten. Diese Möglichkeiten werden diese Menschen nicht mehr haben, wenn Sie sie nicht in einem breiten Demokratieverständnis als eigenständige und unabhängige Organisationen unterstützen wollen. Das vermisse ich. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Jäger und Schieder. )

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Er hat das Wort.

16.17

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Budgetansätze, die hier für das Außenamt aufscheinen, zeigen einmal mehr, dass rund 4 Milliarden Schilling ein kleines Budget sind; ein kleines Budget, das eben auch – und ich will das jetzt gar nicht noch einmal alles erwähnen – genauso wie andere Budgets darunter leidet, dass wir insgesamt ein Schuldenabbauprogramm haben und daher nicht die großen Schwerpunkte in der Außenpolitik setzen können, die wir alle gerne setzen würden. Aber es ist nun einmal so: Es ist notwendig, dass in allen Bereichen gespart wird – so auch hier.


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Ich glaube aber dennoch, dass es auch im Bereich der Außenpolitik der Frau Bundesministerin gelungen ist, doch zumindest ein paar Schwerpunkte zu setzen. Ich greife den Schwerpunkt der Kulturinstitute heraus. Wenn man die Budgetansätze vergleicht, dann sieht man, es gibt wenigstens dort eine kleine Steigerung. Ich möchte Sie dazu auch beglückwünschen, Frau Bundesministerin. Aus meiner Sicht ist es in Zeiten der Budgetknappheit notwendig, wenigstens bei den Kulturinstituten eine kleine Schwerpunktsetzung vorzunehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn das Budget auch klein ist, so hat es doch eine große Auswirkung, wenn man berücksichtigt, was die Mitarbeiter des Außenamtes insgesamt leisten. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Außenamtes, insbesondere bei jenen des Diplomatischen Dienstes, dafür bedanken, dass sie die Qualität ihrer Dienstleistung gegenüber den Österreichern im Ausland in keiner Weise eingeschränkt haben. Wir erhalten immer wieder sehr positive Berichte. Es ist notwendig, all die Konsularfälle zu bewältigen. Die Tendenz gibt es nach wie vor, dass es eine steigende Zahl von Fällen gibt; dennoch werden sie mit einer großen Motivation erledigt. Ich möchte an dieser Stelle wirklich allen Damen und Herren des Außenamtes herzlich dafür danken! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Dritten, meine Damen und Herren, darf ich ein wenig auf die Schwerpunkte eingehen, die in diesem Budget repräsentiert sind, die sich aber auch für die zukünftige Außenpolitik Österreichs darstellen lassen.

Wir hatten in diesem zu Ende gehenden Jahr den OSZE-Vorsitz inne. Die Frau Bundesministerin hat als Vorsitzende diese Aufgabe, wie ich glaube, hervorragend bewältigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie hat damit für Österreich, vor allem in Anbetracht des soeben stattgefundenen Gipfels in Wien, eine sehr gute Visitenkarte abgegeben. Wir sehen ja, dass die Fragen, in denen Sie, Frau Ministerin, tätig waren, nämlich betreffend Kaukasus und Balkan, nicht gerade einfach sind und sich nicht von heute auf morgen erledigen lassen. Entscheidend ist aber, dass die OSZE ihr Engagement in diesen Gebieten verstärkt und permanent versucht, mit einem geeigneten Management in diesen Konfliktregionen etwas in Richtung einer gemeinsamen Lösung weiterzubringen. Sie haben meiner Ansicht nach, gerade was den Kaukasus und den Balkan anlangt, wirklich viel geleistet. Ich möchte Ihnen dazu auch unsere Anerkennung aussprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin! Sie haben jetzt in Wien eine schöne Anerkennung gefunden, nachdem so viele Außenminister hierher gekommen sind und damit diesem Gipfel in Wien eine besondere Bedeutung gegeben haben. Zusätzliche Bedeutung erlangte das Treffen dadurch, dass Kostunića – Jugoslawien wurde ja hier wieder in die Organisation aufgenommen – und auch Madeleine Albright, die amerikanische Außenministerin, anwesend waren. Das zeigt, dass Sie Ihre guten Kontakte, die Sie ja seit vielen Jahren haben, in diesem Fall sehr gut nützen konnten, um damit Österreich einen sehr guten Abschluss seiner Präsidentschaft zu bescheren.

Meine Damen und Herren! Ein zweiter Schwerpunkt, der die Zukunft anbelangt, ist wohl jener, den Sie heute im Außenpolitischen Rat noch einmal vorgestellt haben, nämlich die Frage der strategischen Partnerschaften. Da wir vor einer Erweiterung der Europäischen Union stehen, ist es aus unserer Sicht sehr notwendig, dass wir mit den Kandidatenländern in einer ersten Phase eine intensive Zusammenarbeit pflegen, und dann, wenn Sie tatsächlich Mitglieder einer großen Union sind, diese Zusammenarbeit in die Richtung ausbauen, dass Mitteleuropa und Zentraleuropa zukünftig einen neuen Schwerpunkt in dieser großen Union bilden können.

Ich glaube, dass Sie diese Zeichen nicht nur erkannt haben, sondern dass Sie jetzt auch mit geeigneten Maßnahmen beginnen. Wir haben heute gehört, dass es bei allen Gipfelgesprächen, die es seitens des Bundeskanzlers, seitens der Außenministerin gibt, eine sehr positive Resonanz der Beitrittskandidaten darauf gibt. Ich finde, wir alle müssten großes Interesse daran haben, dass es neben den nordischen Ländern, neben den Benelux-Staaten, neben den


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mediterranen Gebieten, die bisher sehr gut miteinander arbeiten, künftig auch einmal eine Zusammenarbeit der Länder in Mittel- und Zentraleuropa gibt. Damit könnten wir gemeinsame Interessen auf eine Art durchsetzen, wie das allein nie zu bewältigen wäre.

Daher ist das Zukunftsvorhaben, strategische Partnerschaften mit diesen Ländern einzugehen, nach der Integration in die Europäische Union wahrscheinlich der nächste außenpolitische Schwerpunkt, den wir uns setzen sollten. Das ist ein Ziel, das zwar erst fern am Horizont zu sehen ist, das wir aber gemeinsam zu erreichen versuchen sollten. Ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie das erkannt haben und permanent umzusetzen bemüht sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich darf noch einen dritten Schwerpunkt kurz ansprechen, dessen erste Phase unmittelbar vor uns liegt und zur Bewältigung ansteht, und das ist der Gipfel von Nizza. Es ist aus meiner Sicht überaus notwendig, dass wir dort unsere Interessen klar machen, ob das nun die Vertretung in allen europäischen Institutionen oder die Frage der Stimmgewichtung ist, nämlich dass es sehr wohl eine gewisse Balance zwischen den großen und kleinen Ländern geben und nicht alles zu den Großen wandern soll, und dass wir uns in der Frage, bei welchen Punkten zukünftig nach wie vor die Einstimmigkeit herrschen soll, nicht alles vom Tisch fegen lassen, sondern für die für Österreich wesentlichen Interessen wie zum Beispiel Artikel 175 betreffend die Fragen der Wasserressourcen, der Raumordnung und der Bodennutzung die Einstimmigkeit erhalten wollen.

Ich darf hinzufügen, dass ich durch meine Kontakte immer wieder erfahren konnte, dass Frau Außenministerin Benita Ferrero-Waldner durch ihre gezielte Art, diese Dinge bestmöglich vorzubereiten, schon sehr viel Terrain für uns gewonnen hat. In einer schwierigen Phase dieses Jahres, als wir durch die Sanktionen der anderen 14 EU-Länder beeinträchtigt waren, hat sie es trotzdem geschafft, Verschiedenes in Bewegung, Steine ins Rollen zu bringen.

Ich gehe daher davon aus, dass es Ihnen, Frau Bundesministerin, gemeinsam mit dem Bundeskanzler gelingen wird, in Nizza nicht nur für uns zu kämpfen, sondern auch ein brauchbares Ergebnis zu erzielen. Ich darf Ihnen, zumindest im Namen meiner Fraktion, sagen, dass wir volles Vertrauen in Sie haben und glauben, dass Sie die bestmögliche Vertreterin Österreichs in Nizza sein werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. Die Beschlüsse des Nationalrats von heute früh über die Redezeitregelungen sind bekannt. – Bitte, Frau Ministerin.

16.26

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es war tatsächlich ein für die österreichische Außenpolitik schwieriges, äußerst intensives und arbeitsreiches Jahr, das sich jetzt zu Ende neigt. Es ist schon in der Debatte angesprochen worden, dass soeben die Ministerkonferenz der OSZE stattfand, die die OSZE-Präsidentschaft Österreichs beinahe schon abschließt. Nur mehr zehn Tage trennen uns vom Europäischen Rat von Nizza, bei dem, wie ebenfalls bei den wichtigen Debattenbeiträgen angesprochen wurde, entscheidende Weichenstellungen für die EU-Reform in Richtung Effizienzsteigerung der Europäischen Union und für die Vorbereitung auf die Erweiterung kommen werden.

Das erste Halbjahr war, wie wir wissen, von den Maßnahmen der EU-14 geprägt. Ich habe mich darum bemüht, im zweiten Halbjahr durch aktive bilaterale Kontakt- und Besuchsdiplomatie soviel ich konnte auszugleichen. Am Ende dieses Jahres darf ich nun sagen, dass mir Folgendes gelungen ist: Wir haben alle Minister der EU wieder in Österreich begrüßen können, zum einen im Rahmen der OSZE, zum anderen etwa jetzt Staatspräsident Chirac und Außenminister Védrine. Und es war auch die amerikanische Außenministerin, die normalerweise die OSZE nicht besucht, in Wien. Ich glaube also, wir haben zeigen können, dass wir sehr viel Terrain zurückgewonnen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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In diesem Zusammenhang darf auch ich meinen Mitarbeitern im Ministerium für ihren ausgesprochen großen Einsatz danken. All dies ist deshalb so wichtig, weil es die großen Fragen betrifft, die heute einen Stellenwert in Europa und in der Welt haben.

Ich habe in den letzten Monaten mehrmals Gelegenheit gehabt – in den verschiedensten Ausschüssen, im Nationalrat, aber auch im Bundesrat –, mit Ihnen Themen der Außenpolitik zu besprechen. Ich möchte in meinem ersten Redebeitrag nur auf einige der derzeitigen Schwerpunkte eingehen.

Zunächst einmal zu Nizza: Die wichtigste Frage des europäischen Rates ist natürlich, ob es uns gelingen wird, dieses ehrgeizige Reformprojekt zum Abschluss zu bringen. Wie Sie alle wissen, geht es um die vier großen Themen: um die Kommission, um die Stimmgewichtung, um die qualifizierte Mehrheit und um die Frage der verstärkten Zusammenarbeit oder Flexibilität sowie auch – das ist für uns sehr wichtig! – um den Artikel 7.

Die österreichischen Positionen sind Ihnen im Großen und Ganzen bekannt. Ganz kurz zusammengefasst: Sie wissen, wir vertreten das Recht jedes EU-Mitgliedstaates, mit einem Kommissar in der Kommission vertreten zu sein. Im Gegenzug dazu sind wir bereit, eine maßvolle Stimmgewichtung in Kauf zu nehmen. Wir sind in der Frage der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen gesprächsbereit, um in einer erweiterten Union die Gefahr der Blockierung hintanzuhalten. Es gibt jedoch bestimmte, sehr sensible Bereiche, die grundsätzliche Interessen unseres Landes betreffen, und bei diesen werden wir absolut für die Einstimmigkeit eintreten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In der Frage der verstärkten Zusammenarbeit sind die Weichen für ein Verfahren bereits gestellt, das einer kleineren, integrationswilligen Gruppe eine raschere Entwicklung grundsätzlich erleichtern soll. Wichtig ist uns in dieser Hinsicht aber, dass die Interessen der nachfolgenden Staaten nicht beeinträchtigt werden. Ziel ist es, dass die Weiterentwicklung des EU-Rechtes innerhalb und nicht außerhalb des Vertrages stattfindet. Wir wünschen uns eine Fortentwicklung, die in allen Pfeilern gleich ist und an der sich mindestens acht Mitgliedstaaten beteiligen sollen.

Ich darf offen sagen: Nizza wird sicherlich nicht einfach werden. Wir werden uns auf ein echtes Match einstellen müssen. Ich bin aber doch vorsichtig optimistisch, dass wir am Ende ein brauchbares Ergebnis haben werden. Denn das ist die Voraussetzung für die Erweiterung, mein zweites großes Thema im Hinblick auf die Schwerpunktsetzung in der künftigen österreichischen Außenpolitik.

Vor zwei Wochen wurde der Fortschrittsbericht der Kommission vorgelegt, der eine, ich würde sagen, wohl ausbalancierte, aber auch realistische Einschätzung der Verhandlungen beinhaltet, der die Erfolge, aber auch die Defizite unterstreicht und eine Art Pflichtenheft für die Beitrittskandidaten vorgibt.

Gleichzeitig hat die Kommission einen Fahrplan vorgegeben. Dieser Fahrplan und das Verfahren sind ambitiös. All dies ist zwar nicht unerfüllbar, bedeutet aber für mein Haus und vor allem meine Beamten in einer bestimmten Sektion wieder eine besondere Anstrengung. Das Tempo ist so hoch, dass allein jetzt 130 Seiten an Weisungen nach Brüssel gehen mussten, um die weiteren Schritte zu setzen.

Ich darf diesbezüglich an das anknüpfen, was Herr Abgeordneter Schieder sagte. Gerade ich versuche sehr wohl, die Opposition in die Außenpolitik einzubinden. Wenn ich die strategische Partnerschaft einmal angekündigt habe, aber noch nicht in jedes Detail gegangen bin, dann heißt das auch, dass wir uns zunächst einmal überlegen müssen, was wir alles tun wollen. Ich habe bereits angekündigt, im Anschluss an die Regierungskonferenz – denn nur dann hat es Sinn – eine Österreich-Plattform ins Leben zu rufen, mit der genau das getan werden soll, nämlich sowohl die Opposition und die Sozialpartner als auch die Vertreter der Grenzregionen und teilweise der Bundesländer einzubinden, damit wir langsam zu einem gesamtösterreichischen Konsens kommen können, denn es ist selbstverständlich nicht leicht, diesen Konsens zu erreichen.


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Bei dieser Gelegenheit eine Anmerkung: Die Grenzregionen Österreichs konnten schon in den letzten Jahren einen Wirtschaftsaufschwung von immerhin 4 Prozent verzeichnen. Ich muss sagen, ich freue mich darüber, denn wir müssen die Entwicklung der Grenzregionen in Zukunft natürlich weiter beschleunigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Im Zusammenhang damit steht selbstverständlich auch das Angehen der sensiblen Fragen, etwa betreffend den freien Personenverkehr, die Verkehrs- und die Landwirtschaftspolitik, aber auch die Frage der Nuklearpolitik unserer Nachbarstaaten und auch die Frage der Beneš- und AVNOJ-Dekrete. Wir haben das oft genug abgehandelt, ich gehe heute nicht auf Details ein, möchte aber sagen, dass zusammen mit dieser Österreich-Plattform und auch mit der strategischen Partnerschaft, die ja sozusagen ein Angebot an die zentraleuropäischen Kandidatenländer ist, die Möglichkeit gegeben ist, dass wir über ein Programm der Europäischen Kommission – kofinanziert von Österreich – eine Informationsinitiative starten. Wir werden im nächsten Halbjahr sicherlich damit beginnen, dieses Thema anzusprechen, denn ich glaube, jetzt kommt der Zeitpunkt, da wir im Detail informieren müssen.

Die strategische Partnerschaft möchte ich ebenfalls noch kurz ansprechen. Sie kennen inzwischen alle unseren Zwei-Phasen-Plan: in der ersten Phase eine konstruktive Plattform zu schaffen, um alle Themen anzusprechen, und dann in der zweiten Phase gemeinsam – ähnlich, wie das die Benelux-Staaten machen – vor jedem Europäischen Rat eine Sitzung abzuhalten, damit man die Positionen möglichst aufeinander abstimmt. Ich bin sicher, es gibt viele Fragen, in denen wir ähnliche oder sogar die gleichen Positionen vertreten, sodass wir dadurch automatisch eine große Chance haben, uns besser darzustellen und durch mehr Allianzen auch mehr Positionen durchzubringen.

Ich möchte auch etwas ansprechen, das ich im Kreise der EU-Außenminister beim letzten Rat "Allgemeine Angelegenheiten" wieder lanciert habe, nämlich die Idee der "Partnerschaft für Europa". Dahinter steckt, dass wir für diejenigen Staaten, die nach Europa orientiert sind, aber der EU noch nicht beitreten können oder wollen, einen multilateralen, flexiblen, auf die individuellen Interessen der verschiedenen Staaten abgestimmten Rahmen, eine Klammer schaffen sollten, ähnlich jenem Rahmen, den wir in Form der "Partnerschaft für den Frieden" der NATO haben, weil dabei jeder das tun kann, was für ihn am besten ist. Diese Frage wurde andiskutiert und wird weiterbesprochen werden. Da spielt ja auch die Balkan-Partnerschaft mit hinein, die jetzt beim Zagreber Gipfel erstmals diskutiert wurde.

Hohes Haus! Am 27. und 28. November fand in Wien das OSZE-Ministertreffen statt, dessen große Signifikanz dadurch gegeben war, dass nun alle Staaten des Balkans wieder demokratisch sind. Dies wurde durch die Unterzeichnung der drei großen OSZE-Dokumente – die Helsinki-Akte, die Charta von Paris und das Istanbul-Dokument – durch Präsident Kostunica sowie durch die Präsenz der amerikanischen Außenministerin, die das erste Mal an einer OSZE-Ministerkonferenz teilnahm, zum Ausdruck gebracht.

Ich glaube, wir haben ein gutes Stück vorangebracht. Herr Abgeordneter Schieder, ich bin nicht damit einverstanden, dass das ein Misserfolg war. Es war kein Misserfolg! Die OSZE ist eine Konsens-Organisation, die heute 55 Staaten umfasst. Dass 55 Staaten zu einem großen politischen Text ja sagen, ist nicht immer einfach. Und auch in Kopenhagen hat es ein "German Statement" gegeben, im Endeffekt für die Bereiche, die eben nicht konsensuell abgestimmt werden konnten.

Sie wissen, dass es sehr schwierig war, für die Bereiche Moldau, Georgien und vor allem für Tschetschenien einen Konsenstext zu finden. Die österreichische Präsidentschaft, vor allem Frau Botschafterin Jutta Stefan-Bastl, der ich von dieser Stelle aus ausdrücklich danken möchte (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen und der Grünen), hat die ganze Nacht verhandelt, um zu so einem Kompromisstext zu kommen. Es liegt jedoch in der Natur einer solchen Organisation, dass so ein Konsenstext nur dann, wenn alle Staaten jeder Formulierung zustimmen, angenommen werden kann.


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Ich hoffe, dass die Möglichkeit für einen Konsens in Zukunft wieder gegeben ist, aber, wie gesagt, wir haben das Maximum dessen ausgeschöpft, was möglich war.

Mir ist es gelungen, einige konsensuelle Dokumente doch durchzubringen. Das eine betrifft die wichtige Frage der Kleinwaffen, das andere die Frage des Menschenhandels. Beide sind für Österreich besonders wichtig.

Ich freue mich auch darüber, dass es gelungen ist, einen Nachfolger für den scheidenden Hochkommissar für nationale Minderheiten Max van der Stoel, der enorm viel in der Konfliktprävention gemacht hat, zu finden: Es ist der schwedische Diplomat Rolf Ekeus. Darüber habe auch ich selbst sehr, sehr lange verhandelt. Es war nicht einfach, und ich freue mich, dass das gelungen ist.

Ich möchte noch ein bilaterales Thema ansprechen, das ich für ein wichtiges Erfolgsthema dieses Jahres halte, nämlich Südtirol. Wie ich bereits im Budgetausschuss kurz erläutern konnte, besteht das österreichische Interesse an der Autonomie Südtirols unvermindert weiter. Auch die Südtiroler legen größten Wert auf die Pflege dieser Sonderbeziehung zu Österreich. Das kam auch dadurch zum Ausdruck, dass der Bundeskanzler vor einigen Tagen Hauptredner einer Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei war und dort begeisterten Beifall erntete.

Während der letzten Jahre konnten wir generell eine sehr positive Entwicklung in der Südtirol-Autonomie feststellen. Auch nach dem Paketabschluss gelang es den Südtirolern, eine Reihe zusätzlicher Kompetenzen von Rom zu erhalten und damit ihre Landesautonomie zu stärken. Für besonders bedeutsam halte ich in diesem Zusammenhang die im italienischen Parlament vor kurzem verabschiedete Verfassungsreform. Formell geht es dabei um Änderungen des Autonomiestatuts Südtirols, ich darf aber sagen, dass diese Reform von Italien nicht im Alleingang durchgeführt wurde, sondern in Abstimmung mit Österreich. Dies geschah konkret dadurch, dass Außenminister Lamberto Dini mir gegenüber in einem offiziellen Schreiben ausdrücklich erklärt hat, dass der internationale Charakter des Südtirolpakets gegeben sei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe Dini daraufhin auch geantwortet und die gegenständliche Verfassungsreform sehr begrüßt, denn sie bedeutet eine Festigung der Autonomie und wurde im Einvernehmen mit Vertretern der österreichischen Minderheit im römischen Parlament beschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ein letztes Wort, und zwar allgemein zum Budget. Lassen Sie mich sagen, dass trotz der sehr umfangreichen Aufgaben im Außenministerium und des ständigen Zuwachses an neuen Ideen mein Ressort natürlich auch weiter mit Personalabbau rechnen musste. Wir haben rund 1 600 Planstellen. In diesem Jahr ist diese Zahl um 32 Stellen reduziert worden, und nächstes Jahr wird es eine weitere Reduktion geben, weil wir die Budgetdisziplin mit einhalten wollen. Trotzdem werden wir uns bemühen, unser Maximales zu geben.

Ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal sagen – ich komme vielleicht später noch einmal darauf zurück –, dass es mir ein besonderes Anliegen war, im Rahmen dieser Budgetkürzungen einen Bereich gleich zu belassen, und zwar die Entwicklungszusammenarbeit. Glauben Sie mir, dafür musste ich viele Opfer in anderen Bereichen bringen, und auch diese werden natürlich laufend erwähnt und mir vorgehalten. Man kann aber nicht gleichzeitig alles machen, wie zum Beispiel in Teheran jemandem ein größeres Gehalt zahlen und zugleich die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit nicht kürzen. Diesen Zusammenhang, Frau Abgeordnete Lunacek, müssen Sie auch sehen. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Hoch verehrter Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin, Sie haben


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soeben in Ihrer Wortmeldung darauf hingewiesen, welchen Umfang die Arbeit insbesondere der Vorbereitung der europäischen Regierungskonferenz in Nizza angenommen hat und haben dabei eine 130 Seiten umfassende Weisung angesprochen. Darf ich Sie in diesem Zusammenhang ersuchen, zu prüfen, ob es möglich ist, diese Weisung auch den Oppositionsparteien zugänglich zu machen, sodass wir uns in Vorbereitung auf den Hauptausschuss nächste Woche, der sich ausführlich mit der Regierungskonferenz und mit der Institutionenreform beschäftigen wird, vielleicht auch noch etwas konkreter einarbeiten können? (Beifall bei der SPÖ.)

Sonst, Hohes Haus, möchte ich mich heute in erster Linie mit Sorgen beschäftigen, die wir im Zusammenhang mit der österreichischen Außenpolitik seit dem Antreten dieser Bundesregierung haben. Es wird nicht möglich sein, dabei alle positiven Leistungen, die auch Sie, Frau Bundesministerin, durchaus erbracht haben und die wir anerkennen, gesondert zu erwähnen.

Ich möchte mich mit der Sorge beschäftigen, dass wir aus vielen Beispielen – und ich werde einige davon aufzählen – den Eindruck gewonnen haben, dass diese Bundesregierung seit ihrem Antreten die Außenpolitik, das Außen vielfach vor allem zur Stimmungsmache für das Innen verwendet und dass es Ihnen und den Regierungsfraktionen vielfach darum geht, die Gegensätze, die es gibt, herauszuarbeiten, ein Bild in Schwarz-Weiß zu malen oder ein Freund-Feind-Verhältnis herzustellen und damit ein Klima zu schaffen – eigentlich muss man sagen: wieder herzustellen –, das mit dem Ende der so genannten Sanktionen, der bilateralen Maßnahmen der EU-14 auch zu Ende zu gehen schien.

Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Was wir sehen, ist, dass es eine ganze Reihe von, wie ich meine, gezielten Vorstößen gibt, die gar keinen anderen Zweck haben können, als dieses Klima wieder herzustellen oder, um es anders zu sagen, eine Politik des "Anpumperns" zu betreiben, die in vielen Fällen nicht die österreichischen Interessen im Auge hat, sehr wohl aber das Interesse im Auge hat, im Inneren ein Klima und eine Stimmung zu erzeugen, die den Eindruck erwecken, als ob "die draußen" alle böse und "wir drinnen" lieb und im Übrigen arm sind, weil die anderen uns nicht verstehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek. )

Frau Bundesministerin! Ich denke, dass das ein Punkt ist, zu dem Sie gelegentlich auch Ihr Wort haben hören lassen, zu dem Sie gelegentlich Ihre Stimme erhoben haben, aber in letzter Zeit oft vornehm geschwiegen haben. Und ich werde auf eines dieser Beispiele zurückkommen.

Wir haben den Eindruck – und dies ist klar und deutlich zu sagen –, dass diese Bundesregierung in vielen der Maßnahmen, die sie ergreift, das Ausmaß der Solidarität in diesem Lande abbaut, die Institutionen, die die Solidarität organisiert haben, abbaut und an deren Stelle ein Gemeinschaftsgefühl auf nationalistischer Basis setzen will, indem andere so stark angegriffen oder kritisiert oder in den Mittelpunkt einer scheinbar außenpolitischen Diskussion gebracht werden, dass von dort Kritik kommt, die es Ihnen wieder erlaubt, in der Bundesregierung und bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungsmehrheit, das Gefühl zu erzeugen, die armen Österreicher werden von lauter Feinden umringt.

Lassen Sie mich bei diesen Aussagen sehr konkret werden. Ich habe den Eindruck, den ich mit einer Frage verbinden möchte: Frau Bundesministerin, können Sie mir sagen, welchen österreichischen Interessen es dient oder inwieweit es den Interessen Österreichs dient, die Frage der AVNOJ- und Beneš-Dekrete in der Form öffentlich abzuhandeln, wie das geschieht? (Abg. Dr. Kurzmann: Sind Sie gegen die Menschenrechte?)

Haben Sie den Eindruck, dass das von irgendeinem Nutzen ist, um das Problem, das dahinter steht, zu lösen? Oder würden Sie mir zustimmen, dass es zwar richtig ist, Unrecht zu beseitigen – da haben Sie völlig Recht –, aber dass sich Unrecht nur dann beseitigen lässt, wenn man sich auch der historischen Tatsachen und nicht zuletzt auch der historischen Schuld sehr, sehr vieler Österreicher bewusst ist, die zu dieser Gegenemotion hingeführt haben, deren Ausfluss die beiden genannten Akte in Slowenien und in der tschechischen Republik waren? (Abg. Mag. Schweitzer: Unrecht mit Unrecht vergelten: Ist es das, was Sie wollen?)


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Es geht überhaupt nicht um das Vergelten, Herr Schweitzer. Sie wissen ganz genau, wovon ich rede. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.  – Gegenruf bei den Freiheitlichen.) Das, worum es geht, ist, hier nicht einen billigen Populismus gegen zwei andere Staaten zu entfalten, sondern mit zäher und ruhiger bilateraler Diplomatie dafür zu sorgen, dass das Problem gelöst wird, statt hier innenpolitische Stimmungsmache zu betreiben, was Sie tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Um ein anderes Beispiel zu erwähnen, Frau Bundesministerin: Mein Eindruck ist, dass es der Bundesregierung im Gefolge der so genannten Sanktionen, die ja von Ihnen – nämlich von der Regierung, nicht von Ihnen persönlich – in einem hohen Ausmaß als ein Instrument der Stimmungsmache popularisiert worden sind (Abg. Mag. Schweitzer: Von Ihnen wurden sie ventiliert!), jetzt, nach dem Ende der so genannten Sanktionen, darum geht, eine Haltungsänderung zur EU und zur EU-Integration herbeizuführen. Das ständige Gerede vom angeblichen deutsch-französischen Direktorium, damit sozusagen ein Feindbild der Großen herzustellen, das Zusammenrotten der Kleinen zu begünstigen und zu sagen: Schaut die Großen an, wie sie uns die Rechte streitig machen!, halte ich nicht für besonders interessendienlich.

Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Worum es geht, ist, dass wir unsere Interessen, die österreichischen Interessen in Europa konkret verfolgen, und das heißt, dass wir Partnerschaften mit allen Staaten, wenn sie mit unseren Interessen übereinstimmen, suchen und eingehen müssen.

Anders als Sie, Herr Abgeordneter Schweitzer, in Ihrer Rede behauptet haben – als Sie meinten, der Artikel 71 EU-Vertrag wäre für das Wochenendfahrverbot von irgendeiner Bedeutung –, ist es schon heute so, dass diese Frage der qualifizierten Mehrheitsentscheidung unterliegt und dass es gelungen ist, durch eine solche Partnerschaftspolitik mit Frankreich und mit Deutschland und letztlich auch mit Italien zu verhindern, dass es zu einer Überstimmung Österreichs kommt. Mir ist es ständig gelungen, die notwendige Sperrminorität zu organisieren, und ich denke, das ist Interessenspolitik im Interesse Österreichs, in diesem Fall im Interesse all derer, die am Wochenende ungestört vom zunehmenden LKW-Verkehr sein wollen. Hier geht es um Interessen, und die sollten verfolgt werden, und nicht um billige Polemik gegen einzelne Staaten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass das Konzept einer strategischen Allianz mit den künftigen Beitrittsländern, mit unseren Nachbarn, eine strategische Allianz in Mitteleuropa besonders weit führen kann. Wenn man bedenkt, in welcher Weise Mitglieder der Bundesregierung, allen voran der Herr Bundeskanzler, oder Mitglieder der Landesregierungen oder auch der beiden Regierungsfraktionen gegen diese Länder immer wieder – das ist an unterschiedlichen Beispielen zu demonstrieren – ausreiten, dann muss man fragen: Wer eigentlich, glauben Sie, kann dort interessiert sein, mit diesem Österreich eine Allianz zu bilden und vielleicht Österreich auch noch zu bitten, dabei die Sprecherrolle zu übernehmen? Das, was da betrieben wird, ist doch nur der Versuch einer gekränkten Regierung, es "denen" in Brüssel, im Westen zu zeigen, weil die so "schiach" zu uns waren, und zu sagen: Da holen wir uns eben andere Partner, und mit denen gemeinsam zeigen wir es euch! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch durch viele Aussagen der Bundesministerin und des Bundeskanzlers zu widerlegen!)

Frau Bundesministerin! Das halte ich nicht wirklich für Interessenspolitik, das halte ich, wenn ich es sehr milde ausdrücke, für einen kühnen Versuch, der an historischen Fakten anknüpft, aber nicht besonders aussichtsreich ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Was ich von all den Maßnahmen, die ich hier angeführt habe, für das Schlimmste halte, ist Folgendes: Ich habe den Eindruck, dass Mitglieder der Bundesregierung zum Teil und Mitglieder der Regierungsfraktion ganz bewusst Provokationen setzen, um ein Klima herzustellen, das all das wieder herstellt, was in der Zeit der Sanktionen der Fall gewesen ist.

Wenn der Herr Bundeskanzler etwa am 9. November der "Jerusalem Post" ein Interview gibt und darin nichts anderes zu sagen hat, als dass er die Koalition mit Haider nicht bedauert, und


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im Übrigen, dass Österreich das "erste Opfer" gewesen ist, dann geht es hier nicht um Fragen der Geschichte, sondern da geht es um die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt ein Interview mit einer Zeitung, die in Israel erscheint, Österreich nützt oder schadet. Das ist eine gezielte Provokation gewesen, weil der Herr Bundeskanzler nicht naiv ist! Der Herr Bundeskanzler weiß, wo er spricht und was er sagt! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek. )

Wenn ich noch kurz auf ein Letztes hinweisen darf: Die zweimalige Vertagung der Ratifizierung des Amtssitzübereinkommens mit der EU-Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch die Regierungsfraktionen ist eine ebensolche Provokation. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Winkler ist auch eine Provokation!) Es mag schon sein, dass irgendjemand sich gekränkt fühlt oder beleidigt fühlt durch das, was Frau Winkler gesagt hat. Aber, Frau Abgeordnete Partik-Pablé, der Punkt ist nicht, ob Sie beleidigt sind, sondern der Punkt ist, was die Interessen Österreichs sind. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Hohes Haus! Das Interesse Österreichs ist, dass Europa nicht schon wieder "aufgeganserlt" wird, gegen Österreich Stellung zu nehmen, weil wir im Außenpolitischen Ausschuss mit Ihrer Mehrheit ein unmögliches Verhalten beschlossen haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Das unmögliche Verhalten gab es von Seiten der Frau Winkler! – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Frau Bundesministerin! Wir sind gerne bereit, in wesentlichen Fragen, die Österreichs Interessen dienen, an Ihrer Seite und mit Ihnen zu streiten, nämlich nicht gegen Sie, sondern an Ihrer Seite für Österreichs Interessen zu arbeiten, aber wir müssen darauf hinweisen, dass es auch ernste Sorgen gibt, weil es darum geht, zu sagen und zu verhindern, dass Österreichs Interessen durch derartige Dinge Schaden zugefügt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Einem verwechselt Ursache und Wirkung!)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Er hat das Wort.

16.53

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich beim Kollegen Einem einsteigen. Er hat mehr oder weniger direkt die Frage gestellt: Was bringt uns das mit den Beneš-Dekreten? Was soll das? – Außenpolitik ist nicht primär eine moralische Frage, aber sie hat auch eine moralische Komponente, Herr Kollege. Und das bringt uns auf die vorher geführte Debatte zurück, in der unter anderem auch sozialdemokratische Politiker, integere sozialdemokratische Politiker wie Bauer, Koref, auch Klenner oder Schärf wegen einiger Aussprüche, wegen einiger – so würde ich eher sagen – Bekenntnisse in die Nähe eines Systems gerückt wurden, mit dem keine der Parteien hier in diesem Haus etwas zu tun haben will.

Auf der anderen Seite könnte man auch Leute wie Gschnitzer, Koren oder Krainer nennen, die noch weit nach dem Zweiten Weltkrieg gewisse Bekenntnisse abgelegt haben, und ich glaube, man sollte sich da ein Wort des steirischen Alt-Landeshauptmanns Krainer vor Augen führen, der gesagt hat:

Das Wort "Deutsch" ist keine politische Aussage, sondern ein Bekenntnis zu einer großen Volkstums- und Sprachgemeinschaft. – Zitatende.

Dieses Zitat könnten wir uns in diesem Zusammenhang vor Augen führen. Wir haben aus dieser Zeit heraus eine Verantwortung für die Minderheiten in diesen Gebieten, und diese Verantwortung lassen zumindest wir Freiheitlichen uns nicht nehmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das kann ich mir vorstellen!)

Das können Sie sich ruhig vorstellen, Herr Kollege! Es gibt eben Leute, die Geschichtsbewusstsein haben (Abg. Öllinger: Das falsche!)  – auch in Bezug auf die Verantwortung, auch in Bezug auf den negativen Teil, und es gibt Leute, die sind nur destruktiv und nichts anderes. Das sind dann diejenigen, die zum Beispiel auch bei mir vor das Haus Sprüche, Bilder und so weiter hingeschmiert haben. (Abg. Öllinger: Wollen Sie mir das unterstellen?)  – Das ist eine


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Entwicklung, die Sie fördern und für die Sie heute leider und unglücklicherweise – viele Sozialdemokraten sind nicht glücklich darüber – Verbündete bei der SPÖ finden. Das ist aber eine gefährliche Entwicklung, die in Richtung Erste Republik führt, die hoffentlich die meisten nicht wollen, die überwiegende Mehrheit in diesem Haus nicht will, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Einem hat vorhin von Frau Winkler gesprochen und davon, dass wir uns ihr gegenüber provozierend verhalten würden. Frau Winkler genießt hier in Österreich das Gastrecht, aber auch das Gastrecht kann man missbrauchen, wenn man sich dem Dialog verweigert, und zwar in einer Form verweigert, die wirklich ungehörig ist. Das sei hier auch einmal deutlich gesagt! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nun direkt zur Außenpolitik. Außenpolitik ist sicherlich primär eine Form der Vertretung nationaler Interessen, das sagt auch Henry Kissinger und beschreibt damit dieses Gebiet sehr gut. Die Beziehungen zu den EU-Staaten und auch zu den Institutionen der EU sind daher, obgleich es eine andere Qualität der Beziehungen zwischen diesen Staaten und uns als zu fremden, außerhalb der EU stehenden Staaten und auch geänderte Aufgaben gibt, noch immer Bestandteil der Außenpolitik. Gegenwärtig befinden wir uns in einer Phase der Institutionenreform, und sie stellt daher geradezu das Herzstück der Außenpolitik dar, das unser Außenministerium auch am meisten beschäftigt. Ich möchte mich daher speziell mit dieser Vertretung der österreichischen Interessen befassen.

Der Gipfel von Nizza steht vor der Tür. Im Hinblick, aber vielleicht auch unter dem Vorwand der Osterweiterung geht es um eine Straffung der Institutionen. Straffung heißt in diesem Fall für manche die Reduzierung der Vertreterzahlen und der Gewichte der gegenwärtigen Mitgliedstaaten, um Platz für die neuen zu schaffen – ein an sich logischer und in manchen Bereichen auch notwendiger Vorgang, solange nicht vitale nationale Interessen unter die Räder geraten. Und eben um die Benennung, um die Definition dieser Interessen geht es. Dabei müssen wir Österreicher, aber auch die anderen Kleinen in der EU, zusätzlich unsere negativen Erfahrungen des letzten Dreivierteljahres berücksichtigen; Erfahrungen mit der Gemeinschaft, die wir in den letzten Monaten gemacht haben und die nicht immer die besten waren.

Neben den mittlerweile weitgehend unumstrittenen Bereichen wie Wasser, Energie, Vertragserweiterung, Transit, soweit er nicht schon abgegeben wurde, gehört nach unserer Ansicht wesentlich auch der Bereich des Fremden- und Asylrechts zu den unveräußerlichen nationalen Rechten. Die östlichen Randstaaten der EU und damit wir mit unseren über 1 200 Kilometern Grenzlänge befinden uns in einer ganz anderen und viel problematischeren Situation als Staaten wie Portugal und ähnliche. Wir können nicht erwarten, dass diese Staaten primär unsere Interessen im Auge behalten werden.

Es gilt daher für uns und für die künftige Entwicklung der EU: Wir wollen einen Staatenbund und nicht den Bundesstaat. Wir wollen die Erhaltung der nationalen Souveränität und die Weitergabe von Rechten nur dort, wo sie sinnvoll und notwendig ist. Wir wollen eine Regionalisierung und eine Subsidiarität. Das bedeutet auch die Rückgabe verschiedener Rechte an Österreich. Wir wollen auch sicherlich keine Kommissare, die eine Regierung darstellen. Sie sind nur die obersten Beamten und dem Willen der Regierungen unterworfen. Und wir werden eine Debatte über die Grenzen dieser Gemeinschaft führen müssen.

Nun noch ein Wort zu der bereits erwähnten Menschenrechtsfrage. Erinnern wir uns: Die Bewerberstaaten, unter ihnen Tschechien, die Slowakei und Slowenien, haben Teile der Gesetzgebung – von, ich würde nicht Regierungen sagen, es waren im Wesentlichen Regime, weil dort noch keine wirklich freien Wahlen stattgefunden haben – in ihren rechtlichen Bestimmungen, die für uns untragbar sind. Und wenn heute von diesen Regierungen gesagt wird, sie hätten keine Gültigkeit, so haben wir gerade aus den letzten Tagen Beweise dafür, dass sie bestehen, dass sie sehr wohl Bestandteil der gegenwärtigen Rechtssprechung sind. Das kann und das darf nicht sein! In dieser Haltung müssen wir fest sein und fest bleiben, sonst geschieht uns das Gleiche, was in der AKW-Frage passiert ist, nämlich dass man uns dann später vorwirft, das hättet ihr schon einige Jahre früher sagen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Nun sagen wir das eben, und das kann uns als Vertretung unserer Interessen nicht negativ ausgelegt werden. Frau Bundesministerin! In den nächsten Wochen und Monaten warten auf Sie harte und ermüdende Verhandlungen. Wir vertrauen darauf, dass Sie konsequent und, wenn notwendig, auch hartnäckig die österreichischen Interessen vertreten. Wir wünschen uns für Nizza einen guten Abschluss, aber der Verzicht auf vitale österreichische Interessen wäre kein guter Abschluss! Auch Zugeständnisse haben ihre Grenzen, und bevor wir wichtige Positionen aufgeben, müssen wir notfalls auch nein sagen können, auch dann, wenn wir die Einzigen wären. Wir hoffen allerdings, dass das nicht notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Er hat das Wort.

17.00

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Botschaft von Herrn Brigadier Jung wird bei der EU-Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wohl angekommen sein. Es ist offensichtlich in diesem Haus und mit dieser neuen Mehrheit möglich, dass ein hoher Offizier des Heeres-Nachrichtenamtes eine unverhüllte Drohung an eine hohe Vertreterin der Europäischen Union richtet.

Jetzt problematisiere ich einmal das Erstere. Jenseits der Außenpolitik lohnt es sich, einmal darüber zu diskutieren, ob es vereinbar und dem Parlamentarismus und auch der Kontrollfunktion des Parlaments zuträglich ist, dass ein hoher Offizier eines militärischen Geheimdienstes im Innenausschuss, im Stapo-Ausschuss, im Landesverteidigungsausschuss und in dessen Unterausschuss zur Kontrolle eben dieses Heeres-Nachrichtenamtes sitzt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich halte es für unverträglich und für unvereinbar, dass die Kontrollore, die bisher selbst jede Kontrolle verhindert hatten, plötzlich das Parlament zu kontrollieren beginnen, und zwar in seinen vertraulichsten Ausschüssen. Und da ist es dann nur folgerichtig, dass der Brigadier des Heeres-Nachrichtenamtes dann auch die Außenpolitik erklärt, weil sie bereits Züge angenommen hat, die dort und in verwandten Institutionen durchaus auf Verständnis und Zustimmung stoßen.

Jetzt komme ich zurück auf Frau Direktor Winkler. Jeder, der sich nur etwas mit dem Außenpolitischen Ausschuss beschäftigt, weiß, dass die Regierungsparteien – zuerst die ÖVP, dann die Freiheitliche Partei – ein Junktim aufgebaut haben und ein klares Signal an die Europäische Union gerichtet haben, das in etwa lautet: Wenn ihr nicht – und das wird dann als Dialog bezeichnet! –, wenn ihr euch nicht so verhaltet, wie wir das wollen, dann wird das dritte, das vierte und das fünfte Mal das Amtssitzabkommen vertagt und verschoben. – Das ist Außenpolitik. Man nimmt ein selbstverständliches Abkommen und beginnt damit, unabhängige und angesehene VertreterInnen der Europäischen Union unter Druck zu setzen. Das ist kein Dialog, das ist Nötigung! (Beifall bei den Grünen.)

Das Gastrecht beinhaltet zweierlei: gewisse Grundnormen des guten Benehmens, die man vom Gast erwartet, eine gewisse Einfühlsamkeit, aber noch viel wichtiger und viel klarer sind die Ansprüche an die Rolle des Gastgebers. Und ein Gastgeber, der sagt: Wenn du mir nicht nach dem Mund redest, dann wirst du ausgeladen, dann stehst du vor dem Haus und dann gibt es kein Amtssitzabkommen!, das ist kein Gastgeber, sondern das verdient eine völlig andere begriffliche Qualifikation.

Frau Bundesminister! Deswegen hätten wir uns erwartet, dass Sie – jetzt ohnehin schon mit Verspätung – einmal aufstehen und sagen: Schluss damit! Sorgen wir dafür, dass ohne weitere Verzögerungen und ohne weiteren Missbrauch dieser Causa das Amtssitzabkommen unterzeichnet wird! – Das steht aus. Warum gibt es diese Erklärung nicht? Warum gibt es diese Forderung nicht? Warum sagen Sie nicht: Jetzt reicht es! Ich erwarte, dass da endlich die Beschlüsse gefasst werden und die Unterschriften darunterkommen!? – Frau Bundesminister! Die heutige Debatte ist eine Möglichkeit, dieses Versäumte nachzuholen. (Beifall bei den Grünen.)


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Grundsätzlich zur Entwicklung der österreichischen Außenpolitik: Ich habe nicht den Eindruck, dass die österreichische Außenpolitik von der Außenministerin gestaltet wird. Ich habe den Eindruck einer großen politischen Unsicherheit in der Rollengestaltung. Ich habe den Eindruck, dass die offizielle Vertretung der österreichischen Außenpolitik längst Spielmasse für ganz andere Interessen in der Bundesregierung ist. Das Spiel mit den Sanktionen, der Umgang mit der Osterweiterung, der Umgang mit der Institutionenreform und der Umgang mit der europäischen Sicherheitspolitik haben nichts mit klaren politischen Zielsetzungen zu tun. Koalitionstaktik steht überall dahinter, reine Koalitionstaktik, Kleingeld, um innenpolitischen Krisenprofit zu maximieren.

Wir kommen damit in eine kritische Situation. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Mehrheit in der Österreichischen Volkspartei Interesse daran hat, aus Österreich so etwas wie die Speerspitze der nationalistischen Ressentiments im europäischen Einigungsprozess zu machen. Und erinnern Sie sich an dieses seltsame Treffen vor mehreren Monaten, zu dem Bundeskanzler Schüssel geladen hat und zu dem Stoiber, Václav Klaus, Džurinda und der ungarische Vertreter, Orban, gekommen sind. Dabei sind Erklärungen abgegeben worden wie: Wir müssen ein Europa bekämpfen, das seine Macht gegenüber dem demokratisch gewählten Präsidenten Miloševic missbraucht, und und und – politische Erklärungen der sonderbarsten Art, die nicht einmal in einer Zeile vom Bundeskanzler zurückgewiesen worden sind und sich über alle Sprachbarrieren hinweg in einem Satz zusammenfassen lassen: Es gibt politische Kräfte in Bayern, in der Tschechischen Republik, in der Slowakei, in Ungarn und in Österreich, die nationale und nationalistische Ressentiments gegen den europäischen Einigungsprozess ausnützen wollen.

Die Regierung Schüssel stellt die Gefahr dar, zum Katalysator und Organisator dieses Ressentiments innerhalb der Europäischen Union zu werden. Und deswegen kommt der Applaus von Berlusconi, von der Lega Nord bis hin zu Viktor Orban, Kräften, die die Ängste vor dem europäischen Einigungsprozess für ihre politischen Strategien nützen wollen. Und dabei spielt Österreich und dabei spielt Ihre Bundesregierung, Frau Bundesminister, eine Schlüsselrolle! Jetzt frage ich: Was setzen Sie dem entgegen? Natürlich ist das lupenreine freiheitliche Politik.

Dazu gehört das Spiel mit Volksbefragungen und Volksabstimmungen! Da mit einer Volksabstimmung zündeln, zuerst bei den Sanktionen, dann bei der Osterweiterung, und zwischendurch wird ein Kulturbau erledigt. Dieser blinde rechtskonservative Umgang mit Populismus in dieser Republik, das wird immer mehr zum Markenzeichen der Europa- und Außenpolitik. Frau Bundesminister! Ich glaube nicht, dass Sie dafür verantwortlich sind. Sie haben schlicht und einfach niemals die politische Kontrolle über diesen Prozess gehabt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Zündeln mit Volksabstimmungen!)

Es gäbe völlig andere Optionen einer österreichischen Außenpolitik. Österreich könnte – und das sollten wir nie vergessen – ein geachtetes Mitglied der Europäischen Union sein.


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(Abg. Dr. Martin Graf: Aber das verhindern Sie!) Österreich könnte ein Pionierland von Demokratiereformen, sozialen Reformen und ökologischen Reformen in der Europäischen Union sein. Österreich könnte ein Land sein, das man dafür achtet, dass es eigene, eigenständige, spannende und innovative Wege in der internationalen Sicherheitspolitik geht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn Sie nicht zündelten!)

Aber stattdessen verfolgt Österreich eine Sicherheitspolitik, bei der im Gegensatz zu Schweden oder Finnland ein Verteidigungsminister unter Bruch der Bestimmungen des Neutralitätsgesetzes eine Initiative zur Einführung der Beistandspflicht in der Europäischen Union, also einen zukünftigen militärischen Block in Kauf nimmt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

So weit sind wir! Und wo gibt es da eine Außenministerin, die aufsteht und sagt: Nein, das ist nicht die außenpolitische Linie, nein, das ist kein europäisches Projekt. Nein, das ist kein Projekt, mit dem wir uns mitten in Europa befinden, ich fordere stattdessen dies und jenes, und ich setze als Außenministerin Markierungen!? (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Sie haben uns an den Rand Europas geführt! Österreich ist heute in einer politischen Randlage. (Abg. Dr. Martin Graf: Österreich ist so beliebt, dass so viele zuwandern wollen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso gibt es dann die Zuwanderung?) Und als großen Erfolg zu feiern, dass Sie heute wieder auf Gruppenfotos dürfen, das wird bestenfalls die Fotografen freuen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es Ihr einziges Ziel war, irgendwie wieder auf die Gruppenfotos zu kommen, dann sage ich: Gratuliere, Frau Bundesministerin, Sie haben es geschafft! Der Preis, den die österreichische Außenpolitik für die Regierung, die Regierungsbildung und die Regierungspolitik gezahlt hat, ist jetzt schon hoch genug. Eine Wende in Österreich wird deshalb vor allem auch eine Wende in der internationalen Politik sein. Und ich bin nach allem, was in diesem Jahr passiert ist, zutiefst davon überzeugt, dass ein Regierungswechsel die Voraussetzung für eine geachtete, neue österreichische Außenpolitik ist. Das Land hätte es sich verdient. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Sie wollen Außenminister werden! – Abg. Dr. Fekter: Hoffentlich nicht!)

17.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Jung zu Wort gemeldet. In § 58 Abs. 2 GOG heißt es: mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung beginnen. – Bitte.

17.11

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Pilz hat vorhin behauptet, dass ein hoher Offizier des militärischen Geheimdienstes in diesem Haus ist, der in den Ausschüssen – und dann zählte er auf: Nachrichtendienst-Unterausschuss, Innen-Unterausschuss und so weiter – sitzt.

Dies ist unwahr. Ich haben an diesem Ort schon zum wiederholten Male darauf hingewiesen, dass ich erstens nie in einem Geheimdienst tätig war und zweitens seit Jahren nicht mehr im österreichischen Nachrichtendienst gearbeitet habe. All das habe ich in Anwesenheit des Abgeordneten Pilz erklärt. Sein Verhalten kann daher nicht auf Unwissen zurückzuführen sein, sondern kann nur eine bösartige Verdrehung der Tatsachen darstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das macht er ja immer! – Abg. Dr. Martin Graf: Das macht er immer, der Herr "Außenminister" Pilz! Seit die Grünen in Deutschland an der Regierung sind, gibt es Krieg in Europa!)

17.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.12

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Zu meinem Vorredner nur zwei Bemerkungen: Er hat gesagt: mit einer Volksabstimmung "zündeln". – Dazu muss ich sagen: Die letzte Partei in diesem Haus, die eine Volksabstimmung gefordert – ich würde nicht sagen, "gezündelt" – hat, war nicht auf dieser Seite (in Richtung ÖVP und Freiheitliche) zu finden, sondern auf (in Richtung SPÖ) dieser, und zwar beim Budgetbegleitgesetz.

Zweitens: Sie wissen es selbst, Herr Kollege Pilz, Sie sind doch Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses und haben sicherlich für morgen die Einladung bekommen: Ein Tagesordnungspunkt ist das Amtssitzabkommen, das morgen beschlossen wird. – Soviel zum Kollegen Pilz. (Abg. Dr. Martin Graf: Da muss Frau Winkler auch kommen! – Abg. Mag. Posch: Sie kommt auch!)

Das Jahr 2000 war eines der schwierigsten Jahre in der Außenpolitik: die Sanktionen, aber auch der Vorsitz in der OSZE und die Vorbereitungen für die Osterweiterung. Der Dank geht an Sie, Frau Ministerin, mit Ihren BeamtInnen. Sie haben diese Hürden ganz hervorragend bewältigt. Bei den Sanktionen ist es manchmal so, dass man, wenn man mit Österreichern spricht, das Gefühl hat, dass in den Herzen und im Gemüt der Österreicher vielleicht noch etwas übrig geblieben ist. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das bald bessern wird. Und wir sind, denke ich, alle sehr glücklich darüber, dass es sich zumindest bei den Außenministern gebessert hat,


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weil einige am Beginn des Jahres noch daran gezweifelt haben, dass sie an der OSZE-Ministerkonferenz teilnehmen werden. Es ist doch vor allem auf Ihre Arbeit zurückzuführen, Frau Bundesministerin, dass alle in Österreich zu Gast waren. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Woche war die Welt in Wien zu Gast. Ich finde, es war auch eine besondere Auszeichnung, dass zu diesem Jubiläum – 25 Jahre nach der Schlussakte von Helsinki – auch ein weiterer demokratischer Aufbruch geschafft wurde, nämlich dass Jugoslawien wieder in der Runde begrüßt werden konnte.

Frau Bundesministerin! Ihre Bemühungen im Zusammenhang mit dem Balkan und dem Kaukasus werden von allen akzeptiert, hoch gelobt und geachtet. Mir persönlich tut es sehr Leid, dass die hervorragenden Vorbereitungen von Ihnen und Ihren Beamten dafür, dass Kinder im Kriegsgebiet und im Konfliktfall besser geschützt werden, am Veto von Moskau gescheitert sind. Für mich ist das sehr traurig. Ich wundere mich darüber, dass die Vorredner nicht darauf eingegangen sind, denn es sind immerhin 300 000 Kinder und Jugendliche, die jährlich in Kriegen und Bürgerkriegen fallen, und wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit wir dem Zusatzprotokoll der UNO gegen die Kindersoldaten gerecht werden. Ich bitte Sie, dem auch in Zukunft Ihre volle Unterstützung zu geben, damit wir in diesem Bereich einen Schritt weiter kommen.

Positiv ist nicht nur zu vermerken, dass Österreich das Zusatzprotokoll unterschrieben hat, sondern auch, dass der Strafgerichtshof in Den Haag den Einsatz von Kindersoldaten nun als Kriegsverbrechen ahndet. Das ist zumindest ein erster richtiger Ansatz.

Das Zweite, wofür ich Ihnen und Ihren Beamtinnen und Beamten ganz, ganz herzlich danken möchte, ist die Initiative, die Sie bei dieser Konferenz ergriffen haben, wodurch es ein umfassendes Mandat zur Bekämpfung von Menschenhandel gibt. Ich glaube, das ist ein Punkt, den man auch in dieser Debatte herausstreichen muss. Menschenhandel ist eine moderne Form von Sklaverei, und Menschenhandel ist eine Schande für zivilisierte Länder.

Menschenhandel ist eine grobe Verletzung der Menschenrechte und der Menschenwürde, und Menschenhandel ist insbesondere eine Form von Gewalt gegen Frauen. Unter den vom Menschenhandel Betroffenen gibt es viele Frauen und Mädchen, die missbraucht und zum Teil zur Prostitution gezwungen werden. Ich möchte einige Zahlen dazu nennen: Nach den Zahlen aus dem Jahr 1997, die mir zur Verfügung stehen, sind 175 000 Frauen und Mädchen aus Zentral- und Osteuropa und den neuen unabhängigen Staaten Opfer von Menschenhandel geworden und sind vor allem auch in OSZE-Ländern weiter gehandelt worden. Ich glaube, das müssen wir uns bewusst machen. Immerhin werden 500 000 Frauen heute für sexuelle Ausbeutung und Prostitution missbraucht.

Man muss auch sagen, dass nach Hochrechnungen das organisierte Verbrechen mit dieser schändlichen Art von Menschenhandel heute bereits einen Gewinn von 7 Milliarden Dollar macht. Dieser Profit ist bereits höher als der im Drogenhandel.

Man muss diese Initiative von Ihnen wirklich unterstreichen. Es geht darum, dieses gemeinsame Problem zu erkennen und dagegen anzukämpfen, die Verantwortung der Staaten zu betonen und ihre Gesetze daraufhin zu überprüfen, wie sie diesen Menschenhandel verhindern könnten. Mit dieser Initiative sollen vor allem die Frauen geschützt und auch als Opfer gesehen werden, was zum Teil auch bei uns noch immer nicht der Fall ist, und vor allem ist auch die Feldpräsenz der OSZE zu würdigen. Es ist, wie auch Sie betont haben, sehr notwendig, dass es eine verbesserte Zusammenarbeit der OSZE, der UNO, der EU, der Interpol und natürlich auch des Europarates gibt, denn nur dann werden wir gemeinsam etwas erreichen und ein Bewusstsein dafür schaffen, diese Verbrechen einzudämmen.

Zum Thema Europarat möchte ich eine ganz persönliche Bitte noch einmal an Sie herantragen. Gestern war in der Zeitung zu lesen, dass es jetzt in Holland die Zulassung der aktiven Sterbehilfe gibt. Sie wissen, dass ich im Europarat einen Bericht dazu verfasst habe, der mit großer Mehrheit angenommen worden ist und der sich auf vier Säulen gründet: Ausbau der


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Palliativmedizin, Ausbau der Patientenrechte, Ausbau der Hospizbewegung, aber ein absolutes Nein zur aktiven Sterbehilfe. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Bericht wurde in der Assemblée angenommen und liegt jetzt im Ministerkomitee. Er braucht eine starke Lobby unter Ihren Kollegen, und darum bitte ich Sie. Es wäre vielleicht auch ein Verdienst Österreichs zur Weiterentwicklung und Differenzierung der Menschenrechte, wenn wir hier einen Schritt vorankommen würden. Es wäre wirklich dringend notwendig, dass wir uns bewusst machen, wie groß das Problem ist, das in diesem Zusammenhang auf uns zukommt, weil jeder das Recht hat, dass sein Leben geschützt wird, dass es aber keinen Anspruch auf das Gegenteil geben darf, nämlich getötet zu werden.

Ich finde, das ist etwas ganz Wichtiges, und ich bitte Sie, dass Sie alles daran setzen. Ich bitte Sie, auch bei Ihren Kollegen diesbezüglich tätig zu werden, damit wir ein Garant dafür sind, dass Menschenrechte eingehalten und garantiert werden. Lassen wir auch den Menschen, die schwer krank sind, oder sterbenden Menschen ihre Würde und ihr Recht auf Leben! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

17.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

17.20

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Gestern während der Budgetdebatte zum Thema Wirtschaft und Außenhandel haben wir bereits über verschiedene Probleme im Mittleren Osten gesprochen. Ich möchte darauf insoferne eingehen, als ich in einem Bericht zum Nahen und Mittleren Osten Sätze lese wie: Im Vergleich zu den achtziger Jahren hat die Region jedoch an Bedeutung verloren. – Wir wissen, dass das Öl eine große Rolle spielt und dass sich das natürlich im Außenhandel niederschlägt.

Worauf ich aber hinaus will, ist – wir haben das auch schon nach der Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses kurz besprochen –, dass die österreichische Außenpolitik im arabischen Raum evident ist. Der Name Kreisky hat in diesen Ländern noch immer einen sehr guten Klang. Wir sollten die in den vergangenen zwei, drei Jahren auf Grund verschiedener anderer wichtiger Aktivitäten, wie etwa OSZE – ich weiß, was das bedeutet, Österreichs Präsidentschaft im zweiten Halbjahr –, etwas zurückgestellten Kontakte wieder intensivieren. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Kurzmann. )

Frau Bundesministerin! Ich kenne Ihre besonders positive Einstellung zu den arabischen Ländern, ich habe es Ihnen gesagt, aber ich stehe auch nicht an, zu betonen: Die Botschafter dieser Länder erwarten sich, dass wir wieder aktiver werden; gerade jetzt, angesichts der wieder äußerst dramatischen Entwicklung in Israel und Palästina.

Sie haben heute – und ich danke Ihnen dafür – trotz aller Hektik einen hohen Repräsentanten der arabisch-österreichischen Gesellschaft in Wien empfangen und haben die Bereitschaft erneuert, Palästina, das palästinensische Volk so wie in der Vergangenheit weiterhin zu unterstützen. Sie haben verschiedene Projekte in Aussicht gestellt. Herzlichen Dank! Schon die vorigen Regierungen haben die Palästinenser unterstützt. Ich darf nur an das Spital in Jerusalem erinnern, und ich hoffe sehr, dass es uns gelingen wird, auch weiterhin aktiv tätig zu sein. Das ist nicht nur eine humanitäre Frage – ich sage das als Ökonom ganz offen –, sondern das ist auch eine wirtschaftliche Frage.

Die österreichisch-arabische Gesellschaft hat sich, so wie Sie es gesagt haben, bemüht, alle Parteien, die im Parlament vertreten sind, einzubinden, auch die Sozialpartner, auch die Wirtschaft, und ich bin froh, dass es uns in den letzten Jahren gelungen ist und auch jetzt gelingt, diese Frage außer Streit zu stellen.

In diesem Zusammenhang noch eine Frage, und auch das habe ich schon erwähnt: Wie ist die österreichische Position zum Embargo gegen den Irak? Sie wissen, es ist uns gelungen, zweimal unter äußerst schwierigen Bedingungen 80 österreichische Ärzte dafür zu gewinnen, in


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den Irak zu fahren – und das ist bei Gott alles andere als eine Urlaubsreise –, um das unglaubliche Leid der Kinder und Kleinstkinder dort zu lindern. Das hat weit über den Irak hinaus Resonanz gefunden, und wir werden diese Initiative fortsetzen. Ich begrüße die Wiedererrichtung unserer Botschaft in Bagdad, sie wird unsere Aktivitäten vielleicht erweitern.

Einige Sätze noch zum EU-Erweiterungsprozess; auch darüber haben wir schon gestern im Rahmen der Wirtschaftsdebatte gesprochen. Wie der jüngste Besuch des französischen Staatspräsidenten gezeigt hat, sind die bilateralen Relationen und die zwischenstaatliche Atmosphäre zu einzelnen EU-Staaten nach wie vor nicht so, wie wir alle es uns eigentlich wünschen würden. Ich freue mich, wenn Sie berichten, dass es Ihnen gelungen ist, im Rahmen der bilateralen aktiven Besuchsdiplomatie Terrain wieder gutzumachen, wie Sie es nennen, und ich hoffe, es gelingt noch mehr.

Bei dem Gipfeltreffen der Staatschefs in Nizza vom 7. bis 9. Dezember werden nicht nur wichtige technokratische Fragen wie Stimmengewichtung, Zahl der Kommissäre, Mehrheitsfindung und Ähnliches mehr behandelt werden, sondern ein wesentlicher Grund für diese Anpassungsverhandlungen ist, wie wir wissen, auch die beabsichtigte Erweiterung der Europäischen Union um neue Mitglieder. 13 Länder haben um Aufnahme angesucht.

Die EU-Erweiterung ist – das wissen wir – eine beschlossene Sache, sie wird kommen, und das ist gut so. Wichtig insbesondere auch für Österreich – Sie haben darauf hingewiesen, und ich verfüge über Statistiken über die letzten zwei Jahre – ist, welch große ökonomische Bedeutung in Wien, Niederösterreich und Burgenland die Regionen Ungarn, Slowakei, Slowenien und Tschechien bezüglich der Kaufkraft haben, die nach Österreich fließt. Aber auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch die Sorgen der Bevölkerung sehen; sie wurden vereinzelt von Kolleginnen und Kollegen schon angesprochen.

Wichtig in dieser Phase der Verhandlungen scheint mir der Umstand zu sein, dass die österreichische Politik auf bilateraler Ebene intakt bleibt und noch intensiviert wird. Treffen mit Chirac, Schröder, oder wie immer die einzelnen Staats- und Regierungschefs auch heißen mögen, Kontaktgespräche auf diplomatischer Ebene, auf Expertenebene sind wichtig, weil Österreich nur so wieder in die Lage kommt, seine Anliegen besonders zu artikulieren und entsprechend durchzusetzen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei allen, die hier eingebunden sind, herzlich bedanken. Diese Gespräche sind wichtig, sehr wichtig, aber entscheidend ist es doch, persönliche Kontakte – wie Sie ja selbst erwähnt haben – zu haben, um die oft diffizilen Positionen der Österreicherinnen und Österreicher weitestgehend durchzusetzen.

Wir alle hoffen, dass der Gipfel in Nizza ein Erfolg wird. Ein Erfolg muss es sein! Je rascher und je tiefgreifender die Verhandlungen Ergebnisse bringen, umso besser für Österreich, für Europa. – Frau Bundesministerin! Wir wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeitern hiefür viel Erfolg! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Kurzmann und Dr. Stummvoll. )

17.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.26

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Aus aktuellem Anlass möchte ich am Beginn meiner Ausführungen die Beziehungen zu Tschechien und Slowenien ansprechen.

Gestern hat die Sudetendeutsche Landsmannschaft im Parlament eine Petition gegen die menschenrechtswidrigen und, wie ich meine, rassistischen Beneš-Dekrete und Avnoj-Gesetze überreicht. Diese Petition stützt sich auf mehr als 24 000 Unterschriften, die dem ersten Präsidenten dieses Hohen Hauses, Herrn Dr. Fischer, überbracht worden sind.


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Ich möchte auch Ihnen, Frau Bundesminister, ein Flugblatt überreichen und ersuche Sie, auch in Zukunft weiterhin klar auf die tschechischen und slowenischen Unrechtsgesetze und deren Folgen hinzuweisen. (Der Redner überreicht der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner ein Schriftstück. – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Tschechien und Slowenien sind mit ihren berüchtigten Beneš-Dekreten und Avnoj-Gesetzen traurige Beispiele dafür, dass Vertreibungs- und Enteignungsgesetze noch immer in Kraft sind beziehungsweise so nachwirken, wie es jeder zivilisierten Gesellschaft eigentlich Hohn spricht. Wie man so etwas verteidigen oder verniedlichen kann, ist mir unklar.

Mit den tschechischen Beneš-Dekreten und den früheren jugoslawischen Avnoj-Gesetzen wurde der Völkermord an den Sudetendeutschen, aber auch die Vernichtungs- und Vertreibungspolitik gegen Untersteirer, Gottscheer, Donauschwaben sowie nichtkommunistische slowenische Domobranzen oder königstreue serbische Tschetniks gerechtfertigt. Solche Gesetze sind unserer Überzeugung nach – und das sage ich als Freiheitlicher sehr bewusst – mit einer demokratischen Wertegemeinschaft absolut nicht vereinbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte mich aber auch noch kurz mit zwei weiteren Schwerpunkten auseinander setzen, nämlich mit der Auslandskulturpolitik, die einen wichtigen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik darstellt, und – wenn es die Zeit noch erlaubt – kurz mit dem Gipfel von Nizza.

Zur Auslandskulturpolitik: Aufgabe der Auslandskulturpolitik ist es, das Bild Österreichs im Ausland nachhaltig und günstig zu beeinflussen. Die Vermittler der österreichischen Kultur im Ausland sind zurzeit in erster Linie die dem Außenministerium unterstellten Kulturinstitute in vielen Städten, aber auch die Kulturattachés in den Botschaften leisten wertvolle Vermittlungsarbeit im Bereich der Kultur.

Ich bin nicht der Meinung des Burgtheaterdirektors Bachler, der in einer gewissen Selbstüberschätzung am Samstag, dem 25. November, in der "Presse" ausgeführt hat – ich zitiere –:

"Das Burgtheater betreibt die einzige relevante Außenpolitik und sollte vielleicht Sonderfinanzierungen vom Außenamt bekommen." – Zitatende.

Derartige Äußerungen sind wohl unter dem Motto zu sehen: "Klappern gehört zum Handwerk." Ich glaube aber, sie nützen, wenn sie so in die Öffentlichkeit gebracht werden, auch dem Burgtheater nicht wirklich.

Es wird in einer Zeit knapper werdender finanzieller Mittel in Zukunft sicherlich notwendig sein, stärker als bisher Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Eine Neuausrichtung der österreichischen Auslandskulturpolitik auf den Balkanraum ist angebracht, auch um den Normalisierungs- und Demokratisierungsprozess in diesem Bereich weiter zu unterstützen.

Aus freiheitlicher Sicht, Frau Bundesministerin, ist es wichtiger, sich in Räumen und in Gegenden zu engagieren, mit denen uns auch historische Bezüge verbinden und die uns auch geographisch näher liegen als etwa das ferne Nicaragua.

Die Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie sollten in einem zusammenwachsenden Europa auch in Zukunft unsere natürlichen Partner sein. Sieben Österreich-Bibliotheken gibt es bereits im Balkan-Raum, und wie Sie, Frau Bundesministerin, ausgeführt haben, werden drei weitere in nächster Zeit noch dazukommen.

Nun noch einige kurze Anmerkungen zum Gipfel von Nizza. Bei der COSAC-Konferenz in Versailles – das war Mitte Oktober – war ich beeindruckt, wie deutlich der französische Außenminister Védrine die französischen Standpunkte vertreten hat. Es war eine Offenheit, die man sich von anderen Politikern – ich denke hier in erster Linie an Günter Verheugen – oft wünschen würde. Védrine hat den EU-Beitrittskandidaten klargemacht, dass es von ihnen und von ihrer


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Erfüllung des Acquis Communautaire abhängt, wann die nächste Erweiterungsrunde zur Osterweiterung stattfinden kann.

Ich wünsche Ihnen, Frau Bundesministerin, für den Gipfel von Nizza jene Hartnäckigkeit, die Sie bisher in Ihrem Amt bewiesen haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jäger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

17.31

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, dass der OSZE-Gipfel kein Misserfolg war. Ich denke aber doch, auch Sie sind sehr enttäuscht, dass es eben nicht gelungen ist, einen Kompromiss über eine gemeinsame Schlusserklärung herzustellen, obwohl sich, wie ich weiß, wirklich alle – auch die Beamten – sehr darum bemüht haben. Dies ist deshalb sehr bedauerlich, weil es dadurch eben auch zu keiner Rückkehr der OSZE-Delegation nach Tschetschenien kommen wird. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. )  – Vielleicht können Sie noch dazu Stellung nehmen.

Es wäre für die Entwicklung in Russland sehr wichtig, dass die Beziehungen zu Tschetschenien in einer ehrlichen Art neu aufgenommen werden. Das ist leider nicht gelungen.

Ich freue mich besonders darüber, dass das Thema "Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten" und auch das Thema "Menschenhandel" aufgenommen worden sind. Ich denke, das sind Themen, die auch in Zukunft noch viel intensiver in allen internationalen Gremien behandelt werden müssen. Es müssen diesbezüglich auch noch wesentlich effizientere Maßnahmen gesetzt werden, um zu verhindern, dass Kinder in Kriegen, in bewaffneten Konflikten sozusagen missbraucht werden.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, und zwar das Amtssitzabkommen der Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Auf Grund meiner Erfahrungen in den letzten Ausschusssitzungen muss ich sagen, ich bin nicht sicher, dass das morgen auch tatsächlich beschlossen werden wird. Ich hoffe es sehr. Ich denke, es war nicht sehr klug, dieses Abkommen mit der Anwesenheit der dortigen Amtssitzvertreterin zu verknüpfen.

Frau Ministerin! Ich komme noch einmal auf die Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen. Ich habe hier eine Petition mit Ihrer Unterschrift, die Sie vor einem Jahr hier eingebracht haben und in der Sie festhalten, dass die bilaterale Projekt- und Programmhilfe nicht gekürzt, sondern im Gegenteil schrittweise ausgebaut werden soll. Vier Jahre lang sollen diese Mittel jeweils um 250 Millionen angehoben werden, so lange, bis aus einer Entwicklungs-Milliarde zwei geworden sind. – Wir alle wissen, dass wir keine Entwicklungs-Milliarde mehr haben, sondern dass in unserem Budget jetzt nur mehr 745 Millionen für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen, und das ist sehr, sehr bedauerlich. Wir gehören damit zu den Schlusslichtern der EU.

Aber es geht uns im Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit nicht nur um die finanziellen Fragen, sondern es geht uns auch darum, dass wir uns mit den Themen, mit den Inhalten auch auf parlamentarischer Ebene auseinander setzen können.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Inge Jäger, Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Transparenz bei der inhaltlichen und finanziellen Schwerpunktsetzung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend der in der Vergangenheit geübten Praxis, dem Nationalrat das Dreijahresprogramm 2000 – 2002 der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit vorzulegen und die jährliche Fortschreibung dieses Programms dem Nationalrat in Zukunft regelmäßig zu übermitteln.

Die Bundesregierung wird ferner ersucht, im Sinne einer größeren Transparenz das Budget im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit so zu strukturieren, daß die Länder- und Projektschwerpunkte der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit entsprechend dem jeweiligen Dreijahresprogramm nachvollziehbar sind.

*****

Frau Bundesministerin! Ich ersuche Sie, dafür zu sorgen, dass wir dieses Dreijahresprogramm bekommen. Wir wissen, dass es im neu gegründeten Beirat bereits aufgelegt worden ist, uns hier im Parlament ist es aber noch nicht zur Verfügung gestellt worden. Ich bitte Sie darum, dass wir das wirklich bekommen.

Ich möchte Sie noch um eine weitere Stellungnahme bitten. Es wurden nicht nur dem Außenamt Mittel gekürzt, aber den Argumenten, dass eben ausgabenseitig gespart wird, muss ich entgegenhalten: Es gibt Bereiche, wo eben nicht gespart wird! Wir haben Mehrausgaben im Bereich Militär, wir haben Mehrausgaben im Bereich Landwirtschaft, und das heißt, es werden ganz eindeutig Schwerpunkte gesetzt hinsichtlich dessen, wo eingespart wird. Auch die Mittel für das Parlament werden gekürzt. Ich denke da speziell an den Internationalen Dienst und muss sagen, dass Kürzungen in diesem Bereich der Zusammenarbeit in der Außenpolitik, die ja auch für das Parlament sehr wichtig ist, nicht sehr dienlich ist.

Noch eine Frage zu den Verhandlungen in Nizza: Ich habe im Außenpolitischen Ausschuss eine Frage in Bezug auf den Artikel 133 gestellt, der die Dienstleistungen und das geistige Eigentum im Handelsrecht regelt, und ich weiß, dass das Wirtschaftsministerium bei der Änderung des Übergangs von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit eine andere Position vertritt. Ich frage Sie jetzt, Frau Bundesministerin: Gibt es diesbezüglich eine Einigung zwischen Außenamt und Wirtschaftsamt, und wie schaut diese Einigung aus? – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Jäger eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Jäger, Mag. Lunacek und Genossen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.39

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Als entwicklungspolitische Sprecherin der ÖVP freut es mich wirklich ganz besonders, dass die von der Frau Bundesministerin schon angesprochene Schwerpunktsetzung im Bereich der Entwicklungspolitik doch gelungen ist. Es ist gelungen, ein – zugegebenermaßen nicht berauschendes – Budget zu stabilisieren und dem Abwärtstrend der vergangenen Jahre ein Ende zu setzen.

Im Jahre 2001 stehen für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit inklusive der Mittel für das European Recovery Program insgesamt 930 bis 970 Millionen Schilling zur Verfügung, wenn man die Bindungen mit berücksichtigt. Das ist ein Betrag, mit dem man arbeiten kann.

Wir liegen damit zwar nur im unteren Feld der OECD, haben aber unter Verzicht auf andere wichtige Dinge im Außenamt die Entwicklungszusammenarbeit doch weiterhin deutlich unterstützen können. Fest steht, dass es nach dieser wichtigen Budgetkonsolidierung unabdingbar erforderlich ist, auch die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit wieder aufzustocken. Wir schaffen uns jetzt den Spielraum für wichtige Vorhaben in der Zukunft.


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Meine Damen und Herren! Drei Viertel der Weltbevölkerung leben schon heute in Entwicklungsländern. In 20 Jahren werden nur noch 12 Prozent der Menschen aus den reichen Ländern der Welt kommen. Armut, Umweltzerstörung, Krieg, Massenemigration: All das sind Phänomene, die vor unseren Grenzen auf keinen Fall Halt machen. Die Mittel, die wir in Österreich für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen, sind keine  – ich betone das ausdrücklich – Almosen, sondern es ist unser vitales Interesse, die Probleme an der Wurzel zu bekämpfen, ihnen den Nährboden zu entziehen und die Armut zu bekämpfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Genau da setzt eine gut organisierte Entwicklungszusammenarbeit an. Die finanziellen Möglichkeiten Österreichs sind heute vielleicht beschränkt. (Abg. Öllinger: Sehr beschränkt!) Es macht daher Sinn, sich auf wenige Schwerpunktländer zu konzentrieren. Österreich tut das. Die acht Schwerpunktländer erhalten insgesamt 40 Prozent des Entwicklungshilfebudgets, die 13 Kooperationsländer 25 Prozent.

In diesem Zusammenhang darf ich mir wünschen, dass die Entwicklungszusammenarbeit auf EU-Ebene doch noch stärker koordiniert wird. Mir erschiene es einleuchtend, wenn sich jedes Land ein paar Schwerpunktländer suchen würde und diese sich nicht unbedingt überschneiden oder decken würden. So könnte mit den gleichen Mitteln insgesamt eine noch höhere Effizienz erzielt werden.

Das letzte gute Drittel des Budgets wird für Kofinanzierungen, Ausbildung in Österreich, Öffentlichkeitsarbeit, Bildungsarbeit der NGOs, Beratung, Logistik, Evaluierung und einzelne strategisch wichtige Projekte in anderen Ländern aufgewendet. Auf zwei dieser Bereiche möchte ich kurz eingehen.

Erstens: Studenten aus Entwicklungsländern. Frau Lunacek ist leider nicht mehr da. (Abg. Mag. Lunacek: O ja!) Es ist mir besonders wichtig, festzuhalten, dass es uns allen ein gemeinsames Anliegen ist, dass möglichst viele junge Menschen aus Entwicklungs- und Schwellenländern in Österreich eine gute Ausbildung erhalten. Das ist eine sehr unmittelbare Form der Entwicklungshilfe. Diese Menschen gehen danach zurück in ihr Land und leisten dort die beste Hilfe. (Abg. Mag. Lunacek: Mit welchem Geld?)

Für die meisten von ihnen – vielleicht ausgenommen Diplomatenkinder – wäre die Zahlung von Studienbeiträgen tatsächlich eine große Hürde. Aus diesem Grund wurde entschieden, dass Studierenden aus Entwicklungsländern, aber auch jenen aus Schwellenländern die Studienbeiträge rückerstattet werden. Die Rückerstattung erfolgt innerhalb von vier Wochen. Das erscheint mir durchaus zumutbar und ist keine unüberwindliche Hürde.

Das ist eine Regelung, die vielmehr großen Sinn macht und die deswegen getroffen wurde – und jetzt anders lautet als der ursprüngliche Vorschlag, in dem Entwicklungsländer gänzlich ausgenommen waren –, weil man auch Studierende aus den Schwellenländern einbeziehen wollte. Ich glaube, dass man damit einen durchaus sinnvollen Weg gefunden hat, das auch zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Konventionsflüchtlinge, Absolventen von grenzüberschreitenden Mobilitätsprogrammen, Studenten aus Ländern, die auch Österreichern die Studienbeiträge zur Gänze erlassen, werden überhaupt keine Studienbeiträge bezahlen, sodass von insgesamt zirka 30 000 ausländischen Studenten zirka 28 000 keine Beiträge zahlen müssen. Ich glaube also, dass einer grenzenlosen Wissenschafts- und Wissensgemeinschaft durch Österreich sicher keine Grenzen gesetzt werden.

Der zweite wesentliche Punkt ist für mich die entwicklungspolitische Bildungsarbeit, die im Jahre 2001 mit 40 Millionen dotiert wurde. Das bedeutet, dass gegenüber 2002 wiederum eine 10-prozentige Kürzung vorgenommen werden musste. Ich möchte aber betonen, dass die Frau Bundesministerin letztes Jahr mit den betroffenen Organisationen vereinbart hat, die ursprünglich vorgesehene 20-prozentige Kürzung auf zwei Jahre aufzuteilen. Das ist im Einvernehmen passiert und hatte nicht zur Folge, dass irgendwelche Programme und Projekte gestoppt werden mussten. Das erscheint mir daher vertretbar, wenn auch nicht wünschenswert.


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Meine Damen und Herren! Zusammenfassend darf ich doch feststellen, dass das Entwicklungshilfebudget trotz der notwendigen Budgetkonsolidierung eines ist, mit dem man wieder sehr viele wichtige Vorhaben und Projekte wird umsetzen können. Ich möchte hier aber noch einmal mit Nachdruck fordern, dass nach Abschluss der Budgetkonsolidierung eine massive Aufstockung erfolgen sollte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.46

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Seit zwei Monaten wird die internationale Staatengemeinschaft Zeuge der eskalierenden Gewalt im Nahen Osten. Diese Gewalt fordert täglich Tote auf palästinensischer und auf israelischer Seite. Es dominieren Aggression und Hass. Die Beziehungen zwischen den Palästinensern und Israelis sind auf einem Tiefpunkt.

Bei den Unruhen in Gaza wurde ein zwölfjähriger palästinensischer Bub in den Armen seines Vaters von den Kugeln aus dem Gewehr eines israelischen Soldaten getötet. Aggression, Gewalt und Hass halten nicht nur diese Region, sondern die ganze Welt in Atem. Dadurch stirbt auch der Traum von einem nahen Frieden. Jahrelang haben viele Politiker, viele engagierte Menschen in Israel und Palästina darauf hingearbeitet, einen Punkt zu erreichen, an dem über einen historischen Ausgleich gesprochen werden kann. Es waren viele Jahre voller Höhen und Tiefen. Dann kamen die Verhandlungen von Oslo, und in vielen Menschen wurde Hoffnung geweckt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute fliegen wieder Steine; Gummigeschoße verletzen Menschen; Raketen und scharfe Kugeln töten Kinder. Im Kreuzfeuer dieser Geschoße befinden sich sowohl Israelis als auch das palästinensische Volk. Ob wir heute die Bilder des Lynchmordes an zwei israelischen Reservisten in Ramallah sehen oder den palästinensischen Jungen, der in Gaza-Stadt mit seinem Vater vergeblich Schutz hinter einer Mülltonne gesucht hatte – die Gewalt ist wieder die Sprache zweier Völker in ein und demselben Land.

Nach Schätzungen der UNO beträgt der wirtschaftliche Schaden des neuen, aktuellen, seit zwei Monaten andauernden Konfliktes in den palästinensischen Gebieten etwa 426 Millionen Dollar. 900 000 Palästinenser – das ist fast ein Drittel der Bevölkerung in den Autonomiegebieten – haben nach Angaben der UNO ihren Arbeitsplatz in Israel verloren oder sind auf Grund der Blockade derzeit ohne Einkommen. Der Geist des Hasses, mühsam unter Verschluss gehalten, ist wieder aufgebrochen.

Für das israelisch-jüdische Volk, dessen Staatswerdung vom Holocaust geprägt ist, stellt sich die Frage nach der Überlebensfähigkeit einer winzigen Insel von 5 Millionen Juden in einem Meer von 100 Millionen Arabern. Für die Araber selbst stellt sich nach mehreren verlorenen Kriegen die Frage nach der Selbstbestimmung in ihrer eigenen Heimat, von Generationen und Stämmen vererbt, in ihrer Kultur gewachsen, in ihrem Selbstbewusstsein begründet.

Israel schießt auf Kinder, und die Palästinenser entlassen rund 60 hochrangige Terroristen, die 1996 die blutigen Anschläge auf israelische Autobusse geplant und selbst Sprengsätze zur Detonation gebracht haben. Diese Terroristen werden nun aus palästinensischen Gefängnissen entlassen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich war einmal ein erfolgreicher Vermittler im Nahen Osten. Österreich war einmal ein anerkannter Fürsprecher für Völkerrechte und Menschenrechte. Heute ist das nicht mehr so. Das bedauere ich wirklich sehr.

Ich ersuche daher die Bundesregierung, erstens Israel und die Palästinenser mit Nachdruck aufzufordern, sofort auf die Gewalt in der politischen Auseinandersetzung zu verzichten, zweitens für einen gerechten Frieden einzutreten, der das Lebensrecht des israelischen Volkes schützt und das gleiche Recht den Palästinensern garantiert, und sich drittens im Rahmen der


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Europäischen Union und der Vereinten Nationen für eine Initiative zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses im Sinne der UN-Resolutionen sowie für den auf der Madrider Konferenz 1991 beschlossenen Grundsatz "Land gegen Frieden" einzusetzen und dabei insbesondere folgende Prinzipien zu berücksichtigen:

Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten; Gründung eines palästinensischen Staates in diesen Gebieten; dauerhaften Frieden kann es nur dann geben, wenn die Palästinenser einen echten anständigen Staat erhalten; Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt zweier Staaten, nämlich West-Jerusalem als Hauptstadt Israels und Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas; Rückzug aller israelischen Siedler und Soldaten aus den besetzten Gebieten.

Auch die internationale Staatengemeinschaft hat die israelische Siedlungspolitik zwar kritisiert, aber sie war nicht in der Lage, diese Kritik wirksam umzusetzen. Diese beiden Völker, die in ihrer Geschichte vieles über sich ergehen lassen mussten, sind reif für die Verständigung, und ihre Kinder sind reif für den Frieden.

Für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses im Nahen Osten wünschen wir uns ein stärkeres Engagement der österreichischen Bundesregierung.

Daher möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Heinzl und Genossen betreffend Initiative für eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses im Nahen Osten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne der Erklärung der Europäischen Union vom 21. November die Einhaltung der Vereinbarung von Sharm-el-Sheikh durch Israel und die Palästinenser einzufordern und für einen sofortigen Verzicht auf Gewalt beider Seiten einzutreten.

Die Bundesregierung wird ferner ersucht, sich im Rahmen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen für eine Initiative zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern im Sinne der UN-Resolutionen – 242 und 338 – und den auf der Madrider Konferenz 1991 beschlossenen Grundsatz "Land gegen Frieden" einzusetzen und dabei insbesondere folgende Prinzipien zu berücksichtigen:

Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten; Gründung eines palästinensischen Staates;

Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt zweier Staaten, West-Jerusalem als Hauptstadt Israels und Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas;

Rückzug aller israelischer Siedler und Soldaten aus den besetzten Gebieten;

eine gerechte Lösung des Flüchtlingsproblems;

Garantie des Rechtes Israels auf sichere Existenz durch seine Nachbarn.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Helfen wir ihnen, stärken und unterstützen wir sie, insbesondere jene politischen Kräfte auf israelischer und palästinensischer Seite, die für den Frieden eintreten und dabei auch auf den Dialog und die Zusammenarbeit setzen.

Ein Kind – egal, ob israelisch oder palästinensisch – wird nicht mit Hass geboren, ihm wird dieser Hass erst beigebracht. Wir müssen alles unternehmen, um Frieden zu schaffen und diesen Frieden dann auch zu sichern! (Beifall bei der SPÖ.)

17.55


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49. Sitzung / Seite 128

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Der von Herrn Abgeordnetem Heinzl eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte, Frau Bundesministerin.

17.55

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein paar Präzisierungen: Erstens: Keine Sorge, ich weiß schon, wo ich die Außenpolitik Österreichs hinführe (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), unter anderem in die strategische Partnerschaft, wobei es übrigens – das darf ich gleich bestätigen – großes Interesse der Partnerländer gibt; auch das wurde angezweifelt.

Anderer Punkt: Nahost. Ich darf sagen, dass ich mich selbst immer sehr zu der Frage Nahost bekannt habe. Ich war auch als Staatssekretärin viel in den verschiedenen Ländern und habe dieses Interesse nicht verloren. Ich war unter anderem deshalb in Marseille beim EU-Mediterranen-Rat und habe dort auch mit fast allen Außenministern gesprochen. Ich habe jetzt beim OSZE-Ministertreffen ein eigenes Arbeitsgespräch mit den Kooperationspartnern aus dem mediterranen Raum geführt; ebenfalls, um mit eingebunden zu sein.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in der Europäischen Union beim letzten Rat "Allgemeine Angelegenheiten" eine sehr wichtige Erklärung zum Friedensprozess abgegeben haben, die sehr ausgewogen war. Ich denke, es ist ganz wesentlich, gerade im Nahen Osten sehr ausgewogen zu sein, weil wir es natürlich nur bei Ausgewogenheit schaffen, die beiden Konfliktpartner wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu AVNOJ und Beneš möchte ich nur sagen, dass betreffend Beneš allgemeine bilaterale Expertengespräche von der Tschechischen Republik grundsätzlich im Rahmen größerer Gespräche akzeptiert sind. Ich glaube, ähnliches wird sich sehr bald auch mit Slowenien ergeben. Das heißt, die von mir verfolgte Strategie scheint aufzugehen.

Zur Kultur ein Wort: Die Kulturinstitute, aber auch andere kulturelle Aktivitäten unseres Hauses, scheinen mir besonders wichtig zu sein. Es wurde vor allem der Balkanraum angesprochen. Neben der strategischen Partnerschaft, die natürlich auch im kulturellen Bereich sehr viel mit Mittel- und Osteuropa zu tun haben wird, haben wir gerade im Balkan besondere Schwerpunkte gesetzt.

So gibt es bereits Österreich-Bibliotheken in Shkodra und in Priština. Neue Österreich-Bibliotheken werden in Belgrad und in Bitola eingerichtet. Es werden Ausstellungen nationaler Künstler geplant, und wir versuchen, auch im Bildungsbereich mitzuwirken, indem wir zum Beispiel eine Schulbuchaktion machen. Das heißt, wir nützen unsere Kultur selbstverständlich im Zuge dieser Schwerpunktaktion der österreichischen Außenpolitik.

Zur OSZE: Bitte, das war offensichtlich missverständlich. Die Rückkehr der Assistenzgruppe nach Tschetschenien, die von Russland bisher nicht akzeptiert wurde, habe ich in einem sehr ausführlichen bilateralen Gespräch mit dem russischen Außenminister Ivanov angesprochen. Er hat noch einmal akzeptiert, dass nächste Woche eine Expertengruppe nach Moskau fährt – nicht nach Tschetschenien, wie die Zeitungen fälschlicherweise berichtet haben –, um in Moskau hoffentlich jetzt die Frage des Sicherheitsarrangements zu verhandeln. Diese Frage Tschetschenien war eine der schwierigsten Fragen im Konsens und in Verhandlungen mit den anderen – nicht mit den Österreichern; auch das möchte ich klargestellt haben.

Dann wollte ich zum Artikel 133, den Sie, Frau Abgeordnete Jäger, angesprochen haben, nur sagen: Dies ist ein äußerst umfassender Vertragsartikel. Er beinhaltet sehr viele Detailfragen zu Regelungen der Außenwirtschaft der Union – darunter auch Fragen des geistigen Eigentums und des Urheberrechts. Insbesondere Frankreich hat starke Vorbehalte gegen Mehrheitsab


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stimmungen. Chirac hat das übrigens auch in Wien betont. Das heißt, das sind Fragen, die man erst in Nizza wird lösen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Jäger zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen des § 58 Abs. 2 GOG. Bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe des Sachverhalts, den Sie zu berichtigen wünschen.

18.00

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Abgeordnete Hakl hat behauptet, dass der Abwärtstrend des EZA-Budgets der letzten Jahre gestoppt werden konnte.

Ich berichtige tatsächlich: Der Abwärtstrend im Budget der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit hat erst begonnen, als die ÖVP nicht mehr bereit war, mit der SPÖ ein gemeinsames Budget zu beschließen, und in weiterer Folge mit der FPÖ eine Regierung gebildet hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amon: Das stimmt nicht!)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wenn man den Ausführungen des Herrn Kollegen Einem gefolgt ist, dann muss man mit Verwunderung feststellen, dass die SPÖ offenbar kein Interesse daran hat, dass sich die kleineren Mitgliedsländer innerhalb der EU durchsetzen, dass er es nicht für richtig hält, dass die jetzige Bundesregierung strategische Partnerschaften mit den beitrittswilligen Ländern Mittel- und Osteuropas eingeht, und dass die SPÖ zu den Menschenrechten ein sehr selektives Verhältnis hat.

Frau Ministerin! Ich rate Ihnen: Machen Sie gerade das Gegenteil, so wie Sie es in Ihren bisherigen Erklärungen auch gesagt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der kommende EU-Rat in Nizza wird im Rahmen der Institutionenreform entscheidend sein; viele meiner Vorredner sind schon darauf eingegangen. Es wird wichtig sein, dass sich auch die kleineren Mitgliedsländer bei dieser Institutionenreform innerhalb der Europäischen Union ihre Interessenvertretung innerhalb der Union sicherstellen. Wenn man Aussagen von führenden Politikern der größeren Staaten Europas kritisch verfolgt – und das sollten wir tun –, dann muss man sagen: Es ist nach wie vor Vorsicht am Platze.

Der zweite Bereich, der im Wesentlichen zu diskutieren ist, ist der Punkt der Osterweiterung. Im Rahmen der Osterweiterung, meine Damen und Herren, macht diese Bundesregierung genau das, was sie in den anderen Politikbereichen auch tut: Sie erfüllt das Regierungsübereinkommen. Und im Regierungsübereinkommen haben beide Parteien, ÖVP und FPÖ, Folgendes klar festgelegt: Die Bundesregierung wird unter Bedachtnahme auf gesamtösterreichische Anliegen und Wettbewerbsinteressen, wie zum Beispiel Arbeitsplatz-, Umwelt- und Kernenergiesicherheit, Landwirtschaft, Verkehrsfragen und andere offene Probleme im Verhältnis zu einzelnen Beitrittskandidaten, für den Erweiterungsprozess eintreten.

Zur Erleichterung wechselseitiger Anpassungs- und Umstellungsschwierigkeiten wird sie dabei auf die nötige Flexibilität durch Überprüfungsklauseln, unterschiedliche Integrationsgeschwindigkeiten und ausreichende Übergangsfristen Bedacht nehmen. Die Erweiterung – das ist auch vereinbart worden – bedarf einer sorgfältigen und gründlichen Vorbereitung. Dazu, meine Damen und Herren, zählen gewisse Dinge, die zu beachten sind.

Es wird klar sein müssen, dass als eine unabdingbare Voraussetzung für den Beitritt die Erfüllung der Kriterien, wie sie im Wesentlichen in Kopenhagen vorgegeben worden sind, verlangt wird. Zur Sicherung der Stabilität des österreichischen Arbeitsmarktes muss man entsprechend


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lange Übergangsfristen vereinbaren sowie in den Grenzregionen Programme zur Unterstützung von besonders betroffenen Branchen durchführen. Diesbezüglich ist auch schon der Österreichische Gewerkschaftsbund mit Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten, und es ist auch besonders wichtig, dass die Interessen der österreichischen Grenzregionen nicht vergessen werden. Deshalb ist es auch legitim, dass die Freiheitlichen im Burgenland versuchen, mittels einer Volksbefragung diesem ihrem Anliegen zum notwendigen Durchbruch zu verhelfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein besonderes Augenmerk wird man auch auf die Einhaltung der europäischen Sozial- und Umweltstandards legen müssen, und man wird auch weiterhin betreiben müssen, dass eine frühzeitige Stilllegung von Reaktoren nach wie vor möglich ist. Auch wird sich die Bundesregierung – auch das ist vereinbart – gegen die Diskriminierung auf Grund nationaler Herkunft und Sprachzugehörigkeit bei Vermögensrestitution und Privatisierung einsetzen. Dabei geht es auch um die Wiederherstellung der Rechte der vertriebenen Altösterreicher deutscher Sprache. Herr Kollege Kurzmann ist darauf schon eingegangen.

Meine Damen und Herren! Beide Regierungsparteien fühlen sich an das Regierungsübereinkommen gebunden, und die Politik der Außenministerin ist ein weiterer Schritt in der Umsetzung dieser Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.05

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich finde es sehr begrüßenswert, dass Studentinnen und Studenten aus den Entwicklungsländern und auch aus den Schwellenländern keine Studiengebühren zahlen werden. Das heißt, sie müssen sie zwar bezahlen, bekommen diese Gebühren aber nach vier Wochen wieder zurück. Mir ist nicht ganz klar, was da dahinter steckt. Ich denke, man könnte ihnen vielleicht diese bürokratische Hürde doch noch ersparen.

Ich möchte im Rahmen dieser Budgetdebatte das Augenmerk auf die Rolle Österreichs in Südosteuropa lenken und möchte zum Ausdruck bringen, dass die Freude über die Rückkehr Jugoslawiens in die OSZE und auch in die UNO sehr groß war. Verbunden ist das natürlich mit der Hoffnung, dass zu diesem beginnenden oder begonnenen demokratischen Aufbruch eine neue friedliche Ära in Südosteuropa anbricht und eingelenkt wird. Auch der Zagreber Gipfel war ein wichtiges Signal an die Länder Südosteuropas, dass es der Europäischen Union mit den Integrationsbemühungen ernst ist.

Obwohl wir uns etwas anderes wünschen, ist das Phänomen des Nationalismus nach wie vor vorhanden. Veränderungen gehen nur sehr langsam vor sich, vor allem der Abbau alter Ressentiments. Das ist ein sehr schwieriger und schmerzlicher Prozess.

Ein wichtiger Motor für die gesellschaftlichen Veränderungen wird die wirtschaftliche Entwicklung sein. Der Wiederaufbau wird sicher Jahrzehnte in Anspruch nehmen, und internationale Hilfe ist dabei ganz bestimmt gefragt. Ich glaube aber, dass massive internationale Hilfe auch erforderlich sein wird, um gegen die No-Future-Perspektive entscheidende Schritte zu setzen. Diese No-Future-Perspektive lähmt vor allem die Jugend in diesem Bereich, und es droht eine Abwanderung der Jugend in das Ausland, die als Flucht vor Arbeitslosigkeit, vor Perspektivenlosigkeit und der Trostlosigkeit ihrer Lebensbedingungen gesehen werden kann. Der internationale Bosnien-Experte und Bosinien-Beauftragte Wolfgang Petritsch schätzt beispielsweise, dass immerhin 60 Prozent der Jugendlichen Bosnien verlassen wollen, weil sie dort keine Perspektive sehen. Ich glaube, diese Landflucht hätte auch fatale Folgen für die Zukunft dieser Region.

Europa muss jetzt helfen, muss schnell helfen. Diese Hilfe darf aber nicht nur ein Verteilen von Almosen sein, sondern sie muss auch so etwas wie Hilfe zur Selbsthilfe beinhalten. Wir sollten kritisch hinterfragen, ob die Million Euro, die der österreichische Wirtschaftsminister am Montag


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dem jugoslawischen Präsidenten als Hilfe zur Selbsthilfe zugesagt hat, tatsächlich als eine solche bezeichnet werden kann.

Eine erste schnelle Hilfe ist wichtig, aber künftig sollte es um die Entwicklung konkreter Projekte und um konkrete Hilfe besonders im Bildungsbereich gehen. Wir haben gehört, dass die Schulbuchaktion offensichtlich schon angelaufen ist. Aber das sollte nicht das Einzige bleiben.

Es würde mich auch interessieren, welche weiteren konkreten Aktivitäten gemeint sind, wenn der Herr Bundeskanzler am Montag gesagt hat, dass jetzt den Worten Taten folgen müssten. Ich würde mir und der Opposition diesbezüglich mehr Information von der Regierung wünschen.

Wie könnten jetzt solche konkreten österreichischen Hilfsprojekte für diese Region ausschauen? – Natürlich sind ein Dach über dem Kopf und die Grundversorgung sehr wichtig, aber sobald diese Grundbedürfnisse befriedigt sind, wird Bewusstseinsarbeit und vor allem Bildung ungeheuer wichtig sein, um neue Identitäten aufbauen und alte Feindbilder auflösen zu können. Nicht umsonst sind Bildung und Wissen die wichtigsten Bausteine einer Zivilgesellschaft.

Ich denke, ein künftiges friedliches Zusammenleben der Nationalitäten erfordert neue Bilder in den Köpfen der politisch Verantwortlichen, der Intellektuellen, aber vor allem der Bürgerinnen und Bürger, der Jugend und der Kinder. Das ist ein ganz wichtiger Ansatz. Ich hoffe sehr, dass Österreich dabei konkret mitarbeiten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Zernatto. Die Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

18.10

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass Kollege Bösch sehr ausführlich auf die Inhalte des Regierungsübereinkommens betreffend die Erweiterungspolitik verwiesen hat. Allein aus dem Umfang dieses Teils des Regierungsübereinkommens geht hervor, welche Bedeutung diese Bundesregierung der Erweiterung zumisst.

Noch deutlicher wird dies aber angesichts der Politik, die von unserer Frau Bundesministerin getragen wird. Sie spricht vor allem immer wieder von der Ausgewogenheit, die man nicht nur in diesem, aber speziell auch in diesem Fall braucht, um tatsächlich erfolgreich zu sein.

Meine Damen und Herren! Erweiterungspolitik in Europa ist letztlich Friedenspolitik, so wie Außenpolitik und Europapolitik insgesamt Zukunftspolitik sind. Das scheint mir wichtig und entscheidend zu sein, denn bei vielen Diskussionen – egal, wo sie geführt werden – hat man manchmal das Gefühl, dass es dabei um die Lösung eines ökonomischen Problems, um die Lösung ethnischer Probleme und um die Lösung von Vergangenheitsproblemen geht.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass das einfach zu kurz greift, dass das Bewusstsein dafür noch viel stärker ausgeprägt werden muss, und da tragen wir als gewählte Volksvertreter eben die Verantwortung, den Bürgern die Bedeutung dieses Prozesses klar und deutlich zu machen. Unsere Aufgabe ist es nicht, Ängste zu kultivieren und zu schüren, sondern unsere Aufgabe ist es, im Rahmen unserer Politik die berechtigten Vorbehalte auszuräumen und dem Bürger die Chancen, die sich aus dieser Entwicklung ergeben, nahe zu bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin! Ich finde, dass Sie geradezu eine kongeniale Vertreterin dieser Art der Politik sind. Ich sage das vor allem deshalb, weil ich im Rahmen meiner vorherigen politischen Funktion durchaus auch immer wieder außenpolitische Agenden vor allem im slowenischen Bereich wahrzunehmen hatte. Slowenien ist einer jener Staaten, die sich um den Beitritt zur Europäischen Union bemühen. Und meiner Meinung nach ist dieses Land auch ein gutes Beispiel dafür, dass eine Erweiterung nicht als Selbstverständlichkeit angesehen und auch nicht ohne Probleme vor sich gehen wird.


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Vor allem muss aber bei uns das Bewusstsein vorhanden sein, dass Erweiterungspolitik nicht bedeutet, dass Bittsteller vor der Türe stehen, denen wir – also die, die schon drinnen sind – großzügig Almosen gewähren, sondern dass das ein Geben und Nehmen ist, und dass die Erweiterung der Europäischen Union à la longue gesehen eine große Chance, ja ich meine, die einzige Chance für ein dauerhaft friedliches, ökonomisch und sozial erfolgreiches Europa darstellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich gemeint habe, dass Slowenien ein gutes Beispiel ist, dann deshalb, weil sich dort bereits herausstellt, dass der Demokratisierungsprozess gerade in diesem Teil Europas durchaus beachtliche Fortschritte gemacht hat. Wir erleben eine lebendige Demokratie in diesem Land, auch wenn einem die Wahlergebnisse je nach persönlichem Standpunkt nicht immer gelegen kommen.

Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, dass dieses Volk erkannt hat, welche Chancen in der Demokratie liegen, und dass dieses Volk letztendlich auch erkannt hat, dass man diese Chancen auch ökonomisch nutzen kann. Wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung Sloweniens betrachtet, dann sieht man, diese kann wohl kein Grund dafür sein, dass es Vorbehalte unsererseits gegen einen Beitritt gibt.

Wenn man betrachtet, dass derzeit bereits mehr Österreicher in Slowenien arbeiten als umgekehrt, dann kann man wohl sagen, dass die Migrationsproblematik in Bezug auf die Beitrittskandidaten wohl kein Grund für besondere Besorgnis ist.

Meine Damen und Herren! Wir haben aber – das wurde auch angesprochen – eine Problematik, die die Vergangenheit betrifft, und das sind jene unseligen AVNOJ-Bestimmungen, die tatsächlich Unrecht sind. Auch wenn es historisches Unrecht ist, bleibt es Unrecht.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass das kein ausschließlich österreichisch-slowenisches, sondern sehr wohl ein europäisches Problem ist, weil sich diese Unrechtsbestimmungen letztlich mit europäischem Recht nicht in Einklang bringen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Daher bin ich auch sehr froh darüber, dass es diesbezüglich zu keiner Junktimierung gekommen ist, denn ich meine, wenn man für jene, die letztlich die Betroffenen dieses Unrechts sind, etwas erreichen will, dann muss man Maßnahmen setzen, die Erfolg versprechend sind. Mit der Junktimierungskeule zu drohen und zu wacheln, würde à la longue den Erfolg gerade für jene, für die man ihn erreichen will, verhindern.

Frau Bundesministerin! Deshalb darf ich Ihnen, was diese Frage anlangt, gerade zu Ihrer Position herzlich gratulieren. Ich bin überzeugt davon, dass wir erfolgreich sein werden. Ich hoffe, meine sehr geschätzten Damen und Herren – das zieht sich durch die Diskussion der vergangenen Tage immer wieder –, dass wir es schaffen werden und dass wir vor lauter Vergangenheitsbewältigung nicht darauf vergessen, was unsere eigentliche Aufgabe ist, nämlich die Zukunft zu bewältigen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Burket. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.17

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Artikel 7 und 46 des EU-Vertrages sollen neu gefasst werden und dafür sorgen, dass künftig ein gerechtes rechtsstaatliches Verfahren gemäß Artikel 6 des EU-Vertrages stattfinden soll, wenn ein solcher Anlass gegeben ist.

Mit einem gewissen Amüsement habe ich vorhin in der Zeitung gelesen, dass sich die beiden Herren Chirac und Schröder im Moment in der Wolle liegen und um die Vorherrschaft streiten, wer denn jetzt in der neuen EU, also in der neuen Konstellation, der Stärkere sein wird. Ich muss Ihnen sagen, die Eintracht, die es damals gegeben hat, als es darum ging (Zwischenruf


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des Abg. Eder ), über Österreich die mehr als ungerechtfertigten Sanktionen zu verhängen, wird sich längere Zeit nicht mehr finden, habe ich das Gefühl.

Wir haben auch noch eine Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ich werde morgen mit großem Interesse Frau Beate Winkler zuhören und mir ihre Sicht der Dinge erklären lassen, denn das, was wir bis jetzt aus den Pressemeldungen und aus ihren Aussagen gehört haben, lässt nicht wirklich den Schluss zu, dass sie die geeignete Person dafür ist, dieses Büro zu leiten. Meiner Meinung nach ist jemand mit so wenig Demokratieverständnis und auch mit schlicht und ergreifend so wenig Benehmen eigentlich für eine solche Position nicht qualifiziert. Man wird hören, was sie zu sagen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn man bedenkt, mit welch großem Aufwand dieses Büro eingerichtet wurde, wie viel der österreichische Staat – noch mit der alten Regierung – dazugezahlt hat und welche Privilegien dieses Büro genießt, dann muss man sagen, man darf doch erwarten, dass dort qualifiziertes Personal zu finden ist, das auch entsprechende Arbeit leistet. (Abg. Schieder: Das ist unfassbar!) – Das ist überhaupt nicht unfassbar! (Zwischenruf des Abg. Eder. )

Ebenso bin ich neugierig auf die Verhandlungen in Nizza. Ich weiß, dass die Frau Bundesministerin nicht die Zurufe des Herrn Pilz beachten wird, der sich so sehr wünscht, dass sie uns endlich sagt, dass wir ruhig sein sollen, und dass sie doch endlich das machen soll, was sie seines Erachtens tun müsste, und ich weiß und bin mir sicher, dass die Frau Bundesministerin gerade jene Punkte ganz strikte beachtet, die die wichtigen prioritären Lebensinteressen des österreichischen Volkes und des österreichischen Landes betreffen, nämlich die Raumordnung, die Wasserressourcen, die Wahl der Energie, die Verkehrspolitik und die Asyl- und Einwanderungspolitik. Da gibt es keine Kompromisse, meine Damen und Herren!

Sie scheinen vergessen zu haben, dass wir dem Österreicher verpflichtet sind. Auch wenn die EU sehr wichtig und sehr notwendig ist, und auch wenn wir uns eindeutig und absolut dazu bekennen, ist doch letztlich jeder von uns zuerst einmal seinem eigenen Land verpflichtet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Erst dann gehen wir hinaus und arbeiten gemeinsam mit den anderen.

Ich würde mir wirklich einmal wünschen, dass die Österreicher hören, was Herr Pilz hier so von sich gibt, wenn er uns jedes Mal so hinstellt ... (Abg. Öllinger: Ihre Ausführungen!)  – Die kann man schon hören. Ich glaube, dass unsere Bevölkerung sehr wohl goutiert, dass man ihre Interessen vertritt. Für Sie ist das eine Schande, in Ihren Augen müssen wir uns dafür entschuldigen, dass wir überhaupt da sind! Aber das liegt eben daran, dass für Sie die Freiheitliche Partei eben überhaupt nicht akzeptabel ist. Wir sehen das anders. Wir sehen, dass wir hier gute Arbeit leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir sehen, dass wir sehr wohl legitimiert sind, hier zu stehen und mitzuhelfen, aus diesem Land ein gutes und blühendes Land zu machen, das Budget in Ordnung zu bringen und all die Dinge, die im Regierungsübereinkommen stehen, auch wirklich umzusetzen.

Ich glaube daran, auch wenn Sie noch so "lieb" lachen, lieber Herr Pilz. Unsere Verpflichtung ist es, für Österreich zu arbeiten! Wenn Sie bei Nennung des Begriffes "national" schier verfallen, dann muss ich Ihnen sagen: Für mich ist der Begriff "national" ein sehr essentieller und sehr wichtiger, weil er mit unserem Volk und mit unserem Land zu tun hat, und dem fühle ich mich verpflichtet. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )  – Sie nicht, Sie wollen nur die große breite Masse, die einfach nicht zu beherrschen, nicht zu lenken ist, wo jeder tut, was er will. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir hätten es ganz gerne ordentlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir hätten ganz gerne gewusst, wo es langgeht. Wir hätten gerne Pläne, Ziele, Budgets und Rahmen, nach denen man sich richtet und nach denen sich auch die Menschen richten können. Das ist halt unsere Auffassung, und das tragen wir auch nach außen. Das ist unsere Vorstellung von Regieren.

Wenn Herr Dr. Einem der Frau Bundesminister sagt, dass er sich an ihre Seite wünscht, dann kann ich das in zweifacher Hinsicht durchaus gut verstehen. Man kann ihm diesen nostalgischen Gedanken ja nicht wirklich übel nehmen.


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Aber ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich bin froh, dass es nicht mehr so ist (Abg. Mag. Posch: Die Frau Minister sieht das nicht ganz so!), dass wir jetzt eher diejenigen sind, die der Frau Minister durchaus mitgeben, was wir uns für Österreich wünschen. Und wir sind guter Hoffnung, dass sie das in Nizza auch wirklich so umsetzen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. (Abg. Mag. Posch  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Bruckmann –: Bitte keine Pensionistenrede! Bringen Sie uns nicht in Verlegenheit!)

18.23

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Mehrere Jahrzehnte meines Lebens hindurch, bevor ich Pensionistenvertreter wurde, habe ich mich hauptberuflich mit der Analyse langfristiger Entwicklungen befasst, vor allem aber mit deren Interaktionen auf demographischem, ökonomischem, ökologischem und politischem Gebiet. Erlauben Sie mir daher, wenn ich zum Stellenwert unserer Außenpolitik nicht so sehr von Fragen ausgehe, wie etwa, in welchen Bereichen vom Vetorecht zugunsten einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung abgegangen werden soll – zweifellos eine wichtige tagespolitische Frage – oder ob die Position des Leiters des österreichischen Kulturinstituts in Teheran nachbesetzt werden soll oder nicht – eine vergleichsweise schon weniger wichtige Frage –, sondern von einer grundsätzlichen Sichtweise.

Als Hauptziel der Außenpolitik sollte in meinen Augen die Erhaltung und Sicherung von Frieden und Wohlstand in unserem Land und im Rahmen der Völkergemeinschaft gesehen werden, wobei ich Wohlstand ausdrücklich nicht nur im materiellen Sinne verstanden wissen möchte, sondern auch als individuelles Bewusstsein, sich im Rahmen der in einem Rechtsstaat gegebenen Grenzen persönlicher Freiheit erfreuen zu dürfen.

Von diesem Hauptziel ausgehend kann zur bevorstehenden beabsichtigten Erweiterung der Europäischen Union nur ein eindeutiges Ja gesagt werden. Denken wir doch zurück an die geniale Idee der Gründerväter der Europäischen Union, den Frieden in Europa nicht bloß durch Vertragswerke sichern zu wollen, sondern auf indirektem Weg durch möglichst enge Zusammenarbeit zwischen Völkern und Ländern – eine Idee, die sich in einem halben Jahrhundert der friedlichen Zueinanderentwicklung der Mitgliedstaaten so überzeugend bewährt hat, dass sie auch den richtigen Weg hinsichtlich einer Integration jener europäischen Länder darstellt, die heute noch nicht Mitglieder dieser Gemeinschaft sind.

Dieses halbe Jahrhundert gemeinsamer Geschichte, Hohes Haus, bietet aber auch Lehrstücke, wie eine Erweiterung vor sich gehen soll, wenn sie erfolgreich verlaufen soll. Jeder bisherigen Erweiterungswelle sind jahrelange intensive Verhandlungen vorausgegangen, und in beiderseitigem Interesse sind in sensiblen Bereichen entsprechende Übergangsfristen vereinbart worden.

Umgekehrt hat – und das haben wir alle selbst erlebt – die schlagartige Eingliederung der DDR, so richtig es war, damals dieses historische Fenster genutzt zu haben, doch jene Schwierigkeiten deutlich gemacht, die in noch weit höherem Maße bei einer zu überstürzten Aufnahme weiterer Beitrittskandidaten unvermeidbar wären (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), und zwar weit größere Schwierigkeiten für jene Länder selbst als für die derzeitigen Mitgliedsländer der Europäischen Union einschließlich Österreich.

Hohes Haus! In makrohistorischer Perspektive über die Jahrhunderte hinweg ist aber auch das Entstehen der EU nur Episode. Die Zunahme der Zahl der Kommunikationsmittel hat die gesamte Geschichte der Menschheit hindurch notwendigerweise zu einer immer weiteren Vergrößerung der Entscheidungsebenen geführt. Aus den Duodezfürstentümern entstanden im 19. Jahrhundert Nationalstaaten, die sich heute in vielfacher Hinsicht für die Bewältigung der Probleme von heute als zu klein dimensioniert erweisen. Konsequente Folge: ein organisches Zusammenwachsen im Rahmen der Europäischen Union.


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Die rapid fortschreitende Globalisierung, Hohes Haus, wird in den kommenden Jahrzehnten zwingend das Entstehen weltweiter Entscheidungsgremien erfordern, wie wir solche teilweise ja schon heute in der WTO, in den bisher gescheiterten Umweltschutzkonferenzen, an sich ja auch in der immer noch recht zahnlosen UNO haben. Sich diesen Entwicklungen entgegenstellen zu wollen wäre töricht. Für ein kleines Land wie Österreich geht es vielmehr darum, alle sich aus diesen globalen Entwicklungen ergebenden Chancen bestmöglich zu nutzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die österreichische Bundesregierung, das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten sind diesbezüglich auf dem besten Wege. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. Restliche Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

18.28

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit 3. Februar dieses Jahres übernahm nach 30 Jahren sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung eine blau-schwarze Koalition zum ersten Mal in dieser Republik die Regierungsgeschäfte.

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten ist im Verhältnis zu anderen Ministerien ein kleines Ressort, es soll jedoch nicht unterschätzt werden. Wie heißt es so schön? – Klein, aber oho! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Budget für das Außenamt beträgt 932 Millionen Schilling. 532 Millionen davon werden im Ausland verwendet, der Rest im Inland. Das Außenamt beschäftigt insgesamt 1 500 Mitarbeiter.

Meine Damen und Herren! Was ist eigentlich die Aufgabe eines Botschafters? – Er oder sie vertritt Österreich, repräsentiert Österreich. Er oder sie hat natürlich auch Vorbildfunktion, ist quasi – verzeihen Sie den Ausdruck, Frau Minister, ich als Managerin sehe es so – ein Verkäufer, ein Verkäufer unseres Landes. Sie sehen das als Diplomatin wahrscheinlich anders. Er oder sie hat Österreich bestmöglich darzustellen, sodass nicht nur die ausländischen Investoren Interesse am Wirtschaftsstandort Österreich bekommen, sondern dass auch über die Gastfreundlichkeit und unser schönes Land Österreich informiert wird, damit so viele Menschen wie möglich bei uns Urlaub machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der durchschnittliche Verdienst eines mittleren Botschafters beträgt 94 000 S brutto. Das Außenamt hat, wie gesagt, rund 1 500 Mitarbeiter, von denen 40 Prozent im Inland sind und 60 Prozent im Ausland. Durch die EU-Arbeit haben sich die Prozente ins Inland verschoben.

Sicherlich ist das Gros der Kosten mit Brüssel gleichzusetzen. Das derzeitige System wäre sicherlich zu verbessern und à la Bundesrat zu optimieren. Ich gehe jetzt nicht näher darauf ein, aber die anderen Minister, so wie Sie, Frau Außenminister, sowie die Länder wissen, was ich meine.

Es wurde auch seit dem Antritt der neuen Regierung bereits an Optimierungen und Synergiemöglichkeiten gearbeitet. Ein entsprechender Controlling-Bericht, Frau Minister, liegt vor. Darin werden zum Beispiel Überlegungen hinsichtlich Personalunion diverser Botschafter – wie zum Beispiel bilateraler Botschafter mit UNESCO-Botschaftern in Paris – angestellt. Wir haben viele Botschafter, wie andere Länder auch: UNO, EU, UNESCO, OSZE, Bilaterale.

Weiters sollten auch Housing- und Office-Zusammenlegungen angedacht werden. Auch bei Neuerrichtungen von Vertretungen werden sämtliche Umfelder geprüft. Diese erfolgen erst dann, wenn keine andere Vertretung anderer Staaten dies mitübernehmen kann.

Die Rolle der Honorarkonsule wird hier ebenso weiter berücksichtigt und vermindert so den Personal- und Sachaufwand.


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Ich freue mich, Frau Ministerin, dass durch entsprechendes Controlling auch in Ihrem Bereich effizienter gearbeitet wird und das Außenamt dadurch auch einen entsprechenden Beitrag zur Budgetsanierung leistet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mehr Flexibilität und Qualität – das sind für mich die neuen Wege der österreichischen Diplomatie.

Wie hat es Jean Monnet so schön gesagt? "Wer unseren Staat verteidigen will, muss ihn verteidigungswürdig machen."

Ich fordere Sie alle auf, vor allem die Damen und Herren der SPÖ und der Grünen: Tragen Sie dazu bei, damit unser Staat verteidigungswürdig ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Die meisten hier wissen, dass die Konsolidierung des Staatshaushaltes zu den Hauptaufgaben dieser Bundesregierung gehört. Die Erreichung dieses Zieles darf aber nicht eine weitere Benachteiligung der Ärmsten der Armen bedeuten. Daher freut es mich ganz besonders, dass es der Frau Bundesministerin gelungen ist, die bilateralen Programme und Projekthilfen des Außenministeriums vor weiteren Kürzungen zu bewahren. Die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit ist unumstritten, und ich bin davon überzeugt, dass durch die geplanten Maßnahmen eine qualitative Verbesserung der Leistungen gelingen wird.

Der Versuch, neue Wege zu gehen und die zivile Gesellschaft in die Entwicklungshilfe einzubeziehen, ist ein fundamentaler Fortschritt. Seit 1995 wurden in diesem Zusammenhang drei Instrumente ins Leben gerufen:

Erstens: Verstärkte Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission.

Zweitens: Bilaterale Kofinanzierungen für kleinere Projekte mit Nicht-Regierungs-Organisationen. Die Finanzierung wird bei diesem Modell zwischen den Nicht-Regierungs-Organisationen, dem Außenministerium und der EU-Kommission geteilt.

Drittens: Private Wirtschaftspartnerschaften. Da ist das Ziel, langfristige Kooperationen zwischen kleineren und mittleren österreichischen Betrieben und Unternehmen in Entwicklungsländern zu fördern. Im Vordergrund stehen die Erreichung einer möglichst hohen Wertschöpfung im Zielland, die Arbeitsplatzsicherung und die Nutzung lokaler Ressourcen.

Im Zusammenhang mit bilateraler Kofinanzierung möchte ich ein Beispiel aus eigener Erfahrung nennen. Es ist uns gelungen, in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk, mit dem Österreichischen Kartellverband, mit der Frauenbewegung und eben dem Außenministerium ein kleines Krankenhaus in Nigerien zu errichten.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass bereits jetzt die katholische Kirche Geldmittel in einem ähnlichen Ausmaß wie die öffentliche Hand für Entwicklungshilfeprojekte organisiert. Wie bereits erwähnt, stehen die geplanten Bemühungen um Konzentration der Mittel auf wenige Länder, die Entwicklungshilfe benötigen, im Einklang mit der EU. Die Kooperation mit den entsprechenden Institutionen der Kommission muss ausgebaut werden.

Dieses Geld, das wir nach Brüssel geben, soll effizient eingesetzt werden. Somit wäre es wünschenswert, wenn österreichische Expertisen einfließen könnten, um eine qualifizierte Antwort auf die Frage geben zu können, wie Österreich mithilft, die Armut in der Dritten Welt zu bekämpfen.


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Immer wieder taucht auch die Frage der Kontrolle der Geldflüsse auf. Dazu möchte ich darauf hinweisen, dass wir alle drei Jahre von der OSZE geprüft werden und laufende Beobachtungen stattfinden.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Entwicklungszusammenarbeit ein wichtiger Bestandteil der Außenpolitik ist. Es ist ein gesellschaftliches Anliegen, das Bewusstsein in Österreich dafür zu wecken und zu stärken. Wir haben die moralische Verpflichtung, Solidarität zu zeigen. Daher sollten auch ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.

Ich bedanke mich besonders bei der Frau Bundesministerin und unterstütze ihren Kampf um mehr Mittel für die Entwicklungshilfe! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Spezialberichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe III des Bundesvoranschlags für das Jahr 2001.

Diese umfasst das Kapital 20 des Bundesvoranschlages in 310 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 370 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Absatz 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe III des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jäger, Mag. Lunacek und Genossen betreffend Transparenz bei der inhaltlichen und finanziellen Schwerpunktsetzung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechend Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen betreffend die Initiative für eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses im Nahen Osten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 324/A der Abgeordneten Dolinschek, Dr. Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und das Urlaubsgesetz geändert werden, eine Frist bis 13. Dezember 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 334/A bis 340/A eingebracht wurden.


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Ferner sind die Anfragen 1605/J bis 1626/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Dienstag, den 5. Dezember, 9 Uhr, in Aussicht genommen wird, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.38 Uhr