Stenographisches Protokoll

62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 28. März 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 28. März 200


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62. Sitzung / Seite 2

1

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 28. März 2001: 9.02 – 23.08 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den 16. Sportbericht 1999 der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport

2. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 352/A (E) der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Erziehungsvereinbarungen der Schulpartner

3. Punkt: Bericht über den Antrag 233/A der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz BGBl. Nr. 242/1962, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 132/1998, geändert wird

4. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative (6/BI) betreffend "Sicherstellung und gesetzliche Verankerung der Tätigkeit der Schülerberater und Schülerberaterinnen an Berufsschulen"

5. Punkt: Bericht über den österreichischen Familienbericht 1999 der Bundesregierung

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG) geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewährleistungsrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und im Konsumentenschutzgesetz sowie das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden (Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz – GewRÄG)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem im Aktiengesetz, im Handelsgesetzbuch und im Börsegesetz Regelungen über Optionen auf Aktien getroffen werden (Aktienoptionengesetz – AOG)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Regelung der elektronischen Übermittlung von Jahresabschlüssen das Handelsgesetzbuch, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Passgesetz 1992, das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Passgesetz-Novelle 2001)

11. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden

12. Punkt: Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Finnland, der Griechischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, dem Königreich Schweden, dem Königreich Spanien, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Anlagen

13. Punkt: Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle

14. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation erdölexportierender Länder über die Änderung des Amtssitzabkommens samt Annexen

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 308/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend die Anerkennung angestammter Landrechte indigener Völker in Kanada

17. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 113/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Ratifikation des Internationalen Übereinkommens ILO Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11

Ordnungsrufe 60, 61, 226

Geschäftsbehandlung

Ersuchen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, gemäß § 12 der Geschäftsordnung in Zukunft die geschlechtsspezifische Form der Funktionsbezeichnung zu verwenden 11

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Zuweisung beziehungsweise der weiteren Behandlung des Antrages 412/A:

Dr. Alexander Van der Bellen 30

Dr. Peter Kostelka 30


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62. Sitzung / Seite 3

Dr. Andreas Khol 31

Ing. Peter Westenthaler 31

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Bestimmungen der Geschäftsordnung hinsichtlich der Zuweisung von Anträgen 32

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 33

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer:

Dr. Alexander Van der Bellen 119

Dr. Peter Kostelka 119

Dr. Andreas Khol 120

Ing. Peter Westenthaler 120

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Bestimmungen der Geschäftsordnung hinsichtlich der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage durch das befragte Regierungsmitglied 121

Antrag des Abgeordneten Dr. Peter Pilz auf nochmalige Beantwortung einer Frage durch Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 124

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit dem von Abgeordnetem Dr. Peter Pilz gestellten Antrag 125

Wortmeldungen der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Dr. Peter Kostelka sowie nochmalige Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer in diesem Zusammenhang 125, 126, 125

Antrag des Abgeordneten Dr. Andreas Khol im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Klubobmannes und des stellvertretenden Klubobmannes der SPÖ – geschäftsordnungswidriger Antrag, keine Abstimmung 129, 130

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung folgender Gegenstände:

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates,

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Verschleppung der gegenständlichen Verfahren durch die Staatsanwaltschaft und aller damit in Zusammenhang stehenden Weisungen und sonstigen Rechtsakte,

Aufklärung des Vorwurfes der Fälschung von Beweismitteln und aller damit in Zusammenhang stehenden Verfolgungsschritte,

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten

gemäß § 33 Abs.1 der Geschäftsordnung 230

Bekanntgabe 144

Ablehnung des Antrages 231

Ersuchen des Abgeordneten Karl Öllinger auf Erteilung eines Ordnungsrufes 191

Fragestunde (10.)

Öffentliche Leistung und Sport 11

Dr. Ilse Mertel (81/M); Werner Miedl, MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (75/M); MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dr. Peter Wittmann

Dieter Brosz (77/M); Dr. Dieter Antoni, Mag. Karl Schweitzer, Werner Amon, MBA


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62. Sitzung / Seite 4

Mag. Dr. Udo Grollitsch (79/M); Johannes Zweytick, Dieter Brosz, Dr. Günther Kräuter

Dr. Peter Wittmann (82/M); Wolfgang Großruck, Dr. Reinhard Eugen Bösch, MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Reinhold Lexer (76/M); Anton Leikam, Mag. Werner Kogler, Mag. Dr. Udo Grollitsch

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (78/M); Mag. Barbara Prammer, Theresia Zierler, Dr. Gertrude Brinek

Ausschüsse

Zuweisungen 29

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend FP-Spitzelaffäre wird Justizskandal (2222/J) 102

Begründung: Mag. Andrea Kuntzl 111

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 115

Debatte:

Dr. Johannes Jarolim 122

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 126

Dr. Harald Ofner 126

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 130

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigung) 132

Dr. Peter Pilz 132

Dr. Peter Wittmann 135

Dr. Harald Ofner (tatsächliche Berichtigung) 136

Dr. Michael Krüger 137

Günter Kößl 138

Mag. Terezija Stoisits 140

Mag. Johann Maier 142

Dr. Martin Graf 144

Werner Miedl 145

Karl Öllinger 147

Dr. Helene Partik-Pablé 148

Mag. Andrea Kuntzl 149

Dr. Andreas Khol 150

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den 16. Sportbericht (III-71 d. B.) 1999 der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport (453 d. B.) 33

Redner:

Dieter Brosz 33

Arnold Grabner 35

Mag. Werner Kogler 37, 52

Mag. Dr. Udo Grollitsch 39

Anton Leikam (tatsächliche Berichtigungen) 41, 46

Otmar Brix (tatsächliche Berichtigung) 41

Reinhold Lexer 41


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62. Sitzung / Seite 5

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 43

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 47

Dr. Günther Kräuter 47

Patrick Ortlieb 49

Werner Miedl 50

Otmar Brix 52, 61

Mag. Gerhard Hetzl 54

Beate Schasching 55

Hermann Böhacker 56

Katharina Pfeffer 57

Ing. Kurt Scheuch 58

Dr. Peter Pilz 59

Karlheinz Kopf 60

Mag. Karl Schweitzer 61

Dr. Peter Pilz (tatsächliche Berichtigung) 61

Kenntnisnahme des Berichtes III-71 d. B. 62

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Entschließungsantrag 352/A (E) der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Erziehungsvereinbarungen der Schulpartner (509 d. B.) 62

3. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 233/A der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz BGBl. Nr. 242/1962, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 132/1998, geändert wird (510 d. B.) 62

4. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Bürgerinitiative (6/BI) betreffend "Sicherstellung und gesetzliche Verankerung der Tätigkeit der Schülerberater und Schülerberaterinnen an Berufsschulen" (511 d. B.) 63

Redner:

Dr. Dieter Antoni 63

Mag. Karl Schweitzer 64

Dieter Brosz 66, 82

Werner Amon, MBA 68

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigung) 70

Gabriele Heinisch-Hosek 70

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 72

Dr. Sylvia Papházy, MBA 73

Karl Öllinger 74

Dr. Gertrude Brinek 75

Franz Riepl 77

Jutta Wochesländer 78

Mag. Christine Muttonen 79

Hans Sevignani 80

DDr. Erwin Niederwieser 81

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 509 d. B. beigedruck-
ten Entschließung betreffend Erziehungsvereinbarungen der Schulpartner (E 74) 83

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 510 d. B. 83


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62. Sitzung / Seite 6

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 511 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Sicherstellung der Tätigkeit der Schülerberatung an Berufsschulen (E 75) 83

5. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den österreichischen Familienbericht (III-47 d. B.) 1999 der Bundesregierung (314 d. B.) 83

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 83

Dr. Ilse Mertel 85

Karl Öllinger 87

Karl Donabauer (tatsächliche Berichtigung) 90

Edith Haller 90

Mag. Ulrike Lunacek 91

Ridi Steibl 93

Katharina Pfeffer 95

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 96, 162

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigung) 99

Ing. Wilhelm Weinmeier 99

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (tatsächliche Berichtigung) 100

Dr. Gerhart Bruckmann 101

Gabriele Binder 151

Sigisbert Dolinschek 152

Nikolaus Prinz 154

Mag. Barbara Prammer 155

Theresia Zierler 157

Mag. Barbara Prammer (tatsächliche Berichtigungen) 158, 163

Matthias Ellmauer 159

Karl Donabauer 160

Dr. Ilse Mertel (tatsächliche Berichtigung) 162

Franz Kampichler 163

Anton Knerzl 164

Kenntnisnahme des Berichtes III-47 d. B. 166

6. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (346 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG) geändert wird (521 d. B.) 166

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 166

Dr. Harald Ofner 167

Mag. Terezija Stoisits 169

Werner Miedl 171

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 173

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 174, 181

Mag. Gisela Wurm 174

Mag. Eduard Mainoni 176

Otto Pendl 177

Edeltraud Gatterer 178

Dr. Alois Pumberger 180

Dr. Kurt Grünewald 182

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 184

Mag. Helmut Kukacka 184

Mag. Rüdiger Schender 186

Dr. Brigitte Povysil 187

Dieter Brosz 188

Ing. Kurt Scheuch 190


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62. Sitzung / Seite 7

Ing. Herbert L. Graf (tatsächliche Berichtigung) 192

Dr. Peter Kostelka 192

Annahme 193

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (422 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gewährleistungsrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und im Konsumentenschutzgesetz sowie das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden (Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz – GewRÄG) (522 d. B.) 194

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (485 d. B.): Bundesgesetz, mit dem im Aktiengesetz, im Handelsgesetzbuch und im Börsegesetz Regelungen über Optionen auf Aktien getroffen werden (Aktienoptionengesetz – AOG) (523 d. B.) 194

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (447 d. B.): Bundesgesetz, mit dem zur Regelung der elektronischen Übermittlung von Jahresabschlüssen das Handelsgesetzbuch, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (524 d. B.) 194

Redner:

Mag. Johann Maier 194

Dr. Michael Krüger 195

Dr. Gabriela Moser 197

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 198

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 199, 204

Anna Huber 200

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 201

Dr. Sylvia Papházy, MBA 202

Dr. Elisabeth Hlavac 203

Mag. Dr. Josef Trinkl 204

Anton Heinzl 205

Mag. Karin Hakl 206

Dr. Johannes Jarolim 207

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 522, 523 und 524 d. B. 208

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 522 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Auswirkungen des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes auf die Lage des Tourismus in Österreich (E 76) 208

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 522 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Umsetzung des Regressanspruchs des Letztverkäufers (E 77) 208

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (489 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Passgesetz 1992, das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Passgesetz-Novelle 2001) (526 d. B.) 209

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (479 d. B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein


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62. Sitzung / Seite 8

über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (527 d. B.) 209

Redner:

Rudolf Parnigoni 209

Dr. Reinhard Eugen Bösch 21


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62. Sitzung / Seite 9

1

Mag. Terezija Stoisits 212

Karl Freund 213

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 214

Anton Gaál 215

Robert Egghart 216

Günter Kiermaier 217

Johann Loos 217

Otto Pendl 218

Hermann Reindl 219

Annahme des Gesetzentwurfes in 526 d. B. 220

Genehmigung des Staatsvertrages in 479 d. B. 220

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (283 d. B.): Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Finnland, der Griechischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, dem Königreich Schweden, dem Königreich Spanien, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Anlagen (512 d. B.) 220

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (349 d. B.): Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle (513 d. B.) 220

14. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (442 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation erdölexportierender Länder über die Änderung des Amtssitzabkommens samt Annexen (516 d. B.) 220

Redner:

Anton Heinzl 220

Mag. Karl Schweitzer 222

Dr. Michael Spindelegger 222

Mag. Ulrike Lunacek 223

Dr. Gerhard Kurzmann 224

Genehmigung der drei Staatsverträge in 283, 349 und 442 d. B. 225

Beschlussfassungen im Sinne der Artikel 50 Abs. 2 und 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 512 d. B. 225

Beschlussfassungen im Sinne der Artikel 50 Abs. 2 und 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 513 d. B. 225

15. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (427 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (515 d. B.) 226

Annahme 226

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Entschließungsantrag 308/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend die Anerkennung angestammter Landrechte indigener Völker in Kanada (514 d. B.) 226

17. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Entschließungsantrag 113/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Ratifikation des Internationalen Übereinkommens ILO Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker (517 d. B.) 226

Redner:

Inge Jäger 227

Mag. Karin Hakl 228

Mag. Ulrike Lunacek 228


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62. Sitzung / Seite 10

Mag. Walter Posch 229

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 514 und 517 d. B. 230

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 517 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Internationales Übereinkommen ILO Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker (E 78) 230

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 29

535: Auslandseinsatzgesetz 2001 – AuslEG 2001

536: Auslandseinsatzanpassungsgesetz – AuslEAG

Antrag der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Vereinheitlichung der Bauordnung (413/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend FP-Spitzelaffäre wird Justizskandal (2222/J)

Arnold Grabner und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Studie "Sport und Gesundheit – eine sozioökologische Analyse" (2223/J)

Anna Huber und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Importe von Schlachtnebenerzeugnissen von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen aus den Ländern Polen, Ungarn, Russland, Kroatien und aus der Tschechischen Republik (2224/J)

Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Rechtsstellung des unehelichen Kindes im Erbrecht (2225/J)

Mag. Walter Posch und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Haltestelle Tauerntunnel/Mallnitz (2226/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf der Bundeswohnungen an Finanzinvestoren (2227/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend schwere Menschenrechtsverletzungen im Sudan aufgrund von Ölgeschäften der OMV (2228/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend schwere Menschenrechtsverletzungen im Sudan aufgrund von Ölgeschäften der OMV (2229/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend schwere Menschenrechtsverletzungen im Sudan aufgrund von Ölgeschäften der OMV (2230/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Koralmbahn (2231/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsparungen bei Polizei und Gendarmerie in Oberösterreich (2232/J)

*****

Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Aufwendungen für Dienstreisen und Veranstaltungen im Jahr 2000 (16/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1797/AB zu 1799/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1798/AB zu 1842/J)


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62. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 62. Sitzung des Nationalrates, die für heute um 9 Uhr einberufen wurde.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Firlinger, Rosemarie Bauer und Ing. Gerhard Bauer.

Es liegt mir, bevor ich zur Fragestunde gelange, eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic vor. – Bitte.

9.02

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es liegt mir hier schriftlich eine ganze Reihe von Fragen an die Frau Vizekanzlerin vor, wobei die Textierung jedes Mal so abgefasst ist, dass sich die Frage an den Bundesminister für öffentliche Leistung und Sport richtet.

Ich ersuche dringend – unter sinngemäßer Anwendung des § 12 der Geschäftsordnung beziehungsweise analoger Bestimmungen –, in Hinkunft eine korrekte Bezeichnung zu wählen.

9.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! In dem Text, der mir vorliegt, steht: "an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport"! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der Text der Grünen! Ich glaube, dort schlafen s’ noch!)

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich komme zur ersten Anfrage, Nr. 81/M, der Frau Abgeordneten Dr. Ilse Mertel an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Frau Vizekanzlerin und Bundesministerin ! In den letzten Wochen und Monaten hören wir immer wieder ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Formulierung der Frage!

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (fortsetzend): Gut, ich lese die Frage vor. (Abg. Auer: Jetzt sind Sie schon so lange da und wissen es immer noch nicht! – Abg. Ing. Westenthaler: Das sollten Sie aber jetzt schon wissen!)  – Bitte, Herr Westenthaler stört mich bei meiner Anfrage. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Frage lautet:

81/M

Welches Gegenmodell vertreten Sie zum Vorschlag von Bundesminister Dr. Bartenstein betreffend das Kindergeld?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.


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62. Sitzung / Seite 12

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer:
Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete! Ich vertrete überhaupt kein "Gegenmodell", sondern die Bundesregierung vertritt ein Modell zum Kindergeld, das darauf beruht, dass es eine Anspruchsdauer auf das Kindergeld von drei Jahren gibt, dass die Höhe dieses Kinderbetreuungsgeldes 6 000 S pro Monat beträgt und dass insbesondere für Frauen, was die Pensionszeiten betrifft, durch dieses Kinderbetreuungsgeld eine wesentliche Verbesserung eintritt, nämlich eine eigenständige Pensionssicherung für Frauen, denn in Hinkunft werden 18 Monate als pensionsbegründende Kindererziehungszeiten angerechnet. Das ist ein ganz wesentlicher Fortschritt in Richtung einer eigenständigen Pensionssicherung für die Frauen.

Wir alle in dieser Bundesregierung und mit uns viele Österreicherinnen und Österreicher gehen gemeinsam davon aus, dass mit diesem Modell insbesondere die Wahlfreiheit für Frauen erstmals wirklich ermöglicht wird, weil wir den Frauen die finanziellen Rahmenbedingungen dafür bieten, sich selbst zu entscheiden, ob sie zu Hause bei ihrem Kind bleiben oder ob sie berufstätig sein und im Rahmen dieser finanziellen Möglichkeit, nämlich 6 000 S pro Monat, eine Kinderbetreuung sicherstellen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich halte das für den größten familienpolitischen Fortschritt in Österreich seit der Einführung des Karenzgeldes. Damit wird eine wesentliche Besserstellung für Frauen geschaffen. Wir haben in Kärnten, wo dieses Modell schon umgesetzt ist, in den ersten Monaten sehr positive Erfahrungen gemacht (Zwischenrufe bei der SPÖ), weil es eine wesentliche Einkommensverbesserung für junge Familien, für junge Eltern darstellt, die gerade dann, wenn sie eine Familie, einen Hausstand gründen, finanziell belastet sind. (Abg. Edler: Der Haider ist ... krank!) Der durch diese Maßnahme verursachte Mehrwert für die österreichischen Familien wird bei 10 Milliarden Schilling liegen, die die Familien mehr bekommen, und zwar aus den Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds, welche ja auch zweckgewidmet sind für die österreichischen Familien. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Danke für die Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Welche Vorschläge von Bartenstein hinsichtlich dieses Kinderbetreuungsgeldes halten Sie nun im Detail für "Quatsch"? (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das der Würde des Hauses entsprechend?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Es hat in den vergangenen Tagen und Wochen verschiedene Vorschläge zum Kindergeld gegeben. Es hat auch – und für mich völlig unverständlich – eine totale Ablehnung dieses Kindergeldes durch die Opposition, vor allem durch die Frauenorganisationen der sozialistischen Frauen gegeben, was für mich eigentlich völlig unverständlich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Nicht die SPÖ-Frauen haben das als "Quatsch" bezeichnet, sondern Sie!) Wenn es Ihnen nämlich wirklich ein Anliegen ist, Frau Kollegin Mertel, den Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, dann müssen Sie für dieses Kindergeld sein, denn genau das ist die Zielsetzung dieser Maßnahme.

Es hat eine Reihe von Vorschlägen gegeben, und es gibt auch Experten, die sich mit dieser Frage auseinander setzen. Ich wiederhole: Für uns sind die Kernpunkte – und darin sind wir uns alle einig, auch Herr Minister Bartenstein und ich –, dass es drei Jahre Anspruchsberechtigung gibt, dass es 6 000 S pro Monat gibt (Abg. Ing. Westenthaler: Sehr gut!), dass es pensionsbegründende Kindererziehungszeiten für Frauen und damit erstmals den Einstieg in eine eigenständige Pensionsabsicherung in diesem Bereich gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Bravo! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Danke für die Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Miedl, bitte.


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Abgeordneter Werner Miedl
(ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! So wie im Falle eines Karenzurlaubes ist auch bei einer länger dauernden Erkrankung eines Beamten eine Abwesenheit vom Dienst gegeben, die er nicht selbst verschuldet hat. Nun sieht § 13c des Gehaltsgesetzes vor, dass in einem solchen Fall, wenn also eine Erkrankung länger als sechs Monate dauert, der Bezug um ein Drittel gekürzt wird. Ich halte das besonders im Hinblick darauf, dass zum Beispiel Exekutivbeamte vor allem von Zulagen leben, für eine soziale Härte.

Was werden Sie unternehmen, damit diese soziale Härte bei Beamten in Hinkunft beseitigt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sie haben vollkommen Recht, Herr Abgeordneter: Es ist ein Problem dadurch entstanden, dass diese Regelung auf die besonderen Spezifika des Besoldungsrechtes bei Exekutivbeamten nicht ausreichend Rücksicht genommen hat. Es ist so, dass Exekutivbeamte gemeinhin ein relativ geringes Grundgehalt haben, dazu aber noch Nebengebühren und Zulagen kommen.

Wir werden das bei der Änderung des § 13c entsprechend berücksichtigen und die pauschalierten Nebengebühren so einrechnen, dass es zu keiner unzumutbaren Einkommensminderung für Exekutivbeamte kommen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Österreich hinkt im Zusammenhang mit der Erwerbsquote der Frauen und noch stärker mit der Gleichstellung der Frauen in ökonomischer Hinsicht im europäischen Vergleich hinten nach.

Welche Abschätzungen haben Sie hinsichtlich des geplanten Kindergeldmodells, und welche schriftlichen Aussagen dieser Bundesregierung gibt es hinsichtlich der Auswirkungen des geplanten Kindergeldmodells erstens auf die Erwerbsquote und zweitens auf die ökonomische Gleichstellung der Frauen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Zum Ersten möchte ich festhalten, dass sich die Erwerbsquote beziehungsweise die Beschäftigungsquote in Österreich besonders im letzten Jahr, also auch schon unter dieser Bundesregierung, außerordentlich positiv entwickelt hat, dass wir steigende Beschäftigung und sinkende Arbeitslosigkeit haben. Besonders die Frauenbeschäftigung ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Es hat auch generell eine ganz drastische Reduktion der Frauenarbeitslosigkeit in Österreich gegeben.

Das ist eine sehr positive Entwicklung, die wir weiterhin nachhaltig unterstützen müssen, damit sich dieser Trend entsprechend fortsetzt. Dasselbe gilt – und das möchte ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen – für die Senkung der Jugendarbeitslosigkeit, und auch die Arbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer und der Langzeitarbeitslosen ist drastisch zurückgegangen. Das heißt, wir haben heute auf dem österreichischen Arbeitsmarkt eine Situation, derzufolge wir uns im Vergleich zu anderen europäischen Ländern glücklich schätzen können, wir gehen nämlich in Richtung Vollbeschäftigung. Und das ist auch das Ziel, das diese Bundesregierung mit all ihren Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig unterstützt.

Was die Frauenerwerbsquote im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld betrifft, so habe ich Ihnen schon gesagt, dass das Wesentliche an diesem Kinderbetreuungsgeld der Umstand ist, dass Frauen damit die Wahlmöglichkeit – und zwar jede Frau individuell für sich – haben, zu entscheiden, ob sie in diesen ersten drei Jahren zu Hause bei ihrem Kind bleiben oder ob sie berufstätig sein und gleichzeitig eine professionelle Kinderbetreuung sicherstellen wollen.


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Ich gehe davon aus, dass sich dadurch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Frauen deutlich verbessert hat, vor allem auch deshalb, weil dieses Kinderbetreuungsgeld eine Zuverdienstgrenze von 200 000 S im Jahr vorsieht. Wenn Sie sich vor Augen halten, dass beim bisherigen Karenzgeld nur ein Zuverdienst von zirka 4 000 S möglich war, dann wird klar, dass mit dieser Maßnahme die Frauen eigentlich vom Arbeitsmarkt weg getrieben wurden.

Ganz entgegen der Argumentation der sozialdemokratischen Fraktion ist also das, was wir jetzt machen, eine Maßnahme, um den Frauen die Berufstätigkeit auch während des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes zu ermöglichen und damit auch ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt, ihre Position auf dem Arbeitsmarkt, ihre Bindung zum Betrieb entsprechend zu verbessern.

Ich gehe daher davon aus, dass das Kindergeld ausschließlich positive Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen und auch – das möchte ich auch betonen – positive Auswirkungen in puncto Kinderbetreuungseinrichtungen haben wird. Was in den letzten Wochen vielfach behauptet wurde, ist völlig falsch, nämlich dass das Kindergeld dazu führen werde, dass es keine oder weniger Kinderbetreuungsplätze in Österreich geben werde. Ganz im Gegenteil: Wir erreichen damit auch, dass Tagesmütter, Kinderkrippen und ähnliche Einrichtungen für Kinder zwischen ein und drei Jahren ebenfalls entsprechend gefördert werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Anfrage: Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

75/M

Zu welchen Ergebnissen ist die von Ihnen eingesetzte Aufgabenreformkommission bisher gekommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Aufgabenreformkommission unter der Leitung von Professor Raschauer hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Sitzungen abgehalten und wird Ende dieser Woche ihren Endbericht vorlegen. Ziel dieser Aufgabenreformkommission war es in erster Linie, sich die Frage zu stellen – um das vielleicht ein bisschen provokant zu sagen –: Wozu brauchen wir den Staat überhaupt, das heißt, welche Aufgaben muss der Staat erledigen, und welche Aufgaben können anderswo besser, billiger, schneller und effizienter erledigt werden?

Dabei sind eine ganze Reihe von Kompetenzen, sowohl des Bundes als auch der Länder, Städte und Gemeinden zu hinterfragen, weil es die oberste Zielsetzung jeder Verwaltungsreform sein muss, eine Aufgabenreform in dem Sinn zu betreiben, dass man sowohl Aufgaben als auch komplizierte Doppel- beziehungsweise Mehrfachzuständigkeiten überhaupt weglassen kann.

Zielsetzung der Aufgabenreformkommission ist und war es – und das wird auch im Endbericht so nachzulesen sein –, eine entsprechende Verwaltungsvereinfachung für den Bürger sicherzustellen. Dabei geht es zum Beispiel auch um die Verkürzung der Instanzenzüge im Verwaltungsverfahren zwischen Bund und Ländern oder um eine deutliche Vereinfachung des Gewerbeverfahrens und damit auch um eine Entlastung der klein- und mittelständischen Unternehmen in diesem Land.

Bürokratieabbau ist in erster Linie etwas, was nicht dem Staat, sondern dem Bürger zugute kommen soll. Daher ist es unsere Intention, dass es künftig nur mehr eine Bürgeranlaufstelle geben soll – das ist die Bezirksverwaltungsbehörde, die Bezirkshauptmannschaft im Idealfall –, damit sich der Behördenmarathon für den Bürger aufhört und die Situation in Österreich in Zu


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kunft so aussieht, dass nicht mehr die Bürger laufen, sondern die Akten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Frau Vizekanzlerin! Gibt es auch einen Zeitrahmen, innerhalb dessen Sie diese doch sehr umfangreichen Vorhaben durchführen wollen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Es gibt im Finanzausgleich eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, in der festgelegt ist, dass bis zum Juni dieses Jahres – also bis Juni 2001! – die gemeinsamen Maßnahmen zum Abbau von Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, die klare Kompetenzzuordnung, die Aufhebung der mittelbaren Bundesverwaltung und ähnliche Maßnahmen beschlossen und umgesetzt werden müssen, damit wir auch den entsprechenden Einsparungseffekt erzielen und den Bürgern beweisen, dass der Staat in erster Linie bei sich selber spart. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Im Zusammenhang mit dem Abbau von Doppel- und Mehrfachstrukturen hat unter anderem der Innenminister den Vorschlag gemacht, im Bereich der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Ausländerinnen und Ausländer eine ein spurige Verwaltung, das heißt eine Harmonisierung einzuführen. Das würde mit Sicherheit dreistellige Millionenbeträge einsparen.

Wie stehen Sie persönlich zu diesem Vorschlag des Innenministers?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Das ist eines jener Verwaltungsreformvorhaben, die in den einzelnen Ressorts betreut werden. Ich weiß, dass es eine Arbeitsgruppe des Herrn Innenministers gibt, die sich mit dieser Frage auseinander setzt. Es liegt mir noch kein Ergebnis vor, und ich bitte Sie, diese Frage auf Grund der Ressortzuständigkeit auch an den dafür zuständigen Innenminister zu richten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Na der hat es sicher gern!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Wittmann.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Frau Vizekanzler! Es gibt die Aufgabenreformkommission, die Finanzausgleichsbegleitkommission und die Arthur Anderson-Studie.

Meine Frage an Sie lautet: Zu welchen Ergebnissen ist die Finanzausgleichsbegleitkommission gekommen, zu welchen Ergebnissen kommt die Arthur Anderson-Studie, und welche Priorität reihen Sie wem in der Umsetzung ein? (Ruf bei der SPÖ: Aber konkret! – Abg. Amon: Das sind drei Fragen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe Ihnen das zwar schon mehrfach erklärt, aber ich tue es gerne noch einmal. (Ruf bei der ÖVP: Die verstehen es immer noch nicht! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie Sie richtig bemerkt haben, gibt es drei Projekte, die absolut gleichrangig wichtig sind, und ich werde Ihnen auch gleich sagen, warum:


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Arthur Anderson hat die Aufgabe, die einzelnen Ressorts, die Ministerien bei der Umsetzung der Verwaltungseinsparungen in ihrem Bereich zu begleiten, das heißt: die Einsparungen bei der Verwaltung der Verwaltung, den Abbau von Bürokratieapparaten in den einzelnen Ministerien oder die Zusammenlegung von Sektionen, wie das zum Beispiel der Verteidigungsminister gerade vorbildlich in seinem Bereich vorgezeigt hat, indem er eine Straffung der Organisation in dem Sinne durchgeführt hat, dass es weniger "Häuptlinge" und mehr "Indianer" und dadurch auch mehr Sicherheit für dieses Land geben soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich erkläre Ihnen das so einfach, damit Ihnen klar wird, worum es bei dieser Verwaltungsreform auf Bundesebene wirklich geht. Arthur Anderson hat die Aufgabe, die Projekte, die in den einzelnen Ressorts im Gange und auch schon in Umsetzung begriffen sind – und das ist eine ganze Reihe von Projekten! –, zu begleiten, weil ich glaube, dass externer Sachverstand und eine externe Begleitung solcher Prozesse etwas absolut Positives sind und helfen, die Einsparungseffekte wirklich zu erzielen.

Ich sage Ihnen auch, warum mir diese Einsparung so wichtig ist. Wir sind mit der Budgetsanierung für den Bürger nur dann glaubwürdig, wenn der Bürger sieht, dass der Staat, dass die Verwaltung auch bei sich selbst spart. Und in diesem Bereich gibt es ein umfangreiches Verwaltungseinsparungsvolumen, zum Beispiel durch die neu eingerichtete Beschaffungsagentur, in der nun die Beschaffung zentralisiert erfolgt, und zwar mit entsprechenden Einsparungseffekten. (Abg. Edler: Bla, bla, bla!)

Die zweite Arbeitsgruppe, die Finanzausgleichsbegleitkommission – das habe ich gerade gesagt, aber ich mache es gerne noch einmal –, beschäftigt sich damit, dass wir in Zukunft erreichen wollen, dass es keine Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten mehr gibt (Abg. Dr. Wittmann: Ergebnisse! Die Ergebnisse möchten wir hören!), sondern dass es für jede Materie nur mehr eine Zuständigkeit gibt, nämlich entweder Bund oder Land.

Ich weiß schon, dass Ihnen das wehtut, denn ich habe selbst viele Jahre lang in der zweiten Kammer dieses Hauses, nämlich im österreichischen Bundesrat, die Diskussionen über die Bundesstaatsreform miterlebt, die leider Gottes immer im Sande verlaufen sind, weil sie unter dem Prätext erfolgt sind, dass niemand irgendeine Kompetenz hergeben wollte. (Abg. Dr. Wittmann: Ergebnisse, bitte!)

Uns geht es darum, diese Entscheidungen nach sachlichen Kriterien zu treffen, und es soll nur eine einzige Anlaufstelle für den Bürger geben. Dem Bürger ist es relativ egal, wer im Hintergrund für was zuständig ist, er möchte nur, dass seine Anliegen pünktlich und schnell erledigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher wählen wir die Bezirkshauptmannschaften als Bürgeranlaufstelle, wo der Bürger hingehen kann und die Gewähr hat, dass seine Anliegen erledigt werden.

Aufgabenreform – auch das habe ich schon erklärt – heißt, zu prüfen: Welche Aufgaben muss der Staat überhaupt nicht mehr machen? (Abg. Dr. Wittmann: Das ist kein Ergebnis!) Wir haben eine Fülle von Bürokratie, die eigentlich niemandem nützt, aber dem Bürger schadet. (Abg. Öllinger: Die Ambulanzgebühren zum Beispiel!) Deswegen muss man damit beginnen, jene Dinge, die nicht notwendig sind, zu beseitigen, zum Beispiel (Abg. Öllinger: Die Ambulanzgebühren!) müssen wir die Gesetzesflut eindämmen, die in vielen Bereichen eine Überreglementierung gebracht hat und den Bürger einfach behindert.

Ich habe Ihnen gesagt, der Fristenlauf ist Juni dieses Jahres: für die Finanzausgleichsbegleitkommission ebenso wie für die Aufgabenreformkommission. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Es könnte sein, dass es der Wittmann jetzt auch verstanden hat! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit sind wir glücklich am Ende der zweiten Anfrage, und ich würde bitten, unserer Tradition – kurze Zusatzfragen, möglichst kurze Antworten – zu folgen.


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Die dritte Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

77/M

Werden Sie vorschlagen, das mit Gehaltseinbußen verbundene neue Landes-Lehrerdienstrecht auch für BundeslehrerInnen einzuführen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich halte das neue Landes-Lehrerdienstrecht für einen ganz entscheidenden und wesentlichen Fortschritt, was Arbeitszeitregelungen im öffentlichen Dienst betrifft. Dieses Modell ist kostenneutral, daher ist auch die Feststellung, die Sie schon im Vorhinein getroffen haben, nämlich dass es zu Gehaltseinbußen kommen wird, für mich nicht nachvollziehbar.

Sinn dieses Landeslehrer-Arbeitszeitmodells ist, dass es eine Jahresarbeitszeit geben soll, dass man nicht mehr, so wie bisher, nur auf die reine Unterrichtszeit abstellt, sondern dass man berücksichtigt, dass es Stunden gibt, in denen der Lehrer in der Klasse steht und unterrichtet, dass es Vor- und Nachbereitungszeiten gibt und dass es darüber hinaus auch noch andere Tätigkeiten des Lehrers gibt wie Ordinariate, Kustodiate und Ähnliches. Es ist also die Gesamtjahresarbeitszeit eines Lehrers zu berücksichtigen, aber auch zu dokumentieren. Es muss nachvollziehbar sein, was der Lehrer in der unterrichtsfreien Zeit macht.

Sie wissen, dass wir dieses Modell gemeinsam mit der Gewerkschaft und im Konsens mit der Gewerkschaft erarbeitet haben, was für mich auch ein Beweis dafür ist, dass bei konstruktiver Gesprächsbereitschaft von Interessenvertretungen, von Gewerkschaften gemeinsam gute Lösungen möglich sind. Dafür möchte ich mich bei der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft auch ausdrücklich bedanken. Ich würde mir dieselbe Kooperationsbereitschaft auch von anderen Gewerkschaften wünschen, dann würden wir auch dort entsprechend weiterkommen.

Ich halte es für ein gutes Modell. Jahresarbeitszeitmodelle sind etwas, was wir für den gesamten öffentlichen Dienst anstreben. Wir sind auch dabei, dies in den einzelnen Ressorts zu erarbeiten, weil es spezifische Voraussetzungen gibt, die je nach Sparte unterschiedlich sind. Aber Jahresarbeitszeitmodelle sind die Zukunft für Arbeitszeitberechnungen im öffentlichen Dienst. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! Man kann darüber diskutieren, inwiefern dieses Modell wirklich eine Strukturreform ist, aber Faktum ist: Eine Strukturreform wäre das, was schon seit längerem angekündigt wird, nämlich die Abflachung der Gehaltskurve, speziell auch bei den LehrerInnen. Gerade in den IT-Bereichen, wo es ziemliche Probleme gibt, Einsteiger zu finden, wäre das ein sehr sinnvolles Modell.

Wie stehen Sie dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sie kennen meinen Standpunkt dazu. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass wir darunter leiden, dass wir unterschiedliche Systeme nicht nur zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst haben, sondern auch innerhalb des öffentlichen Dienstes. Wir haben ein Pragmatisierungssystem-alt, ein Pragmatisierungssystem-neu, ein Vertragsbedienstetenrecht-alt, ein Vertragsbedienstetenrecht-neu – was zu sehr unterschiedlichen Gehaltskurven innerhalb der Mitarbeiterschaft des öffentlichen Dienstes führt und auch nicht leistungsmotivierend ist.

Für mich ist die oberste Prämisse einer Besoldungsreform im öffentlichen Dienst eine leistungsorientierte Belohnung, denn das ist auch die Voraussetzung für die Umsetzung von New Public


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Management. Ansonsten haben Sie keinen Anreiz für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst – insbesondere für junge Mitarbeiter, und das gilt nicht nur für die Lehrer, sondern für alle anderen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst genauso –, auch bestmögliche Leistungen zu erbringen. Das heißt, wir arbeiten daran, ein Besoldungssystem zu entwickeln, das leistungsorientiert ist, das nicht mehr auf das Alter abstellt, das nicht mehr auf die Seniorität abstellt, sondern auf die Leistung und Qualifikation des einzelnen Mitarbeiters, auf die Einstufung der Funktion, die er hat, und nicht mehr auf die automatische Altersvorrückung.

Die Schweiz hat in diesem Bereich bereits ein Modell entwickelt – und sowohl auf Kantons- als auch auf Bundesebene umgesetzt –, das ich für vorbildlich halte, auch für Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abgeordneten Dr. Khol und Mag. Mühlbachler. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Antoni, bitte.

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Mitglieder Ihrer Fraktion sind seit dem Eintritt der Freiheitlichen in die Bundesregierung mit Österreichs Lehrerinnen und Lehrern und deren Interessenvertretern zum Teil sehr unfair umgegangen. Ich erinnere Sie zum Beispiel an die Aussage Ihres Alt-Parteiobmannes hinsichtlich parasitärer Elemente. (Abg. Dr. Khol: Wo ist die Frage? – Abg. Dr. Stummvoll: Nur Polemik! – Rufe bei der ÖVP: Frage! Frage!)

Ich frage Sie daher: Glauben Sie nicht, dass es im Hinblick auf eine Hebung der Motivation der mehr als 120 000 Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für die weiteren Verhandlungen über ein neues Dienst- und Besoldungsrecht hilfreich wäre, wenn Sie sich für diese verbalen Entgleisungen entschuldigen würden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Erstens einmal hat es keine verbalen Entgleisungen gegeben. Bei genauem Zuhören werden Sie gemerkt haben, dass ich in all meinen Aussagen immer einen klaren Unterschied gemacht habe zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst generell, aber auch der Lehrerschaft – und der Gewerkschaft! Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe!

Es muss möglich sein, die Gewerkschaft (Abg. Edler: Was heißt das? Sind das Parasiten?)  – ich sage Ihnen gleich, was das heißt – als Interessenvertretung dann zu kritisieren, wenn ich der Meinung bin, dass sie entgegen den Interessen ihrer Mitarbeiter handelt (Ruf bei den Grünen: Und das wollen Sie beurteilen?), und das ist vielfach der Fall gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich nenne Ihnen jetzt ein positives Beispiel, Herr Kollege, eines, von dem wir gerade gesprochen haben. Ich habe mit der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer in langen Verhandlungen und in vielen guten Gesprächen gemeinsam ein Jahresarbeitszeitmodell entwickelt, das – und das ist das Entscheidende – in einer Urabstimmung aller Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer in ganz Österreich mit überwältigender Mehrheit, nämlich von weit über 70 Prozent angenommen und unterstützt wurde! Das ist eine vorbildliche Kooperation, das ist eine vorbildliche Gesprächsbereitschaft, die auch zu guten Lösungen führt.

Es gibt sehr viele Mitarbeiter – auch unter den Lehrern, ich darf dabei gerade die Bundeslehrer ansprechen –, die sich von ihrer Gewerkschaft wünschen würden, dass eine solche Gesprächsbereitschaft gegenüber der Regierung vorhanden wäre, um Lösungen zu finden. Streiks, sage ich Ihnen, sind keine Lösung. Mit Streiks helfen Sie weder den Lehrerinnen und Lehrern, noch – das schon gar nicht – den Kindern und deren Eltern in den Schulen, sondern Streiks, noch dazu, bevor Verhandlungen überhaupt begonnen haben, sind eigentlich eine Gesprächsverweigerung (Abg. Dr. Lichtenberger: Lernen Sie Geschichte!), etwas, was ich in einer Demokratie überhaupt für unzumutbar halte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schweitzer, bitte.


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Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer
(Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundeskanzler! Welche Maßnahmen planen Sie, um allfällige Unebenheiten für andere Berufsgruppen auszugleichen? (Abg. Brosz  – in Richtung SPÖ –: "Frau Bundeskanzler" hat er gesagt!)


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62. Sitzung / Seite 20

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Es gibt im öffentlichen Dienst verschiedene Berufsgruppen mit unterschiedlichen Anforderungen, was das Dienst- und Besoldungsrecht betrifft – wir haben das jetzt schon am Beispiel der Lehrer diskutiert –: Es gibt im Bereich der Exekutive und im Verwaltungsbereich unterschiedliche Voraussetzungen.

Prinzipiell ist meine grundsätzliche Zielsetzung in diesem Bereich, einmal einen Arbeitsmarkt in Österreich mit gleichen Spielregeln für alle zu haben. Das wäre eigentlich etwas, was in diesem Land schon längst notwendig wäre. Das wäre meiner Meinung nach auch für jene, die im nicht geschützten Bereich arbeiten, eine Grundvoraussetzung, um sicherzustellen, dass wir harmonisierte Arbeitsrechte, harmonisierte Pensionssysteme haben, die einfach Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt schaffen, die auch die Flexibilität zwischen den Arbeitsmärkten garantieren und die es auch ermöglichen würden, dass Mitarbeiter zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft wechseln, dadurch mehr Erfahrungen sammeln und somit in ihren jeweiligen Bereich auch eine bessere Qualifikation einbringen könnten. Auf diesem Wege arbeiten wir gemeinsam weiter. Die Harmonisierung der Pensionssysteme ist eines dieser großen Vorhaben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Amon, bitte.

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Vizekanzlerin! Die Opposition spricht im Zusammenhang mit dem neuen Landes-Lehrerdienstrecht immer von Verschlechterungen im Bildungsbereich.

Meine Frage ist: Sehen auch Sie solche Verschlechterungen im Bildungsbereich durch das neue Landes-Lehrerdienstrecht, oder halten Sie das für eine unnötige Panikmache bei den Betroffenen durch die Opposition?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich halte es nicht nur für eine unnötige, sondern auch für eine sehr gefährliche Panikmache, die da stattfindet. Und ich muss sagen, dass ich sehr erschüttert war, in den letzten Wochen zu erleben, wie in manchen Bereichen diese Einigung zwischen den Pflichtschullehrern und der Bundesregierung missbraucht wurde, um Eltern und Kindern Angst dahin gehend zu machen, dass die Unterrichtstätigkeit eingeschränkt würde (Abg. Brosz: Die Angebote!), dass die Ausbildung ihrer Kinder beeinträchtigt würde. (Abg. Dr. Petrovic: Das passiert!)  – Nichts davon trifft zu.

Ich verweise noch einmal darauf, dass die Landeslehrer dieses Modell in einer Urabstimmung mit großer Mehrheit unterstützt haben, dass es aber in anderen Lehrerbereichen dazu missbraucht wurde, parteipolitisch motivierte Agitation auch an den Schulen zu betreiben. Ich habe zum Beispiel Resolutionen bekommen, die von zehnjährigen Kindern unterschrieben waren, und es kann mir niemand einreden, dass sich zehnjährige Kinder von sich aus zusammensetzen und eine Resolution an die Bundesregierung schreiben (Abg. Dr. Petrovic: Dann kennen Sie Kinder nicht!), noch dazu beruhend auf völlig verfehlten Informationen, wie zum Beispiel der Behauptung, es würde keine Schulskikurse oder keine Wandertage mehr geben.

Ich halte es eigentlich für eine sehr gefährliche Entwicklung, dass man eine Einigung zwischen der Regierung und der Gewerkschaft in anderen Bereichen dazu missbraucht, Eltern und Kindern in dieser Weise durch Fehlinformationen Angst zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir die dritte Frage erledigt.

Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch formuliert jetzt die 4. Anfrage. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Vizekanzlerin, nunmehr Frau Sportministerin! Eine Frage aus dem Sportbereich – die Fragestunde ist ja ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um die Formulierung der eingereichten Frage!

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (fortsetzend): ... auch für den Sport vorgesehen, daher die Sportfrage:

79/M

Welche Maßnahmen werden im Bereich der Nachwuchsförderung im Sport gesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich glaube, die Nachwuchsförderung hat absolute Priorität und muss auch absolute Priorität haben, besonders in dem Bereich, in dem der Bund eine Zuständigkeit im Sportbereich hat, und das ist der Spitzensport.

Nachwuchsförderung ist ein zentrales Projekt. Wir haben daher trotz der schwierigen budgetären Situation auch dafür Sorge getragen, dass es in diesem Bereich zu keinen budgetären Kürzungen kommt. Es gibt ein Projekt, das seit vielen Jahren in Österreich sehr erfolgreich funktioniert: Das ist das Projekt der Jugendsportmultiplikatoren, das selbstverständlich auch weiter unterstützt wird. Ich bin auch mit den Verbänden, sowohl Dach- und Fachverbänden, mit der BSO, aber auch mit dem Österreichischen Olympischen Komitee in Verhandlungen darüber, die Nachwuchsförderung, die Spitzensportförderung in diesem Bereich entsprechend zu verbessern, und zwar im Sinne der Einrichtung von Kompetenzzentren, von denen es in Österreich schon einige gibt, aber, wie ich meine, nicht genug und vor allem nicht genug und flächendeckend für alle Sportarten.

Ein zentrales Anliegen ist es, jugendlichen Talenten den Umstieg in den Spitzensport entsprechend zu ermöglichen. Wir haben in Österreich gesehen – den Wintersportbereich vielleicht ausgenommen –, dass es da vielfach ein Problem gibt, da wir zwar Talente in Kompetenzzentren fördern, es aber nicht schaffen, diesen jungen Leuten auch den Umstieg in den Spitzensport oder die Weiterentwicklung in den Spitzensport ausreichend zu ermöglichen.

Wir haben eine Expertenarbeitsgruppe eingerichtet, die im Rahmen des Projektes Top Sport Austria genau diese Zielsetzung verfolgen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Nein danke, sie erübrigt sich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zweytick, bitte.

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Werden die Dach- und Fachverbände zur Schwerpunktsetzung im Bereich der Nachwuchsförderung von Ihnen zusätzliche Geldmittel bekommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Mir geht es darum, dass wir die Bundesförderungsmittel, die für die Förderung von Sportlern, besonders im Nachwuchssportbereich, zur Verfügung gestellt werden, auch diesen Sportlern unmittelbar zukommen lassen. Wir haben daher entsprechende Zweckbindungen der be


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sonderen Sportförderung im Budget vorgesehen, um genau diese Zielsetzung zu erfüllen, das heißt, um die Gelder auch wirklich zielgerichtet in die Nachwuchsförderung zu stecken.

Damit verbunden ist natürlich auch die Trainerausbildung, die entscheidend ist, um die Voraussetzungen für eine entsprechend flächendeckende Nachwuchsförderung in Österreich sicherzustellen. Wir haben zwar dafür gesorgt – gemeinsam mit den Verbänden –, dass wir ausreichende Mittel zur Verfügung stellen, aber ich sage dazu, dass mir die Effizienzkontrolle in diesem Bereich ganz besonders wichtig ist, dass der Bund als Förderungsgeber die Möglichkeit haben muss, die Effizienz dieser Mittelverwendung entsprechend zu überprüfen, und das wird in den nächsten Wochen und Monaten auch erfolgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Gerade im Amateurfußball – speziell in Wien – gibt es ein ziemlich massives Problem betreffend den Übergang von einer Nachwuchs-Fußballliga in den Erwachsenenbereich, und zwar dadurch, dass nicht-österreichische Spieler, die im Nachwuchsbereich spielberechtigt sind, beim Übertritt in den Erwachsenenfußball nicht mehr spielberechtigt sind. Da gibt es sogar die Einschränkung, dass auch eingebürgerte Österreicher nur beschränkt zugelassen werden. Werden Sie sich dafür einsetzten, dass es diesbezüglich zu Änderungen kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich glaube, dass wir das Nachwuchsproblem, das wir im österreichischen Fußball evidenterweise haben, nicht durch Einbürgerungen oder ähnliche Maßnahmen werden lösen können, sondern nur dadurch, dass wir den österreichischen Jugendlichen, dem Nachwuchs im Fußball, entsprechende Möglichkeiten – Ausbildungsmöglichkeiten, Trainingsmöglichkeiten, die Kombination von sportlicher und beruflicher Ausbildung – bieten, so wie wir das im Wintersport als vorbildliches Modell haben, bei dem Österreich, so glaube ich, einmalig in Europa und darüber hinaus ist, und zwar mit der Kombination zwischen schulischer Ausbildung oder Lehre mit der sportlichen Ausbildung.

Ich meine, dass das ein Projekt ist, das besonders auch im Fußball oder im Ballsport generell in Österreich notwendig wäre. Wir sind auch dabei, entsprechende Konzepte zu erarbeiten. Aktivitäten wie zum Beispiel die Bewerbung um die Fußball-Europameisterschaft dienen für mich nicht nur dazu, dass sich Österreich als Veranstaltungsort für Sportgroßveranstaltungen präsentiert, sondern vor allem auch dazu, die Motivation für den jugendlichen Nachwuchs im Sport sicherzustellen. Daher haben wir alle Infrastrukturprojekte, aber auch Bewerbungen wie jene zur Fußball-Europameisterschaft mit der Verpflichtung zu konkret definierten Nachwuchsprojekten verbunden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kräuter, bitte.

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Frau Sportministerin! Im Bereich der Nachwuchsförderung im Sport wäre es so wichtig, endlich die Forststraßen für jugendliche Radfahrer zu öffnen. Das kostet nichts und bringt viel. Sie wissen, wir haben in Österreich die absurde Situation, dass Lastwagen bis 3,5 Tonnen auf Forststraßen fahren dürfen, Radfahrer aber nicht. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! Frage! Frage!)

Sie haben darüber bisher keine konkrete Auskunft gegeben, daher frage ich Sie: Was halten Sie konkret vom Radfahren auf Forstwegen für die Jugend in Österreich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass diese Frage in die Zuständigkeit des Herrn Landwirtschaftsministers fällt und dass darüber hinaus im Parlament – das ist zumindest meine Information – vom Sportausschuss ein eigener Unterausschuss eingerichtet wurde, der sich mit die


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ser Frage beschäftigt und dem Sie, wenn ich mich recht erinnere, auch angehören. (Abg. Dr. Kräuter: Antwort!)

Ich wünsche Ihnen und allen anderen Mitgliedern dieses Unterausschusses, dass Sie auch bald zu einem entsprechend konstruktiven und guten Ergebnis unter Berücksichtigung der Interessen der Landwirte, aber auch im Sinne der Mountainbike-Sportler in Österreich kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 5. Anfrage, und ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann, seine Frage zu formulieren.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Da Ihnen einige Bemerkungen von Landeshauptleuten auf die Nerven gehen (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! Frage! Frage!), stelle ich folgende Frage:

82/M

Wie beurteilen Sie aus der Sicht des Bundes die Einwendungen der Landeshauptleute zu Ihrem zentralistischen Verwaltungsreformkonzept?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Ich habe das in einer vorherigen Anfragebeantwortung schon ausgeführt: Natürlich sind Fragen der Bundesstaatsreform, der Neuverteilung von Kompetenzen immer in dem Spannungsfeld zwischen Föderalismus und Zentralismus zu sehen. Ich sehe diese Frage unter einem einzigen Gesichtspunkt, nämlich jenem der Sachlichkeit und der Subsidiarität. Das gilt sowohl für die europäische Ebene wie auch für die österreichische. Subsidiarität heißt für mich nichts anderes, als dass jede Zuständigkeit möglichst nahe beim Bürger und dort angesiedelt werden soll, wo das jeweilige Anliegen am sinnvollsten, am kostengünstigsten und am effizientesten erledigt werden kann.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Frage der Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund und Ländern zu sehen. Was ich gesagt habe und was ich zum Ausdruck gebracht habe, ist, dass ich nicht viel davon halte, dass man von vornherein schon Festlegungen darüber trifft, worüber man reden darf und worüber nicht, sondern es muss möglich sein, die Frage der sachlich besten Lösung von Zuständigkeiten zu finden. Wir leiden in Österreich sehr darunter, dass wir eine Fülle von Materien haben, bei denen es Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten gibt, die für den Bürger nicht nachvollziehbar sind, die die Verfahren viel zu lange dauern lassen und die dadurch auch zu hohen Kosten für den einzelnen Bürger führen. Da müssen wir dringend für Abhilfe sorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sie haben bis jetzt kein konkretes Ergebnis genannt. (Abg. Haigermoser: Wie geht es dem Vickerl?) Nennen Sie mir ein Ergebnis dieser Aufgabenreformkommission oder Finanzausgleichsbegleitkommission in diesem Bereich – ein konkretes Ergebnis! (Abg. Ing. Westenthaler: Gegenfrage: Wie geht es dem Vickerl?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter Wittmann! Ich sage es Ihnen heute zum vierten Mal, aber trotzdem gerne noch einmal (Rufe bei der SPÖ: He! He!): Wenn Sie den Finanzausgleich, der auch Gegenstand der Behandlung hier in diesem Hause gewesen ist, und zwar im Zusammenhang mit dem Budget 2001, sorgfältig durchgelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass dort genau vorgegeben ist – das habe ich heute schon mehrmals erwähnt –, dass im Juni dieses Jahres die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zum Finanzausgleich abgeschlossen sein müssen.


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Ich sage Ihnen aber auch gerne vorab eine der Zielsetzungen, die wir gemeinsam haben, die in Österreich lange, lange diskutiert wurde, aber immer am Widerstand der Sozialdemokratie gescheitert ist, nämlich zum Beispiel die Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung, die im Zuge des Finanzausgleichpaketes beschlossen werden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Großruck, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Sowohl für die Österreichische Volkspartei als auch – davon bin ich überzeugt – für die Freiheitliche Partei gilt das politische Credo: so wenig Bürokratie und Zentralismus wie notwendig und so viel Dezentralisierung und Föderalismus wie möglich. (Rufe bei der SPÖ: Frage! Frage!)

Meine Frage lautet: Welche Maßnahmen werden Sie konkret setzen, um gerade für die Menschen, die auf dem Lande leben, also im ländlichen Raum, den Zugang zu Verwaltungseinheiten, Bezirksgerichten, Bezirkshauptmannschaften, Gendarmerieposten und so weiter zu verbessern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sie haben vollkommen Recht, Herr Abgeordneter: Zentrales Anliegen muss es sein, dem Bürger den direkten und unmittelbaren Zugang zur Verwaltung zu ermöglichen – zum einen physisch, das heißt, indem er eine Anlaufstelle in seiner Nähe hat, wie ich das zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bezirkshauptmannschaft gesagt habe, wo eine zentrale Drehscheibe der Erledigung von Bürgeranliegen entstehen soll; zum Zweiten aber auch natürlich über das Netz, über die EDV, über die Möglichkeiten der modernen Technologie.

Der Internet-Zugang ist einer der entscheidenden Punkte. Österreich hat im internationalen Vergleich ein Modell, das geradezu vorbildlich ist, und zwar "help.gv", den Amtswegweiser, mithilfe dessen man in einem ersten Schritt schon Anträge stellen kann und die Erledigung in einem zweiten Schritt zurückbekommen soll. Das ist für jene Bürger, die einen Internet-Anschluss haben, ein wesentlicher Fortschritt.

Das soll aber nicht bedeuten, dass all jene, die zu Hause kein Internet haben, von dieser modernen Technologie ausgeschlossen sind, sondern wir haben gerade in den letzten Wochen gemeinsam mit den österreichischen Trafiken das so genannte Trafik-net gegründet, das es dem Bürger ermöglicht, sich zum Beispiel direkt in einer Trafik ein Formular aus dem Netz ausdrucken zu lassen und nicht mehr zum Amt gehen und sich lange anstellen zu müssen, um diese Dinge zu bekommen. Auch dadurch ist eine entsprechende Effizienz und Vereinfachung für den Bürger eingetreten.

Der Ausbau dieses Netzes, des direkten Bürgerzuganges im Bereich der Informationstechnologie, der neuen Technologien, wird ganz entscheidend sein, um die Abwicklung von Verfahren auch entsprechend schnell gewährleisten zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Gibt es dazu den Wunsch nach einer Zusatzfrage in der freiheitli-chen Fraktion? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Welchen Stellenwert in der Verwaltungsreform hat generell die Verbesserung der Bürgernähe für Sie?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Bürgernähe muss die oberste Zielsetzung jeder Verwaltungsreform sein, weil ich glaube, dass wir heute in einer Situation leben, in der Verwaltungsabläufe, Gesetzgebungsprozesse für den Bürger so kompliziert und undurchschaubar geworden sind, dass die demokratische Mit


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wirkungsmöglichkeit des Bürgers dadurch entsprechend eingeschränkt wird. Ich denke, wir müssen uns dazu bekennen, dass Bürgernähe oberste Priorität haben muss.

Das gilt – das sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit – nicht nur für die nationalstaatliche Ebene, sondern das gilt für mich vor allem auch für die europäische Ebene. Im Vertrag von Maastricht ist zwar das Wort "Subsidiarität" verankert, aber bis heute nicht mit Leben erfüllt. Das Europa der Regionen ist aus der Diskussion weitestgehend verschwunden.

Wir müssen dazu zurückkehren, dass wir sagen: Bürgeranliegen sind möglichst nahe am Bürger zu erledigen und dadurch auch möglichst schnell und möglichst einfach zu erledigen. Das heißt auch, dass es für die Verwaltung Leistungsziele geben muss, die auch erfüllt werden müssen, wie zum Beispiel bei Modellen, die in anderen Staaten schon sehr erfolgreich umgesetzt sind, die besagen, dass bestimmte Anträge innerhalb einer gewissen Frist erledigt werden müssen; ansonsten, wenn keine Entscheidung der Behörde erfolgt, gelten diese Anliegen als genehmigt, zum Beispiel im Anlagen-Genehmigungsrecht.

Das sind Maßnahmen, die eine Verwaltung entsprechend vereinfachen und dem Bürger auch die Gewissheit geben, dass er nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten muss, bis es eine Entscheidung in seiner Sache gibt. Das ist das primäre Anliegen jeder Verwaltungsreform. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Ich hoffe doch sehr, dass es nicht nur auf die Beschleunigung und die Nähe in Bezug auf den Bürger, sondern auch auf die Bürgerin ankommt. In diesem Zusammenhang die konkrete Frage:

Sie haben gerade das Umweltanlagenrecht beziehungsweise das Anlagenrecht angesprochen. Wie stehen Sie im Rahmen einer Neuordnung der Kompetenzen zu einem einheitlichen Umweltanlagenrecht mit stärkeren BürgerInnen-Rechten und zu einem einheitlichen Bundestierschutzgesetz? (Abg. Haigermoser: Wieso nur für die Bürgerinnen?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich habe Ihnen vorhin schon gesagt – ich halte das eigentlich auch für einen zentralen Punkt der Verwaltungsreform –, dass wir auf der obersten Ebene, nämlich auf der Ebene der Gesetzgebung, anfangen müssen. Wir haben viel zu viele und viel zu komplizierte Gesetze in diesem Land – das gilt auch für die von Ihnen angesprochenen Bereiche –, und selbstverständlich muss es oberste Priorität in diesem Bereich sein, zu einer Vereinfachung der gesetzlichen Bestimmungen und damit zu einer besseren Umsetzung zu finden.

Die Reform des Anlagenrechts ist, wie Sie wissen, im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit derzeit gerade in Vorbereitung. Das Ergebnis wird dann diesem Hause zugeleitet werden. Über die Details dieser Regelung bitte ich Sie, den Herrn Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft zu befragen.

Was die von Ihnen angesprochenen Tierschutzregelungen betrifft, so glaube ich, dass wir alle gemeinsam ein Interesse daran haben müssen, den Tierschutz bestmöglich zu gewährleisten, und zwar nicht nur auf österreichischer gesetzlicher Ebene, sondern vor allem auch auf europäischer Ebene. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gerade die dramatischen Entwicklungen der letzten Wochen in Europa – BSE, Maul- und Klauenseuche – zeigen, dass der Weg, den man gegangen ist, der Weg der gemeinsamen Agrarpolitik in Richtung Förderung von Massentierhaltung und von Tiertransporten absolut verfehlt war und dass wir einen dramatischen Korrekturbedarf haben – nicht nur im Interesse des Tierschutzes, sondern vor allem auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Europa und der Sicherheit der Produktion von Lebensmitteln. Das wird ein ganz zentrales Anliegen Österreichs auf europäischer Ebene sein müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 6. Frage formuliert Herr Abgeordneter Lexer. – Bitte.


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Abgeordneter Reinhold Lexer
(ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

76/M

Wie unterstützen Sie die Bewerbung des Österreichischen Fußballbundes für die Austragung der Europameisterschaft 2008?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe mit dem Präsidenten des Österreichischen Fußballbundes seit dem vergangenen Jahr Gespräche über eine mögliche neue Bewerbung Österreichs um die Fußball-Europameisterschaft geführt. Ich habe bei meinem Besuch in der Schweiz vor einigen Wochen auch mit dem dort zuständigen Minister für Landesverteidigung und Sport, Samuel Schmid, Gespräche über eine gemeinsame Bewerbung Österreichs mit der Schweiz um diese Fußball-Europameisterschaft geführt. Diese Verhandlungen sind sehr konstruktiv und positiv verlaufen.

Der Österreichische Fußballbund ist jetzt mit dem Schweizer Nationalverband für Fußball in Gesprächen, um konkrete Projektunterlagen vorzubereiten. Die Bundesregierung hat dieses Projekt, diese Bewerbung im Ministerrat unterstützt. Sobald die konkreten Projektierungen vorliegen, werden wir auch die Beteiligung, die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für dieses Projekt zu beraten haben.

Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich Österreich als Veranstaltungsort von Sportgroßveranstaltungen in der Vergangenheit außerordentlich bewährt hat und dass solche Ereignisse immer wichtige Impulse für den Sport in Österreich sind, besonders auch für den Nachwuchs. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Frau Sportministerin! Sie haben soeben auf die Frage meines Kollegen Lexer pauschal auf die Fußball-Europameisterschaft Bezug genommen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! Frage!) Den Medien konnte man entnehmen, dass es vier Standorte in Österreich geben soll, in denen diese Bewerbe dann, wenn die Zuteilung erfolgt, ausgetragen werden sollen. Ich gehe davon aus, dass Sie auch wissen, dass es in Kärnten zwei Großprojekte gibt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! Frage! Frage!) Ich darf daher an Sie die Frage richten: In welchem finanziellen Umfang wird die Bundesregierung diese beiden Kärntner Großprojekte unterstützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Diese beiden Kärntner Projekte stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage der Bewerbung um die Fußball-Europameisterschaft. Wir haben für die Fußball-Europameisterschaft je nach Pflichtenheft, das die UEFA erstellen wird, Veranstaltungsorte, Stadien zur Verfügung zu stellen. Mir liegt in meinem Ministerium einzig und allein ein Antrag oder ein Projekt aus Kärnten vor, das die Renovierung und Adaptierung des Fußballstadions in Klagenfurt betrifft. Dabei bedarf es noch einer Konkretisierung der Projektunterlagen der Betreiber betreffend die Nachnutzung dieses Stadions und der Konkretisierung der Berechnungen der in Aussicht genommenen Baumaßnahmen. Sobald mir diese konkreten Unterlagen vorliegen, werden wir das Förderungsansuchen aus Kärnten prüfen und dann auch eine entsprechende Entscheidung treffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Lexer hat das Recht auf eine Zusatzfrage, und er wünscht, sie auch zu stellen. – Bitte.

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Sie deckt sich in etwa mit der Frage des Kollegen Leikam, ich möchte dies aber gesamt-österreichisch sehen und Sie fragen:

Wo sind denn die Stadien, die für die EM 2008 erforderlich sind, überhaupt sinnvoll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Wir haben mit dem Wiener Ernst-Happel-Stadion ein Großstadion, das zum Beispiel für die Austragung von Eröffnungs- und Endspielen geradezu idealtypisch geeignet ist – mit Adaptierungen, die selbstverständlich stattfinden müssen, die aber auch ohne Fußball-Europameisterschaft stattfinden müssten; es gibt gewisse Neuerungen, die im Ernst-Happel-Stadion notwendig sind.

Wir haben im vergangenen Jahr in Innsbruck, in Tirol, ein neues Stadion eröffnet, das relativ ohne große finanzielle Aufwendungen von derzeit 18 000 oder 19 000 Zuschauerplätzen auf die notwendigen 30 000 erweiterbar ist.

In Salzburg ist ein Stadion in Planung, für das der Bund bereits eine Förderung zugesagt hat. Dieses Stadion kann in der Planung entsprechend adaptiert werden.

Wir brauchen einen vierten Austragungsstandort, über den man sich noch Gedanken machen müssen wird. Es gibt, wie gesagt, das Projekt des Stadions Klagenfurt und der Adaptierung beziehungsweise ein Projekt in Kärnten, das sicher dafür in Frage kommt und das man auch in die Diskussion mit einbeziehen muss.

Das Stadion Graz-Liebenau ist leider in dieser Form baulich nicht erweiterbar, wie man das in Innsbruck von Anfang an vorgesehen hatte, daher ist sozusagen der Ausbau dieses Stadions auf die notwendigen 30 000 Plätze aus technischen Gründen nicht möglich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Unmittelbar daran anschließend möchte ich fragen: Wie wollen Sie garantieren, dass es zu diesem akkordierten Stadionausbaukonzept kommt?

Bis jetzt – Sie haben das Beispiel Graz erwähnt – konnte man durchaus einen gegenteiligen Eindruck gewinnen. Stadien werden eröffnet und würden eigentlich nahtlos in die nächste Baustelle übergeführt werden. Ich bin da nicht so zuversichtlich, auch was Innsbruck betrifft, weil die Erweiterung auf 30 000 doch ein großer Sprung ist. Ich frage mich und frage Sie, warum nicht längerfristig planvoll vorgegangen wird und wie viel das den Bund am Schluss kosten wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Was die Planungsfragen der von Ihnen genannten Projekte betrifft, müssen Sie diese Frage an meinen Vorgänger Peter Wittmann stellen, der die Zuständigkeit in diesem Bereich hatte. Mir wäre auch lieber gewesen, man hätte das Stadion Graz-Liebenau gleich so geplant – so war es auch ursprünglich vorgesehen –, dass es erweiterbar ist. Sie können sich darauf verlassen, dass bei den Projekten, die mit mir geplant werden, die ich fördere und bei denen ich die Entscheidung zu treffen habe, wie zum Beispiel beim Stadion Salzburg, dafür Sorge getragen ist, dass sowohl bauliche Erweiterungen als auch Nachnutzungen möglich sein werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Vizekanzlerin! Die Bewerbung um die Olympiade "Senza Confini" ist auf Grund der Unentschlossenheit und parteipolitischer Spiel


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chen Ihrer Vorgänger leider daneben gegangen. Welche weiteren Sportgroßveranstaltungen, außer der EM 2008, sind aus Ihrer Sicht geplant und vorgesehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es gibt eine Reihe von Sportgroßveranstaltungen, die in Österreich in den nächsten Jahren stattfinden werden. Wenn ich exemplarisch einige nennen darf, dann sind das zum Beispiel die Hallen-Leichtathletik-Europameisterschaft 2002 in Wien, die Mountainbike-Weltmeisterschaft in Kaprun/Zell am See – da füge ich hinzu, dass wir für diese Region einen besonderen Unterstützungsbedarf haben, um dieses Projekt zu unterstützen –, die Snowboard-Weltmeisterschaft 2003 in Kreischberg/Murau sowie die Biathlon-Weltmeisterschaft 2005 in Hochfilzen, und im Sommer dieses Jahres wird in Kärnten die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft stattfinden.

Sie sehen also, dass sich Österreich als Austragungsort von Sportveranstaltungen in vielfacher Hinsicht bewährt und, was mich besonders freut, sich zunehmend auch im Sommersport als Veranstaltungsort für internationale Veranstaltungen präsentieren kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir dieses Thema abgehandelt, und wir kommen jetzt zur 7. Frage. Frau Abgeordnete Dr. Petrovic wird ihre Frage vortragen. – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

78/M

Werden Sie eine Reform des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes vorschlagen, um dieses einerseits EU-konform auszugestalten, andererseits eine effektive Frauenförderung im öffentlichen Dienst zu garantieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sie wissen, sehr geehrte Frau Abgeordnete, dass der Oberste Gerichtshof vor kurzem eine Entscheidung getroffen hat, die feststellt, dass das Gleichbehandlungsgesetz in der derzeitigen Form nicht in allen Punkten den EU-Richtlinien entspricht, sodass wir diesbezüglich einen Anpassungsbedarf haben.

Mein Ressort ist schon mit den entsprechenden Vorbereitungsarbeiten befasst, um diese Vorgaben umzusetzen und auch dafür Sorge zu tragen, dass die Förderungsrichtlinien, die Förderpläne im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht gefährdet und eingeschränkt werden. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Die Weiterentwicklung des Gleichbehandlungsrechts ist eine Sache, daneben müssen aber meiner Einschätzung nach bewusstseinsbildende Maßnahmen erfolgen. Es gibt hervorragende, europaweit standardisierte Programme wie Managing Equality und Total Equality, die auch von öffentlichen Stellen in Österreich, wie etwa dem Magistrat Salzburg, schon angewendet worden sind.

Wieso hat nicht ein einziges Ressort auf Bundesebene, auch nicht das Ihrige, ein derartiges bewusstseinsbildendes Programm in Sachen Gleichstellung bereits eingeführt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Wenn Sie mein Ressort ansprechen, Frau Abgeordnete, was Bewusstseinsbildung betrifft,


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so glaube ich, es kommt die Bewusstseinsbildung gerade in meinem Bereich besonders dadurch zum Ausdruck, dass die Beschäftigungsquote von Männern und Frauen bei den Mitarbeitern meines Ressorts genau gleich hoch ist. Das heißt, ich habe einen 50-prozentigen Anteil von Frauen in meinem Ressortbereich beschäftigt. (Abg. Dr. Petrovic: Hierarchisch! Hierarchisch!) Ich glaube, dass das auch im öffentlichen Dienst ein besonders vorbildlicher Zustand ist, was die Bewusstseinsbildung bezüglich Frauenbeschäftigung im öffentlichen Dienst betrifft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Prammer, bitte.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Sie haben mit dem Erstentwurf des Objektivierungsgesetzes geplant, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz über weite Strecken zu eliminieren. Der zweite Entwurf liegt vor, aber er ist nicht viel besser. Wie können Sie garantieren, dass es noch irgendwelche Konsequenzen hat, wenn jemand im Rahmen des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes die Bundes-Gleichbehandlungskommission anruft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Abgeordnete! Diese Information ist falsch. Sie wissen, dass die Bestimmungen des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes durch das Objektivierungsgesetz nicht berührt werden und dass das auch ausdrücklich so im Gesetz festgehalten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Na, was ist jetzt?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Zierler, bitte.

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Ich hätte noch gerne gewusst, wie hoch genau der Anteil der weiblichen Beschäftigten in Ihrem Ressort ist, und ob sich vor allen Dingen innerhalb des letzten Jahres etwas verändert hat. Wohin geht die Tendenz?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: In meinem Ministerium waren zum Stichtag 1. Feber 2001 insgesamt 213 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, davon sind 123 Bedienstete weiblich. Das heißt, Frau Kollegin Petrovic, ich korrigiere meine Antwort von vorhin: Die Frauenquote in meinem Ressort beträgt nicht 50, sondern 60 Prozent, wie ich sehe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Auf welchen hierarchischen Ebenen?)

Das heißt, es gibt 60 Prozent Frauenquote in meinem Bereich, und es ist mir besonders wichtig, hinzuzufügen, dass 40 Prozent der Leitungsfunktionen in meinem Ressort mit Frauen besetzt sind. Das ist auch ein entscheidender Punkt, weil es nicht nur darum geht, diese Frage quantitativ, sondern auch qualitativ im Sinne der Besetzung von Leitungsfunktionen sicherzustellen. Unsere Zielsetzung muss es sein, das auch für den gesamten restlichen öffentlichen Dienst umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Brinek, bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Vizekanzlerin! Können Sie sich auch Maßnahmen für die künftigen Bereiche – etwa des neuen Hochschullehrer-Dienstrechtsgesetzes – zur Hebung und zur Sicherung der Frauenförderungsmaßnahmen vorstellen? Welche weiteren Maßnahmen könnte es vielleicht noch geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Selbstverständlich ist das auch im Rahmen des Hochschullehrer-Dienstrechtes ein wichtiges Thema. Wir, Frau Bundesministerin Gehrer und ich, werden heute Nachmittag gemeinsam


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Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Unilehrer-Dienstrecht zu führen haben, und dieser Punkt wird auch dort ein Gegenstand dieser Verhandlungen sein, denen ich aus verständlichen Gründen und auch aufgrund der emotionalen Stimmung, die hier herrscht, nicht gerne vorgreifen möchte.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. Damit erkläre ich die Fragestunde für beendet. Ich danke der Frau Vizekanzlerin. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich nach § 23 Abs. 4 GOG auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 1797/AB und 1798/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Auslandseinsatzgesetz 2001 – AuslEG 2001 (535 der Beilagen),

Auslandseinsatzanpassungsgesetz – AuslEAG (536 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 412/A der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger, Dr. Erwin Rasinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden;

Verfassungsausschuss:

Objektivierungsgesetz (532 der Beilagen),

Bundesgesetz über den unabhängigen Dienstrechts- und Objektivierungskontrollsenat (UDOS-G) (533 der Beilagen),

Objektivierungs-Begleitgesetz umfassend: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird; Bundesverfassungsgesetz, mit dem Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen aufgehoben und geändert werden; Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert werden (534 der Beilagen);

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen erlassen wird und das Telekommunikationsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden (483 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Dazu hat sich, wie mir berichtet wird, Herr Professor Van der Bellen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.59

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sie haben den Antrag 412/A heute dem Ausschuss zugewiesen. Es handelt sich dabei um die Reparatur der Ambulanzgebühren, und dazu muss ich schon drei Dinge festhalten.

In der Begründung dieses Antrags seitens der Antragsteller von ÖVP und FPÖ wird ausdrücklich Bezug genommen auf ein Verfassungsgerichtshofurteil, das am 20. März bekannt gegeben worden sei. – Das ist unwahr! Dieses Verfassungsgerichtshofurteil liegt meines Wissens bis heute nicht vor, es ist nicht kundgemacht worden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das Einzige, was bekannt ist, ist, dass in einer Pressekonferenz der Präsident des Verfassungsgerichtshofs etwas gesagt hat. Aber das ist für den Ausschuss ja keine juristische Basis dafür, jetzt zu entscheiden, was hier zu tun ist oder nicht zu tun ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens: Dem Vernehmen nach soll dieser Antrag bezüglich der Ambulanzgebühren bereits am Montag im Plenum behandelt werden. – Ich finde das unerhört! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Noch vor Vorliegen des Verfassungsgerichtshofurteils soll in einem neuen Husch-Pfusch-Verfahren das Ambulanzgebühren-Urteil, das uns nicht einmal bekannt ist, sozusagen vorbeugend korrigiert und beschlossen werden.

Es wird im Übrigen im Ausschuss keine Zeit sein, das zu behandeln. Ich bin nicht Mitglied des Sozialausschusses, aber namens meiner Fraktion protestiere ich ausdrücklich gegen eine solche Vorgangsweise, die es unmöglich macht, diesen Antrag zu behandeln.

Drittens lese ich heute in der APA, Vizekanzlerin Riess-Passer will das Tempo in der Regierung reduzieren, Tempo sei nicht unbedingt die oberste Maxime. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Debattenbeitrag, Herr Präsident! – Abg. Böhacker: Das ist ein Debattenbeitrag!)

Die Frau Vizekanzlerin war vorhin gerade noch da; schade, dass sie im Moment nicht da ist. (Ruf: Schnell weg! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Dennoch meine Frage: Was ist das jetzt? – Das ist doch das Gegenteil von dem, was die Frau Vizekanzlerin gerade gesagt hat. (Beifall bei den Grünen.)

10.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme an, dass sich die zwei weiteren Wortmeldungen, die mir vorliegen – von Dr. Kostelka und Dr. Khol, und jetzt sehe ich gerade eine dritte zum gleichen Gegenstand –, auf geschäftsordnungsmäßig relevante Fragen konzentrieren; ich bitte darum. – Herr Abgeordneter Dr. Kostelka, bitte.

10.02

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Die Geschäftsordnungsrelevanz besteht darin, dass Sie soeben einen Antrag, nämlich den Antrag auf Reparatur der Ambulanzgebühren, dem Sozialausschuss zugewiesen haben.

Einer staunenden Fernsehöffentlichkeit hat die Frau Vizekanzlerin gestern folgenden Satz gesagt: Wichtig sei es, dass gesetzliche Neuregelungen gut vorbereitet werden. (Rufe bei den Freiheitlichen: Genau!)  – Sie hat in diesem Zusammenhang offensichtlich nach dem Motto "Speed kills" das Motto "Slow down" ausgegeben. (Abg. Großruck: Das hier ist ein "Show-down"!) Unter diesen Voraussetzungen soll nun von der Mehrheit dieses Hauses offensichtlich ein Gesetz durchgepeitscht werden, das nicht begutachtet wurde, in dem es auch keine Möglichkeit zu einer Ausschussbegutachtung und kein Hearing gibt. Außerdem bestehen für den Ausschuss höchstens zwischen 8 Uhr und 9 Uhr früh oder spät nachts Beratungsmöglichkeiten.


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Herr Präsident! Ich ersuche Sie daher, dafür zu sorgen, dass im Hinblick auf die Erfahrungen, die wir mit dieser Vorlage bereits gemacht haben, sichergestellt wird, dass eine ordnungsgemäße Beratung möglich ist. Wir haben allein acht verfassungsrechtliche Problematiken bei dieser neuerlich vorgelegten Vorlage festgestellt. Das ist eine reine Panikreaktion (ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol ), und das Hohe Haus sollte sich bewusst sein, dass Reparaturen auch tatsächlich ernst zu nehmen sind – auch aus Achtung vor dem Verfassungsgerichtshof.

Herr Kollege Khol hat stets Wert darauf gelegt, dass der Spruch des Verfassungsgerichtshofes respektiert wird. Das, was er jetzt tut, ist, in einer Angst- und Panikreaktion eine Reparatur vorzunehmen, bevor er überhaupt noch weiß, was der Verfassungsgerichtshof gesagt hat.

Ich ersuche daher dringend, in einer Präsidiale zu klären, wie eine ordnungsgemäße Gesetzgebung im Sinne der Worte der Frau Vizekanzlerin sichergestellt werden kann. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann Dr. Khol, bitte.

10.04

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof hat am 20. März 2001, fünf Tage vor der Wiener Wahl, in einer offiziellen Pressekonferenz des Präsidenten und des Vizepräsidenten mitgeteilt (Abg. Dr. Kostelka: Das ist keine Kundmachung!), dass die Ambulanzgebühren aufgehoben werden, weil sie nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurden, also aufgrund eines rein formalen Mangels. (Abg. Dr. Mertel: Eine Pressekonferenz ersetzt jetzt Erkenntnisse!)

Wir haben in unserer Fraktion keinen Grund, daran zu zweifeln, dass das, was der Präsident des Verfassungsgerichtshofs und der Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs offiziell der Öffentlichkeit mitteilen, richtig ist.

Herr Van der Bellen! Wenn diese Mitteilung des Verfassungsgerichtshofs, die auf einer Indiskretion beruht – denn ein Urteil liegt bis heute noch nicht vor (Abg. Dr. Kostelka: Sie sagen es! – weitere Zwischenrufe)  –, ausreichte, um uns in der Wahlwerbung vor der Wiener Wahl diesbezüglich Versäumnisse vorzuwerfen, dann muss diese Mitteilung auch ausreichen, um dieses Versäumnis, nämlich die ordnungsgemäße Kundmachung, zu reparieren.

Wir werden uns von Ihnen in unseren Reformen zum Wohle der Versicherten nicht behindern lassen! (Lebhafter Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Herr Klubobmann Westenthaler. – Bitte.

10.06

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Wir lassen uns nicht bremsen! Jawohl! Auch nicht vom Verfassungsgerichtshof!) Was uns heute von der Opposition an Show geboten wird, ist ja schon ein gerüttelt Maß an Doppelbödigkeit. Die Opposition und vor allem Herr Professor Van der Bellen, aber auch Herr Klubobmann Kostelka haben sich vor dem Wahlsonntag nahezu täglich darüber empört und aufgeregt und sich auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes bezogen. Und heute stellt sich Herr Van der Bellen her und sagt, er kennt das eigentlich noch gar nicht. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich frage Sie, wie Sie die Österreicherinnen und Österreicher verkaufen. Ich hoffe, nicht für dumm, Herr Kollege Van der Bellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was mich aber noch mehr empört, ist, dass wir hier einen Universitätsprofessor im Hause haben, Herrn Professor Van der Bellen, der es nicht zustande bringt, ein Gesetz, das zweieinhalb Seiten hat – ich wiederhole: zweieinhalb Seiten!  –, von heute, Mittwoch, bis nächsten Montag, also in sechs Tagen, zu lesen, zu beurteilen und zu studieren. Ich frage mich, Herr Professor,


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wie Sie das auf der Uni gemacht haben mit Ihren Unterlagen. Wenn Sie das nicht einmal hier im Hause zustande bringen, dann ist das schon ein wirklich unglaubliches Stück. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schieder: Unerhört!) In Wirklichkeit erleben wir hier eine künstliche Empörung.

Und wenn Herr Kollege Kostelka eine Präsidialsitzung verlangt, dann muss ich auch ihm auf die Sprünge helfen und ihn daran erinnern, dass erst gestern eine solche stattfand, Herr Kollege Kostelka, wo wir genau diese Problematik erörtert haben. Sie kennen die Vorgangsweise genau, kommen aber 24 Stunden nach der Präsidiale darauf: Eigentlich möchte ich es gern anders haben!, und ziehen heute hier eine öffentliche Show ab. Ich muss schon sagen, meine Damen und Herren von der Opposition: Ein seltsames Schauspiel! Ich hoffe, dass die Medien das auch entsprechend transportieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich sachliche oder politische Aspekte einerseits von den geschäftsordnungsmäßigen andererseits strikt trennen möchte.

Ich äußere mich nicht zu der Frage, ob man sich bei der Formulierung eines Initiativantrages auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs stützt oder schon eine Pressekonferenz als ausreichende Grundlage betrachtet. (Abg. Dr. Mertel: Der Herr "Verfassungsbogen"-Professor schon!) Das zu beurteilen, ist nicht meine Sache.

Meine Sache ist es, zu sagen: Es liegt ein Initiativantrag vor. Er ist eingebracht und ordnungsgemäß unterschrieben. Es ist nach § 69 Abs. 7 der Geschäftsordnung meine Pflicht, ihn einem Ausschuss zuzuweisen, und zwar zu einem Zeitpunkt, der der Geschäftsordnung entnommen werden kann.

Das habe ich getan. Die weiteren Schritte, wenn solche gesetzt werden, werden jeweils noch Gelegenheit zu Debatten bieten. Also: Entweder kommt es zu einer Beratung im Ausschuss – dann kann man diese Fragen im Ausschuss beraten –, oder es käme theoretisch, was ich nicht weiß, zu einem Fristsetzungsantrag, dann wird es darüber eine Debatte geben.

Vorläufig sind keine darüber hinaus gehenden Anträge gestellt, außer dem Antrag, diesen Initiativantrag zur Vorberatung zuzuweisen. Das habe ich getan. Die politische Erörterung ist selbstverständlich allen Fraktionen unbenommen, also verteidigende und kritische Äußerungen. Aber an der Notwendigkeit, den Antrag zuzuweisen, kann kein Zweifel bestehen. Ich habe gar keine andere Möglichkeit, als die Zuweisung vorzunehmen, und zwar nach dem sachlichen Inhalt des Antrags dem dafür in Frage kommenden Ausschuss.

Das ist bitte der Sachverhalt aus jetziger Sicht, Mittwoch, 10.09 Uhr. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Kostelka –: Abgeblitzt! – Abg. Dr. Kostelka: Husch-Pfusch! Panik!)

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Mag. Kuntzl und Genossen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 2222/J an den Bundesminister für Justiz betreffend FP-Spitzelaffäre dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 2 bis 4, 7 bis 9, 10 und 11, 12 bis 14 sowie 16 und 17 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.


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Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde in der Präsidialkonferenz Konsens über folgende Vorgangsweise erzielt: Es wurde eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 sowie Grüne 104 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Gibt es Einwendungen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den 16. Sportbericht (III-71 der Beilagen) 1999 der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport (453 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor.

Damit gehe ich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

10.12

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Wir haben im Ausschuss schon darüber gesprochen, dass der Sportbericht 1999 zu diesem Zeitpunkt etwas spät behandelt wird. Dafür können Sie natürlich nichts. Sie haben auch zugesagt, dass die nächsten Sportberichte früher vorliegen werden. Das wäre durchaus sinnvoll, denn jetzt wirklich ernsthaft über diesen Bericht 1999 zu diskutieren, ist schwierig. Es ist doch etwas weit zurückliegend.

Ein paar Dinge möchte ich dennoch sagen. Grundsätzlich finde ich diesen Sportbericht durchaus ausführlich. Er ist für den österreichischen Sport ein Nachschlagewerk, das man so akzeptieren kann.

Es gibt allerdings ein paar Punkte, die ich kurz anführen darf, und zwar auch als Begründung dafür, dass wir diesem Sportbericht nicht zustimmen werden.

Der zentrale Punkt ist – und das habe ich in den letzten Budgetdebatten immer wieder ausgeführt –, dass ein sehr großer Budgetanteil – er heißt "Besondere Sportförderung" und macht etwa die Hälfte des gesamten Budgets für den Sport aus – bis auf den Teil der BSO, der mittlerweile zumindest in Pauschalsummen aufgeschlüsselt ist, einfach nicht vorkommt. Für eine Größenordnung von mittlerweile fast 500 Millionen Schilling gibt es also keine Berichterstattung. Frau Vizekanzlerin, Sie haben zugesagt, das zu ändern; ich weiß es. Wir werden sehen, ob es im nächsten Sportbericht drinnen ist, und wir werden uns dann überlegen, ob wir diesem Bericht zustimmen oder nicht. Solange aber die Hälfte des Budgets auf 200 Seiten nicht vorkommt, ist es aus unserer Sicht unmöglich, diesem Bericht zuzustimmen.

Ein weiterer Punkt, der auffällig ist, ist, dass im Gegensatz dazu, wie Behindertensport sonst betrachtet und dargestellt wird, der Behindertensport eigentlich nur ein sehr dürres Kapitel in diesem Sportbericht 1999 ausmacht. Daher vielleicht auch als Anregung für die weiteren Sportbe


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richte, für die Sie dann hauptverantwortlich sein werden – dieser ist ja eigentlich nur von Ihnen unterschrieben worden –, dass dem Behindertensport doch auch im Bericht ernsthaft Rechnung getragen wird. Es sollte nicht nur eine allgemeine Auflistung über den Behindertensport darin enthalten sein. – Soviel zum Sportbericht.

Was im letzten Jahr aufgefallen ist: Es gab einmal die Ankündigung der FPÖ: Parteipolitik hinaus aus dem Sport! Parteipolitik im Sport wollten Sie nicht haben. (Abg. Schwemlein: Bei jedem Fussball-Match ist der Westenthaler in der ersten Reihe!)  – Aber bei den Schiweltmeisterschaften in St. Anton musste ich feststellen, dass es bisher wahrscheinlich kein Sportereignis in Österreich gegeben hat, bei dem so viele Regierungsmitglieder auf einmal aufgetreten sind. Es hätte wahrscheinlich für Ministerratssitzungen gereicht. Bei jeder Einschaltung, bei jeder Aufnahme aus dem Zielraum sind mindestens drei bis fünf Regierungsmitglieder per Bild transportiert worden.

Das ist sicherlich erlaubt, nur ging die Kritik, die vorher von Ihnen kam, eigentlich genau in die andere Richtung. Versuchen wir, diese Kritik noch einmal genau zu analysieren. Sie sagten damals, Sport werde immer dafür benutzt, um politisches Kalkül daraus zu ziehen, um politischen Erfolg daraus zu ziehen, bis hin auf die Gemeindeebene. Es hieß, jeder Bürgermeister sei froh, wenn er dann bei den Vereinssitzungen darauf hinweisen könne, wenn er auf den Fotos drauf sei und damit in die Regionalzeitungen komme. Das war ja altbekannt.

Und jetzt frage ich Sie: Ist es etwas anderes, wenn auf einmal die Regierungsmitglieder in St. Anton reihenweise aufscheinen? – Das ist doch genau die Fortsetzung dieser Politik, die Sie jahrelang kritisiert haben! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ja letztlich auch medial bewusst gemacht geworden, dass da – der Herr Bundeskanzler hat es ja ausgenützt mit diversen Schiausflügen mit Herrn Putin und so weiter – genau die Politik fortgesetzt wird, die Sie kritisiert haben, und das halte ich für nicht zielführend.

Die Frage des Kollegen Ortlieb zum Doping ist vorher nicht mehr zum Aufruf gelangt, aber ich denke, auch da gibt es einen Zusammenhang. Wenn man es realistisch zu betrachten versucht, dann wird man erstens sehen, dass im Bereich des Dopings gerade dort, wo solche Fälle auftauchen – ich erinnere jetzt nur an den Fall der Nordischen Schi-Nationalmannschaft aus Finnland, die im Prinzip zur Gänze gedopt war, oder an die Skandale bei der Tour de France –, im Nachhinein gesagt wird: Eigentlich haben wir das schon seit Jahren gemacht. Das war gang und gäbe, und diesmal ist es eben durch irgendwelche Pannen so weit gekommen, dass es auch nachweisbar war.

Wenn man die Frage Doping ernsthaft betrachtet, dann kommt man darauf, das dieses Problem schon auch im Zusammenhang mit der Medienlandschaft zu sehen ist und damit, wie Sport gefördert wird und wie die Gewichtung aussieht. Jemand, der unter den ersten drei ist, kann davon leben, jemand, der nicht darunter ist, kann normalerweise in vielen Sportarten nicht mehr davon leben. Das heißt, wenn Sie ernsthaft gegen Doping vorgehen wollen, dann wird man wahrscheinlich auch ein öffentliches Bekenntnis brauchen, dass es nicht nur um Spitzensport geht und dass Vorbilder nicht nur diejenigen sind, die ganz vorne stehen. Man muss einfach in der Wahrnehmung etwas ändern und klarmachen, dass Sport einfach als das zu betrachten ist, was er im Wesentlichen ja auch ist, nämlich als sinnvoller körperlicher Ausgleich. Daher sollten auch Vorbilder nicht nur im Spitzensport angesiedelt sein.

Ich glaube, dass jeder, der mit Sport zu tun hat, weiß, was sich im Bereich des Dopings abspielt, und dass es fast unmöglich ist, ohne Doping an die Weltspitze zu kommen. Diesbezüglich fehlt mir auch von Ihnen eine differenzierende Stellungnahme. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir für wirklich wesentlich halten würden ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Kollege Schweitzer kritisiert immer und sagt: Macht einmal Vorschläge! Im Plenum, bei 7 Minuten Redezeit, ist das schwierig. (Abg. Mag. Schweitzer: Reden wir darüber!) Man könnte ja außerhalb des Plenums oder in den Ausschüssen einmal ernsthafter diskutieren.


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Was im Bereich des Sportes wirklich notwendig wäre, wäre gerade im Breitensport eine Öffnung der Sportanlagen in Österreich soweit als möglich. (Abg. Mag. Schweitzer: In Kärnten ist schon alles offen!) In Einzelbereichen geschieht das bereits, mit nach wie vor großen Schwierigkeiten. (Abg. Mag. Schweitzer: In Kärnten ist schon alles offen!) Bei den Schulen ist es nach wie vor schwierig, bei den Sportplätzen ist es extrem schwierig. (Abg. Mag. Schweitzer: In Kärnten ist schon alles offen!)

Es geht auch gar nicht um Sportanlagen selbst, sondern um die Nutzung öffentlicher Plätze. Jugendliche geraten nach wie vor unter Druck, wenn sie öffentliche Räume nützen. – Übrigens gibt es interessante Studien, die zeigen, dass gerade weibliche Jugendliche diesbezüglich extrem benachteiligt sind und noch viel weniger Zugang haben.

Unser Anliegen wäre also, davon abzugehen, nur den Spitzensport als ganz wesentliches Projekt zu sehen, und dazu überzugehen, Sport auch im Sinne von Freiräumen für eine sinnvolle Form von Freizeitbeschäftigung viel stärker ins Blickfeld zu rücken und darauf auch die Förderungen zu konzentrieren. Man muss erkennen, dass Sport für viele ein interessantes Hobby, ein Ausgleich ist. Aber mit dem in Österreich teilweise auch übertriebenen Patriotismus wird man die Sportpolitik nicht verändern können. (Beifall bei den Grünen.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – zu dem sich zum Rednerpult begebenden Abg. Grabner  –: Jetzt tust du einmal allen danken!)

10.19

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs betonen, dass ich froh darüber bin, dass dieser Sportbericht hier im Plenum endbehandelt wird. (Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Dolinschek. )

Rückwirkend betrachtet ist festzustellen, über das Sportjahr 1999 kann Österreich eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Österreichische Sportlerinnen und Sportler haben in diesem Jahr wieder einmal ausgezeichnete Ergebnisse bei Europa- und Weltmeisterschaften und anderen hochkarätigen internationalen Veranstaltungen erzielt. Daher möchte ich betonen, dass der Spitzensport mit seiner internationalen Wirkung für unser Land Österreich und auch in seiner Vorbildfunktion vor allem für die Jugend unseres Landes einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf.

Die Nordische Ski-WM in der steirischen Ramsau bildete sowohl in sportlicher als auch in organisatorischer Hinsicht ein Highlight. Österreich konnte wieder einmal seine Fähigkeiten zur Durchführung derartiger Großveranstaltungen eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Das Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen schuf die entsprechende Grundlage für deren Ausgliederung. Diese Ausgliederung – das kann man ruhig sagen – war erfolgreich. Am 1. Jänner 1999 nahm die Bundessporteinrichtungen Gesellschaft ihre Tätigkeit auf. Daher standen für dieses Jahr Umstrukturierung, Neuorganisation und gründliche Erarbeitung eines Unternehmenskonzeptes auf dem Programm.

Trotz dieser nicht leichten Aufgabenstellung übertraf diese Organisation das von einer Unternehmensberatung vorgegebene Ziel. Nächtigungszahlen und Auslastung konnten gesteigert werden. An Betriebstagen betrug die Auslastung immerhin 72,3 Prozent; im Tourismus liegt sie zwischen 30 und 35 Prozent. Der Anteil – und das ist sehr wichtig für uns – der förderungswürdigen Sportler an der Gesamtnutzung lag bei 83,4 Prozent, der Jugendlichen bei 49 Prozent.

Diese Zahlen beweisen, dass bei der Ausgliederung der Bundessporteinrichtungen nicht nur die wirtschaftlichen Vorgaben übertroffen wurden, sondern gleichzeitig auch der Förderungsauftrag erfüllt werden konnte. Daneben erhöhte sich die Zahl der Mitarbeiter im Laufe des Jahres 1999 auf 135.


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Meine Damen und Herren! Der Sport hat sich die Schaffung neuer Arbeitsplätze in seinem Bereich zu einem Anliegen gemacht. Neue Beschäftigungsmodelle stehen in Diskussion. Eine Arbeitsgruppe "Beschäftigung im Sport", die in das europäische Netzwerk "Sport und Beschäftigung" eingebunden ist, nahm ihre Arbeit auf. Die Arbeitsplätze sollen unter Ausschöpfung bestehender Arbeitsmarktförderungsmöglichkeiten, auch durch Sportförderungsmittel, finanziert werden, die gemäß Bundes-Sportförderungsgesetz zur Schaffung von Arbeitsplätzen zweckgebunden sind. Hiefür haben vor allem die Dachverbände bereits gute Arbeit geleistet. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei der Österreichischen Sporthilfe, einer Institution, die geschaffen wurde, um Sportlerinnen und Sportler sowohl in ideeller als auch in materieller Hinsicht zu fördern, konnten die Einnahmen von 27,3 Millionen Schilling im Jahre 1997 auf 33,5 Millionen Schilling im Jahre 1999 gesteigert werden. Die durch Veranstaltungen eingenommene Summe von 5,8 Millionen Schilling konnte fast zur Gänze als Förderung an unsere Spitzensportler weitergegeben werden. Die Anzahl der durch die Sporthilfe geförderten Athleten lag im Jahre 1999 bei 236 Personen.

Meine Damen und Herren! Österreichische Sportvereine und -verbände erhielten über die Toto-Sportförderung einen Betrag von 440 Millionen Schilling. Toto wurde im Jahre 1949 eingeführt. Im Zeitraum von 1949 bis jetzt wurden durch das Toto und die Lotteriengesellschaft rund 8 Milliarden Schilling für den Sport zur Verfügung gestellt. Der Leistungssport, der Nachwuchssport, der Breitensport, auch der FC Nationalrat, wird gefördert, und dafür sage ich hier ein Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Förderung von Talenten und eine umfangreiche medizinische Betreuung verursachen natürlich Kosten. Um aber international bestehen zu können, ist eine derartige Betreuung unerlässlich. Die Sportförderungsmittel besonderer Art ermöglichen ein Umfeld, in dem die Athleten ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten optimieren können. Daher war es sehr wichtig, dass die Basisfinanzierung damals aufgrund von Verhandlungen von Peter Wittmann, Rudolf Edlinger, Präsident Löschnak, Präsident Ceeh, der Abgeordneten Kopf und Grabner auf 500 Millionen Schilling aufgestockt wurde. Und wenn wir die Umsätze kennen, wissen wir, es wird zu diesen 500 Millionen Schilling für den Sport kommen.

Ich hoffe nur, dass es auch dann, wenn das Gesetz ausläuft, weiterhin diese Förderung für den Sport geben wird.

Meine Damen und Herren! Die wichtige gesellschaftliche Funktion des Sports bestätigte die im Mai 1999 in Griechenland veranstaltete erste Konferenz der EU-Kommission über den Sport. In den Schlussfolgerungen dieses Treffens wurden die wichtigsten Punkte festgehalten. Einer dieser Punkte ist die ehrenamtliche Tätigkeit. Diese Arbeit ist besonders wichtig. Ich sage es noch einmal: Wenn man die Arbeit der ehrenamtlichen Funktionäre in Österreich auch nur mit 100 S bezahlen müsste, wären das über 40 Milliarden Schilling. Daher ein Dankeschön an die ehrenamtlichen Funktionäre in Österreich! (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am 10. Juni 1999 erfolgte die Eröffnung des neuen Gebäudes für das Institut für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung in der Südstadt. Diese Beratung hat sich bereits ausgeweitet, es gibt sie im Ernst-Happel-Stadion, in den Bundesländern, in Wr. Neustadt. Ich glaube, dass das Jahr 1999 ein Meilenstein in der Entwicklung der MSB für die Spitzensportler in Österreich war.

Auch das seit dem Jahre 1995 bestehende Projekt "Jugendsport-Multiplikator" war ein wichtiger Bestandteil. Sieben Fachverbände und vier Schulen nehmen daran teil.

Doping-Kontrollen sind ebenfalls eine wichtige Angelegenheit für den Spitzensport. 1999 wurden immerhin 509 Kontrollen im Wettkampf und 483 im Trainingsbereich durchgeführt.

Meine Damen und Herren! Im Jahr 1999 konnten insgesamt 75 Personen staatliche Auszeichnungen für Sport in Empfang nehmen. Ich möchte an dieser Stelle allen Sportorganisationen, den Dach- und Fachverbänden sowie den für den Breitensport so wichtigen Sportverbänden für


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ihre Leistungen danken, weil sie es ermöglichen, den erstklassigen Ruf Österreichs als Sportnation immer wieder zu erneuern.

Und ich sage auch ein Dankeschön dafür, dass dieser Sportbericht so gut gelungen ist. Wir haben es heute schon gehört: Er ist ein wichtiges Nachschlagwerk. Ich möchte allen Beamten, die daran beteiligt waren, namens meiner Fraktion dafür herzlichst danken. (Abg. Mag. Schweitzer: Wieso deiner Fraktion?) – Du kannst das dann namens deiner Fraktion sagen!

Abschließend möchte ich darauf hinweisen: Die in diesem Bericht aufgezählten Leistungen im Jahr 1999 wurden noch unter dem damaligen Staatssekretär Dr. Peter Wittmann erbracht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Aber die Leistungen haben schon die Sportler erbracht, nicht der Herr Wittmann, oder? – Abg. Grabner: Das stimmt! Das habe ich auch gesagt! – Abg. Böhacker: Und die ehrenamtlichen Funktionäre vergiss mir nicht! Ich bin einer!)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kogler. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

10.28

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Punkte und auch Anregungen.

Erstens muss ich auf die Ausführungen meines Vorredners Bezug nehmen: Also, so rosig – auch wenn es der Bericht aus dem Jahr 1999 ist und die Zeit des Herrn Wittmann betrifft, das ist schon richtig – kann ich die Frage der Sportförderung nicht sehen, und ich weiß, wovon ich rede. Die Rechnungshofberichte sind nicht immer nur so rosig, was die Effizienz und die Zielrichtung der Sportförderung anlangt. Frau Vizekanzlerin! Wir haben schon anlässlich der letzten Budgetdebatte zum Sportkapitel die Frage aufgeworfen, ob es möglich wäre, ein bisschen zielgerichteter vorzugehen. Das, was von meinem Vorredner jetzt so bejubelt wurde, war nämlich das klassische Gießkannenprinzip, in diesem Fall eben in der Sportförderung.

Ich sehe natürlich schon das Problem, dass, wenn man den Breitensport fördern will und es in Österreich eine Vielzahl von kleinen Vereinen gibt, auch dieses Element zum Tragen kommen muss. Aber es gibt auch undurchschaubare Auswüchse in dieser Sportförderung, wo Funktionäre in Töpfe greifen – ich sage das bewusst so – und wieder Vereine bedienen, in denen sie selber wieder zumindest Verantwortungsträger sind. Das ist bis ins Ministerium gegangen, und Sie wissen das.

Ich möchte doch die Frage stellen, ob hier ein Fortschritt erzielt worden ist. (Abg. Kopf: Ein Beispiel dafür! – Abg. Kiss: Einen Beweis!)  – Nehmen Sie den Rechnungshofbericht her, der sich mit diesen Dingen beschäftigt hat; ich kann Ihnen den auch zukommen lassen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grabner: Das kannst du morgen sagen! Morgen ist das Budget!)

Ich habe gesagt, ich werde nur ein paar Punkte ansprechen und einige Anregungen geben, aber ich wurde von meinem Vorredner zu dieser Bemerkung animiert. Es gibt ja in der Tat Wichtigeres zur Sportförderung zu sagen, aber das werden Sie jetzt doch noch ausgehalten haben.

Nächster Punkt: Ich beziehe mich jetzt auf einen Bereich, der in der Debatte regelmäßig untergeht. Es wird Sie vielleicht überraschen, wenn gerade ich jetzt dazu Stellung nehme. Es geht tatsächlich um die Förderung des Frauenfußballs in Österreich. Man kann sich ja darüber verständigen, dass Fußball etwas Wichtiges in der Gegenwartskultur ist. Ich meine das ernst: Das ist tatsächlich eine gesellschaftliche Bewertungsfrage, und es ist eine kulturelle Art des Herangehens an Phänomene, wie sie der Fußball und auch der Spitzenfußball nun einmal sind, notwendig. Das bezieht alles ein. Sie wissen, welche Emotionen da im Spiel sind, und Sie wissen auch, welche wirtschaftlichen Zwänge letztlich dahinter stehen. Die Fußballkultur ist ein eigenes Imperium in der Gesellschaft.

Wenn dem aber so ist, dann stellt sich schon die Frage, warum in Europa generell, aber speziell in Österreich, der Frauenfußball einen derart geringen Stellenwert hat, und ob das nur zufällig so


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ist. Faktum ist, dass die Frauenfußballvereine und auch die Liga, die ebenfalls existiert – das weiß ja kaum jemand in Österreich –, in ihrer Entwicklung wirklich geradezu behindert werden. Ich selbst habe mich diesbezüglich mit ein paar Funktionärinnen und Funktionären auseinander gesetzt, und es ergeht ... (Abg. Mag. Schweitzer: Wo bist du Funktionär? Bei welcher Frauenmannschaft?)  – Ich bin nicht Funktionär. Es ist ja dir vorbehalten, überall drinnen zu sitzen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brix. )

Diese Funktionäre haben mir glaubwürdig berichtet, dass sie eigentlich mehr behindert als sonst etwas werden. Und wenn in der ersten ... Wo ist sie denn eigentlich, die Frau Vizekanzlerin? (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer spricht neben der Regierungsbank mit einem ihrer Beamten. – Ruf: Das musst du aushalten können!)  – Was ich aushalten muss, Herr Kollege, suche ich mir selber aus. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin! Der Redner würde Sie gerne ansprechen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Wir sind beim Frauenfußball. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ich wollte eigentlich nur nachfragen, damit ich Ihre Frage gut beantworten kann!) Sie haben nachgefragt. Gut, dann bin ich beruhigt. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Genau um das ist es gegangen!)  – Danke. Ich habe ja auch nicht behauptet, dass Sie sich mit etwas anderem beschäftigen; ich war mir nur nicht sicher ... (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ich habe mit meinem Beamten gesprochen!) Wunderbar! (Abg. Dr. Mertel: Es steht Ihnen zu, dass die Vizekanzlerin zuhört!)

Damit habe ich jedenfalls auch diesen mir wichtigen Punkt vorgetragen. Er ist mir wirklich wichtig, weil auch in diesem Bereich klare gesellschaftliche Strukturen zum Ausdruck kommen. Ob mir das jetzt passt – ich bin ja deklarierter Fußballfan, ich darf das hier sagen –, und ob das anderen passt oder nicht, ist sekundär. Ich bin mir zum Beispiel sicher, dass diesbezüglich in der grünen Fraktion unterschiedlichste Auffassungen herrschen. Aber es ist kein Zufall, wie in diesem Bereich gefördert oder eben nicht gefördert, sondern geradezu behindert wird.

Nächster Punkt. Der Fußball ist ein gutes Beispiel und eine gute Gelegenheit, um auf einige andere Thematiken einzugehen, die sehr ernst sind und auch unliebsame Phänomene zeitigen.

Frau Vizekanzlerin! Ich möchte Sie fragen, wenn wir schon bei den Förderungen sind, ob es auch Aufgabe der Sportförderung sein könnte, Initiativen zu unterstützen, die in den Fußballstadien anti-rassistische Aktivitäten durchführen. Ich weiß, dass es in Deutschland diesbezüglich große Bemühungen gibt, und auch in den romanischen Ländern gibt es viele solche Initiativen. In Österreich hat es auch welche gegeben, die aber regelmäßig aus den Vereinen selbst entstanden sind. Das ist natürlich hilfreich und nützlich, aber seitens der Sportpolitik habe ich bis jetzt noch sehr wenige Initiativen in dieser Richtung bemerkt. Ich glaube, das wäre eine lohnenswerte Aufgabe. Es wäre auch nicht vergebens, man kann an die jungen Menschen schon herankommen. Das wäre eine ganz wesentliche Aufgabe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gar nicht weit weg davon ist die Fragestellung, wer eigentlich aller in der österreichischen Liga Fußball spielt, nämlich sehr viele Ausländerinnen und Ausländer, insbesondere EU-Ausländer; ist ja klar. Aber wenn das so ist und wenn deren Leistung auf diese Art und Weise gefördert wird – ich erinnere nur an den Fall Sidorczuk; das sage ich jetzt als Sturm Graz-Anhänger, nicht dass es da zu Missverständnissen kommt –, dann stellt sich schon die Frage, ob das nicht auch Anlass sein sollte, in einem anderen gesellschaftlichen Kontext mit ein wenig mehr Wertschätzung über AsylwerberInnen und ausländische Menschen in Österreich zu sprechen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich richte diese Aufforderung nicht an Sie in Ihrer Funktion als Vizekanzlerin, sondern in Ihrer Funktion als Parteiobfrau einer Partei, die – wie zumindest ich meine und wie etliche Kommentatoren auch meinen; etliche hier im Saal wahrscheinlich auch – vor kurzem einen Wahlkampf geführt hat, der in wesentlichen Fragen, über die bis jetzt in Österreich in den letzten Jahrzehnten Konsens bestanden hat, grenzüberschreitend war. Es ist ein Tabubruch begangen worden. Der Wiener Wahlkampf ist quasi auf Bundesebene von Ihrer Partei im Rieder Bierzelt angepfiffen


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worden in einer Art ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist blanker Unsinn!)  – Das ist kein blanker Unsinn, das ist eine Wertungsfrage, und da kommt man mit dieser Kategorie nicht weiter.

Frau Vizekanzlerin! Ich frage Sie, ob Sie anlässlich des heute Abend stattfindenden Fußballspiels Österreich gegen Israel nicht die Größe haben könnten, einige distanzierende oder wenigstens entschuldigende Worte für das zu finden, was Ihre Partei in diesem Wahlkampf angerichtet hat. Das wäre mir sehr wichtig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Mag. Kogler –: Das war ziemlich wirres Zeug, was du von dir gegeben hast!)

10.36

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Ich bin froh darüber, dass wir heute zu einer vernünftigen Zeit über Sport reden dürfen und nicht wie üblich um Mitternacht. Kollege Kogler hat einen Spagat hin zur Fremdenfeindlichkeit probiert. So wenig wie von der FPÖ Fremdenfeindlichkeit in den Wiener Wahlkampf eingeflossen ist, so wenig hat dieses Thema in einer Sportdebatte Platz, und wir möchten diesem Thema auch keine Nahrung geben.

Herr Kollege Kogler! Sie haben es natürlich verstanden, in Wien dieses Thema herbeizureden (ironische Heiterkeit bei den Grünen) und eine Polarisierung Ihrerseits vorzunehmen. (Abg. Brosz: Das ist ja unglaublich!) Es ist Ihnen mit Medienhilfe teilweise gelungen, das tatsächlich zu tun. Aber lassen wir es nicht am Sport aus!

Herr Kollege Kogler! Hätten Sie den Sportbericht oder wenigstens drei Zeilen davon gelesen, wie das offensichtlich Ihr Kollege Brosz getan hat, dann wären Sie vielleicht zu einer anderen Einschätzung gekommen, sowohl, was die Einbürgerungen betrifft, als auch, was das verbindende Element des Sports – Gott sei Dank! – im internationalen Bereich weiterhin vermag. (Abg. Mag. Kogler: Ich habe mich auch von diesem Bericht distanziert!) Bleiben Sie mit Ihrer linken Philosophie in den Bereichen, in denen Sie sich möglicherweise auskennen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Brosz hat aus seiner Sicht richtig begründet, warum er dem Bericht nicht zustimmen kann: weil die besondere Sportförderung nicht enthalten ist. Das ist eine nachvollziehbare Begründung. Er hätte aber auch die Gründe dafür erklären sollen, warum dem so ist. Er hätte sagen sollen, dass es einen Uraltvertrag mit der BSO gibt, der das Bundeskanzleramt seinerzeit einen bestimmten Betrag überwiesen hat, wodurch der Einfluss auf die Verwendung dieses Geldes mehr oder minder beseitigt war.

Frau Vizekanzlerin! Begeben Sie sich bitte auf den Weg – auch im Sinne der Regierungserklärung –, dieses Papier einmal zu eliminieren! Es kann doch nicht sein, dass öffentliche Mittel – und der Rechnungshof hat das ja kritisiert – einer Organisation in die Hand gegeben werden, die selbst die Kontrolle organisiert, die selbst natürlich auch im gleichen Personenkreis Anträge stellt, die das Geld übernimmt und weitergibt und es Ihrer Kontrolle und selbstverständlich dann auch einem solchen Bericht entzieht. Das muss sich ändern.

Nichtsdestoweniger ist dieser Bericht von fleißigen Beamten durchaus übersichtlich erstellt worden. Wenn man aber die Tätigkeit der 22 Beamten in der Gruppe Sport und den Inhalt dieses Berichtes anschaut, dann stellt sich für mich die Frage, ob wir wirklich noch in der Situation sind, die die Verfassung fordert, nämlich dass Sport Länder sache ist, dass Sport Landes verwaltung bedeutet. Wir haben vom Bund her im Laufe der Zeit immer tiefer in die Agenden der Länder eingegriffen. Entweder bereinigen wir das, entweder machen wir das, was die Regierungserklärung vorsieht, nämlich ein Bundessportgesetz mit eindeutiger Kompetenz, oder wir belassen das bei den Ländern. Dann ist es aber auch überflüssig, solche Berichte in diesem Umfang auf Bundesebene zu erstellen.


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Ziel kann nur sein, dass man eine Kompetenztrennung zwischen Bund und Ländern im Sportbereich herbeiführt und dass man, wie gesagt, den unseligen Einfluss der BSO, aber vor allem auch der von Grabner so hoch gelobten Dachverbände ein bisschen zurücknimmt.

Der Sport ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf der Basis dieses Förderungsgesetzes und der Verteilung der Gelder politisch sehr stark vereinnahmt worden. Dieser Umstand wird sogar in einem Weißbuch beklagt.

Herr Kollege Wittmann hat etwas getan, was seine Vorgänger nicht geschafft haben: Er hat sich Fachleute geholt und eine Ist-Situation des österreichischen Sports aufgenommen; er hat auch ein Weißbuch verfasst. Kollege Wittmann hat durchaus kompetente Menschen damit betraut, zu erheben, wie es um Österreichs Sport bestellt ist. Und dabei kommt der Sport nicht gut weg. Kollege Wittmann, der sich dieser Diskussion entzieht, weiß das auch. Er hat zwar die Aufnahmeanalyse gemacht, aber in seinem Wirkungsbereich keinerlei Therapien vollzogen. Die Fachleute in diesem Weißbuch des Herrn Wittmann kamen etwa zu folgendem Ergebnis: Die Betreuung im Gesundheitssport ist derzeit überwiegend ehrenamtlich, die Qualität der Betreuung ist daher nicht gewährleistet.

Herr Kollege Grabner hingegen sagt: Es gibt nichts Besseres als das Heer von Ehrenamtlichen, die Österreichs Jugend – gratis, wie er meint – betreuen. – Ich finde, das ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Damit richte ich mich nicht gegen die ehrenamtliche Tätigkeit, aber die Ehrenamtlichkeit hat ganz einfach ihre fachlichen Grenzen.

Noch ein Wort zum Kollegen Brosz. Er hat sich darüber beschwert, dass Regierungsmitglieder in größerer Anzahl in St. Anton anwesend waren. Herr Kollege Brosz! Sie meinen wohl, das ist eine parteipolitische Vereinnahmung gewesen. Aber ich frage Sie: Was hätte man gesagt, wäre die Frau Sportminister bei diesem – mit medialer Unterstützung – Weltgroßereignis nicht anwesend gewesen? Haben Sie auch die ganze sozialistische Sportnomenklatura in St. Anton miterlebt? – Das ist politische Vereinnahmung! Jene, denen der Sport in der Vergangenheit "gehörte", die sich ihn sozusagen genommen haben, all die Leikams, Brixens, Grabners, Löschnaks und all jene von dieser Saalhälfte (der Redner deutet in Richtung SPÖ) sind selbstverständlich bei solchen Ereignissen anwesend, um diese parteipolitisch zu vereinnahmen.

Leikam wird jetzt vielleicht erzählen, dass er nicht in St. Anton war, aber die Fernsehbilder zeigen etwas anderes. Er war nicht nur dort, er war auch bei der Nordischen Ski-WM und hat sich dort in den Siegestaumel hineinbegeben. Sei’s drum!

Ich will damit nur sagen, wir haben im Sport das Versprechen, das die Frau Vizekanzlerin gegeben hat, nämlich nicht Rot raus- und Blau reinzuholen, auch eingehalten. Das wurde nicht gemacht. Im Sport gehören Fachleute her. Im Spitzensport sind bereits erste Ansätze gemacht worden, und dafür bin ich dankbar.

Frau Vizekanzlerin! Ich bin auch dankbar dafür, dass Sie und ein gut Teil der anderen Regierungsmitglieder bei diesem Großereignis dabei waren und gezeigt haben, dass sich Österreich hinter diese Veranstaltung und seine Schisportler stellt.

Herr Grabner lobt die Ausgliederung der Bundessporteinrichtungen. Aber wie viele Jahre haben wir Freiheitliche gebraucht, um Sie dazu zu bewegen? – "Ausgliedern", "privatisieren", das waren unsere Schlagwörter, und wir sind dafür jahrelang gescholten und beschimpft worden! Jetzt kommt Herr Grabner hier heraus und sagt, auf diesem Sektor sei das gelungen, und hängt sich selbst noch die Medaille dafür um.

Kollege Grabner, das war nicht Ihre Idee! Dass es gelungen ist, ist erfreulich. Es wird auch so fortgesetzt, aber seien Sie auch bei anderen Ausgliederungen und Privatisierungen, die diese Bundesregierung vorhat, ein bisschen offenherziger und springen Sie über Ihren Parteischatten! Der Sport Österreichs und das gesamte System ist derzeit gut vertreten.


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Frau Vizekanzlerin! Ich bitte Sie, bei der Umsetzung der Regierungserklärung im Sportbereich zügig weiterzumachen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Leikam zu Wort gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte.

10.44

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Grollitsch, ich muss Sie wirklich enttäuschen. Wenn Sie hier von den Leikams, den Grabners und den Brixens gesprochen haben (Abg. Böhacker: Es gibt nur einen Leikam!), die alle am Arlberg bei der WM gewesen sind, dann muss ich Ihnen mitteilen: Das ist schlicht und einfach falsch!

Ich habe es bedauert, dass es mir nicht möglich war, als Vizepräsident des Österreichischen Skiverbandes bei dieser Heim-WM persönlich anwesend zu sein. Ich war nicht dort.

Es stimmt aber, dass ich in Lahti mit dabei war. Wenn Sie den Arlberg mit Lahti verwechselt haben, dann muss ich Ihnen sagen: Ein Seefahrerland ist Österreich noch nicht. Sie haben mich am Schiff gesehen, aber am Arlberg war vermutlich kein Schiff im Einsatz. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein weiteres Verlangen nach einer tatsächlichen Berichtigung vor, und zwar vom Herrn Abgeordneten Brix. – Sie haben das Wort. (Abg. Mag. Trattner: Er war im Schwimmstadion!)

10.45

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Abgeordneter Grollitsch hat wie meistens immer (Abg. Mag. Trattner: "Meistens immer"! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen) hier unrichtige Behauptungen aufgestellt. Er hat behauptet, dass "Brixens" in St. Anton waren.

Ich stelle richtig: Ich war noch nie in St. Anton (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), und ich fahre nie zu Großveranstaltungen. Aber ich war, ich gebe es zu, am Wochenende als Präsident des Verbandes österreichischer Schwimmvereine bei den österreichischen Hallenstaatsmeisterschaften in Innsbruck. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Meistens immer!)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lexer. Er hat das Wort.

10.46

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Sportbericht 1999 ist, wie von vielen Seiten gesagt wurde, das erste Mal ein lesbares Werk. Er wird gelobt, was den Umfang und die Transparenz betrifft, und zwar gleichermaßen in allen Gremien, im Ausschuss wie auch hier im Plenum. Die frühere Geheimniskrämerei und Tarnung von finanziellen Zuwendungen ist endgültig vorbei. Es gibt nichts zu verbergen oder zu vertuschen. Finanzielle Förderungen sind eben offen zu legen und sind ein wichtiger Teil des Berichtswesens.

Allerdings ist aufgrund des Zeitpunkts der Diskussion über diesen Sportbericht 1999 die Aktualität nicht mehr in jenem Umfang gegeben, der notwendig wäre, sodass ich heute als Sportsprecher meiner Partei zum ersten Mal auch einige grundsätzliche Überlegungen zum Sport anstellen möchte.

Sport ist ein wesentlicher Teil einer lebendigen Gesellschaft und stellt für viele Menschen einen hohen Wert in ihrer persönlichen Entwicklung dar. Er steht in den Augen der meisten Menschen


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für Spitzenleistungen. Diese Spitzenleistungen von Sportlern nimmt der Durchschnittsmensch aber nur als Konsument aus den Medien oder bei Sportveranstaltungen live als Zuschauer wahr.

Spitzenleistungen motivieren viele von uns zu sportlicher Aktivität, sie sind stimulierend und schaffen darüber hinaus nationale und regionale Identifikation. Das Stolzsein auf die Leistungen unserer Sportlerinnen und Sportler soll aber nicht jene anderer Nationen und Kontinente diskriminieren. Ein gefühlvolles "Wir" ist ein positiver Teil unserer Werteskala, und eine gesunde lokale Rivalität – wie zum Beispiel im Eishockey zwischen Klagenfurt und Villach oder im Fußball zwischen Rapid und Austria Wien – führt zu spannenden Spielen und natürlich auch zu besseren Leistungen.

Weil sportliche Spitzenleistungen aber vielen als unerreichbar erscheinen, werden sie nicht selten auch als demotivierend empfunden. Daher möchte ich im Besonderen auf die Bedeutung des Breitensports und auf die Vorteile der sinnvollen Bewegung an sich eingehen. Bewegung – möglichst in freier Natur – ist die Basis für Vitalität, Lebensfreude und Leistungsfähigkeit. Sie ist unabhängig vom Alter ein wesentlicher Bestandteil für ein Leben in Gesundheit. Der Grundstein für sportliche Neigungen und für motorische Fähigkeiten wird in der Familie, in den Kindergärten, in den Schulen, aber auch in unseren Sportvereinen gelegt. Daher gilt es primär, diesen Bereichen unsere Aufmerksamkeit zu widmen.

Zu einer wirkungsvollen Familienförderung gehören nicht nur finanzielle Zuwendungen, sondern beispielsweise auch nahe und leistbare Sportstätten. Wir können daher nicht auf alle Schigebiete oder Hallenbäder verzichten, nur weil sie öffentliche Zuschüsse erfordern. Die Schließung von Sportstätten bedeutet einerseits vielfach auch den Verlust von Freizeitnahversorgung, weniger Animo zur Bewegung und damit eine schlechtere Gesundheit der Bevölkerung, was andererseits zum Beispiel auch mit einem Anstieg der Spitalskosten verbunden ist.

In der Praxis entscheidet nicht selten die Nähe zu einer Sportstätte, ob und vor allem wie oft wir in der Lage sind, uns sportlich zu betätigen. Daher ist schon beim Bau von Wohnsiedlungen, vor allem im städtischen Bereich, auf die Lage von Sportstätten und Fitnessanlagen Rücksicht zu nehmen. Ich denke und rege an, dass es sinnvoll wäre, zum Beispiel einen Teil der Wohnbauförderungsmittel für das Thema Gesundheit und Sport zweckzuwidmen, damit eben in den Wohnsiedlungen mehr in diese Richtung geschehen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. )

Es versteht sich von selbst, dass gerade auch in diesen Sportstätten auf die behinderten Menschen in Österreich besonders Bedacht genommen werden muss.

Im Schulsport zum Beispiel brauchen wir, um nur einige Schlagworte aufzuzählen, eine bessere Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, vor allem in den Volksschulen, zusätzlich fachlich speziell ausgebildete Experten, die schulübergreifend eingesetzt werden können, eine verstärkte Integration der Sportvereine und natürlich geeignete Räumlichkeiten.

Gleiches gilt für den Arbeitsplatz, und dieses Thema wird immer wichtiger. Die Betriebe haben längst erkannt, dass Anreize im sportlichen Bereich zu einer Leistungssteigerung der Mitarbeiter führen, was insgesamt natürlich auch eine höhere Produktivität nach sich zieht. Eine gesteigerte Leistungsbereitschaft bringt eine größere Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe, aber natürlich auch unserer gesamten Volkswirtschaft.

Es sollten diesbezüglich steuerliche Anreize für die Unternehmungen geschaffen werden. Ich denke dabei etwa auch an den Einsatz von arbeitslosen Lehrern, die in Zusammenarbeit mit Sportexperten gemeinsam mit den Unternehmungen Projekte ausarbeiten und auch umsetzen könnten.

Das Aneignen von Teamfähigkeit, das Erarbeiten von gemeinsamen Zielen, das Genießen von Siegen, aber zum Beispiel auch die Verarbeitung von Niederlagen in den Sportvereinen macht unsere Jugend, aber nicht nur diese, lebens- und beziehungsfähig. Daher schlage ich im Jahr der Freiwilligkeit eine besondere Auszeichnung für Österreichs Sportfunktionäre vor und danke an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Dachverbänden – der Österreichi


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schen Turn- und Sportunion, der ASKÖ und dem ASVÖ – sowie in allen Fachverbänden für ihre wertvolle Tätigkeit im Dienste der Allgemeinheit. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sportvereine sind ein wichtiger Teil der Bürgergesellschaft. Tausende Funktionäre arbeiten in 12 200 Vereinen und betreuen ehrenamtlich 2,5 Millionen Mitglieder. Diese Arbeit stellt einen Gegenwert von zirka 8,5 Milliarden Schilling pro Jahr dar – wenn man nur 100 S pro Stunde rechnet, so ergibt sich daraus die Zahl von 85 Millionen Stunden, die ehrenamtlich in diesem Bereich geleistet werden.

Die traditionellen Sportverbände haben in der Vergangenheit große Leistungen erbracht, sich ständig weiterentwickelt und bieten unserer Bevölkerung Sportangebote auf höchstem Niveau. Sie alle zu fördern und zu unterstützen ist daher unser größtes Anliegen in der Sportpolitik. Wer sinnvolle Freizeitgestaltung im Rahmen eines gut geführten Sportvereines betreibt, wird vom reinen Konsumverhalten zur Aktion motiviert, und das nicht nur einmalig, sondern regelmäßig, in der Gemeinschaft eines Sportvereines und betreut von gut ausgebildeten Fachleuten.

Jugendliche bevorzugen aber immer stärker auch öffentliche Plätze, um so genannte Trendsportarten zu betreiben. Bei diesen geht es nicht um Leistungsbereitschaft oder um Wettkampf, sondern sehr oft um den Spaß, um Fun und Unterhaltung. Im Hinblick darauf rege ich an, den gezielten und gefühlvollen Einsatz von Streetworkern zu bewerkstelligen, damit diese Jugendlichen sinnvoll betreut werden können, ohne dass die Freiheit dieser jungen Menschen eingeschränkt wird.

Meine Damen und Herren! Insgesamt führen Sport und Bewegung zu einer lebensfrohen, leistungsfähigen und vitalen Bevölkerung. Das Ziel, Bewegung in unser Land zu bringen, muss uns zu einer offensiven Sportpolitik motivieren. Alle sind eingeladen, am sportlichen Österreich mitzuwirken. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.

10.53

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mit einer Richtigstellung beginnen: Herr Kollege Leikam, mir wurde mitgeteilt, dass Sie im Anschluss an die heutige Fragestunde in Kärnten eine Aussendung gemacht haben (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist eine Frechheit!), in der Sie angeblich behauptet haben – und ich hoffe, dass das nicht stimmt, weil es unwahr wäre –, ich hätte das Projekt des Kärntner Fußballstadions in Abrede gestellt.

Da können Sie mir nicht zugehört haben! Ich habe nämlich gesagt, dass mir ein Ansuchen betreffend das Stadion Klagenfurt vorliegt. (Abg. Mag. Mainoni: Das ist ungeheuerlich!) Das habe ich ausdrücklich gesagt, das können Sie im Protokoll nachlesen! Ich habe gesagt, dass mir ein Antrag betreffend das Stadion Klagenfurt vorliegt. (Abg. Mag. Trattner: Das ist unerhört, Leikam!)

Diese Projektunterlagen müssen noch präzisiert werden, was die Betreibung und was die Nachnutzung betrifft. Das ist aber bitte bei jedem Projekt der Fall! (Abg. Ing. Scheuch  – in Richtung SPÖ –: Stellen Sie das richtig!) Die Frage, ob das ein Stadion mit allenfalls 30 000 Zuschauerplätzen sein wird, kann ich ja sinnvollerweise erst dann entscheiden, wenn wir den Zuschlag für die Fußball-Europameisterschaft bekommen haben. Das werden Sie mir ja zugestehen.

Ich erlaube nicht, Herr Kollege Leikam, dass eine Fragestunde mit mir dazu missbraucht wird, Projekte, die in einem guten Verhandlungsstadium sind – sowohl mit der Stadt Klagenfurt als auch mit dem Land Kärnten –, in Misskredit zu bringen. (Abg. Ing. Scheuch  – in Richtung des Abg. Leikam –: Schämen Sie sich!)


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Herr Kollege Leikam! Sie sind im Kärntner Sport tätig, Sie haben eine Zuständigkeit im Kärntner Sport, gerade was den Sportstättenbau betrifft. Mir wurde gesagt, Sie seien damit beauftragt, eine Studie über den Sportstättenbau in Kärnten vorzulegen. Legen Sie sie doch bitte vor und suchen Sie auch den Kontakt mit mir!

Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Ich habe kein einziges Projekt in Kärnten in Frage gestellt. – Was ich gesagt habe, war, dass das Stadion in Graz-Liebenau – und das haben Sie vielleicht verwechselt – nicht auf 30 000 Zuschauer erweiterbar ist. Das war das Einzige, was ich in diesem Zusammenhang gesagt habe. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Leikam –: Toni, das hätte ich dir nicht zugetraut!) Ich würde schon darum bitten, meine Worte auch richtig wiederzugeben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Sie St. Anton so oft angesprochen haben: Herr Kollege Brix und Herr Kollege Leikam haben mir natürlich sehr gefehlt in St. Anton, aber an sozialistischer Prominenz hat es trotzdem nicht gemangelt. Es war der Parteivorsitzende und Klubobmann Gusenbauer dort, es war der Landesparteivorsitzende von Tirol dort, es war Herr Grabner dort, also es waren eine ganze Menge Sozialdemokraten in St. Anton.

Weil Sie, Herr Kollege Brosz, so quasi gefragt haben: Was tummelt sich da die Regierung in St. Anton?, möchte Ihnen schon sagen: Ich bin Sportministerin, und ich war als Sportministerin dort. Es war eines der größten Sportereignisse, die Österreich als Veranstalterland jemals ausgetragen hat. Und ich hätte mir den Wirbel nicht anhören wollen, wenn ich als Sportministerin nicht dort gewesen wäre. (Abg. Mag. Schweitzer: Das wäre erst was gewesen!) Dann hätte es nämlich geheißen, man interessiert sich nicht dafür, man unterstützt das nicht.

Ich bin nicht zu meinem Vergnügen in St. Anton gewesen. Wir hatten eine Reihe von Gästen. Sie wissen, dass der russische Präsident Putin dort war, und auch der slowenische Ministerpräsident Drnovšek war in St. Anton. Ich hatte dort eine Funktion zu erfüllen. Und es war nicht so, wie Sie gesagt haben, dass sich dort jeden Tag fünf Regierungsmitglieder getummelt haben. So war es nicht! (Abg. Brosz: Acht!)

Ich habe mir in früheren Zeiten oft gewünscht, dass man die Anwesenheit von Politikern bei solchen Veranstaltungen hinterfragt. Früher ist die ganze Bundesregierung zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Paris gefahren, und da hat sich keiner aufgeregt. Der Herr Wittmann war zum Beispiel in Nagano. Wenn, dann diskutieren wir die Frage grundsätzlich: Wo soll jemand dabei sein, und wo nicht? (Abg. Mag. Kogler: Sie regen sich immer auf, wenn wir nach Paris fahren! Das ist Ihr Privileg!)  – Das hat aber grundsätzlich mit der von Ihnen angesprochenen Frage – da stimme ich Ihnen völlig zu, Herr Kollege Brosz –, nämlich "Politik im Sport" oder "Politik raus aus dem Sport" nichts zu tun.

Mit "Politik raus aus dem Sport" habe ich in erster Linie Folgendes gemeint – und dazu bekenne ich mich auch –: Der parteipolitische Einfluss soll aus der Sportpolitik, aus der Verbandspolitik herausgenommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diesbezüglich haben wir in Österreich Handlungsbedarf. Man kann nicht alles immer nur mit schöner Tradition begründen. Wir haben drei Dachverbände, die für den Sport in Österreich Wichtiges geleistet haben, das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen, auch nicht die Autonomie. Was ich jedoch in Abrede stelle, ist, dass diese Dachverbände politisch punziert sein müssen, dass es einen "roten ASKÖ" und eine "schwarze Union" und so weiter geben muss. Das ist genau der Punkt. Das hat im Sport nichts verloren! Dazu bekenne ich mich auch, und ich würde mir wünschen, dass auch im Bereich der Dach- und Fachverbände dieses Denken mehr Platz greifen würde, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Von den sportlichen Zielsetzungen her sind mir in erster Linie der Spitzensport, der Nachwuchssport und der Behindertensport wichtig. Ich habe das schon mehrfach dargelegt. Wir haben besonders im Bereich des Nachwuchssports dafür zu sorgen, dass es optimale Rahmenbedingungen gibt, um künftige Höchstleistungen im Spitzensport auch entsprechend vorbereiten zu können. Es wird ferner eine der wesentlichen Voraussetzungen sein müssen, auch im Basissport ein attraktives sportliches Training für Jung und Alt zu entwickeln, um mehr Menschen zum


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Sport zu motivieren, um sie zu motivieren, Sport auszuüben. Und im Behindertensport ist speziell auf die Chancengleichheit Rücksicht zu nehmen. Sie haben Recht, dass der Behindertensport in der Vergangenheit zu kurz gekommen ist; das ist überhaupt keine Frage. Wir haben dort mehr zu tun, als in der Vergangenheit getan wurde.

Ich akzeptiere eigentlich auch nicht, dass bei der Verteilung der Mittel der besonderen Bundessportförderung der Behindertensportverband keine Berücksichtigung findet. Ich halte es nicht für zweckmäßig, dass man den Behindertensportverband in die BSO aufgenommen und ihm sozusagen von vornherein als Bedingung für diese Aufnahme das Bekenntnis abverlangt hat, dass er bei der Mittelverteilung nicht berücksichtigt wird. Das ist eine Haltung der BSO, die ich nicht für argumentierbar, nicht für gerecht und auch nicht für zweckmäßig halte.

Ich werde mich bei den Vertretern der BSO – so wie bisher – dafür einsetzen, dass man diesbezüglich eine Änderung vornimmt, auch was die Mittelverteilung betrifft. Man soll beispielsweise auch den Gehörlosen im Rahmen der BSO neue Möglichkeiten bieten und nicht eine restriktive Politik fahren, die sozusagen lautet: Wer Mittel bekommt, wer in den Verteiler aufgenommen wird, das bestimmen wir. – Ich glaube, dass Chancengleichheit im Sport für alle gelten muss, insbesondere für den Behindertensport! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was den Nachwuchsbereich betrifft, so habe ich vorhin in der Fragestunde schon erwähnt und möchte das noch einmal tun: Besonders wichtig ist mir die Einrichtung von Kompetenzzentren. Wir haben solche Kompetenzzentren in Österreich. Eines der vorbildlichsten ist sicher das in Stams, aber auch viele andere wären in diesem Zusammenhang zu nennen, die gezeigt haben, wie man junge Menschen an Höchstleistungen qualifiziert heranführt. Unser Interesse liegt darin, dieses Topmodell auch auf andere Sportarten zu übertragen, um auch dort Nachwuchsbildung zu betreiben. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Kogler hat den Frauenfußball angesprochen. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, Herr Kollege, ich würde mir auch mehr Förderung für den Frauenfußball wünschen. Tatsache ist, dass das in der Autonomie des ÖFB als Verband, als Fußballverband, liegt, und das ist (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler )  – ich wollte gerade dazu kommen – genau das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen, wenn wir über Autonomie der Vereine und Verbände auf der einen Seite sprechen, auf der anderen Seite aber keine Steuerungsmöglichkeiten bei der Förderung haben beziehungsweise keine Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen.

Ich möchte das ändern – ich sage das in aller Deutlichkeit –, und das heißt auch, dass wir die Gebarung der Dach- und Fachverbände auch entsprechend offen legen müssen, die Transparenz gewährleisten müssen, um sicherzustellen, dass die Hälfte der Sportmittel – wie Herr Kollege Brosz völlig richtig festgestellt hat –, die in diesem Land zur Verfügung stehen, auch zielgerichtet und effizient eingesetzt wird. Wir haben nicht wirklich eine Kontrolle darüber, ob das auch tatsächlich so passiert.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, dies sicherzustellen, weil wir dann auch für Bereiche wie den Behindertensport oder zum Beispiel den Frauenfußball, die weitestgehend durch den Rost fallen, sicherstellen können, dass sie eine Förderung erfahren. In anderen Ländern, beispielsweise in angelsächsischen Ländern, erfährt der Frauenfußball eine besondere Förderung und wird auch gesellschaftlich akzeptiert; er spielt im Sport eine wichtige Rolle.

Ich glaube, dass Österreich – das haben wir bei den Olympischen Spielen in Sydney gesehen – durchaus die Chance hat, auch in sportlichen Bereichen, in denen wir bisher nicht Weltspitze waren, Höchstleistungen zu erreichen. Österreich ist bei diesen Olympischen Spielen zu einer Wassersportnation geworden. Die großartigen Leistungen unserer Medaillengewinner in Sydney sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass "mehr drinnen wäre" für Österreich – ich sage das einmal in dieser Form. Gerade der Vergleich mit der Schweiz, die bei diesen Olympischen Spielen in Sydney neun Medaillen gewonnen hat, zeigt uns, dass wir einen Bedarf haben, gerade im Hinblick auf die Vorbereitungen für Athen, entsprechende Schwerpunkte zu setzen, um uns zu verbessern.


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Die Frage der Transparenz der Sportförderung – ich habe das schon gesagt – ist mir ein wichtiges Anliegen. Die Neugestaltung der besonderen Sportförderung, die ja im Jahre 2003 ausläuft, muss ohnehin erfolgen, weil die derzeitige Regelung, wie gesagt, zeitlich befristet ist. Wir wollen diese Neuregelung so sicherstellen, dass die Basisförderung eine sichere Grundlage auch darüber hinaus hat, aber es muss auch die Kooperationsbereitschaft der Verbände gegeben sein, mit uns gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass die Sportförderungsmittel des Bundes zielgerichtet eingesetzt werden.

Wir werden auf europäischer Ebene unsere Bemühungen fortsetzen, den Sport auch im Rahmen der europäischen Verträge entsprechend zu verankern. Die letzte Einigung zwischen FIFA, UEFA und der Europäischen Union in Fragen des Fußballs ist, glaube ich, ein ermutigendes Signal für eine generelle Weiterentwicklung und Sicherung der europäischen Sportstrukturen im Rahmen der Europäischen Union. Wir werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, um die Bedeutung des Sports auch auf europäischer Ebene hervorzuheben.

Es handelt sich, wie gesagt, um den Sportbericht 1999, den wir heute hier diskutieren, aber ich habe Ihnen schon im Ausschuss gesagt, dass es mein Bemühen sein wird, den Sportbericht 2000 so bald wie möglich, auf jeden Fall noch in diesem Jahr dem Hause zuzuleiten, damit wir auch über die neuesten Entwicklungen des Sports in Österreich diskutieren können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Leikam zu Wort gemeldet. – Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter, mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen.

11.05

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Sportministerin hat auf eine Presseaussendung von mir insofern reagiert, als sie gemeint hat, das sei nicht Gegenstand der Fragestunde gewesen.

Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Ich habe in der Fragestunde die Frau Sportministerin gefragt, in welchem finanziellen Ausmaß sie bereit sei, die beiden Großprojekte in Kärnten im Zusammenhang mit der Bewerbung für die Austragung der Europameisterschaft 2008 zu unterstützen. – Die Antwort lautete: Beide Projekte hängen nicht mit einer Bewerbung zusammen.

Des Weiteren hat sie erklärt, es liege zwar ein Antrag vor, aber es gäbe noch keine konkreten Pläne für den Ausbau des Klagenfurter Stadions, daher könne sie auch keinen Betrag nennen. Sie könne das erst dann tun, wenn entsprechende Unterlagen vorliegen. – Das war die Antwort.

Das steht in krassem Widerspruch zu dem, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, was uns in Kärnten der Herr Landeshauptmann sowie der Sportreferent ununterbrochen erklären: 40 Millionen Schilling zahlt der Bund, 40 Millionen Schilling die Stadt und 40 Millionen Schilling das Land. – Das ist ein krasser Widerspruch, daher habe ich Sie danach gefragt. Es gibt also, wie Sie selbst gesagt haben, noch keine konkrete Zusage.

Zweiter Punkt: Sie haben gesagt, ich besäße Zuständigkeit im Kärntner Sport. – Das ist auch falsch! (Abg. Ing. Scheuch: Sie sollen eine Studie vorlegen, und das machen Sie nicht! Was ist mit der Studie?)

Ich bin Mitarbeiter des Sportsekretariats. Die Zuständigkeit im Kärntner Sport liegt ausschließlich im Bereich der Freiheitlichen. (Abg. Ing. Scheuch: Was ist mit der Studie?) Referent ist Herr Landeshauptmann-Stellvertreter, noch Landeshauptmann-Stellvertreter Reichhold.

Drittens: Ich habe von niemandem den Auftrag erhalten, eine Studie über die Sportstätten zu machen. Sie, Frau Vizekanzlerin und Sportministerin, müssten wissen, dass ich im Auftrag des ÖISS, eines Instituts, das Ihnen untersteht, in 132 Kärntner Gemeinden Sportstätten-Erhebungen durchgeführt und diese Unterlagen Ihrem Institut zur Verfügung gestellt habe.


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Ich habe bei diesen Erhebungen allerdings auch gesehen, in welch desolatem Zustand sich das Klagenfurter Stadion befindet, und daher noch einmal mein Appell (Zwischenrufe. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen): Handeln Sie, damit Sie uns hier auch entsprechende Antworten geben können! (Beifall bei der SPÖ.)

11.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.07

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Kollege Leikam! Ich glaube, zur demokratischen Kultur gehört es auch, einander zuzuhören, und nicht, jemandem absichtlich das Wort im Munde umzudrehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wissen sehr wohl – und ich wiederhole das jetzt noch einmal –, Sie wissen sehr wohl, dass es eine Zusage gibt, was das Projekt Stadion Klagenfurt betrifft, dass das überhaupt nicht in Diskussion steht. Die Frage, die Sie mir gestellt haben, war eine andere. Die Frage, die Sie mir gestellt haben, war: Wird das im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft ein entsprechend größeres Stadion? – Und diese Frage kann ich Ihnen ja sinnvollerweise erst dann beantworten, wenn Österreich den Zuschlag für eine solche Europameisterschaft bekommen hat. Wenn das der Fall sein sollte, dann ist das Stadion Klagenfurt sicher eines der ersten Anwärter für eine Austragungsstätte für die Fußball-Europameisterschaft.

Ich glaube, ich habe diese Frage jetzt endgültig beantwortet. Sie sollten dieses Thema nicht zum Anlass nehmen, immer wieder das Gegenteil zu sagen – was schlicht und einfach unwahr ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser  – in Richtung des Abg. Leikam –: Toni, dass du im Alter so verfällst, hätte ich mir nicht gedacht!)

11.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.08

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Sportministerin! Meine Damen und Herren! Ich habe einen Vorschlag, um diese Frage sehr einfach zu lösen: Frau Vizekanzlerin, seien Sie so ehrlich und sagen Sie, Sie werden das machen, was Ihnen Herr Dr. Haider in Kärnten anschaffen wird! Dann haben wir eine einfache Lösung; dafür gibt es übrigens auch ein Präjudiz mit der Frau Verkehrsministerin. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie, Frau Vizekanzlerin, hier von der Regierungsbank aus behaupten, dass bei Ihrer Sportpolitik die Parteipolitik nichts verloren hat, dann verkaufen Sie die Bevölkerung für dumm. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Sagen Sie mir ein Beispiel!) Und die Rechnung für diese Art von Politik haben Sie bei den Wiener Wahlen am vergangenen Sonntag ja präsentiert bekommen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Frau Vizekanzlerin hat auch in der Fragestunde viel geredet und wenig gesagt. Sie hat nämlich auf meine ausdrückliche Frage, welche persönliche Meinung sie als Sportministerin vertritt, was das Radfahren auf Forstwegen betrifft, gesagt: Dafür ist der Landwirtschaftsminister zuständig. – Also so kann es ja nicht sein! Die österreichische Bevölkerung sieht die Übertragung heute ja glücklicherweise im Fernsehen und wird sich ihr Bild davon machen, wie Sie, Frau Sportministerin, mit solch einem wichtigen Anliegen der österreichischen Bevölkerung umgehen.

Es ist ja absurd – und ich möchte Ihnen das noch einmal vor Augen führen, meine Damen und Herren hier im Hohen Haus –: Lastwägen bis zu 3,5 Tonnen dürfen Forststraßen und Forstwege benutzen, aber das Radfahren – wieviel Kilo wird ein Radfahrer mit einem Bike haben, Kollege Kopf? 80 Kilo, vielleicht 85 Kilo – auf Österreichs Forstwegen ist verboten! Und für diese


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Absurdität tragen Sie die Verantwortung! (Abg. Großruck: Ein Lastwagen wird dort kaum spazieren fahren!)

Meine Damen und Herren! Wie schaut denn das in anderen Ländern aus? Wie schaut das etwa in der Schweiz oder in Südtirol oder in Bayern aus? – Natürlich darf man dort die Forstwege benutzen und Rad fahren. Auch das Konzept des Bundesrates für die Sportpolitik in der Schweiz – vielleicht, Frau Sportministerin, sollten Sie auch ein bisschen über die Grenzen schauen – hat als ganz zentrales Element in der Sportpolitik natürlich das Radfahren in der Natur auf seine Fahnen geheftet. Die Schweiz macht im Übrigen eine erfolgreiche Sportpolitik. Meine Damen und Herren! Die FPÖ kommt natürlich unter Druck. Sie tritt ja immer so jugendlich und dynamisch auf, aber wenn Sie die einschlägigen Journale lesen, etwa die "Mountainbike-Revue" oder den "Naturfreund" oder ganz aktuell die Ausgabe "Land der Berge", dann werden Sie erkennen, Frau Vizekanzlerin, wie sehr Sie unter Druck kommen. Zehntausende, ja Hunderttausende lesen diese Journale, und in diesen steht, dass Sie sich in dieser Frage verweigern.

Meine Damen und Herren! Es gibt dazu einen sehr konstruktiven Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion. Dieser ist wissenschaftlich bearbeitet und ausgearbeitet und zeigt auf, wie man mit sehr einfachen legistischen Mitteln die Forstwege für die radfahrbegeisterte Bevölkerung endlich frei machen könnte.

Das Verlangen danach ist groß, zumal die Leute wissen, dass sie für die Errichtung dieser Forstwege mitzahlen, und sie zahlen gar nicht so wenig, wie Herr Minister Molterer zugestehen muss. Er ist ja auch ein vehementer Gegner der vernünftigen Gesetzesvorschläge der sozialdemokratischen Fraktion, aber das muss er zugeben, wenn er in diesem Bereich allein aus Bundesmitteln mehr als 52 Millionen Schilling pro Jahr investiert. Der Steuerzahler darf also zwar blechen, aber die Wege, die er selbst bezahlt, als Radfahrer nicht benutzen.

Meine Damen und Herren! Es gibt jetzt einen Unterausschuss zu diesem Thema, und dieser soll sozusagen für ein Begräbnis erster Klasse missbraucht werden. Und Herr Kollege Schwarzenberger hat in einer Sitzung dieses Unterausschusses die Abhaltung eines Expertenhearings verlangt. Das heißt, er hat nicht einmal gewusst, dass bereits am 31. Oktober 2000 ein Expertenhearing stattgefunden hat! – Auf diese Art und Weise glaubt die ÖVP, diese Angelegenheit blockieren zu können.

Ich sage das bewusst so, Frau Vizekanzlerin: Es ist geradezu frivol, wenn Sie auf der einen Seite als Vorsitzende des Exekutivkomitees für die Mountainbike-Weltmeisterschaft, die im Jahre 2002 in Österreich stattfinden soll, fungieren, aber auf der anderen Seite kein Herz für die Rad fahrende Jugend haben. – So kann es nicht sein!

Frau Vizekanzlerin! Sie können heute Flagge zeigen und hier endlich einmal irgendetwas Konkretes sagen. Im heutigen "Kurier" heißt es unter dem Titel: "Susanne allein zu Haus" –, dass auch aus den Reihen der Blauen Vorwürfe zu hören sind wie: "Es mangle ihr an Führungs- und Managementqualität sowie an Ideen; sie lasse sich von Finanzminister Karl-Heinz Grasser ,auf der Nase herumtanzen‘; man wisse nicht, was ihr wichtiger sei", das sagen Ihre Parteikollegen, Frau Vizekanzlerin, " – Regierung oder Partei; sie lasse sich vom Koalitionspartner überfahren und sei ,überfordert‘".

Frau Vizekanzlerin! Zeigen Sie Flagge! Sagen Sie entweder, dass Sie dafür sind, dass endlich für die radfahrbegeisterte Bevölkerung die Forstwege frei werden, oder legen Sie den Vorsitz im Exekutivkomitee für die Weltmeisterschaft im Mountainbiken zurück! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Beides, Frau Vizekanzlerin, wird nicht gehen! Und wenn Sie sich in solchen Fragen nicht entscheiden können, dann werden Ihre eigenen Parteikollegen auch weiterhin sagen, dass es Ihnen an Führungsqualität mangelt, an Managementqualität, an Ideen, dass Sie sich von Finanzminister Grasser auf der Nase herumtanzen lassen, dass man nicht weiß, was Ihnen wichtiger ist, die Regierung oder die Partei, und dass Sie sich vom Koalitionspartner überfahren lassen.

Frau Vizekanzlerin! Ich bin gespannt auf Ihre Wortmeldung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13


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62. Sitzung / Seite 49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ortlieb. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.13

Abgeordneter Patrick Ortlieb (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Ich möchte mich nun wieder dem Sportbericht 1999 zuwenden. Das Sportjahr 1999 wird in positiver Erinnerung bleiben. Die Nordischen Skiweltmeisterschaften in der Ramsau am Dachstein waren sowohl organisatorisch als auch sportlich ein voller Erfolg.

Ich möchte an dieser Stelle allen nordischen Sportlerinnen und Sportlern zu ihren großen Leistungen gratulieren. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch den SommersportlerInnen zu ihren hervorragenden sportlichen Ergebnissen gratulieren und allen Sportlerinnen und Sportlern, Funktionärinnen und Funktionären für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der


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ÖVP.)

Mit der Bildung der neuen Regierung im Februar 2000 kamen die Sportagenden in die Verantwortlichkeit der Frau Vizekanzlerin, wodurch Frau Dr. Riess-Passer die Gelegenheit erhielt – wie sie in ihrem Vorwort betonte –, ihre ersten beruflichen Erfahrungen als Mitarbeiterin im Österreichischen Skiverband wieder aufzugreifen und in verantwortungsvoller politischer Position weiterzuentwickeln.

Da Sport die Persönlichkeit entwickle, integriere und Identifikation schaffe, sei, so Frau Dr. Riess-Passer, die Förderung des Sports eine gesundheits-, gesellschafts-, wirtschafts- und beschäftigungspolitische Aufgabe. Dieser Aufgabe fühlt sich die Frau Vizekanzlerin verpflichtet. Ich glaube, wir sollten im Sport demonstrieren, wie man gemeinsam ambitionierte Ziele erreichen kann, und ich bin überzeugt davon, dass wir am Ende dieser Regierungsperiode gemeinsam mit den Bundessportorganisationen, den Dach- und Fachverbänden und auch mit dem Olympischen Komitee, den 12 000 Sportvereinen und Hunderttausenden Sportlerinnen und Sportlern auf eine gelungene sportpolitische Neuausrichtung in unserem Land zurückblicken können.

Nun zur Sportförderung im Einzelnen: Im Jahre 1999 wurden insgesamt 707 Millionen Schilling für die Sportförderung aufgewendet. Die allgemeine Sportförderung belief sich dabei auf 440 Millionen Schilling, die wie folgt verteilt wurden: Rund 95 Millionen Schilling gingen an die Bundessportorganisation, 148 Millionen Schilling an den ÖFB, je 60,4 Millionen Schilling an die drei großen Sport-Dachverbände ASKÖ, ASVÖ und die UNION sowie 14,6 Millionen Schilling an das ÖOC. Der Sportbericht legt Rechnung darüber, wofür diese Mittel vergeben beziehungsweise aufgewendet wurden, wobei aber auch auf separate Sportförderungen durch die Länder hingewiesen wird.

Ein weiteres Kapitel im Sportbericht 1999 widmet sich der Ausbildung und Nachwuchsarbeit. Im Rahmen des Projektes "VerbandförderungNachwuchs" erhielten zahlreiche Sportverbände Mittel, um eine gezielte Nachwuchsförderung in Gang setzen zu können. Gefördert wurden aber auch Schulen mit sportlichen Schwerpunkten und diverse Trainingsfortbildungskurse. Zahlreiche Studenten erhielten Sportstipendien und wurden durch eine der vielen Sportinstitutionen, unter anderem durch die "Sporthilfe", gefördert.

Derlei Sportunterstützung wird auch durch die Länder und einzelne Ressorts, etwa durch das Bundesministerium für Landesverteidigung im Rahmen der HSNS, gewährt. Wie ich schon des Öfteren gesagt habe, ist die HSNS ein sehr, sehr wichtiges Auffangnetz für Sportler, die Sportarten ausüben, die nicht so öffentlichkeitswirksam sind.

Ein eigener Abschnitt des Berichts ist dem Thema "Frauen und Sport" gewidmet. Dabei geht es primär darum, auf die besonderen Umstände des Frauensports verstärkt Rücksicht zu nehmen, aktive Sportlerinnen besser zu unterstützen, und auch darum, den Anteil von Frauen in den Sportgremien sukzessive zu erhöhen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Diesbezüglich wurde im Berichtsjahr auch ein eigener Workshop veranstaltet und eine themenorientierte Arbeitsgruppe eingesetzt.

Einige Kapitel dieses Berichtes befassen sich mit dem Kampf gegen Doping, mit der Sportmedizin sowie mit dem Österreichischen Olympia- und Sportmuseum. Ein umfangreicher Anhang, bestehend aus dem Abschnitt Sportgesetzgebung in Österreich samt den entsprechenden Landesvorschriften, einer Mitgliederstatistik der einzelnen Sportorganisationen sowie einem detaillierten Adressenverzeichnis und einem Organigramm, rundet den informativen und umfangreichen Bericht ab.

Abschließend möchte ich noch sagen: Wenn es wieder einmal darum geht, sich für die Abhaltung von Großveranstaltungen zu bewerben, dann würde ich mir wünschen, dass die parteipolitischen Motive etwas zurückgestellt werden. Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit Herrn Toni Sailer, der sich sehr massiv dafür eingesetzt hat, dass Olympische Spiele in unser Land kommen. Was er mir darüber erzählt hat, wie er von manchen Fraktionen behandelt wurde und worum es wirklich gegangen ist, nämlich nur darum, Fotos zu machen, und es wurden nicht einmal die Konzepte durchgelesen – dazu kann ich nur sagen: Ich würde mir wünschen, das so etwas in Zukunft nicht mehr passiert! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.19

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Patrick Ortlieb! Deine letzten Worte waren das wirklich Bewegende in deinem Debattenbeitrag. Ich kann das nur unterstützen, weil ich auch schon des Längeren vermute, dass dem so ist.

Den Ausführungen des Herrn Kollegen Brosz, der jetzt leider nicht im Saal ist, kann ich überhaupt nichts abgewinnen, weil ich wirklich nicht weiß, was das soll. Er kritisiert, dass Politiker, die für den Sport zuständig sind, Sportveranstaltungen auch beiwohnen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. )  – Herr Kollege Kogler, lassen Sie mich doch ausreden!

Gleichzeitig wissen wir aber, dass der Sport an sich viel zu wenig Lobby hat. Dann wurde gekontert, und plötzlich wünschten ein, zwei, drei Abgeordnete der SPÖ tatsächliche Berichtigungen, die zutage brachten, dass sie alle miteinander hohe Sportfunktionen innehaben. (Zwischenruf des Abg. Leikam. ) Das hört man aber nur hier, denn in der Praxis merkt man nie, wie stark Sie sich von Ihrer Seite auch für den Sport einsetzen, Herr Kollege! Von Ihnen hört man nur Falschmeldungen, etwa, dass in Kärnten jetzt kein Fußballstadion kommt, was alles nicht stimmt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Bleib bei deinen Leisten! Du hast keine Ahnung!)

Herr Kollege! Ihre Sportpolitik ist zu durchsichtig, als dass ich sie glauben könnte. Glauben Sie mir das!

Meine Damen und Herren! Der Sport hat meiner Überzeugung nach darüber hinaus eine sehr hohe soziale Bedeutung, und ich sage Ihnen auch, wieso. (Zwischenruf des Abg. Leikam. )  – Herr Kollege, hören Sie zu, dann wissen Sie, wie die ÖVP glaubt, Sportpolitik machen zu müssen, denn das, was Kollege Wittmann geleistet hat, war alles andere – nur keine Sportpolitik! Das muss ich Ihnen auch sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube überhaupt, dass es längst müßig ist, einen Sportbericht aus dem Jahre 1999 zu diskutieren. Wir schreiben das Jahr 2001! Auch wenn von der SPÖ gelobt wird, dass wir einen uralten Sportbericht diskutieren, der noch dazu ohnehin nicht diskutierenswert ist, weil er in Wirklichkeit keine sportliche Profilierung hinterlassen hat, muss ich sagen, ich finde das längst überflüssig. Wir sollten in Hinkunft daran denken, aktuellere Berichte zu diskutieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Ich bin zu allem bereit, Herr Kollege Brosz!


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Jetzt zu dir, Herr Kollege Kogler, weil du das Fehlen der Frauen im sportlichen Bereich so moniert hast. Du hast erklärt, es gibt zu wenig Frauen, es gibt zu wenig Frauenfußball. (Abg. Mag. Kogler: Das war eine Anregung für die Zukunft!)

Jetzt sage ich dir Folgendes – und ich bin enttäuscht, dass du das nicht weißt, denn das müsste man aus unserer kommunalen Arbeit in Graz längst wissen –: Es gibt in Graz eine Studie, die besagt, dass Frauen und Mädchen viel zu wenig den öffentlichen Raum erobern und wir seitens der Politik sehr viel tun müssen, damit sich Mädchen überhaupt getrauen, in den öffentlichen Raum zu gehen und dort ihren Sport auszuüben. – Jetzt herzugehen und eine Sportministerin, die erst seit einem Jahr im Amt ist, aufzufordern, dass sie das gefälligst tun soll, obwohl in Wirklichkeit schon in der Vergangenheit große Fehler passiert sind, halte ich für sehr kurzsichtig. Ich bin daher sehr enttäuscht von dir, Kollege Kogler! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir werden heute noch über das Thema Drogen reden. (Abg. Mag. Kogler: Das war, wie gesagt, eine Anregung für die Zukunft!)  – Das glaube ich schon, nur: Was tut ihr denn in Wirklichkeit dazu? Herr Kollege Kogler, ich sage Ihnen etwas: Die Grünen rennen durch die Gegend und bezichtigen andere Parteien, viel zu wenig in Sachen Integration zu tun. (Abg. Mag. Kogler: Richtig!) Ich sage Ihnen: In Integrationssachen müsste viel mehr passieren, nur: Wie macht man das?

Ein typisches Beispiel dafür, wie es gehen könnte, ist der Sport. Ich beispielsweise veranstalte jetzt mit einem Grazer Verein die erste "Grazer Fußball-Weltmeisterschaft". In Graz leben 108 Nationen, und ich versuche über das Thema Sport, über das Thema Fußball – auch Mädchen sind eingeladen –, eben durch eine so genannte Fußball-Weltmeisterschaft die Nationen sozusagen zusammenzubringen. Ich wäre dankbar dafür, wenn die Grünen nicht nur reden, sondern es uns endlich einmal gleich machen würden, Herr Kollege Kogler! Das wäre höchst an der Zeit, aber ich höre nur Worte von euch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler verlässt seinen Sitzplatz.)  – Jetzt geht er, das ist eh klar.

Meine Damen und Herren! Wir werden heute noch über die Drogenpolitik reden. Ich möchte dazu jetzt nur sagen – was ich schon mehrmals hier in diesem Haus erwähnt habe –, dass Sport in Wirklichkeit die beste Prophylaxe gegen Drogen, aber auch gegen Gewalt und das beste Mittel für Integration sein kann.

Meine Damen und Herren! Vor kurzem hatten wir in Graz ... (Abg. Schwemlein spricht von seinem Platz aus mit Abg. Leikam.) Herr Kollege Schwemlein, hören Sie mir zu! Das fällt mir am Verhalten der SPÖ-Abgeordneten auf: Darin, sich über andere lustig zu machen, sind Sie Weltmeister! Aber wenn man Sie inhaltlich testet, dann kann man Ihnen sehr schnell Ihre Masken herunterreißen, werte Kollegen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Herr Kollege! Wenn Sie Sportpolitik so betreiben wie Sicherheitspolitik, dann schaut das für die österreichische Republik nicht gut aus, das muss ich Ihnen auch sagen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn Sie vom Sport so wenig verstehen wie von der Sicherheit, dann ist das in Wirklichkeit ein Armutszeugnis. (Abg. Leikam: Fehlstart! Zurück an den Start! Ein klassischer Bauchfleck!)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Vizekanzlerin! Ich bin dankbar für das, was Sie in Wirklichkeit tun! Das sage ich auch als Steirer nicht ganz ohne Stolz, weil ich weiß, dass in letzter Zeit auch in der Steiermark viel weitergeht. Die Steiermark ist ja letztendlich auch die Fußballhochburg, und ich hoffe, dass wir bei der Ausrichtung der Europameisterschaften doch auch Graz berücksichtigen können. Die Steiermark wird ihren Beitrag dazu leisten. Wir wissen auch, dass die Frau Vizekanzlerin gemeinsam mit dem Landessportreferenten der Steiermark sehr darum bemüht ist, das Formel-I-Rennen zu unterstützen und einen diesbezüglichen Vertrag abzuschließen.


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Insofern ist für mich zum ersten Mal seit langem Sportpolitik erkennbar. Ich bin dankbar dafür, dass es so gut gehen kann, und denke, die SPÖ sollte sich an dieser Form der Sportpolitik ein Beispiel nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten, zweite Wortmeldung. – Bitte.

11.25

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich brauche nur zwei Minuten, Herr Präsident, aber es kann ja wirklich nicht unwidersprochen bleiben, was Kollege Miedl hier gesagt hat.

Dem, was Kollege Brosz und ich hier vorgetragen haben, ist nicht einmal von der Vizekanzlerin widersprochen worden. Wir waren uns über weite Strecken einig, und das ist auch okay. Wenn Sie jetzt hergehen und irgendwelche Initiativen bejubeln, die Sie selber ins Leben rufen, so ist das Ihr gutes Recht. Das ist auch in Ordnung. Und wenn ein Abgeordneter den anderen darauf hinweist, dass er in seinem privaten oder Funktionärsleben noch mehr initiieren sollte, so ist das eine Geschichte. Die andere ist, was die Sportpolitik als solches tun soll. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich habe nicht von der Frauenförderung im Allgemeinen und von der Mädchenförderung im Besonderen und schon gleich gar nicht von dieser Förderung in Graz geredet, sondern vom Frauenfußball in Österreich und davon, was es in diesem Bereich an Behinderungen gibt. Ich glaube, wir waren uns da einig. Daher verstehe ich nicht, was Herrn Kollegen Miedl plötzlich so bewegt. Es war ja nicht einmal Polemik seinerseits, überhaupt nicht, sondern er hat irgendetwas gehört und hat dann halt einfach drauflos geredet und sich selbst bejubelt, weil er in Graz irgendeine Weltmeisterschaft initiiert.

Wenn das gelingt, dann gratuliere ich dir! Das ist eine feine Sache. Ich werde das bewerben, ich werde vorbeikommen und mir anschauen, ob das auch für mich eine Möglichkeit wäre, initiativ zu werden. Aber wenn Sie das als Job eines Abgeordneten verstehen und sich dann auch noch von dieser Stelle aus damit beweihräuchern, dann muss ich Ihnen sagen, Sie werden für das Falsche bezahlt, Kollege Miedl! Gründen Sie lieber einen Animationsverein in Graz! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brix. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.26

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Der Sportbericht über das Jahr 1999 weist eine sehr gute Grundlage für die Sportverbände aus. Eine besonders gute Grundlage in dieser Zeit war, dass wir damals eine Novellierung des Glücksspielgesetzes zustande gebracht haben, denn dadurch war es dann möglich, dass die Sportverbände, vor allem jene Sportverbände, die nicht ständig im Rampenlicht des Fernsehens stehen, doch einiges an Geldmitteln bekommen und damit auch kontinuierlich ihren Aufbau im Sportwesen vorantreiben.

Frau Vizekanzlerin! Sie haben vorhin gesagt, in den Dach- und Fachverbänden sei Rot und Schwarz vertreten. – Ich sage Ihnen, Frau Vizekanzlerin, dass sich die Fachverbände ihre Verantwortlichen selbst aussuchen, diese in freier demokratischer Wahl wählen und sich nicht vorschreiben lassen werden, wen sie gerne an ihrer Spitze haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Vorschlag für mehr Kontrolle bei den Verbänden und Vereinen wird sich nur dort umsetzen lassen, wo Sie staatliche Mittel zuschießen. Aber jene Sportverbände, die sich selbst um ihre finanziellen Mittel zu kümmern haben, sind selbst für ihre Gebarung und deren Kontrolle verantwortlich und werden sich von niemandem, aber schon von gar niemandem etwas dreinreden lassen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Ein sehr wichtiger Meilenstein – weil heute der Name schon öfters gefallen ist und weil dann auch noch über Drogenpolitik gesprochen werden wird –, ein sehr wesentlicher Meilenstein war, dass sich der damalige Sportsekretär Peter Wittmann dafür eingesetzt und auch die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass in Seibersdorf eine Doping-Kontrollstelle, ein Doping-Labor errichtet wird. Im Gegensatz zu den Freiheitlichen, die im Wiener Wahlkampf die Leute verunsichern wollten, indem sie gesagt haben: Die Roten und die Grünen wollen die Drogen freigeben!, haben die Roten dafür gesorgt, dass es eine Doping-Kontrollstelle in Österreich gibt. Ich bin sehr froh, dass diese jetzt in Seibersdorf eingerichtet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir verunsichern die Bevölkerung nicht, sondern wir treten dafür ein, dass die Sportler nicht verunsichert werden! Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! In der heutigen Fragestunde hat Herr Abgeordneter Brosz schon darauf hingewiesen, dass es beim Fußball das Problem gibt, dass die Nicht-Österreicher, die in der Jugendmannschaft gespielt haben, nicht mehr in die Kampfmannschaften integriert werden können.

Ich halte zunächst fest, dass es dieses Problem nicht nur im Fußball gibt, sondern auch in vielen anderen Sportarten, so zum Beispiel auch im Schwimmbereich. Es gibt sehr viele junge Menschen, die in Österreich leben, deren Eltern wir eingeladen haben, nach Österreich zu kommen und hier zu arbeiten, und deren Söhne und Töchter betreiben hier Sport. Und dann, wenn sie 18 Jahre alt werden, haben wir dieses Problem.

Es besteht halt ein gewaltiger Unterschied: Ausländerproblem ist nicht gleich Ausländerproblem. Es gibt da einen gewaltigen Unterschied. So wurde zum Beispiel bei Sturm Graz Herr Sidorczuk plötzlich eingebürgert, nur weil Herr Westenthaler eine Zeit lang in der ersten Reihe des Stadions von Sturm Graz gesessen ist (Abg. Mag. Schweitzer: Das stimmt ja nicht, der ist weiter oben gesessen!), und damit wird die Meisterschaft beeinflusst.

Auf der anderen Seite aber verfasst die Freiheitliche Partei dieses fürchterliche Pamphlet (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), wie jetzt in meinem Heimatbezirk Simmering, wo Herr Westenthaler als "Gastarbeiter" fungiert hat. Er war aber anscheinend nur bis Sonntag Mittag zugegen, denn dann war er verschwunden, und seither haben wir ihn nicht mehr gesehen. Er musste wahrscheinlich den an "Rotlauf" erkrankten Jörg Haider in Kärnten behandeln – der hat jetzt sicher diese Erkrankung (Beifall bei der SPÖ), nachdem er mit seiner "Lebensgefährtin" Frau Pablé wieder verschwunden ist. Jetzt hat Frau Pablé keinen Haider, und Haider hat keine Pablé – sie bleibt jetzt doch im Parlament, hat er gesagt, sie darf nicht nach Wien gehen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber welche Rolle spielen schon Worte im Wahlkampf der Freiheitlichen? – Ihre Worte haben weder im Wahlkampf noch sonst irgendwo Gewicht. Es sind ganz einfach ungewichtige und unwahre Worte. Herr Westenthaler ist zwar gegen Ausländer in Simmering, aber für Ausländer bei Sturm Graz! (Abg. Böhacker: Das war jetzt etwas wirr!)

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf etwas ganz anderes zu sprechen kommen: Sehr geehrte Frau Sportminister, Sie haben heute hier gesagt – ich glaube, ich kann Sie zitieren –, dass Sie als Vizekanzlerin und Sportministerin in St. Anton waren, weil Sie an dieser Großsportveranstaltung Österreichs teilgenommen haben.

Sehr geschätzte Frau Vizekanzlerin! Heute Abend findet in ... (Abg. Mag. Mainoni spricht mit der auf der Regierungsbank sitzenden Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. – Ruf bei der SPÖ: Ist der Mainoni jetzt auch schon Minister?)  – Ach so, ich habe geglaubt, das ist ein Beamter von ihr. Entschuldigung, ich kenne den Herrn ja nicht. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Sie werden ihn noch kennen lernen!)

Heute Abend, Frau Vizekanzlerin, findet in Wien ein bedeutendes Sportereignis statt. Heute Abend spielt Österreich gegen Israel um die Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft. Wenn Sie, wie Sie sagen, Sportministerin sind – und das sind Sie laut Gesetz –, dann tragen Sie


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auch für den Sport die Verantwortung. Ich fordere Sie daher hier auf: Distanzieren Sie sich heute hier im Sinne unserer Freunde und Gäste aus Israel, distanzieren Sie sich von den antisemitischen Äußerungen Jörg Haiders in Ried, und entschuldigen Sie sich bei der israelischen Bevölkerung und bei den israelischen Fußballern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kopf. )

Wenn Sie Sport ernst nehmen, dann treten Sie hin und sagen Sie: Ich entschuldige mich für diese antisemitischen Äußerungen Jörg Haiders! – Nur dann werden Sie auch Ihrer Funktion als Sportministerin gerecht werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: ... schon am Vormittag! – Abg. Böhacker: Ich fürchte, er hat sich diese Rede selbst geschrieben! – Weitere Zwischenrufe.)

11.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hetzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.33

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Was Herrn Kollegen Brix zum Sportbericht alles so einfällt, sollte fast Erwähnung in einem der nächsten Sportberichte finden. Es ist das ganz bemerkenswert.

Der Sportbericht 1999 gibt unter anderem auch detailliert Aufschluss darüber, welche Fördermittel hier in großzügiger Form vergeben wurden. Es ist das im Grunde nichts anderes als ein Abbild der gesamten Förderpolitik, die die SPÖ über Jahrzehnte betrieben hat. Da dieser Bericht noch in die Zuständigkeit des Herrn Kollegen Wittmann fällt, ist das schon sehr bezeichnend: Es wurden nie Parameter angewendet, die in irgendeiner Form die Förderungswürdigkeit oder die Wirtschaftlichkeit von Projekten berücksichtigt hätten.

Der vom Kollegen Kogler heute schon angesprochene Rechnungshofbericht gibt dazu ein vernichtendes Urteil ab. Er stammt aus dem Jahre 1994, und ich möchte Ihnen einige Dinge daraus in Erinnerung rufen, die ich ganz bemerkenswert finde.

Genau das war die sozialistische Förderpolitik: Beamte, die gleichzeitig Funktionäre bei Sportvereinen waren, haben hier die Hand aufgehalten – und das nicht nur einmal. Das hatte dann zur Folge, dass die Vereine enorme Rücklagen gebildet haben.

Der Rechnungshof hat daraufhin verlangt – das lag damals in der Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes unter Kanzler Vranitzky –, dass das Bundeskanzleramt eine Zusage über mehrjährige Förderungskonzepte geben soll. Das Wort "Konzept" war aber leider ein Fremdwort für die SPÖ. Das Bundeskanzleramt hatte auch in Aussicht gestellt, Maßstäbe dahin gehend anzulegen, was förderungswürdig ist, was zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Geschehen ist aber in all diesen Jahren – bis zum Jahre 1999 – nichts. Das Gießkannenprinzip hat weiterhin in der Politik des Bundeskanzleramtes in SPÖ-Hand den Ton angegeben.

Nun liegt ein Gesetzentwurf vor, der in Kürze im Sportausschuss diskutiert wird. In diesem geht es jetzt darum, mehr Objektivität und Transparenz in diesen Bereich zu bringen. Das ist ein Entwurf, der bereits den Ministerrat passiert hat. Zum ersten Mal versucht man, genau diese Kriterien anzuwenden.

Es geht darum, dass Förderungswerber dazu angeregt werden, dazu angehalten werden, Gutachten einzuholen, die ihre Investitionen rechtfertigen und belegen. Und genau das haben wir auch jahrelang gefordert: Es müssen Maßstäbe dafür angelegt werden, wie sorgsam mit Steuermitteln in diesem Land umgegangen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Sehr richtig!)

Das zusätzlich eingerichtete Controlling ist eine weitere Maßnahme, um diesen Aspekt zu unterstützen. Meine Damen und Herren! Ich denke, dass die Opposition nichts dagegen haben kann, wenn wir in diesem Bereich verstärkt tätig werden, in diesem Bereich mehr Transparenz schaffen. Ich bin mir absolut sicher, dass wir darauf aufbauen können und müssen, um im Interesse


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der Steuerzahler hier Transparenz zu schaffen und mit dem Steuergeld zweckmäßig, wirtschaftlich und vor allem sparsam umzugehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schasching. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.38

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer spricht mit einem Mitarbeiter) – und Berater! (Ruf bei den Freiheitlichen: Sie haben Sorgen!) Hohes Haus! Vielleicht haben die beiden Sorgen, aber ich hoffe, die Frau Ministerin leiht mir trotzdem ihr Ohr, auch wenn sie intensiv diskutieren muss. Ich hoffe es zum Wohle des Sports.

Den ErstellerInnen des Sportberichts, wie er uns heute vorliegt, geschätzte Damen und Herren, gebührt ein herzliches Dankeschön, und zwar allen Beamtinnen und Beamten, die damit ein sehr informatives Nachschlagewerk zur Verfügung gestellt haben. Der Bericht ist in der Tat sehr informativ und sehr aufschlussreich in vielen Punkten.

Ich möchte aber auch erwähnen, dass derjenige, der für diese Arbeit verantwortlich ist, dafür, dass dieses Werk, der Sportbericht für das Jahr 1999 zustande kommen konnte, Dr. Peter Wittmann ist. All das lag in seinem Verantwortungsbereich. Auch ihm gebührt der Dank für die damalige Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Sportbericht finden wir unter der Überschrift "Sport und Gesellschaft" auch das kleine Kapitelchen "Frauen und Sport" – immerhin zwei Seiten umfassend. Ich möchte darauf hinweisen, dass trotz sozialdemokratischer Frauenpolitik, die hervorragend war und auch noch immer ist, viele Punkte der Gleichberechtigung im Sport noch nicht umgesetzt werden konnten. Diesem Teilbereich gilt mein besonderes Augenmerk, und diesen Teilbereich möchte ich anhand des Sportberichtes jetzt auch behandeln.

Sport hat in eine aufgeklärte Frauenpolitik noch nicht Einzug gehalten, daher gilt es, im Breiten- wie im Spitzensport entsprechende Förderungsmaßnahmen zu setzen.

Der Anteil der Mitgliedschaft von Frauen in Vereinen ist zwar, wie die Statistik zeigt, von 1950 mit 10 Prozent auf nunmehr 41 Prozent gestiegen, und das ist ein bemerkenswerter Aspekt. Ich denke, das gehört aber noch wesentlich erhöht.

Aus dem Sportbericht geht hervor, dass in einem bilateralen Abkommen mit Deutschland, in einem Workshop "Frauen und Sport" schon 1999 versucht wurde, diesen Bereich zu forcieren. Frau Vizekanzlerin, ich hoffe, dass Ihr Bekenntnis zum Thema "Frauen im Sport", dazu, diesen Bereich zu forcieren, nicht ein Lippenbekenntnis bleibt und dass Sie sich, so wie es zum Beispiel im Deutschen Sportbund schon seit 1996 umgesetzt ist, irgendwann dazu durchringen können, gemeinsam mit den Regierungsfraktionen einen Frauenförderplan im Sport einzurichten. Ich habe das schon im vergangenen Jahr angeregt, konnte dafür jedoch noch keine Zustimmung finden. Aber vielleicht ist das in Zukunft möglich, und Ihr Bekenntnis bleibt kein Lippenbekenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters können wir dem Frauen-Kapitel im Sportbericht entnehmen, dass in den verschiedenen Organisationen auch angeregt wurde, Arbeitsgruppen zur Erhöhung des Frauenanteils einzurichten, sich verschiedener Themen anzunehmen, deren Umsetzung vor allem im ASKÖ im vergangenen Jahr durch das Jahr der Frau im Sport unter der Kampagne "Sport mach mit!, Frauen, macht mit!" eine ganz besondere Hervorhebung erfahren hat. Zum Abschluss dieser Kampagne konnten wir ganz stolz einige Siegerinnen dieser Kampagne präsentieren, und eines der Projekte möchte ich als besonders bemerkenswert hervorstreichen.

Die Siegerinnen des ASKÖ-Bewerbes, die ein Frauenprojekt umgesetzt haben, sollten zeichengebend für die Zukunft sein. Dabei ging es darum, dass die Frauen des ASKÖ Comperdell für das Projekt "Frauen fördern und betreuen Frauen" geehrt wurden. Ich denke, das ist eine Sa


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che, die wir uns auch für die Zukunft vornehmen müssen. Es geht dabei um ein Mentorinnen-Prinzip, bei dem erfolgreiche Sportlerinnen anderen unter die Arme greifen und so versuchen, Frauen in die Vereine und in die aktive Sportausübung zu bringen.

In diesem Sinn möchte ich noch einmal an Sie appellieren, Frau Bundesministerin: Der Frauenförderplan soll kein Lippenbekenntnis bleiben, er sollte zur Umsetzung kommen – ich werde sicher noch einmal einen entsprechenden Antrag einbringen –, und die Mittel für die Frauenförderung sollten nicht gleich bleiben, sondern in Zukunft erhöht werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.43

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Behindertensport steht vor großen Herausforderungen – so der Titel auf Seite 197 des gegenständlichen Berichtes.

Der Behindertensport steht deswegen vor großen Herausforderungen, weil einerseits – und das ist ja durchaus erfreulich – die Zahl jener behinderter Menschen, die am Sport teilnehmen wollen, ständig steigt, und weil andererseits der Kreis jener Menschen, die unter den Begriff "Behinderte" fallen, erweitert wird.

Da gibt es einerseits die klassischen Behindertenvereine, in denen etwa Amputierte, Blinde, Sehbehinderte, Gehörlose, Hörbehinderte, mental Behinderte und Behinderte mit Lähmungen aktiv tätig sind, und einen zweiten Kreis von behinderten Personen, etwa Menschen nach Organtransplantationen, Infarktgeschädigte, also Personen, bei denen man die Behinderung nicht auf den ersten Blick erkennen kann.

Es ist durchaus verständlich, dass sich der Österreichische Behindertensportverband prima vista, in einer ersten Aussage überfordert fühlt, auch die zweite Gruppe in seinen Bereich einzugliedern, insbesondere im Lichte der Tatsache, dass die vorhandenen finanziellen, personellen und organisatorischen Ressourcen schon jetzt nicht ausreichen.

Es wird daher unser aller Aufgabe sein, dem Behindertensport mit einem Bündel an Maßnahmen hilfreich zur Seite zu stehen. Erstens müssen sich die örtlichen Sportvereine stärker als bisher für den Behindertensport öffnen. Es wird Aufgabe der Länder und der Gemeinden sein, im Rahmen ihrer Subventionspolitik für diese Sportvereine Lenkungseffekte zu erzielen.

Zweitens wird es notwendig sein, eine Verbesserung der Behindertensportvereine im Hinblick auf die Schule zu erreichen. Dazu wird es auch erforderlich sein, eine entsprechende Ausbildung des Lehrkörpers im Turnbereich durchzuführen.

Drittens wird es notwendig sein, mittel- und langfristig die finanziellen Ressourcen für den Österreichischen Behindertensportverband abzusichern, um allen Gruppen von Behinderten entsprechende Angebote unterbreiten zu können.

Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur um den Breitensport im Behindertenbereich, sondern es wird auch notwendig sein, den Spitzensport im Bereich der Behinderten nachhaltig zu fördern. Ein wesentliches Signal im Spitzensport der Behinderten ist für alle behinderten Menschen ein Zeichen, sich mehr als bisher aktiv am Sport zu beteiligen.

Ich danke der Frau Vizekanzlerin dafür, dass sie in einer Anfragebeantwortung klar und deutlich zum Spitzensport im Behindertenbereich Stellung genommen hat. Sie teilt darin unter anderem mit, dass die Finanzierung des Spitzensports behinderter Menschen ein wichtiger Schwerpunkt des Regierungsübereinkommens ist. Ich bedanke mich weiters bei der Frau Vizekanzlerin dafür, dass es ihr erklärtes Ziel ist, den behinderten Sportlerinnen und Sportlern, die großartige Leistungen erbringen, jene Anerkennung zu verschaffen, die sie verdienen. Und ich danke der Frau


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Vizekanzlerin weiters dafür, dass sie erreicht hat, dass die Förderung des österreichischen Behindertensports keiner Budgetbindung unterworfen wurde und für das Jahr 2002 im Rahmen der allgemeinen Bundessportförderung zusätzlich erhöht wurde. Herzlichen Dank, Frau Vizekanzlerin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich appelliere an dieser Stelle an die Medien, vor allem an den ORF und insbesondere auch an die Printmedien, dem Behindertensport in ihrer Berichterstattung mehr Bedeutung zuzumessen. Ich appelliere aber auch an die Wirtschaft, den Behindertensport stärker als bisher zu sponsern. Es muss uns gemeinsam gelingen, dem Behindertensport auch in Österreich jene Bedeutung zukommen zu lassen, die er etwa in den Vereinigten Staaten hat.

Ich hatte Gelegenheit, im Bereich der Special Olympics in Schladming und Salzburg nicht nur als Zuseher dabei zu sein, sondern als ehrenamtlicher Helfer und Mitarbeiter. Ich konnte dabei persönlich feststellen, wie etwa ein Arnold Schwarzenegger und der gesamte Kennedy-Shriver-Clan weltweit für den Behindertensport eintreten.

Wenn es uns gelingt, all diese Maßnahmen umzusetzen, dann wird der Behindertensport die großen Herausforderungen des dritten Jahrtausends auch bewältigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. Ihre Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

11.48

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sportbericht 1999 liegt vor, das wurde heute schon des Öfteren erwähnt. Er ist übersichtlich und gut aufbereitet worden. Ich möchte mich daher bei allen Beamtinnen und Beamten bedanken, die mit der Erstellung dieses Berichtes befasst waren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Einige Anmerkungen möchte ich aber dennoch machen. Es wurden entsprechende Grundlagen für die Ausgliederung der Bundessporteinrichtungen geschaffen. Diese Umstrukturierung und Neuorganisation ist positiv zu werten, und die Rahmenbedingungen einer privatwirtschaftlich geführten Kapitalgesellschaft sind zu erfüllen.

Der Geschäftsverlauf des Jahres 1999 war gekennzeichnet von einem Übertreffen des operativen Planergebnisses. Auffällig ist die Steigerung der Nächtigungszahlen und der positiven Auslastung. Der darüber hinaus vorgegebene Förderungsauftrag wurde erfüllt. Das ist insbesondere an der starken Nutzung der Bundessporteinrichtungen durch förderungswürdige Sportlerinnen und Sportler ersichtlich und sehr positiv.

Ich persönlich weiß das aus Erfahrung, da unsere burgenländischen Vereine, vor allem aus der Sparte Judo und Jiu-Jitsu, ihren Trainingslehrgang fast jedes Jahr im Bundessport- und Freizeitzentrum Hintermoos verbringen. Auch heuer werden wieder 120 Sportlerinnen und Sportler eine Woche im Sommer dort verbringen.

Die Infrastruktur dieses Sportheims wurde in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Es gibt eine modern ausgestattete Dreifach-Turnhalle, fünf Tennisplätze, eine Kraftkammer, einen großzügigen Saunabereich sowie ein neu saniertes Schwimmbecken für den Sommer.

Sowohl im Sommer als auch im Winter – im Winter stehen erfahrene Schilehrer zur Verfügung – ist Hintermoos eine ideale Sporteinrichtung. Mit dem Leiter des Bundessport- und Freizeitzentrums Franz Genser und dem übrigen Personal gibt es eine hervorragende Zusammenarbeit, und jeder, der das Haus besucht hat, ist vollkommen zufrieden und kommt gerne wieder. Seit 30 Jahren – so lange bin ich Sportfunktionärin, Herr Kollege Miedl; ich weiß nicht, ob er jetzt im Saal ist –, geht es mir so.


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Positiv ist zu bemerken, dass seit der Ausgliederung der Bundessportheime die Auslastung weiter gesteigert werden konnte. Außerdem ist diese Bundessporteinrichtungen GesmbH ein großer und wichtiger Wirtschaftsfaktor, nicht nur in der Region, sondern für ganz Österreich.

Herr Abgeordneter Grollitsch hat gemeint, die Ausgliederung wäre eine Idee der Freiheitlichen gewesen – na, dann habt ihr halt einmal eine gute Idee gehabt. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Stimmt! Bravo! Das war noch unter Ausserwinkler!)

Ich persönlich begrüße diese Ausgliederung, Herr Kollege Schweitzer, und ersuche, es dabei zu belassen und nicht an eine Privatisierung zu denken.

Ich möchte an dieser Stelle allen Sportlerinnen und Sportlern sowie allen Funktionärinnen und Funktionären für ihre Leistungen und für ihre Arbeit im sportlichen Bereich herzlich danken.

Meine Fraktion wird diesem Sportbericht die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Ing. Kurt Scheuch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.52

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoch geschätzte Frau Vizekanzler! Herr Präsident! Es sei mir erlaubt, eingangs doch zwei Worte an meine Vorredner zu richten, auch an meinen besonderen Freund Toni Leikam, der, wie ich weiß, den Auftrag hat, über den Sportstättenbau in Kärnten eine Untersuchung vorzulegen. Zwei Jahre schon warten wir auf die Ergebnisse dieser Untersuchung, aber wahrscheinlich bräuchten wir, wenn wir nach dieser Untersuchung vorgingen, das Geld gar nicht auszugeben. – Lieber Toni, ich würde dich bitten, dass du dort mehr Energie investierst.

Zur Debatte, die man hier über Sport und Antisemitismus führen wollte, möchte ich meinem Kollegen Kogler Folgendes sagen: Ich hoffe, er wird einen etwaigen Torschuss oder einen Torerfolg der österreichischen Mannschaft beim heutigen Länderspiel nicht auch noch antisemitisch kommentieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Ha, ha! – Abg. Brosz: Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun zum Thema selbst. Es war mir vergönnt und ich hatte das Glück, an einer Sportenquete in Villach teilzunehmen, an der außer den Villacher Sportlern und den Kärntner Sportverbänden ... (Anhaltende Zwischenrufe.) – Meine lieben Freunde von der linken Reichshälfte! Sie sollten nicht mit solchen Zwischenrufen hier agieren, sondern eher ein bisschen mehr dem Denksport frönen und mir zuhören, dann würde das vielleicht auch positiv auf das Klima hier in diesem Saal wirken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Das ist eine Fortsetzung! Das ist ungeheuerlich!)

Bei der erwähnten Sportenquete in Villach waren alle Dachverbände anwesend. Herr Leikam wird mir das bestätigen. Es waren die Skispringer, die Fußballspieler und die Fachverbände dort, auch Organisationen des Schulsports waren anwesend, und Behindertensportler wurden bei dieser Enquete geehrt. Es waren auch viele, wie ich glaube, sehr namhafte Sportler bei dieser Veranstaltung anwesend, zum Beispiel Karoline Käfer, Heinz Kuttin, Elmar Lichtenegger und so weiter.

Ich war wirklich stolz darauf, das muss ich hier auch sagen, mit welcher Bravour und mit welcher Sachkompetenz diese Diskussion von der Vizekanzlerin geführt wurde, die sämtliche kritischen Fragen zur Zufriedenheit des gesamten Publikums beantwortet hat. Sie hat dort auch einen neuen Weg aufgezeigt, den man im Sport gehen könnte, und sie hat diesen Weg, der in Kärnten teilweise schon gegangen wird, immer unterstützt und auch federführend dazu beigetragen, dass zum Beispiel die Marke "Kärnten Sport" umgesetzt wurde.


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Die Marke "Kärnten Sport" – das ist ein sehr interessanter Bereich – hat es geschafft, innerhalb eines Jahres 12 Millionen Schilling zusätzlich zu den normalen Förderungsmitteln für die Nachwuchs- und Spitzensportförderung zu lukrieren. Sie hat es geschafft, Sportler wirklich sozusagen freizuschalten und für Werbeverträge der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Das ist eine Anregung, die man heute hier einbringen muss, denn das Sponsoring im Sportbereich hat durchaus eine große Zukunft, und man könnte sich auch vorstellen, in diesem Bereich Steuererleichterungen durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine weitere wichtige Forderung wurde in Kärnten durch einen freiheitlichen Landessportrat erfüllt: Das Haus des Sportes und der Jugend wurde installiert. Das ist eine sehr positive Sache, wie zum Beispiel auch die Leistungssportzentren.

Das Leistungssportzentrum in der Innerkrems, wo die öffentliche Hand 100 Millionen Schilling investiert hat – ich betone: 100 Millionen Schilling! –, hat internationale Bedeutung erlangt. Aus dieser "Kaderschmiede" kommen Weltcupsieger, immerhin 77 Prozent aller Weltcupsieger trainieren dort, und die dadurch entstehende Wertschöpfung und die Infrastruktur in dieser Region sind sagenhaft und wirklich zu bewundern.

Das Ganze betrifft auch den HSNS-Bereich. Und weil es gerade dazupasst, möchte ich von dieser Stelle aus noch die Bitte an die Vizekanzlerin und Sportministerin richten, sie möge weiterhin ihre Energie so wie bisher dafür einsetzen, dass die Fussball-EM 2008 in Österreich stattfindet und dass es in diesem Zusammenhang, wenn dieses Projekt gesichert ist, zu einem Sportstättenbau im Süden Österreichs kommt, nämlich im Bundesland Kärnten. Das ist wirklich notwendig, und die Frau Vizekanzlerin hat das bei der Sportenquete schon betont und auch vorhin wieder. Dafür möchte ich ihr auch hier besonderen Dank aussprechen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Besonderer Dank gilt natürlich auch, und das sei hier ausdrücklich betont, den ehrenamtlichen Funktionären im Bereich des Sports. Ich denke – und das wurde auch bei der Sportenquete angesprochen –, dass die Verbesserung der Ausbildung dieser ehrenamtlichen Sportfunktionäre eines der wichtigen Zukunftsthemen in diesem Bereich ist. Man könnte sich durchaus auch eine Akademie vorstellen, in der sozusagen die Qualitätsverbesserung im Bereich dieser Funktionäre durch bessere Ausbildung forciert wird.

Auch Sportevents und Tourismus wurden angesprochen. Der Ironman, die Beach-Volleyball-Trophy, der Österreich-Grand-Prix, Skirennen und so weiter sind eine wichtige Visitenkarte Österreichs im Ausland, und das muss noch verstärkt werden. Die Bundesministerin für Sport ist auf dem richtigen Weg und wird von uns unterstützt.

Summa summarum ist es so, dass wir den erfolgreichen Weg des Sports, der Sportpolitik in Österreich weiterführen wollen, um uns mit Unterstützung unserer Vizekanzlerin wirklich sozusagen in goldene Medaillen-Zukunftszeiten zu bewegen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile ihm das Wort.

11.58

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bekannt ist, bin ich nicht der Sportredner oder die Sportrednerin meiner Fraktion (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP), aber die Entgleisung meines Vorredners, die Sie alle miterlebt haben, verlangt ein paar Klarstellungen.

Ich wäre persönlich froh (Abg. Ing. Westenthaler: Pilz: Sport statt Drogen!), wenn Österreich gegen Israel heute Abend ein ganz normales Fußballmatch wäre. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Und ich wäre froh, wenn die Frau Vizekanzlerin als Ressortzuständige auf die Hinweise meines Kollegen Otmar Brix nicht mit Lachen und Kopfschütteln geantwortet hätte.


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Nach wie vor ist eine Erklärung ausständig. Und ich kann mit Sicherheit nicht akzeptieren, dass man vor der Wahl Juden beschimpft und nach der Wahl ein wunderbares Fußballmatch mit Israel genießt. (Abg. Achatz: Das ist ungeheuerlich!)

Auch die israelischen Sportlerinnen und Sportler lesen Tageszeitungen und fragen sich, in welches Land sie kommen (Beifall bei den Grünen), und auch sie haben das Recht, in einer Art und Weise empfangen zu werden, dass sie sich uneingeschränkt in diesem Land und in dieser Stadt Wien als Gäste fühlen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Vizekanzlerin! Eine Entschuldigung in Ihrer Funktion, und zwar nicht in der Bundesregierung, sondern als Parteichefin, ist ausständig und längst überfällig. Aber wenn Sie als Vorsitzende einer antisemitischen Partei nicht zu dieser Entschuldigung in der Lage sind (Rufe der Empörung bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Krüger: So etwas Mieses! Sie sollten sich schämen! – Abg. Achatz: Das ist eine unbeschreibliche Schweinerei! – weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), dann fordere ich Sie auf, im Interesse Österreichs an diesem Abend zumindest zu Hause zu bleiben. (Beifall bei den Grünen. – Pfui- sowie Raus-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ordnungsruf! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

12.0


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1

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Pilz! Für die Bemerkung an die Frau Vizekanzlerin "Sie als Vorsitzende einer antisemitischen Partei" erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung des Abg. Dr. Pilz –: Mieser Marxist! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

12.01

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Pilz! Wenn es hier eine Entgleisung gegeben hat, die gerügt gehört, dann ist es sicher die von Ihnen, und sie ist auch vom Herrn Präsidenten entsprechend gerügt worden. (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Heute Abend findet in Wien ein Fußballspiel statt, das sicher nicht ein Fußballspiel wie jedes andere ist, weil es zwischen zwei Ländern stattfindet, zwischen denen es, aus der Vergangenheit herrührend, eine sensible Situation gibt. Der Österreichische Fußballbund hat schon eine Mehrzahl solcher Spiele organisiert und hat auch in der Vergangenheit bewiesen, dass er mit sehr viel Fingerspitzengefühl vor diesen Spielen imstande war, eine Situation zu schaffen, die es verhinderte, dass es zu einer Eskalation kam. Gerade beim letzten Spiel vor nicht allzu langer Zeit in Wien war er in der Lage, eine Situation unter den Zuschauern zu schaffen, dass die Gäste aus Israel in Wien als Gäste begrüßt worden sind, als Gäste im Stadion begrüßt und beklatscht worden sind.

Aber ich habe leider – und das zeigt auch, wie sensibel die Situation zwischen den beiden Ländern ist – auch erleben müssen, dass beim letzten Auswärtsspiel die österreichische Mannschaft in Israel ganz anders empfangen worden ist. Es wurde nämlich schon während des Absingens der österreichischen Bundeshymne – und das wurde den Menschen in Österreich per TV in ihre Wohnzimmer geliefert – unsere Mannschaft und unser Land ausgepfiffen.

Ich möchte bei allem Verständnis für die Sensibilität dieses Themas dennoch sagen: Das war nicht in Ordnung! Wir haben noch viel daran zu arbeiten – in unserem Land, aber auch die Israelis in ihrem Land –, dass sich diese Situation entspannt, sodass Fußballspiele – zwischen welchen Ländern auch immer – künftig Fußballspiele sein können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

12.04

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gelingt Kollegen Pilz immer wieder, egal, was auf der Tagesordnung steht, einen Ordnungsruf zu bekommen – vor allem auch deshalb, weil er nur eines zum Ziel hat: Er kommt heraus, um zu diffamieren. Das ist sein Ziel, deshalb ist er in dieses Gremium wieder hereingekommen. Sein Ziel ist es, zu diffamieren.

Herr Kollege Pilz! Wenn Sie sich schon mit Antisemitismus auseinander setzen, dann sollten Sie nicht etwas, was mit Antisemitismus nichts zu tun hat, in den Mittelpunkt Ihrer Rede stellen, nämlich die Auseinandersetzung eines Politikers mit einer einzelnen Person, sondern Sie sollten in den Mittelpunkt Ihrer Rede das stellen, was ein hochrangiger Funktionär Ihrer Freunde erst vor kurzem in einem Interview gesagt hat.

Dieser hochrangige Funktionär hat den Staat, in dem die Zionisten zu Hause sind, zum "Muster eines Unrechtsstaates der Rassendiskriminierung" erklärt. Er hat den neuen Staatschef dieses Staates als "Schlächter von Beirut" bezeichnet. Aber Sie kennen ja ohnehin all das, was er in diesem Interview noch von sich gegeben hat. Er hat unter anderem von "zionistischen Extremisten", von "Brandstiftern", von "Kindermördern" et cetera gesprochen.

Vom Organ des Bundes Sozialdemokratischer Juden liegt wegen dieser wüsten Hetzrede gegen Israel auch eine Distanzierung und Verurteilung vor.

Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen die Gelegenheit gegeben, selbiges zu tun: der SPÖ und den Grünen. Im Gegensatz zum Organ des Bundes Sozialdemokratischer Juden haben Sie es bisher unterlassen, sich von diesem Antisemiten hier zu distanzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Die Grünen haben mitgestimmt!)

12.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Schweitzer! Sie haben im Zuge Ihrer Ausführungen, an den Herrn Kollegen Pilz gewendet, gesagt: "Sie kommen hier heraus, um zu diffamieren". – Das impliziert, dass der Herr Abgeordnete ein Diffamierer ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Dafür erbringe ich den Nachweis!) Auch in der Vergangenheit haben wir dafür Ordnungsrufe erteilt. Und dafür erteile ich Ihnen auch jetzt einen Ordnungsruf. (Abg. Mag. Schweitzer: Und ich erbringe den Nachweis dafür!)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, gemäß § 58 Abs. 2 mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen. – Bitte.

12.07

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schweitzer hat behauptet, wir hätten uns bei keiner Gelegenheit von den antisemitischen Äußerungen Herrn Blechas distanziert. (Abg. Mag. Schweitzer: Stimmt!) Zum Glück hat über einen Antrag in diesem Nationalrat keine geheime, sondern eine offene Abstimmung stattgefunden, in dem eben diese Äußerungen verurteilt worden sind, und alle Mitglieder unserer Fraktion haben diesem Antrag zugestimmt. (Abg. Ing. Westenthaler: Er hat die SPÖ gemeint! Die SPÖ ist sitzen geblieben!)

Wenn es mir so gelungen ist, Herr Kollege Schweitzer, Ihr Gedächtnis aufzufrischen, dann erfüllt mich das mit Genugtuung. Wir sind auf keinem Auge blind! (Beifall bei den Grünen. – Hahaha-Ruf bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war eine Frontalattacke auf die SPÖ!)

12.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer zweiten Wortmeldung hat sich Herr Abgeordneter Brix gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es gelingt den Freiheitlichen immer wieder, dass sie mit bestimmten Aussagen auf


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den Antisemitismus hinweisen, und dann versuchen sie, vom Thema abzulenken, indem sie dieses in eine ganz andere Richtung und Bahn bringen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Blecha!)

Ich fordere Sie auf, Frau Vizekanzler: Wenn Ihnen an dem Zusammenführen zweier Nationen – noch dazu einer Nation wie Israel, die so viel Leid über sich hat ergehen lassen müssen – etwas liegt, dann entschuldigen Sie sich (Abg. Böhacker: Charly Blecha!) beim Land Israel für die antisemitischen Äußerungen Ihres Landesparteiobmannes von Kärnten, Jörg Haider! (Rufe bei den Freiheitlichen: Blecha!) Distanzieren Sie sich von Herrn Landesobmann Haider! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Westenthaler, sind Sie schon wieder aufgetaucht? Ich habe geglaubt, Sie sind in Simmering im Seeschlachtgraben verkommen, nachdem Sie bei der Wahl so verloren haben. (Anhaltende Rufe bei den Freiheitlichen: Blecha!) Ich darf Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Unser außenpolitischer Sprecher, Herr Abgeordneter Peter Schieder, hat sich sofort beim Botschafter Israels dafür entschuldigt. Das ist der Unterschied! (Abg. Ing. Westenthaler: Aber hier hat er nicht mitgestimmt!)

Aber hier geht ein freiheitlicher Abgeordneter heraus und setzt diese Wortspielereien fort, um die Israelis zu diskriminieren. (Abg. Gaugg: Brix, hat es dich noch ganz? Tickt es bei dir noch richtig?) Das österreichische Parlament muss sich von so etwas distanzieren und muss sich gegen jede Art von Antisemitismus verwahren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Es darf nicht mehr so weit kommen, dass Menschen wegen einer anderen Religion, wegen eines anderen Glaubens nicht nur beleidigt werden, sondern auch, wie es sich herausgestellt hat, in den dreißiger Jahren ums Leben kamen. Ich verwahre mich dagegen auf das Schärfste!

Und ich fordere Sie nochmals auf, Frau Vizekanzlerin: Seien Sie Frau genug, stellen Sie sich hier her, distanzieren Sie sich von der Wortmeldung des Herrn Landeshauptmannes aus Kärnten (Abg. Gaugg: Es tickt bei dir nicht mehr richtig! Eine Gesundenuntersuchung fordere ich für dich, Brix!) und entschuldigen Sie sich bei den Israelis für diesen Ausritt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Gaugg  – in Richtung SPÖ –: Ich verlange eine Gesundenuntersuchung für Brix!)

12.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-71 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

2. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Entschließungsantrag 352/A (E) der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Erziehungsvereinbarungen der Schulpartner (509 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 233/A der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz BGBl. Nr. 242/1962, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 132/1998, geändert wird (510 der Beilagen)


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4. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Bürgerinitiative (6/BI) betreffend "Sicherstellung und gesetzliche Verankerung der Tätigkeit der Schülerberater und Schülerberaterinnen an Berufsschulen" (511 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu den Punkten 2 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.12

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die heute zur Beschlussfassung vorliegenden Anträge sind Ausfluss der Arbeit aus dem Unterrichtsausschuss. Ich möchte vorweg schon festhalten, dass nur drei von sieben Anträgen den Weg ins Plenum gefunden haben – ich werde zu diesen Anträgen auch kurz Stellung nehmen. Wichtige Anträge, insbesondere die Schüler, die Eltern, aber auch die Lehrer betreffende Anträge, wurden bedauerlicherweise vertagt.

Vertagt wurde jener Antrag, in dem die Sozialdemokraten angeregt haben, ein Sondermaßnahmenpaket zu beschließen, um die Ausbildung von Expertinnen und Experten für den Informations- und Kommunikationsbereich voranzutreiben. Wir glauben, dass da dringender Handlungsbedarf besteht.

Ebenfalls vertagt wurde der Entschließungsantrag der Sozialdemokraten, in dem gefordert wurde, Informations- und Maßnahmenpakete zur Konsumentenerziehung auszuarbeiten, und zwar im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, Jugendliche rechtzeitig und wirksam vor der Schuldenfalle zu warnen.

Vertagt wurde schließlich der Antrag der Grünen betreffend das Lehramtszeugnis für Behinderte. Dazu wird sicher von den Kolleginnen und Kollegen der Grünen jemand Stellung nehmen.

Was wir Sozialdemokraten aber ganz besonders bedauern, ist die Tatsache, dass der Antrag der SPÖ zur Ausweitung der Schülermitbestimmung in der letzten Sitzung des Unterrichtsausschusses ein zweites Mal vertagt wurde. Ich stehe nicht an festzuhalten, dass das schon ein ganz eigenartiges Licht auf die Koalition wirft. Sie legen offenbar – oder haben Sie Angst davor? – keinen Wert darauf, dass Schülerinnen und Schüler ein verstärktes Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht in den sie betreffenden Angelegenheiten in der Schule bekommen.

Sie wollen kein Recht der Schüler auf Schülerversammlungen, Sie wollen nicht, dass die Arbeit der Schülervertreter in der Schule entsprechend unterstützt wird, und Sie wollen auch nicht – und das schließe ich daraus –, dass es mehr Demokratie an den Schulen gibt.

Ich habe überhaupt den Eindruck, dass es den Regierungsparteien keineswegs darum geht, positive Weiterentwicklungen und Fortschritt in der Schulpolitik einzuleiten. Das Gegenteil ist leider der Fall: Ihre Politik besteht darin – wir haben es gestern bedauerlicherweise erleben müssen, wie Sie es gegen unsere Stimmen beschlossen haben –, im Bildungsbereich weiter einzusparen, dafür aber längst überholte pädagogische Instrumente wieder einzuführen. Wie sonst soll man die Formulierungen im vorliegenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Amon und Schweitzer verstehen, wenn darin neue "erzieherische Maßnahmen" zur Verfügung gestellt werden sollen, wenn neue "Erziehungsmittel" entwickelt werden und auf der Schulebene zum Einsatz kommen sollen, wenn ein straffer "Ordnungsrahmen" gefordert wird und manch anderes mehr? (Abg. Mag. Schweitzer: Das werde ich dir erklären!)

Ich meine schon, dass allein die Terminologie verräterisch ist und nach meinem Verständnis nichts Gutes erwarten lässt. In Ihren ersten Beamten-Entwürfen sollten sogar Erziehungsräte


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eingeführt werden, bei denen die Rechte der Schüler überhaupt nicht berücksichtigt waren. Das ist nicht der richtige Weg.

Dazu kommt noch, dass schon vor der heutigen Beschlussfassung hier im Hohen Haus ein Entwurf für das Schulunterrichtsgesetz vom Ministerium zur Begutachtung ausgesendet wurde, ohne dass vorher wirklich solide mit den Oppositionsparteien verhandelt wurde. Das ist nicht jene politische Kultur, die wir uns vorstellen! Außerdem darf ich Sie schon darauf aufmerksam machen und daran erinnern, dass derartige Gesetzesänderungen einer Zweidrittelmehrheit im Hohen Haus bedürfen.

Offenbar wollen Sie law and order, wollen Sie ein derartiges Klima in den Schulen wieder einführen. Das lehnen wir Sozialdemokraten striktest ab! (Abg. Jung: Sie wollen Unordnung!) Wir wollen ein anderes Klima – ein Klima der Toleranz, ein Klima des Miteinander, ein Klima der Motivation, ein Klima der Offenheit und der Kooperation, vor allem aber wollen wir ein Klima der Konfliktvermeidung und nicht der Konfliktahndung.

Ich glaube, Sie gehen von einem völlig überholten und pädagogisch falschen Ansatz aus. Ihr Weg führt in längst vergangene Zeiten zurück. Greifen Sie doch die Wege auf, die viele Schulen in Wien bereits gehen, wo Konfliktlösungsgruppen unter Einbeziehung aller Beteiligten, der Schüler, der Lehrer, der Eltern sowie der Moderatoren, eingesetzt werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jung. )

Setzen Sie sich, Herr Kollege, mit dem Konzept der "Alternativen zur disziplinären Maßnahmensetzung und zu Betragensnoten" auseinander! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie einmal, was bei den Schulen herauskommt!) Das haben Wiener Schülervertreter entwickelt und ausgearbeitet. Wischen Sie solche Ansätze nicht einfach vom Tisch und sagen Sie nicht immer: Das, was wir wollen, kommt, die anderen sind uns egal!

Meiner Meinung nach sind herkömmliche Betragensnoten längst überholt. Ein alternatives Feedback-System, an dem SchülerInnen, Eltern und Lehrer beteiligt sind, wäre zukunftsweisend und entspräche modernen pädagogischen Anforderungen im Unterricht.

Diktieren Sie nicht per Gesetz und Verordnung, sondern treten Sie in den Dialog mit den Betroffenen ein! Und gehen Sie bitte nicht den falschen Weg, der da lautet: LehrerInnen raus, Strafen rein! Oder: keine Schülermitbestimmung, dafür neue alte Erziehungsmittel!

Ein Wort noch zum Antrag der Grünen: Mit Bedauern mussten wir feststellen, dass Sie auch diesen Antrag vom Tisch gewischt haben, Sie haben die Argumente nicht überprüft, Sie haben keinen Weg gesucht, keine positive Lösung ermöglicht. Sie wissen, Frau Bundesminister, dass bei den Schülerzahlen, dass beim Schulraum, dass bei Werteinheiten größter Handlungsbedarf besteht.

Wir können den SchülerInnen nicht sagen: Wartet doch noch so lange, bis die Regierung wieder in der Lage ist, mehr Geld für Bildung zur Verfügung zu stellen, denn ihre Schul- und Ausbildungszeit bleibt nicht stehen, sie müssen ihre Ausbildung absolvieren!

Zum Schluss doch noch etwas Positives aus dem Unterrichtsausschuss: Ich finde es erfreulich, dass es möglich war, dank unserer Initiative doch noch einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag zu formulieren, in dem die Frau Bundesministerin ersucht wird, dafür zu sorgen, dass die Tätigkeit der Schülerberaterinnen und -berater in der bisherigen Form an den berufsbildenden Pflichtschulen beibehalten werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.20

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Antoni, ich glaube, du bist einer von


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jenen Bildungspolitikern in diesem Hohen Haus, die wichtige Leute auch auf internationaler Ebene, die sich mit Bildung und mit Schulinnovation beschäftigen, persönlich kennen lernen konnten. Ich möchte heute einige von diesen Leuten zitieren, wenn es darum geht, für diesen Antrag, der die Erziehungsvereinbarungen umfasst, zu argumentieren.

Da gibt es einmal John Elliott, den du sicher bei seinen mehrfachen Auftritten in Klagenfurt kennengelernt hast. Er hat, bezugnehmend auf ein Experiment, das seinerzeit in Summerhill gelaufen ist und das du sicherlich aufmerksam verfolgt hast – da gibt es sicherlich einiges zum Nachdenken –, unter anderem auch gesagt, in unserer Gesellschaft erfolge eine Verschiebung von einer so genannten Verantwortungsethik zu einer Entfaltungsethik. Er hat aber auch den Zusatz angefügt, man könne auch sagen, zur Hedonisierung der Gesellschaft.

Dann hat er weiter ausgeführt, dass inzwischen Fakt ist – wahrscheinlich auch dank sozialistischer oder linker Gesellschaftspolitik, die ja relativ weit fortgeschritten war –, dass immer weniger Lehrer, immer weniger Eltern, aber auch immer weniger Kinder mit dieser Entwicklung zurechtkommen.

Es war Peter Posch, den du auch sehr gut kennst, der anlässlich einer seiner großen Geburtstagsfeiern – ich glaube, er wurde 60; wie du weißt, war Peter Posch einer der ersten Berater aller sozialdemokratischen Unterrichtsminister – gesagt hat, der Respekt der Jugendlichen vor vorgegebenen Regelungen, die für das Zusammenleben in einer Klassen- beziehungsweise einer Schulgemeinschaft einfach notwendig sind, sei heute wesentlich geringer als noch vor zehn oder 20 Jahren, und dadurch wird auch das Ergebnis minimiert. Ziel sei es aber, dafür zu sorgen, dass es Rahmenbedingungen in der Schule gibt, dass das Ergebnis ein Maximum sein kann.

Posch hat weiter ausgeführt, dass aus diesem Problem, dass sich immer weniger Jugendliche an die vorgegebenen Regelungen halten, vielfältige Probleme resultieren, die den Schulbetrieb allgemein, vor allem aber Lehrer immer mehr belasten. – Das sind die Worte von Peter Posch.

Meine Damen und Herren! Das Ergebnis ist ja unter anderem auch, dass viele Lehrer über das so genannte Burn-out-Syndrom klagen, weil sie mit den Gegebenheiten, die daraus resultieren, nicht mehr zurechtkommen.

Es hat Schulen gegeben, die dieser Überlegung, die diesem Antrag zugrunde liegt, bereits vorgegriffen haben. In einigen, wenigen Schulen gibt es bereits Regelungen, die vereinbart wurden (Abg. Dr. Antoni: Das ist schlecht!), vor allem auch deshalb, weil – und das ist interessant, Kollege Antoni! – Schülervertreter darum gebeten haben, dass es wieder schulinterne Regelungen für den Ablauf des Unterrichtes geben soll.

Im modernen Unterricht ist es so, dass die Schüler nicht mehr nur Rezipienten sind, sondern Partner in einem Ausbildungsunternehmen; und das haben diese Schülervertreter erkannt, nämlich, dass sie nicht als Rezipienten in die Schule gehen, sondern Partner in einem Ausbildungsunternehmen sind, die von diesem Unternehmen profitieren wollen. (Abg. Dr. Antoni: Partner sind gleichberechtigt!) Die Schüler erkennen mehr und mehr, dass die optimale Ausbildung – Kollege Öllinger, da wirst du mir Recht geben, du kannst das dann mit Nicken andeuten (Abg. Öllinger schüttelt verneinend den Kopf) – dann stattfinden kann, wenn es auch einen klar definierten Ablaufrahmen gibt (Abg. Öllinger: Stimmt nicht!), wenn es einen klar definierten Ordnungsrahmen gibt. (Abg. Öllinger schüttelt abermals verneinend den Kopf.)

Das wollen die Schüler, das wollen die Eltern, das wollen die Lehrer, und mit dieser gesetzlichen Grundlage entsprechen wir genau diesem Wollen.

Die Einstellung: Ich tausche ein Minimum an Leistung für ein schwaches Genügend, die gibt es bei vielen Schülern nicht mehr. Sie wissen, wie wichtig die optimale Ausbildung in der Schule ist, um dann weiterzukommen. Genau dem tragen wir Rechnung, und zwar dadurch, dass mittels dieser Erziehungsvereinbarungen ein Maximum an Leistung erzielt werden kann. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sie reden ausschließlich vom "Maximum an Leistung", aber die Herzensbildung bleibt ...!)


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Ich habe von Bildung gesprochen, Frau Kollegin, nicht von Leistung! Es ist immer von Bildung die Rede. Das wüssten Sie, wenn Sie genau zugehört hätten. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sie haben ausschließlich von Leistung gesprochen!)

Ich tausche ein Minimum an Leistung für ein schwaches Genügend: Das war früher die Einstellung vieler Schüler, und die hat sich geändert. Die meisten Schüler wollen Bildung mitnehmen, so viel wie möglich. Doch das ist nur in einem Ordnungsrahmen möglich, und diesen Ordnungsrahmen werden wir mit diesem Gesetz sicherlich in vielen Schulen Österreichs erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte.

12.26

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es ist schwierig, nach dem Kollegen Schweitzer zu sprechen. Ich kann folgende Bemerkung nicht auslassen: Ich finde es interessant, wenn Sie nur jene Bildungspolitiker hier im Hohen Haus ansprechen, die auch Experten kennen. In der Zeit, seitdem ich im Parlament bin, habe ich viele Diskussionen an Schulen bestritten, einige gemeinsam mit dem Kollegen Amon, etliche gemeinsam mit dem Kollegen Antoni – komischerweise noch nie eine gemeinsam mit Ihnen, und das ist einfach daran gelegen, dass Sie nie hinkommen. (Abg. Mag. Schweitzer: Ich diskutiere nur mit Experten, nicht mit Amateuren!)  – Das ist eine interessante Aussage! Sie gehen nicht in Schulen, wenn Sie eingeladen werden, Sie diskutieren nur mit Experten. Dort sitzen offenbar keine Experten.

Offenbar ist Herr Professor Krumm – der Name ist Ihnen möglicherweise auch bekannt – in Ihren Augen kein Experte. Er war bei einer der letzten Veranstaltungen, zu der Sie eingeladen waren, Sie aber einen Tag vorher abgesagt haben, und zwar in Eichgraben. (Abg. Mag. Schweitzer: Da muss ich hingehen, zur AKS!) – Genau! Dort war auch Professor Krumm, aber er ist in Ihren Augen wahrscheinlich auch kein Experte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Ist Professor Krumm kein Experte? (Abg. Mag. Schweitzer: Was ist die AKS?) – Kein Experte, okay, nehmen wir auch zur Kenntnis!

Professor Krumm hat klar gesagt, wie das mit diesen Erziehungsvereinbarungen ist, nämlich in der Form, wie sie vorgesehen sind. Er hat sehr viele interessante Beispiele gebracht, wie man Konfliktlösung in Schulen machen könnte. Diese finde ich bemerkenswert.

Zur Diskussion stand auch ein Referentenentwurf, der dann nicht gegolten hat – ich nehme das zur Kenntnis –, aber da mittlerweile schon ein Gesetzentwurf vorliegt, kann man über denselben schwer hinweggehen, man wird sich darauf beziehen müssen. Wenn man sich anschaut, was am 26. Februar im Ministerrat beschlossen worden ist, so findet man darin folgenden interessanten Satz in dem Artikel betreffend die Erziehungsvereinbarungen: Dabei müssen individuelle Fehlleistungen von allen Schulpartnern Berücksichtigung finden.

Jetzt frage ich Sie, Frau Bundesministerin: Wo wird darauf im neuen Entwurf Bezug genommen? – Nirgends! Mit keinem Wort! Es geht darin ausschließlich um Erziehungsvereinbarungen und nicht um das, was Sie dann als Kontra gesagt haben, nämlich, es gehe Ihnen um Konfliktlösung.

Konfliktlösung ist wohl beidseitig. Da geht es auch darum, dass es für SchülerInnen und für Eltern auch die Möglichkeit gibt, sich zu artikulieren, und nicht nur darum, einseitig Schüler zu disziplinieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es fehlt nach wie vor ein alternatives Konfliktlösungsmodell. Einer der interessanten Punkte, den Professor Krumm in Eichgraben genannt hat, ist zum Beispiel das Modell der Konfliktlösung unter Schülern selbst. Er hat dazu internationale Studien zitiert, wobei er gemeint hat, ein Großteil der Konflikte – auch auf, sagen wir einmal, disziplinärer Ebene, wie immer man das darstellen will, auch bei Gewalt, die an Schulen entsteht – ist lösbar, wenn die Probleme unter den


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Schülern selbst gelöst werden, mit entsprechenden Maßnahmen, mit Ausbildungsangeboten an die Schüler selbst, um diese Konflikte gar nicht aufkommen zu lassen.

Professor Krumm hat dabei von 90 Prozent gesprochen. Ich habe mir die Studie bestellt, ich habe sie noch nicht. Es würde mich sehr interessieren, ob dieses Ausmaß auch wirklich stimmt, aber wenn dem so ist, dann ist es enorm. Also wenn man wirklich davon ausgeht, dass man da etwas verhindern kann, dann sollte man auch das annehmen, was es an internationalen Forschungsergebnissen und Erkenntnissen dazu gibt. Aber auch davon ist hier nicht die Rede.

Noch einmal: Es geht nicht darum – das haben wir auch im Ausschuss deutlich gemacht, und das haben, soweit ich mich erinnern kann, auch die KollegInnen von den Sozialdemokraten gesagt –, dass für eine verbesserte Konfliktlösung in den Schulen nicht alle Türen und Tore offen stehen sollen. Darüber würden wir zuerst gerne diskutieren. Nur: Das, was Sie vorgelegt haben, hat mit Konfliktlösung leider nichts zu tun. Daher wird es für diesen Ihren Antrag von uns keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Das ist schade!)

Dann hätten Sie einen Antrag formuliert, der zumindest das berücksichtigt, was im Ministerrat beschlossen worden ist. Das wäre durchaus erfreulich gewesen. Aber leider ist nicht einmal das in diesem Antrag enthalten. (Abg. Dr. Pumberger: Das wäre mir schon viel wert gewesen!)  – Das kann ich mir vorstellen, Kollege Pumberger, dass Ihnen die Zustimmung von mir oder den Grünen viel wert ist. Aber Sie werden sie nicht bekommen.

Der Unterrichtsausschuss hat auch den Antrag über die Klassenschülerhöchstzahlen behandelt und hat diesen erwartungsgemäß abgelehnt. Herr Kollege Amon hat ja Horrorzahlen an die Wand gemalt, was es kosten würde, die Klassenschülerzahlen zu senken. Ich habe eine Aussendung gelesen, in der er von einer Verdoppelung des Budgets gesprochen hat – offenbar in der Annahme, dass man sofort innerhalb von drei Monaten jede Schule neu errichten würde, wenn das beschlossen wird.

Herr Kollege Amon! Natürlich hätte man sich das anschauen können. Aber einen Stufenplan im Detail vorzulegen, wie man dazu kommt, wäre ein bisschen viel verlangt, wenn Sie ohnehin nur sagen: Wir wollen nicht! – Hätten Sie ein Signal gesetzt und gesagt: Okay, schauen wir uns das an, machen wir das in einem vertretbaren Zeitrahmen!, dann wäre das durchaus möglich gewesen. Ich wäre sogar gerne bereit dazu gewesen, diesen Antrag mit der konkreten Aufforderung umzuarbeiten oder mit Ihnen gemeinsam im Sinne des Rahmenplanes einzubringen. Aber das haben Sie natürlich auch abgelehnt.

Ich möchte nur, weil dieser Antrag immer wieder von Ihnen kritisiert worden ist, darauf aufmerksam machen: Nicht wir haben diesen Antrag formuliert, sondern er kam von einer ganzen Reihe von Elterninitiativen, die die Forderung des damaligen Volksbegehrens aufgenommen haben.

Ich möchte Ihnen nur ein paar Dinge daraus zitieren, die nicht – das sei noch einmal betont – von uns formuliert worden sind. Man sieht daraus, worum es eigentlich in der Unterrichtsqualität geht.

Kleinere Klassen wären die Voraussetzung für eine Vielzahl von Lernsituationen und Interaktionsmustern zwischen den SchülerInnen: flexible Gruppenbildung, Gesprächsrunden, selbsttätige Wissenserarbeitung, projektorientiertes Arbeiten, Einsatz von Lernspielen, Kooperationsfähigkeit, Teamgeist, Fähigkeit, auf geänderte Situationen zu reagieren.

All das wäre – ich sage das auch mit aller Deutlichkeit – nicht allein durch geringere Klassenschülerzahlen möglich. Aber diese wären die Basis dafür, gemeinsam mit entsprechenden weiteren Veränderungen, überhaupt daran denken zu können, hier neue Erkenntnisse auch umzusetzen.

Es gab übrigens gestern am späteren Abend einen Vortrag zum Thema Technik und darüber, wo die Probleme bei der technischen Ausbildung liegen. Herr Baumert vom Max-Planck-Institut in Deutschland hat dort referiert – auch das war ein sehr interessanter Vortrag –, der vor allem internationale Vergleichsdaten geliefert hat. Herr Baumert hat festgestellt, dass der Standard in


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Österreich und in Deutschland – ich betone: in beiden Ländern – gegenüber dem in anderen europäischen Ländern, vor allem jenem Skandinaviens, eklatant niedriger ist.

Wenn man gleiche Aufgaben auf Maturaniveau anbietet, dann gibt es in Skandinavien eine Lösungskompetenz von 30 Prozent, in Österreich hingegen nur eine von 8 Prozent von jenen, die diesen Jahrgang, diese Klasse vollendet haben. Da stellt sich schon die Frage: Woran liegt das? Auch Herrn Baumert ist explizit die Frage gestellt worden: Sind es die Rahmenbedingungen? Sind es geringere Klassenschülerzahlen? Und auch er hat gesagt: Nein, das allein ist es nicht, aber es ist ein Aspekt. Es ist eine andere Form des Unterrichts. Es ist experimenteller Unterricht, es ist eine andere Form, wie man solche Dinge zu vermitteln versucht. Es ist übergreifender Unterricht; auch das ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

Er hat ein Beispiel genannt. Gerade in den technischen Gebieten gibt es durch den Fächerkanon: Physik, Chemie, Mathematik Dinge, die einfach in drei Fächern irgendwie unzusammenhängend einmal in der fünften, einmal in der sechsten und einmal in der siebenten Schulstufe vermittelt werden. Dadurch ist es einfach nicht möglich, das wirklich kompakt zu vermitteln.

Die Skandinavier haben einen anderen Weg gewählt. Sie haben versucht, zu einer thematischen Zusammenfassung zu kommen und haben damit offenbar wesentlich bessere Erfolge. Das zeigt einfach, dass man durchaus, wie Sie immer fordern, darüber reden sollte, wie man die Qualität verbessern kann. (Abg. Mag. Schweitzer: Können wir einmal machen!) Ich würde nur nicht erwarten, dass man das hier in fünf Minuten macht, sondern man muss sich die Dinge auch im Detail anschauen. Aber das finde ich interessant, und da wäre Schulpolitik notwendig. Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen wäre eine Voraussetzung dafür, in diesem Bereich wirklich Fortschritte zu erzielen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Antoni.  – Abg. Mag. Schweitzer: Dafür brauchen wir auch organisatorische Voraussetzungen!)

Letzter Satz dazu: Es gibt, wie Kollege Antoni bereits erwähnt hat, einen gemeinsamen Antrag zu den Schülerberatern, den wir auch gerne unterstützt haben. Wir haben gesehen, es gibt das Problem, dass das offenbar nicht in allen Bundesländern gewünscht wird. Aber es mit Hilfe einer Kofinanzierung zwischen Bund und Ländern zumindest dort zu ermöglichen, wo es erwünscht ist, halten wir für sehr sinnvoll. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.34

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zu den heutigen Vorlagen und zu den Themen, die wir im Unterrichtsausschuss besprochen haben. Beginnen möchte ich mit der Überlegung zu den Verhaltensvereinbarungen. Ich glaube tatsächlich, dass es notwendig ist, den Schulen – dieser Wunsch kommt, das gebe ich zu, von der Lehrerschaft – die Möglichkeit zu bieten, verstärkt Ordnungsrahmen zu schaffen, die in partnerschaftlicher Art und Weise ausgehandelt werden sollen. Dabei muss auch klipp und klar gesagt werden, welche Konsequenzen es für die jeweils Betroffenen hat, wenn sie sich nicht an diesen Ordnungsrahmen halten.

Ich finde, dass es eigentlich unfair ist, wenn Sie, Herr Dr. Antoni, immer davon reden, dass wir sozusagen in eine Steinzeitpädagogik zurückfallen oder eine Art Rohrstaberl-Mentalität etablieren wollen. Darum geht es überhaupt nicht! Sie versuchen immer wieder, den Anwesenden zu suggerieren, dass das unser Ziel sei. Ich betone, das ist weiß Gott nicht das Ziel!

Ich habe auch angeboten – und ich stehe nach wie vor dazu; ich habe das gerade vorhin noch einmal mit Herrn Kollegen Schweitzer besprochen –: Wir wollen hier eine gemeinsame Vorgehensweise finden. Aber nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass es selbstverständlich der Frau Bundesministerin und ihrem Ressort unbenommen bleiben muss, einen Entwurf in Begutachtung zu schicken, der natürlich eine Diskussionsgrundlage ist. Das ist ja Sinn und Zweck einer Begutachtung! Sie fragen uns ja auch nicht, bevor Sie einen Antrag im Ausschuss einbringen, ob er uns denn so recht ist. Das wäre ja noch schöner! Und es wäre auch noch schö


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ner, müsste die Frau Bundesministerin zunächst die Opposition fragen, ob sie einen Entwurf in Begutachtung schicken darf. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steibl: Genau! So ist das! – Abg. Dr. Stummvoll: Sehr richtig!)

Ich denke, darauf können wir uns sehr leicht einigen. Ich wünsche mir, dass wir im Zusammenhang mit dieser Verhaltensvereinbarung zu einem parteienübergreifenden und schulpartnerschaftsübergreifenden Gespräch kommen. Wir können heute gerne, wenn Sie einverstanden sind, einen Termin für dieses Gespräch vereinbaren. Ich meine, dass es sinnvoll und im Interesse aller Schulpartner wäre, wenn wir hier eine gemeinsame Vorgangsweise fänden.

Aber ich möchte auch eines sehr deutlich sagen: Wann immer ein gesellschaftspolitisches Problem auftaucht, erschallt der Ruf nach der Schule, und es heißt, die Schule muss dieses Problem lösen. Wir können aber nicht all die Probleme lösen, die die Gesellschaft heute hat, wenn wir nicht auch den Lehrerinnen und Lehrern, die ja eine wesentliche Verantwortung in der Erziehung der jungen Menschen tragen, gewisse Erziehungsmittel in die Hände geben. Das halte ich wirklich für notwendig.

Es gibt sehr viele internationale Studien, die belegen, dass Kinder, Schülerinnen und Schüler so etwas wie einen Ordnungsrahmen brauchen, weil ein solcher Ordnungsrahmen eben auch Sicherheit gibt. Dass eine Verhaltensvereinbarung, die für alle gilt – für Schüler, Lehrer und Eltern –, die Qualität der Schule auch verbessern kann, dürfen Sie nicht übersehen. Das kann ja auch positiv gesehen werden, das muss nicht nur einen negativen Impact haben.

Ich glaube, dass Schulordnungen, Hausordnungen, Klassenordnungen einfach Regelwerke für das Zusammenleben und daher wirklich eine unabdingbare Notwendigkeit sind. Ich halte es auch – und dazu stehe ich absolut – für notwendig, dass Verstöße gegen solche gemeinsamen Vereinbarungen – das scheint mir das Wesentliche zu sein – auch Konsequenzen haben müssen! Welche das sind, sollen die Schulpartner untereinander ausmachen, und das soll selbstverständlich auch für alle gelten.

Ich komme noch einmal auf das zurück, was Kollege Brosz im Zusammenhang mit der Diskussion um die Klassenschülerhöchstzahlen gesagt hat. Dazu möchte ich sagen, dass es ja nicht so war, Kollege Brosz, dass Sie angeboten haben, dass wir über einen Stufenplan oder etwas Ähnliches reden sollen, sondern Sie haben erstmals im Unterrichtsausschuss erkannt, offenbar auch auf Grund einer zuvor stattgefundenen Plenardebatte, dass das Konzept, das Sie vorgelegt haben, selbst bei allerbestem Willen schlicht unfinanzierbar ist. Und Sie haben dann im Ausschuss, als Sie das erkannt haben, quasi von uns eingefordert, einen Stufenplan vorzulegen.

Ich möchte noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass wir in diesem Bereich nicht die oberste Priorität sehen, weil wir erstens im europäischen Schnitt sehr gut liegen, was das Lehrer-Schüler-Verhältnis anlangt, und weil zweitens auch die absoluten Zahlen zeigen, wie es um die Klassenschülerzahl wirklich bestellt ist.

Da immer wieder damit argumentiert wird, dass die Beurteilung auf Grund von Durchschnittszahlen problematisch ist, nenne ich Ihnen gerne noch einmal die absoluten Zahlen: In Österreich gibt es insgesamt 41 500 Schulklassen. In 33 700 Schulklassen gibt es weniger als 25 Schülerinnen und Schüler pro Klasse. Das heißt, nur in 7 800 aller österreichischen Schulklassen liegt die Zahl höher.

Wenn Sie nun die einfache Rechnung aufstellen, dass die Eröffnungskosten etwa für eine AHS-Unterstufenklasse – ich betone: die Eröffnungskosten, nicht die Folgekosten! – 7,3 Millionen Schilling betragen, dann kommen Sie bei diesen 7 800 Klassen auf über 50 Milliarden Schilling Eröffnungskosten. Dass das bei einem Bildungsbudget im Unterrichtsbereich von etwa 80 Milliarden eine Utopie ist, wird, glaube ich, jeder nachvollziehen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sogar dann, wenn ich Ihnen entgegenkomme und sage, nicht mit allen Klassen müssten wir das tun, weil wir ja in einigen Klassen mit nur zwei, drei Schülern über der Zahl von 25 liegen,


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sodass ich diese Rechnung nur mit 2 500 Klassen – also einem Drittel – veranschlage, komme ich noch immer auf Mehrkosten von 20 Milliarden Schilling.

Sie müssen, wie ich meine, wirklich erkennen, dass das nicht oberste Priorität hat. Ich finde, dass wir auf Grund der Tatsache, dass wir in sehr vielen Fächern auch die Möglichkeit zur Teilung von Klassen haben – gerade in Fächern, in denen es eben notwendig ist und die pädagogische Notwendigkeit gegeben ist, sozusagen genauer auf den Einzelnen einzugehen –, also ohnehin Teilungsmöglichkeiten vorgesehen sind, die einer modernen Pädagogik sehr wohl entsprechen.

Abschließend möchte ich betonen, dass wir – meiner Meinung nach – im Unterrichtsausschuss ein ausgezeichnetes, konstruktives Arbeitsklima haben. Es ist uns auch gelungen, in einigen Bereichen – Sie haben die Frage der Bildungsberater angesprochen – eine gemeinsame Vorgangsweise zu finden. Dazu ist aber doch zu sagen, dass ich es nicht gelten lasse, wenn Sie sagen, dass mit Ausnahme von Wien die Bundesländer das nicht haben wollen. – Die Wahrheit ist, in allen anderen Bundesländern gibt es kein Problem. Und weil das eben ein Wien-spezifisches Problem ist, hat die Frau Bundesministerin auch sichergestellt, dass das in Zukunft weitergeführt werden kann. Wir sehen aber keine Notwendigkeit, einen gesetzlichen Rahmen dafür zu schaffen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung.

12.42

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Kollege Amon hat soeben behauptet, ich hätte erstmals im Ausschuss von einem Stufenplan gesprochen. – Diese Behauptung ist unrichtig!

Es gab zu diesem Antrag bereits eine Fristsetzungsdebatte, deren Datum ich jetzt nicht im Kopf habe, die aber schon ziemlich lange her ist. Wenn Sie das Protokoll dieser Debatte nachlesen, dann werden Sie darin sinngemäß das Angebot finden: Wenn Sie bereit sind, grundsätzlich darüber zu diskutieren, dann sind wir gerne bereit, auch über einen Stufenplan zu reden. (Beifall bei den Grünen.)

12.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Ich erteile ihr das Wort.

12.43

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Frau Vizekanzlerin hat vorhin in ihrer Stellungnahme gesagt, zehnjährige Kinder seien nicht in der Lage, sich zu artikulieren. – Also angesichts dieser Aussage wundert es mich nicht, dass Bildungspolitik offenbar nur in Zahlen gemacht wird und dass auf die Menschen vergessen wird. Ich bin sehr wohl der Meinung – ich arbeite mit solchen Kindern –, dass zehnjährige Kinder sich artikulieren können. (Abg. Dr. Fekter: Zum Lehrerdienstrecht?!)  – Auch wenn sie in ihrer Sprache eine Resolution verfassen, sind sie doch sehr wohl in der Lage, sich zu artikulieren, Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist nur die Frage, wie ernst wir die Kinder nehmen, wie ernst wir die Sprache der Kinder nehmen und wo wir sie abholen wollen. – Sie wollen sie nicht abholen, Sie wollen sie stehen lassen, das wissen wir ohnehin. (Beifall bei der SPÖ.)

In allen drei Anträgen geht es heute, wie ich meine, um das Wohl der Kinder. Bei zwei Anträgen kann ich das nachvollziehen, beim Antrag zu den Erziehungsvereinbarungen habe ich starke Zweifel. Aber wir haben heute die Möglichkeit – abgesehen von den Zahlen; da wir doch jetzt jeden Tag über Zahlen und Zahlen reden –, auch pädagogische Themen zu diskutieren und draufzukommen, dass Kinder eben nicht nur "Schülermaterial" sind, sondern auch Menschen, und dass die Schule nicht nur ein Ort ist, wo Wissen vermittelt wird, sondern auch ein Ort des


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Zusammenlebens, ein Lebensraum für Kinder, ein Raum für Konfliktbewältigung und auch Konfliktbegegnung – keine Frage.

Unsere Kinder verbringen sehr viel Zeit in der Schule, und ich frage mich: Wie empfinden Kinder diesen Ort Schule? Gehen sie gerne in die Schule? Was braucht es, damit sie gerne in die Schule gehen? Ich frage Sie: Wo fühlt man sich wohler? Fühlt man sich wohler in überfüllten Klassen im Frontalunterricht, weil von der Situation her nichts anderes möglich ist? Oder fühlt man sich wohler – mit "man" sind jetzt die Kinder gemeint – in kleineren Gruppen, wo auch Alternativen möglich sind? Und wo, glauben Sie, wird es zu mehr "Reibereien" kommen, meine Damen und Herren?

Ich bin nämlich der Meinung, Kinder brauchen soziale und räumliche Kontinuität, damit die Begegnung Lehrer/SchülerInnen relativ konfliktarm erfolgen kann. Wenn Konflikte da sind, dann sollte die Möglichkeit bestehen, diese Konflikte in Form von Mediation oder mit anderen Mitteln gemeinsam mit den Kindern zu bewältigen.

Jedes Kind hat seine Geschichte, die es mit in die Schule trägt. Die Kinder kommen nicht und funktionieren! Auch sie kommen mit ihrer Geschichte, so wie wir Erwachsene, wie wir Lehrer zum Beispiel. Da gibt es Scheidungswaisen, da gibt es geschlagene, missbrauchte Kinder, und das äußert sich natürlich manchmal, weil sich diese Kinder dann entsprechend artikulieren. Daher sind wir Lehrerinnen und Lehrer sicherlich nicht nur Wissensvermittler, sondern – das weiß ich – wir sind auch Partner und Partnerinnen für die Kinder.

Es ist uns allen bewusst, welchen Erziehungsauftrag die Schule hat. Die Eltern auf der einen Seite haben, so glaube ich, großes Vertrauen in die Schule: das Vertrauen, dass dort erziehungsmäßig mit ihren Kindern das Beste passiert. Zum anderen glaube ich aber trotzdem, dass die Eltern auch ein bisschen Angst haben, weil sie manchmal damit überfordert sind, was zu Hause passiert – etwa in Bezug auf zu wenig Zeit und so weiter.

Laut Ihrer Aussage, Frau Bundesministerin, geben diese Erziehungsvereinbarungen den Schulen die Möglichkeit – vereinbaren statt anordnen, das wäre schön; ich glaube eher, es ist vereinbaren und anschließend anordnen –, in einem Gremium Gericht zu halten über unliebsame Schülerinnen und Schüler und die Konsequenzen auch sofort anzuordnen.

Der Entschließungsantrag und der schon zur Begutachtung ausgesandte Gesetzentwurf sind meiner Meinung nach eine direkte Folge der kinderfeindlichen Sparmaßnahmen im Bildungsbereich, und zwar nach dem Motto: "Lehrer raus, mehr Disziplin rein!", oder genauer: "Weniger Lehrer für mehr Schüler, dafür mehr Möglichkeiten, sie zu disziplinieren!"

Und es gibt sie ja schon, die Alternativen. Warum wird das in dem Gesetzentwurf nicht genauer definiert? – Es gibt schon die Möglichkeit der Mediation! Es gibt in ganz Österreich wunderbare Projekte. Warum kann man eine Sache nicht positiv formulieren? Warum redet man immer von Rahmen, von Ordnungsrahmen? – Das heißt einrahmen, das heißt einschränken. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Welche Möglichkeiten gibt es? – Auch das jetzige Gesetz lässt schon zu, dass Kinder, wenn sie wirklich ganz große Schwierigkeiten machen, ausgeschlossen werden können. Und glauben Sie mir – mit ausgeschlossenen Kindern arbeite ich seit vielen Jahren –, das sind tief verletzte Kinder. Sie wissen überhaupt nicht mehr, was sie machen sollen, weil sie vielleicht schon von einer Schule zur anderen geschickt worden sind. Jetzt soll die Möglichkeit gegeben sein, sie nicht einmal zu verwarnen, sondern sie sofort auszuschließen.

Ich vermisse auch die Einbeziehung von Expertinnen und Experten in dieses Gremium. Ich selbst habe auch oft um Hilfe rufen müssen und meine Psychagogin oder wen auch immer fragen müssen: Was mache ich mit solchen Kindern? Welche Rahmenbedingungen kann ich für diese Kinder schaffen, damit sie sich in der Gruppe wohl fühlen und sich wieder zur Normalität hin entwickeln können? Warum steht darüber nichts Genaueres im Gesetzentwurf?


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Frau Bundesministerin! Ich glaube, Sie verändern mit Ihrer Bildungspolitik diese Rahmenbedingungen massiv zum Schlechteren. Diese schwarze Pädagogik vertreten wir sicher nicht und wir werden diesem Antrag sicher nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

12.49

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Mit diesen drei Anträgen werden heute ganz wichtige Bereiche der Schule besprochen und diskutiert.

Zum einen die Klassenschülerhöchstzahl. Die Klassenschülerhöchstzahl ist immer in Diskussion, und niemand möchte die Realität wahrnehmen. Die Realität heißt: Volksschule: 19,8; Hauptschule: 22,9; AHS-Unterstufe: 26,8; AHS-Oberstufe: 21,8; berufsbildende mittlere Schule: 22,4; berufsbildende höhere Schule: 25. – Das ist der österreichweite Durchschnitt.

Dazu kommt, dass in vielen Klassen zusätzliche Maßnahmen für Teilungen, für Begleitung gesetzt werden. Es gibt Teilungen bei alternativen Pflichtgegenständen, bei Freigegenständen, bei unverbindlichen Übungen. Es gibt den Förderunterricht in kleinen Gruppen. Es gibt in technischen Bereichen Teilung. Es gibt beim EDV-Unterricht Gruppeneinteilungen. Es gibt die Reifeprüfungsprojekte, wo in kleinen Gruppen gearbeitet wird. Es gibt die Übungsfirmen, wo in kleinen Gruppen gearbeitet wird. Es gibt die Begleit- und Stützlehrer, durch welche die Klasse in kleine Gruppen geteilt wird. Und es gibt in der Hauptschule die Leistungsgruppen, wodurch auch kleinere Gruppen entstehen.

Meine Damen und Herren! Allein diese Durchschnittszahlen, die sich lange noch nicht auf dem Niveau der Klassenschülerhöchstzahl bewegen, sind nicht aussagekräftig, weil in vielen Bereichen, in vielen Fächern noch weitere Gruppenteilungen an den einzelnen Schulen geschehen.

Ich meine also, dass wir schauen müssen, dass die Klassenschülerhöchstzahl nicht überschritten wird, dass so etwas nur in Ausnahmefällen zugelassen wird und dass die Schüler die besten Bedingungen haben. Durch die vielen Gruppenteilungen, durch die vielen Sonderangebote haben sie auch diese guten Bedingungen. Wir sollten gerade in diesem Bereich die Kirche im Dorf lassen und die Realität sehen.

Zur Frage der Verhaltensvereinbarungen. Die Verhaltensvereinbarungen sind ein weiterer Schritt in Richtung einer neuen Schulkultur, einer Schulkultur, in der wir vereinbaren statt anordnen wollen. Ich habe es im Ausschuss in aller Ausführlichkeit auch erklärt.

Wer sich den Gesetzentwurf, der in Begutachtung ist, wirklich anschaut, der liest Folgendes: Das Schulforum kann schuleigene Verhaltensvereinbarungen festlegen. – In diesem Zusammenhang wird jetzt der Vorwurf geäußert, man schreibt nicht hinein: "muss" in jedem Fall. Ich frage Sie: Warum muss die kleine Volksschule schuleigene Verhaltensvereinbarungen festlegen, die sie nicht braucht? Wenn sie gebraucht werden, kann sie das tun – das ist nach meiner Auffassung gelebte Schulautonomie, das ist gelebter Föderalismus, ist gelebte Eigenständigkeit der einzelnen Schule. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dann ist in diesem Gesetzentwurf weiter zu lesen: Das Schulforum ist ermächtigt, ein schulpartnerschaftliches Gremium einzurichten – in dem alle vertreten sind: Eltern, Lehrer, Schüler –, zur Beratung von Erziehungsfragen, Erziehungsmitteln, Hilfestellungen in Konfliktfällen, Förderung von Verhaltensentwicklungen, Konfliktlösung und Mediation. Also genau das, was gefordert wird, kann die Schule machen, wenn es notwendig ist.

Ich schreibe nicht in jedem Fall vor, dass jeder Lehrer Mediation machen muss. Und ich schreibe auch nicht in jedem Fall vor, dass jeder Lehrer mit einem Psychologen, mit einem Psychagogen arbeiten muss. Jawohl, es ist so in unserer Welt, in unserem Land, in unserer Gesellschaft: Wer eine zusätzliche Auskunft, eine Weiterentwicklung, eine Hilfestellung benötigt, der muss es


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sagen. Und ich schreibe es nicht jedem vor, dass er seinen Unterricht mit einem Psychologen hinterfragen muss.

Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Konzeption: die Hilfestellung, die notwendig ist, geben, aber nicht flächendeckend jedem alles verordnen. Und bei dieser Konzeption werden wir auch bleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Erziehen heißt für mich Vorbild sein, Freund sein. Erziehen heißt für mich Sicherheit geben. Erziehen heißt für mich vereinbaren statt anordnen. Das ist moderne Schulkultur, und auf diesem Weg werden wir weiterschreiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Papházy zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

12.54

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Pilz ist leider nicht da, aber ihm und allen, die sich einer Sprache bedienen, die ich nicht in Ordnung finde, möchte ich in Anwesenheit der Frau Bundesminister empfehlen, die Broschüre "Macht und Sprache" von der Homepage des Bildungsministeriums downzuloaden und sich näher zu Gemüte zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Bildungsbereich sieht sich geänderten Anforderungen gegenüber. Es ist Tatsache, dass meist beide Elternteile berufstätig sind. Es ist Tatsache, dass die Erziehung mehr und mehr der Schule übertragen wird und dass Lehrer – die Frau Minister hat es schon angesprochen – zusätzlich zu den Bildungsaufgaben verstärkt Erziehungsaufgaben wahrnehmen.

Die Regierungskoalition reagiert darauf, sie stellt im Bildungsbereich überholte Strukturen in Frage und schafft neue, zeitgemäße Rahmenbedingungen. Bildung in den Schulen soll Kinder und Jugendliche auf das berufliche und auf das soziale Leben vorbereiten. Es gibt viele gute, engagierte Lehrer, die dies in hervorragender Weise tun.

Aufgabe des Bildungsbereiches kann es nicht sein, Lehrern durch Pragmatisierung geschützte Werkstätten zu schaffen beziehungsweise den Moloch Schulbürokratie aufrechtzuerhalten. Und da möchte ich auf den Beschluss des Bildungsausschusses des Kärntner Landtages von gestern hinweisen, auf den Vizepräsidenten des Landesschulrates zu verzichten. Die SPÖ war dagegen – der Nachweis, warum dieser Vizepräsident so sinnvoll ist, ist unterblieben. (Abg. Dr. Mertel: Bis 1999 hätte die FPÖ nicht verzichtet!) Und wenn auch große Bundesländer wie Tirol ohne einen Vizepräsidenten des Landesschulrates auskommen und auch Wien dies überdenkt, so könnte ich mir vorstellen, dass dies auch in den Augen der sozialdemokratischen Fraktion wirklich überdenkenswert sein sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wird in der Regierungskoalition viel für die Kinder und Jugendlichen getan, damit sie den beruflichen Anforderungen und dem Leben in der Gemeinschaft gewachsen sind.

Die funktionierende Wirtschaft basiert darauf, dass bereits in den Schulen wirtschaftliche Fähigkeiten verstärkt vermittelt werden. Erfolgreiche Projekte, die sich sehr bewährt haben, sind Übungsfirmen, Juniorfirmen, die neue Initiative "Business@school". Schüler können so risikolos unternehmerische Erfahrung gewinnen und wirtschaftliche Zusammenhänge erfahren. Learning by doing schafft spielerisch Schlüsselkompetenzen, die für die berufliche Karriere wichtig sind: Organisationstalent, Teamfähigkeit, Selbständigkeit, Kommunikationsfähigkeit.

Neben dem Verständnis für wirtschaftliche Strukturen ist ganz wichtig, dass die Schule soziale Kompetenz vermittelt und lebt. Und in diesem Zusammenhang sind die schulpartnerschaftlichen Verhaltensvereinbarungen, auf die die Frau Minister und meine Vorredner schon hingewiesen haben, ganz besonders wichtig. Vereinbaren statt anordnen ist mehr als nur ein Schlagwort. Die


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Möglichkeit, in Ergänzung zur Schulordnung schuleigene Verhaltensvereinbarungen gemeinsam festzulegen, ist ganz wesentlich.

Wenn die Opposition die Wiedereinführung der Rohrstaberl-Mentalität fürchtet, so kann oder will sie das Wesen der Erziehungsvereinbarungen nicht begreifen. Vereinbarungen sind Bestandteil der Schulautonomie, die Eigenverantwortung von Schulen, von Schülern wird gestärkt. Diese Erziehungsvereinbarungen dienen dazu, positive Entwicklungen voranzutreiben und negative Entwicklungen gemeinsam zu beantworten: Stichwort Gewalt, Stichwort Vandalismus an der Schule. Eigenverantwortung muss mit Augenmaß geführt werden.

Die Erziehungsvereinbarungen der Schulpartner sollen die Erziehungssituation an den österreichischen Schulen weiterentwickeln und verbessern, die Vereinbarungskultur zwischen Eltern, Lehrern und Schülern schaffen und durch ein erzieherisches Frühwarnsystem frühzeitig Infos an Eltern geben, die ihre Kinder oft nur am Abend, und da nur sehr kurz, sehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch sehr geehrte Damen und Herren der Opposition! Ich würde mich freuen, wenn Sie diesem zukunftsweisenden Antrag der Bildungssprecher Mag. Karl Schweitzer und Werner Amon im Sinne der Kinder zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.59

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Eigentlich bedauere ich es sehr, dass ich nicht die Schulordnung mitgenommen habe, unter der ich in die Schule gegangen bin. Hätte ich sie nämlich verglichen mit der Schulordnung, die ich gerade in die Hand bekommen habe und die in einer Hauptschule paktiert wurde, hätte ich feststellen müssen – da bin ich mir ziemlich sicher –, dass sich in den 50 Jahren – na 50 Jahre sind es nicht (Heiterkeit)  –, in den 40 Jahren in manchen Schulen offensichtlich nichts zum Positiven verändert hat.

Frau Bundesministerin! Ich befürchte, das wird das Resultat dieser Erziehungsvereinbarungen, dieser Ermöglichung von Erziehungsvereinbarungen sein, dass sich nämlich das alte Denken in Ordnungen, in Befehlen, die nur schlecht hinter Vereinbarungen kaschiert werden, wieder in den Vordergrund drängen und seine Renaissance erleben wird. Und manche in diesem Haus werden noch glücklich sein darüber! Das ist ja genau das, was Sie gewollt haben: Der Kaugummigenuss, heißt es in einer Vereinbarung, die heute gültig ist, Herr Kollege Amon, wird untersagt, denn das ist ja das Schlimmste! Das haben uns die alten Nazi-Lehrer, die es gegeben hat, einprügeln wollen, dass Kaugummi etwas Amerikanisches ist und man daher nicht Kaugummikauen darf. So war es doch!

Und so finden sich immer noch Relikte dieses Denkens und dieser Einstellungen und dieser Wertungen in Schulordnungen wieder, dass der Kaugummi, der der Inbegriff des Amerikanischen ist, aus dem Schulgebäude eliminiert werden muss. So war es – und ist es nach wie vor. (Abg. Dr. Fekter: Damit er nicht auf den Bänken pickt! Das ist der Hauptgrund!)

Das muss man sich einmal vorstellen: der Kaugummi als das Problem der fehlenden Erziehung von Jugendlichen. Da setzen Sie ein Brimborium voran, das mit der Realität, mit der Erziehungswissenschaft, mit Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft nichts zu tun hat. "Brimborium" nenne ich es, wenn es in der Begründung des Antrags an den Ministerrat heißt: Familien schaffen die Grundlage für menschliches Zusammenleben. Gesellschaftliche Werte werden zuerst durch das Vorbild der Eltern, dann durch das der Lehrerinnen und Lehrer begründet und geübt. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Frau Bundesministerin! Da ist etwas ganz Entscheidendes vergessen worden. Das entspricht nicht mehr dem heutigen Stand, "state of the art" ist das sicher nicht. In jeder erziehungswissenschaftlichen Abhandlung wird zumindest der Peer-Group eine ebenso wichtige Bedeutung ein


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geräumt. Und der Einfluss der Peer-Group, also der Gleichaltrigen oder auch der etwas Älteren, auf das Verhalten und auf die Wertebildung von Jugendlichen fehlt ja nicht zufällig auch in der Erziehungsvereinbarung. Das, was Sie als Erziehungsvereinbarung deklarieren und suggerieren – da gibt es einen gleichberechtigten Vertrag zwischen gleichberechtigten Partnern –, das entspricht ja nicht der Realität. Das hat nicht im Geringsten etwas mit der Realität zu tun oder etwa mit einer Schulordnung, so wie ich sie vorliegen habe. In dieser Schulordnung beziehungsweise Hausordnung dieser Hauptschule heißt es: Wir betreten das Schulgebäude durch den Haupteingang. – "Wir" – wer ist "wir"? Die Eltern? Die Lehrer? (Abg. Dr. Brinek: Die, die das vereinbart haben!)

Ist das Verbot des Kaugummigenusses sowie des Alkoholgenusses bindend für Eltern, für Lehrer und für Schüler? Wer ist das "Wir"? Das "Wir" ist verlogen, das "Wir" ist falsch in dieser Vereinbarung. Natürlich ist nur gemeint: "die Schüler". (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Und die Lehrer müssen durch die Hintertür kommen? Das ist doch skurril, Herr Kollege Öllinger!) Aber das freundschaftliche "Wir" täuscht darüber hinweg, dass die Schülerinnen und Schüler nichts zu vereinbaren hatten, sondern dass ihnen etwas angeordnet wurde, und zwar etwas offensichtlich Widersinniges, was pädagogisch absolut im 19. Jahrhundert anzusiedeln wäre oder meinetwegen in jenen Jahren, als Lehrer tatsächlich noch glauben konnten, der Kaugummi, das ist das "böse Amerikanische". (Abg. Dr. Fekter: Nein! Nein! Kaugummikauen fördert die Durchblutung! Das ist an und für sich etwas Gutes! Aber auf den Bänken soll er nicht picken!)

Frau Kollegin Fekter! Da steht nichts davon, dass er nicht auf den Bänken picken soll, sondern da steht: Alkohol- und Kaugummigenuss sind untersagt. "Untersagt" nennt sich das in einer Vereinbarung. Das ist die Art und Weise, wie Sie mit Jugendlichen arbeiten wollen, wie Sie Jugendliche zu etwas verhalten wollen, meinetwegen dazu, dass sie nicht die Kaugummis unter ihre Bänke picken. Ich werde dann gleich durch die Reihen der ÖVP und FPÖ gehen und schauen, wie viele Kaugummis da unter den Bänken picken. Und dann schließen wir, Frau Kollegin Fekter, vielleicht da herinnen auch eine Erziehungsvereinbarung ab. (Abg. Dr. Fekter: Ja, das würde manchen Kollegen gut tun, besonders Kollegen Pilz und Öllinger!)

Nehmen Sie das, was Sie von Jugendlichen, von Kindern verlangen, doch auch für sich etwas ernst! Nehmen Sie das etwas ernst! Mehr verlange ich nicht, Frau Kollegin Fekter. (Beifall bei den Grünen.)

Ich meine, eine Erziehungsvereinbarung, die so tut, als ob Jugendliche gleichberechtigt wären, sie aber gleichzeitig ignoriert und sie nicht dazu animiert, dass sie selbsttätig in der Schule – so wie das schon gesagt wurde – auch Konflikte aufarbeiten, gemeinsam mit Lehrern, mit Eltern (Abg. Wochesländer: Das ist das, was geplant ist!), eine Erziehungsvereinbarung, die nicht dazu animiert, sondern verordnet und bei der die Jugendlichen, Schülerinnen und Schüler keine gleichberechtigten Partner sind, hat nichts in unseren Schulen zu suchen. Und es ist wirklich schwarze Pädagogik, die Sie da betreiben. (Beifall bei den Grünen.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

13.06

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich muss mich jetzt zügeln, damit ich nicht meine Redezeit verbrauche, um den Herrn Kollegen Öllinger zu korrigieren, aber so viel möchte ich schon sagen: Die wahrscheinlich marktfeindlichen Alt-68er haben mit dem amerikanischen Kaugummi ein Problem gehabt, aber nicht die Gruppen, die Sie jetzt genannt haben und bei denen Sie versuchen, ein Gesamtpolitikum daraus zu machen.

Zu Ihrer zweiten Bemerkung, die Peer-Groups seien nicht in die Erziehungsverantwortung, in den Erziehungsvertrag mit einbezogen. Was sind denn die Schulpartner, was sind denn die Schüler? Sie vertreten die Interessen der Gleichaltrigen, sprechen die Sprache der Gleichaltrigen und nehmen die Lebensweisen, die Sozialisationserfahrungen in diesen Vertrag mit hinein. Also Entschuldigung: Haben Sie mit einer repräsentativen Demokratie ein Problem, Herr Öllinger? (Abg. Dr. Fekter: Ja, hat er!) Die Vertreter der Schüler unterschreiben diesen Vertrag, und


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da muss man sich auch nicht komisch, selbstironisch über das "Wir" lustig machen. Die Partner, die den Vertrag unterschrieben haben, sind das "Wir"! Es ist schon relativ wortklauberisch, wenn Sie sagen: Ich will auch fixiert haben, dass die Lehrer nicht wie Santa Claus über den Rauchfang einsteigen, sondern auch durch die Haupteingangstür die Schule betreten.

Irgendwie kommt mir das so vor: Wenn Sie schon gar nichts mehr finden, dann üben Sie eben ein bisschen Sprachkritik. Einverstanden – aber dann bleiben wir bei der Sprachkritik! (Abg. Öllinger: Nein, nein, Ideologiekritik! Das ist reine Ideologie!)

Ich sage Ihnen auch etwas aus der Position und aus der Perspektive der Erziehungswissenschaft: Ja, es stimmt, die Schulpartner sind nicht in allen Belangen, in allen Relationen, in allen prinzipiellen Kooperationen gleichberechtigt. (Abg. Öllinger: Erzählen Sie uns lieber etwas über die Peer-Group! Sie lügen sich ja selbst in die Tasche!) Gleichberechtigt sind sie nicht, weil etwa das Lehrer/Schüler-Verhältnis ein Verhältnis ist zwischen zwei Personen, von denen der eine, der Lehrer, in vielen Belangen einen Vorsprung gegenüber dem Schüler hat. Der Schüler wiederum ist geschützt durch den Jugendschutz und andere pädagogische Prinzipien und hat so einen besonderen Spielraum.

Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, denn sonst müsste ich Sie fragen, ob die von Ihnen zitierte schwarze Pädagogik das Ergebnis der 68er-Pädagogik ist! Das, glaube ich, wäre ein schlechter Erfolg. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch zu wissen, worin das Problem liegt, das Kollege Antoni mit den Erziehungsverträgen und mit dem neuen Aushandeln hat: Eine grundsätzlich zentralistische Ideologie hat Angst vor dem, was vielleicht am Ort als individuelle Qualität entsteht. Aber ich glaube, hinter diese Qualität, hinter diese Autonomie können wir nicht mehr zurück. (Abg. Dr. Antoni: Nicht wir, sondern Sie verhindern diese Mitbestimmung!) Und noch ein Problem hat er damit. Ich habe dir genau zugehört, lieber Dieter, du hast gesagt, es ginge um Konfliktvermeidung. Und darin liegt ein Missverständnis. Ich kann Konflikten nicht davonlaufen, ich kann vor Konflikten nicht die Augen verschließen. Viele schulpolitische Fehlentscheidungen sind entstanden – ich erwähne nur das große Stichwort "Integration", Ausländer-Zuzug vor 15, 20 Jahren in Wien –, indem man Konflikte, mögliche Konflikte nicht gesehen hat, Konflikte nicht antizipiert hat und sie vermeiden wollte, statt sie zu lösen. Der springende Punkt ist: Konfliktlösung statt Konfliktvermeidung im Sinne von Davonlaufen.

Wenn Sie, geschätzte Damen und Herren, die Unterrichtsqualitätsstudie gelesen haben, dann haben Sie auch gemerkt, wie wichtig diese neuen Räume zur Erziehungsvereinbarung sind, weil in diesem ungeregelten, grundsätzlich definierten, offenen Bereich – ihm wurde bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet – die Arbeitsbelastung der Lehrer gesehen wird. Die Lehrer sagen nämlich nicht, im Volumen, in der Zeit, in der Fülle der Belastung liege die besondere Erschwernis, sondern in der Kompensation gesellschaftlicher Missstände und im Umgang mit schwierigen und verhaltensauffälligen Kindern und darin, für die Bewältigung keine Instrumente, keine Möglichkeiten, keine Grundlagen zu haben; das belaste sie ganz besonders.

Ich meine abschließend, dass das Aushandeln, das Verhandeln zur vom Kollegen Schweitzer zitierten Entfaltungsethik gehört, als Äquivalent gewissermaßen. Entfaltungsethik braucht keine zentralistischen Vorgaben, sondern Orientierungen und den Modus des Aushandelns. Darin ist die Grundlage für das Aushandeln zu sehen, und ich meine, dass darin so etwas wie eine Schlüsselqualifikation der Zukunft liegt.

Dem Herrn Kollegen Öllinger schlage ich vor, in seinen erziehungswissenschaftlichen Mußestunden "Neue Mythen in der Pädagogik" zu lesen, denn da wird aufgeräumt mit dem, wonach er Sehnsucht hat.

Ich meine, dass wir mit diesen Erziehungsverträgen eine Grundlage schaffen, dass wir wie bei jeder guten Politik die Entwicklung, die Praxis auch evaluieren müssen, aber damit eher der Sache dienen werden, als wenn wir die Augen davor verschließen. Die Schule ist der Ort für Unterricht und Erziehung, und dafür wird nun eine neue Grundlage geschaffen. Wir haben das


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Vertrauen in die Lehrer – und in unsere Frau Ministerin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

13.12

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren!

"Seit zirka 50 Jahren leisten SchülerberaterInnen im Bereich der Wiener Berufsschulen intensive Tätigkeit hinsichtlich Hilfe für Lehrlinge. Viele soziale, berufliche und persönliche Probleme von Jugendlichen im Umfeld der Großstadt konnten und können durch den Einsatz der SchülerberaterInnen erkannt und gelöst werden."

Das sind Sätze, die sich in einem Schreiben der Bürgerinitiative von Berufsschullehrern an den Herrn Präsidenten des Nationalrates Dr. Fischer wieder finden, die für eine Sicherstellung und gesetzliche Verankerung der Tätigkeit der Schülerberater an Berufsschulen eintritt.

Ich verstehe die Sorgen der Lehrer angesichts der Sparwut der Bundesregierung im Bildungsbereich, sehr verehrte Damen und Herren. Eine Streichung der Beratungszeit wurde und wird befürchtet, nachdem es schon eine Kürzung gerade im Bereich der Wiener Berufsschulen gegeben hat, eine Kürzung der Zeit, in der sich Lehrer für ihre Schüler einsetzen können, sie beraten, ihnen helfen können.

Wer sich die Zeit nimmt und Berufsschulen besucht, mit Lehrern redet, mit Lehrlingen diskutiert, der weiß, wie wichtig für die Betroffenen, aber auch für unsere Gesellschaft eine professionelle und menschliche Arbeit von Beratungslehrern insbesondere an den Berufsschulen ist. Manche Jugendliche brauchen oft neben dem Elternhaus eine Person, an die sie sich vertrauensvoll wenden können – mehrere Vorrednerinnen und Vorredner haben das schon in anderen Zusammenhängen im Rahmen dieser Debatte gesagt –, vor allem dann, wenn Probleme im persönlichen Bereich, Konflikte am Arbeitsplatz, Lehrstellenverlust, aber auch Lern- und Leistungsschwierigkeiten auftreten.

An den Wiener Berufsschulen haben wir zu wenige Beratungslehrer, sehr geehrte Frau Bundesminister. Wir haben zu wenige Stunden und zu wenige Lehrer. Auf einen Beratungslehrer kommen im Durchschnitt rund 600 Schülerinnen und Schüler. 220 Anlassfälle pro Schuljahr und pro Beratungslehrer gibt es. Zum Beispiel an der Berufsschule für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik in der Wiener Mollardgasse stehen für 960 Schüler lediglich fünf Beratungsstunden pro Woche zur Verfügung. Das ist im Durchschnitt eine Stunde pro Tag. Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Das ist schlichtweg zu wenig, um all die Hilfe angedeihen zu lassen, die notwendig wäre, um alle Möglichkeiten ausnützen zu können.

Jede zur Verfügung stehende Beratungsstunde ist meiner Meinung nach eine gute Investition, jede benötigte, aber nicht vorhandene Beratungsstunde kostet in der Zukunft sicher ein Vielfaches von dem, was eine Beratungsstunde kosten würde, vor allem wenn man bedenkt, dass gesundheitliche Probleme, Arbeitsmarktprobleme, Probleme an der Lehrstelle, Probleme mit den Unternehmen, Probleme mit Arbeitskollegen auftreten können, bis hin zu Problemen, mit denen die Jugendlichen letztendlich auch, wenn man nicht zeitgerecht gegensteuert und hilft, bei der Justiz enden können. Wenn man das alles gesellschaftspolitisch rechnen würde, müssten wir hier eine große Mehrheit dafür finden, wenn Sie einen Vorschlag machen würden, die Beratungsmöglichkeiten auszuweiten und auch das dafür notwendige Geld zu sichern.

Soziale Vorbeugung ist meiner Meinung nach immer billiger als soziale Heilung, sehr verehrte Damen und Herren.

Für heute sind wir, die Sozialdemokraten in diesem Haus, zufrieden damit, dass mit der Entschließung des Nationalrates der Weiterbestand der Schülerberatung an den Berufsschulen gesichert wird. Alle Fraktionen werden dieser Entschließung zustimmen. Für morgen brauchen wir allerdings eine Möglichkeit der Ausweitung der Beratungszeit auf einer klaren, gesetzlichen


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Grundlage, so wie das die Beratungslehrer mit ihrer Bürgerinitiative verlangen, und, wie ich glaube, zu Recht verlangen.

Die Hilfe zur rechten Zeit ist einfach humaner und besser als die Behandlung von Entwicklungen und Schäden nachher mit mehr Aufwand und – ich sagte das schon – auch mit höheren gesellschaftlichen Kosten.

Meine Fraktion stimmt daher der Entschließung zu. Sie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – weitere Schritte müssen aber im Interesse unserer Jugend folgen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Abschließend möchte ich ausdrücklich im Namen unserer Fraktion allen Beratungslehrerinnen und -lehrern, die sich in vielen Stunden, die nicht bezahlt wurden, ihren jugendlichen Schützlingen, den Lehrlingen, zugewendet haben, auch von dieser Stelle aus einmal herzlich danke schön sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brosz. )

13.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wochesländer. – Bitte.

13.18

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich darf zunächst mit einem Zitat beginnen, das ich einem Schreiben entnommen habe, und zwar einer Analyse von Dr. Heinz Zangerle. Er ist Psychologe und Psychotherapeut sowie Lehrbeauftragter für Lern- und Verhaltensstörungen an der Pädagogischen Akademie in Innsbruck.

Er schreibt: "Moderne Pädagogik kennt keine Richter mehr, nur noch Alles-Erklärer und Alles-Versteher. Pädagogen geraten am Kampfplatz Schule allerdings immer öfter in die Verliererposition gegenüber Ego-Monstern, die sich keinen Deut um Einsicht scheren, oder gegenüber Schlaraffenland-Kindern, die in ihren Familien kaum jemals Regel oder Struktur kennengelernt haben." – So weit nur ein kurzer Auszug; es wäre noch mehr zu sagen. (Abg. Dr. Antoni: Ist aber nicht weltberühmt!)

Ich frage jetzt nicht, wer an solchen Situationen oder an Verhältnissen, wie sie uns aus den USA durch die Medien immer wieder nahe gebracht werden, schuld ist. Andererseits sind sie aber auch bereits bei uns vorhanden. Zwar sind das Einzelfälle, aber trotzdem kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen!

Auf der anderen Seite sieht der § 2 des Schulorganisationsgesetzes den Auftrag zur Setzung von Erziehungsmaßnahmen vor. Und das bleibt nach wie vor bestehen, also kann man das nicht umgehen. Glauben Sie mir bitte, Strafen sind für mich wirklich kein Synonym für Erziehungsmaßnahmen, wirklich nicht, aber fruchtbare Erziehungsarbeit braucht auch gewisse Normen und Regeln. Von allein geht es ganz einfach nicht.

Stellen Sie sich vor, wir hätten keine Straßenverkehrsregeln, und jeder würde sich mit dem Auto hinstellen, wo er will, und nach siebenmal falsch geparkt, wird ihm gesagt: Stell dich nächstes Mal besser hin! – Na was käme denn da heraus? Kinder müssen das in der Jugend lernen und es dann fortsetzen können, wenn sie Erwachsene, verantwortungsbewusste Erwachsene sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unsere Gesellschafts- und Familienstrukturen haben sich dermaßen verändert, dass sozusagen ein Explizitmachen dieser möglichen Vereinbarungen unbedingt notwendig ist. Das Positivste an diesen verbindlichen Erziehungs- oder Verhaltensvereinbarungen ist die Autonomie, die die Schule selbst hat, um damit umzugehen; das ist das Wichtige daran. Es wird nicht von oben verordnet: So habt ihr es zu machen!, sondern es kann wirklich jeder für sich machen, die Situation genau abwägend, den Standort, die Bedürfnisse der Schüler, der Eltern, der Lehrer berücksichtigend. Das ist ganz einfach ein Zusammenspiel, und das ist das wirklich Positive daran.


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Ich kann Ihnen versichern  –  ich war selbst einmal Lehrerin, nicht sehr rühmlich, aber trotzdem –: Kinder und Jugendliche brauchen einen Ordnungsrahmen. Sie brauchen Erziehungsvereinbarungen.

Herr Brosz, wenn Sie zum Beispiel sagen, die Klassenschülerzahlen sollen von 30 auf 25 gesenkt werden, und als Argument dafür bringen – es hat mir sehr imponiert, was Sie da gesagt haben –, dass der Lehrer bei einer 50-Minuten-Stunde für jeden Schüler nur 1 Minute 40 Sekunden Zeit hat, dann muss ich Sie fragen: Haben Sie schon nachgerechnet, wie viel Zeit der Lehrer für einen Schüler hätte, wenn man die Schülerzahl auf 25, wie Sie es vorschlagen, senken könnte, was allerdings angesichts der jetzigen Budgetlage absurd ist? – Ich kann es Ihnen sagen, ich habe es nachgerechnet: Die Zeit, die der Lehrer dann für jeden einzelnen Schüler zur Verfügung hätte, würde sich um unglaubliche 20 Sekunden verlängern. Damit kann man "sehr viel" erreichen! (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Ich denke, dass einem guten Pädagogen, der sein Lehrziel erreichen will, weit mehr gedient ist, wenn er sein Wissen, seine methodischen Kenntnisse einer disziplinierten Klasse problemlos zur Verfügung stellen kann. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

13.21

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Hart zu sich selbst und zu anderen, das ist nicht die Pädagogik der SPÖ, Frau Wochesländer. Ich habe lange unterrichtet und keine Ego-Monster und auch keine Schlaraffenland-Kinder gefunden. (Abg. Wochesländer: Wo haben Sie da unterrichtet?) Ich habe lange unterrichtet und bin irgendwie "schwer beeindruckt", negativ beeindruckt von dem, was Sie gesagt haben. (Abg. Wochesländer: In welchem Bezirk? – Abg. Dr. Fekter: Das war ein Freudscher Versprecher!) Ich bin "schwer beeindruckt", unter Anführungszeichen, ich hoffe, Sie haben sie gesehen.

Es wurde sehr viel gesprochen von Vereinbaren statt Anordnen, von Aushandeln war die Rede. Ich möchte das aber herunterbringen auf die Ebene, die wir heute verhandeln, und zwar den Entschließungsantrag, der heute zur Diskussion steht, und da ist die Rede von Erziehungsmitteln, von Ordnungsrahmen und Erziehungsräten. (Abg. Wochesländer: Was sind das für Erziehungsmittel?)

Ich möchte auf die vom Kollegen Riepl schon angesprochenen Bildungs- und SchülerberaterInnen eingehen und auf ihre äußerst wichtige Funktion hinweisen. Eine Bemerkung am Rande: Es gibt den Begriff "Schüler- und Bildungsberater". Diese ausgebildeten Pädagogen haben dieselbe Funktion, haben dieselbe Ausbildung. Es wird ihnen allerdings ein anderer Titel zugeteilt, je nachdem, wo sie gerade unterrichten.

Vielleicht ist in der Öffentlichkeit über die Arbeit dieser Bildungs- und SchülerberaterInnen nicht sehr viel bekannt, weil es ihnen nicht darum geht, Shows oder Events zu veranstalten, sondern es geht ihnen um Hilfeleistung, Hilfestellung, die meist in Form von persönlichen Gesprächen stattfindet.

Sehr geehrte Damen und Herren! In Zeiten des "neu Regierens", in denen sich Bildung scheinbar auf die technischen Bereiche und Informationsbereiche zurückzieht und reduziert – diese Bereiche sind sicherlich sehr wichtig, aber eben nicht nur –, weiß man, wenn man das beobachtet und auch aufmerksam liest, dass von der Wirtschaft ganz besonders auch soziale Kompetenz eingefordert wird.

In Zeiten, in denen Persönlichkeitsentwicklung nicht mehr gefragt ist, in Zeiten, in denen Maßnahmen nicht mehr modern sind, die zu einem guten Klassenklima führen, damit zu einer besseren Leistung und eben in weiterer Folge zu dieser besseren Kompetenz, in solchen Zeiten,


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meine Damen und Herren, sind Schüler- und Bildungsberater von enormer Bedeutung. Sie stehen in engem Kontakt mit den Schulpsychologen, sind speziell ausgebildet und daher kompetent in Bereichen des Konfliktmanagements, des Erarbeitens von Problemlösungsstrategien, aber auch in der Hilfestellung bei der Umsetzung dieser Strategien.

Das alles gilt nicht nur für den schulischen Bereich, sondern auch für das persönliche Umfeld der Jugendlichen.

Diese Lehrer und Lehrerinnen sind also Mittler zwischen SchülerInnen und LehrerInnen, zwischen LehrerInnen und Direktion, zwischen SchülerInnen und Eltern, auch zu den Betrieben, die bei den Berufsschulen noch dazukommen. Glauben Sie mir, es ist eine Mär, wenn es heißt, dass die Schüler und Schülerinnen, die Jugendlichen in den Bundesländern keine Probleme hätten. Ich denke, das sollte durchaus mitbedacht und auch auf die Bundesländer ausgeweitet werden.

Der zweite Aufgabenbereich der Schüler- und BildungsberaterInnen ist eine Orientierungshilfe zur besseren Planung des Bildungs- und Berufsweges. Schließlich handelt es sich nicht um eine ganz unwesentliche Entscheidung, die ein junger Mensch zu treffen hat. Da werden Orientierungshilfen für das Herausfinden und Entwickeln der eigenen Talente und Ressourcen angeboten. Es gibt aber auch falsche, bereits gefällte Entscheidungen, die revidiert werden müssen, und auch da springen die BildungsberaterInnen in die Bresche.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn von Seiten der derzeitigen Regierung so genannte Erziehungsräte beschlossen werden, wenn scheinbar Strafen und Maßregeln als oberste Maxime gelten, so bitte ich Sie doch, einmal Ihren Standpunkt zu wechseln und vielleicht von der Warte eines Jugendlichen aus die Welt zu betrachten. Somit ersuche ich Sie, diese Petition, diese Bürgerinitiative zu unterstützen und sich Schritte zu überlegen, wie die Funktion dieser Schüler- und BildungsberaterInnen nicht nur gesetzlich verankert werden kann, sondern auch, wie dieses System besser ausgebaut und aufgewertet werden kann. Das wäre ein Schritt zur Jugend und nicht weg von ihr. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sevignani. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Entschließungsantrag der Kollegen Amon und Schweitzer setzen wir einen wichtigen Schritt in Richtung verstärkter Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern, Eltern und Lehrern.

Es geht um das Wohl unserer Kinder in einer schwierigen Phase ihrer Entwicklung. Wir wissen, dass der so genannte Erziehungsauftrag der Schule oft nur eine Fiktion ist.

Wenn die Schule den Erziehungsauftrag ernst nehmen soll, muss man ihr das notwendige Instrumentarium zur Hand geben. Erfolgreich kann Erziehung nur in einer engen Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen oder Kindern und Eltern, Eltern und Schule und Lehrern, eventuell auch Mediatoren sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Situation in unserer heutigen Industriegesellschaft ist nicht einfach, vor allem dann nicht, wenn beide Elternteile berufstätig sind. Oft werden Kinder in der Schule zur Erziehung abgegeben. Kinder verwaisen in vielen Fällen zu Schlüsselkindern. Wie deren Zukunft und weitere Entwicklung aussieht, darüber kann spekuliert werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir Freiheitlichen wollen, dass den Kindern in einer engen Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus die beste Erziehung zuteil wird. Was wir brauchen, ist eine Erziehungspartnerschaft, damit die Kinder zu verantwortungsbewussten Mitgliedern dieser Gesellschaft sozialisiert werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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62. Sitzung / Seite 81

Als Lehrer und Praktiker begrüße ich sowohl das Gremium, das befugt ist, über erzieherische Konsequenzen zu beraten und Maßnahmen festzulegen, als auch ein pädagogisches Frühwarnsystem. Die Eltern sollen rechtzeitig über alle möglichen verhaltensfördernden Maßnahmen informiert werden. Dadurch können anstehende Konflikte leichter gelöst werden, und es kann Eltern, die mit ihren heranwachsenden Kindern überfordert sind, professionelle Hilfe angeboten werden.

Zum Antrag der Kollegen Brosz und Genossen halte ich im Hinblick auf eine Herabsetzung beziehungsweise Beschränkung der Klassenschülerhöchstzahlen fest, dass die Klassenschülerhöchstzahlen in Volks- und Hauptschulen ohnedies in den wenigsten Fällen erreicht werden. Auf dem Land gibt es immer noch Volksschulklassen, in denen 14, 15 oder 16 Kinder sitzen. Daneben gibt es dann wieder die Fördergruppen und so weiter. Der Schnitt in Volksschulen ist 19 Kinder, in der Hauptschule 22 Kinder pro Klasse.

Wir können nicht irgendetwas fordern und irgendetwas verlangen. Wenn man bedenkt, welchen Schuldenberg uns die rote Regierung hinterlassen hat, dann, muss ich sagen, muss man irgendwelches Wunschdenken momentan hintansetzen.

Frau Minister! Wir stehen voll hinter diesen Anträgen. Sie haben unsere Unterstützung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser ist der nächste Redner. – Bitte.

13.31

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich bei den Ausführungen des letzten Redners, des Kollegen Sevignani, anschließen. (Abg. Böhacker: Eine gute Rede!) Kollege Sevignani! Außer in einer Aussage könnten wir weitgehend übereinstimmen.

Nicht übereinstimmen kann ich mit seiner Aussage, dass die Sozialdemokraten einen so großen Schuldenberg hinterlassen haben. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich kann jenen zugute halten, die noch nicht so lange im Nationalrat sind, dass sie das nicht wissen, aber die anderen müssten eigentlich wissen, dass da vor uns mit der ÖVP ein stattlicher Block sitzt, der mit uns lange Zeit in der Regierung gewesen ist.

Frau Bundesministerin Gehrer war zweifellos jene, die es nie geschafft hat, ihr Budget einzuhalten. Das hat sogar der Rechnungshof festgestellt. Persönlich habe ich das als nicht so tragisch empfunden. Ich habe auch manchmal gesagt, dass ich immer dafür bin, dass man für Bildung Geld ausgibt. Aber beim Nichteinhalten des Budgets hat sich in erster Linie die Frau Ministerin hervorgetan. Wenn man jetzt so tut, als ob man damals nicht dabei gewesen wäre und als ob das nur die Finanzminister der SPÖ zu verantworten hätten, dann, muss ich sagen, ist das zumindest ein grobe Verfälschung der Geschichte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ansonsten, Kollege Sevignani, habe ich nur ein Problem mit deinen Ausführungen: Das, was du hier gesagt hast, hat nichts mit dem zu tun, worüber wir abstimmen. Das ist das Problem. Das sind ganz andere Vorschläge. Es wurde beispielsweise der Einsatz von Mediatoren erwähnt. – Das ist offensichtlich auch nicht das, was die Frau Ministerin will, denn sie hat einen Gesetzentwurf in Begutachtung geschickt, der auch ganz anders ausschaut als dieser Antrag. Über diesen Antrag reden wir, und über diesen Antrag stimmen wir ab. Und diesen Antrag lehnen wir auch ab, weil er weder mit dem, was hier gesagt wurde, noch mit dem, was die Ministerin gesagt hat, irgendetwas zu tun hat. Das ist nahezu das Gegenteil.

Kollegin Brinek hat gemeint, wir hätten Probleme, weil wir Zentralisten wären. Mit diesem Wort und mit dessen Zuweisung wäre ich momentan wirklich sehr vorsichtig. Wenn Sie uns in einer Situation, in der sich eure Landeshauptleute, Kollegin Brinek, permanent über die zentralistischen Anwandlungen dieser Bundesregierung beschweren, darüber, dass alles nur noch konzentriert wird, dass die Gerichte in den Bezirken zugesperrt werden sollen, dass es Finanzämter


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nur noch in den Landeshauptstädten geben soll und die Bürger 100 Kilometer zu fahren haben, wenn sie zum Finanzamt wollen, und dergleichen mehr, wenn Sie uns in dieser Situation, in der Sie auf Teufel komm raus zentralisieren, Zentralismus vorwerfen, dann, muss ich sagen, geht dieser Vorwurf wirklich in die völlig verkehrte Richtung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Der Gedanke ...!)

Ich verweise auf jenes Umfeld, auf das hier Redner aller Fraktionen zu sprechen gekommen sind, jenes Umfeld der Schule, das wichtig ist, Jugendarbeit beispielsweise. Jugendarbeit ist etwas sehr Wichtiges. Und was tun Sie? – Sie nehmen den Jugendzentren die Zivildiener weg, indem Sie die Zivildiener viel schlechter stellen als die Präsenzdiener. Kollege Amon, du weißt ganz genau, dass das so ist. Da die Präsenzdiener gegenüber den Zivildienern bevorzugt werden, haben die Jugendzentren keine Mitarbeiter mehr. Sozialvereine müssen auf Grund der Maßnahmen dieser Bundesregierung zusperren. Man muss dieses Umfeld sehen, das Sie schaffen. Und dann kommen Sie her und sagen: Stattdessen machen wir eine Erziehungsvereinbarung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was gehört zu einer guten Schule? Was gehört zur Schulqualität? – Da gibt es ein paar Dinge, die ausreichend erforscht sind. Zur Schulqualität gehört, dass die Lehrer in einem Team arbeiten, dass sie sich gemeinsam für eine Schule, gemeinsam für die Kinder verantwortlich fühlen, dass sie wirklich auch die Zeit, in der sie in der Schule sind, nicht nur in der Klasse stehen, sondern auch dazu nützen, um Probleme, die mit einzelnen Kindern bestehen können, zu besprechen.

Anstatt dessen herrschen nach wie vor die Mauern der einzelnen Schulklassen vor, und das Team gibt es nicht. Weder das neue Dienstrecht noch eure Erziehungsvereinbarung schaffen dieses Team. Es sollte das Kind in seiner Entwicklung mehr als Individuum betrachtet und nicht schon sehr früh in den Konkurrenzkampf hineingehetzt werden. Da kommt es noch früh genug hin. Auch dazu finden wir nichts. (Abg. Mag. Mühlbachler: Wann haben Sie eine Pflichtschule das letzte Mal von innen gesehen?)

Und es gehört dazu, dass Mitbestimmung geübt wird. Aber unseren Antrag auf Erweiterung des Schulunterrichtsgesetzes lehnen Sie permanent ab. Stattdessen bieten Sie uns allen Ernstes in Form eines Entschließungsantrages eine Erziehungsvereinbarung an, die nichts anderes als neue Repressionen zur Folge hat. Da können wir nicht mitgehen.

Für gute Vorschläge zur Verbesserung des Schulklimas und der Schulqualität sind wir jederzeit zu haben. Einige Ideen habe ich Ihnen genannt. Machen Sie mit, dann werden Sie auch unsere Zustimmung finden! (Beifall bei der SPÖ.)

13.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Brosz ist der nächste Redner. – Bitte.

13.37

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! Noch eine zweite Wortmeldung von meiner Seite, weil mir Frau Kollegin Wochesländer in den Mund gelegt hat, ich hätte hier ausgerechnet, wie sich die Klassenschülerzahlen auf die Unterrichtszeit pro Kind auswirken würden. Das habe ich nicht getan, daher hätte ich auch eine tatsächliche Berichtigung machen können. Ich weiß nicht, woher Sie dies haben. Von mir stammt es jedenfalls nicht. Aus dem Antrag stammt es auch nicht. (Abg. Wochesländer: Ihre Aussendung! Stammt von Ihnen!)

Auch in der Aussendung steht dies sicher nicht, weil dies meiner Meinung nach ein falsches Denkmuster beinhaltet. Deshalb wollte ich es noch einmal klarstellen. Diese Gegenrechnung in Sekunden und Minuten entspricht immer (Abg. Wochesländer: Ihre Presseaussendung!)  – nein, sie stammt nicht von mir, das habe ich Ihnen gerade erklärt – dem klassischen Bild von Unterricht, also dem Frontalunterricht, dem ganz normalen herkömmlichen Unterricht, der einfach die neuen Möglichkeiten nicht berücksichtigt. Wenn es um Gruppenunterricht und all diese Dinge geht, dann kann man diese Gegenrechnung in Minuten einfach nicht anstellen. (Abg. Wochesländer: Sie sind überhaupt noch nicht in einer Klasse gestanden!)


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Sie haben vorher gerade erklärt, wie Sie Ihren Unterrichtsstil sehen. Den möchte ich jetzt nicht kommentieren. Ich wollte nur die Behauptung, die Sie aufgestellt haben, inhaltlich klarstellen. Sie stimmte nicht.

Noch eine Anmerkung, Frau Bundesministerin. Immer wieder in der Diskussion: Es geht nicht in erster Linie um die durchschnittlichen Klassenschülerzahlen. Auch diese steigen im Übrigen. Es hilft den Betroffenen überhaupt nicht, wenn Sie auf durchschnittliche Klassenschülerzahlen verweisen, wenn es Klassen mit Höchstschülerzahlen gibt, wo einfach die gesetzliche Zahl überschritten wird. Es gibt über 3 000 Klassen in Österreich, wo dieser Puffer wahrgenommen wird, was eigentlich nur als Sondermaßnahme gedacht ist. Da gilt es zu arbeiten.

Es soll das Gesetz auf Grund einer Sonderbestimmung zumindest nicht ununterbrochen überschritten werden. Das muss man schon klar sehen. Das ist nicht als Dauerbestimmung gedacht, aber es ist bereits eine solche geworden. Zumindest diesen Missstand sollten Sie beseitigen. (Beifall bei den Grünen.)

13.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen damit zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 509 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 74.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 510 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle abermals die Mehrheit fest. Er ist damit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 511 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle Einstimmigkeit fest. Damit ist das einstimmig angenommen. (E 75.)

5. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den österreichischen Familienbericht (III-47 der Beilagen) 1999 der Bundesregierung (314 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir kommen damit zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Ich erteile es ihr.

13.40

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meistens ist es ja kein sehr positiver Umstand, wenn ein Bericht schon gut abgelegen ist, bevor er hier im Haus diskutiert wird. In diesem Fall ist es aber nicht ganz uninteressant. In diesem Familienbericht 1999 wurde schon damals, also nicht die heute amtierende Bundesregierung betreffend, sehr klar festgehalten, dass – und das ist, wie gesagt, der offizielle Familienbericht der damaligen Bundesregierung! – die damals von der rot-schwarzen Koalition getroffe


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nen familienpolitischen Maßnahmen – ich zitiere – stärker der ÖVP-Programmatik entsprechen. So steht es auf Seite 83 dieses Berichtes.

Das heißt, es wurden auch in der Vergangenheit mit Duldung, vielleicht sogar mit Unterstützung der Sozialdemokratischen Partei konservative Modelle der ÖVP in der Familienpolitik umgesetzt. (Abg. Murauer: Gott sei Dank, richtig!)  – Das ersuche ich Sie, anhand von Zahlen zu beurteilen. Wenn Sie hier Glaubensbekenntnisse abgeben wollen, können Sie das natürlich, aber wir haben dann wenig Basis für eine rationale Politik. (Beifall bei den Grünen.)

Von den Zahlen her – und es sind immer die Zahlen, deren Sie sich so berühmen – schaut es folgendermaßen aus: Österreich hat innerhalb Europas die zweithöchsten Leistungen in der Familienpolitik. Gleichzeitig nimmt Österreich, was die Arbeitslosigkeit von Arbeit suchenden Frauen betrifft, einen schlechteren Rang ein als bei den Männern, nämlich den fünften – und insgesamt den dritten. Wesentlich schlechter schaut es schon aus im Hinblick auf den so genannten Gender Gap, also was den Unterschied zwischen Frauen und Männern anbelangt, da sind wir nämlich auf Platz 11 im Europa der 15, also nur mehr im hinteren Feld. Und dramatisch sieht es bei der Geburtenrate aus, diesbezüglich sind wir nämlich Schlusslicht!

Daher frage ich Sie, die Sie da Ihr ideologisches Hohelied schon auf die bisherige Politik anstimmen: Ist das wirklich ein Erfolgsmodell? Österreich ist Spitzenreiter bei den Zahlungen für – Anführungszeichen –"Familienleistungen" und Schlusslicht bei der Geburtenrate, obwohl wir wissen, dass sich die meisten jüngeren Frauen, diejenigen, die noch keine Kinder haben, ursprünglich immer zwei oder drei Kinder wünschen! Dazwischen passiert irgendetwas, und dieses "dazwischen" heißt: Nicht vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Es stellt sich nun die Frage: Was tut diese Regierung, die so gerne das ideologische Hohelied der Familienpolitik anstimmt? – Sie verstärkt diesen Trend, also mehr vom Schlechten! Da kann ich nur sagen: Na bravo! Mit Rationalität oder gar mit einem Zugehen auf die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger hat das rein gar nichts zu tun! Und das ist sehr bedauerlich. (Beifall bei den Grünen.)

Als diese Debatte rund um künftige Lösungen für moderne Modelle einer Frauenpolitik, einer Familienpolitik geführt wurde, habe ich es vermisst, dass man einmal analysiert, was bisher war, und warum diese Politik teuer und ineffizient war.

Sie wären nämlich sehr bald zu dem Schluss gekommen – diesbezüglich gibt es ja wissenschaftliche Untersuchungen –, dass moderne Frauen und Männer den Wunsch haben, gleichgestellt zu sein, dass sie durchaus in Familien leben wollen, aber gleichzeitig auch ihre Eigenständigkeit bewahren beziehungsweise ausbauen wollen, und dass daher Familie ein immer selbst bestimmter, selbst gewollter Zusammenschluss ist und nicht ein ökonomischer Zwangsverband. Eine solche echte Gleichstellung, eine ökonomische Eigenständigkeit ist ihnen im alten Modell versagt worden – etwas, was wir immer kritisiert haben! – und wird im neuen Modell erst gar nicht angestrebt. Und das ist scharf abzulehnen! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Von der Ungleichverteilung der Arbeit brauche ich gar nicht zu reden, sie kommt in diesem Bericht sehr klar zum Ausdruck. Die Frauen leisten den ganz, ganz, ganz überwiegenden Anteil an unbezahlter Arbeit, und sie werden dafür noch bestraft, und zwar zeitlebens, mit niederen Löhnen und Gehältern und mit einer Pension, die gerade einmal die Hälfte der durchschnittlichen Männerpension beträgt.

Das, was Sie jetzt anbieten, muss ich sagen, ist wirklich fast eine Verhöhnung von Menschen, die Betreuungsarbeit leisten. Wenn Sie sagen, dass etwa Kinderbetreuungsarbeit in Zukunft pensionsbegründend sein soll, wenn man sagt, es ist von einer Frau, einem Mann so gewollt, dass hauptberuflich ausschließlich diese Betreuungsarbeit geleistet wird und 18 Monate pro Kind angerechnet werden, es aber keine anderen Modelle gibt, wie etwa ein Grundsicherungsmodell mit eigenständiger Versicherung, dann braucht diese Betreuungsperson zehn Kinder, und diese müssen in einem Abstand von zumindest 18 Monaten zur Welt kommen. Da kann ich nur sagen: Das wird eine Unzahl von Frauen in Zukunft "besser" absichern. Das ist eine Scheinlösung, die niemandem nützt, das ist reine Ideologie und Propaganda. (Beifall bei den Grünen.)


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Während schon die bisherige Politik, die ineffizient und teuer war, eher konservativen Werthaltungen entsprochen hat, so hat sich jetzt bei der ÖVP noch der blaue Einschlag hinzugesellt. Das ist natürlich etwas, was gerade bei einer christlichen Partei nicht nur überrascht, sondern eigentlich entsetzt. Wenn Sie schon sagen, Sie wollen nicht mehr ein primär auf Erwerbsarbeit zentriertes Modell, dann kann man darüber unter bestimmten Umständen diskutieren. Aber die Tatsache, dass dann gerade ausländische Familien, ausländische Frauen eindeutig diskriminiert werden sollen, wo sonst die Erwerbsarbeit kein Kriterium mehr ist, kann letztlich nur mit Werthaltungen, aber nicht sachlich begründet werden. Und die Werthaltung, die dahinter steht, heißt: Ausländerinnen sind Menschen zweiter Klasse. Das ist vehement abzulehnen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Haller. ) – Bitte zu protokollieren, dass hier auch noch "Blödsinn" in einem Zwischenruf gekommen ist.

Dies offenbart Ihr wahres Gesicht. Ihre Ankündigungen, Sie hätten etwas aus Wien und den Feindbildern gelernt, scheinen ja sehr ernst gemeint zu sein. Aber es spricht für sich selbst.

Meine Damen und Herren! In diesem Bericht heißt es, dass in Bezug auf die Arbeitsmigrantinnen höhere Ehe-, niedrigere Scheidungsquoten und höhere Kinderquoten zu verzeichnen sind. Das heißt, dort, wo das von Ihnen propagierte Familienmodell noch ein wenig besser funktioniert, genau dort setzt die Sanktion an. Das sind doch die einzigen Frauen, die in Zukunft irgendeine Erwerbsarbeit oder das Kriterium des langen Aufenthaltes brauchen. Und wer weiß, wie das in der Praxis funktioniert, dass etwa jungverheiratete Paare jahrelang warten müssen, bis der andere Teil – regelmäßig die Frau – überhaupt eine Genehmigung für einen legalen Aufenthalt im Land bekommt, der weiß, was das für Familien heißt. Das heißt, dass ein gut Teil der Frauen, die hier letztlich arbeiten wollen, leben wollen, mit ihrer Familie sein wollen, Ihrem christlichen Schutz nicht mehr untersteht. Überlegen Sie sich einmal, was das heißt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Weinmeier: Der Bericht ist aus 1999, weil Sie es nicht gewusst haben!)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

13.49

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Drei zentrale Punkte möchte ich voranstellen. Erstens: Dass wir heute über diesen Bericht aus dem Jahre 1999, wie Sie richtig angemerkt haben, diskutieren, über einen Bericht, der einen Umfang von über 1000 Seiten hat, ist auf das beharrliche Drängen von uns von der SPÖ zurückzuführen, denn diese Bundesregierung wollte uns ja mit einer PR-Version für Journalisten abspeisen, mit einer Version, die 140 Seiten umfasst.

Zweitens: Einmal mehr haben Sie von den Koalitionsparteien Expertenmeinungen ignoriert – und dieser Bericht ist ein Expertenbericht –, so, wie Sie das ja auch beim Thema "soziale Treffsicherheit" getan haben, wo ja gleichfalls Experten etwas anderes vorgeschlagen haben als das, was dann letztlich von Ihnen umgesetzt wurde.

Drittens: In diesem Expertenbericht wird die großzügige Familienförderung in Österreich ausdrücklich gelobt.  – Die FPÖ/ÖVP-Regierung betreibt aber seit ihrem Amtsantritt eine Politik gegen die Familien: angefangen von der Reduzierung der Familienzuschläge über die Einführung der Ambulanzgebühren bis zur Erhöhung der Rezeptgebühren! – Wenn Sie sagen, dass das nichts mit Familie zu tun habe, kann ich mich wirklich nur wundern.

Zum Familienbericht selbst: In diesem wird der Frage Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Wiedereinstieg in den Beruf breiter Raum gewidmet. Was die Karenzzeit anlangt, so wird in diesem Bericht ausdrücklich vorgeschlagen: kurze Unterbrechungen beziehungsweise Nichtausstieg aus dem Erwerbsleben. Das soll forciert werden. Was aber tut diese Regierung? – Sie verlängert die Karenzzeit, forciert den völligen Ausstieg aus dem Erwerbsleben und ebenso den Ausstieg aus dem System der Arbeitslosenversicherung!

Zur Wiedereinstiegshilfe: Experten empfehlen Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen durch das Arbeitsmarktservice. Was aber tut diese Regierung? – Sie streicht das Weiterbildungsgeld nach der Karenzzeit, setzt die Anwartschaft für Werkstudentinnen hinauf und zielt in


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Wirklichkeit darauf ab, das Arbeitsmarktservice geradezu kaputt zu sparen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das war 1999! – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Zum Anspruch auf Teilzeitarbeit: In diesem Familienbericht heißt es, dass wegen der zeitlichen Belastung der Eltern ein Anspruch auf Teilzeitarbeit ausdrücklich wünschenswert wäre. Was aber tut diese Regierung? – Teilzeitkarenz soll völlig abgeschafft und die Ladenöffnungszeiten sollen ausgeweitet werden, und ein Kinderbetreuungsgeld wird eingeführt, mit dem aber auch für in Karenz befindliche Eltern kein arbeitsrechtlicher Schutz in puncto Arbeitszeit gewährleistet wird.

Diese Wenderegierung geht sogar so weit, die Streichung des Kündigungsschutzes beziehungsweise die Zurücknahme des Ausmaßes als "Wiedereinstiegshilfe" zu verkaufen zu versuchen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an Aussagen von Bartenstein oder Rauch-Kallat von Anfang März dieses Jahres. – Das heißt, Eltern können, ja müssen dazuverdienen – allerdings ohne arbeitsrechtliches Netz.

Weiters stehen Kinderbetreuungseinrichtungen im Mittelpunkt dieses Berichtes. Die AutorInnen betonen ausdrücklich, dass, als wesentlichster Faktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – das betonen Sie von den Regierungsparteien ja dauernd –, Kinderbetreuungseinrichtungen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen müssen.

Sie werden nun sagen, das sei nichts Neues, das ist ja immer schon gefordert worden. – Das stimmt, ja. Die Experten haben es empfohlen, die SPÖ hat es verlangt – eine Verwirklichung war jedoch wegen des Widerstandes des damaligen Koalitionspartners ÖVP nicht möglich.

Im Bericht heißt es außerdem ausdrücklich, dass Alleinerziehende dringendst Kinderbetreuungseinrichtungen benötigen. Und weiters heißt es in diesem Bericht – ich zitiere –:

Eine mögliche Option zur Forcierung des Ausbaues könnte die gesetzliche Verankerung des Rechtsanspruches von Kindern auf einen Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung darstellen, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist. – Zitat aus dem Expertenbericht.

Was aber tut diese Regierung? – Sie streicht – und das war übrigens eine ihrer ersten Taten – die "Kindergarten-Milliarde"; zum Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen sind keine weiteren Budgetmittel vorgesehen. Eine langjährige Forderung der SPÖ nach einem Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz – etwas, was auch die Experten in diesem Familienbericht betonen – wird einfach ignoriert!

Zum Thema Existenzsicherung zwei Punkte, die von den Experten angeführt wurden. Erstens: die Höhe des Karenzgeldes. Das derzeitige Karenzgeld beträgt 5 721 S; 1999 waren es um rund 200 S weniger. Und dieser Betrag, so die Experten, sei "kaum existenzsichernd"; nachzulesen auf den Seiten 47 beziehungsweise 48 dieses Berichtes.

Was aber macht diese Regierung? – Sie wendet einen zweistelligen Milliardenbetrag für das Kinderbetreuungsgeld auf, letzter Stand in einem Budget, in dem die Zahlen offensichtlich nicht fix sind: 13 Milliarden Schilling – und in einer schriftlichen Anfragebeantwortung, und zwar vom November 2000, spricht der Herr Bundesminister von 18 Milliarden Schilling! Herr Schüssel hingegen hat kürzlich von 16 Milliarden Schilling gesprochen – die AK aber kommt in ihren Berechnungen auf 24 Milliarden Schilling!

Ich meine: Solange Sie das Ausmaß des Bezieherkreises nicht kennen, solange nicht feststeht, wie hoch die Zuverdienstgrenze ist und viele andere Fragen auch offen sind, können Sie gar nicht wissen, wie viel das alles kosten wird. Und auch die vorgesehenen 6 000 S Kinderbetreuungsgeld können nicht als existenzsichernd bezeichnet werden. Eine Erhöhung um 279 S stellt keine Existenzsicherung dar! – In diesem Zusammenhang gibt es also viele offene Fragen, wie:

Kommt es zu einer besonderen Berücksichtigung von Alleinerzieherinnen? – Ich weiß es nicht. Wann wird das Karenzgeld, wann wird dieses "Kinderbetreuungsgeld" angehoben – oder wird es


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auf 6 000 S, sozusagen für alle ewigen Zeiten, eingefroren werden? Wir wissen das alles nicht. (Abg. Dr. Mitterlehner: Dann werden es eben Euro sein!)

Zweitens gibt es zum Thema Existenzsicherung in diesem Bericht auch das Kapitel "Familienleben mit Arbeitslosigkeit". Auch diesbezüglich gibt es bemerkenswerte Aussagen, kommen doch die Autoren übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Arbeitslosigkeit für viele Familien etwas sehr Bedrohliches darstellt, etwas, das zu echten Krisen führen kann. Und dabei ist die Einkommensgefährdung umso gravierender, je älter die Kinder sind; es kommt zu schweren Beeinträchtigungen in Bereichen wie Essen, Wohnen, Gesundheit.

Das alles spricht doch für sich, würde man meinen, aber Ihnen von FPÖ und ÖVP dürfte auch dies nicht viel sagen, ließen Sie sich doch auch von den Expertenansichten zum Thema "soziale Treffsicherheit" nicht beeindrucken – auch nicht, als von Experten, und zwar ganz ausdrücklich, auf die Armutsgefährdung von Arbeitslosen hingewiesen wurde.

Diese Wenderegierung hat offensichtlich von einem "bresthaften" Landeshauptmann – gestern las ich zumindest in einer Zeitung, dass er "bresthaft" ist – sozusagen eine Rodungsbewilligung eingeholt, und sie hat einen Kahlschlag durchgeführt, indem sie die Familienzuschläge, das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe gekürzt hat. Und damit trägt diese Bundesregierung dazu bei, dass die geschilderten Bedrohungsszenarien in Bezug auf die Armut von Familien leider Realität werden!

Das, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, war offensichtlich der Grund dafür, warum Sie den vollständigen Expertenbericht hier nicht diskutieren wollten. Sie wollten ganz einfach verhindern, dass dieser Expertenbericht publik wird. Sie wollten wieder täuschen, obwohl Sie immer mehr an Glaubwürdigkeit verlieren. Das, was Sie machen, meine Damen und Herren von der Wenderegierung, ist reinster Dilettantismus! Das hat wirklich nichts – aber auch schon gar nichts! – mit verantwortungsbewusster Familienpolitik im Interesse junger Mütter und Väter zu tun!

Mit der Überheblichkeit dieser "Speed-kills!"-Regierung – der "Erfinder" dieses Ausdrucks war ja Andreas Khol, und er hat ja auch heute gezeigt, dass sein "speed kills" beibehalten werden soll – glauben Sie ganz einfach, sich das alles leisten zu können.

Ich kann nur sagen, Herr Khol: "Glückwunsch" zu Ihrem "speed kills" – Geschwindigkeit tötet, heißt das –, "speed kills" für sozial Schwache und "speed kills" für die Familien Österreichs! (Beifall bei der SPÖ.)

13.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

13.58

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Mertel, Sie vergessen, dass Kollege Khol bei seinen "Rezepten" bezüglich "speed kills" ja immer das Objekt des Ganzen vergessen hat. Der Satz heißt ja richtigerweise in der Management-Theorie – und nicht zufällig, bitte –: "Speed kills quality!" Und das sehen wir ja sehr deutlich an jeder einzelnen dieser Maßnahmen, die die Bundesregierung in den letzten Monaten – jetzt kann man das ja fast schon so sagen – zu verabschieden versucht hat. (Beifall bei den Grünen.)

Zurückkommend auf den Familienbericht. Ich kann mich noch genau erinnern an den Vorschlag eines Experten – obwohl das wirklich schon geraume Zeit her ist –, der auch durch Berichte anderer Experten untermauert wurde und eigentlich auf Zustimmung im Familienausschuss gestoßen ist. Sie können das ja alles auch nachlesen.

Der Vorschlag dieses Experten – es war Herr Professor Badelt – lautete in etwa folgendermaßen: Man sollte, und zwar deutlicher als bisher, die Aufgaben zwischen Bund und Ländern, was den ganzen Bereich Kinder anlangt, so trennen, wie das unsere Bundesverfassung eigentlich vorgibt: Die Länder sollten die infrastrukturellen Leistungen übernehmen – und nicht so wie bis


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her da irgendwo bei Kindergeld und kinderpolitischen Maßnahmen mit Gröscherlbeiträgen noch Zuschussleistungen erbringen. Der Bund hingegen sollte sich prioritär auf die Geldleistungen konzentrieren.

Ich weiß schon, Professor Badelt hat einen sehr differenzierten Standpunkt auch zum Kinder- oder Kinderbetreuungsgeld. Das ist nicht unbedingt der meinige, das ist aber auch nicht vollinhaltlich der Ihre, also der der Regierungsparteien. Nur: Interessant ist schon, dass dort, wo Professor Badelt einen Vorschlag gemacht hat, der von allen geteilt wurde, die Bundesregierung mit ihrer Maßnahme und mit dem, was sie von den Ländern eigentlich haben möchte, genau das Gegenteil anstrebt.

Das Einzige, was Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld von den Ländern verlangt haben, ist, dass die Länder das Geld, das sie derzeit für Kinderpolitik im weitesten Sinne, also inklusive Betreuungspolitik, ausgeben, dem Bund zur Verfügung stellen, damit dieser das Kinderbetreuungsgeld finanzieren kann. (Abg. Haller: Ist ja nicht wahr!)

Jetzt weiß ich aus der Debatte, dass da einzelne Länder schon abgewunken haben, aber ich weiß auch, Frau Abgeordnete Haller, was für die nächsten Jahre zu befürchten ist: Einzelne Länder werden ihre Zuschussleistungen – so, wie bisher – aufrechterhalten, weil jeder Landeshauptmann/jeder Landespolitiker auch gerne etwas Geld verteilt. Einzelne Länder aber werden, damit sie mit dem Nulldefizit zurechtkommen, ihre Leistungen in diesem Bereich streichen. Vor allem aber werden sie eines nicht machen: das Geld, das sie eigentlich frei hätten, für den Ausbau von Kinderbetreuungs-Infrastruktur verwenden. (Abg. Steibl: Woher haben Sie das? Sind Sie in den Ländern zuhause?) – Darf ich Ihren Zuruf noch einmal hören? (Abg. Steibl: Woher wissen Sie das, was die Länder machen werden?) – Wieso wir das wissen? Weil das doch schon jetzt erkennbar ist!

Gehen Sie doch einmal zu Ihren Parteifreunden nach Niederösterreich und fragen Sie diese, ob sie derzeit in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen investieren! In den Ausbau  nicht in den Abbau! Das ist der Punkt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Niederösterreich ist das Land der Kindergärten! – Gegenrufe bei den Grünen.)

Gehen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, in irgendein Bundesland und lassen Sie sich dort erklären, wo derzeit in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen investiert wird! Lassen Sie sich beraten! Es geht aber bitte nicht nur darum, irgendwelche Einrichtungen für drei, vier Stunden hinzustellen, sondern darum, dafür zu sorgen und danach zu trachten – das ist ja der Punkt! –, dass diese Einrichtungen zu jenen Zeiten, zu denen man sie braucht, zur Verfügung gestellt werden. (Zwischenruf der Abg. Haller. )

Es geht ja nicht nur darum, dass am Vormittag – wie etwa in Vorarlberg und teilweise in Tirol – Kinderbetreuungseinrichtungen offen sind, die jedoch dann über die Mittagszeit zugesperrt werden! Was sagen Sie denn einer berufstätigen Mutter, die nicht die Möglichkeit hat, sich zu dieser Zeit aus ihrem Betrieb, aus ihrer Arbeitszeit auszuklinken?! – Es geht also darum, dass ganztägige Betreuungseinrichtungen vorhanden sind beziehungsweise geschaffen werden.

Ein Punkt, den ich noch ansprechen möchte, weil er auch im Familienausschuss und in diesem Familienbericht eine Rolle spielt, etwas, was auch im Zusammenhang mit dem, was jetzt "Kinderbetreuungsgeld" genannt wird, nicht verschwiegen werden sollte: Alle Maßnahmen – egal, ob sie sozialpolitisch, familienpolitisch begründet sind – müssen auch danach geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf die Familienarmut haben. Jetzt weiß ich schon, Kollegin Haller wird sich dann gleich hier herstellen und uns erklären, dass das ja jetzt viel, viel besser wird. (Abg. Haller: Genau! So ist es auch!)

Frau Kollegin Haller, denken Sie nicht nur an das, was diesbezüglich in den ersten zwei oder drei Jahren geschieht, sondern denken Sie auch an die Zeit danach! Denken Sie darüber nach, was das für jene Frauen heißt, die tatsächlich auf dieses Angebot eingegangen und drei Jahre lang zu Hause geblieben sind, und die dadurch, dass sie länger ausgestiegen sind – wie ja im Familienbericht festgehalten wurde –, einen deutlichen Einkommensverlust beim Wiedereinstieg


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zu erleiden haben! Denken Sie daran – und ziehen Sie die Konsequenzen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Haller. )

Klar ist – und das wurde bereits eindeutig festgestellt –, dass es erstens ein Interesse der Frauen ist, ihre Option auf den Beruf, auf ein Einkommen, auf ein Fortkommen auch im Beruf aufrechtzuerhalten. Durch einen mehrjährigen Ausstieg wird das jedoch sicherlich nicht gerade verbessert.

Klar ist auch, dass in Bezug auf die Familie das Interesse von Familien – und das heißt nicht ausschließlich: Frauen!  – gewachsen ist, Betreuungszeiten gemeinsam mit den Kindern zu verbringen, und zwar nicht nur in den ersten drei Jahren, sondern vor allem auch zu schwierigen Zeiten von Übergängen – also dann, wenn es darum geht, das Kind in eine Betreuungseinrichtung zu bringen, egal, ob das jetzt eine Tagesmutter, ein Kindergarten, eine Kinderkrippe oder die Schule ist. Es geht also um diese Übergänge! Das sind die springenden Punkte und die wichtigen Zeiten auch für die Kinder. Und für diese Übergänge bietet dieses neue Modell, soweit wir es bis jetzt kennen, überhaupt keine Perspektiven!

Das wäre aber auch ein wichtiger Punkt. Wir wollen uns ja vorwärts bewegen, meine Damen und Herren – und nicht rückwärts! Es kann doch nicht so sein – das zeigt sich aber deutlich –, dass man das Zeichen aussendet, 30 Monate Karenzzeit für die Frau und sechs Monate dieser Möglichkeit für den Mann. Das ist kein Zeichen für einen Fortschritt in den Beziehungen, das ist kein Zeichen für einen Fortschritt, den auch die Frauen – und das zu Recht! – in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erwarten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da sind nicht nur die Väter gefordert, sondern da ist auch die Wirtschaft gefordert. Diesbezüglich sind aber Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien – egal, ob es da um den Kündigungsschutz, egal, ob es darum geht, ein Recht auf Teilzeitarbeit für Männer und Frauen mit Betreuungspflichten zu verankern –, alle Antworten schuldig geblieben.

Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Was Sie mit diesem "Kindergeld" oder "Kinderbetreuungsgeld" machen, ist nicht ganz klar, ja es ist nicht einmal klar, was dieses eigentlich ist. Ein Betreuungsgeld ist es ja nicht, Herr Bundesminister, weil auch Personen, die nur eingeschränkt betreuen können, dieses Geld zugesprochen werden soll. Ein Kindergeld ist es aber auch nicht, weil es nicht pro Kind gegeben wird! Was ist es also? – Es ist sozusagen ein Zwitter, ein Zwitter aus allen möglichen Vorstellungen, aus ziemlich krausen (Abg. Dr. Petrovic: Blau-schwarzen!) Vorstellungen, den krausesten, die man sich überhaupt nur machen kann.

Der springende Punkt, Herr Bundesminister Haupt, ist – und da sind Sie schon gefordert, und zwar in Ihrer zusätzlichen Funktion, in der als Frauenminister –: Es wird den Frauen damit versprochen, dass in Bezug auf die Pensionen für sie etwas besser würde.

In einer Debatte hier habe ich bereits einmal erklärt: Solange mit dem Familienlastenausgleichsfonds nicht in ausreichender Form dafür Vorsorge getroffen und solange kein Beitrag zur Finanzierung des Pensionssystems geleistet wird – und das wird ab dem Jahre 2002 nicht gemacht, und da Sie auch für die Zukunft, soweit aus den Zahlen erkennbar ist, keine Vorsorge treffen –, so lange werden Sie sich mit Fug und Recht von uns anhören müssen, dass die Frauen, denen sie jetzt eine "tolle Leistung" – unter Anführungszeichen – versprechen, in 20 Jahren, nämlich dann, wenn sie eine Pension beanspruchen wollen, die Draufzahlerinnen sein werden.

Dann werden Politiker – und das wird wahrscheinlich keine schwarz-blaue Bundesregierung sein (Abg. Dr. Petrovic: Hoffentlich!) – diesen Frauen sagen müssen: Vor 20 Jahren hat man euch zwar das Schwarz-Blaue vom Himmel herunter versprochen, aber leider ist in der Pensionsversicherung, ist im Familienlastenausgleichsfonds keine Vorsorge dafür getroffen worden, dass vor 20 Jahren relativ rücksichtslose Politiker etwas versprochen haben, was jetzt nicht eingehalten werden kann! (Beifall bei den Grünen.)

14.08


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62. Sitzung / Seite 90

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Donabauer zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.08

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Öllinger hat hier, in übergroßer Lautstärke, behauptet, Niederösterreich investiere nicht in Kinderbetreuungseinrichtungen, sondern betreibe deren Abbau.   – Das ist absolut unrichtig!

Richtig ist vielmehr, dass das Land Niederösterreich ein landesumfassendes Netz an Kindergärten vorzuweisen hat (Abg. Dr. Petrovic: Aber nur für Vormittag!), wobei jedem Kind der Besuch ermöglicht wird – und das bitte zum Nulltarif!

Darüber hinaus verfügen wir bei uns in Niederösterreich über ein wirklich dichtes Netz an Tagesmüttern, sodass man wahrlich sagen kann, dass in Niederösterreich jede Familie, die das will und braucht, entsprechende Unterstützung erhält und jederzeit darauf zurückgreifen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf: Zwei zu null für den Donabauer!)

14.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

14.09

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch gleich mit einer tatsächlichen Berichtigung beginnen, und zwar in Richtung von Frau Kollegin Mertel beziehungsweise Herrn Öllinger. Beide haben unisono behauptet, dass es in Österreich an Kinderbetreuungsplätzen fehlen würde – und dass das auch ein Ergebnis dieses Familienberichtes wäre. Ich berichtige tatsächlich: Im Familienbericht wird festgehalten, dass in Kindergärten wesentlich mehr und gerade Ganztagsbetreuungsplätze angeboten werden, als diese überhaupt in Anspruch genommen werden. Das heißt, dass es da bereits eine Überversorgung gibt. – Soviel zu meiner tatsächlichen Berichtigung.

Nun zu meinem eigentlichen Debattenbeitrag, wobei ich mich gleich anfangs bei den zuständigen Beamten im Familienministerium für dieses hervorragende Nachschlagewerk bedanken möchte, ein Nachschlagewerk, das für alle an Familienpolitik tatsächlich Interessierten eine wirklich gute Arbeitsgrundlage darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Leider ist es aber immer mehr Faktum, dass es in unserer wertepluralen Gesellschaft, und zwar in steigendem Maße, immer mehr zu Schwierigkeiten kommt, Konsens hinsichtlich des Wertes von Familie und deren institutioneller Absicherung zu erzielen; diese Nichtkonsensfähigkeit haben ja zwei oder drei meiner Vorredner hier bereits bewiesen.

Faktum ist aber auch, dass Österreich in den letzten zehn Jahren einen gewaltigen Geburtenrückgang zu beklagen hatte. Derzeit bringt eine Frau im Schnitt nur mehr 1,34 Kinder zur Welt. Ich bedauere sehr, dass die Elterngeneration derzeit zu nur mehr 66 Prozent durch eine Kindergeneration ersetzt wird.

Faktum laut Familienbericht ist aber auch, dass Partnerschaft, Ehe und Familie heute immer noch die wichtigsten Lebensformen für die Österreicherinnen und Österreicher darstellen.

Im Familienbericht wird weiters festgestellt – da gebe ich Frau Abgeordneter Mertel durchaus Recht –, dass die Familienförderung in Österreich, im europäischen Kontext gesehen, eine sehr gute ist. Diese Familienförderung wurde Anfang der neunziger Jahre ausgeweitet, aber lange nicht so, wie eine Steigerung der Sozialausgaben insgesamt erfolgte. Durch zwei Sparpakete, für die die vorangegangene Regierung verantwortlich war, wurde die Familienförderung jedoch drastisch reduziert. Die Familie war die einzige Bevölkerungsgruppe, die damals durch diese


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beiden Sparpakete mit realen Kürzungen konfrontiert war und diese voll in Kauf nehmen musste. (Ruf bei den Freiheitlichen: Erhebliche Kürzungen!)

Durch die Umsetzung ihres Familienpaketes sorgt diese neue Bundesregierung dafür, dass solchen realen Kürzungen nun Einhalt geboten wird. Und durch die künftig zu setzende Maßnahme "Kinderbetreuungsgeld" soll es mit diesen Kürzungen der vorhergehenden Bundesregierung nun endlich vorbei sein!

Natürlich versuchen vor allem die Spät-Marxisten, die hier im Hohen Hause sitzen (Zwischenruf bei den Grünen)  – sei es durch Falschmeldungen, durch Irreführungen oder durch andere in die Welt gesetzte Befürchtungen –, diese Maßnahme hinsichtlich Kinderbetreuungsgeld zu diskreditieren.

Warum schauen wir uns da aber nicht ein außerösterreichisches Beispiel als Modell an? Ich erwähne da etwa Norwegen: Dort gibt es bereits eine Evaluierungs-Studie über ein Modell hinsichtlich Kinderbetreuungsgeld, das unserem österreichischen Modell sehr ähnlich ist. Und in dieser norwegischen Studie heißt es: Es sind noch nie so viele Kleinkinder wie jetzt in den Kindergarten gegangen; es sind noch nie so viele Frauen wie jetzt in Erwerbstätigkeit gestanden. Und weiters: Entgegen vielfach anderer Annahme haben Mütter mit einem hohen Ausbildungsniveau ihre Arbeitstätigkeit am stärksten reduziert.

Das kommt doch alles den Kindern zugute! Und diese norwegische Studie beweist auch, dass pro Elternteil 1,5 Stunden mehr Zeit für die Kinder festgestellt werden kann und dass das der stärkste feststellbare Effekt dieser Maßnahme ist. – Einen solchen Effekt können wir natürlich nur begrüßen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Diese norwegischen Ergebnisse zeigen aber auch auf, Herr Kollege Öllinger, dass sich durchaus ein sozialer Umverteilungseffekt aus all diesen Maßnahmen ableiten lässt, und dass gerade Familien mit einem sehr niedrigen Einkommen die "Kontantstøtte", wie das in Norwegen heißt, in höchstem Maße in Anspruch nehmen.

Ihre Argumente, Herr Kollege Öllinger, gehen alle in den Wind – und sind überhaupt nicht zielführend! (Abg. Öllinger: Sie haben doch nicht aufgepasst!)  – Ich habe sehr gut aufgepasst, aber Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass das Kinderbetreuungsgeld seit der Zeit der Einführung des Karenzgeldes die große Innovation im Bereich der Familienpolitik werden wird. (Abg. Öllinger: Und was ist nach den drei Jahren?) Die österreichischen Wählerinnen und Wähler werden Sie ja dann sicherlich davon überzeugen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

14.16

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es kommt in diesem Familienbericht – für mich erstaunlich, aber auch erfreulich – das erste Mal ein Passus vor, der sich auf gleichgeschlechtliche Beziehungen bezieht. Und in diesem steht weiters, dass diese Lebensformen mittlerweile eine "höhere soziale Akzeptanz" haben. Und weiters – ich zitiere –:

Es zeigt sich eine wachsende gesellschaftliche Akzeptanz homosexueller Lebensformen, und zunehmend erheben Homosexuelle die Forderung, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens gleichberechtigt teilhaben zu können. – Zitatende.

Das finde ich sehr spannend, denn der Titel, zumindest in der Kurzfassung, heißt ja "Zwischen Anspruch und Alltag". Der Alltag ist die soziale Akzeptanz; die haben wir mittlerweile. Und zum Anspruch: Dagegen steht die rechtliche Realität, wo das eben noch nicht umgesetzt, wo das noch weit weg ist. Das ist aber ein Anspruch, den zumindest wir Grünen haben, aber auch die SPÖ. – Von den Koalitionsparteien allerdings habe ich diesen Anspruch noch nicht gehört – vor


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allem nicht von den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. (Abg. Öllinger: Das ist die Kluft zwischen Wissenschaft – und Khol!) Da klaffen zwischen dem Alltag – das wissen Sie genauso gut wie ich – und dem Anspruch, den Sie ja auch haben sollten – wegen der christlichen Nächstenliebe –, Welten. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich bin also in Bezug auf diesen Familienbericht dankbar dafür, dass da zumindest erstmals eine Formulierung vorkommt, wonach es gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gibt. Das ist ja schon etwas! Viele Jahre hindurch wurde das ja ignoriert, waren wir einfach unsichtbar.

Dankbar bin ich auch dafür, dass in diesem Bericht steht, dass die Familie, so, wie sie das letzte Jahrhundert gedacht wurde, nicht mehr das allgemein gültige Modell der Beziehungsgestaltung ist – auch die Ehe nicht mehr. Und dankbar bin ich auch dafür, dass in diesem Familienbericht weiters steht, dass die Rollen Mutter/Vater/Kind/Großeltern/Enkel nicht mehr so fest definiert sind, sondern diese werden miteinander im Alltag gestaltet und ausverhandelt. – Da ist also einiges in Bewegung, und deshalb bin ich eben dankbar für diesen Bericht.

Leider ist es so, dass dann, wenn Details erwähnt werden, lesbische und schwule Partnerschaften wieder unter den Tisch fallen. Bei nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften führt dann wieder die heterosexuelle Norm, und es kommen gleichgeschlechtlich lebende und liebende Menschen nicht mehr vor, obwohl sich von diesen auch sehr viele für Partnerschaften, für Familienleben entscheiden. Da aber werden sie sozusagen wieder unsichtbar gemacht. Wo sind denn die lesbischen Mütter, die es gibt, die lesbischen oder schwulen Pflegeeltern, die schwulen Väter? Diese gibt es zahlreich; Sie alle kennen wahrscheinlich auch irgendwelche. Diese kommen aber in diesem Bericht nicht vor. Sind das keine Familien?, frage ich vor allem die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. Würden Sie denen sagen, sie sind keine Familien, wenn sie füreinander und für Kinder Pflichten eingehen und bereit sind, füreinander zu sorgen? Sind das keine Familien? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Donabauer: Wir müssen uns nicht von Ihnen vorschreiben lassen, was und wie wir leben ...!)

Da frage ich besonders Herrn Minister Haupt: Haben Sie vor, im nächsten Familienbericht diesbezüglich auf mehr Details einzugehen? Sie haben ja selbst einmal erwähnt, dass Sie sich vorstellen könnten, dass es da zum Beispiel im Mietrecht sehr wohl zu Veränderungen kommen könnte. Und Sie, Herr Minister Haupt, haben weiters erwähnt, dass Ihre Männerabteilung auch schwulen Männern offen stehen soll.

Werden Sie dafür sorgen, dass schwule Männer dieselben Rechte haben werden, wenn sie in Familien leben wollen, wie heterosexuelle Personen? – Das würde mich sehr interessieren, Herr Minister! Vielleicht können Sie mir darauf eine Antwort geben.

Wenn man sich die rechtliche Situation anschaut, dann entsteht der Eindruck, dass das Problem genau jenes ist, das in diesem Bericht auch in folgendem Satz dargestellt wird:

Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten viele Paare ohne Trauschein zusammen, weil sie die ökonomischen und rechtlichen Voraussetzungen zur Ehe nicht erfüllt haben. – Als ich diesen Satz gelesen habe, da habe ich mir gedacht: Ja, so ist das auch jetzt im 21. Jahrhundert für Lesben und Schwule. Wir erfüllen die rechtlichen Voraussetzungen nicht.

Damals waren das Leute verschiedener Berufsgruppen, die nicht heiraten durften: Knechte, Mägde, Leute, die sich die Hausstandsgründung nicht leisten konnten. – Lesben und Schwule sind heutzutage mit Knechten und Mägden des 19. Jahrhunderts gleichgestellt.

Ist das das Österreich, das Familienleben des 21. Jahrhunderts, das Sie sich vorstellen? (Beifall bei den Grünen.)

Diese Rechtlosigkeit haben Sie zu verantworten! Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, aber mittlerweile sind es elf Staaten der Europäischen Union – plus Länder, die noch gar nicht zur EU gehören, wie zum Beispiel Ungarn –, die Gleichstellungsgesetze erlassen haben, wo Lesben und Schwule Lebensgemeinschaften eingehen können, auch rechtlich abgesichert sind und für


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einander und für Kinder sorgen können. Sogar Portugal, das katholische Portugal – dies sei vor allem an die Adresse der ÖVP gesagt – hat mittlerweile, nämlich erst vor zwei Wochen, solche Gleichstellungsgesetze erlassen – es sind also nicht nur die tollen skandinavischen Länder und die Niederlande. Vielleicht sollten Sie sich dort einmal anhören, wie das in einem katholischen Land sein kann! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Kollegin Ridi Steibl – Sie werden ja jetzt nach mir sprechen –, es ist Ihnen wahrscheinlich bekannt, dass der steirische Landtag letzte Woche mit den Stimmen der ÖVP beschlossen hat, an den Bund zu appellieren, dass – vor allem, was das Miet- und das Arbeitsrecht betrifft – hier endlich eine Gleichstellung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften stattfinden soll. Frau Ridi Steibl! Was sagen Sie dazu? Haben Sie vor – vielleicht heute noch? –, jetzt den Gesetzesantrag einzubringen, mit dem Sie hier die Gleichstellung durchsetzen? Was sagen Sie Ihren steirischen Kolleginnen und Kollegen im Landtag, die dafür gestimmt haben? Was sagen Sie denen? Was sagen Sie den Leuten in der Steiermark, die sich fragen: Was macht denn die ÖVP da – die einen stimmen zu, die anderen sind dagegen? – Wieso? Wo ist hier die christliche Nächstenliebe?, frage ich Sie noch einmal.

Sind Sie bereit, das umzusetzen, Frau Kollegin Steibl? Werden Sie selbst Anträge einbringen, um hier endlich auch das zu tun, wozu Ihre steirischen KollegInnen Sie aufgefordert haben?

Wenn Sie das nicht tun und wenn die ÖVP hier weiterhin die Gleichstellung verweigert, dann bestätigt mir das, dass Lesben und Schwule in diesem Land rechtlich weiterhin im 19. Jahrhundert leben. Der Unterschied zum 19. Jahrhundert ist lediglich der – zum Glück! –, dass die soziale Akzeptanz mittlerweile um vieles größer ist. Und das wird wohl auch dazu führen, dass Sie von der ÖVP nicht auf Dauer an dieser Rechtlosigkeit festhalten können. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis. )

14.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

14.23

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst zu Kollegin Lunacek: Auf Zuruf werden wir gar keinen Antrag einbringen – das sei einmal ganz klar festgestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Lunacek: Das ist die ÖVP! – Abg. Edler: So überheblich! – Abg. Dr. Mertel: Härte demonstrieren!)

Wenn es um das Mietrecht und das Wohnrecht geht, dann ist das etwas anderes als das, was Sie eingebracht haben. Darüber werden wir noch sehr lange diskutieren müssen.

Ich möchte aber auch zu Kollegen Öllinger und zur Vorrednerin aus der SPÖ, Kollegin Mertel, etwas sagen. Es wird immer wieder von den Experten gesprochen, dass die Experten einen so exzellenten Familienbericht erstellt haben: Ja, sie haben ihn erstellt, mit den Beamten, und dafür möchte ich auch von meiner Seite ein Danke anschließen. Aber entscheiden tun die Experten letztendlich nicht (Abg. Dr. Mertel: Das stimmt!), entscheiden wird noch immer die Politik! – Das muss auch dazugesagt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Das ist Erpressung von Ihnen!)

Auch die SPÖ hat entschieden, als sie Erste war (Abg. Dr. Mertel: Erpressung!)  – und man hat ja gesehen, was für die Familien herausgekommen ist. Von 64 Abgeordneten waren sechs da, Frau Kollegin Mertel, als Sie gesprochen haben – Gott sei Dank ein bisschen mehr bei der ÖVP und bei der FPÖ.

Nach zehn Jahren gibt es nun, wie schon gesagt, wieder einen offiziellen Familienbericht, und dieser zeigt eindrucksvoll den Stellenwert der Familie – das möchte ich wirklich betonen – in Österreich. Drei Viertel der Österreicher meinen, dass man die Familie braucht. Relativ deutlich fallen auch die Erhebungen zur Frauenkarenz aus: Über die Hälfte der 20- bis 40-Jährigen findet es ideal, wenn die Mutter zumindest in den ersten Jahren zu Hause bleibt, und für 37 Prozent ist eine Teilzeitbeschäftigung die ideale Kombinationsform zu Kindern. Für mehr Maßnahmen, die


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ein Nebeneinander von Beruf und Familie ermöglichen, plädiert auch Ingrid Moritz aus der Abteilung für Frauen- und Familienpolitik bei der Arbeiterkammer. Sie ist ja als Expertin geladen gewesen.

Ich bringe nun die Wünsche aus diesem Expertenbericht, aus diesem Familienbericht auf einen entscheidenden Punkt: Punktgenau wird nämlich die langjährige Forderung der Volkspartei, Karenzgeld für alle (Abg. Dr. Petrovic: Für alle Inländerinnen!), nunmehr mit dem neuen Regierungspartner umgesetzt (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Haller ) – was im Gegensatz dazu mit dem alten Regierungspartner nicht möglich war.

Österreich gibt jetzt zum Beispiel schon an die 20 000 S monatlich pro Familie mit Kindern aus und wird ab 2002 mit dem Kinderbetreuungsgeld von 6 000 S pro Monat für zweieinhalb Jahre für die Frau, plus sechs Monate für den Partner, für alle Mütter und Väter zum kinderfreundlichsten Land Europas werden – das hat man ja auch beim letzten Gipfel in Stockholm gesehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Gegensatz zu dem Zickzackkurs, den die SPÖ beim Karenzgeld verfolgt – ich möchte wieder einmal in Erinnerung rufen: zuerst massiv gegen das Kinderbetreuungsgeld für alle, dann nur für all jene, "die es wirklich brauchen", und später, als Sie gesehen haben, dass Ihnen die Felle davonschwimmen, haben Sie verschiedene verschwommene Modelle vorgelegt –, legen wir als Regierungspartei ein finanzierbares, machbares und sozial gerechtes familienpolitisches Förderungspaket vor. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Haller. )

Ich kann auch zu Kollegin Mertel sagen: Dass es für dieses Gesetz in der Folge eine Mindest-Begutachtungszeit geben wird, ist für uns als Regierungspartei selbstverständlich und braucht nicht zusätzlich von Kollegin Mertel als SPÖ-Familiensprecherin über die Medien eingefordert zu werden.

Nun zu einigen zentralen Punkten: Wenn die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Kuntzl kritisiert, mit Milliardenbeträgen würden lange Berufsunterbrechungen der Frauen gefördert, die Eigenständigkeit untergraben und die Chancen im Berufsleben geschwächt, dann kann ich dem nur entgegenhalten, dass die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes und die auf 200 000 S brutto jährlich angehobene Zuverdienstgrenze ein Meilenstein in der Familienpolitik ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Endlich wird die Wahlfreiheit von Frauen beziehungsweise von Eltern gefördert, sich sowohl für die Betreuung ihres Kindes als auch für eine weitere Berufstätigkeit entscheiden zu können.

Wenn Kollegin Prammer, die ja heute auch noch hier sprechen wird, aber die ganze Zeit nicht anwesend ist (Abg. Dr. Mertel: Geht Sie das was an?), ebenso wie andere Vorredner kritisiert, dass zu wenig für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen getan wird, dann kann ich ihr das entgegenhalten, was auch schon Kollegin Haller und Kollege Donabauer gesagt haben: Der Familienbericht belegt, dass wir Überkapazitäten von Kindergartenplätzen bekommen werden – wobei wir natürlich wissen, dass es noch Lücken und Probleme im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten gibt.

Aber auch im Bereich der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren gibt es momentan noch Probleme, nur: Wir haben die Lösung dafür, wir haben Abhilfe, nämlich mit dem Kinderbetreuungsgeld bis zum dritten Lebensjahr. Und mit der ÖVP-Forderung eines Steuerfreibetrages – nennen wir das einmal so – von 6 000 S für eine zugekaufte Kinderbetreuung in der Familie ist ein nächster Schritt für die Verbesserung dieser Situation gesetzt worden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Haller und Mag. Schender. )

Da gerade – wahrscheinlich zufällig, oder auch nicht – sehr viele junge Frauen, aber auch ältere, die noch nicht so hohe Familienförderungen in Anspruch nehmen konnten, auf der Zuschauergalerie zuhören, muss ich noch eines aufzeigen: Kollegin Prammer meint, gerade in Zeiten wie diesen sei es besonders wichtig, auf die Situation der berufstätigen Frauen einzugehen. – Ich halte dem entgegen: Ja, wir werden besonders darauf eingehen! Wir werden die Kindererziehungszeiten anrechnen, und wir werden auch Maßnahmen im Bereich Vereinbarkeit von Be


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ruf und Familie setzen, die in Zeiten der SPÖ-Regierung und mit SPÖ-Frauenministerinnen und -staatssekretärinnen nicht möglich waren!

Wir haben seitens der ÖVP auch mit der Industrie, mit der Wirtschaft einen Pakt geschlossen, um endlich gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit herbeizuführen.

Wir sehen die Kinder nicht als Störenfriede, so wie es die SPÖ und die Grünen tun (Abg. Dr. Petrovic: Was?! – Abg. Reheis: Was soll das? – weitere Zwischenrufe des Abg. Reheis ), sondern wir von der Volkspartei sehen in der Lebens- und Karriereplanung der Frauen einen wichtigen Punkt. Kinder sind ein Teil des Lebens. Wir fördern Kinder und Familien, und wir fördern dadurch eine gesellschaftliche Entwicklung, den Zusammenhalt unseres Sozialsystems und in der Folge den wirtschaftlichen Fortschritt. (Abg. Dr. Kostelka: Da muss es ... aber schon sehr schlecht gehen!)

Wir stimmen dem Bericht zu – die Grünen tun das nicht, was ich nicht verstehe. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Haller und Ing. Weinmeier. )

14.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. (Abg. Dr. Kostelka  – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Pfeffer –: Sag es ihnen, Kathi!)

14.31

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Steibl! Ich glaube, Sie sollten diese Bemerkung zurücknehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic.  – Abg. Dietachmayr: Jawohl!) Die SPÖ sieht die Kinder so, wie Kinder sind, und nicht als Störenfriede!

Es wurde schon erwähnt: Der Familienbericht 1999 liegt vor. Ich möchte mich mit der Armut in den Familien befassen. Die Familienpolitik ist in Österreich zurzeit von einem wesentlichen Widerspruch geprägt: Einerseits belegen vergleichende wissenschaftliche Studien, dass die Ausgaben für Familien im absoluten Spitzenfeld liegen, und die geplante Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ab Anfang 2002 wird dies noch verstärken. Gleichzeitig sinkt die Geburtenrate weiterhin.

Andererseits sind Familien von Armut besonders gefährdet beziehungsweise müssen viele von ihnen in Armut leben, und dies betrifft besonders einige Typen von Familien. Dies gilt unter anderem für Haushalte von Alleinverdienern in Niedriglohn-Branchen, für Haushalte von AlleinerzieherInnen, für Haushalte von Langzeitarbeitslosen, für Haushalte von MigrantInnen und so weiter – ich könnte diese Liste fortsetzen, das würde aber meinen zeitlichen Rahmen sprengen. Daraus resultiert, dass die Armut von Familien in Österreich von drei Faktoren bestimmt ist.

Erstens: die Höhe des Haushaltseinkommens. Dies zu betonen, erscheint mir besonders wichtig, denn Kinder verringern zwar das Pro-Kopf-Einkommen in einem Haushalt; hat ein Haushalt jedoch genug Einkommen, also ein hohes Einkommen, so bedeuten auch drei und mehr Kinder keine Armutsgefährdung.

Zweitens: Die Erwerbstätigkeit beider Elternteile verringert die Armutsgefährdung von Familien spürbar. Das belegen auch Statistiken. Sind einerseits AlleinerzieherInnen und deren Kinder besonders häufig mit den negativen Folgen von Armut konfrontiert, so sind gleichzeitig Haushalte mit mehreren Kindern vor allem dann armutsgefährdet, wenn nur ein Elternteil erwerbstätig ist. Daher ist für die SPÖ die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit eine besonders wichtige gesellschaftliche Forderung.

Drittens: Die Armut trifft unterschiedlich. Wie ich bereits angeführt habe, sind nicht alle Familien im gleichen Ausmaß von Armut betroffen, sondern Armut betrifft insbesondere einige Gruppen. Für Familien wird die Armutsgefährdung zwangsläufig dann zur Armut, wenn mehrere Risken zusammenfallen. Das gilt beispielsweise dann, wenn ein Elternteil seinen Arbeitsplatz verliert oder ein Alleinverdiener erwerbsunfähig wird.


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Die SPÖ verfolgt in der Familienpolitik daher eine Schwerpunktsetzung, die sich von jener der Regierung deutlich unterscheidet. Im Mittelpunkt müssen für uns konkrete Maßnahmen zur Verminderung der Armutsgefährdung von Familien stehen. Das Armutsrisiko in den Familien kann nur dann verringert werden, wenn Maßnahmen gesetzt werden, die es beiden Elternteilen ermöglichen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Das heißt, es bedarf Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Arbeitswelt durch familienfreundliche Standards im Arbeitsrecht (Beifall bei der SPÖ), wie ausreichende Teilzeitarbeitsplätze und neue Arbeitszeitmodelle. Auch kann es nicht sein, dass die Flexibilisierung der Arbeitswelt nur der Wirtschaft dient. Für Eltern muss der Anspruch auf verkürzte Arbeitszeiten rechtlich verankert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig sind aber auch Gegenstrategien gegen das immer stärker werdende Abweichen von Normalarbeitszeiten gefragt. Ungeachtet der Nachfrage nach flexiblen Ladenöffnungszeiten müssen zum Beispiel für Familien gemeinsame Freizeitblöcke gesichert werden.

Ein weiterer Bereich, in dem die SPÖ deutliche Verbesserungen fordert, sind die Wiedereinstiegsmöglichkeiten von Frauen nach der Karenzzeit. Konkrete Maßnahmen dazu wären beispielsweise unterschiedliche Kontakthaltestrategien und die Forcierung von Elternbildung und -beratung.

Was die SPÖ also fordert, sind Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beide müssen als gleichrangige gesellschaftliche Bereiche behandelt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Darüber hinaus müssen aber zweitens Rahmenbedingungen geschaffen werden, die nachhaltige Wege aus der Armutsgefährdung weisen. Insofern ist ein Ausbau der Geldleistungen im Familienbereich allein, wie dies mit dem Kinderbetreuungsgeld geplant ist, wenig zielführend. Stattdessen bedarf es institutioneller Unterstützung für Familien – denn Frauen und Männern muss es leichter gemacht werden, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen – durch den Ausbau öffentlicher Sach- und Dienstleistungen und den Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen.

Mein Kollege Loos – er ist jetzt im Saal – hat gemeint, im Burgenland sei ausreichend dafür vorgesorgt. – Nein, es ist nicht so! Man bemüht sich jetzt sehr – jeder Bürgermeister ist gefordert –, und das hat auch seine Gründe: Die Kinderanzahl wird immer geringer, und die Kindergärtnerinnen haben um ihren Arbeitsplatz Sorge. Deswegen sind Sie jetzt damit einverstanden, dass Ganztagsbetreuung eingeführt wird. Das ist auch ein Grund, aber vorher wollten Sie die Notwendigkeit dafür nicht einsehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Man kann alles drehen und wenden, wie man will! – Abg. Loos: Was wollt ihr? Einen Ganztagskindergarten ohne Kindergärtnerinnen! – Ruf bei der SPÖ: Ist schon gut, Kathi!)

Meine Redezeit ist zu Ende, ich sage jetzt den Schlusssatz: Von der besonderen Familienfreundlichkeit, die die Regierung immer wieder so sehr betont, ist aus der Sicht der SPÖ in diesem Bereich nicht sehr viel zu sehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

14.38

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst im Sinne all jener, die den Beamtinnen und Beamten meines Hauses ihren Dank für die Erstellung dieses umfangreichen 4. österreichischen Familienberichts ausgesprochen haben, diesen Dank hiemit an sie weitergeben.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass einiges von dem, was hier zur Diskussion gestanden ist, schon auch unter Berücksichtigung der im Familienbericht ausgewiesenen Zahlen erläutert werden soll.

Frau Kollegin Mertel und Frau Kollegin Pfeffer haben gemeint, dass unter dieser Bundesregierung die Familien, die Kinderbetreuung, die Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt deutlich schlechter gestellt sein werden. Dazu darf ich Ihnen, sehr geehrte Damen, schon eines ins Stammbuch schreiben – und ich verweise hiezu auf Seite 23 des zusammengefassten Berichtes –: Wenn man die hier ausgewiesenen Kinderzahlen mit als Indikatoren heranzieht, die auf den Mut der beiden Elternteile, Verantwortung für Kinder zu übernehmen, schließen lassen, so darf ich Sie schon darauf hinweisen, dass jene Bundesländer, in denen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, die Verantwortung tragen, Schlusslicht sind, nämlich Wien mit 122 und das Burgenland mit 120 Geburten.

Wenn man also rein von den Geburtenzahlen ausgeht, dann sind die Rahmenbedingungen, Frau Kollegin Mertel, in jenen Bundesländern, in denen Sie die überwiegende Verantwortung dafür tragen, dass Arbeit und Familie vereinbar werden, nämlich im Burgenland und in Wien, mit Sicherheit schlechter als in den westlich davon gelegenen anderen Bundesländern Österreichs. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Ich und der Herr Haider, wir tragen die Verantwortung!)

Die Zahlen sind eindeutig. Der Bericht ist ja noch unter meinen Vorgängerinnen ausgearbeitet worden, sodass die Zahlen, die Sie noch während Ihrer Regierung in diesem Bericht niedergelegt haben, ja hoffentlich auch von Ihnen nicht bestritten werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten von Kindergärten hier die Situation auch etwas anders dargestellt haben, so darf ich Sie davon informieren, dass in Ihrem eigenen Bericht, eben dem noch unter Ihrer Regierung verabschiedeten Bericht 1999, der uns hier vorliegt, klar zum Ausdruck kommt – ich beziehe mich dabei auf Seite 75 und die dortigen Anmerkungen zu den Öffnungszeiten und zum Vorhandensein von Kinderbetreuungseinrichtungen –, dass das von Ihnen so häufig behauptete Missverhältnis zwischen Öffnungszeiten und Wirtschaftlichkeit von 76 Prozent der Eltern, die ihre Kinder im Kindergarten haben, so nicht gesehen wird und dass die mit einem Anteil von 15 Prozent am häufigsten geübte Kritik an den Öffnungszeiten die allzu langen Öffnungszeiten in den Ferienmonaten betrifft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, man sollte, wenn man diese Diskussion führt und Verbesserungsvorschläge und Anregungen für die Zukunft macht, schon immer die Zahlen als Grundlage heranziehen, die in diesem Bericht nachlesbar sind, und sich dabei vor Augen halten, dass dieser noch von Ihnen herausgegebene Bericht sich auf Ihre eigene Regierungszeit und Ihre eigene Regierungstätigkeit bezieht, und nicht versuchen, die Verantwortung für die darin beschriebene Situation auf die heutige Bundesregierung abzuschieben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Prammer: Wie hat denn damals der Familienminister geheißen?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Da diese Zahlen darüber hinaus aber auch eine klare Sprache sprechen, was die Kosten für die Kinderbetreuungseinrichtungen und für die Horte in jenen Bundesländern betrifft, in deren Landesregierungen damals Sie mit Ihren jeweiligen Referenten die direkte Verantwortung dafür getragen haben – ich nenne als Beispiel etwa Dörflinger in der Steiermark; das gilt aber auch für Wien, aber auch für Oberösterreich –, so darf ich Sie schon darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung alles daransetzt, auch die Kosten in diesem Bereich in den Bundesländern, in denen sie dafür verantwortlich ist, entsprechend zu senken.

Weil Sie hier immer die "Kindergarten-Milliarde" nachfordern, darf ich dazu anmerken: Man sollte im Zusammenhang mit dieser "Kindergarten-Milliarde" auch nicht vergessen, dass die Verfassungslage in der Republik eindeutig ist und dass das eine Länderangelegenheit ist. Ich würde Sie daher dringend ersuchen, in jenen Bundesländern, wo Sie die Verantwortung dafür innehaben, tätig zu werden, damit es bei den Defiziten, die von denjenigen, die diese Leistungen


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in Anspruch nehmen, also von den Kunden, von den Familien sowohl in Bezug auf die Preise als auch in Bezug auf die Öffnungszeiten festgestellt werden, schleunigst zu einer Verbesserung kommt. Das kann nicht Angelegenheit des Bundes sein.

Herr Kollege Öllinger! Wenn Sie bezweifeln, dass im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldes für die Pensionsleistungen der Frauen vorgesorgt wird, so darf ich Ihnen schon sagen, dass im Rahmen dieser Bundesregierung zum Ersten die letzten eineinhalb Jahre Pensionsleistungen nachgetragen worden sind, die die vorangegangenen Regierungen unter sozialdemokratischer Führung für die Anerkennung von Pensionszeiten von Frauen nicht gezahlt haben; und dass zum Zweiten diese Bundesregierung im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldes sehr wohl für die Pensionsleistungen und für die Versprechungen, nein, für die Garantien, die den Frauen gegenüber abgegeben werden, Vorsorge treffen wird.

Ich frage mich oftmals, warum ich mich bemüht habe, im Rahmen der 4-Tages-Frist die Schriftlichen Anfragen zu jenen Fragestellungen zu beantworten, die bei der mündlichen Beantwortung im entsprechenden Budgetausschuss noch offen geblieben sind. (Abg. Mag. Prammer: Die haben wir noch nicht, Entschuldigung!) Die Anfragebeantwortungen wurden ja gestern dem Parlament übermittelt. (Abg. Mag. Prammer: Nein! Nein! Nein!) Sie wurden gestern von mir dem Parlament übermittelt, und ich bitte Sie daher, dort nachzusehen, wenn Sie der Meinung sind, dass einige der offenen Fragen aus dem Ausschuss noch immer nicht beantwortet sind.

Betreffend die finanzielle Situation darf ich noch drei Punkte anmerken:

Das Kinderbetreuungsgeld, wie es von der Regierung geplant wird, wird 6 000 S betragen; die Höhe des Karenzgeldes beträgt derzeit 5 643 S, auf 30 Tage gerechnet.

Dass die 2 500 S Zuschuss für allein stehende und sozial schwache Alleinerzieher aufrecht bleiben, ist unbestritten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was die Möglichkeit betrifft, neben dem Kinderbetreuungsgeld auch Einkommen zu lukrieren und Beruf und Einkommen in Relation zu bringen, so darf ich Sie schon darauf hinweisen, dass derzeit beim Bezug von Karenzgeld die Geringfügigkeitsgrenze als Zuverdienstgrenze gilt, die seit 1. Jänner 2001 bei 4 076 S liegt und davor 3 900 S betragen hat, und dass ab 1. Jänner 2002 eine jährliche individuelle Zuverdienstgrenze in der Höhe von 200 000 S brutto gelten wird.

Ich erwähne das deshalb, um den Damen und Herren einmal vor Augen zu führen, dass es im Hinblick auf die Stabilisierung des Familieneinkommens einen entscheidenden Fortschritt geben wird.

Und wenn Sie beklagen, dass es zu wenig Teilzeitarbeit gibt, dann darf ich Sie an die Diskussion über die Beschäftigung in Österreich, die vor einer Woche hier im Hohen Hause stattgefunden hat, erinnern. Dabei haben Sie beklagt, dass der Zuwachs an Beschäftigung vor allem auf den Anstieg der Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen war. Irgendwann wird man sich auch entscheiden müssen, ob man Teilzeitbeschäftigungen für Familienangehörige will, um das Einkommen der Familie über das Ausmaß der derzeit gültigen Geringfügigkeitsgrenze hinaus stabilisieren zu können, oder ob man nur Vollzeitbeschäftigungen haben will und die Teilzeit generell ablehnt. Beides wird nicht gehen: sich bei den Beschäftigungsdiskussionen gegen die immer mehr werdenden Teilzeitregelungen auszusprechen und dann in der Familiendiskussion zu bedauern, dass es keine ausreichenden Teilzeitbeschäftigungen gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, in Ihrer Argumentation kongruenter zu werden, dann werden wir uns vielleicht in Zukunft auch leichter über die Verwirklichung der Zukunftsprogramme dieses Staates im Interesse der Familie unterhalten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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14.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.46

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister, Sie haben soeben gesagt, wir hätten die Antwort auf die von Ihnen bereits beantworteten Fragen auch schon schriftlich bekommen.

Ich möchte dazu richtig stellen, dass wir gestern sogar explizit versucht haben, die Anfragebeantwortung über unsere Mitarbeiterin vorab zu bekommen; sie sind uns jedoch nicht zur Verfügung gestellt worden, und sie sind auch heute noch nicht per Post eingetroffen. Wir konnten also Ihre Beantwortung unserer schriftlichen Fragen nicht aufnehmen, weil wir sie schlicht und einfach noch nicht haben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Prammer.  – Abg. Haller: Da müssen Sie den Herrn Präsidenten fragen!)

14.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

14.47

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur eine Anmerkung zu den Vorrednern von den Oppositionsparteien machen, da sie ja in letzter Zeit sehr oft die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes kritisiert haben, statt dass sie dazu auch konstruktive Gegenvorschläge gebracht hätten: Von den Grünen weiß man ja, dass sie mit Familien nichts zu tun haben wollen (Ruf: Das ist ungeheuerlich!), denn jemand, der den Staat abschaffen will, der will natürlich auch die Familie als kleinste Zelle im Staat abschaffen. (Abg. Dr. Mertel: Ein sehr selektives Wahrnehmungsvermögen!) Nur von den Sozialdemokraten verstehe ich es nicht ganz, da sie ja in der Vergangenheit durchaus positive Entscheidungen in der Familienpolitik getroffen haben, dass sie jetzt keine konstruktiven Beiträge mehr für die Familienpolitik bringen. (Abg. Dr. Mertel: Ein bescheidenes Wahrnehmungsvermögen! – Abg. Dietachmayr: Glauben Sie das wirklich selbst, was Sie sagen? – Abg. Dr. Mertel: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

Der Familienbericht 1999 ist eine äußerst gute und aussagekräftige Analyse (Abg. Dr. Kostelka: Natürlich! Ist ja auch unter ...!) über die Situation der österreichischen Familien, aber auch über die Entwicklung der Familie in den letzten 30 Jahren. Der vorliegende Bericht ist daher auch ein Spiegelbild der Familienpolitik der letzten Jahrzehnte mit allen negativen, aber auch positiven Entwicklungen, mit allen Fehleinschätzungen und mit allen Fehlentwicklungen. Dieser Familienbericht ist daher auch eine wichtige Grundlage für familienpolitische Entscheidungen, die jetzt und von dieser Regierung zu treffen sind. Die Entscheidung für die rascheste Einführung des Kinderbetreuungsgeldes durch die Koalitionsparteien beziehungsweise durch die Bundesregierung ist daher die richtige Antwort auf diesen Familienbericht und auf die darin aufgezeigten Probleme unserer Familien. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Bericht wurde erstmals am 25. Mai 2000 im Familienausschuss behandelt oder, besser gesagt, nicht behandelt, denn damals haben es ja die Oppositionsparteien vorgezogen, eine Geschäftsordnungsdebatte zu führen, statt über die Probleme der Familie zu diskutieren – was letztlich auch ein Grund dafür war, dass dieser Bericht so spät ins Plenum gekommen ist.

Am 11. Oktober vorigen Jahres gab es dann das bereits erwähnte Experten-Hearing zu den einzelnen Kapiteln des Berichtes, und ich zitiere daraus einige Aussagen der Experten:

"Der Anteil der Ausgaben für Familien ist beschämend klein." – Eine Expertenaussage.

Zweitens: "Die Folgen und Risken einer Elternschaft sind für Frauen nach wie vor höher als für Männer, insbesondere im Hinblick auf eine spätere Trennung."

Und dritte Aussage eines Experten: "Haushalte mit Kindern und vor allem Mehrkindfamilien sind nach wie vor wirtschaftlich benachteiligt."

Es gibt also großen Handlungsbedarf in der Familienpolitik.


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Nun zu einigen Zitaten und Zahlen aus dem wirklich fundierten und gelungenen Familienbericht. Wie heute schon gesagt wurde, ist den Verfassern dazu zu gratulieren. Ich finde es auch sehr positiv, dass dieser Kurzbericht, der wirklich eine ausgezeichnete Diskussionsgrundlage bietet, dazu verfasst wurde. Ich habe zur Demonstration auch den Langbericht mitgenommen (Abg. Dr. Mertel: Haben Sie da schon einmal hineingeschaut?), der über 1 250 Seiten umfasst und ein äußerst gutes Nachschlagewerk für alle jene ist, die sich für Familienpolitik interessieren. (Abg. Dr. Mertel: Haben Sie das schon einmal getan?)

Die wohl wichtigste, aber beunruhigendste Erscheinung wurde heute schon erwähnt, das ist das Absinken der Geburtenrate auf eine Zahl, die mittlerweile bei 1,34 liegt. Man kann diesem Bericht entnehmen, dass sich die Zahl der Geburten in den letzten 30 Jahren fast halbiert hat; 1970 lag sie noch bei 2,29. Die letzte Zahl liegt aus 1998 vor, aber wir wissen nicht, wie weit sie sich in den letzten zwei Jahren noch verringert hat.

Die Familie unterliegt aber auch, wie aus dem Bericht hervorgeht, in vielen anderen Bereichen sehr wesentlichen Veränderungen und einem großen Wandel. Es gibt weniger Familienbildungen, die Heirat erfolgt meist später – dieser Zeitpunkt hat sich um fünf Jahre verschoben –, dadurch ergibt sich eine spätere Mutterschaft, es gibt weniger Kinder pro Familie – nur mehr 8,5 Prozent der Familien haben mehr als zwei Kinder –, leider auch mehr Scheidungen – vier von zehn Ehen werden wieder geschieden –, und was auch sozialpolitisch sicherlich negativ ist, ist die Tatsache, dass es immer weniger Mehrgenerationenfamilien gibt.

Dazu am Ende auch noch eine nicht sehr schöne Zahl: In drei Viertel aller Haushalte leben keine Kinder mehr. Jemand, der Kinder im Hause hat und weiß, wie viel Freude man mit Kindern haben kann, weiß auch, dass das sicher keine positive Entwicklung ist.

Meine Damen und Herren! Viele Familien, insbesondere Mehrkinderfamilien und AlleinerzieherInnen, leben am Rande von oder in Armut. Die Abgeltung der Familienleistung ist daher ein Gebot der Stunde. Die rasche Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, weitestgehend nach dem freiheitlichen Modell, ist daher eine wichtige Entscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend möchte ich noch einen Satz sagen, den ich von einem Experten gehört habe und der mir wirklich sehr gut gefällt: Wir sollten in Zukunft darauf achten, politische Entscheidungen immer auch auf Familienverträglichkeit zu prüfen. – Ich glaube, dass das sehr, sehr wichtig ist.

Familien sind das Fundament für die nächste Generation. Ist das Fundament gut, dann ist die Chance für die nächste Generation auch gut. Die Bundesregierung hat mit dem Kinderbetreuungsgeld einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung dieses Fundaments geleistet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.53

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Der Abgeordnete – ich glaube, Weinmeier ist sein Name – hat den recht merkwürdigen Satz gesagt, die Grünen wollten die Familien abschaffen. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich weiß zwar nicht genau, was dieser Satz bedeutet, aber ich kann ihm versichern, das ist nicht so. Wir schicken Ihnen gerne einmal die versammelte grüne Kinderschar, damit Sie diesen Kindern erklären können, was dieser Satz bedeutet, aber ich stelle richtig: Die Grünen wollen die Familie nicht abschaffen. Wir würden sehr gerne die Dummheit abschaffen, aber auch das erweist sich als schwierig. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

14.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich mache aus gegebenem Anlass darauf aufmerksam, dass tatsächliche Berichtigungen die Berichtigung eines Sachver


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haltes zum Inhalt haben sollen und nicht von Behauptungen oder Vermutungen oder was sonst immer. (Abg. Dr. Mertel: Aber Dummheit ist ein Sachverhalt!)

Es gibt dazu eine Ausarbeitung des Präsidiums des Parlaments beziehungsweise der Parlamentsdirektion, die den Klubs zugegangen ist, und ich würde ersuchen, diese zu studieren, weil wir sonst zu einer Form der Anwendung von tatsächlichen Berichtigungen kommen, wie sie nicht der Geschäftsordnung entspricht. (Abg. Dr. Khol: Die Frau Petrovic hat ja gesagt, Dummheit ist nicht zu bekämpfen!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

14.55

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Würde man eine Publikumsumfrage veranstalten, was man unter Familie versteht, so würden neun von zehn Befragten antworten: Das ist eh klar, das sind Eltern mit ihren Kindern. Diese Antwort spiegelt ein überkommenes Klischeebild wider, das leider heute nicht mehr so sehr die Norm darstellt wie früher einmal. Heute dominieren in immer stärkerem Ausmaß AlleinerzieherInnen und Patchwork Families. (Abg. Mag. Prammer: Sind das keine Familien?)

Dieses Klischeebild trifft aus einem zweiten Grund auch nicht zu: Früher gab es nämlich kaum Alte, heute aber ist die Vier-Generationen-Familie eigentlich die Norm geworden. Diesbezüglich ist der Familienbericht trotz seiner Dicke eher dürftig, und er schenkt dieser Tatsache nicht die gebührende Aufmerksamkeit.

Hohes Haus! Der Österreichische Seniorenbund ist systematisch darum bemüht, dass seitens Öffentlichkeit und Politik dieser grundlegend veränderten Situation entsprechend Rechnung getragen wird. Halten wir fest: Von den über 60-Jährigen in Österreich sind weniger als 4 Prozent betreuungsbedürftig. Alle übrigen, weit mehr als 90 Prozent, stellen nach wie vor und in zunehmendem Maß eine breite Schicht dar, die eine positive und konstruktive Rolle in Familie und Gesellschaft wahrnimmt. Es ist dies eine Generation, die Leopold Rosenmayr als die "gewonnene Generation" bezeichnet, die es in dieser Form früher nie gegeben hat.

An Anerkennung und Einbindung dieser Generation ist in dieser Bundesregierung zwar schon einiges geschehen, aber in mancher Hinsicht hinken wir noch nach. Ein kleines äußeres Symptom: Der Familienbericht wird hier ausführlich diskutiert, aber der ebenso dicke Seniorenbericht wurde dem Sozialausschuss zur Enderledigung zugewiesen. Ich überlasse es Ihnen, daraus die entsprechende Schlussfolgerung bezüglich der Wertigkeit zu ziehen.

Ich möchte als positiv anerkennen, dass diese Bundesregierung einige Forderungen erfüllt hat. Es begann damit, dass die Bereiche Familie, Senioren und Jugend in einem gemeinsamen Ministerium zusammengefasst wurden – eine langjährige Forderung des Seniorenbundes.

Es hat sich darin fortgesetzt, dass die Gleichwertigkeit des Seniorenrates mit den gesetzlichen Interessenvertretungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern inzwischen in allen Fragen, die Senioren betreffen, in Rechtskraft erwachsen ist.

Ich möchte auch anerkennen – der Herr Bundesminister hat mir das zugeflüstert –, dass gestern die erste Sitzung des Hauptverbandes stattfand, in dem den Seniorenvertretern nun Mitsprache eingeräumt wurde. Es bleibt jedoch nach wie vor offen, dass die zwei Millionen Pensionisten, die in der Krankenversicherung zwar Beitragszahler sind, von der Mitbestimmung aber noch immer ausgeschlossen sind. Und hier eine sachadäquate Neuerung herzustellen, ist ein Hauptpunkt, der vom Seniorenbund nach wie vor moniert wird.

Das Diskriminierungsverbot auf Grund des Alters und ein Grundrecht auf Alterssicherung sind in der Bundesverfassung nach wie vor nicht verankert, obwohl sie in Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages bereits festgelegt sind. Wir stellen aber mit Genugtuung fest, dass eine ganze Reihe von Absichten besteht, im Jahr 2001 wesentliche Verbesserungen des intergenerativen Zusammenarbeitens herzustellen.


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Der Zeiger der Uhr rückt bedrohlich auf 15 Uhr. Ich möchte daher zusammenfassen:

Hohes Haus! Die Zeit arbeitet für uns, und mit "uns" meine ich die dritte Generation, die "gewonnene Generation". Wir Angehörigen dieser Generation werden immer mehr. Sie alle, meine Damen und Herren, die Sie hier sind, hoffen individuell, in dieser dritten Generation einen möglichst langen Abschnitt Ihres Lebens zubringen zu können. Wir sind uns aber bewusst, dass wir nur dann auf Rechte pochen dürfen, wenn wir auch bereit sind, gesellschaftliche Verpflichtungen in Familie und Öffentlichkeit zu übernehmen. Gerade im Rahmen der Diskussion des Familienberichtes freue ich mich, feststellen zu können: Wir Senioren haben Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Punkt 15 Uhr. Daher unterbreche ich die Verhandlungen über den Punkt 5 der Tagesordnung, weil für 15 Uhr der Aufruf der Dringlichen Anfrage angekündigt wurde.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend FP-Spitzelaffäre wird Justizskandal (2222/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 2222/J.

Diese ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden. Daher erübrigt sich eine Verlesung durch einen Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die beiden Oppositionsfraktionen SPÖ und Grüne haben am 14. Dezember 2000 gemeinsam eine Dringliche Anfrage an den Bundesminister für Justiz eingebracht, mit welcher die FP-Spitzelaffäre, aber auch die Gefährdung des österreichischen Rechtsstaats durch Mitglieder der FP/VP-Bundesregierung thematisiert wurde.

Am Beginn der Begründung stand Folgendes:

"Für jedes demokratische Gemeinwesen ist es von hoher Bedeutung, dass die Träger des demokratischen Systems über einen Grundkonsens an Werten verfügen und sich in ihrem politischen Agieren dementsprechend verhalten. Zu diesem Grundkonsens gehört insbesondere das Bekenntnis zum Rechtsstaat, zur unabhängigen Justiz, zur Demonstrationsfreiheit, zur Meinungsfreiheit und zur Meinungsvielfalt. Für eine positive Weiterentwicklung der Gesellschaft ist es bei aller Verschiedenheit der politischen Anschauungen notwendig, diesen Konsens zu erhalten und auszubauen. In den letzten Monaten zeigte sich zunehmend, dass dieser Konsens von Vertretern der Regierungsparteien, insbesondere der FPÖ, in Frage gestellt wird.

Für alle DemokratInnen sind die Garantien des Rechtsstaates unabdingbare Bestandteile der staatlichen Ordnung. Die Entwicklung des Rechtsstaates ist geprägt durch Gedanken wie Herrschaft der Gesetze vor der Willkür Einzelner.

Die Unabhängigkeit der Justiz ist Grundpfeiler unserer Bundesverfassung; Art. 87 B-VG garantiert die Unabhängigkeit der Richter in der Ausübung ihres richterlichen Amtes.

Ein weiterer Grundpfeiler ist die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Eine Gefahr für den demokratischen Staat besteht in der parteipolitischen Einflussnahme auf die Verwaltungsführung, so Adamovich, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts.

Der Rechtsstaat ist insbesondere auch am Grad der Rechtssicherheit messbar. Einer der Hauptaspekte der Rechtssicherheit ist die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Die Gleichheit ist vor allem auch durch die notwendige Distanz des Bundesministers für Justiz zu allen Verfahren


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garantiert. Vorverurteilungen oder Vorfreisprüche – erst recht, wenn sie durch hohe Amtsträger des Staates geschehen – sind jedenfalls aus der rechtsstaatlichen Sicht scharf zurückzuweisen. Die unbedingte Einhaltung aller rechtsstaatlichen Prinzipien gerade durch die Mitglieder der Bundesregierung ist für die Demokratie unabdingbar."

Wie wichtig und bedeutsam diese Überlegungen zum Rechtsstaat im Rahmen der damaligen Dringlichen Anfrage waren, wird durch die skandalösen Vorgänge rund um die gerichtliche Aufarbeitung des Spitzelskandals, die vorige Woche bekannt wurden, deutlich.

Die Zeitschrift "NEWS" (Nr. 12/2001) berichtete über einen "NEWS" vorliegenden Aktenvermerk des zuständigen Untersuchungsrichters Dr. Stefan Erdei, mit welchem dieser schwerste Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft erhob. Aus dem Text:

"* Akten vorenthalten.

Zitat: "Bei Durchsicht des gestern Nachmittag von der StA Wien in 5 Kartons übermittelten Aktes stelle ich fest: (...) Eine erste Durchsicht ergibt, dass der (von der WiPol Wien und StA Wien) in den letzten Monaten mehrfach medial angekündigte ‚Schlussbericht‘ oder sonst eine als Vollanzeige zu wertende Aufstellung der Verdachtsfälle und deren Zuordnung zu konkreten Verdächtigen sich nicht bei dem übermittelten Konvolut befindet."

* Aktenchaos.

Berichte der Wirtschaftspolizei wurden ohne Eingangsvermerk der Staatsanwaltschaft weitergeleitet, was eine chronologische Ordnung unmöglich macht. Es kommt aber noch dicker.

Zitat: "Die Aktenordner tragen auf dem Rücken Bezugsvermerke (offenbar von der WiPol gesetzt), die offenbar auf eine interne Ordnung der Inhalte oder auf eine Auflistung Bezug nehmen, die jedoch nicht vorliegt."

* Vernichtende Bilanz.

U-Richter Erdei weiter: "Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Offenbar wurde von der WiPol eine Faktenliste angefertigt, die zumindest 42 Fakten aufzählt. Auch unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Berichte und Ergebnisse liegen derzeit nur Unterlagen zu insgesamt 11 Fakten, somit zu knapp 1/4 der offenbar von der WiPol Wien angezeigten Fakten, dem Gericht vor."

Und selbst diese 11 Fakten scheinen offensichtlich im Chaos der Staatsanwaltschaft zu versinken. Erdei: "Die Einordnung der nunmehr dem Gericht übermittelten Unterlagen in den Gesamtbezug ist mangels Vorliegen einer Gesamtdarstellung (‚Schlussbericht‘) sowie Angaben zur Nummerierung (‚Faktenliste‘) nicht möglich."

Erdeis Fazit: "Mangels Vorliegen eines Schlussberichts ist daher zumindest nicht in allen Fällen mit Sicherheit erkennbar, welche Handlungen einzelnen Verdächtigen nach Abschluss der Erhebungen tatsächlich zur Last gelegt werden." Krönender Nachsatz: "Die nunmehr gestellten Anträge der Staatsanwaltschaft Wien verweisen nur auf die mitgelieferten Urkundenkonvolute und enthalten keine Darstellung des als rechtswidrig verdächtigen Verhaltens."

* Akten aus dem Zusammenhang gerissen.

Schlussabsatz: "Da die übermittelten Ordner offenbar aus dem Zusammenhang gerissen wurden, ist eine dem Sinn der §§ 375, 378 Geschäftsordnung entsprechende Seiten- und Bandnummerierung faktisch nicht möglich."

Gezeichnet: Dr. Stefan Erdei."

Der Wertung dieser Vorgänge durch die Zeitschrift "NEWS" kann nur vorbehaltlos zugestimmt werden: "Diese Vorgänge die Arbeit der Staatsanwaltschaft betreffend würden jeder Bananenrepublik zur Ehre gereichen".


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Jedenfalls ist festzuhalten, dass die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft scheinbar alles unternimmt, um die Aufklärung des Spitzelskandals zu verhindern.

Nach der Veröffentlichung dieses Aktenvermerkes des zuständigen Untersuchungsrichters begannen Vertreter der Staatsanwaltschaft anscheinend nervös zu werden:

Aus dem Schlussbericht wurde plötzlich ein Informationsbericht für den Leitenden Staatsanwalt Erich Wetzer; so dieser: "Ich wollte mir nur einen Überblick verschaffen. Der Abschlussbericht war für das Gericht gar nicht vorgesehen."

Plötzlich erhält die Sonderkommission von der Staatsanwaltschaft neuerlich den Auftrag, einen Bericht zu verfassen. Über diesen Auftrag herrscht völlige Unklarheit. Einerseits soll diese Weisung den Inhalt haben, dass die Passagen über Haider und Stadler nicht mehr in den neuen Bericht aufgenommen werden dürfen, andererseits erklärt Wetzer öffentlich, dass alle bisherigen Ermittlungen im Bericht enthalten sein werden.

Diese widersprüchliche und dilettantische Vorgangsweise der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft muss umgehend in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden; die BürgerInnen haben das Recht, über die Ergebnisse dieser Prüfung rasch und umfassend informiert zu werden.

Zum Spannungsverhältnis zwischen dem unabhängigen Untersuchungsrichter und der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung des FP-Spitzelskandals und den notwendigen Konsequenzen daraus führt Ronald Escher in den "Salzburger Nachrichten" (24. März 2001, S. 2) beeindruckend deutlich aus:

"Der Standpunkt

Der Gegensatz der Kräfte

Ronald Escher

Der Wiener Untersuchungsrichter Stefan Erdei ist ein mutiger Mann. In den Vorerhebungen zur "Spitzelaffäre" hat er zwar nur die Aufträge der Staatsanwaltschaft zu erfüllen und kann von sich aus nicht tätig werden. Da er jedoch ,seinen‘ Ermittlungsspielraum offenbar genau nimmt, geriet er ins Schussfeld: Die FPÖ erging sich in Drohgebärden gegen die Justiz, Klubchef Peter Westenthaler attackierte Erdei persönlich.

Doch der Richter hat dem Druck standgehalten und jüngst in einem Aktenvermerk sein Unverständnis über die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft – interpretiert als ,Behinderung‘ – erkennen lassen. Jetzt heißt es, ein von Erdei beauftragtes Gutachten zu einem angeblichen Brief von Leibwächter Horst Binder an Jörg Haider komme zu einem anderen Ergebnis als jener Graphologe, der in dem Brief eine ,Fälschung‘ sah.

Hier ein unabhängiger Richter, dort eine weisungsgebundene Staatsanwaltschaft, von deren Anträgen oder Nicht-Anträgen Erdeis Arbeit abhängig ist. Weisungsgebunden, das heißt: Was der zuständige Staatsanwalt beantragt oder nicht beantragt, prüfen der Gruppenleiter und der Behördenleiter, dann der zuständige Oberstaatsanwalt – in diesem Fall einer, der sich mittlerweile von rechtslastigen ,Jugendsünden‘ distanziert –, dann der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft. Und am Schluss der Kette steht der FPÖ-Justizminister. Der hat allerdings zugesagt, keine Weisung zu geben.

Unabhängigkeit und Weisungsgebundenheit – das ist ein Gegensatz der Kräfte. Andererseits: Eine Weisung wäre ja nur das Äußerste. Oft weiß eh ein jeder von allein, was er zu tun und zu lassen hat. Es ist nur zu hoffen, dass man sich auf allen Seiten auch der Sensibilität der ,Spitzelaffäre‘ voll bewusst ist. Sonst bliebe zuletzt nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss."


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Der bisherige Höhepunkt des Spitzelskandals liegt jedoch in der geplanten Versetzung des Untersuchungsrichters gegen dessen Willen an ein Bezirksgericht, wie "FORMAT" in seiner Ausgabe vom 26. März 2001 berichtet. So:

"Unbequemer U-Richter. Der Grünenabgeordnete Peter Pilz vermutet hinter der Aktion der weisungsabhängigen Staatsanwaltschaft eine ,politische Säuberungsaktion‘. Der Justizsprecher der SPÖ, Hannes Jarolim, sieht die Richterschaft überhaupt im ,Würgegriff‘ des freiheitlichen Justizministers Dieter Böhmdorfer.

Auch wenn der Leiter der Wiener Staatsanwaltschaft, Erich Wetzer, diese Vorwürfe energisch zurückweist, werden Verdächtigungen dieser Art schon bald neue Nahrung bekommen. Denn wie der unbequeme U-Richter Stefan Erdei (FP-Westenthaler: ,Der hat sie doch nicht alle‘) gegenüber ,FORMAT‘ bestätigt, könnte er bald abgelöst werden: ,Es wird tatsächlich daran gedacht, mich zu versetzen. Das könnte schon demnächst passieren. Darüber wurde ich bereits verständigt.‘

Der junge Untersuchungsrichter ist einer von drei Ersatzrichtern am Landesgericht für Strafsachen in Wien. Weil es dort zu viele Richter gibt, wird überlegt, Erdei bald an ein Bezirksgericht zu schicken. Der Richter: ,Die Motive, die dahinterstecken, kenne ich nicht. Wenn Sie mich fragen, ob ich weiter hier arbeiten möchte, ist die Antwort ja. Laut Paragraph 77, Absatz 6 des Richterdienstgesetzes könnte man mich sogar nach Kärnten versetzen.‘


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"

Damit gibt es deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Aufklärung des FP-Spitzelskandals rund um Haider endgültig verhindert werden soll, was künftig überhaupt die Unabhängigkeit der Richterschaft schwer beeinträchtigen könnte. Unbotmäßige Richter müssten in Zukunft mit ihrer Versetzung rechnen.

Hier ist nun wirklich rasches Handeln notwendig: Ein Untersuchungsausschuss muss dringlichst die Verantwortlichkeiten für diese willkürliche, den Rechtsstaat gefährdende Versetzungsentscheidung aufklären und diesen rechtsstaatlichen Wahnsinn verhindern.

Der gesamte Justizskandal wird aber durch das nunmehr vorliegende 2. Gutachten des Institutes für Kriminologie (Gutachter Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl), das den Binder-Brief für wahrscheinlich echt erklärt, noch um eine weitere Facette aufgefettet:

Zunächst der Binder-Brief im Wortlaut:

"Horst Binder

Jakob-Ghon-Allee 

9600 VILLACH

Tel. 0663/-----

Villach, am 23.01.199

S.g. Herr Bundesobmann,

lieber Jörg!

Da verschiedene Anfragen von freiheitlichen Spitzenfunktionären – betreffend der am Beiblatt ersichtlichen Person an mich herangetragen wurden, ich die einzelnen Beweggründe jedoch nicht durchschauen konnte, übermittle ich Dir zwei Auszüge aus dem polizeiinternen Computer, wobei ich Dich ersuche diese nach Kenntnisnahme zu vernichten.

Für eventuelle Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung. (Tel. 0663-----)

Mit besten Grüßen

Horst BINDER"

Dazu hält Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl in seinem Gutachten fest:

"3 Gutachten

3.1 Die physikalisch-technische Untersuchung und die Analyse von Strichstruktur und Bewegungsführung der im Original vorliegenden Schriftstücke mit den fraglichen Eintragungen ergeben weder Hinweise auf mechanische oder frei gestaltete langsame Nachahmungsfälschungen, die sich genau an ein Vorbild halten, noch Anhaltepunkte für massiv verstellte, kaum schreiberspezifische Merkmale enthaltende Handschriften. Die fraglichen Vermerke und Texte wurden vielmehr weitgehend zügig und automatisiert zu Papier gebracht und sind daher grundsätzlich für eine schriftvergleichende Untersuchung geeignet.

3.2 Der Vergleich des im Befund unter 2.2.1 beschriebenen fraglichen Vermerks mit den unter 2.3 aufgezählten Vergleichsschriften von Herrn Horst Binder ergibt mehrere, im Befund unter 2.4.1 detailliert angeführte Übereinstimmungen sowohl in sogenannten allgemeinen, formübergreifenden Schriftmerkmalen als auch in der Gestaltung und Bewegungsführung einzelner Buchstaben und Ziffern.

Den Übereinstimmungen stehen zwar einerseits keine Unterschiede gegenüber, die den Verdächtigen als Urheber des fraglichen Vermerks ausschließen oder auch nur unwahrscheinlich machen würden. Der sehr kurze fragliche Text weist aber anderseits zu wenig charakteristische Besonderheiten auf, um ihn eindeutig oder auch nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich einer bestimmten Person zuordnen zu können.

Die zusammenfassende Bewertung aller Gemeinsamkeiten ergibt unter Berücksichtigung der Kürze und relativen Merkmalsarmut des fraglichen Textes sowie fehlender grundsätzlicher Abweichungen, daß der unter 2.2.1 beschriebene fragliche Vermerk auf der Rückseite des mit 23.01.1994 datierten, angeblich von Horst Binder unterschriebenen Briefes wahrscheinlich vom Verdächtigen Horst Binder geschrieben worden ist.

3.3 Die Gegenüberstellung der im Befund unter 2.2.2 bis 2.2.4 beschriebenen fraglichen Eintragungen auf dem Postaufgabeschein vom 23.1.1995 sowie den Datenausdrucken aus dem Kriminalpolizeilichen Aktenindex und dem KFZ-Zentralregister mit den vorliegenden Vergleichsschriften von Horst Binder ergibt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede, die im Befund unter 2.4.2 ausführlich beschrieben worden sind.

Die Unterschiede stehen einerseits, wie oben unter 2.4.2 abschließend ausgeführt, in keinem grundsätzlichen Widerspruch zur Schreibfähigkeit und den Schreibgewohnheiten von Herrn Binder. Andererseits lassen Art und Zahl der festgestellten Unterschiede trotz mehrfacher Gemeinsamkeiten aber auch keine positive Schreiberidentifizierung zu.

Die zusammenfassende Bewertung der einzelnen Befunde ergibt somit, daß die Frage, ob Horst Binder die unter 2.2.2 bis 2.2.4 beschriebenen fraglichen Eintragungen auf dem Postaufgabeschein vom 23.1.1995 sowie den Datenausdrucken aus dem Kriminalpolizeilichen Aktenindex und dem KFZ-Zentralregister geschrieben hat, zumindest mit den vorliegenden Vergleichsschriften nicht entscheidbar ist. Die Urheberschaft von Herrn Horst Binder kann hier also nicht einmal mit einfacher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.

3.4 Da die schriftvergleichende Gegenüberstellung von Handschriften hier einmal zu einem im Wahrscheinlichkeitsbereich liegenden Ergebnis führt, lege ich abschließend noch die von mir verwendeten Abstufungen bei derartigen Wahrscheinlichkeitsaussagen dar. Wenn die Frage der Schrifturheberschaft zwar nicht eindeutig zu beantworten, aber dennoch entscheidbar ist, bezeichne ich ihr Vorliegen oder ihren Ausschluß als

,wahrscheinlich‘,

,hoch wahrscheinlich‘ oder

,sehr hoch wahrscheinlich‘.


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Diese Wahrscheinlichkeiten können in der Handschriftvergleichung derzeit nicht in exakten, mathematisch eindeutig ableitbaren Prozentwerten ausgedrückt werden, entsprechen jedoch unterschiedlichen Abstufungen. Als ,wahrscheinlich‘ bezeichne ich ein Ergebnis erst dann, wenn die hierfür sprechenden Argumente bereits deutlich überwiegen. Diese Einstufung deckt einen weiten Bereich ab. Die daran anschließende Einstufung ,hohe Wahrscheinlichkeit‘ umfasst hingegen einen deutlich engeren Bereich, während die Einstufung ,sehr hohe Wahrscheinlichkeit‘ nur mehr den schmalen Grenzbereich zu einem eindeutigen Ergebnis betrifft.

20. März 2001

ao. Univ.-Prof. Dr. Christan Grafl

Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger"

Bei Bekanntwerden des Erstgutachtens bezeichnete die Rechtsvertreterin Jörg Haiders, Mag. Huberta Gheneff-Fürst, den Binder-Brief als das Hauptbelastungsmittel gegen Jörg Haider, welches damit in sich zusammengebrochen sei.

Landeshauptmann Haider führte damals aus, dass die gegen ihn geführte Kampagne im Rahmen des Spitzelskandals durch die Tatsache, dass der Binder-Brief gefälscht sei, endgültig zusammengebrochen wäre, und forderte Konsequenzen für eine Reihe von Gesetzesbrüchen durch führende Beamte. Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnete er als Skandal von Kräften in Österreich, die mit gezinkten Karten versuchen, ihn schlecht zu machen.

Sein Statthalter Westenthaler führte dazu aus: "Beginn einer roten Staatsaffäre, gefälschtes Beweismittel gegen Kärntner Landeshauptmann, parteipolitisch motivierte Ermittlungen." Auch er bezeichnete den Binder-Brief als das Hauptindiz gegen Jörg Haider.

Wir halten fest: Haider selbst, seine Rechtsvertreterin und der FP-Klubobmann haben öffentlich – im Vertrauen auf das Erstgutachten – den Standpunkt vertreten, dass der Binder-Brief das Hauptbelastungsmittel gegen Haider sei. Und dieses Beweismittel ist nach einer wissenschaftlichen gutächtlichen Äußerung des Kriminologen Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl nunmehr wahrscheinlich echt und keine Fälschung.

Es ist damit nachgewiesen, dass Binder im Auftrag von Haider illegale Datenabfragen im Polizeicomputer vorgenommen hat und die Ergebnisse diesem übermittelte. Die Vorwürfe des Datenmissbrauches durch hochrangige FP-Politiker hat sich daher bestätigt. Ein Landeshauptmann, gegen den so schwerwiegende Verdachtsmomente der Spitzelei aus politischem Interesse vorliegen, sollte sich umgehend bei den österreichischen BürgerInnen entschuldigen und die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Darüber hinaus ist durch all diese Vorgänge auch der Ruf des österreichischen Rechtsstaates in Europa wieder auf dem Prüfstand; so führt die angesehene "Süddeutsche Zeitung" am 26.3.2001 Folgendes aus:

"Unvollständige Akten

Im ,Tatort‘ hat man derlei noch nicht gesehen: Der Untersuchungsrichter kann den/die Täter nichts Gescheites fragen, weil das Aktenkonvolut über den Kriminalfall unvollständig ist. Im Rechtsstaat Österreich ist dies ausgerechnet in einem Fall geschehen, in den auch Politiker verwickelt sind: In der Polizeispitzel-Affäre, in der FPÖ-Politiker Polizisten angestiftet haben sollen, Personendaten illegal weiterzureichen. Vorwürfe gegen eine Staatsanwaltschaft, die dem Justizminister weisungsgebunden ist, der wiederum zur FPÖ-Mannschaft gehört.

Natürlich haben die Beschuldigten, zu denen im Grunde nun auch wieder der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gehört, das ganze als Komplott erkannt, um ihnen die Landtagswahl in der Hauptstadt Wien zu verderben. Die Opposition sieht das Wirken politischer Obstruktion in der unabhängigen Justiz. Abenteuerlich ist die Sache allemal. Und sie hat einen anderen, symptomatischeren Kern. Seit die FPÖ/ÖVP-Regierung in Österreich vor einem Jahr ihr Amt angetreten hat, sind in Windeseile Unmengen von Gesetzen, Bestimmungen, Verordnungen geän


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dert, neugefasst worden. Fast alle mussten hinterher nachgebessert, einige gar zurückgenommen werden. Grund waren Schlamperei und Hast.

Genau dieser Dilettantismus scheint sich nun auch auf die Ermittlungsbehörden gelegt zu haben. Nur diesmal mit überlangem Atem. Wer glaubt schon, dass der Justizminister da selbst an irgendetwas gedreht hat. Er hatte aber – ganz unmöglich als Herr des Verfahrens – sofort bekundet, er halte einen Jörg Haider für ,über jeden Verdacht erhaben‘. Vielleicht hat man das im Ermittlungsapparat zu wörtlich genommen. Fk."

Aus den erwähnten Gründen richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

Anfrage

1. Wie beurteilen Sie als zuständiger Bundesminister die Vorgänge bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Spitzelaffäre, wenn der zuständige Untersuchungsrichter mit Aktenvermerk festhalten muss, dass die Staatsanwaltschaft die Aufklärung dieser hochsensiblen Materie erschwert?

2. Von der Staatsanwaltschaft wurde dieser Aktenvermerk als übliche Meinungsverschiedenheit heruntergespielt. Wie viele solcher Aktenvermerke von Untersuchungsrichtern über die Behinderung ihrer Arbeit durch die Staatsanwaltschaft hat es im letzten Jahr gegeben?

3. Welche Aktenvermerke oder Einsichtsbemerkungen und mit welchem genauen Wortlaut wurden im gegenständlichen Verfahren durch Mitglieder der Staatsanwaltschaft, auch Behördenleiter, angefertigt?

4. Gemäß "profil" vom 26.3.2001 soll die Einstellung einer Reihe von Verfahren auf eine "Einsichtsbemerkung" des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien zurückgehen. Wie genau lautet diese Einsichtsbemerkung?

5. Welche Aktenvermerke und mit welchem genauen Wortlaut wurden im gegenständlichen Verfahren durch den Untersuchungsrichter angefertigt?

6. Welche Aktenvermerke und mit welchem genauen Wortlaut wurden im gegenständlichen Verfahren durch die am Verfahren beteiligten Organwalter der Exekutive, insbesondere der Wirtschaftspolizei, angefertigt?

7. Warum wurden dem Untersuchungsrichter Aktenteile – wie das Vernehmungsprotokoll von Kleindienst – nicht übermittelt?

8. Werden Sie dafür sorgen, dass der Untersuchungsrichter die Akten vollständig von der Staatsanwaltschaft erhält?

9. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Staatsanwaltschaft, wonach Unterlagen aus dem Zusammenhang gerissen übermittelt wurden und dadurch eine der Geschäftsordnung entsprechende Seiten- und Bandnummerierung durch den Untersuchungsrichter nicht erstellt werden konnte?

10. Wie schätzen Sie ein, ob der Untersuchungsrichter unter den gegebenen Umständen noch einen Gesamtüberblick über die Materie gewinnen kann?

Gefährdet der Umstand, dass von 42 ursprünglichen Faktenkreisen Unterlagen zu lediglich 11 Faktenkreisen an den Untersuchungsrichter übermittelt wurden, nicht zwangsläufig den Aufbau jenes Überblickes, der notwendig wäre?

11. Wer hat in der Staatsanwaltschaft die Entscheidung getroffen, welche Akten dem Untersuchungsrichter übermittelt wurden?

12. Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen erteilt oder Empfehlungen abgegeben und, wenn ja, von wem und welchen Inhalts?


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13. Wer hat die Entscheidung getroffen, dass die Sonderkommission einen neuen Bericht zu erstellen hat?

14. Welchen Inhalt hat der neuerliche Auftrag an die Sonderkommission im Detail?

15. Wurde im gegenständlichen Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft Wien eine Weisung an die Wirtschaftspolizei gegeben, einen gekürzten Bericht vorzulegen?

Wenn ja: Wie lautet die Weisung im Wortlaut?

16. Wurde in den Verfahren gegen FPÖ-Spitzenpolitiker u. a. ein Antrag gestellt, den Beamten Herbert Poimer als Beschuldigten oder als Zeugen zu vernehmen?

Wenn ja: Wurde der Beamte bereits einvernommen?

Wenn nein: Warum nicht?

17. Wurde in den Verfahren gegen FPÖ-Spitzenpolitiker u. a. ein Antrag gestellt, Hilmar Kabas bzw. Michael Kreißl als Beschuldigten oder als Zeugen zu vernehmen?

Wenn ja: Wurden die Betreffenden bereits einvernommen?

Wenn nein: Warum nicht?

18. Welchen Informationsstand haben Sie zu der von Ihnen im Budgetausschuss zum Kapitel Justiz nicht ausgeschlossenen Versetzung des Untersuchungsrichters Dr. Stefan Erdei?

19. Wer ist für eine solche Versetzung zuständig, diese auszusprechen?

20. Wie beurteilen Sie als zuständiger Bundesminister die Bedeutung der Unabhängigkeit der RichterInnen für den österreichischen Rechtsstaat?

21. Was werden Sie unternehmen, um willkürliche Versetzungen von RichterInnen zu verhindern?

22. Welche Konsequenzen sind hinsichtlich des Binder-Briefes an Haider für Sie und/oder die Staatsanwaltschaft zu setzen, da nach dem Zweitgutachten "überwiegende Gründe für die Annahme sprechen, dass der Brief vom Verdächtigen stammt" und dieser Brief – auch nach Aussage Haiders – den Hauptbelastungspunkt gegen seine Person in der Spitzelaffäre bildet?

23. Was werden Sie unternehmen, um den Ruf des österreichischen Rechtsstaates in Europa zu wahren bzw. wiederherzustellen?

24. Seitens Vertretern der Regierungspartei wurde wiederholt die Behauptung aufgestellt, der bei Binder gefundene Brief an LH Haider sei eine Fälschung. Dies impliziert den Vorwurf, dass ein gefälschtes Dokument entweder von den Beamten, die die Hausdurchsuchung und Sicherstellung vorgenommen haben, unterschoben wurde oder von unbekannten Tätern vorher an diesem Ort hinterlegt wurde.

Gibt es in diesem Zusammenhang Untersuchungen wegen Missbrauchs der Amtsgewalt oder anderer Delikte gegen die einschreitenden Beamten der Kriminalabteilung Burgenland oder gegen unbekannte dritte Täter?

25. Wenn ja, wie lautet der Ermittlungsstand? Wenn nein, warum nicht?

26. Wie beurteilen Sie persönlich Aussagen, wonach der so genannte Binder-Brief eine Fälschung sei?

27. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Qualifikation und Objektivität des Gutachters Muckenschnabel aufgrund diverser Äußerungen desselben in Medien?


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28. Handelt es sich bei dem von der Wirtschaftspolizei an die Staatsanwaltschaft übermittelten Bericht um einen Endbericht oder um eine Zusammenfassung des Erhebungsstandes? Wie wurde dieses Dokument vom Verfasser bezeichnet?

29. Was qualifiziert eine schriftliche Zusammenfassung von Faktenlagen, welche durch die verfassende Behörde als "Endbericht" qualifiziert wird, als "interne Zusammenfassung des Erhebungsstandes"?

Wer qualifiziert ein oben genanntes Schriftstück mit welcher Konsequenz als Endbericht und wer ist zu einer Umqualifikation auf welcher Rechtsgrundlage berechtigt?

Gibt es eine Rechtsgrundlage für den Begriff "interne Zusammenfassung des Erhebungsstandes"?

30. Ist ein Endbericht der Sonderkommission und/oder der Wirtschaftspolizei zum Akt zu nehmen? Wenn nein, warum nicht?

31. Ist eine "interne Zusammenfassung des Erhebungsstandes" zum Akt zu nehmen?

32. Durch die Staatsanwaltschaft soll gemäß Medienberichten die Wirtschaftspolizei zu einer Bereinigung des Endberichtes aufgefordert worden sein, und zwar durch Streichung jener Faktenkreise, an welchen die Herren Haider und Stadler beteiligt gewesen sein sollen.

Welche Faktenkreise genau betrifft diese angewiesene Bereinigung?

Rechtfertigt diese Anweisung, dass von ursprünglich 42 Fakten nur 11 weiter verfolgt werden? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Verfügung auf Bereinigung des Endberichtes? Handelt es sich bei dieser Verfügung um eine Weisung?

Welche Verdächtigen sind im jeweiligen Faktenkreis, um den der Endbericht bereinigt werden soll, mitumfasst?

33. Die Einstellungen gegen Haider und Stadler erfolgten auch mit dem Hinweis, dass die vorgeworfenen strafbaren Handlungen bereits verjährt wären. Wie wird die Verjährung in den einzelnen Fällen begründet?

Ist ausgeschlossen, dass bei den weiteren im jeweiligen Faktenkreis mitbehandelten Personen eine derartige Verjährung nicht etwa durch fortgesetzte Handlungen ausgeschlossen ist?

34. Nach welchen Gesetzesstellen wurden die Verfahren gegen Haider und Stadler durch die Staatsanwaltschaft eingestellt?

Besteht im Falle des Vorliegens neuer Verdachtsmomente und Fakten die Möglichkeit, das Verfahren wieder aufzunehmen?

35. Warum erfolgten die Einstellungen gegen Haider und Stadler vor der Einvernahme des Beamten Herbert Poimer, welcher der Leiter der Klagenfurter Datenstation war und in dieser Funktion laut Medienberichten ("profil" vom 26.3.2001) 50 000 EKIS-Abfragen durchgeführt hat, wobei diese gemäß Medienberichten zum einen Teil mit dem Ziel durchgeführt wurden, Informationen über politische Gegner zu erhalten und zum anderen Informationen zur Überprüfung der FPÖ nahestehender Personen?

36. Warum wurde dem Verteidiger von Kleindienst die Einsichtnahme in die gesamte Akte verwehrt?

Welche Aktenteile wurden ihm vorenthalten und mit welcher Begründung?

37. Sind den Tagebüchern der am Verfahren beteiligten Staatsanwaltschaften Vermerke oder sonstige schriftliche Ausführungen zu entnehmen, auf Grund welcher das Handeln eines oder


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mehrerer Staatsanwälte oder der Exekutive beeinflusst werden konnte oder welche einen Hinweis darauf geben, dass eine derartige Beeinflussung stattgefunden haben könnte?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 Abs. 1 GOG verlangt .

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Frau Abgeordneter Mag. Kuntzl als erster Anfragestellerin das Wort zur Begründung der Anfrage, wobei die Anfragebegründung nach der Geschäftsordnung eine Dauer von 20 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.01

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Monaten steht der unglaubliche Verdacht im Raum, wonach es zu systematischen Versuchen gekommen ist, unter Beugung und Missachtung rechtsstaatlicher Grundprinzipien seitens der Freiheitlichen Partei politische Gegner, kritische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Journalisten und Künstler zu bespitzeln.

Seit Monaten sehen sich Beamte in Polizei und Justiz einer unglaublichen Welle politischen Drucks ausgesetzt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Dennoch, trotz dieses massiven Drucks, haben korrekte und pflichtbewusste Beamte, die sich dem Rechtsstaat verpflichtet fühlen, die Untersuchungen konsequent fortgeführt. Diesen Beamten, meine sehr geehrten Damen und Herren, gebührt von dieser Stelle aus unsere Anerkennung (Beifall bei der SPÖ und den Grünen) – offenbar nicht die Anerkennung von allen in diesem Hause, stelle ich fest. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber diese Ermittlungen gingen offenbar zu weit, das korrekte Verhalten der Beamten ging offenbar zu weit, denn die Untersuchungen werden, wie wir heute wissen, offensichtlich behindert. Wenn wir uns die Ereignisse in den letzten Monaten vor Augen halten, so erkennen wir dies als Geschichte vielfältigster Versuche, diese Erhebungen zu behindern und die Aufklärung in dieser Spitzelaffäre zu verhindern.

Erinnern wir uns doch an den Beginn dieser Affäre zurück! Die erste Reaktion war, alles abzustreiten und den anderen die Schuld zu geben. Herr Westenthaler hat damals Herrn Kleindienst, der das alles aufdeckte und ins Rollen brachte, als "irgendeinen Dahergelaufenen" bezeichnet, bis die Fotos aufgetaucht sind, die bewiesen haben, dass das ein zentraler Funktionär der Freiheitlichen Partei war.

Dann haben die Medien immer neue Fakten gebracht, worauf die Journalisten an die Reihe kommen, diskreditiert zu werden. Der Alt-Parteiobmann der Freiheitlichen Partei hat damals gemeint, "die Spitzelaffäre sei in den kranken Gehirnen einiger Journalisten entstanden". Weiters hat er gesagt, er wolle jetzt "Ordnung in diesen Sumpf von Indiskretionen" bringen.

Dann wurde aber doch die Staatsanwaltschaft beauftragt, Vorerhebungen durchzuführen, worauf massiver Druck auf die ermittelnden Beamten einsetzte. Wochenlang sind diese Beamten unter Beschuss gestanden. "Ultimativer Gegenschlag" – so hat das die Freiheitliche Partei genannt. Herr Westenthaler hat sogar die Abberufung der Beamten, zum Beispiel des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, verlangt, nur weil der korrekt seine Arbeit gemacht hat.

Aber auch der Innenminister, der seine Beamten nicht daran gehindert hat, die Ermittlungen zu führen, ist ins Schussfeld der Freiheitlichen Partei gekommen. Der Alt-Parteiobmann der Freiheitlichen Partei hat gemeint: "Strasser hat offenbar das Innenministerium nicht im Griff." "Wir müssen regelrecht eine Armee gegen das Innenministerium mobilisieren." – So viel zum eigenen Eingeständnis von politischem Druck.

Aber das hat noch immer nicht gewirkt. Es ist weiter ermittelt worden. Die Verdachtslage ist immer dichter geworden und damit auch der Druck auf die nächste Ebene, nämlich auf die Justiz,


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die sich nur mehr mit einer Unterschriftenaktion seitens der Richter und Staatsanwälte zur Wehr zu setzen wusste. Der Alt-Parteiobmann der FPÖ warf den Staatsanwälten vor, sie hätten "nachweislich das Recht gebeugt und gebrochen".

Dem Untersuchungsrichter Erdei wurde schon damals offenbar eine zentrale Rolle zugewiesen, und auf ihn hat man sich damals auch schon besonders eingeschossen. Klubobmann Westenthaler hat damals über U-Richter Erdei gesagt, er sei "mit fürchterlichen Fehlern behaftet. Der Mann hat sie ja nicht alle."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die "fürchterlichen Fehler" waren, wie wir heute sehen, dass dieser Untersuchungsrichter eine korrekte Auffassung von seinem Amt hat und das Rückgrat besitzt, sich dieser Druckwelle nicht zu beugen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nachdem das alles nichts genutzt hatte, forderte die Vizekanzlerin der Republik – nicht irgendjemand – offiziell ein Ende der Ermittlungen gegen Jörg Haider. Nur als Fußnote dazu, wie in der Freiheitlichen Partei die Spitzelaffäre offensichtlich bewertet und diskutiert wird, möchte ich noch den Salzburger Parteivorsitzenden Schnell zitieren, der damals gesagt hat: "Ohne Spitzel könnte es keine Demokratie geben." – Das ist offensichtlich die Art und Weise, wie Sie nach wie vor diesen Skandal reflektieren! Daher Ihre Verständnislosigkeit.

Seit Wochen und Monaten laufen die Ermittlungen, und seit einigen Tagen erregt wieder eine Neuigkeit nach der anderen die öffentliche Aufmerksamkeit (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) – erst wieder in den letzten Tagen, und das dafür umso massiver.

Der erste Anlass war ein neues Gutachten betreffend den so genannten Binder-Brief. Wir alle erinnern uns noch sehr gut an das Getöse, das ausgebrochen ist, als das Erstgutachten vorlag, das diesen Brief als Fälschung bezeichnet hat. Dieses Gutachten stammt von einem durchaus umstrittenen Gutachter. In einer Sendung im ORF wurde dieser Gutachter interviewt. Im Anschluss an dieses Interview wurden von den Journalisten, die sich damit befasst haben, eine Reihe von Fragen gestellt, die nach wie vor aktuell sind. – Ich zitiere:

"Auch wenn also dieser Mann, Haider-Leibwächter Horst Binder, diesen Brief nicht unterschrieben hat, so wirft das gefundene Papier im Keller Binders natürlich einige Fragen auf.

Punkt 1: Im Keller gab es keine Einbruchspuren. Wie soll also die Fälschung dort hinterlegt worden sein und von wem?

Punkt 2: Im Schreiben steht die alte D-Netz Handynummer von Horst Binder. Wer kennt heute noch eine veraltete 0663er Nummer, die schon lange durch eine GSM-Nummer ersetzt wurde?

Punkt 3: Dem Brief waren 2 EKIS-Ausdrucke beigefügt. Diese stammen nachweislich aus Ende 1994. Wie kam jemand, der die Unterschrift fälscht, zu diesen alten Ausdrucken und wie diese in Binders Keller?

Punkt 4: Warum gibt es einen Aufgabeschein der Villacher Post, wenn der Brief nie abgeschickt wurde?

Alles in allem Fragen, die derzeit" – und ich füge hinzu: nach wie vor – "niemand schlüssig beantworten kann. Daher stellt sich die Gretchenfrage: Können sich auch Gutachter irren?"

Offenbar hat sich der Gutachter geirrt, denn es liegt jetzt ein neues Gutachten vor, das diesen Brief als sehr wahrscheinlich echt bezeichnet. Wir erinnern uns an das Getöse nach dem ersten Gutachten, als es von Vertretern der Freiheitlichen Partei geheißen hat, dass mit diesem Brief das Hauptbelastungsmittel gegen Jörg Haider zusammengebrochen sei. Was bedeutet das, wenn jetzt ein Gutachten sagt, dieser Brief sei echt? Wenn dieser Brief sogar von der Freiheitlichen Partei als Hauptbelastungsmittel bezeichnet wurde, was bedeutet das, wenn dieser Brief jetzt echt ist?


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Es ist tatsächlich nicht irgendein Brief. Dieser Brief würde nachweisen, dass Horst Binder im Auftrag Jörg Haiders illegal Daten beschafft hat. (Abg. Böhacker: So ein Unsinn! Lesen Sie den Brief noch einmal vor! So ein Blödsinn!) Aber wird es auch bedeuten, dass diese neue Faktenlage zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Kärntner Landeshauptmann führen wird? – Wir erwarten gespannt die Antwort des Justizministers auf diese Frage. Aber, Herr Bundesminister, bitte bedenken Sie, bevor Sie antworten, dass nicht nur Sie, sondern auch der Rechtsstaat auf dem Prüfstand steht.

Im Zusammenhang mit dem Verdacht gegen Jörg Haider tut sich eine weitere sehr eigenartige Lücke in der Aufklärung auf. Es geht um einen Beamten, der im Verdacht steht, eine Schlüsselfigur in dieser ganzen Affäre darzustellen. Er steht im Verdacht, für Jörg Haider politische Gegner, aber – was besonders pikant ist – auch das eigene Umfeld durch Beschaffung illegaler Daten durchleuchtet zu haben. Diese Schlüsselperson wurde bis heute nicht einvernommen. Obwohl man auf diese Einvernahme verzichtet hat – bisher verzichtet hat –, wurde das Verfahren gegen den Alt-Parteiobmann eingestellt.

Warum, Herr Bundesminister, wurde bis heute auf diese wichtige Aussage verzichtet? – Es gibt keinen anderen Grund als den folgenden: Offenbar wird befürchtet, dass dabei etwas an das Tageslicht kommt, was Sie lieber hinter einer Nebelwand verstecken wollen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn wirklich alle Westen so weiß sind, dann ist es höchste Zeit, und zwar in Ihrem eigenen Interesse, sich auch von diesem Beamten die Entlastung einzuholen. Andernfalls wird der massive Eindruck der bewussten Verschleierung bestehen bleiben.

Die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi hat vor einigen Wochen, als sie die aktuelle Situation in Österreich eingeschätzt hat, in einem Kommentar geschrieben:

"Daß man Zivilcourage braucht, um korrekt seiner Arbeit nachzugehen, kennt man im Allgemeinen nur aus nichtdemokratischen Regimen."

Wie Recht hat sie doch, wenn sie davon spricht, dass man Zivilcourage braucht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) In den letzten Tagen sorgte eine außergewöhnliche Vorgangsweise des zuständigen Untersuchungsrichters Stefan Erdei in der Öffentlichkeit für große Aufregung. Anders kann man das nicht interpretieren denn als öffentlichen Hilferuf, denn der Untersuchungsrichter erklärte in einem Aktenvermerk, bei seiner Aufklärungsarbeit massiv behindert worden zu sein, weil ihm wesentliche Akten und Ermittlungsergebnisse vorenthalten wurden.

Laut Zeitungsberichten steht in diesem Aktenvermerk unter anderem:

"Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Offenbar wurde von der WiPol eine Faktenliste angefertigt, die zumindest 42 Fakten aufzählt. Auch unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Berichte und Ergebnisse liegen derzeit nur Unterlagen zu insgesamt 11 Fakten, somit zu knapp ¼ der offenbar von der WiPol Wien angezeigten Fakten dem Gericht vor."

Das, meine Damen und Herren, ist eine Vorgangsweise der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft, die im höchsten Ausmaß befremdet und verwundert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Minister Böhmdorfer hat diesen Vorwurf zurückgewiesen und dies für ein hochgespieltes Missverständnis erklärt. Herr Minister, wo liegt da das Missverständnis? Bitte ergreifen Sie nachher die Gelegenheit und erklären Sie uns hier und heute dieses angebliche Missverständnis!

Warum erhält der zuständige Untersuchungsrichter nicht das vollständige Faktenmaterial, also all die Informationen, die er braucht, um die richtigen Einschätzungen zu treffen und die richtigen Handlungen davon abzuleiten, also seiner Aufgabe gerecht zu werden? Was kann hier ein Missverständnis sein?


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Darüber hinaus war ja offenbar auch geplant, den Untersuchungsrichter zu versetzen. Man habe ihn bereits davon informiert. Nachdem dies in der Öffentlichkeit zu großer Empörung führte, wurde offenbar die Notbremse gezogen, ein Rückzieher gemacht und so ein unglaublicher Skandal vermieden. Der Eindruck bleibt aber: Einem Untersuchungsrichter, der unbequem ist, weil er seiner Arbeit nachkommt, wird das Leben schwer gemacht.

Nun liegt auch schon der Endbericht der Wirtschaftspolizei vor. Das heißt, einerseits liegt er vor, andererseits wieder nicht, denn es liegt zwar an sich ein Bericht vor, der alle Fakten zur Spitzelaffäre enthält, aber offenbar passt er nicht ins Konzept, und er wurde deshalb zur Überarbeitung zurückgeschickt.

Es gibt Medienberichte, die besagen, dass es eine Aufforderung der Staatsanwaltschaft zur Kürzung dieses unangenehmen Endberichtes gibt, und zwar durch Streichung jener Faktenkreise, an welchen zufällig die Herren Haider, Stadler und Mikscha beteiligt sein sollen.

Welchen Eindruck, Herr Bundesminister Böhmdorfer, hätten Sie als Unbeteiligter, würden Sie derartige Vorgangsweisen beobachten? Es kann nicht anders sein: Auch Sie, wären Sie Unbeteiligter, müssten den Eindruck gewinnen, dass dieser Bericht offenbar viel zu brisant für die Freiheitliche Partei ist und dass dieser Bericht deshalb geschönt werden muss. Das ist, meine Damen und Herren, eine skandalöse, eine noch nie da gewesene Vorgangsweise, die auch nicht passieren darf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt für Sie, Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang nur mehr eine Möglichkeit, das Gesicht zu wahren. Herr Bundesminister, veröffentlichen Sie umgehend den ursprünglichen Bericht, den Bericht in seiner unzensurierten Fassung! Sagen Sie das bitte heute dem Parlament zu! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die großen Fragezeichen rund um diese jüngsten Ereignisse – der U-Richter bekommt nicht alle Erhebungsergebnisse, er sollte ursprünglich vom Fall abgezogen werden, der Endbericht soll geschönt werden, weil er zu unangenehm ist, angebliche Einsichtsvermerke, die zur Einstellung von Verfahren führen – rufen eine Aussage des Herrn Bundesministers in Erinnerung: In einem "Mittagsjournal"-Interview wurde er gefragt, ob er sich in die Ermittlungen einschalten will. Er hat damals gesagt:

"Ich werde nach Möglichkeit nicht eingreifen. Das einzige Motiv, das ich mir derzeit vorstellen kann, ist jenes, dass ich die Verfahren gerne sehr schnell abgewickelt hätte, und es könnte schon sein, dass ich mich im Interesse der Beschleunigung darum kümmere."

Herr Bundesminister! Erleben wir jetzt mit den vorhin zitierten Schritten die "Beschleunigung des Verfahrens"? Haben Sie das so gemeint? Offenbar soll das Verfahren beschleunigt werden, indem wichtige Teile des Verfahrens erst gar nicht stattfinden können. Jedenfalls wird damit die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses immer dringlicher. Offensichtlich kann nur ein Untersuchungsausschuss Licht ins Dunkel dieser zahlreichen Facetten bringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

In Sie, Herr Minister Böhmdorfer, können wir nicht das Vertrauen setzen, dass eine lückenlose Aufklärung möglich ist. Im Gegenteil! Sie sind offenbar Garant dafür, dass die entscheidenden Lücken in die Aufklärung gebracht werden. Sie, Herr Minister, haben nie die Befürchtungen ausräumen können, dass Sie auch in der Position des Justizministers der Republik der Parteianwalt der Freiheitlichen Partei geblieben sind. Sie stellen offensichtlich nach wie vor parteipolitisches Interesse über die Interessen des Rechtsstaates. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die jüngsten Vorfälle erhärten diese Zweifel, wonach Sie zu befangen sind, eine tatsächliche Aufklärung dieses unglaublichen Skandals zu gewährleisten. Die jüngsten Vorfälle, Herr Bundesminister, haben diesen Skandal nur noch weiter vergrößert.

Ziehen Sie, Herr Bundesminister, die Konsequenz! Treten Sie von Ihrem Amt zurück (Abg. Haigermoser: Aber geh!), und ergreifen Sie damit doch noch die Chance, dem Rechtsstaat einen Dienst zu erweisen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

15.20


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zur Beantwortung der Anfrage gelangt der Herr Bundesminister für Justiz zu Wort. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Justizminister.

15.20

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte einleitend zum Verständnis der allgemeinen rechtlichen Situation Folgendes festhalten: Nach nunmehr einhelliger Judikatur hat der Untersuchungsrichter seine Ermittlungstätigkeit auf den von der staatsanwaltschaftlichen Antragstellung vorgegebenen Umfang zu beschränken. Außerdem ist er nicht befugt, diese Antragstellung auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Außer im Fall der Gesetzwidrigkeit ist er auch nicht berechtigt, die Durchführung von Vorerhebungsschritten abzulehnen. Es steht daher auch dem Staatsanwalt die Entscheidung zu, welches Aktenmaterial dem Untersuchungsrichter für die Durchführung der von ihm beantragten Erhebungsschritte zu übermitteln ist.

Im vorliegenden Verfahren, in dem von der Staatsanwaltschaft Wien bereits einige Fakten enderledigt worden waren, langten nunmehr die vorerst abschließenden Erhebungsergebnisse der Wirtschaftspolizei ein. Nach deren Sichtung stellte sich für die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren bezüglich einiger Verdächtiger als enderledigungsreif dar, ohne dass es noch gerichtlicher Vorerhebungen bedurft hätte. Sie hat daher in diesem Umfange entsprechend den Bestimmungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien erstattet und diesem die Bezug habenden, von der Wirtschaftspolizei vorgelegten Erhebungsergebnisse angeschlossen. Diese Aktenteile wurden der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgelegt und inzwischen der zuständigen Fachabteilung des Bundesministeriums für Justiz übermittelt.

In Ansehung weiterer Sachverhalte sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wien konkrete gerichtliche Vorerhebungsschritte erforderlich. In diesem Umfang hat sie daher Mitte März 2001 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die erforderlichen Anträge, und zwar insbesondere betreffend die verantwortliche Abhörung von sechs Verdächtigen und die Ausforschung und Vernehmung einiger Zeugen durch die Wirtschaftspolizei, gestellt. Um dem Untersuchungsrichter alle für die Durchführung dieser Vorerhebungen notwendigen Erhebungsergebnisse zugänglich zu machen, wurden anlässlich der Trennung des Aktes – soweit nicht bereits vorhanden – die erforderlichen Ablichtungen hergestellt und die Erhebungsergebnisse nach Fakten gegliedert. Das hiefür erforderliche Aktenmaterial wurde dem Untersuchungsrichter zur Verfügung gestellt. Den von der Wirtschaftspolizei erstellten Abschlussbericht hat die Staatsanwaltschaft Wien dem Untersuchungsrichter aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mitübersendet, weil darin auch eingehende Ausführungen sowohl zu auf bereits eingestellte Verfahren Bezug nehmende Fakten als auch zu solchen Sachverhaltskomplexen enthalten sind, die zwar im Bereiche der Sonderkommission behandelt wurden, jedoch nicht Gegenstand des bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängigen Verfahrens sind.

Ausdrücklich hat die Staatsanwaltschaft Wien darauf hingewiesen, dass die gewählte Vorgangsweise vor ihrer Antragstellung mit dem Untersuchungsrichter auch im Rahmen einer eingehenden persönlichen Aussprache akkordiert worden war, wobei auch vereinbart wurde, dass allenfalls noch als erforderlich erachtete Aktenunterlagen unverzüglich nachgereicht werden können.

Nachdem der Untersuchungsrichter seine Bedenken gegen die Antragstellung und insbesondere die Form der Aktenübermittlung durch die Staatsanwaltschaft Wien in einem mehrseitigen Aktenvermerk niedergelegt hatte, wurde in der Folge im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft Wien und dem zuständigen Untersuchungsrichter folgende weitere Vorgangsweise festgelegt: Die Staatsanwaltschaft Wien ersucht die Wirtschaftspolizei um neuerliche Übersendung von Ablichtungen der der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgelegten Erhebungsergebnisse und um Erstellung eines die noch offenen Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien umfassenden Abschlussberichtes samt Bezug habender Faktenübersicht. Diese Unterlagen sind dann dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gemeinsam mit dem der Staatsanwaltschaft Wien von ihm zurückgestellten Strafakt zu übermitteln.


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Zwischenzeitig hat der Untersuchungsrichter diese Unterlagen erhalten. Ihm wurde neben dem von der Wirtschaftspolizei am 23. März 2001 erstellten Abschlussbericht auch der ursprüngliche vorläufige Abschlussbericht zur Kenntnisnahme übersendet. Die vom Untersuchungsrichter in seinem Aktenvermerk vom 16. März 2001 festgehaltenen Vorwürfe, die darauf hinauslaufen, dass er im Falle partieller Ermittlungsaufträge des Staatanwaltes einen Anspruch auf die Überlassung des gesamten, über den Ermittlungsstand hinausgehenden Aktenmaterials habe, sind unberechtigt und lassen ein Missverständnis des richterlichen Rollenbildes im strafrechtlichen Vorverfahren erkennen. (Oh-Rufe bei den Grünen.)

Damit sind die Fragen 1, 9, 10, 29, 30, 31 und 32, wie ich meine, ausführlich beantwortet. (Abg. Dr. Kostelka: Ist das Ihr Respekt vor dem unabhängigen Richter? – Abg. Öllinger: Bemerkenswerte Aussage!)

Zur Frage 2:

In Anbetracht der in Österreich pro Jahr anfallenden Strafsachen ist es faktisch nicht möglich, von Untersuchungsrichtern allenfalls angelegte Aktenvermerke über unter Umständen aufgetretene Meinungsverschiedenheiten mit der Staatsanwaltschaft zu ermitteln.

Zur Frage 3:

Nach § 35 des Staatsanwaltschaftsgesetzes steht das Recht auf Einsicht in Tagebücher der Staatsanwaltschaft nur staatsanwaltschaftlichen Behörden und dem Bundesministerium für Justiz sowie im erforderlichen Umfang jenen Behörden zu, die mit einem Straf- oder Disziplinarverfahren gegen einen Staatsanwalt befasst sind. (Abg. Schieder: Und einem Untersuchungsausschuss!)

Nur dann, wenn durch eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung ein Recht auf Einsicht in staatsanwaltschaftliche Behelfe und Unterlagen eingeräumt wird, können solche Inhalte bekannt gegeben werden. Ich ersuche um Verständnis, dass ich aus Gründen der Amtsverschwiegenheit diese Inhalte im Zuge der Beantwortung dieser parlamentarischen Dringlichen Anfrage nicht wiedergeben kann. (Abg. Dr. Pilz: Das ist Vertuschung!) Auch meine Amtsvorgänger haben es so gehandhabt.

Zur Frage 4:

Eine Einsichtsbemerkung des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien hat es in diesem Zusammenhang nicht gegeben.

Zur Frage 5:

Derartige Aktenvermerke sind Gegenstand des Strafaktes und unterliegen daher nicht dem parlamentarischen Interpellationsrecht.

Zur Frage 6:

Die Anfertigung von Aktenvermerken durch die Sicherheitsbehörden fällt nicht in den Vollziehungsbereich des Bundesministeriums für Justiz. Außerdem wurde nunmehr das gesamte Aktenmaterial dem Untersuchungsrichter übermittelt und ist daher Inhalt des Strafaktes. (Abg. Öllinger: Das wird schön langsam unglaublich!)

Zur Frage 7:

Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Wien wurden dem Untersuchungsrichter ursprünglich auch alle Vernehmungsprotokolle von Josef Kleindienst übermittelt, die im Konnex mit den beim Untersuchungsrichter gestellten Anträgen standen.

Zur Frage 8:

Die Akten wurden dem Untersuchungsrichter bereits vollständig übermittelt.


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Zur Frage 11:

Der Umfang der dem Untersuchungsrichter übermittelten Akten wurde zwischen zuständigem Referenten und Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Wien abgesprochen.

Zur Frage 12 lautet die Antwort: nein.

Zur Frage 13:

Diese Entscheidung wurde vom Leiter und vom zuständigen Referenten der Staatsanwaltschaft Wien getroffen.

Zu den Fragen 14 und 15:

In diesem Zusammenhang wurde folgendes Ersuchen am 21. März 2001 an die Wirtschaftspolizei gerichtet: Ich zitiere jetzt – Anfang des Zitates: "1) Erstellung eines endgültigen Abschlussberichtes hinsichtlich der zu AZ" – Aktenzahl – "22 b Vr 8222/00 und 22 b Vr 10444/00 gerichtsanhängigen Fakten und Verdächtigen (Fakten 1-6, 8-14, 17-24, 31, 34 und 42 des vorläufigen Abschlussberichtes betreffend Mag. Hilmar Kabas und 16 weitere Verdächtige sowie mit den angeführten Fakten in Zusammenhang stehende weitere 2 Verdächtige);

2) Übermittlung von Kopien der Erhebungsergebnisse zu den Fakten 1, 3, 6, 8, 11, 12, 14, 17-24 und 31, hinsichtlich Faktum 23 einschließlich des ergänzenden Erhebungsergebnisses vom 7.3.2001." – Ende des Zitates.

Zu den Fragen 16 und 17:

Im Rahmen der Erhebungen hat die Sicherheitsbehörde im Dezember 2000 beziehungsweise Jänner 2001 aus Eigenem versucht, die genannten Personen zu vernehmen. Sie haben jedoch mitgeteilt, nur vor dem Untersuchungsrichter aussagen zu wollen. Nunmehr ist der Untersuchungsrichter mit den Vernehmungen dieser Verdächtigen beauftragt worden.

Zu den Fragen 18 bis 21:

Das im relevanten Teil in den Jahren 1994 und 1999 unter meinem Amtsvorgänger Dr. Michalek einstimmig novellierte Richterdienstgesetz hat in § 77 Abs. 6 Vorkehrungen getroffen, dass bei Ausfall einer Richterin oder eines Richters, wie etwa auf Grund von Mutterschutz oder Karenzurlaub, ein so genannter Ersatzrichter ernannt werden kann. Diese Ernennungen müssen wie alle Richterernennungen unbefristet erfolgen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, dass bei einem Gericht mehr Richter ernannt werden können, als Richterplanstellen systemisiert sind. Im Falle der Rückkehr eines Richters aus dem Karenzurlaub entstünde ein so genannter Überstand. Tritt nun bei einem anderen Gericht ein weiterer Ersatzfall, etwa durch Karenzurlaub, auf, so sieht das Gesetz vor, dass der Personalsenat des Oberlandesgerichtes, also ein richterliches Gremium, dem keine Weisung erteilt werden kann, den Richter, der den Überstand bildet, diesem Gericht zuweist. Eine derartige vorübergehende Zuweisung erfolgt grundsätzlich innerhalb desselben Gerichtshofsprengels, in seltenen Ausnahmefällen innerhalb des Oberlandesgerichtssprengels, darf aber niemals außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels erfolgen. Auf diese Zuweisungen hat das Bundesministerium für Justiz keinerlei Einfluss. Wenn Dr. Erdei in einem Interview gesagt haben soll, dass man ihn sogar nach Kärnten versetzen könne, unterliegt er einem doppelten Rechtsirrtum. (Abg. Dr. Fekter: Falsch! Das ist bewusst falsch!) Zum einen handelt es sich nicht um eine Versetzung, zum anderen schließt das Gesetz Zuweisungen außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels aus.

Das ist ein unbedingt notwendiges gesetzliches Instrumentarium für die Personalsenate, um bei Auftreten von Mutterschutzfällen und Karenzen sicherzustellen, dass bei den Gerichten Richterinnen und Richter in ausreichender Anzahl tatsächlich eingesetzt sind. Diese Zuweisungen haben nach genauen gesetzlichen Vorgaben zu erfolgen. Wie der Vizepräsident des Oberlandesgerichtes Wien, Dr. Schläffer, der Mitglied des Personalsenates ist, mitgeteilt hat, war und ist eine solche Zuweisung von Dr. Erdei nicht vorgesehen. Willkürliche Versetzungen von Rich


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terinnen und Richtern sind in Österreich auf Grund der verfassungsgesetzlichen und einfachgesetzlichen Rechtslage ausgeschlossen. Dass die richterliche Unabhängigkeit einen Grundwert unserer demokratischen Rechtsordnung darstellt, wird von mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit nachdrücklich betont.

Dass die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit eine Aufgabe ist, die uns allen als Funktionsträgern unseres Staates zukommt und einen wesentlichen Teil unserer Verantwortung darstellt, muss unser gemeinsames Verständnis sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage 22:

Die Ergebnisse des zuletzt vorgelegten Schriftsachverständigen-Gutachtens haben keinen Einfluss auf die bereits erfolgte Enderledigung bezüglich Dr. Haider. Der Sachverständige Professor Dr. Grafl hat den Brief selbst nicht begutachtet. Dies wird in der Einleitung und in der Frage 22 zu Unrecht unterstellt.

Zur Frage 23:

Ich sehe den österreichischen Rechtsstaat in keiner Weise gefährdet. Österreich genießt auch als Rechtsstaat international einen hervorragenden Ruf. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 24 und 25:

Gegen die einschreitenden Beamten der Kriminalabteilung Burgenland sind derzeit keine Erhebungen anhängig. Ein Verfahren gegen unbekannte Täter ist jedoch offen, und zwar wegen der §§ 223 und 293 StGB.

Zur Frage 26:

Im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossenen Erhebungen enthalte ich mich einer Beurteilung. Ich bewerte keine Verfahrensergebnisse.

Zur Frage 27:

Auch die Qualifikation eines vom Gericht bestellten Sachverständigen will ich nicht kommentieren.

Zur Frage 28:

Beim angesprochenen Bericht handelt es sich um eine Zusammenfassung des Erhebungsstandes. Er war als vorläufiger Abschlussbericht bezeichnet und mit 19.1.2001 datiert.

Zur Frage 33:

Der Eintritt der Verjährung der Strafbarkeit ist damit zu begründen, dass die im § 57 Abs. 3 des Strafgesetzbuches angeführte Verjährungsfrist abgelaufen und dass es gemäß § 58 StGB auch nicht zu einer Verlängerung gekommen ist. Nachweise für strafbare Handlungen, die eine Hemmung der Verjährungsfrist bewirkt hätten, liegen nach meinen Informationen nicht vor.

Zur Frage 34:

Das Verfahren wurde gemäß § 90 Abs. 1 Strafprozessordnung beendet. Theoretisch besteht die Möglichkeit einer formlosen Wiederaufnahme gemäß § 363 Z 1 StPO.

Zur Frage 35:

Die Staatsanwaltschaft Wien ging davon aus, dass Dr. Haider und Mag. Stadler in diesem Zusammenhang in keinem Fall konkret einer strafbaren Handlung bezichtigt wurden.


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Zur Frage 36:

Vor der Übermittlung der gesamten Aktenunterlagen an den Untersuchungsrichter war eine Einsichtnahme faktisch nicht möglich, weil die Staatsanwaltschaft das umfangreiche, von der Wirtschaftspolizei vorgelegte Material zu prüfen hatte. Inzwischen liegt dieses dem Untersuchungsrichter vor, sodass eine Akteneinsicht möglich ist und auch bereits gewährt wurde.

Zur Frage 37 lautet die Antwort: nein. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubobmann Van der Bellen zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.38

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der Herr Justizminister hat sich bei der Beantwortung einzelner Fragen – insbesondere habe ich die Frage 3 in Erinnerung – auf die Amtsverschwiegenheit berufen. Nun meine ich, das ist schon eine sehr heikle Frage. Es wurde hier eine Anfrage von einer Fraktion an einen Minister gerichtet, und der Minister beruft sich bei einzelnen Punkten auf die Amtsverschwiegenheit. Bei anderen schriftlichen Anfragen, die der Nationalrat beziehungsweise einzelne Fraktionen des Nationalrates jederzeit stellen können, ist es doch wohl unzulässig, dass sich der Minister auf die Amtsverschwiegenheit beruft.

Bevor wir in die Debatte eingehen, möchte ich wissen, in welchen Bereichen sich der Herr Minister legitimerweise auf die Amtsverschwiegenheit beruft und wo er das gegenüber dem Nationalrat  – nicht gegenüber einem Journalisten, einer Journalistin – nicht tun darf. (Abg. Haigermoser: Gegenüber der Öffentlichkeit, Meister! Gegenüber der Öffentlichkeit!)

Zur Klärung dieser Frage beantrage ich eine kurze Unterbrechung und die Behandlung dieser Frage in der Präsidiale. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt eine Wortmeldung zunächst von Herrn Klubobmann Dr. Kostelka und dann von Herrn Klubobmann Dr. Khol vor. – Bitte.

15.39

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es ist zunächst einmal bemerkenswert, wie jener Bundesminister, der sich bei seiner ersten Wortmeldung in diesem Haus zur Unabhängigkeit der Rechtsprechung bekannt hat, es für notwendig befindet, in der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage unabhängige Richter abzukanzeln wie Schulbuben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen. – Rufe der Empörung bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Martin Graf: Der "unabhängige" Jarolim im Untersuchungsausschuss!) Aber das Wesentliche in diesem Zusammenhang ist, dass ich Sie, sehr geehrter Herr Justizminister, daran erinnern muss – und da gibt es nichts zu lachen, das ist eine sehr ernste Angelegenheit –, dass Sie das oberste Vollzugsorgan in der Bundesregierung für diese Belange sind.

Sie sind jener Mann, der von der Amtsverschwiegenheit zu entbinden hat. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das heißt, Sie berufen sich auf die Amtsverschwiegenheit, obwohl Sie derjenige sind, der diese Amtsverschwiegenheit in letzter Instanz aufheben kann. Sie tun das offensichtlich nur, um Ihre eigenen Spuren in der Justiz, um die Spuren Ihrer Einflussnahme auf die Justiz zu verwischen. (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! – Abg. Schwarzenberger: Das ist ein Redebeitrag! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie mit allem Nachdruck, jetzt und hier die Amtsverschwiegenheit nicht in Anspruch zu nehmen, weil Sie das gar nicht können, sondern dem Haus offen


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und ehrlich Antwort zu stehen, wie es sich gehört. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das war ein Redebeitrag!)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es hat sich nicht nur Herr Abgeordneter Khol, sondern auch Herr Klubobmann Westenthaler zu Wort gemeldet. Das Thema ist offenbar die Frage, ob eine Anfragebeantwortung nach § 93 der Geschäftsordnung korrekt ist, wenn sich der Minister auf die Amtsverschwiegenheit beruft.

Herr Klubobmann Dr. Khol, bitte.

15.41

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bitte Sie, bei der Handhabung dieser eigentlich geschäftsordnungswidrigen Praxis – dass die Klubobleute sich zur Geschäftsbehandlung melden können, ohne einen Antrag zu stellen (Abg. Dr. Kostelka: So wie Sie jetzt!)  – darauf zu achten, dass sich die Polemik in Grenzen hält. Was mein Vorredner hier geboten hat, ist ein Redebeitrag zur Dringlichen Anfrage, aber keine Stellungnahme zur Geschäftsbehandlung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit sich niemand Falscher betroffen fühlt: Die Wortmeldung von Klubobmann Van der Bellen war in Ordnung. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Präsident! Zur Sache selbst verweise ich auf § 91 des Geschäftsordnungsgesetzes, die dazu ergangenen Kommentare und die Praxis dieses Hauses.

Erstens geht aus einem Gutachten der Generalprokuratur von 1969 klar hervor, dass der Minister in diesem Fall jederzeit die Amtsverschwiegenheit in Anspruch nehmen kann. Seit der Verfassungsgesetz-Novelle 1929 sind im Übrigen die Minister nicht mehr vom Nationalrat gewählt, daher ist die entsprechende Bestimmung auch nicht auf die Minister anwendbar. Darüber hinaus hält die Geschäftsordnung fest, dass der Minister in seiner Verantwortung antworten kann; es gibt keine inhaltlichen Vorschriften. Wir haben das x-mal diskutiert. Ich kann bei Kollegen Kostelka annehmen, dass er weiß, dass der Minister hier in seiner politischen Verantwortung antwortet. (Abg. Dr. Kostelka: Ist das Ihre ... Verantwortung?)

Wenn ich daran denke, wie oft Abgeordneter Edlinger sich bei allen kritischen Anfragen betreffend die Bank Burgenland beziehungsweise die Bankenaufsicht auf die Amtsverschwiegenheit berufen hat (Abg. Ing. Westenthaler: Das weiß er selber ganz genau!), dann würde ich sagen: Lieber Herr Kollege Kostelka! Nehmen Sie Nachhilfeunterricht bei Edlinger, dann wissen Sie, was Amtsverschwiegenheit bedeutet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann Ing. Westenthaler. – Bitte.

15.43

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Leikam: Wo war da der Antrag?) Wir beobachten jetzt bereits zum zweiten oder dritten Mal in diesen vergangenen Tagen auch hier im Haus (Abg. Dr. Mertel: Da ist die Intelligenzbestie!) den mehrfachen Bruch der Geschäftsordnung durch Klubobmann Kostelka, noch dazu im Nachhang dessen, was wir in den vergangenen Präsidialsitzungen mehrfach erörtert haben, nämlich wie Meldungen zur Geschäftsordnung von der Bank her zu handhaben sind: mit der Stellung eines Antrages und mit einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung. (Abg. Dr. Mertel: Welchen Antrag haben Sie gestellt? – Abg. Dr. Khol: Nur repliziert!)

Klubobmann Kostelka hat nun schon mehrfach eine Geschäftsordnungsmeldung dazu missbraucht, einen Debattenbeitrag abzugeben.

Herr Präsident Fischer! Ich ersuche daher und dringe darauf, dem Hohen Haus noch einmal die Vereinbarung der Präsidialsitzung vom letzten und vorletzten Mal kundzutun, worin wir uns ganz klar darauf geeinigt haben, wie geschäftsordnungsmäßige Wortmeldungen vonstatten zu gehen haben.


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Ich verstehe nicht, Herr Kollege Kostelka, warum Sie andauernd gegen diese Vereinbarung und gegen die Abmachung in der Präsidiale verstoßen. (Abg. Dr. Kostelka: Viel fällt Ihnen aber nicht ein!)

Zum zweiten Punkt möchte ich Ihnen empfehlen, die einschlägigen Paragraphen der Geschäftsordnung zu studieren, aus denen ganz klar hervorgeht, dass der Herr Justizminister völlig korrekt geantwortet hat, weil eben nicht genau definiert ist, wie die Beantwortung überhaupt vonstatten gehen soll.

Aber vielleicht überlegen Sie einmal, wie Sie diese Geschäftsordnung formuliert haben, der wir nicht unsere Zustimmung erteilt haben – um Sie auch daran zu erinnern.

Im Übrigen ist es schon ein bisschen ein Versuch, Herr Kollege Van der Bellen, hier mit einer nächsten Show-Einlage – wie schon zuvor – eine Dringliche Anfrage zum Leben zu erwecken, die in Wirklichkeit fürchterlich abgesoffen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Das Einzige, was ich Ihnen mit absoluter Sicherheit sagen kann, ist, dass es hinsichtlich der Verpflichtungen zur Anfragebeantwortung keinen Unterschied zwischen einer normalen schriftlichen und einer Dringlichen Anfrage gibt, was den Inhalt der Antwort betrifft. Formal ist das eine mündlich, das andere schriftlich. Aber § 94 GOG verweist ausdrücklich auf § 91, und in § 91 ist geregelt, dass ein befragtes Regierungsmitglied entweder die Frage zu beantworten hat oder Gründe für die Nichtbeantwortung, die faktischer oder rechtlicher Art sein können, bekannt zu geben hat.

Der Herr Justizminister hat gesagt, die Amtsverschwiegenheit sei ein rechtliches Hindernis für ihn, die Beantwortung durchzuführen. Mir ist bewusst, dass ganze Bibliotheken voll geschrieben worden sind über die Frage des Verhältnisses der Auskunftspflicht der Minister gegenüber dem Nationalrat und der Amtsverschwiegenheit. Manche Juristen nehmen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung als die lex specialis, die die Amtsverschwiegenheit durchbricht, andere sehen das umgekehrt und sehen die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit als vorrangig gegenüber der Auskunftserteilung. – Das ist Faktum.

Ich glaube nur nicht, Herr Klubobmann Van der Bellen, dass wir jetzt in einer Präsidiale das Problem lösen werden betreffend die Frage, welche dieser Rechtstheorien zutrifft und in welcher Weise das Verhältnis zwischen Auskunftspflicht und Amtsverschwiegenheit quasi endgültig zu bewerten ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Völlig absurd!) Auch die Präsidiale ist kein Oberster Gerichtshof oder kein Verfassungsgerichtshof, der dieses Problem bewerten kann. (Abg. Ing. Westenthaler: Edlinger hat überhaupt nie geantwortet!)

Ich mache auch darauf aufmerksam, dass wir diese Frage zumindest in einzelnen Fällen auch deshalb nicht so streng gehandhabt haben, weil der Minister ja auch die Möglichkeit hätte, von der Geschäftsordnungsbestimmung Gebrauch zu machen, eine Stellungnahme zum Gegenstand abzugeben. Er hat es zwar nicht getan – er ist in die Anfragebeantwortung eingegangen –, aber eine solche Stellungnahme würde wahrscheinlich noch weniger Information an das Plenum liefern als eine Anfragebeantwortung, bei der er in einzelnen Punkten die Rechtsauffassung vertritt – zu der ich mich nicht äußere –, dass die Amtsverschwiegenheit dazu berechtigt, die Auskunftserteilung zu einer Frage, die in der Dringlichen Anfrage enthalten ist, zu verweigern. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja nichts Neues! Das ist mehrmals vorgekommen!)

Herr Abgeordneter Van der Bellen! Ich bitte Sie daher, jetzt auf den Wunsch nach Sitzungsunterbrechung und Präsidiale zu verzichten.

Da die Frage, was wir in der Präsidialsitzung vereinbart haben, nicht jetzt abgehandelt werden muss, möchte ich vorschlagen, dass wir nunmehr in die Debatte eingehen.

Eine Wortmeldung von Kollegen Pilz zur Geschäftsbehandlung kann ich nicht entgegennehmen, weil wir eine Debatte nicht beschlossen haben. (Abg. Dr. Pilz: Ich möchte einen Antrag stellen!)


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Zu einem anderen Thema? (Abg. Ing. Westenthaler: Da gibt es ganz klare Vereinbarungen in der Präsidiale!)  – Nein, Herr Abgeordneter Pilz, die Sache ist so: Wenn Herr Abgeordneter Van der Bellen einen Antrag gestellt hätte, dann hätten alle anderen dazu Stellung genommen. Aber in der gleichen Sache eine fünfte Wortmeldung – das ist mir bei Frau Dr. Petrovic einmal passiert, aber da haben mir alle gesagt, es war um eine zu viel. Wir bleiben also bei dieser Praxis: Jede Fraktion eine Wortmeldung. (Abg. Ing. Westenthaler: Unglaublich!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Kostelka! Schon wieder abgeblitzt!)

15.49

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Meine Damen und Herren! Vielleicht, weil es diese Debatte notwendig macht, ganz kurz ein Kommentar dazu: Herr Kollege Westenthaler! Da Sie hier erklärt haben, dass eine Stellungnahme von Kollegen Kostelka geschäftsordnungswidrig war (Abg. Ing. Westenthaler: "Euroteam"!), wird Ihr Beitrag in die gleiche Kategorie einzustellen sein, weil Sie hier außer Polemik überhaupt nichts von sich gegeben haben. (Abg. Ing. Westenthaler: "Euroteam"! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich habe dieser Brillanz Ihrer Beantwortung nichts mehr hinzuzufügen. Ich habe mir von Ihnen auch nicht mehr erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Stellungnahme zur Geschäftsordnung von Herrn Kollegen Khol muss man, glaube ich, danken, weil er schön herausgearbeitet hat, dass es natürlich in der Ingerenz des Herrn Bundesministers steht – es gibt da einen Meinungsunterschied, der nicht geklärt ist –, sich hier auf die Amtsverschwiegenheit zu berufen oder auch nicht.

Im gegenständlichen Fall ist es aber schon deshalb skandalös, Herr Bundesminister (Abg. Ing. Westenthaler: "Euroteam"!)  – daher glaube ich, dass man die Rücktrittsempfehlung, die Frau Kollegin Kuntzl hier ausgesprochen hat, wirklich ernst nehmen sollte; ich fordere Sie ebenfalls in diesem Sinne auf –, weil Sie in diesem Verfahren genau das getan haben, von dem Sie eingangs gesagt haben, es nicht zu tun, weil Sie nach dieser unglücklichen Äußerung, dass Ihres Erachtens Haider über jeden Zweifel erhaben ist, erklärt haben: Ich werde mich aus diesem Verfahren heraushalten.

Es wäre Ihnen ohne weiteres möglich gewesen – Sie sind als Leiter, als oberstes Organ in der Weisungskette der Staatsanwaltschaft berechtigt, eine Anweisung zu geben –, das auch wirklich umzusetzen und die Weisung zu geben, dass die unabhängige Richterschaft und nicht die Staatsanwaltschaft, die Ihnen unterstellt ist, tatsächlich die Voruntersuchungen durchführt. Dann hätten Sie nämlich das erreicht, was Sie vorgegeben haben, erreichen zu wollen: dass tatsächlich die unabhängige Justiz und nicht die Staatsanwaltschaft ermitteln kann.

Sie haben allerdings die Staatsanwaltschaft mit einer Reihe von Unannehmlichkeiten verquickt durch Ihre Vorgangsweise, die größte Bedenken hinsichtlich deren Rechtsstaatlichkeit für gerechtfertigt erscheinen lässt. Das werfe ich Ihnen vor. Das ist ein tatsächlicher Skandal, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Da hier von den oberen Rängen "Was ist daran Neues?" zwischengerufen wurde, stelle ich mir die Frage, ob Sie Zeitungen lesen oder ob Sie hier tatsächlich jegliche Realität verweigern. ("Euroteam"-Rufe bei der ÖVP.) Herr Kollege, Sie können natürlich jetzt ... (Abg. Dr. Khol: Befangen!)  – Das entspricht Ihrem Niveau, glaube ich, dem ist nichts hinzuzufügen, das bleibt Ihnen überlassen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Sie sind befangen, Herr Jarolim! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, Sie müssen ganz einfach zur Kenntnis nehmen, dass es in diesem Land noch nie dazu gekommen ist, dass ein Untersuchungsrichter einen Hilfeschrei loslässt, weil er massivst in seinen Erhebungen, in seinen Untersuchungen behindert worden ist. Ich betone: massivst!


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Auf Anfrage an den Justizminister im Budgetausschuss – nachdem auf einmal mitgeteilt worden ist, dass dieser Untersuchungsrichter, der sich da offenbar nicht entsprechend verhält, versetzt werden soll – hat der Justizminister erklärt: Es ist durchaus möglich, dass er versetzt wird.

Er hat es nahezu anheim gestellt, dass er nunmehr versetzt wird. Erst über den Wirbel, erst über den Aufschrei der Richterschaft, aber auch des Parlaments und der Justiz, ist das zurückgezogen worden. (Abg. Dr. Martin Graf: Unmöglich!) Kollege Graf, Sie wissen ganz genau, dass der Justizminister ein Weisungsrecht gegenüber dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Unmöglich!) Dieser sitzt im Personalsenat, und dort kann es natürlich dazu kommen, dass eine entsprechende Aufforderung erfolgt. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist unmöglich!)

Ich möchte nur wissen: Warum wird dort dieses Thema so hochgefahren? Warum wird eigentlich Herr Untersuchungsrichter Erdei genau in dieser Angelegenheit zum Oberlandesgerichtspräsidenten geladen? Warum wird ihm bei dieser Gelegenheit mitgeteilt, dass er versetzt werden kann? – All das geschah, unmittelbar nachdem diese Erhebungen von ihm hätten geführt werden sollen und er auf Grund der mageren Ergebnisse, die ihm zur Verfügung gestellt worden waren, zum Notnagel eines Aktenvermerkes greifen musste, in dem er zur Kenntnis gebracht hat (Abg. Dr. Fekter: Da ist aber schon ein Unterschied zwischen Vertretung und Versetzung! Kollege Jarolim, ich bin enttäuscht! Als Justizsprecher sollten Sie den Unterschied kennen!): Ich bekomme nicht die Unterlagen, die notwendig sind, um hier meiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen! (Abg. Dr. Khol: Das stimmt ja nicht!)

Herr Bundesminister! Wenn Sie das nicht zum Anlass nehmen, hier einzuschreiten und sicherzustellen, dass Ihre Staatsanwaltschaft diese Unterlagen zur Verfügung stellt, dann weiß ich nicht, ob Sie das richtige Verhältnis zu und Verständnis von Ihrem Beruf haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! Ich darf Ihnen aus einem Aktenvermerk zitieren – das ist in dieser Zweiten Republik einmalig gewesen –, einem Aktenvermerk, den Richter Erdei, den Sie offenbar versetzen wollten, geschrieben hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das Ihr Aktenvermerk? – Abg. Mag. Schweitzer: Den du geschrieben hast?) Da steht drin: "Eine erste Durchsicht ergibt, dass der in den letzten Monaten ..." (Abg. Mag. Schweitzer: Der Jarolim-Akt ...!) Herr Kollege, ich habe zu Ihrem Niveau ohnedies schon meine Stellungnahme abgeben! Es wird nicht besser, es ist ja im Grunde genommen extrem peinlich. Das ist eigentlich das einzige Attribut, das mir zu Ihnen einfällt, Herr Kollege Westenthaler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol  – ein Dokument in die Höhe haltend –: Das ist der Jarolim-Akt!) Aber da wird Sie vielleicht auch Herr Khol noch einmal einholen. (Abg. Neudeck: Haben Sie den noch mit dem Lansky ...?)

Hier steht: "Eine erste Durchsicht ergibt, dass der ..." (Abg. Ing. Westenthaler: Hat das Lansky aufgeschrieben? Ist das eine Rede von Lansky?) Ich weiß, dass Ihnen das wehtut! Es tut Ihnen weh, weil so etwas in der Justizgeschichte noch nicht vorgekommen ist. Aber das ist Ihr Problem, und es ist typischerweise offenbar ein Kennzeichen der Freiheitlichen Partei, dass man die Justiz, wenn sie nicht so pariert, wie sie soll, in den Würgegriff zu nehmen hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Werden Sie auch den Aktenvermerk vorlesen, wo Sie die roten Richter installieren wollen?) Der Minister sitzt auf der Bank und lacht dazu. Auch das ist einmalig!

In diesem Aktenvermerk heißt es: "Eine erste Durchsicht ergibt, dass der ... in den letzten Monaten mehrfach medial angekündigte ,Schlussbericht‘ oder sonst eine als Vollanzeige zu wertende Aufstellung der Verdachtsfälle und deren Zuordnung zu konkreten Verdächtigen sich nicht bei dem übermittelten Konvolut befindet."

Es wird von einem Aktenchaos gesprochen, meine Damen und Herren! Die Aktenordner tragen auf dem Rücken Bezugsvermerke, die nicht stimmen.

Es wird weiters festgehalten – das sagt der weisungsunabhängige Untersuchungsrichter, der, weil er weisungsunabhängig ist, offensichtlich zu versetzende Untersuchungsrichter, was aber abgewehrt werden konnte –:


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"Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Offenbar wurde von der WiPol eine Faktenliste angefertigt, die zumindest 42 Fakten aufzählt. Auch unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Berichte und Ergebnisse liegen derzeit nur Unterlagen zu insgesamt 11 Fakten, somit zu knapp einem Viertel der offenbar von der WiPol Wien angezeigten Fakten dem Gericht vor. (Abg. Dr. Khol: Jarolim ist befangen!)

Meine Damen und Herren! Verstehen Sie nicht, dass der Notschrei dieses Untersuchungsrichters aufzeigt (Abg. Ing. Westenthaler: "Rotschrei"?), um welchen Skandal es sich hier in Wirklichkeit handelt? (Abg. Ing. Westenthaler: War das ein "Rotschrei"?) Und da stellen Sie sich heute her und fragen, was es Neues gibt? Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wie weit sind wir in diesem Land eigentlich gekommen?

Meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie frage ich insbesondere! Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, und tragen Sie dazu bei, dass dieser Justizminister das tut, was das Minimum von dem ist, was man erwarten kann: dass er ermöglicht, dass die Richterschaft, der Untersuchungsrichter dieses Verfahren führt und nicht der ihm weisungsunterstellte Staatsanwalt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das tun, bleibt es immer noch der größte Justizskandal der Zweiten Republik! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Aber Sie haben wenigstens kundgetan, meine Damen und Herren von der ÖVP, dass Sie ein Minimum an Glauben an den Rechtsstaat haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Deshalb fordere ich Sie auf, dieser Entscheidung nachzufolgen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Khol: "Euroteam"! – Abg. Ing. Westenthaler: Das war nichts, Jarolim!)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Pilz, wollen Sie einen Antrag zur Geschäftsbehandlung stellen? – Bitte.

15.57

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich beantrage, dem Herrn Bundesminister für Justiz neuerlich die Gelegenheit zur Beantwortung der Frage Nummer 3 zu geben, und begründe das wie folgt (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das für ein geschäftsordnungsmäßiger Antrag?):

Ich kenne die Debatten über die Frage der Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht gegenüber dem Nationalrat, schriftlich oder mündlich, und weiß, dass es da unterschiedliche Meinungen gibt. Ich denke aber, dass es eines nicht geben kann: im Rahmen einer Anfragebeantwortung durch einen Bundesminister zwei völlig unterschiedliche Handhabungen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist nicht zulässig! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Wo ist der geschäftsordnungsmäßige Antrag des Abgeordneten Pilz? Das ist nicht zulässig, was hier Pilz tut!)

Der Herr Bundesminister hat sehr klar Auskunft gegeben über den Aktenvermerk eines Untersuchungsrichters, über das Aktenmaterial, das behördenintern übermittelt worden ist, und vieles andere mehr. Er hat nur bei der Frage 3 gesagt, dass er sich – ausschließlich bei dieser Frage – auf die Amtsverschwiegenheit beruft, wogegen er bei allen anderen Fragen zu ähnlichen Aktenstücken sehr wohl zur Auskunft bereit ist.

Ich glaube nicht – das zumindest sollte außer Streit stehen –, dass es dem Bundesminister für Justiz zusteht, gegenüber diesem Haus zu erklären – ich formuliere es jetzt etwas salopper –: Ich beantworte die Fragen, deren Beantwortung mir aus irgendeinem Grunde sympathischer ist als die Beantwortung etwa der Frage 3. (Abg. Böhacker: Das hat Edlinger schon gemacht! "Steuergeheimnis"!)

Deswegen beantrage ich, ihm noch einmal die Möglichkeit zur Beantwortung zu geben, damit der Herr Bundesminister die Frage Nummer 3 in gleichem Umgang mit der Amtsverschwiegenheit beziehungsweise Auskunftspflicht beantworten kann, wie er es auch sonst, bei der Beant


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62. Sitzung / Seite 125

wortung aller restlichen Fragen, getan hat. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung!)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Pilz! Ich bitte Sie, Folgendes zu bedenken: Sie haben einen Antrag zur Geschäftsbehandlung gestellt. Ein Antrag zur Geschäftsbehandlung setzt aber voraus, dass über das Antragsbegehren abgestimmt werden kann. Ich kann jedoch nicht darüber abstimmen, ob der Herr Justizminister Gelegenheit bekommt, zur Frage 3 noch einmal Stellung zu nehmen, weil die Geschäftsordnung dem Herrn Minister die Gelegenheit bietet, jederzeit das Wort zu ergreifen. (Abg. Dr. Fekter  – in Richtung des Abg. Dr. Pilz –: Geschäftsordnung lesen! Geschäftsordnung lernen!)

In dem Moment, wo sich der Herr Minister zu Wort meldet, bekommt er das Wort (Abg. Öllinger: Aber er redet ja nicht! Er spricht ja nicht!), daher kann ich nicht darüber abstimmen lassen, ob er das Recht bekommen soll, sich zu Wort zu melden. (Abg. Hornek: Oberlehrer Öllinger!) Umgekehrt kann ich aber auch nicht darüber abstimmen lassen, dass der Herr Bundesminister verpflichtet ist, das Wort noch einmal zu ergreifen, weil es dafür keine geschäftsordnungsmäßige Grundlage gibt. – Ich bitte also um Verständnis dafür, dass ich diesen Antrag nicht zur Abstimmung bringen kann.

Damit haben wir über diesen Antrag befunden. (Abg. Mag. Stoisits: Aber vielleicht will er freiwillig sprechen! Fragen Sie ihn einmal!)

Herr Kollege Westenthaler, auch ein Antrag? – Bitte. (Abg. Öllinger  – auf den auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Böhmdorfer weisend –: Er spricht ja nicht!)

16.00

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Angesichts der eindeutig geschäftsordnungswidrigen Wortmeldung, die Herr Pilz hier abgegeben hat – denn es hat sich um überhaupt keinen geschäftsordnungsmäßigen Antrag gehandelt –, stelle ich auch an Sie, Herr Präsident, die Frage, wie wir in Zukunft derartige Vorkommnisse handhaben werden, und vor allem, warum Sie diese Meldung zur Geschäftsordnung, die im Sinne der Vereinbarung, die wir getroffen haben, ja keine war, überhaupt zugelassen haben.

Zu Herrn Kollegen Pilz: § 91 Ziffer 15 der Geschäftsordnung regelt vollkommen klar – ich zitiere –:

"Es steht daher ausschließlich im Ermessen des Befragten zu beurteilen, ob eine Beantwortung der Anfrage möglich ist."

Ich denke mir daher, es wäre ganz sinnvoll, Herr Präsident, meine Damen und Herren und lieben Kollegen hier im Haus, eine Kollekte zu veranstalten (Abg. Dr. Mertel: Das ist keine Geschäftsordnungs ...!), damit wir Herrn Pilz einen Nachhilfelehrer für Geschäftsordnungsfragen finanzieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es gibt doch keinen Grund dafür, dass wir diese Frage mit solcher Emotionalität behandeln! Die Dringliche Anfrage ist zwar sicher wichtig, aber diese Geschäftsordnungsprobleme werden uns doch jetzt nicht endgültig aufhalten.

Nach § 59 der Geschäftsordnung müssen Anträge zur Geschäftsbehandlung nicht schriftlich überreicht werden, daher kann ich deren Inhalt nicht im Vorhinein erkennen! Ich bin bei einer bloßen Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung berechtigt, das Wort erst später zu erteilen. Bei einem Antrag aber bin ich verpflichtet, das Wort zu erteilen. (Abg. Öllinger: Wie bei Westenthaler: Das war auch eine bloße Wortmeldung!)


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Herr Abgeordneter Pilz hat sich zu Wort gemeldet. Ich habe ihn gefragt, ob er einen Antrag stellt, und er hat diese Frage bejaht. Daher war ich verpflichtet, ihm das Wort zu erteilen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber nicht bei der Begründung!) Nachdem er seinen Diskussionsbeitrag geleistet hat, habe ich versucht, vernünftig und im Sinne der Geschäftsordnung in der Sache selbst Stellung zu nehmen.

Jetzt würde ich doch vorschlagen, dass wir wieder in der Rednerliste weitergehen. – Herr Abgeordneter Dr. Kostelka, bitte. (Abg. Öllinger: Der Westenthaler braucht eine Kollekte!)

16.03

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte nur zur Illustrierung der Aussage von Kollegen Westenthaler darauf hinweisen, dass § 91 GOG zwar vier Absätze hat, aber keine Ziffer 15 (Abg. Ing. Westenthaler: Anmerkung  15!), und dass er sich also offensichtlich nicht auf die Geschäftsordnung, sondern auf irgendeinen Text, der ihm eben passt, bezogen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Öllinger: Westenthaler hat eine neue Geschäftsordnung! – Ruf: Machen wir eine Kollekte für einen Nachhilfelehrer für ihn!)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf zu Wort gemeldet. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Dr. Krüger und den Grünen.)

16.03

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Justizminister! Herr Kollege Jarolim hat hier vom Rednerpult aus behauptet, dass der Herr Justizminister ein Weisungsrecht gegenüber Präsident Woratsch als Mitglied des Personalsenates hat. (Abg. Dr. Jarolim: Oberlandesgerichtspräsident!)  – Dies ist unrichtig! (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Der hat ja keine Ahnung!)

Der Personalsenat, eingerichtet bei jedem Gericht, ist ein richterliches Gremium und als solches unabhängig und weisungsfrei!

Herr Kollege Jarolim! Ich bin ob Ihrer juristischen Qualitäten nicht mehr enttäuscht, denn Sie haben schon hundertfach bewiesen, dass Sie keine haben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll. )

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung im Rahmen der Rednerliste stammt von Herrn Abgeordnetem Dr. Ofner. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.  – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: ... eine persönliche Erwiderung! – Abg. Mag. Trattner: Dann tritt er den Wahrheitsbeweis an, der Graf! – Abg. Ing. Westenthaler: ... Stuhlpfarrer! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

16.04

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mir am Sonntag mit ein bisschen Neid die Wahlsendung angeschaut und die Freude der Sozialdemokraten über ihren Erfolg verstanden. Aber dann habe ich mir gedacht: Na, lange wird das nicht anhalten, denn der Bürgermeister und seine Partei haben zwar die absolute Mehrheit der Mandate, aber – wenn man nachrechnet, kommt man auf diese Zahl –, nur 31 Prozent der Stimmen bekommen. – Die Wahlberechtigung war hoch, die Wahlbeteiligung war gering, mit 31 ... (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Kräuter: Reden Sie keinen Blödsinn!)  – Ich würde mir wünschen, wir hätten sie, aber es waren nun einmal nur 31 Prozent! Man muss das in Erinnerung rufen: Es ist nicht ein Bürgermeister, der die absolute Mehrheit an Stimmen hat, sondern er hat nur 31 Prozent! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll. )

Ich habe mir gedacht: Die Sozialdemokraten, die sich da so sehr freuen, wird die Hybris im alten, klassisch griechischen Sinn bald eingeholt haben. Aber dass es so rasch kommen wird – wie wir es heute hier vor allem aus dem Munde des Herrn Kostelka erleben –, das habe ich nicht


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zu hoffen und zu träumen gewagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Hybris wird – das ist bei den alten Griechen nachzulesen – alle verschlingen, die sich ihrer nicht erwehren können! (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser. )

Zum Kapitel Amtsverschwiegenheit: Es ist so, dass der Inhalt von gerichtlichen Akten, mehr aber noch die Tagebücher der Staatsanwaltschaft, etwas sind, was verschwiegen bleiben soll (Abg. Dr. Kostelka: Aus gutem Grund ...!) und verschwiegen bleiben muss und auch verschwiegen bleibt, denn sonst kommt als Nächstes irgendjemand – von welcher Fraktion auch immer – drauf und möchte wissen, was in einem Akt drinnen steht, der ein Zivilakt ist. Er will dann wissen, was irgendjemand in seinem Scheidungsakt stehen hat, was in irgendeinem anderen Akt, vielleicht sogar über ein Verfahren, von dem die Öffentlichkeit aus irgendwelchen Gründen ausgeschlossen gewesen ist, steht.

Das heißt, der Minister hat sich ganz zu Recht darauf berufen, dass er über den Inhalt von Gerichtsakten (Abg. Dr. Khol: Richtig!), aber auch über den Inhalt der Tagebücher der Staatsanwaltschaft hier nicht aussagt (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP)  – wenn ich davon absehe, dass es ihm obläge, überhaupt nicht auszusagen. Wenn er sich da herstellt und sagt: Ich sage nichts!, dann wird man das zu beurteilen haben, aber er wird nicht dazu gezwungen werden können, irgendetwas zu sagen.

Einer meiner Vorredner – ich glaube, es war Kollege Jarolim – hat zweimal den Ausdruck "peinlich" verwendet. (Abg. Dr. Khol: "Kollege Euroteam"!)  – Bitte? (Abg. Dr. Khol: "Kollege Euroteam", nicht Jarolim! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)  – Das wollte ich gerade sagen.

Peinlich ist etwas anderes, Herr Kollege: Peinlich ist, wenn man sich zum Mitglied des Untersuchungsausschusses betreffend "Euroteam" wählen lässt, in dem dann herauskommt, dass der Betreffende mit Namen Jarolim (Abg. Dr. Khol: "Euroteam"!) nicht nur der Anwalt jener Firma "Euroteam" gewesen ist, um die es dort geht ... (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Unglaublich! Unkorrekt!)  – Bitte? (Abg. Dr. Fekter: Das ist nicht nur peinlich, sondern unkorrekt!)  – Einverstanden! Aber er hat den Ausdruck "peinlich" verwendet – und ich zeige ihm, was peinlich ist. (Abg. Dr. Jarolim: ... nur der Herr Westenthaler!)

Darüber hinaus war der Chef von "Euroteam", Stuhlpfarrer, auch sein parlamentarischer Mitarbeiter. (Aha-Rufe bei den Freiheitlichen.) Als man ihm das vorgehalten hat, ist er nicht etwa in sich gegangen! Er hat zwar seine Mitgliedschaft im Untersuchungsausschuss zurücklegen müssen, aber im Übrigen hat er in Bezug auf denjenigen, der aufgezeigt hat, was da für ein Skandal dahinter ist, jene Frage gestellt, die wir immer wieder aus dieser Ecke hören (Abg. Dr. Jarolim: ... Khol ...!): Wieso weiß der das? Wieso darf der das wissen? Wieso darf er das sagen? – Das war peinlich, und nicht das, was sich heute hier abspielt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber ich kann Sie auch in Bezug auf einen weiteren Punkt beruhigen: Wenn ich heute vor allem aus dem Munde von Frau Kuntzl gehört habe, die Causa sei das Tagesgespräch bei den Leuten, es herrsche große Aufregung in der Öffentlichkeit und Empörung unter den Bürgern, dann darf ich ihr sagen: Beruhigen Sie sich! Niemanden interessiert diese Geschichte! Die interessiert nur Sie, die Sie sie wieder aufblasen wollen. Es ist die Luft heraußen, und jetzt bemühen Sie sich, sie wieder hineinzubringen.

Sie verfolgen ja eine Doppelstrategie: Entweder es gelingt Ihnen, das Feuer wieder anzufachen und erneut eine Affäre daraus zu machen, oder aber Sie haben die Dolchstoßlegende. Sie können entweder sagen: Die sind alle schuldig, es ist uns gelungen, das wieder anzuheizen, und die einen sind verurteilt worden und die anderen vielleicht nicht!, oder Sie können sagen: Sie waren alle schuldig, aber der Missbrauch des Rechtsstaates hat bewirkt, dass sie nicht verurteilt worden sind! – Das ist die Doppelstrategie, die Sie da heute verfolgen!


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Auch dieses Verhaltensmuster ist nicht neu. Es geht halt nichts über ein gutes Archiv. Wenn die Sozialdemokraten – damals haben sie Sozialisten geheißen – mit der Justiz nicht zufrieden sind, dann greifen sie manchmal zu recht interessanten Ausdrücken. Ich zitiere:

"... 30.1.1989, ... SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer hat die Vorgangsweise der Justiz ... in einer Pressekonferenz als ,absolut unfair‘ qualifiziert." (Ah-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Kiss: Das muss etwas mit Sinowatz zu tun gehabt haben!) "Die Urteilsbegründung ... sei ein ,politisches Pamphlet‘." (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf: Wer war das?)  – Ich habe es schon erwähnt, ich bin ein ganz vorsichtiger Mensch! Ich habe es schon erwähnt, ich bin zurückhaltend. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das der jetzige Präsident Fischer? Der Nationalratspräsident Fischer? – Abg. Dr. Khol  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler  –: Nein, das stimmt nicht! Das war sicher ein anderer Fischer! – Abg. Mag. Trattner:  Das war der Bruder!)

Ich zitiere eine weitere Aussendung – vom 31. Jänner, also einen Tag später –: "Nach SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer hat heute, Dienstag, auch der Vorsitzende der sozialistischen Bundesratsfraktion Walter Strutzenberger heftige Kritik an der Justiz ... geübt. Strutzenberger griff dabei Justizminister Egmont Foregger persönlich an und meinte, Foregger solle ,Überlegungen anstellen, damit das Verfahren an einen anderen Staatsanwalt abgetreten wird und damit eine objektivere Entscheidung erwartet werden kann‘." – Dasselbe Verhaltensmuster! (Aha-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Damals ist es um Matysek auf der einen Seite und um eine ganze Gruppe von hoch- und höchstrangigen sozialistischen Funktionären auf der anderen Seite gegangen, die dann alle – was ich ihnen gar nicht gewünscht habe – verurteilt worden sind. Also immer dann, wenn man den Eindruck hat, dass die Justiz nicht in die Richtung geht, die man sich gewünscht hat, kommt man zu solchen Argumenten. Man möchte die Leute verunsichern und damit doch noch zu seinem Ziel gelangen oder zumindest eine Dolchstoßlegende aufbauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nichts anderes, meine Damen und Herren, ist das doch. Es geht hier nicht darum, eine Debatte zu führen, zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht einmal ein einziger Journalist anwesend ist (der Redner blickt in Richtung Journalisten-Loge auf der Galerie, wo er eine Person erblickt)  – doch, einer sitzt da; wahrscheinlich ist es einer von der APA; ich sehe das nicht mehr so genau. Sonst interessiert der sechste oder achte Misstrauensantrag gegen ein- und denselben Minister niemanden mehr. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Nicht einmal der Gusenbauer ist da!) Man möchte in Wirklichkeit entsprechenden Druck auf die Justiz ausüben – von dieser Seite (der Redner deutet in Richtung SPÖ). Aber der anderen Seite wirft man es vor.

Man möchte weiters den Staatsanwalt einschüchtern, die Staatsanwälte aller Ebenen, man möchte den Richter einschüchtern, man möchte zeigen: Wenn ihr nicht so tut, wie wir uns das vorstellen, schleppen wir euch durch die Medien, schleppen wir euch durch das Plenum des Nationalrates bis zu einer Dringliche Anfrage!

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Das ist aber nicht neu, das ist vor allem von Ihrer Seite nicht neu. Das kann niemanden mehr wirklich überraschen und erschüttern. Bitte, glauben Sie mir, Sie können auch die Richter und die Staatsanwälte männlichen und weiblichen Geschlechts nicht wirklich damit beeindrucken – auch nicht mit solchen Ammenmärchen wie jenem von der Androhung der Versetzung gegenüber einem Richter.

Jeder Richter lacht, wenn es um so etwas geht. Eine unserer heutigen Rednerinnen wird eine Richterin sein. Aber ich glaube, der Minister hat deutlich erläutert, worum es geht: Es handelt sich um einen Ersatzrichter. Der Ersatzrichter arbeitet unbefristet an dem betreffenden Gericht. Dort gab es drei Ersatzrichter, nämlich zwei Damen und Erdei; die beiden Damen sind als Überstand bereits wieder in anderen Bereichen, die eine Dame beim Obersten Gerichtshof und die andere Dame zur Hälfte beim BG Josefstadt, tätig. (Abg. Haller: Bei den Sozialisten ist niemand da!)


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Theoretisch könnte auch Erdei irgendwann einmal an der Reihe sein, doch bisher ist es nicht so weit. Er kann aber auch, wie man in der Justiz sagt, "einrasten". Es schaut bisher eher so aus, als ob er, weil irgendein anderer ausfällt – eine Dame in Karenz geht, irgendjemand in Pension geht oder sonst etwas –, kein Überstand mehr wäre. Aber ihn, einen ordnungsgemäß ernannten Richter, zu versetzen, es ihm anzudrohen oder Ähnliches, das ist ein Scherz! Der Betroffene und alle anderen Richter wissen auch, dass das so ist.

Ich habe noch ein oder zwei Minuten Zeit, zur Problematik des Gutachtens zu sprechen. Ich frage mich mehrere Dinge. Zunächst einmal schicke ich Folgendes voraus: Von den vielen Tausenden Abfragen, die es im Zusammenhang mit EKIS gegeben hat – offenbar ein Gesellschaftsspiel unter den Zugriffsberechtigten –, hat einer die allermeisten Abfragen auf sich gezogen, einer war der mit Abstand meist Abgefragte, nämlich das einfache Parteimitglied Jörg Haider aus dem Bärental. Er war der am öftesten Abgefragte, aber darüber wird mit diskretem Schweigen hinweggegangen. Er war nicht der Auftraggeber, er war das Opfer dieser Dinge!

Dann frage ich mich noch immer: Wie kommt ein Brief, den ein enger Mitarbeiter, der jeden Tag mit Haider beisammenpickt, angeblich an Jörg Haider geschrieben hat, anschließend in den Keller des Betreffenden und wird dort Jahre später bei einer Hausdurchsuchung gefunden? Wie kommt es überhaupt dazu, dass ein Brief von einem engen Mitarbeiter – das wäre so, wie wenn ich meinem Sekretär oder meiner Sekretärin einen eingeschriebenen Brief mit zwei Zeilen über eine Banalität schreiben würde – dort gefunden wird? – Es ist an und für sich schon mit Händen zu greifen, dass da etwas nicht stimmt.

Dann kommt Muckenschnabel, gerichtlich bestellt, der "Papst" unter den Schriftsachverständigen Österreichs, verfasst ein Gutachten und kommt zu dem Ergebnis: Der Brief ist gefälscht. (Abg. Huber: Das mit dem "Papst" ist kein guter Vergleich!) Doch dann kommt zu einem ganz anderen Text ein anderer Sachverständiger; wobei ich das nicht ganz verstehe, denn bei meiner Praxis, die immerhin vier Jahrzehnte lang zurückzuverfolgen ist, ist es so, dass, wenn ein Sachverständiger einen Teil seines Auftrages nicht erfüllt, der Richter ihm das Gutachten zurückschickt und um Ergänzung bittet, oder aber er bestellt eben einen anderen Gutachter. Der andere befasst sich aber mit dem Brief überhaupt nicht, sondern nur mit der Telefonnummer – oder was das ist.

Aber jetzt kommt das Interessantere: Er sagt, "wahrscheinlich" ist diese Telefonnummer von Binder. – Und "wahrscheinlich", meine Damen und Herren, das ist im Strafverfahren null!


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (fortsetzend): Im Strafverfahren zählt etwas, wenn es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit passiert ist. "Wahrscheinlich" ist null, und das sollte man bedenken, wenn man sich mit diesen Dingen auseinander setzt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann Dr. Khol! Wollen Sie einen Antrag stellen? (Abg. Dr. Khol: Ich möchte einen Antrag stellen!)  – Bitte.

16.15

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): In sinngemäßer Anwendung von § 18 Abs. 3 des Geschäftsordnungsgesetzes möchte ich einen Antrag stellen. Die Antragstellerin Frau Kuntzl ist jetzt anwesend, aber weder ihr Klubobmann noch ihr stellvertretender Klubobmann sind hier.

Ich möchte daher den Antrag auf Anwesenheit des Klubobmannes und des stellvertretenden Klubobmannes bei der Dringlichen Anfrage stellen, die sie selbst eingebracht haben. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das ist ja lächerlich!)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann Dr. Khol! Dieser Antrag ist geschäftsordnungswidrig (Abg. Gaugg: Aber gut!) und wird daher nicht zur Abstimmung gelangen.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter. (Abg. Ing. Westenthaler: Fürs Protokoll: Das ist die größte Peinlichkeit bei der Dringlichen Anfrage, die halbe Fraktion ... bei der eigenen Anfrage nicht da! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte die Regierungsparteien bitten, Frau Dr. Fekter ihr Ohr zu leihen. – Bitte.

16.16

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Kollege Jarolim, Justiz sprecher der SPÖ (Ruf: Was? – Abg. Dr. Martin Graf: "Eurolim"! Hannes "Eurolim"!), hat sich hier als Saubermann, als Moralapostel herausgestellt und in seinem ersten Satz gleich einmal den Rücktritt des Herrn Justizministers gefordert.

Eigentlich ist es für mich schon ein bisschen pikant (Abg. Dr. Khol: Und jetzt telefoniert er! Geschäftsordnungswidrig!), wenn sich der Herr telefonierende Justizsprecher der SPÖ sozusagen (Abg. Dr. Khol: Den Herrn Stuhlpfarrer hat er angerufen! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen) mit seiner Vergangenheit im Naheverhältnis zum "Euroteam"-Skandal hier als Saubermann aufspielt (Abg. Mag. Trattner: Der Stuhlpfarrer hat ihm die Vollmacht gekündigt!) und den Rücktritt des Justizministers fordert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fordere nicht den Rücktritt von Kollegen Jarolim, weil – und das begründe ich Ihnen jetzt (anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen)  – nämlich ein Justizsprecher einer Oppositionspartei, der nicht weiß, was bei einem Ersatzrichter der Unterschied zwischen Versetzung und Vertretung ist, der nicht weiß, was der Unterschied zwischen einer Vorerhebung und einer Voruntersuchung ist, der nicht weiß, wie der Aktenlauf im Vorverfahren ist, wo sich gerade wie welche Akten zu befinden haben, wer wem welche Akten herausgeben kann, der nicht weiß, dass ein Untersuchungsrichter Erdei nicht nach Kärnten versetzt werden kann, für uns als Regierungspartei nicht zu fürchten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Murauer: Möge er uns erhalten bleiben!)

Als einem Anwalt, Herr Kollege Jarolim, hätte ich Ihnen nämlich zugetraut, zum Beispiel der Kollegin Kuntzl, die diesen Antrag gestellt hat, zu sagen, was darin für Unsinnigkeiten gefragt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben sich hier herausgestellt und ungeheuerliche Vermutungen in den Raum gestellt, Sie haben die Beugung der rechtsstaatlichen Grundprinzipien hier in den Raum gestellt!

Als Justizsprecherin der ÖVP möchte ich zu etwas Stellung nehmen, was mich wirklich bestürzt hat: Auf Seite 6 dieser Anfrage wird im ersten Absatz einfach folgender Satz quasi hingestellt: "Unbotmäßige Richter müssten in Zukunft mit ihrer Versetzung rechnen." – Das ist so ein ungeheuerlicher Vorwurf, den Sie zwar selbst nicht glauben, sonst hätten Sie nicht den Konjunktiv verwendet, aber Sie gehen mit der Methode vor: Wichtig ist es, nur einmal anzuschütten, ein bisschen etwas wird schon hängen bleiben!

Damit schaden Sie der österreichischen Justiz, damit schaden Sie dem Ansehen des österreichischen Rechtsstaates! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Murauer: Mit Absicht!)

Sie nehmen damit leichtfertig in Kauf, dass der Eindruck entsteht, es wäre hier wirklich die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet. Für Sie steht nicht Österreich als Ganzes und sein Ansehen im Vordergrund. Aber wir hätten schon seit den Sanktionen wissen müssen, dass Ihnen Österreich nicht wirklich ein Anliegen ist. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kritisch äußern möchte ich mich auch zu den medialen Auswüchsen des Untersuchungsrichters Erdei. (Abg. Dr. Jarolim: Drohen Sie ihm wenigstens offen!) Irritierte Untersuchungsrichter, die


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sich an die Medien wenden und dort groß rauskommen wollen (Abg. Dr. Jarolim: Legen Sie die Karten auf den Tisch!), kennen wir schon, zum Beispiel aus dem Fuchs-Prozess – allerdings mit dem Unterschied, dass sich der Untersuchungsrichter damals erst nach Abschluss seiner Tätigkeit wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und den Ermittlungsbehörden an die Medien gewandt hat.

Jetzt hat sich der Untersuchungsrichter bereits zu Beginn seiner Arbeit medial geäußert – wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Staatsanwalt. Also so neu, wie Sie das heute dargestellt haben, ist das nicht. Aber es ist besonders unappetitlich, wenn ein Untersuchungsrichter das im Wiener Wahlkampf macht. (Abg. Dr. Khol: Ja, das ist es! Ja!) Somit ist durchsichtig, was damit bezweckt worden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Habe ich diese Vorgangsweise im Zusammenhang mit dem Wiener Wahlkampf noch als unappetitlich bezeichnet, so möchte ich es als Unkorrektheit qualifizieren, dass sich Untersuchungsrichter Erdei selbst zu seiner bevorstehenden "Versetzung" äußert. Er ist nämlich Ersatzrichter, der, so gesehen, nicht versetzt werden kann, aber anderswo Vertretungen wahrzunehmen hat.

Untersuchungsrichter Erdei kennt mit Sicherheit den Unterschied zwischen einer Versetzung und einer Vertretung. (Abg. Dr. Stummvoll: Aber Jarolim kennt ihn nicht!) Es ist ungeheuerlich, dass er sich medial dermaßen unkorrekt und sogar falsch äußert, denn er hat dort in den Raum gestellt, man könnte ihn nach Kärnten schicken. Damit suggeriert er etwas, was nach der österreichischen Rechtsordnung nicht möglich ist, und er führt die Bevölkerung in die Irre. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kostelka hat in seiner vermeintlichen Wortmeldung zur Geschäftsordnung gemeint (Abg. Dr. Khol: Er ist schon geflüchtet! Er ist geflüchtet!), der Untersuchungsrichter wäre vom Minister behandelt worden wie ein Schuljunge. Ich würde dem Herrn Untersuchungsrichter raten, Nachhilfe zu nehmen, welche tatsächliche Position er im Hinblick auf seine Vertretung und Versetzung hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für Sie, meine Damen und Herren, stelle ich hier eindeutig klar: Erdei ist Ersatzrichter, ein so genannter Vertretungsrichter, somit klar gesetzlich geregelten Dienstrechtsvorschriften unterworfen; ein Vertretungsrichter ist eben dazu da, verhinderte Kollegen zu vertreten, dies auch an einem anderen Gericht (Abg. Dr. Jarolim: Versetzt werden können sie!), aber nur im selben Oberlandesgerichtssprengel und nicht in Kärnten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Vorgehen, in den Medien sozusagen einen bevorstehenden Versetzungsskandal zu suggerieren, halte ich nicht nur für juristisch falsch, sondern das ist höchst unkorrekt. Der Herr Untersuchungsrichter hat damit auch dem Ansehen der Justiz massiv geschadet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn ich davon ausgehen kann, dass ein Untersuchungsrichter aber weiß, was eine Versetzung ist und was eine Vertretung ist, dann hinterfrage ich, warum er das macht. Will er unter Umständen Druck auf den Personalsenat ausüben, weil ihm vielleicht die Vertretungssituation nicht mehr so angenehm ist? – Kollege Ofner hat es erwähnt: Die Richter wünschen sich, dann in eine festere Anstellung zu kommen. – Übt er medialen Druck auf den Personalsenat aus? Bezweckt er etwas damit? – Ich halte das für eine Ungeheuerlichkeit!

Ich weiß doch, was passieren wird: In Zukunft wird natürlich jede korrekte Vertretungsbestellung bei Kollegen Erdei sofort medial als ungeheuerliche Versetzung skandalisiert werden! Somit hat er über die Medien dem Personalsenat ausgerichtet, welchen Wunsch-Schreibtisch er haben will. Das halte ich für bedenklich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte hier eindeutig klarstellen, dass Richter in Österreich nicht willkürlich versetzt werden können und dass die Unabhängigkeit und Unversetzbarkeit der Richter verfassungsrechtlich verankert ist.


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62. Sitzung / Seite 132

Zum aktuellen Stand des Verfahrens hat der Minister detailliert Auskunft gegeben. Ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten nach ihren Möglichkeiten arbeiten, der Untersuchungsrichter mit Sicherheit auch: Er ist nicht hilflos, so wie das hier mit dem öffentlichen Hilfeschrei suggeriert worden ist. Er hat immerhin das dritte Gutachten selbständig in Auftrag gegeben und in der Beweisermittlung Schritte gesetzt. Also hilflos ist er nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Er war auch nicht hilflos beim Umgang mit den Medien. Daher wundert es mich schon, wenn er dann nicht den üblichen Weg beschreitet und mit der Staatsanwaltschaft direkt kommuniziert, sondern einen – so hat Frau Kuntzl es genannt – öffentlichen Hilferuf von sich gibt, indem er einen Aktenvermerk anlegt, der dann zufällig an die Medien gelangt, und die Medien erklären der Staatsanwaltschaft, was vielleicht noch gewünscht wird.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist miserabler juristischer Stil, der bei der künftigen Arbeit tunlichst abgestellt werden soll, damit die Causa rasch aufgeklärt werden kann. Herr Richter Erdei soll die Fakten abarbeiten und der Versuchung widerstehen, medial groß rauskommen zu wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort gemeldet. Ich bitte, zuerst den zu berichtigenden und dann den tatsächlichen Sachverhalt vorzutragen. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: "Eurolim"! "Eurolim"!)

16.26

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Ich werde trotz des Umstandes, dass die Herren von den Regierungsparteien leicht zu unterhalten sind, versuchen, tatsächlich zu berichtigen. (Abg. Ing. Westenthaler: Stuhlpfarrer hat nicht gekündigt!)

Kollegin Fekter hat hier erklärt, ich könnte einerseits zwischen Versetzung und Vertretung und andererseits zwischen Voruntersuchungen und Vorerhebungen nicht unterscheiden. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist richtig! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie hat es nicht näher ausgeführt. – Diese Tatsache ist schlicht und einfach unrichtig. Ich gehe davon aus, dass Sie mit diesen Begriffen Schwierigkeiten haben, Frau Kollegin Fekter! (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Stuhlpfarrer! Stuhlpfarrer! Stuhlpfarrer!)

Der Umstand, dass hier unter tosendem Applaus ein unabhängiger Richter von der Justizsprecherin angeschüttet wird, spricht für sich. – Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Jarolim – "Eurolim"!)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe gar nicht gewusst, dass es nach Jarolim noch eine Steigerung in diesem Hause gibt!)

16.27

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gerichtlichen Erhebungen in der Spitzelaffäre sind beeinflusst, gesteuert und gelenkt worden. (Abg. Dr. Fekter: Das behaupten Sie!) Zuerst hat sich ein politischer Putztrupp die Staatsanwaltschaft, dann den Untersuchungsrichter und zum Schluss die Akten und Beweise selbst vorgenommen. (Abg. Haigermoser: Joschka Fischer hat eine "Putztruppe" befehligt!)

Dieses Vorhaben ist bis heute – mehr oder weniger erfolgreich – in zwölf Schritten erfolgt.

Den ersten Schritt hat der Justizminister selbst mit seiner Erklärung am Beginn der Erhebungen: Jörg Haider ist unschuldig!, gesetzt. Von diesem Vorfreispruch haben sich die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen von Anfang an nicht mehr erholt.

Die zweite Entscheidung, die große Folgen gehabt hat, war, den unabhängigen Untersuchungsrichter von vornherein auszuschalten und aufzupassen, dass das gesamte Verfahren beim


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62. Sitzung / Seite 133

weisungsgebundenen Staatsanwalt bleibt. Trotzdem wusste man nach Schritt zwei noch nicht, ob man sich auf den Staatsanwalt und den Oberstaatsanwalt verlassen kann.

Deswegen wurde Schritt drei gesetzt: eine öffentliche Einschüchterungs- und Verleumdungskampagne, hauptsächlich getragen von Klubobmann Westenthaler und Vizekanzlerin Riess-Passer. Dagegen hat es öffentliche Proteste weit über die Republik Österreich hinaus gegeben.

Der vierte Schritt war die Installierung eines völlig unzuständigen Staatsanwaltes namens Fasching als persönlichen Aufpasser des Justizministers und der Freiheitlichen Partei in der Sonderkommission des Innenministeriums.

Als fünften Schritt hat man einen sichtlich völlig überforderten, längst pensionsreifen – im besten Fall pensionsreifen – Gutachter namens Muckenschnabel beauftragt, die Herkunft und Authentizität eines Briefes zu klären. Der Gutachter ist, wie es vorauszusehen war, bereits bei der Überprüfung der Unterschrift glamourös gescheitert.

Als sechster Schritt wurde konkreter Druck auf die Staatsanwaltschaft in Wien erhöht – unter Beteiligung der Oberstaatsanwaltschaft, unter Beteiligung des Justizministeriums.

Sie, Herr Justizminister, haben auf die Frage 3, welche Aktenvermerke es vom Staatsanwalt, vom Leiter der Staatsanwaltschaft, vom Oberstaatsanwalt in diesem Verfahren gibt, nicht, wie Sie es sonst zu tun pflegen, wenn es nichts gibt, einfach gesagt: keine, sondern Sie haben gesagt: Amtsverschwiegenheit, ich sage nichts, ich verweigere jede Auskunft, ich verweigere jede Angabe. Von mir werden der Nationalrat und die österreichische Öffentlichkeit nichts über die Aktenvermerke des Staatsanwaltes erfahren. – Sie haben gute Gründe.

Herr Justizminister! Sie haben sehr gute Gründe, und Sie kennen die Gründe, warum Sie versuchen, diese Aktenvermerke abzumauern, viel besser als jedes einzelne Mitglied des österreichischen Nationalrates. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bei jedem dieser Schritte, Herr Justizminister – das ist nur eine Zwischenbilanz –, haben Sie kein einziges Mal wie ein Justizminister der Republik Österreich, sondern jedes einzelne Mal wie ein Anwalt der Freiheitlichen Partei, der am Rande der Legalität auszuloten versucht, was gerade noch geht, gehandelt. Das ist ein Vorwurf, den Ihnen nicht nur die Opposition in diesem Haus völlig zu Recht und gut begründet macht.

Der siebente Schritt war der Abbruch – nicht die Einstellung, der Abbruch – der Vorerhebungen, ohne den wesentlichen Zeugen Poimer befragt zu haben. – Jetzt wird eine Zeugeneinvernahme des freiheitlichen Datenstations-Mannes aus Klagenfurt beantragt und irgendwann durchgeführt. Wissen Sie, wessen Poimer verdächtigt wird? – Weit mehr als 600 nicht begründbarer Anfragen, darunter einer EKIS-Abfrage etwa über die Chefsekretärin des damaligen Sicherheitssprechers der Österreichischen Volkspartei.

Was wollte Herr Poimer über den Sicherheitssprecher der Österreichischen Volkspartei und sein Umfeld wissen? (Abg. Dr. Ofner: Fragen wir ihn!) Was wollte er über die heutige Chefsekretärin beim Bürgermeister von Klagenfurt wissen? Interessiert das die Österreichische Volkspartei überhaupt nicht, was der freiheitliche Landeshauptmann über das "Umfeld" der ÖVP-Sicherheitspolitiker wissen will? (Abg. Öllinger: Nein! Nein!) Ist Ihnen das völlig egal? – Wir werden sehen, wohin diese Spur führt und wer diese Spur wieder zu unterbrechen versucht. (Abg. Neudeck: Wir haben nichts zu verbergen!)

Das zweite Gutachten – nicht abgewartet worden, einstellen, abbrechen, nur nicht warten, bis das bereits beauftragte Gutachten kommt. Die Kontenöffnungen und die Kontenauswertungen – alles im Laufen, alles geht Richtung Haider, alles geht Richtung Stadler, aber: abgebrochen, eingestellt, es darf nicht weiter untersucht werden.

Punkt acht – Oberstaatsanwaltschaft: Plötzlich taucht Oberstaatsanwalt Eisenmenger auf. Das Verfahren läuft bei der Staatsanwaltschaft unter dem Buchstaben Berta wie "Binder". Das Verfahren heißt "gegen Binder und andere". Für den Buchstaben Berta ist bei der Oberstaatsan


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waltschaft Herr Oberstaatsanwalt Mühlbacher zuständig – zumindest keiner Freundschaft und Nähe zur Freiheitlichen Partei verdächtig. (Abg. Öllinger: Aber über jeden Verdacht erhaben!) Oberstaatsanwalt Eisenmenger ist zuständig für den Buchstaben K, ein schönes Stück weg von Berta. Deswegen heißt bei ihm plötzlich das Verfahren nicht "gegen Binder und andere", sondern "gegen Kleindienst und andere".

Da der Akt plötzlich auf "Kleindienst und andere" umgetauft ist, taucht er plötzlich nicht bei Oberstaatsanwalt Mühlbacher, sondern bei Oberstaatsanwalt Eisenmenger, im Zivilberuf "Wahnfried" bei der Burschenschaft "Arminia", auf. "Wahnfried" weiß, was er zu tun hat, wenn ein Haider-Akt auf seinem Tisch landet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ein Haider-Akt hält sich unter "Wahnfried"-Bedingungen bei der Oberstaatsanwaltschaft mit Sicherheit nicht lange – darauf das Wort des noch amtierenden Justizministers. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dann, nach der Einschüchterung des Staatsanwaltes, von dem die Aktenvermerke hoffentlich noch existieren – auf diese Frage kommen wir noch zurück –, geht es um die Spuren selbst. Plötzlich heißt es, ein Endbericht der Wirtschaftspolizei in einem Brief des Leiters der Staatsanwaltschaft Wien sei lediglich eine interne Zusammenfassung des Erhebungsstandes. – Wissen Sie, warum? – Der Endbericht der Wirtschaftspolizei, so wie er übersendet worden ist, hätte dem Akt des Untersuchungsrichters beigefügt werden müssen. Dann hätte ihn der Untersuchungsrichter gehabt, und dann hätten ihn auch die Anwälte der Verdächtigen und möglichen späteren Beschuldigten gehabt.

So konnte der Leiter der Staatsanwaltschaft einem Anwalt erklären: Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt! Wir haben das umgetauft. Das ist nicht mehr der Endbericht der Wirtschaftspolizei; das ist eine interne Zusammenfassung, und deswegen gibt es kein Recht auf Akteneinsicht – weder vom Untersuchungsrichter noch von Seiten der Verdächtigen- und Beschuldigten-Vertreter, der Rechtsanwälte. – Die Spur verwischt, aber noch nicht gänzlich. Noch hat der Bericht existiert, noch war die Spur verfolgbar.

Nächster Schritt: Der Auftrag – nicht das Ersuchen, der Auftrag – des Staatsanwaltes an die Wirtschaftspolizei: Faktenkreise Haider-Stadler raus! Es darf keine Spur mehr in den Ermittlungsergebnissen der Wirtschaftspolizei geben. – Und genau das muss die Wirtschaftspolizei jetzt tun. Sie kann es sich nicht aussuchen, sie ist dazu gezwungen.

Was wird jetzt passieren? – Wenn Sie sich eine Zwischenaufstellung der Wirtschaftspolizei anschauen, dann finden Sie die so genannten Faktenkreise. Wenn Haider und Stadler faktenkreismäßig verschwinden, dann verschwinden interessanterweise die wichtigsten Faktenkreise Kabas und Kreißl mit. Sie sind dann auch nicht mehr im Endbericht der Wirtschaftspolizei.

Irgendwann wird dann ein Oberstaatsanwalt oder Staatsanwalt kommen und sagen: Wir finden in diesem Endbericht leider nicht mehr genug über Kabas und Kreißl. Bitte, liebe Wirtschaftspolizei, verfasst einen neuen Endbericht ohne Kabas und Kreißl. – Das ist dann der nächste logische Schritt. So wird heute gearbeitet. Das ist die Justiz Böhmdorfer, das ist die Justiz Westenthaler, das ist die Justiz Riess-Passer! Vielen Dank von diesem Ort aus dafür, aus dem Rechtsstaat Österreich eine Parteianwaltschaft im Justizministerium gemacht zu haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Schritt Nummer elf: Sie versuchen, den Untersuchungsrichter zum Schweigen zu bringen. Jetzt, wo es nicht geklappt hat, weil sich ausnahmsweise ein Mitglied der Justiz an die Öffentlichkeit gewandt hat – was sehr selten passiert und zum Glück nicht oft passieren muss –, erklären Sie plötzlich, dass all das nicht so gemeint war. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Punkt zwölf: Der einzige Schritt, der noch ausständig ist, ist die totale Niederschlagung der Verfahren. Meine Damen und Herren! Was Sie übersehen haben und was auch Sie, Herr Justizminister, übersehen haben, ist Folgendes: Unter diesem Druck ist in der österreichischen Justiz zweierlei passiert: Ein Teil hat sich angepasst, insbesondere weisungsgebundene Beamte. Ein anderer Teil ist nicht bereit, sich anzupassen. (Abg. Dr. Khol: Das ist zu lange! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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Deswegen zum Schluss: Die Aufgabe des österreichischen Nationalrates kann es nur sein, neben einer lückenlosen Aufklärung durch einen Untersuchungsausschuss auch diejenigen in der Justiz, in den Staatsanwaltschaften und in den Gerichten ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist zu Ende!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): ... so zu ermutigen, dass sie sich einer freiheitlichen Parteianwaltschaft im Justizministerium nicht mehr gefügig zeigen. Nur in diesem Punkt bin ich optimistisch: Österreich bleibt ein Rechtsstaat! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordnetem Dr. Wittmann vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

16.39

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Ofner! Zu Ihren Rechenkünsten möchte ich schon Folgendes sagen: Wenn man Ihrer Berechnung folgt, dann haben – das möchte ich schon festhalten – 90 Prozent der Wiener die FPÖ nicht gewählt, und dazu gratuliere ich allen Wienern! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung behauptet, dass die österreichische Justiz einen hervorragenden internationalen Ruf besitzt. Ich gehe so weit zu sagen, dass sie ihn besessen hat, bis Sie gekommen sind. Bis jetzt gibt es in den ausländischen Medien nur negative Schlagzeilen, und diese hat nicht die Justiz zu verantworten, sondern diese haben Sie auf Grund Ihrer Handhabung dieses Falles zu verantworten.

Ich zitiere aus der "Süddeutschen Zeitung": München. "Im ,Tatort‘ hat man derlei noch nicht gesehen: Der Untersuchungsrichter kann den/die Täter nichts Gescheites fragen, weil das Aktenkonvolut über den Kriminalfall unvollständig ist. Im Rechtsstaat Österreich ist dies ausgerechnet in einem Fall geschehen, in den auch Politiker verwickelt sind." – Dann erklärt die "Süddeutsche Zeitung" einiges und sagt, das "hat einen anderen, symptomatischeren Kern.

Seit die FPÖ/ÖVP-Regierung in Österreich vor einem Jahr ihr Amt angetreten hat, sind in Windeseile Unmengen von Gesetzen, Bestimmungen, Verordnungen geändert, neu gefasst worden. Fast alle mussten hinterher nachgebessert, einige gar zurückgenommen werden. Grund waren Schlamperei und Hast.

Genau dieser Dilettantismus scheint sich nun auch auf die Ermittlungsbehörden gelegt zu haben. Nur diesmal mit überlangem Atem. Wer glaubt schon, dass der Justizminister da selbst an irgendetwas gedreht hat. Er hatte aber – ganz unmöglich als Herr des Verfahrens – sofort bekundet, er halte einen Jörg Haider für ,über jeden Verdacht erhaben‘. Vielleicht hat man das im Ermittlungsapparat zu wörtlich genommen."

Da sind wir beim Kern der Sache. Die ausländischen Beobachter dieses Falles sehen ganz eindeutig den Zusammenhang, den Ihre Position und Ihre Verantwortung – es war dies eine der ersten Stellungnahmen, die Sie zu diesem Fall abgegeben haben – in Wirklichkeit hervorgebracht haben: In manchen Fällen Ermittlungen, die nicht mit jener Akribie durchgeführt werden, wie sie in einer derartig hochpolitischen und brisanten Causa zu führen wären, es herrscht Schlamperei, es werden Akten nicht weitergegeben, obwohl sie vollständig durch die ermittelnden Beamten des Innenministeriums abgeliefert werden.

Das heißt, das Innenministerium, das man am Anfang dieser Causa da mit hineinziehen wollte – den Beamten Buxbaum hat man auf das Ärgste verfolgt, möchte ich fast sagen, nur weil Bundesminister Strasser zu seinen Beamten gestanden ist –, arbeitet korrekt, bisher korrekt, und kaum kommt die Sache ins Justizministerium, verschwinden Aktenteile, werden zurückgegeben und werden nicht mehr an die unabhängige Justiz weitergegeben. (Abg. Mag. Trattner: War da nicht ein Skandal mit dem Wittmann? Irgendwo hab ich das gelesen!)


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Betrachtet man das im Zusammenhang mit Ihrer ersten Ausführung, dann weiß man auch, warum das so ist. Es kommt auch etwas Neues hervor aus dem neuen Gutachten: Es wird nämlich das Gutachten, das sozusagen den Persilschein ausgestellt hat für jenen, der über jeden Verdacht erhaben war, in Zweifel gestellt. Dann sagt man: Es ist ja nicht diese Unterschrift, die da untersucht worden wäre, wir haben ja da etwas anderes untersuchen lassen! Dann kommt man drauf, dass dieses erste Gutachten gar nicht vollständig war, weil der Gutachter einen ganz anderen Auftrag hatte. – Also wieder Schlamperei. Warum? Beabsichtigt? Unbeabsichtigt? Oder wirklich nur Schlamperei? (Abg. Dr. Fekter: Dass man zu neuen Erkenntnissen gelangt, ist Ihnen fremd!)

Dann hat man ein zweites Gutachten eingeholt. Man sagte: Nun ja, dieser Auftrag war ja nur mehr, den restlichen Teil zu untersuchen! Man kommt aber zu der Ansicht, dass dieser restliche Teil sehr wohl von Binder stammt. (Abg. Dr. Ofner: Nein, das ist nicht wahr! – Abg. Böhacker: Das ist die Unwahrheit, um nicht zu sagen: eine Lüge!) Dann frage ich mich, warum Sie die weitere Untersuchung dieser einen Unterschrift nicht auch veranlasst haben. Ist das Absicht oder Schlamperei? (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß schon, dass Sie sich aufregen, denn bei schlüssigen Gedankengängen wird Ihnen mulmig.

Genau zu dieser Zeit, wo dieses Gutachten hervorkommt und gleichzeitig der Aktenvermerk auftaucht, dass der Untersuchungsrichter in seiner Tätigkeit behindert wird, wird dem Untersuchungsrichter bekannt gegeben, dass er ganz woanders gebraucht wird. Ob das Versetzung heißt oder ob das ein Vertretungsrichter ist, der woanders hingesetzt wird (Abg. Dr. Ofner: Das ist ja gar nicht wahr!), ist dem Betroffenen völlig egal, denn die Wirkung ist dieselbe! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der voreilige Abbruch des gesamten Verfahrens gegenüber Haider und anderen, die Nicht-mehr-Durchführung von Einvernahmen von Zeugen, die man jetzt doch wieder einvernimmt, meine Damen und Herren, das sind doch alles Anzeichen dafür, dass hier nicht korrekt beziehungsweise schlampig gearbeitet wird. Das ist allemal zumindest einen Untersuchungsausschuss wert, den Sie immer wieder zu verhindern suchen. Wenn es schon keine strafrechtlichen und rechtsbeugenden Maßnahmen gibt, aber politische Verantwortung für diese Maßnahmen tragen Sie allemal, und das gehört untersucht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Böhacker: Anschütten!)

Das braucht man nicht zu machen, weil sämtliche Maßnahmen beziehungsweise Auftritte des Justizministers in seiner gesamten Zeit als Justizminister mehr als fragwürdig sind. Das beginnt beim "Weisen"-Bericht, wo er als einzige Person in dieser Bundesregierung als untragbar qualifiziert wird, auch namentlich genannt wird. Das geht weiter über die flächendeckenden Klagen, um Andersdenkende mundtot zu machen. Dann kommt es zu der Äußerung, Haider sei über jeden Verdacht erhaben. Das geht weiter in der Form, dass sich die Richter in seiner Zeit als Justizminister bemüßigt gefühlt haben, einen Brief zu schreiben, weil sie Schaden für die Justiz befürchten.

Das sind doch alles Dinge, die eines Justizministers nicht würdig sind, und schon eine dieser Äußerungen beziehungsweise eine dieser Verfehlungen hätte in jedem anderen Land der Welt, das nach demokratischen Maßstäben zu messen ist, dafür genügt, dass der Justizminister selbst die Konsequenz gezogen oder eine der Rücktrittsforderungen ernst genommen hätte. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ofner zu Wort gemeldet. Ich bitte, die einschlägigen Bestimmungen zu beachten. Die Uhr ist auf 2 Minuten gestellt. – Bitte.

16.46

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein unmittelbarer Vorredner Dr. Wittmann hat einerseits erklärt, dass der zweite zugezo


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gene Schriftsachverständige erklärt habe, der Text sei von Binder, und andererseits, dass man dem Untersuchungsrichter Erdei eröffnet habe, er werde woanders gebraucht.

Beides ist nicht wahr! Das ist nachzulesen im Gutachten. Eine solche Erklärung gibt es darin nicht, und es hat auch niemand, mit welchen Worten auch immer, dem Untersuchungsrichter eröffnet, er werde woanders dringend gebraucht, oder ihm gegenüber eine ähnliche, möglicherweise als bedrohlich zu empfindende Äußerung gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edler: Wieso weißt du das? – Abg. Mag. Kogler: Waren Sie auch dabei?)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.47

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn hier von der sozialistischen Seite zu Kollegen Ofner die Frage heruntergerufen wird, woher er das wisse, was im Gutachten steht, dann kann ich Ihnen nur sagen: Schauen Sie auf die Homepage des "Standard"! Zwei Tage, nachdem das Gutachten fertig gestellt wurde, wurde dieses Gutachten vom "Standard" im Langtext ins Internet gestellt. Wenn Sie nicht hineinschauen, dann ist das Ihr Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese Tatsache wirft aber auch ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise, wie mit diesem Strafverfahren umgegangen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon als Rechtsanwaltsanwärter vor rund 20 Jahren habe ich mich bemüht und habe ich auch gelernt, mich in die Position des Gegenübers, des Gegners zu versetzen, um ihn zu verstehen. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe auch in gewissem Maße Verständnis dafür, dass sich ein sozialistischer Abgeordneter, so wie mein Vorredner Dr. Wittmann, hier herstellt, sich wie ein Rumpelstilzchen aufführt, auf das Pult klopft und bedauert, dass das Strafverfahren gegen Haider und Stadler eingestellt wurde.

Herr Kollege Wittmann! Der einzige Grund, weshalb wir uns hier mit einer Dringlichen Anfrage konfrontiert sehen, ist, weil Sie ganz einfach nicht nachvollziehen können, dass an diesem so genannten Spitzelskandal nichts wahr war, dass die Anklagen, die hier eingebracht wurden, in sich zusammengebrochen sind – nämlich nicht die formellen Anklagen, weil es dazu ja gar nicht gekommen ist, sondern die von Ihnen lautstark erhobenen Anklagen.

Ich kann mich etwa an das Interview des Vorsitzenden Gusenbauer aus dem Oktober des vergangenen Jahres erinnern. Ja, da hat er schon davon geträumt, dass Jörg Haider ins Gefängnis muss! Daher ist jetzt natürlich verständlich, dass Sie das nicht nachvollziehen können, nicht verkraften wollen, dass an der Sache nichts dran ist, dass die Vorwürfe unbegründet sind und die Untersuchungen daher eingestellt wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Böhacker: Einsperren wollen Sie alle! Einsperren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies überhaupt eine etwas eigentümliche Dringliche Anfrage von Kollegin Kuntzl. Ich habe das, ehrlich gesagt, noch nie bei einer Dringlichen Anfrage erlebt: Je länger die Begründerin, in dem Fall Frau Kollegin Kuntzl, hier gestanden ist und ihre Dringliche Anfrage vorgetragen hat, desto höher sind die Zeitungen aus den Pulten der Abgeordneten der SPÖ hervorgekommen, weil sie offensichtlich selbst kein Interesse daran gehabt haben. Später hat sich das dann noch bestätigt: Kollege Dietachmayr war ja dann durchaus erbost, als nur mehr 14 Abgeordnete von Ihrer Fraktion herinnen waren. – So viel zur Unterstützung einer Dringlichen Anfrage, die sich in nichts, in Luft aufgelöst hat, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber die Sozialistische Partei hatte ja – das haben wir schon gehört – schon immer ein etwas gestörtes Verhältnis zur Justiz. Kollege Ofner hat bereits darauf Bezug genommen.

Das geht in der Zweiten Republik zurück bis zu jener Zeit, als die SPÖ versucht hat, mit Hilfe ihres Anwaltes Dr. Rosenzweig die gesamte "Kronen-Zeitung" an sich zu ziehen, indem sie eine


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Beschlagnahme und eine Zwangsverwaltung der "Kronen Zeitung" durchgeführt hat. Es hat sich dann später fortgesetzt durch die Umstände, die heute näher beleuchtet wurden, und auch heute noch hat sie dieses gestörte Verhältnis, nämlich immer dann, wenn sie nicht an der Macht oder in der Regierung ist – so wie jetzt.

Da kann es durchaus vorkommen, dass Herr Jarolim Urteile von Richtern, die 15 Jahre zurückliegen – 1986 –, überprüfen lässt, linguistisch untersuchen lässt (Abg. Dr. Fekter: Das ist auch ein Skandal!), und zwar von einer gewissen Universitätsprofessorin Wodak, die dann übrigens – und das sei dem ORF auch einmal gesagt – im Fernsehen Objektivität vortäuscht, die Auftragsgutachterin ist, bekanntlich eine linke Position vertritt und dann zu irgendwelchen Dingen dahin gehend, ob etwas antisemitisch zu interpretieren ist oder nicht, Stellung nimmt. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Jarolim. )

Sehr geehrter Herr Kollege Jarolim! Sie haben durch ein fachfremdes Gutachten richterliche Urteile nachvollziehen lassen und haben dadurch auch die Rüge der Richtervereinigung auf sich gezogen.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen eines sagen, und das auch an die Adresse der Grünen: Ein Richter oder ein Staatsanwalt ist in Ihren Augen dann korrekt, wenn er gegen Funktionäre der FPÖ ermittelt. Ein Richter oder Staatsanwalt ist aber dann unkorrekt – ja Sie haben ihn sogar kriminalisiert! –, wenn er ein Verfahren einstellt. Das ist Ihre differenzierte Ansicht. Der, der gegen die FPÖ vorgeht, ist, solange er dagegen vorgeht, ein aufrechter Staatsanwalt und Richter, aber sobald er aus rechtsstaatlichen Gründen das Verfahren gegen Funktionäre der FPÖ einstellt, ist er zu kriminalisieren. Das ist Ihre Politik, dafür stehen Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr ähnlich ist ja das mit dem Sachverständigen gewesen. Der Sachverständige Muckenschnabel war so lange, meine Damen und Herren, der Doyen der österreichischen Schriftsachverständigen, so lange der Doyen auch in den Medien, auch in der Politik, bis er ein Gutachten verfasst und erstellt hat, in dem er zu dem Ergebnis kam – und das wurde auch nicht von Grafl bestritten –, dass dieser Brief nicht von Binder stammt. So lange war er der Doyen der österreichischen Schriftsachverständigen – und jetzt soll er senil sein? Überall, in allen Aussendungen lesen Sie das: Herr Muckenschnabel, Klammer auf: 83, Klammer zu. Damit wollen Sie ihn für unglaubwürdig erklären, weil er schon höher betagt ist, meine Damen und Herren. (Abg. Öllinger: "Höher betagt"!)

Herr Grafl ist natürlich jetzt das Liebkind von Ihnen. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen eines nicht vorenthalten: Am 20. März heurigen Jahres, also erst vor wenigen Tagen, wurde dieses Gutachten ausgefertigt. Noch bevor es bei der Staatsanwaltschaft eingelangt ist, fand es sich bereits auf der Homepage des "Standard" wieder. – Ich überlasse das Ihrer geschätzten Interpretation oder Phantasie, mit welchen Dingen es hier zugegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. Die Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

16.54

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ich freue mich, Herr Dr. Wittmann, dass Sie hier von dieser Stelle aus festgestellt haben, dass der Herr Innenminister und sein Team sehr, sehr korrekt und gut arbeiten. Ich bedanke mich! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Dass wir heute diese Dringliche Anfrage von SPÖ und Grünen zu debattieren haben, verdanken wir den sozialistischen Innenministern, die zwar von Datenmissbräuchen gewusst haben, aber nichts getan haben, um diese Missbräuche abzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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62. Sitzung / Seite 139

Meine Frage an den Herrn Abgeordneten Pilz: Warum haben Sie in dieser Zeit geschwiegen? War es aus Dankbarkeit, weil Sie Herr Ex-Minister Schlögl im Bereich der Exekutive salonfähig machen wollte, oder waren es andere Gründe?

Sie haben eine Dringliche Anfrage in Bezug auf den Rechtsstaat und den Datenmissbrauch gestellt und haben bei Ihren bisherigen Debattenbeiträgen zu diesem Thema keinen einzigen sachlichen, stichhaltigen, begründeten Beitrag gebracht. Es ist schon sehr eigenartig, dass Sie immer wieder, in allen Ihren Aussendungen, einen Untersuchungsausschuss fordern, und zwar auf der Grundlage von Unterstellungen und Vermutungen; Unterstellungen und Vermutungen, mit denen Sie absichtlich die bisherigen Erhebungen bei diesen Vorverfahren in Misskredit bringen, Unterstellungen und Vermutungen, mit denen Sie die Justiz in ein schiefes Licht rücken wollen.

Tatsache ist, dass in allen Aussagen, die öffentlich getätigt worden sind, die Zusammenarbeit von Exekutive, Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichter bei diesen Erhebungen als sehr gut und konstruktiv dargestellt wurde. Umso merkwürdiger ist es, welche Zufälle es gerade vor der Wiener Landtagswahl gegeben hat: Neben der Pressekonferenz des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit einem formellen Fehler bei der Ambulanzgebühr tauchte plötzlich in der Zeitschrift "NEWS" ein Aktenvermerk des Untersuchungsrichters Erdei auf. – Seltsame Zufälle sind das, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Diesen Aktenvermerk finde ich grundsätzlich fragwürdig. Dazu stellen sich mir schon einige Fragen. – In diesem Aktenvermerk steht nichts davon, dass die Staatsanwaltschaft dem Untersuchungsrichter die angeblich fehlenden Akten vorenthalten will und vorenthalten hat, und in diesem Aktenvermerk steht auch nichts von einem Gespräch zwischen Staatsanwaltschaft und dem Untersuchungsrichter, was diesen Aktenvermerk auch begründen würde.

Meine geschätzten Damen und Herren! So einfach kann man nicht von einem Justizskandal sprechen, wie Sie das tun! Da muss man schon mehr in der Hand haben als eine Wochenzeitung. Da muss man mehr in der Hand haben als die Vorwürfe eines Kleindienst, denn viele seiner Vorwürfe haben sich als haltlos erwiesen. (Die Abgeordneten Öllinger, Dr. Van der Bellen und Dr. Petrovic: Welche?) Viele! Viele bisher! Am Schluss werden wir sehen, was davon tatsächlich überbleibt.

Herr Abgeordneter Pilz! Zuerst haben Sie versucht, die Exekutive bei den Erhebungen anzugreifen – und Sie sind abgeblitzt. Jetzt greifen Sie die Justiz an – und blitzen wieder ab. Sie sprechen von einer widersprüchlichen und dilettantischen Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft, und das nicht nur einmal. Sie begründen Ihre Vorwürfe auf Vermutungen und Unterstellungen. Was wollen Sie eigentlich damit bewirken, Herr Kollege Pilz? Mir kommt das so vor: Wenn es keinen Skandal gibt, dann müssen wir halt einen inszenieren!

Sie wollen die Öffentlichkeit und die Justiz verunsichern. Sie wollen bewusst Misstrauen säen. Die veröffentlichten Anschuldigungen sind von der Staatsanwaltschaft ganz massiv zurückgewiesen worden. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass Sie als Abgeordneter in einem schwebenden Verfahren immer wieder aufs Neue einen Untersuchungsausschuss fordern. (Abg. Öllinger: Wir haben schon einen Untersuchungsausschuss! – Abg. Mag. Kogler: Die Regierung "schwebt"!) Das ist eine bewusste Einmischung in die unabhängige Justiz und in ein laufendes Verfahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lesen Sie Ihre Aussendungen, Herr Kollege Pilz! – Wir warten den Abschluss des Verfahrens ab, und dann werden wir weitersehen.

Hohes Haus! Wir sind an einer lückenlosen Aufklärung, an einer fairen und unabhängigen Rechtsprechung interessiert. Wir sind aber nicht interessiert an dieser Show, die Sie hier inszenieren, um die Bevölkerung und die Justiz zu verunsichern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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62. Sitzung / Seite 140

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

16.59

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lassen Sie mich als Erstes ein paar Worte an den Bundesminister außer Dienst Dr. Krüger richten. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Kollege Krüger! Sie machen sich Gedanken darüber, dass die Grünen das Vorgehen von Richtern nur dann als korrekt bezeichnen würden, wenn sie gegen die FPÖ vorgehen, und einer, der Verfahren einstellt, zu kriminalisieren sei. – Diese Art von Einschätzung der Vorgänge, die es in den letzten Wochen gegeben hat, zeigt ja in dieser Präzision der Einschätzung, wie die Gedankengänge der freiheitlichen Politikerinnen und Politiker – jetzt klammere ich aus meinem Bewusstsein aus, dass Sie kurzfristig auch Bundesminister für Justiz waren – sind, wie man an die Dinge insgesamt herangeht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass auch Dr. Krüger – zwar nicht als Justizsprecher, aber immerhin als Verfassungssprecher der freiheitlichen Fraktion – um die Weihnachtszeit herum so ein dickes Konvolut bekommen hat, in dem 1 200 – oder vielleicht waren es sogar 1 300 – österreichische Richter und Staatsanwälte einen sehr kurzen – leider habe ich diese Petition jetzt nicht da, um sie Ihnen zu verlesen, aber wir können das vielleicht noch nachtragen –, sehr präzisen Appell an die Öffentlichkeit und insbesondere auch an Politikerinnen und Politiker gerichtet haben, die Politik möge die Justiz und das Ansehen der Justiz tunlichst nicht behindern. – Ich drücke das mit meinen Worten sehr höflich aus. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So etwas hat es noch nie gegeben. Ich kenne 1 300 Unterschriften nur von Petitionen oder Bürgerinitiativen zum Beispiel gegen Alkohol am Steuer, gegen Kindesmissbrauch oder selbstverständlich gegen grenznahe Kernkraftwerke. Dazu kenne ich viele Unterschriften. Aber dass aus einer Berufsgruppe fast in ihrer Gesamtheit – es waren selbstverständlich nicht alle – dieser Appell kommt, das ist Besorgnis erregend, und in diesem Sinne haben wir ihn auch aufgefasst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist es, geschätzter Kollege Krüger und sehr geehrter Herr Bundesminister – Ihnen, Herr Minister, will ich mich eigentlich widmen, denn das ist viel lohnender, als die Zeit Dr. Krüger und seinem Verständnis zu widmen –, was nicht nur die grüne Fraktion, sondern die österreichische Öffentlichkeit insgesamt besorgt macht. (Zwischenruf des Abg. Großruck. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Die Geschäftsordnungsdebatte, die keine Debatte sein konnte, weil sie sozusagen nur in Antragsform zu führen war, hatte folgenden Inhalt – jetzt führt Herr Präsident Fischer nicht mehr den Vorsitz, aber ich gehe davon aus, dass auch Herr Präsident Prinzhorn die Debatte verfolgt hat –: Der Herr Bundesminister hat auf insgesamt 37 Fragen der sozialdemokratischen Fraktion in einigen Punkten, meine sehr geehrten Damen und Herren, bemerkenswert offen und bemerkenswert korrekt geantwortet.

Beispielsweise auf die Frage 15, die gelautet hat: "Wurde im gegenständlichen Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft Wien eine Weisung an die Wirtschaftspolizei gegeben, einen gekürzten Bericht vorzulegen? Wenn ja: Wie lautet die Weisung im Wortlaut?" – Das haben Sie im Wortlaut vorgelesen, sehr geehrter Herr Bundesminister, den Akteninhalt!

Sie sind nicht auf die Idee gekommen zu sagen: Da berufe ich mich jetzt auf die Amtsverschwiegenheit, denn das Parlament und die Öffentlichkeit sollen nicht wissen, wie der Wortlaut ist. – Jetzt könnte ich noch einige andere Fragen wie beispielsweise die Frage 4 nennen. Diese haben Sie auch korrekt beantwortet. Da ist keine Amtsverschwiegenheit zutage gekommen.

Aber bei der Frage 3, die die essentielle Frage in dieser ganzen Causa des Vorgehens der Justiz ist, nämlich der Frage: "Welche Aktenvermerke oder Einsichtsbemerkungen und mit welchem genauen Wortlaut wurden im gegenständlichen Verfahren durch Mitglieder der Staatsanwaltschaft" – die Ihnen untergeordnet, nämlich weisungsuntergeordnet sind –, "auch Behördenleiter" – auf solche bezog sich diese Frage ebenfalls –, "angefertigt?", haben Sie gesagt: Tut


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62. Sitzung / Seite 141

Leid, Amtsverschwiegenheit, da sage ich lieber nichts – denn das könnte vielleicht ein bisschen aufschlussreich sein, was ich hier zu antworten habe. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Geschäftsordnungsdebatte ist die entscheidende politische Frage dieses Nachmittags. Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das Gesetz ist für alle gleich, an das Gesetz haben Sie sich zu halten. Und die Geschäftsordnung ist ein Gesetz; die hat selbst ein freiheitlicher Parteianwalt im Parlament zu achten, dieses Gesetz gilt für Sie genauso. Sie haben es so zu achten, wie auch andere Bundesminister die Geschäftsordnung zu achten haben, aber nicht nur dort, wo es Ihnen passt. Wo es Ihnen schaden könnte, da sagen Sie: Amtsverschwiegenheit, denn da könnte etwas herauskommen, aber in anderen Fällen nehmen Sie sie nicht in Anspruch. Wenn, dann können Sie sagen: Gut, das ist eine heikle – ohne das jetzt zu interpretieren – Sache, das unterliegt der Amtsverschwiegenheit.

Aber das herauszunehmen, was einem passt, und das, was einem nicht in den sprichwörtlichen Kram passt – weil er Sie auch berührt –, nicht zu beantworten, das ist gesetzwidrig, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Neudeck: Das ist ein Blödsinn! Sie sind ahnungslos!) Wer gegen die Geschäftsordnung handelt, handelt gegen ein Gesetz.

Wären Sie Ausländer, würde man sagen: der Illegale. Wissen Sie, das ist es nämlich, wie eben mit zweierlei Maß gemessen wird! Ein Bundesminister kann sich offensichtlich in Österreich, im Parlament zumindest, alles erlauben. (Beifall bei den Grünen.) Wie es gerade passt, interpretiert man ein Gesetz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt weiter zu dem für mich zweiten entscheidenden Punkt des heutigen Nachmittags, nämlich dem Aufzeigen – und darum bin ich der sozialdemokratischen Fraktion für diese Dringliche Anfrage wirklich dankbar –, wie die Justiz in Österreich beeinflusst und öffentlich eingeschüchtert beziehungsweise verleumdet wird. Da ist der Fall des Untersuchungsrichters Mag. Erdei ein wirklich einmaliger Fall – Gott sei Dank, muss ich sagen, dass das nicht alle Tage vorkommt. Aber wir haben auch nicht alle Tage eine blau-schwarze Regierung, wir haben sie erst seit gut einem Jahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb kommt das jetzt vor, und das Hinzitieren zu einem Präsidenten und das Konfrontieren mit bestimmten Möglichkeiten – ob jetzt Versetzung oder Vertretung ist egal – ist ein Versuch der Einschüchterung. Diese Unterscheidung ist in diesem Zusammenhang eine Spitzfindigkeit, Kollegin Fekter, und es zeugt nur davon, wie groß das schlechte Gewissen sein muss, wenn man sagt: Sie haben das Gesetz nicht genau gelesen. – Da wird eingeschüchtert, da wird öffentlich durch Klubobleute, ja sogar bis hin zur Vizekanzlerin, verleumdet, da wird Druck auf die Justiz ausgeübt. Und in diesem Fall ist das minutiös dokumentierbar, weil da einer ist, der nicht kuscht und sich nicht alles gefallen lässt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist es jetzt eigentlich, was Sie am meisten stört: Das hat nicht funktioniert! Herr Mag. Erdei hat das nicht stumm in sich hineingeschluckt, hat nicht gesagt: Ich muss das alles hinnehmen, ich bin noch nicht so alt – keine Ahnung, wie alt er ist, ich schätze ungefähr 35, um nach dem Foto zu schließen; ich kenne ihn nicht –, ich habe noch 30 Jahre in der Justiz vor mir. Er hat gesagt, es geht ihm um den Rechtsstaat, es geht ihm um die Unabhängigkeit der Justiz und darum, sich in den Spiegel schauen zu können und nicht nur ins Gesicht der Frau Dr. Fekter. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Das sind die Dinge, die hiebei entscheidend sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Darum ist in Wirklichkeit alles, was ich heute gehört habe, ein Nebengeplänkel. Ob der Gutachter jetzt 83 Jahre oder vielleicht nur 79 Jahre alt ist, er ist und bleibt Graphologe; dafür ist er Spezialist und nicht Sachverständiger, der bei diesen Fragen im Zusammenhang mit der vermuteten oder in Verdacht stehenden Fälschung oder Nicht-Fälschung des Briefes aufgefordert ist oder überhaupt imstande ist, ein Gutachten abzugeben. Deshalb stört es Sie so, dass es eben in der Justiz nicht so ist, dass man eben von einem Graphologen – ganz egal, wie jung oder alt er ist – eine Unterschrift prüfen lässt und damit die Sache gegessen ist – ganz unabhängig vom Ergebnis –, sondern dass auch andere Sachverständige mit auf den Plan gerufen werden, die


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dann ebenfalls untersuchen und zu Ergebnissen kommen, wobei es die Öffentlichkeit wagt, diese Ergebnisse zu erwähnen und sie auch zu bewerten.

Hier ein Gutachten, dort ein Gutachten. Aber wenn die Opposition sagt, es gibt noch ein zweites Gutachten, dann ist das gleich Vermessenheit, dann wird gleich Kriminalisierung unterstellt. Das ist der Stil der blau-schwarzen Regierung. Ich kann Ihnen eigentlich nur sagen: Der Parteianwalt der Freiheitlichen passt dazu, und in Wirklichkeit ist er dort am richtigen Platz, wo er jetzt ist, nämlich bei den Blau-Schwarzen als Parteianwalt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte. (Ruf bei den Freiheitlichen: Jetzt kommt wenigstens ein sachlicher Beitrag! – Heiterkeit.)

17.10

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat es bereits erwähnt: Was heute hier von Ihrer Seite diskutiert wird, ist Nebengeplänkel.

Es geht um ganz wesentliche Fragen. Ich möchte jetzt gar nicht im Einzelnen auf die Diskussionsbeiträge eingehen. Sie waren ja an Lächerlichkeit und Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Es stellt sich für uns eine ganz konkrete Frage: Was sind Ihnen, Herr Bundesminister Böhmdorfer, Wahrheitsfindung, der Rechtsstaat und die unabhängige Justiz eigentlich wert? (Abg. Dr. Fekter: Alles! Das ist das höchste Gut!)  – Dieselbe Frage, nämlich: Was sind Ihnen Wahrheitsfindung, der Rechtsstaat und die unabhängige Justiz wert?, gilt für Sie von den Regierungsparteien. Insbesondere richte ich diese Frage an die Österreichische Volkspartei, nämlich an Sie, Frau Justizsprecherin Fekter, und an Sie, Herr Klubobmann Andreas Khol: Was sind Ihnen die unabhängige Justiz, der Rechtsstaat und die Wahrheitsfindung noch wert? (Abg. Dr. Fekter: So viel, dass ...!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation, wie sie sich heute darstellt, macht es nötig, die Fakten, die wir seit Monaten kennen, nochmals auf den Tisch zu legen und hier in diesem Haus zu diskutieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. ) Es geht um folgende Frage: Wie schaut es aus mit dem Missverhältnis zwischen weisungsgebundener Staatsanwaltschaft und verfassungsrechtlich garantierter Unabhängigkeit der Richter? – Das ist eine der zentralen Fragen.

Faktum ist: Die Freiheitliche Partei hat in Österreich ein Spitzelnetz aufgebaut, um sich private Daten von politischen Gegnern und Kritikern besorgen zu lassen. Diese Datenbeschaffung wurde von Spitzenpolitikern der FPÖ in öffentlichen Geständnissen auch bestätigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war Datenmissbrauch!

Faktum ist: AUF-Funktionäre haben im politischen Auftrag der FPÖ illegale Datenabfragen im EKIS-System durchgeführt und deren Ergebnisse der FPÖ übermittelt. Funktionäre wurden dafür bezahlt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Faktum ist, dass die AUF diese Funktionäre mit Spendengeldern bezahlt hat und von den gesamten Spendengeldern nur 0,5 Prozent für in Not geratene Polizisten verwendet hat.

Herr Bundesminister! Über diese Form des Spendenbetruges möchte ich einmal im Justizausschuss und an anderer Stelle diskutieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Faktum ist: Bei den Erhebungen wurden der Innenminister, die Sicherheitsexekutive und die pflichtbewussten Beamten behindert, von FP-Spitzenrepräsentanten – Kollege Westenthaler ist jetzt nicht hier – öffentlich verleumdet und unter Druck gesetzt, es wurde die unabhängige Justiz in unerträglicher Weise angegriffen und bei ihrer Arbeit behindert.


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Faktum ist: 1 300 Richter und Staatsanwälte haben sich gegen diese unqualifizierten politischen Angriffe in einem offenen Brief zur Wehr gesetzt.

Faktum ist, Herr Bundesminister: Sie haben als Bundesminister den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider schon im Vorhinein ohne Faktenkenntnisse als über jeden Zweifel erhaben bezeichnet.

Faktum ist, Herr Bundesminister: Die gerichtlichen Verfahren gegen Jörg Haider und andere wurden allein auf Grund des Gutachtens von Muckenschnabel, aber vor der Einvernahme des Beamten Herbert Poimer, der Leiter der Klagenfurter Datenstation war und 50 000 EKIS-Abfragen durchgeführt hat, eingestellt.

Faktum ist weiters, Herr Bundesminister: Nach Bekanntwerden des ersten Sachverständigengutachtens hat die Rechtsvertreterin von Jörg Haider, Mag. Gheneff-Fürst, den Binder-Brief als Hauptbelastungsmittel gegen Jörg Haider bezeichnet. Auch Klubobmann Westenthaler bezeichnete den Binder-Brief als das Hauptindiz gegen Jörg Haider.

Faktum ist aber nun auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der gerichtlich beeidete Sachverständige Universitätsprofessor Dr. Grafl in einem Gutachten feststellte, dass der Binder-Brief, also dessen Unterschrift, wahrscheinlich echt und keine Fälschung ist. (Abg. Böhacker: Was heißt "wahrscheinlich"? – Abg. Dr. Ofner: Nicht einmal das!)

Faktum ist: Untersuchungsrichter Mag. Erdei wurden laut Aktenvermerk von der Staatsanwaltschaft Akten vorenthalten, von 42 Faktenkreisen nur 11 Faktenkreise geliefert – und dies ohne Gesamtdarstellung sowie ohne Angaben zur Nummerierung.

Faktum ist, Herr Bundesminister, dass die Wirtschaftspolizei beauftragt wurde, einen neuen, bereinigten Bericht für die Staatsanwaltschaft zu verfassen.

Faktum ist – so Präsident Woratsch –: Ich meine, dass wir eine der abhängigsten Staatsanwaltschaften in ganz Europa haben. Es gibt eine totale Subordination unter den Bundesminister für Justiz, wobei völlig egal ist, wie dieser Justizminister heißt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht darum, dass der oberste Ankläger in unserem Land praktisch der Justizminister ist. Ein derartiges System halte ich wirklich für nicht europareif. (Abg. Dr. Krüger: Wann hat er das gesagt?)

Faktum ist – und jetzt komme ich zum Schluss –, dass die Existenz dieser Bundesregierung von der Aufklärung dieses Skandals abhängt. Es geht um Westenthaler, es geht um Riess-Passer, und es geht um Bundesminister Böhmdorfer. Daher ist es auch verständlich, dass Sie versuchen, derartige Verfahren zu behindern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie haben Erklärungsbedarf: Verfahrenseinstellungen ohne vorherige Einvernahme des Beamten Poimer durch die Wirtschaftspolizei, ein neues Sachverständigengutachten, in dem der Binder-Brief als "wahrscheinlich echt" bezeichnet wurde (Abg. Böhacker: "Wahrscheinlich"!), bisher kein kriminaltechnisches Gutachten sowie eine Staatsanwaltschaft, die rechtlich wie politisch nicht nachvollziehbare Entscheidungen trifft.

Ein Vergleich aus dem Sport mag dies vielleicht verdeutlichen: Kapfenberg gegen Simmering, das ist Brutalität. – Abgeändert, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf die gegenständlichen Verfahren im Spitzelskandal könnte dies lauten: Weisungsgebundener Staatsanwalt gegen unabhängigen Untersuchungsrichter, das scheint der Justizskandal zu sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Fakten, diese Verfahren, diese Einflussnahmen, wie sie derzeit dargestellt werden, erwecken den Eindruck, dass diese Koalition an der Wahrheitsfindung nicht interessiert ist, Spuren verwischt werden und sonstige Maßnahmen in der Justizverwaltung ergriffen werden, die jede Aufklärung verhindern.


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Daher gibt es nur eines: einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss! Ich darf Sie einladen, diesem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.17

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates, Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Verschleppung der gegenständlichen Verfahren durch die Staatsanwaltschaft und aller damit in Zusammenhang stehenden Weisungen und sonstigen Rechtsakte, Aufklärung des Vorwurfes der Fälschung von Beweismitteln und aller damit in Zusammenhang stehenden Verfolgungsschritte, Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte hierüber wurde nicht verlangt. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte noch ganz kurz auf Kollegen Wittmann eingehen, der für die Untermauerung seiner Rede ein internationales Medium herangezogen hat, nämlich die "Süddeutsche Zeitung". In diesem Zusammenhang möchte ich ganz besonders Kollegen Schieder Folgendes in Erinnerung rufen: Es ist immer sehr leicht, sich auf ausländische Medien zu stützen, wenn man die Hintergründe nicht kennt.

Es ist nicht allzu lange her, da hat diese "Süddeutsche Zeitung" einen anderen prominenten Politiker dieses Landes der Spionage geziehen. – Sie werden sich daran erinnern, ich habe damals dazu eine Rede gehalten, und Sie haben auch dazu Stellung genommen. – Es war der Altbürgermeister Zilk. Und es war ein ungerechtfertigter Vorwurf. Genauso ungerechtfertigt ist der Vorwurf, der in der "Süddeutschen Zeitung" gegenüber diesem Justizminister erhoben wird. (Abg. Schieder: Das wäre in einem Untersuchungsausschuss klärbar!)

Die damals in der Opposition wahrgenommene Verantwortung der Freiheitlichen Partei war, dass wir uns wie ein Mann hinter einen ungerechtfertigt angeschütteten Politiker dieses Landes gestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist der Unterschied in der Oppositionsarbeit Ihrer Fraktion und unserer Fraktion! (Abg. Schieder: Wir waren auch bereit dazu, das in einem Untersuchungsausschuss zu klären!)  – Es hat auch keinen Untersuchungsausschuss in der Causa Zilk gegeben. (Abg. Schieder: Der war auch nicht Minister!)

Kollege Schieder! Ich sage Ihnen hier ganz deutlich – ich habe das schon öfters gesagt –: Der Unterschied zwischen Idealismus und Fundamentalismus ist der, dass der Idealist weiß, was richtig und falsch ist, der Fundamentalist – und diese werden in der linken Reichshälfte immer mehr – aber auch noch weiß, was gut und böse ist. – Sie betreiben im Bereich Justiz derart fundamentalistische Politik, dass Sie immer wissen, was gut und böse ist, und davor habe ich schlichtweg Angst, denn das ist Messen mit zweierlei Maß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Justizpolitik von Kollegen Jarolim! Dass Kollege Jarolim ein relativ stark gestörtes Verhältnis zu Gewaltentrennung, Unvereinbarkeiten und Amtsverschwiegenheit hat, ist uns ja wohl bekannt. Kollege Jarolim ist, wie wir auch wissen, am liebsten selbst der Oberinquisitor dieser


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Republik – Ankläger, Verteidiger, ermittelnde Behörde, alles in einem –, das hat er uns vorgeführt. Ich habe einmal den Verdacht geäußert, ich wüsste nicht, ob Herr Stuhlpfarrer der parlamentarische Mitarbeiter von Kollegen Jarolim gewesen ist oder ob es gar umgekehrt war, ob Kollege Jarolim in dieser Angelegenheit ein parlamentarischer Mitarbeiter von Herrn Stuhlpfarrer gewesen ist. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Es könnte ja auch so gewesen sein, er hat ja seine Netzwerke überall gehabt. Wir untersuchen das, und es wird noch interessant werden, wie Sie sich in diesem Zusammenhang verantworten werden.

Aber wie sieht denn die unabhängige Justiz Marke Jarolim, Marke Hlavac, Marke SPÖ aus? Nehmen wir einen altbekannten Aktenvermerk zur Hand:

Kollegin Hlavac hat damals gemeinsam mit Kollegen Jarolim, mit Kollegen Lansky – Ihnen auch sehr wohl bekannt – und auch mit Kollegen Einem über die Justizpolitik diskutiert und auch noch schriftlich festgehalten, wie sie die damalige – das ist noch nicht allzu lange her, da waren Sie sogar noch in der Regierung – unabhängige Justiz qualifiziert haben. Sie haben gesagt: Diskussionspunkt ist, was in der SPÖ in der nächsten Zeit überhaupt an Bereichen der Justizpolitik diskutiert werden soll.

Sie hielten weiters fest: Nächstes Themengebiet ist Personalpolitik! Zu überlegen ist, wie sich die Partei noch mehr als bisher einbringen kann – unabhängige Justiz betreffend! Des Themas Rechtspraktikanten haben Sie sich angenommen. Hier wäre ein vernünftiges Auswahlverfahren zu treffen, auch junge Genossinnen und Genossen wären zu ermutigen, in den Richterdienst zu gehen. Hinsichtlich der Auswahl von Rechtspraktikanten – 1997 wohlgemerkt! – wäre auch zu überlegen, ob eine parlamentarische Anfrage an den Bundesminister für Justiz zu richten wäre, da es nach Meinung der SPÖ vollkommen undurchsichtig sei, wie viele Praktikanten übernommen werden und nach welchen Kriterien diese in den Richterdienst übernommen werden.

Sie kommen dann zu den Kriterien, wie sie übernommen werden sollen, denn Sie stellen fest, es habe Versäumnisse der SPÖ in der Personalpolitik im Bereich Justiz gegeben. Die Personalgestaltung der Justiz sei Ihnen entglitten, stellen Sie fest. Das Problem vieler Richter sei, dass es auch keine Zusammenarbeit und kein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Richtern in der SPÖ selbst gibt. Es wäre die Idee einer rechtssoziologischen Untersuchung geboren: Richter und Parteibuch! Derartige Erhebungen würden schon gemacht.

Richter und Parteibuch – Gesinnungsschnüffelei bei Richtern Marke SPÖ! Das wollen wir nicht! Wir wollen eine unabhängige Justiz. Sie wollen eine Justiz im Fahrwasser der SPÖ. Sie schreiben, eine Arbeitsgemeinschaft mit den Themen Justiz- und Personalpolitik solle eingerichtet werden. – Diese arbeitet offensichtlich schon, aber schlecht, sage ich dazu! – Die Übernahme von Rechtspraktikanten und Richteramtsanwärtern betreffend solle in den Personalsenaten eine Änderung herbeigeführt werden. – Derzeit sind sie unabhängig. Was wollen Sie? Abhängige von der SPÖ vielleicht? – Und für diese Gesinnungspolizei solle als Zentrale für die Weiterleitung von Infos die Löwelstraße dienen, eine Parteizentrale der SPÖ. (Abg. Öllinger: Sagen Sie vielleicht etwas zum Thema!)

Mich wundert nichts mehr! Der "kleine Mann" wird vom "kleinen Anwalt" Jarolim vertreten, der als Fachgebiet nicht mehr so wie 1997 Arbeits- und Sozialrecht, sondern im Jahr 2000 – veröffentlicht von ihm – überall Luftfahrtrecht und Kauf von Flugzeugen ausweist. Jedem Sozialisten sein eigenes Flugzeug, das ist Ihre Devise! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Also so an der Sache vorbeiplaudern! – Zwischenruf des das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Martin Graf.  – Abg. Edlinger: Atmen! Atmen!)

17.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.24

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe ja die Frustration innerhalb der SPÖ: Sie schickt die größten Geschütze ins Rennen: Herrn Jarolim, Herrn Kostelka, Herrn Wittmann – den ich zwar nicht als sehr großes Geschütz bezeichne, aber immerhin war er früher Staatsse


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kretär –, dann kommt auch noch Herr Pilz von der zweiten Oppositionspartei (Abg. Dr. Khol: Jarolim oder "Euroteam"?)  – "Euroteam" und Jarolim, beide (Abg. Dr. Khol: "Jaroteam"!)  –, und dann stürzt diese Dringliche Anfrage ab wie ein EKIS-Computer! Wie ein Ekis-Computer stürzt sie ab, und es bleibt nichts übrig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bevor wir von Skandalen reden, reden wir doch einmal über Fakten! Dem früheren SPÖ-Funktionär und späteren Personalvertreter Kleindienst wird offensichtlich seine Hose zu eng, er glaubt, berühmt werden zu müssen, und schreibt sein erstes Buch: "Nie mehr Strafe zahlen". Ob das sozusagen zur ethischen Auffassung eines Polizisten gehört, sei dahingestellt, er hat das Buch geschrieben und damit mittelmäßigen Erfolg erzielt. Herr Kleindienst hat sich überlegt, ein weiteres Buch zu schreiben.

Das neue Buch "Ich gestehe" von Josef Kleindienst wird wie folgt angeboten – ich habe das heute im Internet gelesen –:

",Ich gestehe‘ – das neue Buch von Josef Kleindienst

Rassisten, Prügler, Sextäter und Tierquäler – die gibt es auch in der Exekutive. Doch warum werden sie geschützt, während die wahren Ordnungshüter" – wie zum Beispiel ein Herr Kleindienst – "keine Karriere in der Polizei machen?" – Das fragt Herr Kleindienst unter Anpreisung seines Buches.

Das, was mir als Polizisten wehtut, ist dieser allgemeine und pauschale Vorwurf. Ich frage Sie, Herr Justizminister – Sie werden sicher noch einmal Stellung nehmen –: Inwieweit stimmt denn das mit den Rassisten, mit den Prüglern, mit den Sextätern und so weiter? Gibt es Untersuchungen, sind derartige Vorwürfe entkräftet worden?

Wenn ja, dann erkenne ich möglicherweise ein weiteres Motiv des Herrn Kleindienst für sein Handeln. Er wollte vielleicht nicht unbedingt die Wahrheit ans Tageslicht bringen, sondern unter Umständen seinen früheren Freunden – Herr Kleindienst war SPÖ-Funktionär, das ist bekannt – etwas unter die Arme greifen. Der SPÖ ist es ja damals nicht so gut gegangen.

Es ist schade, dass Herr Ex-Innenminister Schlögl hier kein Mandat mehr hat, denn er hat sich ja angeblich des Öfteren mit Herrn Kleindienst getroffen. Ich würde ihn gerne fragen: Zu welchem Zweck? Um dessen spätere Karenzierung zu besprechen? Es war und ist bis heute unüblich, dass Bundesbeamte angesichts der vorherrschenden Personalknappheit für mehr als fünf Jahre, in diesem Fall für zehn Jahre karenziert werden können. Herrn Kleindienst ist das ermöglicht worden.

Meine Damen und Herren! Worüber reden wir? Dieser Datenskandal, der von Ihnen hochgespielt wurde ... (Abg. Mag. Maier: Was ist denn das?)  – Herr Kollege Maier! Ich komme jetzt genau auf Sie zu sprechen, es ist gut, dass Sie sich einschalten. Sie reden von privaten Daten, die weitergegeben wurden, und ich sage: Das hat es gegeben, und das gehört ausgeräumt! Es ist nicht richtig, wenn Polizisten das tun! Wenn sich Beamte im Allgemeinen nicht gemäß ihren gesetzlichen Vorgaben verhalten, dann gehört das ausgemerzt, das ist überhaupt keine Frage!

Aber, meine Damen und Herren, wenn man daraus einen Politskandal machen will, muss man wissen, was im EKIS drinsteht. Herr Kollege Pilz weiß das ganz genau. Es stehen Geburtsdaten, Wohnorte, Fahrzeugdaten und Ähnliches drin. Glauben Sie wirklich, dass es einen Landeshauptmann oder einen anderen Funktionär tatsächlich interessieren könnte, was an Daten im Ekis-Computer drinsteht? – Doch wirklich nicht! Wen interessiert das wirklich? Die Daten, die im Ekis-Computer stehen, können nicht von hohem Informationsgehalt sein.

Ich habe noch ein paar Fragen, Herr Minister, die mich interessieren; leider sind Sie nicht zuständig. Mich würde der Grund für die relativ lange Karenzierung des Kollegen Kleindienst interessieren. Wer das Buch "Ich gestehe" aufmerksam liest, dem fällt auf, dass ein Generalinspektor Schnabl zweimal sehr prominent erwähnt wird, mit Wort und Bild! Ich würde mir das verbeten haben als Generalinspektor – aber bitte, ich bin hier zur Objektivität verpflichtet –, noch dazu in


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einem Buch solchen Inhaltes. Mich würde da der Hintergrund interessieren. Ich vermute, dass es doch Zusammenhänge gibt.

Herr Minister! Herr Kleindienst ist in der Zwischenzeit Millionär geworden. Wie konnte er Millionär werden? Er sagt, er habe an der Börse spekuliert. Mag sein! Herr Minister! Könnte man da vielleicht nachschauen? Gibt es die Möglichkeit der Kontenöffnung? Herr Kleindienst hat sich ja selbst beschuldigt. Sollte man sich das nicht auch genauer anschauen? Herr Minister, ein Tipp: Vielleicht schaut man auch einmal bei der Dresdner Bank nach! Dort sollen angeblich auch Gelder von Herrn Kleindienst liegen. Es wäre doch nicht uninteressant, zu wissen, was in Wirklichkeit zu dem Vermögen von Herrn Kleindienst beigetragen hat.

Ich glaube, dass man jetzt einen Skandal malt, der Ihnen, Herr Kollege Schwemlein, ganz recht sein kann; ich persönlich sehe einen solchen weit und breit nicht. Aus dem Justizskandal ist leider keiner geworden! Im Übrigen soll die Justiz weiterarbeiten, es sollen sich nicht Politiker in die Arbeit der Justiz einmischen, schon gar nicht auf so unqualifizierte Art und Weise!

Herr Kollege Schwemlein, das war mein Beitrag zum heutigen Justizskandal! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Die Restredezeit beträgt 5 Minuten.

17.31

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende der Debatte über die Dringliche Anfrage ist es eigentlich Zeit, zu resümieren. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie brauchen nicht räsonieren!) Und wenn ich resümiere, meine Damen und Herren – nicht räsoniere, Sie können das sicher noch auseinander halten –, dann muss ich leider meinem Kollegen Peter Pilz widersprechen, aber nicht in dem, was er heute gesagt und ausgezeichnet dargelegt hat, sondern in dem, was er das letzte Mal mit der Hoffnung verbunden hat, dass die ÖVP aus ihrer Distanz noch zu der Einsicht gelangen wird, dass dieser Gegenstand ein untersuchungswürdiger Gegenstand wird.

Was wir heute erlebt haben, meine Damen und Herren von der ÖVP – von Kollegin Fekter bis hin zu Herrn Miedl, der da noch schnell die Amtsverschwiegenheit oder eben Nicht-Amtsverschwiegenheit des Ministers anbohren will, damit man noch ein bisschen etwas über Herrn Kleindienst erfährt –, ist eine absolute Parteinahme der ÖVP nicht nur für den Justizminister, sondern für das Vertuschen in dieser Causa. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das ist das Erschreckende, meine Damen und Herren von der ÖVP! Ich habe sehr genau aufgepasst, als Frau Fekter auf den Untersuchungsrichter losgegangen ist. Es hat tosenden Applaus in den Reihen der ÖVP und der FPÖ gegeben, mit einer in diesem Fall lobenswerten Ausnahme – sie wird sich etwas dabei gedacht haben –: Frau Partik-Pablé hat gar nicht so applauswütig gewirkt. Sie wird sich etwas dabei gedacht haben, sie war nämlich selbst einmal als Untersuchungsrichterin in einer heiklen Causa tätig, in der natürlich alles sofort politisch ausgelegt wurde, und sie wird sich vielleicht in dieser heutigen Debatte an die politischen Anwürfe von damals erinnert haben.

Was Sie hier mit dem Beispiel des Untersuchungsrichters Erdei vorgebracht haben, ist skandalös, Frau Abgeordnete Fekter! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Nein!) Es ist skandalös, einen Untersuchungsrichter – ich sage dies, ohne hier irgendjemanden in Schutz nehmen zu wollen – vorzuführen, ihn von A bis Z vorzuführen, zu behaupten, er kennt nicht dies, er kennt nicht jenes, er soll ohnedies nicht versetzt werden, nein!, aber eigentlich ist er unfähig, ungeeignet und gehört sofort weg, weil er auch noch plaudert. Irgendetwas wird er ausgeplaudert haben, er gehört weg.

Herr Tancsits nickt: Ja, er gehört weg! So stellen wir uns einen ÖAAB-Personalvertreter vor: Er sagt, der Untersuchungsrichter gehöre weg. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Genau das ist die Auffassung von Personalvertretungspolitik von Seiten der ÖVP. Der ÖAAB-Generalse


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kretär sagt: Ja natürlich, solche Herren gehören weg! Wenn sie nicht kuschen, dann gehören sie weg!

Ich habe aus der Debatte etwas gelernt. (Abg. Murauer: Hoffentlich, Herr Abgeordneter!) Ablöse ist nicht Versetzung, oder umgekehrt: Vertretung ist etwas anderes als Versetzung. Aber beides, meine Damen und Herren, lässt sich unter dem Begriff "Ablöse eines Untersuchungsrichters" zusammenfassen. Für die Öffentlichkeit ist es egal: Wenn Herr Erdei – und das war ja geplant – auch nur eine Vertretung übernehmen hätte sollen, so ist es doch eine Ablöse von einem höchst sensiblen Fall. Das hatten Sie offensichtlich vor! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Und das haben Sie in der heutigen Debatte nicht einmal mehr zu vertuschen versucht, sondern Sie haben nur gesagt: Bitte, es gibt ja einen Unterschied zwischen Vertretung und Versetzung.

Ich komme noch auf einen Punkt zu sprechen, nämlich auf Herrn Muckenschnabel, von dem der Herr Justizminister sagt: Die Qualifikation will ich nicht kommentieren! 84 Jahre alt ist der Gute, ein Graphologe, also kein Schriftsachverständiger! Es ist sehr wohl schon früher kritisiert worden, Herr Abgeordneter Graf, dass man einen Graphologen, also einen, der die Schrift nach psychologischen Kriterien interpretiert, zum Schriftsachverständigen ernannt hat; keinen wirklichen Schriftsachverständigen, sondern einen Graphologen!

Das kann man in der Perlen-Reihe nachlesen, was die Graphologie kann. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das hat nichts mit Wissenschaft zu tun, meine Damen und Herren! Da können Sie die Pixi-Bücher oder die Perlen-Reihe-Bücher kaufen und sich kundig machen und dann selbst ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... die Aussage des Herrn Justizministers interpretieren. Es ist doch skandalös, dass ausgerechnet Sie als Justizminister nach dem Fall Gross noch sagen: Über einen Schriftsachverständigen will ich mich verschweigen! (Rufe bei den Freiheitlichen: Aus! Aus! – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ja unglaublich! – Abg. Dr. Khol: Abdrehen!) Ein Schriftsachverständiger, der von einem Gutachten ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Um den Schlusssatz habe ich gebeten, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... die Unzurechnungsfähigkeit fällt, denn auch Herr Muckenschnabel kann sich an nichts mehr erinnern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Das war der Schlusssatz!

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. Verbleibende Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

17.36

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Dr. Pilz: "Herr Bürgermeister"!) Das Misstrauen der SPÖ einem Justizminister gegenüber ist für mich absolut nachvollziehbar. Aus Ihren Reihen, aus den Reihen der SPÖ, ist ja jener Justizminister gekommen, der den größten parteipolitisch motivierten Einfluss auf die Staatsanwälte ausgeübt hat, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zwar ohne Hemmungen! So wie Broda war, so müssen offensichtlich nach Ihrer Meinung alle Justizminister sein. Deshalb vermutet oder schiebt Herr Klubobmann Kostelka heute Justizminister Böhmdorfer in die Schuhe (Abg. Edlinger: Das ist sehr vermessen, den Böhmdorfer mit dem Broda zu vergleichen!), dass er die Spuren seiner Einflussnahme verwischen würde. Offensichtlich können Sie gar nicht in anderen Kategorien denken, Herr Abgeordneter Kostelka (Beifall bei den Freiheitlichen), als dass ein Justizminister widerrechtliche Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft erteilt.


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Kollege Jarolim hat heute theatralisch erklärt, das sei der erste Hilfeschrei eines Untersuchungsrichters in der Justizgeschichte Österreichs gewesen! Herr Abgeordneter Jarolim! Sie sind noch sehr jung, aber trotzdem können Sie sich vielleicht daran erinnern: Ich habe damals im AKH-Verfahren sehr viele Hilfeschreie losgelassen, weil nämlich Herr Minister Broda in einem hochbrisanten Verfahren über 20 widerrechtliche Weisungen erteilt hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! Also diese Hilfeschreie hat es schon oft gegeben, das ist nicht der erste Hilfeschrei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mittlerweile hat sich ja Wesentliches geändert (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel ), denn jetzt ist es nicht mehr möglich – Frau Abgeordnete Mertel, Sie sollten das auch wissen, aber an Ihnen ist offensichtlich die Gesetzgebung der letzten Jahre spurlos vorübergegangen, ebenso an Frau Kuntzl –, dass man Weisungen so mir nichts, dir nichts erteilt, wie das unter Broda der Fall gewesen ist. Es ist nicht mehr möglich, dass man nur anruft und sagt, was geändert werden soll, sondern jetzt müssen Weisungen schriftlich und mit Begründung erteilt werden. Es wäre also überhaupt nicht möglich, einen solchen Einfluss zu nehmen, wie Sie sich das vorstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Deshalb sind alle Verdächtigungen gegenüber dem Justizminister völlig aus der Luft gegriffen. (Abg. Öllinger und Abg. Mag. Kogler: Nein! Nein!) Es gibt diese Einflussnahmen nicht, und wenn, dann müssten sie sich ja schriftlich wieder finden. (Abg. Öllinger: Das ist Amtsverschwiegenheit!)

Aber dass die Gesetzgebung der vergangenen Jahre an Ihnen spurlos vorübergegangen ist und dass Sie offensichtlich keine Ahnung haben, welche Gesetze es in Österreich gibt, das geht auch aus Ihrer Frage 21 hervor. Da fragen Sie: "Was werden Sie unternehmen, um willkürliche Versetzungen von RichterInnen zu verhindern?"

Das gibt es doch überhaupt nicht, dass Sie nicht wissen, dass in Österreich ein Richter nicht willkürlich versetzt werden kann, sondern dass nur als Ausfluss eines Disziplinarverfahrens eine Versetzung möglich ist. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Herr Abgeordneter Kostelka! Sie sind Jurist, warum haben Sie Ihre Kollegen nicht beraten, wenn sie eine solche Frage stellen, die absolut absurd ist?

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, den Schlusssatz, bitte! Ihre Redezeit ist erschöpft!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Ich sage Ihnen Folgendes: Das, was Sie heute versucht haben, ist eine Verunsicherung aller Menschen dahin gehend (Abg. Öllinger: Nein, Sie wissen es besser!), dass mit der Justizpolitik in Österreich etwas nicht in Ordnung ist. Diesen Eindruck wollen Sie erwecken, und damit schaden Sie jedem ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, den Schlusssatz, bitte!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Ich sage ihn ja schon: Jeder, der vor einem Richter steht, wird dadurch verunsichert, und das sollen Sie bleiben lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Restliche Redezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Jung  – in Richtung SPÖ –: Damit bessern Sie Ihre Pleiten doch nicht aus!)

17.41

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Frau Partik-Pablé! Sie haben Ihren Schwindelzettel liegen lassen – "Broda" steht drauf. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Frau Dr. Partik-Pablé beginnt, den ehemaligen Justizminister Broda anzuschütten, dann weiß ich: Sie können zum Thema nichts sagen, weil es


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eng ist (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich kann sehr viel dazu sagen!), müssen sich dorthin flüchten, einen Justizminister anzuschütten, der als großer Justizreformer international höchst anerkannt ist – im Gegensatz zum jetzigen Minister. Das deutet wirklich irgendwie an, dass Sie in der Sache, die zur Diskussion steht, keine Argumente gehabt haben, um die Vorwürfe zu widerlegen.

Der Herr Justizminister ist vorhin aufgefordert worden, sich noch einmal zu Wort zu melden, hat sich aber in der Debatte kein zweites Mal zu Wort gemeldet. Die Antwort, die er uns gegeben hat, war sehr wortkarg – er hat sich hinter der Amtsverschwiegenheit versteckt. Er hat nicht geantwortet und auch darauf verzichtet, trotz Aufforderung aus den eigenen Reihen, sich noch einmal zu Wort zu melden.

Sie haben in der Debatte versucht, alles wegzureden, aber ich sage Ihnen: Es wird noch mehrere Debatten geben, es wird viele Zeitungsartikel geben, und so wird die Wahrheit eben Stück für Stück ans Tageslicht kommen – aber sie wird ans Tageslicht kommen, davon bin ich felsenfest überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses hat die Nicht-Antwort des Herrn Justizministers heute noch einmal nachdrücklich bewiesen. Sie sagen immer: Nicht jetzt einen Untersuchungsausschuss! – Ich vermute, das werden Sie auch heute sagen. Aber wann dann? – Immer dann, wenn eine Sitzung des Nationalrates ist, gilt offensichtlich das Nein.

Besonders enttäuscht bin ich von den KollegInnen der ÖVP: Hier herumzutüfteln und zu sagen, Versetzung sei etwas anderes, ist ja lächerlich. Es geht darum, dass diesem unbequemen Untersuchungsrichter offensichtlich der Fall hätte entzogen werden sollen. Und ob das jetzt Versetzung oder anders heißt, ist nicht der politische Punkt – das haben Sie nicht einmal bestritten. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Es ist darum gegangen, den Fall zu entziehen, und dass Sie das mittlerweile in einem derartigen Enthusiasmus verteidigen, bedauere ich zutiefst, weil ich gedacht habe, dass es in derart grundlegenden Dingen mit der ÖVP immer noch einen Grundkonsens gibt. – Ich bin enttäuscht worden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Also das geht ganz einfach nicht!)

17.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol. Verbleibende Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.43

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Damen und Herren! Die heutige Dringliche Anfrage war eigentlich in jeder Beziehung sehr erhellend (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler  – Abg. Edlinger: Jetzt kommt wieder der Oberlehrer!): Sie hat einmal mehr gezeigt, Frau Kollegin Kuntzl, dass Sie von den Fakten wirklich wenig wissen, denn sonst hätten Sie nicht Justizminister Böhmdorfer mit Justizminister Broda vergleichen können. Broda hat allein im AKH-Verfahren den Staatsanwälten 28 Weisungen erteilt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Widerrechtlich! – Zwischenrufe bei der ÖVP)  – 28 Weisungen! – und hat sich des Oberstaatsanwaltes Müller bedient, um alle damals verwickelten hohen Funktionäre sicher an der Anklage vorbeizumanövrieren. (Abg. Dr. Petrovic: Wollten Sie nicht "neu regieren"?!)

Im Gegensatz dazu hat dieser Justizminister heute in bemerkenswerter Knappheit (Abg. Öllinger: Amtsverschwiegenheit!), kühl und ohne politische Wertung dem Hohen Haus in Sachfragen Sachantworten gegeben. Und deshalb unterstützen wir ihn. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin auch sehr froh darüber, meine Damen und Herren, dass dieser weitere Versuch, die Justiz zu instrumentalisieren, gescheitert ist, heute offenkundig gescheitert ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist für uns unerträglich gewesen zu sehen, wie eine Woche vor der Wahl in Wien der Verfassungsgerichtshof durch eine Indiskretion ins Gerede gebracht wurde (Abg. Dr. Kostelka: Durch


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euch!), instrumentalisiert wurde für eure Zwecke. Es ist für uns unerträglich gewesen, wie eine Woche vor der Wahl plötzlich eine Justiz-Person geredet hat, geschwätzig wurde und sich hat instrumentalisieren lassen. Es ist das für uns unerträglich gewesen.

Jene, die das veranstalten, schädigen das Ansehen der Justiz, wie zum Beispiel mit einem Gutachten (Abg. Öllinger: Für uns ist es unerträglich, wenn ein Justizminister schweigt!), in dem nichts von dem drinsteht, was den Zeitungen mitgeteilt wurde, das plötzlich aufgespielt wurde.

Sie, meine Damen und Herren, schaden mit derartigen Instrumentalisierungsversuchen der Justiz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Dann macht einen Untersuchungsausschuss!)

17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlung über den 5. Punkt der Tagesordnung betreffend den österreichischen Familienbericht wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Binder. Ich erteile es ihr.

17.46

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zurück zur Tagesordnung, zum Familienbericht 1999.

Lassen Sie mich feststellen, dass dieser Bericht sehr umfassend ist, denn er enthält nicht nur die demographischen Entwicklungen, sondern auch rechtspolitische, wirtschaftliche und vor allem familienpolitische Themen und gibt diesen Themen, die wissenschaftlich untersucht wurden, einen breiten Raum.

Die Kurzfassung, meine Damen und Herren, mit der wir zu allererst im Ausschuss abgespeist wurden, hat bei weitem nicht jene Qualität und Aussagekraft wie der umfangreiche tatsächliche Bericht.

Der Inhalt ist eine wissenschaftliche Grundlage, und ich gebe meinen Vorrednerinnen Recht, die meinen, dass die politischen Entscheidungen hier im Parlament gefällt werden. Festhalten möchte ich aber, meine Damen und Herren, dass sich der Stellenwert der Familie im vergangenen Jahrzehnt wenig geändert hat, dass aber trotzdem ein gewisser Wandel feststellbar ist: Es gibt weniger Kinder, weniger Eheschließungen und mehr Scheidungen!

Der Soziologie Rudolf Richter spricht von keinem Bedeutungsverlust der Familie, wohl aber von einem Bedeutungsverlust der Ehe.

Die logische Konsequenz, meine Damen und Herren, ist, die Vielfalt der unterschiedlichen Lebensformen zu respektieren, zu akzeptieren und unterschiedlichste Hilfestellungen anzubieten. Ich bin der Meinung – und darin stimme ich mit Ihnen überein, Frau Kollegin Lunacek –, es kommt auf die Qualität des Zusammenlebens an. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek. )

In diesem Bericht ist auch festgehalten, dass Partnerschaften einen hohen Stellenwert haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage, dass es keine bestimmten Rollen- und Verhaltensmuster mehr gibt, sondern dass es zu so genannten Aushandlungsfamilien gekommen ist.

Von der Ebene der Erwachsenen zurück zur Ebene der Kinder. In diesem Zusammenhang möchte ich, meine Damen und Herren, auf die Bemerkung von Frau Kollegin Steibl eingehen und diese auf das Allerschärfste zurückweisen! Frau Kollegin Steibl, ich habe immer geglaubt,


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dass die ÖVP sachlich fundiert argumentiert, aber Ihre Aussage zu den Kindern und zu uns Sozialdemokraten ist wirklich aus der untersten Schublade gekommen. Ihre Aussage ist unerträglich! Es ist unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Ebene der Kinder, und in diesem Zusammenhang noch eine Frage: Frau Kollegin Steibl, Sie sprechen von einem Steuerabsetzbetrag für Kinderbetreuung von 6 000 S. (Abg. Steibl: Ja!) Kann ich davon ausgehen, dass es dann, wenn man ein niedriges Einkommen hat, wenn man also zu wenig Steuern zahlt, um die 6 000 S zu erreichen, zu einer Negativ-Auszahlung kommt, nämlich zu einer Aufstockung? – Das wäre Gerechtigkeit. Ich glaube es aber, Frau Kollegin Steibl, in Anbetracht der unsozialen Maßnahmen, die Sie bis jetzt gesetzt haben, nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es stellen sich viele Fragen, wie zum Beispiel: Wie leben Kinder unter den veränderten Bedingungen? Wie gehen Kinder mit veränderten Bedingungen im Familienverband um? Welche Auswirkungen haben Veränderungen auf Kinder? Welche Konsequenzen haben veränderte Partnerschaften für Kinder? – Mir fällt in diesem Zusammenhang das Stichwort "Stieffamilien" und das Stichwort "Patchworkfamilien" ein.

Herr Minister! Ich denke, es ist an der Zeit, wissenschaftliche Untersuchungen und Studien zu initiieren, denn sie sind notwendig, um zu erkennen, welche neuen Rahmenbedingungen Kinder brauchen, welche Unterstützungen Kinder brauchen und welche Hilfestellungen Kinder brauchen.

Zahlen und Fakten zum Familienstand in Österreich: Es gibt in Österreich rund 2,2 Millionen Familien, rund 1,1 Millionen Ehepaare mit Kindern, 190 000 Lebenspartnerschaften und 290 000 Alleinerzieherinnen. Das heißt, meine Damen und Herren, dass das Familienthema auch ein Generationenthema ist.

Meine Damen und Herren! All diese Fragen sind eine Herausforderung für die Politik, aber auch eine Herausforderung für die Gesellschaft. Kinderfeindliche und elternfeindliche Strukturen beeinflussen natürlich die Entscheidung, Kinder zu bekommen. Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel ausreichende Teilzeitarbeitsplätze, ausreichende Betreuungsmöglichkeiten, einkommensabhängiges Karenzgeld, Sachleistungen, Dienstleistungen, neue Arbeitszeitmodelle, Elternzeitmodelle sind notwendig, damit Männer und Frauen, Eltern, Verantwortung für Kinder übernehmen können und auch wollen.

Was sagt Sieglinde Rosenberger in einem ihrer Beiträge? – Ich zitiere:

Familienpolitik lässt sich nicht auf die Frage des materiellen Wohlergehens von Familien, das heißt auf Formen des Zusammenlebens mit Kindern, beschränken. Unmittelbar angesprochen sind vor allem auch die Organisation der Arbeitswelt, Arbeitsteilungen und ganz besonders die Geschlechterbeziehungen, denn nur dadurch kann und wird Familie, Partnerschaft lebbar, leistbar und erstrebenswert. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Die wissenschaftlichen Grundlagen liegen auf dem Tisch – die Taten dieser Bundesregierung sprechen aber eine andere Sprache! (Beifall bei der SPÖ.)

17.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.53

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Aus dem Familienbericht des Jahres 1999, den, wie ich annehme, alle Abgeordneten gelesen haben, wurde anscheinend Unterschiedliches herausgelesen. So interpretieren zum Beispiel Kollegin Mertel und Kollegin Lunacek das, was da drinnen steht, anders als Kollegin Steibl, Kollegin Haller und ich.


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Meine Damen und Herren! Die große Befürchtung, dass die Familie in der Krise ist, trifft eigentlich nicht zu. Das geht aus dem vorliegenden Bericht hervor. Am Stellenwert von Ehe und Familie hat sich eigentlich wenig geändert. Familie, Partnerschaft und Elternschaft sind nach wie vor äußerst geschätzte Werte. Das geht auch aus diesem Familienbericht hervor. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Kernfamilie, nämlich Paare mit Kindern und ohne Kinder, die im selben Haushalt leben, oder Elternteile mit Kindern, ist heute noch die häufigste Lebensform – trotz aller anderen Formen. Die Zahl der kinderlosen Paare nimmt zu, es gibt immer weniger und immer mehr spätere Geburten. Ein Rückgang bei den Eheschließungen ist ebenfalls zu verzeichnen, ebenso ein gleichzeitiger Anstieg von Scheidungen.

Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau beträgt heute in Österreich 1,34. Das ist der niedrigste Wert, der in Österreich je verzeichnet worden ist. In Nordeuropa ist er wesentlich höher, im Süden Europas, in Italien und Spanien, etwas niedriger.

Bei der Aufteilung der Familienarbeit hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert. Die Familienarbeit wird zum größten Teil nach wie vor vom weiblichen Partner geleistet. Das Rollenbild und das Selbstverständnis der Männer ist zwar im Wandel begriffen, der überwiegende Beitrag zur Erholung und zur Pflege von Familienmitgliedern oder zu Hilfeleistungen für diese wird aber nach wie vor von Frauen geleistet. Zudem sind Mütter die Hauptbetreuungspersonen von Kindern, auch wenn sie erwerbstätig sind. Die Erziehungsarbeit wird zu 80 Prozent von Frauen geleistet, sie ist nach wie vor Frauensache.

Es sind fast immer die Frauen, die, wenn sich in einer Familie Nachwuchs einstellt, ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, während der berufliche Werdegang der Männer durch die Geburt von Kindern kaum beeinflusst wird. Auf 120 Mütter, die in Karenz sind, kommt ein Vater, und die Hälfte dieser Männer war auch vorher arbeitslos. Sonst gehen die Männer nicht in Karenz.

Die Tatsache, dass die Familienarbeit größtenteils von Frauen geleistet wird, hat hauptsächlich wirtschaftliche Gründe. Die Frauen haben durchschnittlich ein niedrigeres Qualifikationsniveau als die Männer; das ist heute noch zu verzeichnen. Die Frauen erzielen auch niedrigere Einkommen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. )

Frau Kollegin! Sie waren doch Frauenministerin, aber Sie haben da nichts bewirkt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie brauchen das nicht zu bejammern, denn das ist ein Bericht aus dem Jahr 1999. (Abg. Binder: Dafür war Bartenstein zuständig!)

Meine Damen und Herren! Frauen haben auch geringere Aufstiegschancen. An dieser Situation haben Sie auch nichts verändert. Diese Bundesregierung ist bestrebt, das zu verändern und wesentliche Vorteile für die Frauen zu verwirklichen.

Der Anteil der Frauen bei den Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten ist wesentlich höher als jener der Männer, und Frauen sind auch wesentlich länger in der Arbeitslosigkeit als Männer.

Der Wiedereinstieg der Frauen in das Berufsleben sieht so aus, dass die Chance, nach der Karenz denselben Arbeitsplatz wieder einzunehmen, mit der Länge der Dauer der Karenzzeit sinkt und auch auf Grund verschärfter Arbeitsmarktbedingungen kleiner wird. Je länger die Familienpause dauert, umso schwieriger ist für die Frauen die Rückkehr in die Berufswelt. Dort gehört der Hebel angesetzt. Beruf und Familie müssen besser vereinbar sein. Das wird im Regierungsprogramm auch umgesetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bei allen Arbeitszeitmodellen, insbesondere bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen, spielen wirtschaftspolitische Aspekte eine große Rolle, während familienpolitische Aspekte kaum Berücksichtigung finden. Ob es sich nun um flexible Arbeitszeit, Teilzeitarbeit oder geringfügige Beschäftigung handelt, diese Beschäftigungsmodelle werden nur dort angewandt, wo es der Wirtschaft hilft, und nicht dort, wo es den Familien hilft. Auf Familien wird dabei kaum Rücksicht genommen. Wir werden uns daher dafür einsetzen, dass Wiedereinstiegshilfen verstärkt angeboten und gezielt eingesetzt werden.


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Ich möchte auch zur Kinderbetreuung etwas sagen: Es ist heute schon angeklungen, dass wir zu wenig Ganztagskindergärten haben. Aus dem Bericht geht jedoch hervor, dass mehr Ganztagskindergartenplätze angeboten werden als angenommen werden. 76 Prozent der Betroffenen – das hat auch der Herr Bundesminister in seiner Stellungnahme erwähnt – sind mit den Öffnungszeiten relativ zufrieden, aber 24 Prozent sind auch für ein Offenhalten in der Ferienzeit, in der Sommerzeit. Jede zehnte Familie mit Kindern unter fünf Jahren wünscht, dass Kindergärten nachmittags etwas später schließen. Ein Großteil der Bevölkerung wünscht sich auch, dass für die unter Drei- und Vierjährigen mehr getan wird. Das wird mit dem Kindergeld jetzt umgesetzt. Das ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber der alten Lösung. Einen Hebel müssen wir auch bei der Betreuung von schulpflichtigen Kindern vom 6. bis zum 14. Lebensjahr ansetzen. Dort muss auch noch etwas getan werden.

Wir sind jedenfalls mit dem Kinderbetreuungsgeld auf dem richtigen Weg. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Deswegen verstehe ich eigentlich die Arbeiterkammer als Interessenvertretung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Österreich nicht, wenn sie in ihrem Beitrag vom März 2001 auf der vorletzten Seite Folgendes schreibt:

"Der Anrechenbarkeit als Pensionszeit steht keine Finanzierung gegenüber. Diese zusätzlichen Kosten muss offenkundig die Pensionsversicherung tragen – ohne entsprechende Beiträge dafür einzunehmen." – Die Arbeiterkammer schreibt das in Bezug auf das Kinderbetreuungsgeld.

Der Herr Bundesminister hat das auch schon klargestellt: Diese Pensionsversicherung wird aus dem FLAF bezahlt, es werden die Kosten dafür vom FLAF getragen und nicht der Pensionsversicherung aufgebürdet. Das finde ich auch vollkommen richtig. Damit können jene Frauen, die Kinder erziehen, wesentlich besser eigene Pensionszeiten erreichen.

Dafür zu sorgen, dass Beruf und Familie besser vereinbart werden können, das ist die Aufgabe dieser Bundesregierung! Das werden wir noch in dieser Legislaturperiode umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Untersuchungen unter der österreichischen Bevölkerung zeigen regelmäßig, welch hohe Bedeutung der Familie beigemessen wird. Aus einer Umfrage, die im Familienbericht zitiert wird, geht hervor, dass 75 Prozent der Österreicher der Meinung sind, dass eine Familie notwendig ist und dass eine Familie dazu gebraucht wird, um glücklich zu sein. Ich halte diesen hohen Anteil für bemerkenswert. Daher messe ich auch dem Familienbericht einen solch hohen Stellenwert zu.

Familien bedeuten Humanvermögen. Volkswirtschaft und Gesellschaft profitieren eigentlich gegenseitig von verantwortungsbewusster Familienpolitik. In den Familien und in den Kindern liegt eigentlich unsere Zukunft. Wir müssen schon heute dafür Sorge tragen, dass ihnen jene Bedeutung zugemessen wird, die sie auch tatsächlich verdienen.

Meine Damen und Herren! In den Familien wird der zukünftige Staatsbürger geformt, werden seine Einstellungen geprägt und ihm Werte vermittelt. Gerade heute sprechen wir gerne von sozialer Kompetenz oder von emotionalem Lernen. Wo wird das eigentlich vermittelt? – Am besten sicherlich im Familienverband, und deshalb ist jeder Schilling, der in die Familien investiert wird, gut angelegtes Kapital. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Vor allem für die Volkswirtschaft sind Investitionen in die Familien von Bedeutung. Denken wir schlicht und einfach zum Beispiel an die zukünftigen Bevölkerungsentwicklungen! Die Familie bleibt zentrales Leitbild für die österreichische Bevölkerung. Es gibt aber leider – das ist schon von einigen Rednern angesprochen worden – weniger Kinder und weniger Eheschließungen, gleichzeitig mehr Scheidungen. Der Trend geht auch dahin, später zu heiraten und später Kin


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der zu bekommen. Es ist notwendig, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Das wird jedoch nur dann möglich sein, wenn wir die Mittel, die den Familien zustehen, in Zukunft auch tatsächlich für die Familien verwenden und mit einer Politik, wie in der Vergangenheit von der SPÖ betrieben, aufhören, bei welcher Gelder, die eigentlich den Familien zugestanden wären, für andere Politikbereiche eingesetzt wurden.

Unser Ziel ist es, eine gerechte Familienpolitik zu betreiben, und zwar insofern, als wir den Familien in dem Maße Geld zukommen lassen, dass sie, auch wenn sie Kinder haben, ihren Lebensstandard weiterhin halten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Vielleicht haben unsere Maßnahmen bereits zur positiven Geburtenentwicklung vom Jahr 1999 auf das Jahr 2000 beigetragen. Es muss wieder attraktiver werden, eine Familie zu gründen, denn wir wissen, wenn wir uns die Entwicklung genau ansehen, dass unsere Gesellschaft schon jetzt langsam "ergraut" und die Erwerbsfähigen von Jahr zu Jahr weniger werden.

Die Familien tragen sehr wesentlich zum Wohlstand der Gesellschaft bei, die Berechnungen über die von den Familien erbrachten Leistungen schwanken zwischen 35 und 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Daher sind die Leistungen der Familien für unsere Gesellschaft eigentlich überlebenswichtig. Es ist wichtig, dass in diese Richtung Maßnahmen gesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Punkt ist für uns auch die Flexibilität bei der Kinderbetreuung. In diesem Zusammenhang nur eine kurze Bemerkung zu Frau Kollegin Binder, die in Bezug auf das Kinderbetreuungsgeld gesagt hat, die Vorstellungen der SPÖ gingen in die Richtung: Je höher das Einkommen einer Familie, desto höher das Kinderbetreuungsgeld. – Unsere Vorstellung hingegen lautet: Nicht die Höhe des Einkommens ist entscheidend, sondern jedes Kind ist gleich viel wert. Und ich finde das auch sozial gerechter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es kann wirklich nicht so sein, dass hohes Einkommen ein hohes Kinderbetreuungsgeld und niedriges Einkommen ein niedriges Kinderbetreuungsgeld zur Folge hat. Da liegen Sie absolut schief!

Die Regierungsarbeit von ÖVP und FPÖ sorgt dafür, dass die Weichen in die richtige Richtung gestellt werden. Kinderbetreuungsgeld ist ein bedeutendes Beispiel dieser zukunftsorientierten Politik und ein Beispiel dafür, was wir unter "neu regieren" verstehen.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, mit Sparsamkeit, Innovationsgeist, Kreativität und Ideenreichtum können wir die Zukunft positiv gestalten, und von diesen Begriffen werden auch zukünftige Generationen im Zusammenhang mit der Regierungsarbeit der heutigen Bundesregierung einmal sprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.04

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Mein Vorredner hat mit einem sprichwortähnlichen Satz geendet, ich fange mit einem Sprichwort an: Für seine Arbeit muss man Zustimmung suchen, aber niemals Beifall.

Meine Damen und Herren! Sie haben kurzfristig für das Kinderbetreuungsgeld Beifall erhalten, als Sie in den Wahlkampf gegangen sind und 6 000 S angekündigt haben. Wie die Zustimmung dazu jetzt ausschaut, das haben die Wiener Wahlen am vergangenen Sonntag gezeigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, es hat Herr Abgeordneter Bruckmann sehr deutlich, eigentlich am allerdeutlichsten zum Ausdruck gebracht, wo uns da die Geister scheiden. Er hat den Familienbericht zitiert und


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angeführt, wie viele Familien es in Österreich noch gibt, hat dabei aber ganz klar und deutlich AlleinerzieherInnenhaushalte, Haushalte mit größeren Kindern und "Patchworkfamilien" einfach aus der Liste der Familien gestrichen.

Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist der Unterschied! Wir Sozialdemokraten definieren Familie ganz anders. Jeder Mensch definiert für sich, was und wer für ihn und sie Familie ist. Das kann niemand – ganz und gar nicht die Politik! – für diesen Menschen beantworten. Das können meine Kinder, mein Mann, meine Eltern oder meine Geschwister sein, das kann aber genauso gut unter Umständen eine Nachbarin sein, neben der ich 30 Jahre lang lebe und die vielleicht die Patentante meiner Kinder ist.

Das ist individuell zu beantworten. Lassen Sie also dieses Gefühl dort, wo es hingehört! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie Sie die Familie und deren Aufgaben sehen, haben wir heute auch schon sehr deutlich gehört, nämlich als die Frau Vizekanzlerin in der Fragestunde auf das Kindergeld insofern eingegangen ist, als sie ausschließlich von Frauen gesprochen hat. Ich konstatiere: Frau Riess-Passer lebt in einer österreichischen Gesellschaft, die vater- beziehungsweise väterlos ist. Wir gehen nicht davon aus, dass diese Gesellschaft jetzt und in Zukunft väterlos sein wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.  – Abg. Haller: Für die gemeinsame Obsorge waren Sie nicht!)

Frau Abgeordnete Haller! Wissen Sie, je länger Sie mich und die sozialdemokratische Frauenpolitik kritisieren, umso sicherer bin ich, dass wir es richtig gemacht haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Es ist noch nicht aller Tage Abend!)

So wie Sie hätten wir nie und nimmer Politik gemacht und werden es auch in Zukunft nicht tun. Das, was Sie jetzt mit dem Kindergeld machen, ist ja eine wirkliche Unglaublichkeit. Ich wiederhole: Es ist eine Zumutung, den jungen Familien die Antwort so lange schuldig zu bleiben – egal, wie es letztendlich ausschaut. Die wollen wenigstens wissen, woran sie sind. Und genau das tun Sie aber nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie verkaufen eine Zuverdienstgrenze von 200 000 S als den tollen Erfolg, sagen aber nicht dazu, dass Sie die Teilzeitkarenz abschaffen – ein Mittel, das endlich zu greifen begonnen hat, bei dem es lediglich darum gegangen wäre, endlich auch einen Rechtsanspruch auf Teilzeit mit dem Rechtsanspruch auf Rückkehr zur Vollzeit zu schaffen. Sie aber schaffen gleich die gesamte Teilzeitkarenz ab. Das ist die Alternative à la Schwarz und à la Blau! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Dolinschek, Sie irren, wenn Sie meinen, dass die Qualifikation der Frauen schlechter sei als die der Männer. – Nein, das ist sie nicht, Frauen sind in Österreich genauso gut qualifiziert wie Männer. (Abg. Dolinschek: Das steht aber im Bericht!) Dafür haben die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit ihrer Bildungspolitik der siebziger Jahre schon gesorgt. Jetzt geht es darum, den Frauen auch die entsprechenden Chancen zu geben. Doch dort scheiden sich die Geister, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Koalition! Wenn Sie von Überversorgung bei den Kinderbetreuungseinrichtungen reden, dann weiß ich nicht, wo Sie leben. (Abg. Haller: Das steht im Bericht!) Wenn ich in meinem Heimatbundesland in den Bezirk Rohrbach komme, sehe ich weit und breit nichts von Überversorgung. (Abg. Haller: Das steht im Bericht!) Da sehe ich nicht einmal etwas von Flächendeckung. (Abg. Großruck: Wir brauchen Versorgung! Überversorgung brauchen wir eh keine!)

Was die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen betrifft, sage ich Ihnen Folgendes auch ganz klar, Herr Minister: Für jene Eltern, die die Versorgung für sich schon garantieren mussten, weil sie ja wissen mussten, wie sie leben können, ist die ausreichende Versorgung eine No-na-Frage. Herr Minister, Sie müssen jene fragen, die suchen, und jene fragen, die warten, dann kriegen Sie die richtigen Antworten. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ließe sich über das Thema Kindergeld noch sehr lange diskutieren, ich hoffe, dass wir dazu noch die Gelegenheit haben werden. Ich bin jetzt wirklich schon neugierig darauf, wann endlich der Entwurf dieses Gesetzes kommt.

Herr Minister! Wie halten Sie es denn mit der Ankündigung, dass der Gesetzentwurf einen Monat lang in Begutachtung sein wird? Ich nehme Sie auf alle Fälle beim Wort und bin gespannt, ob dieser Gesetzentwurf tatsächlich einen Monat lang in Begutachtung sein wird. Eines sage ich Ihnen aber schon jetzt: Ich denke, dass im Familienausschuss – eigentlich gehörte das Ganze in den Sozialausschuss – unbedingt auch ein Hearing stattfinden sollte. Ich hoffe, die Regierungsparteien werden dementsprechend vorgehen und nicht so wie in vielen anderen Ausschüssen die Wünsche der Opposition einfach in den Wind schlagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein paar Bemerkungen in Sachen Kindergeld. Es ist schon bemerkenswert, wenn sich die Wirtschaft – ich habe hier eine Aussendung des Herrn Präsidenten Leitl vom 10. März – sehr, sehr skeptisch in Sachen Kindergeld äußert. Erstens rechnen die Wirtschaftsvertreter nicht damit, dass das auf Dauer finanzierbar ist, und zweitens rechnen sie sehr wohl damit, dass ganz andere die Rechnung dafür zu bezahlen haben, nämlich jene, bei denen wirklich Maßnahmen notwendig wären. Das hat Leitl richtig erkannt. Das, was Sie nicht erkennen, erkennt Leitl, wenn er ganz deutlich sagt: Was ist denn nach den drei Jahren? Das Kindergeld ist nur eine Sache von drei Jahren, was passiert in den restlichen 13 oder 16 Jahren mit den Kindern? – Die Antwort darauf bleiben Sie restlos schuldig.

Leitl redet von notwendigen Begleitmaßnahmen, aber auf diese Idee sind Sie überhaupt noch nicht gekommen. Wenn ich Frauen so lange aus dem Erwerbsprozess nehme, dann muss ich später sehr viel Geld aufwenden, um ihnen dann mit echten, großen Offensiven die Chance zu geben, auch wieder in den Beruf zurückkehren zu können. (Abg. Großruck: Wer nimmt Frauen aus dem Erwerbsprozess?)

Aber wie lautet Ihre Antwort darauf? – Sie ist im Ministerratsbeschluss nachzulesen: Die Frauen dürfen ohnedies bei dieser langen Bezugsdauer von Kindergeld ein bisschen Urlaubsvertretung machen, da und dort ein bisschen Teilzeitarbeit machen – deshalb haben wir die Zuverdienstgrenzen anheben müssen –, aber davon, die Qualifikation nachzuholen und aufzuholen, davon reden Sie nicht. (Abg. Steibl: Sie dürfen um vieles mehr dazuverdienen!)

Frau Steibl! Ich habe im Budgetausschuss ohnehin alle gefragt – ich habe Herrn Minister Haupt gefragt, und ich habe Herrn Minister Bartenstein gefragt! Herr Minister Bartenstein hat eindeutig gesagt, er kennt keine Wiedereinstiegsoffensive. Also wenn nicht einmal die Regierungsmitglieder davon wissen, dann bin ich sicher, dass sie auch nicht kommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mit einem Sprichwort begonnen, und ich werde mit einem Sprichwort aufhören: "Ein kluger Gedanke hat es schwer, sich durchzusetzen, aber Narrheiten breiten sich aus wie Steppenbrände." – Das erlebe ich jetzt bei Ihrer Familienpolitik. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Das Kindergeld ist ein kluger Gedanke!)

18.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zierler. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.12

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Prammer! Vielleicht darf ich Sie einmal einladen. Sie benutzen hier Theorien, mit Theorien bewerten Sie das Kinderbetreuungsgeld. Wir haben hier eine Einladung von meinem Nationalratskollegen, Herrn Bürgermeister Knerzl aus Öblarn in der Steiermark, wo das Kindergeld in diesem Jahr eingeführt wurde. Wir haben auch die Erfahrungswerte aus Kärnten, wo das Kindergeld im Zuge von Pilotprojekten bereits im Vorjahr ausbezahlt wurde. Vielleicht darf ich Sie einladen: Schauen Sie sich das einmal vor Ort an und sprechen Sie mit den beteiligten Familien, damit Sie vielleicht einen anderen Zugang finden und nicht nur theoretisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Wenn ich sehe, mit welcher Betroffenheit hier über einen Familienbericht gesprochen wird, dann möchte ich sagen: Wir wissen, dass es Mängel gibt, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem von der SPÖ, Sie wissen schon, dass wir hier über den Familienbericht sprechen, der in einer Zeit entstanden ist, als Sie in der Regierung waren. Das heißt, wir sprechen heute und hier über Ihre Politik, und das sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Wir reden über Ihre Handlungen! )

Wir wissen, dass Familie, Partnerschaft und Elternschaft geschätzte Werte sind. Ich glaube, das wird von niemandem, nicht einmal von Ihnen, in Frage gestellt. Das heißt, die Menschen in Österreich hätten gerne Kinder, und für die Menschen in Österreich ist Familie kein inhaltsleeres Schlagwort. Diesbezüglich sind die Familien in Österreich in den letzten Jahren von der Politik im Stich gelassen worden.

Die SPÖ-Politik hat nämlich Kinder weitgehend zur Privatsache erklärt. Wenn es um Kinder einer bestimmten Frauengruppe, zum Beispiel von Bäuerinnen, gegangen ist, dann war das gänzlich Privatsache. Gleichzeitig wurde die Gesellschaft allerdings auf den Generationenvertrag eingeschworen. Das heißt, die finanziellen Probleme von Menschen, die Kinder bekommen, sie auf- und großziehen, waren für die SPÖ insofern bequem, als sie diese zur Privatangelegenheit erklärt haben, speziell, wenn es sich um Kinder von Frauen handelte, die nicht in das Familien- und Frauenbild der sozialistischen Politik gepasst haben.

Sie haben auch immer wieder eine Steuersenkung gefordert. Reden wir vielleicht einmal über die Familiensteuerreform der alten Regierung. Wann immer es heißt: Steuersenkung statt Kindergeld – wobei bei Ihnen aus alter Gewohnheit Steuersenkung zur Steuererhöhung mutiert; das muss man auch sagen –, wenn die Familien von Ihnen immer als Budgetgewinnler hingestellt werden, weil die "ach so reichen Familien" auf Kosten aller Steuerzahler quasi mit Geld gestopft werden, das sie nicht brauchen, dann möchte ich hier einmal klarstellen: Ihre Familiensteuerreform, die Sie übrigens nicht freiwillig gemacht haben, sondern machen mussten, weil sich einige couragierte Staatsbürger Ihre Familienbelastungspolitik nicht mehr gefallen ließen, wurde zur Hälfte aus dem Budget finanziert! (Abg. Dr. Mertel: Sie haben keine Ahnung! Nicht in diesem Ausmaß!)

Das heißt, Sie haben den Familien zuerst etwas weggenommen, um es den Familien dann wieder zu geben. (Ironische Heiterkeit des Abg. Gradwohl. ) Das war Ihre Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Andererseits hat Herr Edlinger schamlos – nicht einmal zwecks Budgetsanierung, sondern lediglich zwecks Budgetkaschierung  – in den FLAF hineingegriffen. Und derselbe Edlinger wollte übrigens die Mittel des FLAF, also jene Mittel, die dem Ausgleich zwischen Kinderlosen und Familien mit Kindern dienen, zur Wirtschaftsförderung heranziehen.

Meine Damen und Herren! Das war die Familienpolitik der SPÖ! Es liegt uns hier ein Familienbericht vor, der uns Auskunft über Ihre Politik gibt. Wir können Ihnen eines garantieren: Wir werden es in Zukunft besser machen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Wie haben Sie den Wahlsonntag überlebt?)

18.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Prammer zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie dem den berichtigten Sachverhalt gegenüber.

18.16

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Frau Abgeordnete Zierler hat hier fälschlicherweise von der Familienpolitik der früheren Regierung gesprochen (Abg. Wattaul: Sie haben keine gemacht!) und uns unterstellt, dass wir das Familienressort innegehabt hätten.


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Ich stelle richtig: Viele Jahre hindurch hat es ausschließlich ÖVP-Familienminister gegeben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Schwach, schwach, Frau Ex-Ministerin!)

18.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Ellmauer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.17

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Familie ist die Keimzelle des Staates. Intakte Familien sind ja auch das Fundament unserer Gesellschaft. Wir alle profitieren von den Leistungen der Familien und bemühen uns, dass das so bleibt, dass diese Leistungen weiterhin erbracht werden können.

In der Familie findet die menschlichste Form der Kindererziehung statt, und dort ist auch die effektivste Form der Pflege der Angehörigen angesiedelt. All das erledigen unsere Familien im Dienste unserer Gesellschaft. Solange die Familien diese Leistungen vollbringen, sind sie für den Staat eigentlich unbezahlbar und unersetzbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In den 2,245 Millionen Familien in Österreich wohnen und leben zirka 2,4 Millionen Kinder, und Österreich kann stolz sein auf seine Familien und deren Arbeit. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist deshalb eine zentrale Herausforderung unserer Gesellschaft. Ein vom Ministerium bereits vor zwei Jahren begonnenes Audit mit dem Titel "Familie und Beruf" – Frau Kollegin Prammer, das ist offenbar an Ihnen vorübergegangen – trägt vortrefflich dazu bei. Alle Firmeninhaber sind sich dessen bewusst, dass ihr größtes Kapital motivierte Mitarbeiter sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und die Vergabe von Gütezeichen an Betriebe, die den Bedürfnissen der Familie entgegenkommen, fördert die Motivation der Mitarbeiter und sichert damit auch die Arbeitsplätze. (Abg. Mag. Prammer: Wie viele Teilzeit-Arbeitsplätze gibt es dort?)

Frau Kollegin! Ebenso ist die neue Aupair-Verordnung ein wichtiger Schritt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies bestätigt uns auch der Österreichische Familienbund in einer Aussendung vom vergangenen Dienstag. (Abg. Dr. Mertel: Das ist wahrlich hilfreich!)

Frau Kollegin! Allen Unkenrufen zum Trotz bestätigt auch der Familienbericht 1999, der übrigens sehr übersichtlich und ordentlich erstellt wurde – ich bedanke mich dafür bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Ihres Ministeriums, Herr Minister! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen)  –, dass der Stellenwert von Ehe und Familie in Österreich nach wie vor sehr hoch ist.

In diesem Sinne müssen wir Maßnahmen setzen, die eine Steigerung der Geburtenrate in Österreich zum Ziel haben. Nur so können wir im Sinne des Generationenvertrages in eine gesicherte Zukunft unseres Landes blicken. (Beifall bei der ÖVP.)

An dieser Stelle sage ich den Damen und Herren von der Opposition noch einmal klipp und klar: Familiengeld muss den Familien zugute kommen und darf nicht sorglos für andere Dinge verwendet werden! Frau Kollegin Prammer, Sie wissen, warum ich das sage. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Erwerbsleben verlangt auch das Vorhandensein von geeigneten Kinderbetreuungseinrichtungen, denn gute Kinderbetreuung ist für die Eltern eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass sie nach der Karenzzeit wieder in das Berufsleben einsteigen können.

Wie ein solches System richtig funktioniert – und daran haben ja auch Sie von der SPÖ mitgearbeitet –, zeigt Oberösterreich. Dort werden derzeit in 705 Jahreskindergärten insgesamt 39 297 Kinder betreut, wobei 267 dieser Kinder einen der 15 heilpädagogischen Sonderkindergärten besuchen. Darüber hinaus hat es in den letzten Jahren in Oberösterreich neben der Vollausstattung mit Kindergartenplätzen auch Qualitätsverbesserungen in großem Ausmaß gegeben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Haller. )


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Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf heißt auch, Betreuungseinrichtungen für Kinder verschiedener Altersstufen bereitzustellen – da sind noch Anstrengungen notwendig –, und ebenso wichtig ist die Frage der Öffnungszeiten dieser Einrichtungen. Auch da nimmt Oberösterreich mit einem Anteil von 70 Prozent bei Ganztageskindergärten wiederum einen Spitzenplatz ein. Österreichweit sind 75 Prozent der Eltern mit den angebotenen Öffnungszeiten zufrieden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Gründung einer Familie bedeutet, Verantwortung zu übernehmen: Verantwortung gegenüber seinen Kindern, aber auch Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Eltern diese Verantwortung auch übernehmen können und dabei vom Staat entsprechend unterstützt werden. Wir haben mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes für alle den richtigen Weg eingeschlagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Verbesserung der Situation der Familien und somit unserer Kinder ist eines unserer Hauptziele, denn unsere Familien beweisen tagtäglich ihren unverzichtbaren Wert für unsere Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

18.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Donabauer. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Donabauer legt umfangreiche Unterlagen aufs Rednerpult. – Zwischenrufe. – Abg. Donabauer: Das brauchen Sie! Warten Sie einen Moment, Sie brauchen es!)

18.22

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst eine Anerkennung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien für die Abfassung dieses Berichtes, der ein hervorragendes Nachschlagewerk ist. Er wird dem Parlament seit dem Jahre 1969 jährlich vorgelegt, und ich meine, dass der vorliegende Band in besonderer Weise gelungen ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Ich sage das deshalb, weil ich mich noch an die Ausschusssitzung vom 24. Mai erinnere. Frau Dr. Mertel als Ausschussvorsitzende hat gleich zu Beginn der Sitzung ihre unendliche Nervosität erkennen lassen, indem sie dagegen protestierte, dass sich die damalige Frau Bundesministerin Sickl erlaubt hatte, dem Ausschuss nur diese Kurzfassung (der Redner hält einen dicken Band in die Höhe) vorzulegen. (Abg. Dr. Mertel begibt sich in Richtung des Rednerpults und weist auf einen anderen, etwas dünneren Band. – Abg. Mag. Prammer: Das war dieser Bericht!)

Das sei ungeheuerlich, meinte sie, und das nehme sie nicht zur Kenntnis. Die Grünen haben ihr daraufhin sofort ministriert und Schützenhilfe geleistet. Sie wollten unbedingt dieses Kompendium haben. (Der Redner hält einen noch dickeren Band in die Höhe.) Dieses Kompendium ist dann auch zugestellt worden.

Ich habe mir die Reden dazu sehr genau angehört, habe aber kaum bis gar keine Beiträge zu diesem Kompendium gehört, sondern überwiegend Berichte – sehr interessante Berichte – darüber, wie jede oder jeder Einzelne zur Familie steht.

Das ist auch ganz richtig so, denn ich glaube, dass die Familie einem ungemein großen Wandel unterzogen ist. Die Familie in ihrer herkömmlichen Form ist nicht mehr klar definiert. Das haben wir früher einmal ganz anders gesehen, aber heute ist eben alles anders. Auch der Begriff der Verwandtschaft hat sich verändert. Jeder sieht das so, wie er glaubt. Im Bericht ist zum Beispiel der Begriff der Wahlverwandtschaft ausgeführt. Das heißt, solange ich bleibe, taugt es mir, und wenn nicht, dann geht das Leben auch weiter. All das sind Dinge, die man heute sehen und über die man hier lesen kann.

Einige Dinge sind sehr klar erkennbar, nämlich die Fragen: Wie stellt sich die Familie heute dar? Sind es Frau, Mann und Kind? Sind es Mutter mit Kind, Vater mit Kind? Wie läuft das Ganze? – Ich meine, das sind die Herausforderungen, denen wir uns stellen sollen.


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Eines geht für mich aus dem Bericht ganz klar hervor, und das ist unser Welt- und Wertebild: Die Familie hat an Bedeutung nicht verloren, sondern die Familie ist in ihrer Gesamtform für unsere Gesellschaft wichtiger denn je. Davon können wir nicht weg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was mich betrübt, das ist zum Beispiel die hohe Scheidungsrate. Darüber muss man reden. Ich rede darüber, nicht weil ich so gerne über Scheidungen rede, sondern weil ich im Bericht lesen musste, dass etwa 20 000 Kinder davon betroffen sind. Das steht hier drinnen, und jeder, der solche Schicksale miterlebt, muss wissen, dass dort sehr viel in Bewegung gerät. Daher werden wir alles tun müssen, damit wir gerade auch dieser Entwicklung mit Engagement entgegenwirken. Wir können natürlich nicht jedem seine Sorgen abnehmen, aber ich denke, durch Familienberatungsstellen, durch Elternberatungs- und Elternbildungseinrichtungen könnte man auf diesem Gebiet schon manches Schicksal vorher abfedern oder abfangen. Ich würde meinen, dass das unbedingt notwendig ist.

Eine weitere problematische Sache – Herr Bundesminister, da sind wir gefordert – ist der Begriff "multiple Elternschaft", der in diesem Bericht erwähnt wird. Bei Kindern, die nach einer Scheidung in eine andere Beziehung mitgenommen werden, ist die Frage offen, in welchem Rechtsverhältnis diese Kinder dann stehen. All das sind Fragen, die sich in der heutigen Zeit einfach stellen.

Etwas, was mich sehr bewegt und uns alle bewegen muss, ist die Fertilitätsrate. In Österreich beträgt sie 1,34. Bei diesem Weg sagen uns Prognosen voraus, dass wir bis zum Jahre 2020 die Gesellschaft damit stabil halten können, danach wird die Bevölkerungszahl rapid abnehmen, weil eben die Geburtenhäufigkeit nicht mehr in dem Maß gegeben ist, wie wir sie brauchen würden.

Ein großes Problem in diesem Zusammenhang ist die Unvereinbarkeit von Familienaufgaben – egal, ob die Frau oder der Mann sie übernehmen – mit dem Beruf. Das sind schwierige Probleme, quälende Fragen für die Menschen, die in dieser Verantwortung stehen, und das muss man ganz offen sehen, da gibt es kein Vorbeitaktieren. Das sind die zentralen Fragen, die die Menschen beschäftigen. Daher glaube ich, dass wir auf diese Entwicklungen eine Antwort brauchen.

Mobilität ist ein gutes Schlagwort, bedeutet aber zum Teil auch Entwurzelung, bedeutet also auch, dass wir Antworten auf neue Herausforderungen finden müssen, bedeutet auch, dass wir fragen müssen: Wie können wir in Zukunft vielleicht verstärkt die Arbeit zu den Menschen bringen, und nicht nur die Menschen zur Arbeit? Wie gehen wir in der Regionalpolitik damit um? – All das sind Fragen, die die Familien zweifelsohne in den nächsten Monaten und Jahren beschäftigen werden.

Im Bericht steht auch, dass die Steuerreform den Familien im Jahr 2000 etwa 12 Milliarden Schilling gebracht hat. Ich bin froh, dass meine Partei die treibende Kraft dafür war. Ich bin froh darüber, dass wir hier die Markierung gesetzt haben, weil ich glaube, dass das eine ganz entscheidende Stärkung der wirtschaftlichen Situation der Familien war, die ohnehin nicht zum Besten bestellt ist.

Schlussendlich zum Kinderbetreuungsgeld. Wir haben heute schon sehr viel darüber gehört. Bringen wir es auf den Punkt: Das ist nicht nur eine wirtschaftliche Stärkung der Familie, das ist nicht nur eine bessere soziale Absicherung der Frau, sondern das kann auch dazu führen, dass die Erziehungsarbeit in eine ganz neue Verantwortung gestellt wird, dass viel mehr Möglichkeiten geschaffen werden, wie man diese Erziehungsarbeit letzten Endes vollziehen und wie man eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen kann.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir gehen damit einen neuen, einen zukunftsträchtigen Weg. Wir gehen einer – wie ich glaube und auch hoffe – neuen Chance für unsere Familien entgegen, denn ich glaube, dieses Land braucht in Zukunft starke Familien als Bollwerke der Gesellschaft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.29


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Mertel zu Wort gemeldet. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)  – Frau Abgeordnete, bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie dieser Wiedergabe den berichtigten Sachverhalt gegenüber.

18.29

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Donabauer hat hier behauptet, dass ich in der Sitzung des Familienausschusses im vergangenen Mai erregt war, weil man uns mit diesem Band abspeisen wollte. (Die Rednerin hält einen dünnen Band in die Höhe.)  – Lieber Herr Donabauer! Ich wollte eher den dicken haben. (Allgemeine Heiterkeit.)

Herr Donabauer! Als Mitglied des Familienausschusses ist Ihnen das entgangen! Aber das ist ja ein Nachteil bei Ihnen, denn auch als Verfassungsausschuss-Stellvertreter haben Sie sich nur ganz kurzfristig bewährt.

Wir haben hier zwei Bände (die Rednerin hält zwei dickere Bände in die Höhe): einen Band "Familie und Arbeitswelt" und einen Band "Zur Situation von Familie und Familienpolitik". Diese zwei Bände haben Sie von der Regierungskoalition uns unterschlagen und wollten uns mit diesem Band (die Rednerin hält den zuvor gezeigten dünnen Band neuerlich in die Höhe), einer PR-Version für Journalisten mit 140 Seiten, abspeisen. Diesen Band wollten Sie uns als wissenschaftliches Werk zur Erledigung einer Zehnjahresfamilienpolitik unterjubeln! (Zwischenrufe und ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit haben wir uns nicht zufrieden gegeben. Wir wollten die beiden anderen, wissenschaftlichen Bände haben.

Und wenn Sie ununterbrochen lachen, dann frage ich mich, wieso Sie als Politiker, als Familienpolitiker hier herausgehen und ein ernstes Kapitel wie die Familienpolitik überhaupt behandeln. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das hat mit einer tatsächlichen Berichtigung wenig zu tun!)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

18.31

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Es haben sich im Rahmen der Diskussion noch einige offene Fragen ergeben.

Ich darf zunächst Frau Kollegin Binder entgegnen: Mein Ressort wird demnächst eine Begleitbroschüre über Stieffamilien mit dem Titel "The Patchwork Family – Ein Ratgeber für Stieffamilien", herausgeben. Diese Arbeit basiert auf einer umfassenden Studie des Instituts für Soziologie der Universität Linz, die Daten dazu wurden in den Jahren 1994 bis 1999 erhoben. Die Broschüre ist im Druck und wird nächsten Monat erscheinen. Ich hoffe, damit Ihrer Forderung nach entsprechenden Studien und einer Begleitbroschüre für den Bereich der Stieffamilien Rechnung getragen zu haben.

Sehr geehrte Frau Kollegin Prammer! Sie haben angeführt, dass die Frage der Wiedereinstiegsbeihilfe unbeantwortet geblieben ist. (Abg. Mag. Prammer: Nein, das habe ich nicht gesagt!)  – So habe ich es gehört.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass bezüglich der Wiedereinstiegsbeihilfe erstens von mir im Ausschuss die entsprechenden Zahlen genannt worden sind und dass zweitens im Budgetvoranschlag 2002 mit 1,5 Millionen j , also 20,64 Millionen Schilling, ein Budgetposten dafür vorhanden ist. Damit ist deutlich und klar, dass das, was budgetiert ist, auch fortgeführt wird.

Drittens möchte ich noch auf die tatsächliche Berichtigung des Kollegen Brosz antworten. Herr Kollege Brosz! Ich habe hier die Übernahmebestätigung der Beantwortungen der am


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21. März 2001 in der Sitzung des Budgetausschusses gemäß § 32a Abs. 5 GOG eingebrachten Anfragen 330 bis 356 vom 27. März und der Anfragen 269 bis 329 und 357 bis 398 vom 27. März 2001. Das wurde bestätigt.

Ich bin daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Beantwortungen seit gestern im Parlament sind, weil mir eben die entsprechenden Übernahmebestätigungen vom Parlament vorliegen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Prammer zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, aus gegebenem Anlass und auf Grund Ihrer letzten tatsächlichen Berichtigung bitte ich Sie, sich jetzt wirklich an § 58 Abs. 2 GOG zu halten. (Abg. Ing. Westenthaler: Halten Sie sich zumindest ein Mal an die Geschäftsordnung!)

18.33

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister Haupt hat davon gesprochen, dass ich ihn nach der Wiedereinstiegsbeihilfe gefragt hätte. – Das ist falsch!

Ich habe von einer Wiedereinstiegsoffensive gesprochen, und das ist etwas grundlegend anderes. Beihilfen sind Beihilfen, und Offensiven sind große Maßnahmen. Das ist von Herrn Minister Haupt nicht beantwortet worden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Aha! Beihilfen sind Beihilfen!)

18.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.34

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Familienbericht 1999 wurde während der Amtszeit und unter der Verantwortung von Minister Bartenstein erstellt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Es geht in erster Linie um diese Zeit, Frau Kollegin.

Ich habe mir besonders die öffentlichen Leistungen und die wirtschaftliche Lage der Familien angeschaut. Und, Frau Kollegin Mertel, ich bin mit dieser Ausgabe (der Redner hält den bereits mehrfach vorgezeigten dünneren Band in die Höhe) sehr gut zurecht gekommen. (Abg. Dr. Mertel: Für Sie reicht es!) Ich finde ihn sogar sehr praktisch. (Beifall bei der ÖVP.)  – Aber wir haben ja in der Zwischenzeit auch die dicken Bücher bekommen, und Sie sind ja auch zufrieden, wobei mich allerdings wundert, dass Sie sich heute wieder so aufgeregt haben wie damals. (Abg. Dr. Mertel: Ich verstehe, dass es für Sie reicht! Es ist bezeichnend, dass es für Sie reicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die öffentliche Hand sehr beträchtliche Mittel für die Familien ausgibt. Im weitesten Sinne können etwa 340 Milliarden Schilling der Ausgaben als familienrelevant eingestuft werden. Aber in dieser Summe sind auch die gesamten Unterrichtsmittel inklusive der Lehrerpensionen enthalten. Es sind die Familienleistungen der Sozialversicherungen dabei – immerhin 127 Milliarden Schilling –, und es sind in dieser Summe auch die Leistungen der Länder und Gemeinden berücksichtigt.

Trotz dieser gewaltigen Summen zeigt der Bericht auf, dass für Eltern mit Kindern tendenziell und zunehmend die Gefahr besteht, vom Wohlstand ausgeschlossen zu werden. Sie haben – und das geht aus dem Bericht sehr deutlich hervor – ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen. Die Ausgaben dieser Familien für Konsum sind weit geringer als bei kinderlosen Ehepaaren oder Singles.

Der Bericht weist auch darauf hin, dass Frauen, die nicht erwerbstätig sind, weil sie Kinder erziehen oder Verwandte pflegen, ein deutlich geringeres Einkommen zur Verfügung haben. Auch bei der Alterssicherung, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen diese Frauen wesentliche Einbußen in Kauf nehmen.


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Der Bericht zeigt weiters auf, dass die Familienausgaben im Gesamtbudget in der Zeit von 1993 bis 1998 von 14,6 Prozent auf 13,8 Prozent gesunken sind. – Wir von der ÖVP haben in dieser Zeit zwar den Familienminister gestellt, aber wir haben leider Gottes einen Koalitionspartner gehabt, der manches Mal bestimmte ideologische Barrieren nicht überwinden konnte. Aus diesem Grund ist es zu dieser Fehlentwicklung gekommen, die aber zwischenzeitlich Gott sei Dank durch Verbesserungen bei der Familienbesteuerung im Jahre 2000 zumindest entschärft wurde.

Außerdem wird durch die Einführung des Kindergeldes eine weitere Verbesserung zu verzeichnen sein. Die Steuerreform 2000 hat den Familien zusätzlich 12 Milliarden Schilling gebracht. Das Kindergeld, das wir in Kürze beschließen werden, bringt vor allem jenen, die es am notwendigsten brauchen, also in erster Linie geringfügig Beschäftigten, Studentinnen und so weiter, zusätzliche Mittel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch bei der Alterssicherung wird es zu einer Verbesserung kommen, und zwar durch die Anrechnung der Kindererziehungszeiten als pensionsbegründende Jahre. Damit wird ein Meilenstein gesetzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit werden sehr wichtige Konsequenzen aus dem Familienbericht 1999 gezogen. Dieser wertvolle Bericht hat sehr viele positive Auswirkungen, und das ist sehr vernünftig, denn die Familien sind auch ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor, sie brauchen jeden Schilling für die Dinge des täglichen Bedarfes. Es profitiert also die Wirtschaft davon, es profitiert auch der Staat davon, weil die Steuereinnahmen höher werden, und es profitiert auch der ländliche Raum, denn damit sichern wir auch die Funktion dieses wichtigen Lebensraumes.

Meine geschätzten Damen und Herren! Dem Bericht ist aber auch zu entnehmen, dass Familien sehr wesentlich zum Wohlstand unserer Gesellschaft beitragen. Der Anteil der von den Familien für die Allgemeinheit erbrachten Leistungen wird mit 35 bis 55 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beziffert. 80 Prozent dieser Leistungen werden von Frauen erbracht. Das sind sehr beeindruckende Zahlen für mich, sie unterstreichen sehr deutlich, wie wichtig und wie notwendig die Leistungen der Familien für unsere Gesellschaft sind.

Meine geschätzten Damen und Herren! Weil der Familienbericht diese wichtigen Fakten aufzeigt, ist er für uns so wertvoll. Dass von den Politikern die entsprechenden Konsequenzen daraus gezogen werden, spricht für die Verantwortung, die derzeit von den Familienpolitikern und von der Familienpolitik an den Tag gelegt wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Knerzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.39

Abgeordneter Anton Knerzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wenn man sich den Familienbericht der alten Bundesregierung aus dem Jahre 1999 vor Augen führt, dann wird einem bewusst, wie wichtig die Einführung des Kinderschecks in Österreich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Zahl der kinderlosen Ehepaare steigt, und die Geburtenzahl nimmt ab.

In meiner Gemeinde Öblarn in der Steiermark ist bereits seit Dezember vergangenen Jahres das Kinderscheck-Projekt angelaufen. Mit der Einführung dieses Kinderschecks setzt die Freiheitliche Partei neue Maßstäbe in der Familienpolitik Österreichs. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber die Bedeutung geht weit über eine finanzielle Zuwendung hinaus. Zunächst bekommt das jüngstgeborene Kind in der Familie 6 000 S. (Abg. Öllinger: Das Kind?) Dadurch wird gewährleistet, dass die Eltern frei entscheiden können, ob sie weiterhin arbeiten gehen oder bei ihrem Kind zu Hause bleiben. Damit ist die erste Zielsetzung des Kinderscheckprojekts erfüllt.


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Eine zweite Zielsetzung sind die Erhöhung der Kaufkraft und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region. Durch begleitende wirtschaftliche Untersuchungen können wirtschaftliche Strömungen genau analysiert werden. In meiner Gemeinde Öblarn hat der Kinderscheck bereits viele positive Rückmeldungen gebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe von betroffenen Familien noch nie die Kritik gehört, dass dieses Kinderscheckmodell nicht anwendbar wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Wahlbetrug! Kärntner Wahlbetrug!) Weder habe ich gehört, dass es sich hier um eine Karrierefalle handelt, wie Sie immer behauptet haben, Frau Dr. Mertel, noch habe ich gehört, dass die Frauen durch dieses Kinderscheck-Projekt zurück an den Herd müssen. Es kann frei entschieden werden. (Abg. Dr. Mertel: Wahlbetrug!) Über Wahlbetrug et cetera brauchen wir gar nicht zu diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die begleitenden Studien sind jedenfalls interessant, die sollte man sich vor Augen führen. (Abg. Öllinger: Wer hat denn die gemacht?) Ich kann berichten, dass 70 Prozent dieses Geldes, das die Familien lukrieren, in der eigenen Ortschaft ausgegeben werden. (Abg. Dr. Mertel: Was denn? Wo?) Man kann daher davon ausgehen, dass die Kaufkraft der Gemeinden und der Regionen damit gestärkt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit hat sich bestätigt, dass sich die zweite Zielsetzung bereits erfüllt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )  – So ist es. Ich glaube, Sie sind nur deshalb beleidigt, weil Sie an dieser Idee nicht mitgearbeitet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen!)

Und ich kann Ihnen versichern, in meiner Gemeinde gibt es sehr viele sozialdemokratische Familien, die sich an diesem Projekt erfreuen und sagen: Das ist Familienpolitik! – Das kann ich Ihnen berichten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Wahlbetrug!) Hören Sie auf damit! (Abg. Silhavy: Ich lasse mir lieber von anderen Leuten berichten als von Ihnen!)

Frau Silhavy! Ich lade Sie gerne ein, kommen Sie in meine Gemeinde, befragen Sie meine Bürger! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jedenfalls hier hat die Politik einen Meilenstein in der Kinderbetreuung gesetzt. Man hätte das von Ihnen erwartet.


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Wir haben es umgesetzt. Das sind Maßnahmen, die die Bürger belohnen werden. Sie werden sehen! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber ich möchte noch Genaueres über den Kinderscheck berichten. Ich glaube, es interessiert Sie sehr. Sie werden ja oft genug dazu befragt, ich lese ja in den Medien, wie aggressiv Sie dagegen immer wieder auftreten. Bedenken Sie, dass die Kinder unsere Zukunft sind, dass die Kinder unsere Pensionen in der Zukunft sichern werden! Aber Ihnen liegt anscheinend nichts daran. (Abg. Dr. Mertel: Wahlbetrug!) Wenn Sie sich die heutigen Geburtenzahlen anschauen, die immer rückläufiger wurden, müssen Sie doch selbst zugeben, dass es enorm wichtig war, dass wir in der Familienpolitik eingegriffen haben und Ihnen vor Augen führen, dass dieses Projekt Zukunft hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich jedenfalls kann nur Positives berichten, und die Familien meiner Gemeinde danken dafür. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich werde ihnen auch berichten, dass Sie nach wie vor nicht damit einverstanden sind. Aber wir werden es schon richten, dafür sind wir ein Garant. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-47 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

6. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (346 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG) geändert wird (521 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte ist eröffnet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Der "Eurolim" kommt! "Jaroteam" für "Eurolim"! – Abg. Dr. Jarolim  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Na ja, von "Kholfuß" zu Dollfuß ginge auch, um auf diesem "Klavier" zu spielen!)

18.46

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wir behandeln heute ein Gesetz, das ... – Frau Kollegin Partik-Pablé! Ihr Zettel ist noch immer da. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Hauen Sie ihn weg, wenn Sie so nett sind, bitte! Wuzeln Sie ihn zusammen!) Ich lege ihn hier zur Seite, vielleicht als Erinnerung für Sie. (Abg. Dr. Partik-Pablé entfernt den Zettel vom Rednerpult.)

Es steht also jetzt eine Novelle zum Suchtmittelgesetz zur Beratung, zu der es eine ausführliche Diskussion in der Enquete-Kommission gegeben hat, die eigentlich ein vernichtendes Ergebnis in Bezug darauf gebracht hat. Ich habe eigentlich nicht ganz verstanden, warum Sie angesichts dieses Ergebnisses und auch angesichts der Stellungnahmen der diversen Bundesländer dieses Gesetz tatsächlich heute zur Abstimmung bringen.

Ich habe es eigentlich als ein Gesetz, das im Wiener Wahlkampf seine Rolle spielen sollte, verstanden, nicht zuletzt auch auf Grund der Plakate, die die Freiheitlichen auf Plakatständer affichiert haben: "Rot-Grün – mehr Drogen", die Ihnen dann ein Ergebnis gebracht haben, zu dem man eigentlich nichts mehr sagen muss. Wir freuen uns alle darüber. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Seid froh, dass ihr einmal nach 14 Jahren etwas gewonnen habt! Nach 14 Jahren einmal etwas gewonnen!) Diese Novelle ist aber letztlich aus sachlichen Gründen völlig inakzeptabel.

Frau Kollegin Partik-Pablé! Bei anderer Gelegenheit darf Ihnen auch noch ein paar Worte dazu sagen.

Ich darf Ihnen nun etwas vorlesen. Das Land Tirol, Herr Kollege Khol, schreibt im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens wortwörtlich: "Es stellt sich daher die Frage, ob dies" – nämlich das Gesetzesvorhaben – "mit dem Grundsatz ,im Zweifel für den Angeklagten‘ und mit dem Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung vereinbar ist." – Das schreibt das Land Tirol. (Abg. Dr. Khol: Das Land Tirol schreibt nicht, höchstens die Landesregierung!)  – Die Landesregierung, der Landesrat.

Die Vorarlberger Landesregierung schreibt: "Die vorgeschlagene Änderung konterkariert den Grundsatz ,Therapie statt Strafe‘ ..." (Abg. Dr. Pumberger: Stimmt ja nicht!)  – Ich weiß nicht, welche Unterlagen Sie haben, Herr Kollege, ich nehme an, es sind die gleichen, aber vielleicht gibt es sonstige Schwierigkeiten. Das kann ich nicht beurteilen. Es ist jedenfalls Ihr Einwand falsch.


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Die Burgenländische Landesregierung schreibt, dass sich die "Resozialisierung noch schwieriger gestalten würde", womit "eine Kostensteigerung für die Gemeinden im Zuge der Sozialhilfe verbunden wäre."

Die Niederösterreichische Landesregierung sagt, "dass Österreich zu den Hochstrafenländern Europas gehört", und appelliert, den erfolgreichen Weg – "Sucht ist eine Krankheit", "Therapie statt Strafe", "Aufklärung statt Abschreckung" – weiter fortzusetzen.

Meine Damen und Herren! Es geht hier darum, dass wir effiziente Maßnahmen setzen, um Suchtmittelmissbrauch zurückzudrängen. Das ist eindeutig etwas, für das Experten Konzepte erstellt haben, die mit dieser Gesetzesvorlage überhaupt nicht in Einklang zu bringen sind. Daher haben auch alle Experten unisono anlässlich der Enquete-Kommission dringend davor gewarnt, dieses Gesetz, das, wie ich schon gesagt habe, ein Wahlkampfgesetz ist, umzusetzen.

Ich rufe Ihnen Professor Bertel oder Professor Fuchs in Erinnerung. Fuchs, von dem man bei Gott nicht sagen kann, dass er in irgendeiner Weise der Sozialdemokratie nahe steht, sagte etwa – ich zitiere –: "Ich muss gestehen, ich konnte das ... nicht nachvollziehen, ... Was soll das bedeuten?" Er spricht weiters von einer Durchbrechung des Zweifelsgrundsatzes "in dubio pro reo".

Sie haben jetzt noch eine kleine so genannte Verbesserung durchgeführt. Allerdings ist die nicht maßgeblich, um dieses Problem wirklich zu lösen. Das heißt, wir haben jetzt sogar die Situation, dass wir den Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" damit kippen könnten, weil eben das Gesetz, so missverständlich, wie es nun formuliert ist, diese Missinterpretation gestatten würde.

Herr Kollege Ofner, weil Sie so lachen: Der Grund, den uns Kollegin Fekter genannt hat, ist letztlich, dass viele Polizisten das, was in einem Erlass drinnen steht, nicht wüssten und nicht anwenden – das haben Sie im Ausschuss erklärt –, und daher müsse man das in den Gesetzestext hineinschreiben, obwohl Ihnen sämtliche Experten gesagt haben, es kann doch nicht eine Qualität der Gesetzgebung sein, so vorzugehen, dass man irgendetwas in das Gesetz hineinschreibt, was ohnehin woanders steht und was noch dazu Anlass zu massiven Missverständnissen geben kann.

Ich darf Ihnen abschließend sagen, weil die Redezeit schon erschöpft ist: Ich denke, gewisse Qualitätskriterien in der Gesetzgebung, gerade im Bereich Justiz, sollten wir doch wahren und nicht vor die Hunde gehen lassen, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ!

Ich glaube, es ist an sich sinnlos, darauf zu appellieren. Trotzdem: Dieses Gesetz hätten wir dem Land ersparen sollen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Rufe bei den Freiheitlichen: "Eurolim"! "Eurolim"!)

18.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

18.51

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn Kollege Jarolim vorliest, was im Begutachtungsverfahren alles herausgekommen ist, dann erkennt man als Eingeweihter, dass da die Sozialromantiker am Werk waren. (Abg. Dr. Jarolim: Die Experten!) Den Wahlspruch "Helfen, Heilen statt Härte" hat ein gewisser Justizminister Harald Ofner selbst vor fast 20 Jahren erfunden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Rasinger: Bravo!) Er hat nur später erkennen müssen, dass die Zahl der dafür geeigneten Adressaten relativ gering ist.

Das hilft überall dort, wo noch nicht Hopfen und Malz verloren ist, bei Leuten, die mit Drogen zu tun haben, die mit Drogen dealen – das lässt sich schwer auseinander halten: mit Drogen zu tun haben und damit dealen – und selbst auch an der Nadel hängen, bei Leuten, denen man helfen muss und noch helfen kann. Aber all das hilft dort nichts, wo Konzernherren internationalen Zuschnitts auftreten, die im Stil von Vorstandsdirektoren internationaler Großfirmen niemals


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selbst das Gift in der Hand haben, niemals selbst mit dem Gift körperlich in Berührung kommen, aber Hunderte, wenn nicht Tausende ins Unglück stürzen.

Jetzt kommen Leute, die sagen: Die werden eh nie erwischt! – Sie werden leider selten erwischt. Ich habe selbst schon als Verteidiger – man kann sich die Leute, die man verteidigt, nicht oder nicht immer aussuchen – solche "Gentlemen" – unter Anführungszeichen – vertreten, die in der Regel aus dem Iran waren. Beide Personen, auf die ich mich damit beziehe, waren aus dem Iran. Von denen hat der eine 18 Jahre und der andere 19 Jahre bekommen. Ich betone dies deshalb, weil man daraus erkennt, dass die Richter einen Bedarf an höheren Strafmöglichkeiten sehen, denn meistens ist es so, dass der Richter zunächst mit einer bedingten Strafe vorgeht, wenn das möglich ist, zuerst womöglich mit einer Geldstrafe, dann mit einer bedingten, dann mit einer teilbedingten Strafe, und dann kommt er in das unterste Drittel der Strafdrohung hinein.

Aber wenn bei diesen Leuten, die, wenn man sie erwischt, immer unbescholten sind, gleich so knapp an die derzeitige Grenze von 20 Jahren herangegangen wird, wie ich das selbst erlebt habe, dann haben die Richter den Eindruck, da muss man eigentlich noch weiter hinauf gehen können.

Es passt aber die Strafdrohung "lebenslang", die heute beschlossen werden soll, nicht nur in das europäische Umfeld. In Europa, in den vergleichbaren Ländern des vereinten Europa, ist es so, dass in fünf Staaten, nämlich in Frankreich, in Griechenland, in Irland, in Luxemburg und in Großbritannien, auf schwere Drogendelikte "lebenslang" steht und in vier weiteren europäischen Ländern jedenfalls mehr als jene 20 Jahre vorgesehen sind, die in Österreich die Höchststrafdrohung darstellen. Das heißt, es ist nicht so, dass man in den anderen Staaten Europas mit den Fingern auf uns zeigen würde, wir haben da vielmehr einen Nachholbedarf zu erfüllen.

Andererseits aber passt diese Anhebung auch in die Logik des österreichischen Strafgesetzbuches. Bei uns ist es immer dann, wenn jemand eine strafbare Handlung begeht und es einen Toten dabei gibt, ohne dass er es darauf anlegt, in aller Regel sogar ohne dass er das auch nur im Entferntesten haben möchte, so, dass die Strafdrohung sofort von 20 Jahren auf "lebenslang" angehoben wird, zum Beispiel bei der Brandstiftung, beim Raub, bei der Gefährdung durch Kernenergie, bei der Gefährdung durch Sprengmittel, bei der vorsätzlichen Gemeingefährdung, beim unbefugten Umgang mit Kernmaterial. – All das sind Delikte, bei denen es um ganz etwas anderes geht als um die Tötung eines Menschen oder von mehreren Menschen. Es geht um Eigentumsdelikte wie beim Raub, es geht bei Brandstiftung um alles Mögliche. Aber jedenfalls will man nicht, dass dabei jemand umkommt, man rechnet auch nicht damit. Trotzdem, wenn es passiert, ist die Strafdrohung "lebenslang".

Es ist viel dramatischer beim Drogenhandel im großen Stil. Dort rechnet der Betreffende damit, dass er viele, viele, meist sehr junge, immer jüngere Menschen ins Elend stürzt und viele davon in den frühen Tod befördert. Das heißt, er nimmt zustimmend in Kauf, was da passiert. Und der Logik folgend, die unserem Strafrecht innewohnt und die ich versucht habe Ihnen darzustellen, ist es daher auch nur klar, dass in einem solchen Fall "lebenslang" die Drohung sein muss, sonst werden diese international im Gift-Bereich tätigen Konzernherren besser behandelt als ein Räuber, der – aus welchen Gründen immer – einmal zu fest zuschlägt mit der Folge, dass jemand liegen bleibt, ohne das rechtfertigen zu wollen, oder ein Brandstifter, der ein Vermögensdelikt begehen will, und dann ein Toter auf der Strecke bleibt.

Das heißt, es handelt sich nicht um eine Gruppe von Adressaten, die unser Mitleid auch nur im Entferntesten verdient. Warum man sich da den Kopf darüber zerbricht, ob man nicht irgendwelche Beweisprobleme ins Kippen bringen könnte, weiß ich nicht. Das gibt es immer im Strafverfahren, denn wenn man im Strafverfahren einen Unschuldigen zu 18 Jahren verurteilt, dann ist das dem System nach auch nicht gerade lustig. Wem nicht nachgewiesen werden kann, dass er etwas angestellt hat, der soll ja nicht weniger an Strafe kriegen, sondern der ist freizusprechen.

Es passt ins europäische Umfeld – die sind uns diesbezüglich um Nasenlängen voraus –, und es passt in das System der österreichischen Strafrechtspflege. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Es ist durchaus so, meine Damen und Herren, dass der Satz: Es wirkt nicht abschreckend auf die Täter, wenn es hohe Strafdrohungen gibt! zwar auf Amateure passt, die aus irgendwelchen Zufälligkeiten heraus einmal straffällig werden, aber kalkulierende, die Dinge abwägende, gut informierte, gut beratene Berufsverbrecher – und nur um die handelt es sich –, die das Elend von vielen, vielen jungen Menschen und ihren Familien zustimmend in Kauf nehmen und den frühen Tod derselben mit einkalkulieren, überlegen und schauen sehr wohl: Wo ist die Polizei effizient? Wo besteht eher die Gefahr, dass ich erwischt werde? Wo habe ich mit entsprechender Strafdrohung zu rechnen? Wo habe ich mit entsprechenden Strafen zu rechnen? Und wo ist der Vollzug entsprechend rigide und kann ich nicht damit rechnen, dass ich relativ bald wieder herauskomme, so wie das in anderen europäischen Ländern der Fall ist?

Das heißt, der Affekttäter, der irgendwo einmal zuschlägt, überlegt nicht, wie hoch die Strafdrohung ist, aber der, um den es da geht, kalkuliert und kann durchaus auch in seiner Gesamtplanung davon beeindruckt werden. Aber dem steht überhaupt nichts gegenüber, was als Mitleid oder Rücksichtnahme auf gerade diese Tätergruppe missverstanden werden könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. Freiwillige Redzeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

18.58

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich liebe Sozialromantiker, meine sehr geehrten Damen und Herren – egal, ob sie Harald Ofner heißen, der sich damals als Justizminister der Drogenpolitik in einer anderen und damals neuen, präventiven Form genähert hat, oder ob sie Professor Burgstaller heißen. Ich liebe sie beide, wenn sie in ihren Ansätzen richtige Kriminalpolitik definieren. Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem Kollege Ofner, möchte ich den wahrlich über jeden Grün-Verdacht erhabenen Professor Burgstaller und seine Stellungnahme in der Enquete-Kommission zitieren, und zwar zur lebenslangen Freiheitsstrafe als einen der Punkte der Suchtmittelgesetz-Novelle. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Professor Burgstaller hat dort – ich lese Ihnen jetzt nicht die gesamte Passage vor, keine Sorge! – gemeint, und zwar über die Nicht-Systemkonformität in diesem Punkt bezüglich lebenslanger Freiheitsstrafe, dass man beispielsweise im Zusammenhang mit Lebensmitteln, Futtermitteln und so weiter die Gemeingefährdung ernst nehmen sollte.

Diese Gemeingefährdung sollte man ernst nehmen, meinte Professor Burgstaller. – Ebenso ernst nehmen sollte man die Frage einer eventuellen Einführung einer lebenslangen Freiheitsstrafe für jene, die durch die Beigabe von Arzneien in Futtermitteln oder durch das In-Verkehr-Bringen von Antibiotika und damit einhergehenden Resistenzen, die dadurch beim Menschen ausgelöst werden, Todesfolgen anderer sozusagen in Kauf nehmen!

Meine Damen und Herren! Diese Warnung, die aufgestellt wurde, sollte man wirklich ernst nehmen, wenn es nämlich drum geht, die lebenslange Freiheitsstrafe hier als ein – ich nenne es so – "Placebo" in den Raum zu stellen.

Wörtliches Zitat Burgstaller: "Überhaupt meine ich, dass die Frage der Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe in diesem Kontext in der Tat eine symbolische, eine politische Entscheidung ist. In rein praktischer, pragmatischer Hinsicht – da kann ich den Vorrednern nur zustimmen – ist meiner Meinung nach nichts davon zu erwarten. Aus den angeführten Gründen brauche ich nichts zu ergänzen." – Zitatende.

Mit "nichts zu ergänzen" meinte Professor Burgstaller das, was seine Vorredner, nämlich alle anderen Experten, die bei dieser Sitzung der Strafrechts-Enquete-Kommission versammelt waren, zu diesem Thema gesagt haben. Aber nicht nur ein Herr aus der Wissenschaft, einer der namhaftesten Strafrechtler Österreichs, vertrat diese Ansicht, sondern auch andere namhafte Strafrechtsexperten Österreichs, die dieser Enquete-Kommission angehören – das ist sozusa


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gen die "Creme" der Strafrechtswissenschaft Österreichs –, haben, und zwar unisono, diese einheitliche Meinung dort vertreten. Das hat ja Kollege Jarolim bereits erwähnt.

Aber nicht nur die Wissenschafter, sondern auch jene Herren, die in dieser Sitzung der Enquete-Kommission sozusagen für die Praxis gesprochen haben, so etwa der Vizepräsident der Österreichischen Richtervereinigung, immerhin Senatspräsident am OLG Linz, nämlich Herr Dr. Wolfgang Aistleitner, aber auch der Leitende Oberstaatsanwalt aus Graz, Herr Dr. Heimo Lambauer, haben ausdrücklich gesagt, es sei ein Irrtum, wenn manche glauben, "strafrechtliche Probleme durch Strafsatzänderungen in den Griff bekommen zu können", eben bezogen auf diese neuen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat eine Zeit gegeben – und darum habe ich ja meine Eingangsbemerkung bezüglich des ehemaligen Justizministers Harald Ofner gemacht –, in der man sich dem Thema "moderne Strafrechtsgesetzgebung in Österreich" intensiv gewidmet hat. Diese Zeit ist noch gar nicht so lange her, meine sehr geehrten Damen und Herren, vorbei ist sie aber offensichtlich endgültig seit einem Jahr, denn seit einem Jahr werden kriminalpolitische Maßnahmen, die in Österreich im Strafrecht gesetzt werden, entgegen allen Expertenmeinungen getroffen.

Denken Sie doch beispielsweise an das Jugendgerichtsgesetz: Niemand von den Experten hat das, was die Regierung vorgeschlagen hat und dann auch umgesetzt wurde, gutgeheißen. – Und trotzdem wurde es gemacht, weil es jetzt nur mehr ein Prinzip gibt, nach dem vorgegangen wird, nämlich "law and order". Das heißt: strengere, härtere Strafen, der Bevölkerung weismachen zu wollen, dass eine nicht-systemkonforme Einführung der Todesstrafe für Drogendealer in diesem Fall (Rufe bei den Freiheitlichen: Wovon reden Sie denn? Was heißt "Todesstrafe"?) etwas damit zu tun habe, dass die wirklich großen Drogenbosse in Österreich bekämpft werden können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Rufe bei den Freiheitlichen: Reden Sie von der lebenslangen Freiheitsstrafe – oder was?)

Das glaubt Ihnen ja sowieso niemand; das glaubt Ihnen niemand in diesem Saal! Und das glaubt auch niemand von den Autoren dieses Gesetzes! Das glaubt nur ein gewisser politischer Geist, der sozusagen über all dem steht, und der sich dann in Namen wie Partik-Pablé, Haider, Böhmdorfer und Scharfmachern dieser Art manifestiert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kiss: Von welcher "Todesstrafe" sprechen Sie? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wider besseres Wissen und wider jeden Verstand wird dem nachgegeben! Und wissen Sie, was ich daran am allermeisten verurteile? – Dass man damit versucht, die Bevölkerung gleichsam in Sicherheit zu wiegen, dass Sie den Österreichern vorzumachen versuchen, durch diese gesetzgeberische Maßnahme würde in unserem Lande ein Akt der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität gesetzt werden!

Dem ist mitnichten so, meine sehr geehrten Damen und Herren! Genau das geschieht nicht, denn das wird sich lediglich auf einen symbolischen Akt beschränken, wie das ja Herr Professor Burgstaller richtigerweise festgestellt hat! (Abg. Kiss: Wenn es nach Ihnen geht, ist alles paletti – und es gäbe dafür überhaupt keine Strafe! – Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni. )

Darum die grundsätzliche Frage – Kollegen meiner Fraktion werden dann noch näher darauf eingehen –, wie man sozusagen mit diesem Kapitel "Machtlosigkeit des Strafrechts" in Österreich umgeht, nämlich Machtlosigkeit des Strafrechts, aber wider besseres Wissen anders zu handeln. Und es geht vor allem auch um die Frage in Bezug auf diese permanente Kriminalisierung beispielsweise von Haschisch- und Cannabis-Konsumenten. (Abg. Mag. Mainoni: Na und?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ist es so, dass wir in Österreich tatsächlich ein wirklich strenges Gesetz haben. Bei allen Grundsätzen von Therapie und Strafe: Die Bestim


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mungen, die es gibt, sind mehr als streng. Auf die Weitergabe von Drogen für den gemeinsamen Gebrauch beispielsweise steht eine Freiheitsstrafe. Niemand in den letzten 20 Jahren hat angezweifelt, dass das geändert werden sollte – außer eben jenen, die den Grundsatz "Therapie statt Strafe" noch besser umgesetzt haben wollen.

Aber das, was jetzt gemacht wird, ist: Schlagworte in die Welt setzen, die Bevölkerung in dem Glauben einzulullen versuchen, dass das Strafrecht tatsächlich ein Mittel wäre, um diesbezüglich präventiv wirken zu können! – So ist es nicht, und deshalb, und zwar aus vollster Überzeugung, ein Nein zu diesen neuen Bestimmungen im Suchtmittelgesetz. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

19.06

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich, Frau Kollegin Stoisits, suchen sich die Täter im Suchtgiftbereich genau jene Länder – Kollege Ofner hat bereits darauf hingewiesen –, in denen die geringsten Strafen und die besten Haftbedingungen zu erwarten sind; das wissen wir schon seit langem. Und genau von diesen Ländern aus erfolgt dann die Suchtgiftkriminalität in organisierter Form.

Ich werde Ihnen aufzeigen, wie schwierig es ist, in der Drogenbekämpfung erfolgreich zu sein, weil eben Täter und Opfer überhaupt kein Interesse daran haben, mit der Polizei zu kooperieren. – Ich meine, dass Polizei und Gesetz in Wirklichkeit nur ein wichtiger Pfeiler in der Drogenpolitik sind.

Vorweg dazu gleich die vier Pfeiler, wie wir von der ÖVP glauben, dass richtige Drogenpolitik funktionieren soll.

An erster Stelle steht dabei natürlich die Prävention. An zweiter Stelle sehen wir die Therapie, an dritter die Hilfe für die Betroffenen – und erst an vierter Stelle kommt da für uns die Repression. Überall dort, wo eine Säule herausgenommen, sozusagen bevorzugt in der Drogenpolitik eingesetzt wird, geht es daneben!

Enttäuscht bin ich ein bisschen von Kollegen Jarolim, der sich hier hinter formal-rechtliche Standpunkte zurückgezogen hat, und ich habe überhaupt ein bisschen den Eindruck, dass so manche Politiker hier im Hause gar nicht wissen, was da wirklich Sache ist.

Natürlich ist es so, dass der Handel mit und der Konsum von Drogen in letzter Zeit gewaltig expandiert ist. Das sagt hier herinnen in Wirklichkeit aber niemand so dezidiert. Leider ist es so, meine Damen und Herren, dass es im Vorjahr allein in Wien 70 Drogentote gab – und dass in Österreich allein heuer, eben in den Monaten Jänner, Februar und März, 300 Kilo Heroin sichergestellt wurden. Das ist bisher bereits so viel wie im gesamten Jahr 2000!

Da müssen doch alle Alarmglocken läuten, meine Damen und Herren, und da kann man doch nicht verlangen, in einem Bereich zurückzugehen und weniger an Strafen zu verlangen!

Noch einmal: All diese vier Säulen sind für uns von der Österreichischen Volkspartei gleich wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen beispielsweise, dass der Drogenkonsum in den Bundesheerkasernen zunimmt. Und, Frau Kollegin Stoisits, weil Sie den Genuss von Cannabis und Marihuana so herunterspielen: Genau so hat es in Zürich im "Platzspitz" und auf dem "Bahnhof Letten" begonnen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits. ) Genau so hat es begonnen! – Dass sich die Schweizer in ihrer sprunghaften Drogenpolitik heute wieder anders positionieren, zeigt doch deutlich, dass sie in Wirklichkeit diesbezüglich nie eine konsequente Politik betrieben haben!


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Frau Kollegin Stoisits, ich sage Ihnen: Unsere Jugend hat ein Recht auf Grenzen! Ich wiederhole: Unsere Jugend hat ein Recht auf Grenzen – auch in Bezug auf Drogen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unser Ziel kann es unmöglich sein, mit mehr Drogen ein Weniger an Abhängigkeit zu erreichen! Unser politisches Ziel muss es sein, auch diesbezüglich eine Abstinenzorientierung zu erreichen! Ich weiß, wie schwierig das ist, und ich bin bei Gott nicht einer derjenigen, die sagen: Nur illegale Suchtmittel machen süchtig. Das geht doch viel weiter; das wissen wir doch ganz genau.

Daher finde ich es wirklich kontraproduktiv, was Frau Kollegin Pittermann als jetzige Gesundheitsstadträtin und als Politikerin der Jugend gegenüber sagt beziehungsweise dieser damit antut! Ich haben schon einmal hier im Hause versucht, das zu sagen, aber man hat mich damals nicht einmal ausreden lassen.

Ich war vor kurzem bei einer Diskussion in Schulen, und da meldete sich an einer dieser Schulen ein junges Mädchen zu Wort – ich nehme an, sie war vielleicht 15 oder 16 Jahre alt –, das zu mir sagte: Herr Abgeordneter, so dramatisch kann das ja gar nicht sein mit den Drogen, denn Frau Dr. Pittermann, die ja auch Ärztin ist, hat doch die Freigabe von Cannabis-Produkten verlangt! (Abg. Brosz: Wie ist das beim Alkohol?) Meine Damen und Herren! Angesichts dieser Zahlen, die wir österreichweit zu verzeichnen haben, ist doch eine solche Forderung grob fahrlässig, und Sie, Frau Kollegin Stoisits, haben heute in Wirklichkeit – eben ein bisschen verklausuliert – genau dasselbe gesagt! Natürlich stehen die Grünen – und mittlerweile auch die SPÖ, was mir sehr Leid tut – für eine Freigabe von Cannabis und für eine Freigabe von Marihuana-Produkten.

Ich frage Sie, Herr Kollege Brosz, weil Sie jetzt so aufmerksam zuhören: Wo würden Sie dann die Grenze festsetzen? Sagen Sie, der 16-Jährige darf Cannabis rauchen, der 15-Jährige aber nicht? (Abg. Brosz: Und wie ist das beim Alkohol?) Dann ist man ja sofort wieder in der Illegalität, meine Damen und Herren! Das kann doch nur danebengehen! (Neuerlicher Zwischenruf bei den Grünen.)

Ein weiteres Argument – und Sie sollten das durchdenken, Herr Kollege Brosz –: Sobald man Cannabis legalisiert, haben die Händler in diesem Bereich kaum mehr Spannen. Das heißt, sie verdienen nichts mehr. Und dann geht es einem doch so wie in Amsterdam, wo man auf der Straße angesprochen wird – ich habe das selbst vor einiger Zeit erlebt –: "Do you smoke hashish?" Wenn man darauf mit einem Nein antwortet, wird einem gleich Heroin oder Kokain angeboten. – Genau in diese Richtung würden wir dann doch gehen, meine Damen und Herren!

Deswegen ein striktes Nein zur Freigabe von Cannabis und Heroin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin deswegen so überzeugt von diesem Weg, Frau Kollegin Stoisits, weil ich erst vor kurzem einen Freund bei der Drogenpolizei besucht habe. Das, was ich dort gesehen habe, hat mich dazu veranlasst, verstärkt über die gesamte Drogenpolitik in Österreich nachzudenken. Ich bin aber bei Gott keiner, der sagt, die polizeiliche Tätigkeit, die Repression ist das einzig wirksame Mittel in diesem Bereich.

Bei der Drogenpolizei habe ich einen noch nicht einmal 13-jährigen Buben getroffen, dieser hatte noch keinen Stimmbruch, war noch nicht in der Pubertät, aber: beide Unterarme zerstochen, Heroin-Konsument und hochgradig süchtig. Dieser Bub hatte bereits den dritten Fernsehapparat seines Vaters verkauft – und der Vater ist noch immer nicht dahinter gekommen, was mit seinem Kind eigentlich los ist.

Deswegen bin ich auch ein so überzeugter Anhänger des Kindergeldes, einer Politik der jetzigen Koalition, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) So kann nämlich Beziehungsarbeit funktionieren. – Wenn Sie ernsthaft mit einem Sozialarbeiter reden, dann werden Sie merken, dass Ihnen jeder sagen wird, dass nur über das Kind ein anderer Zugang erreicht werden kann, dass dann eine andere Erziehung möglich ist.


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Noch etwas, Frau Kollegin Stoisits – ich führe übrigens Kindergärten; ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist –: Bereits Kindergärtnerinnen werden auf das Erkennen von Suchtverhalten geschult, und ich halte es für wirklich notwendig, dass eben schon im Kindesalter mit dieser Anti-Suchtarbeit begonnen wird.

Wir gehören also nicht zu jenen, die wie Sie fordern: Freigabe von Suchtmitteln!, denn mit mehr Suchtmitteln kann man keinesfalls ein Weniger an Sucht erzeugen. Das ist unmöglich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und weil jetzt die Grünen und die SPÖ so laut schreien: Was wollen Sie denn in Wirklichkeit? – Wir haben viel zu tun in diesem Bereich! Die Grenzmengenverordnung ist von dieser Bundesregierung bereits verabschiedet worden. (Abg. Mag. Wurm: Leider!) "Leider", sagen Sie?! Die Reduzierung von fünf auf drei Gramm Reinsubstanz! Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden, Frau Kollegin Wurm, wenn Sie sagen: "leider"? – Das sind bitte zwischen 15 und 20 Gramm Gebrauchssubstanz! Die hat doch jeder angeblich Süchtige bei sich! Da werden wir doch dauernd beschwindelt, denn in Wirklichkeit sind das doch Dealer, meine Damen und Herren! Die Herabsetzung der Grenzmenge war mehr als notwendig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch der Abg. Mag. Wurm. ) – Frau Kollegin Wurm, Sie schütteln den Kopf, haben aber keine Ahnung von dem, was wirklich passiert! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Na Hauptsache, Sie wissen es!)

Weiters wollen wir die Werbung für Suchtmittel unter Strafe stellen. Und dazu stehe ich! Im Internet braucht man nicht dafür zu werben, dass Suchtmittel angeboten beziehungsweise konsumiert werden.

Weiters ziehen wir in Österreich gleich mit fünf anderen europäischen Ländern, indem wir sagen: Große Drogenbosse, so wir sie erwischen, wollen wir lebenslang hinter Gittern haben, weil sie das zerstörte Leben einer sehr großen Zahl von jungen Leuten zu verantworten haben! – Und ich will nicht zu jenen gehören, die das herunterspielen – und mit mir die gesamte ÖVP und die Koalition nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte. (Oije, oije-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Er wird es wieder nicht treffen!)

19.15

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Miedl hat hier – und das nicht zum ersten Mal – den Eindruck zu erwecken versucht, die ehemalige Abgeordnete und nunmehrige Wiener Gesundheitsstadträtin Dr. Pittermann hätte sich für die Freigabe irgendwelcher Drogen ausgesprochen: Cannabis, Marihuana, was immer Sie wollen. – Das ist unrichtig!

Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass diese Tatsachenbehauptung falsch ist! Wer immer Frau Abgeordnete Dr. Pittermann hier in diesem Hause oder irgendwo sonst kennen gelernt und reden gehört hat, weiß, dass Frau Dr. Pittermann stets gegen jede Form von Suchmittelge brauch oder -miss brauch auftritt: seien es Zigaretten, sei es Alkohol, sei es Marihuana oder seien es andere Drogen! (Abg. Mag. Wurm: Alkohol zum Beispiel!)

Sie von der ÖVP sind diejenigen, die nicht anerkennen wollen, dass auch Alkohol zu den Suchtmitteln zählt – und dadurch sterben in Österreich mehr Leute als durch Missbrauch jener Drogen, von denen Sie heute hier immer wieder gesprochen haben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Jung: Ein Herz für Dealer hat der Herr Einem! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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62. Sitzung / Seite 174

19.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Bundesminister.

19.16

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte die Gelegenheit dieser Debatte nicht vorübergehen lassen, ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass in Österreich seit der Ministerschaft von Dr. Harald Ofner eine sehr erfolgreiche und einheitliche Drogenpolitik betrieben wird, eine Drogenpolitik mit klaren Konzepten und einer deutlich erkennbaren Linie, einer Linie, die im Prinzip nie verlassen wurde, auch wenn ich zugeben muss, dass der Erfolg einer solchen Politik natürlich nie als ausreichend bezeichnet werden kann.

Man muss aber auch deutlich machen, dass mit dieser heutigen Gesetzesnovelle kein neuer Weg gegangen, sondern lediglich auf neue Formen und neue Erkenntnisse reagiert wird, und zwar sinnvoll reagiert wird. Wenn wir regeln, dass eine vorläufige Anzeigenzurücklegung nicht endlos erfolgen kann, sondern dass, wenn jemand immer wieder rückfällig wird, diese Milde einmal ein Ende haben und ihm eine Strafe angedroht werden muss, damit er sich endlich therapieren lässt, so ist das sinnvoll, denn wir wollen diesem Menschen, der sich selbst nicht fangen und finden kann, helfen. Das ist eine notwendige Reaktion im Interesse des Betroffenen.

Wenn wir sehen, dass nunmehr mit modernen Massenkommunikationsmitteln, insbesondere mit dem Internet, neue Werbung mit und für Drogen gemacht wird, so müssen wir eben darauf reagieren, und es kann nicht falsch sein, dass wir die Aufforderung zum und das Gutheißen von Drogenkonsum mit Hilfe des Internet gleichfalls unter Strafe stellen. – Das ist eben die Reaktion auf ein neues Medium.

Wenn wir im letzten Jahrzehnt, und zwar in besonderem Maße, mit den Übeln und furchtbaren Folgen einer sich weltweit organisierten Kriminalität konfrontiert wurden, und wenn gerade diese organisierte Kriminalität auch mit Drogen handelt, so ist es wohl nur selbstverständlich, dass wir auch diese Drogenbosse ins Visier nehmen, sind das doch diejenigen, die nicht süchtig sind, die eiskalt, die wie Firmenbosse agieren und denen das Leben anderer gleichgültig ist und die daher in Kauf nehmen, dass sehr viele, zumeist Jugendliche, durch den Handel, an dem diese Drogenbosse verdienen, sterben.

Das heißt insgesamt: Kein Verlassen der bisherigen Linie, sondern ein neues, ein sinnvolles Reagieren.

Ich danke den beiden Regierungsparteien, dass sie hier so einheitlich Stellung bezogen haben und dass die Zusammenarbeit so erfolgreich, so ruhig, so sachlich und so konzeptiv war. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte. (Abg. Dr. Pumberger: Da ist der Wurm in der Drogenpolitik drinnen!)

19.19

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Miedl hat hier – ich hoffe, ich habe Sie da falsch verstanden! – Drogenabhängige, Heroinabhängige in einen Zusammenhang mit der Einführung des Kindergeldes gebracht. Was soll denn das heißen? (Rufe bei der ÖVP: Besser zuhören!) Möchten Sie vielleicht berufstätigen Müttern unterstellen, diese wären dafür verantwortlich, wenn ihre Kinder heroinsüchtig werden? Soll es das heißen? Ich hoffe, das haben Sie nicht so gemeint, Herr Abgeordneter Miedl! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Jung: Besser zuhören sollten Sie! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Ich habe ganz genau zugehört! Was bitte hat das Kindergeld mit heroinsüchtigen, mit kranken Menschen zu tun? Das frage ich Sie noch einmal! (Abg. Miedl: Mehr Zeit für die Kinder! Prävention ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mehr Liebe geben? Und die kann man Ihrer Ansicht nach sicherlich vor allen Dingen dann geben, wenn die Mutter zu Hause und nicht berufstätig ist?! Oder kann man auch Liebe geben, wenn man einen Beruf ausübt und wenn man vom Beruf auch ausgefüllt wird?! – Und dazu, Herr Abgeordneter Jung, gehören auch die Väter! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten


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der Grünen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Schreien Sie doch nicht so!) Sie diskriminieren hier 40 Prozent der berufstätigen Frauen – und das regt mich auf! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Jung: Langsam und deutlich sprechen!)

Ihre Partei war es ja, Herr Abgeordneter Jung, die in einem der letzten Wahlkämpfe propagiert hat: "Wien darf nicht Chicago werden!" Und die Geschichte hat uns gezeigt: Wien ist tatsächlich nicht Chicago geworden! (Abg. Jung: Schauen Sie sich doch einmal die Drogenszene in Wien an!) Im Gegenteil: Wien ist eine sichere, ist eine lebenswerte Hauptstadt! (Abg. Jung: Gehen Sie doch einmal auf den Karlsplatz in Wien!)

Was Sie mit dieser Gesetzgebung jetzt machen, das erinnert an Chicago, und zwar an das Chicago der dreißiger Jahre, an die Zeiten der Prohibition! Das sage ich Ihnen! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung SPÖ –: Müssen Sie der im Klub auch zuhören? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In einem Punkt, Herr Abgeordneter Jung und Frau Abgeordnete Fekter, waren sich alle Experten einig; aber bei dieser Strafrechts-Enquete-Kommission waren Sie, Herr Abgeordneter Jung, nicht dabei. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) In einem Punkt waren sich sämtliche Experten einig: Strafen statt helfen, das nützt nichts in der Drogenpolitik. Strafen statt helfen, das nützt nichts (Zwischenruf des Abg. Miedl  Abg. Jung: Wer hat Ihnen denn diese Rede geschrieben?), denn so wird es zu mehr und nicht zu weniger Kriminalität kommen! Das war unisono die Meinung der Experten. Alle, die dabei waren, konnten das mitverfolgen. (Abg. Dr. Pumberger: Schlusssatz, Frau Kollegin!)

Nun aber wollen Sie von den Koalitionsparteien einen bewährten österreichischen Weg verlassen, nämlich das Prinzip "Helfen statt strafen!" nicht mehr in dieser Weise fortführen, wie wir das bisher in Österreich erfolgreich praktiziert haben. Wider alle Vernunft, wider alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, wider die Meinung von Drogenexperten wird hier ein Gesetz durchgepeitscht! (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Ich sage Ihnen, Herr Abgeordneter Jung: Es wird nichts nützen, auch wenn Sie sich da noch so echauffieren, denn Faktum ist, dass sich sämtliche Experten dahin gehend ausgesprochen haben, dass es in diesem Bereich keine lebenslange Freiheitsstrafe geben soll! Ich zitiere Herrn Professor Fuchs, der in dieser Sitzung der Enquete-Kommission sagte: "Von der lebenslangen Strafe in diesem Zusammenhang halte ich gar nichts." – Sie kennen Herrn Professor Fuchs, haben wahrscheinlich auch mit ihm studiert. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Beweislastumkehr sagte Professor Bertel von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck – ich zitiere –:

"Eine Beweislastumkehr hat es nicht einmal im alten Strafgesetz gegeben, nicht einmal im alten Strafgesetz von 1803! Der österreichische Gesetzgeber macht da einen Rückfall in die Zeit vor Kaiser Franz I. – Ich kann darüber nur den Kopf schütteln ...", so Professor Bertel bei dieser Sitzung der Enquete-Kommission. (Abg. Dr. Pumberger: Sie merken nicht einmal, dass Ihre Redezeit vorbei ist! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Zum § 29 des Suchtmittelgesetzes. In diesem Zusammenhang fragen sich Ärzte, die sich mit dieser Thematik genau auseinander setzen, die sich um diese Leute kümmern: Können wir jetzt noch mitarbeiten, können wir den Leuten auch weiterhin helfen? – Wo ist er denn jetzt, der Herr Dr. Rasinger? – Er hat sich ja auch schon in verschiedenen Zeitungsinterviews zum Thema Grenzmengenreduktion geäußert. – Diese Ärzte also sagen: Können wir weiter mitarbeiten bei den Programmen "Check it" und "Safer use"? Oder – auch diese Frage wird gestellt –: Machen wir uns damit strafbar, sind wir damit sozusagen im Kriminal? – So schauen also die Meinungen der Experten dazu aus! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abschließend, Herr Bundesminister, noch einmal ein Zitat von Herrn Professor Bertel, der in einem Artikel in den "Salzburger Nachrichten" schrieb:


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"Für die Strafbarkeit des Drogenkonsums gibt es keine einsichtigen Gründe. Wie in vergangenen Jahrhunderten Hexer und Hexen, so bestraft man heute Drogenkonsumenten auf Grund von Vorurteilen für Verhaltensweisen, die in Wahrheit niemandem schaden. Und wie es damals Leute gab, die ein noch härteres Vorgehen gegen Hexer und Hexen forderten, gibt es heute Leute, die noch strengere Strafen für Drogenkonsumenten fordern." – Zitatende.

Und weiters fordert Herr Professor Bertel: "Zurück zur Vernunft!"

Und dazu fordere auch ich Sie auf: Zurück zur Vernunft, sehr geehrte Damen und Herren von den Koalitionsparteien! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

19.25

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die jetzt zur Diskussion stehende Regierungsvorlage mit dem Ziel, das Suchtmittelgesetz zu novellieren, stellt unserer Überzeugung nach tatsächlich einen weiteren Meilenstein bei der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität dar. Und dafür gibt es, meine sehr geehrten Damen und Herren, zwei Ansätze.

Erster Ansatz: die ständig steigende Suchtgiftkriminalität. – Wir können nicht die Augen verschließen vor der Statistik, und zwar sowohl international gesehen als auch hier in Österreich. Allein was die Drogentoten hier bei uns in Österreich betrifft, gibt es eine alarmierende Steigerung – Kollege Miedl hat bereits darauf hingewiesen –: 1999 174 Drogentote, im Jahre 2000 – diese Statistik wird erst in Kürze erscheinen – werden es über 230 sein; im Jahre 2001 wiederum eine alarmierende Steigerung. (Abg. Mag. Wurm: Weil Sie kriminalisieren!) Darüber, Frau Kollegin Wurm, darf man nicht hinwegsehen! Da muss angesetzt und gehandelt werden! Und diese unsere Regierung ist es, die auch da handelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich kenne ich die Diskussion darüber – insbesondere in Ausschusssitzungen flammt sie seitens der Grünen immer wieder auf –: Die größte Sicherheitsbedrohung, so sagen Sie immer wieder, stellt nicht Suchtgift oder sonst etwas dar, nein: Die größte Bedrohung für die Sicherheit, so behaupten jedenfalls die Grünen, allen voran Frau Stoisits, sei der Straßenverkehr mit seinen zahlreichen, durch Verkehrsunfälle verursachten Todesopfern. – (Abg. Mag. Stoisits: So ist es!)

Liebe Kollegin Stoisits, wenn man das tatsächlich vergleicht – die Bedrohung der Sicherheit durch den Straßenverkehr mit jener der Suchtgiftkriminalität –, betreibt man doch Realitätsverweigerung! Vor allem aber ist das eine Verharmlosung! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Wir müssen beides bekämpfen! – Das ist doch lächerlich!)

Es gibt auch noch einen zweiten Ansatz in dieser Diskussion, der diese Androhung von höheren Strafen, der diese Strafverschärfung geradezu notwendig macht: Bei dieser Form von Kriminalität ist die Dunkelziffer enorm groß, denn klar ist: Weder der Täter noch das Opfer haben Interesse an einer Aufklärung – der Drogenhändler nicht, der möchte sein Geschäft machen, und auch der Drogenkonsument, der süchtig ist, nicht, denn er muss ja weiterhin seine Sucht stillen. Das ist also der Grund, meine Damen und Herren, warum dabei die Dunkelziffer so groß ist.

Selbstverständlich ist aber klar – und ich bin sehr froh, dass Herr Kollege Einem jetzt auch da ist –, dass Sie von den Sozialdemokraten einen etwas anderen Zugang zum Thema Drogenbekämpfung haben, wenn nämlich Ihre Kollegin Pittermann – und das ist so, da können Sie, Herr Abgeordneter Einem, jetzt wieder zu einer tatsächlichen Berichtigung hier herauskommen –, die jetzt noch dazu bezeichnenderweise Gesundheitsstadträtin von Wien ist, fordert, Cannabis-Konsum sollte straffrei sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich zitiere hier die "Presse" vom 13. Dezember 2000; die neue Stadträtin im Gesundheitsressort, Elisabeth Pittermann, im "Presse"-Gespräch: Cannabis-Konsum sollte straffrei sein! – Was also da die tatsächliche Berichtigung von Herrn Kollegen Einem sein sollte, ist mir nicht ganz verständlich. (Ruf: Tatsächliche Bestätigung!)

Auf die Frage, wie man denn zu Cannabis komme, schlägt Elisabeth Pittermann auch noch vor – wörtliches Zitat –, man sollte es eben "selbst pflanzen". – Meine Damen und Herren: Wenn jemand so etwas vorschlägt, so kann das wohl nur als ungeheuerlicher Anschlag auf die Gesundheit unserer Jugend bezeichnet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weiters verstehe ich diese künstliche Aufregung um die Strafandrohung "lebenslang" nicht. Es ist schon richtig, dass in der Enquete-Kommission manche daran zweifelten, ob "lebenslang" die geeignete Abschreckung darstellen würde, aber, sehr geehrte Damen und Herren, Hohes Haus: Wir Freiheitlichen sind davon überzeugt! Und selbst jene, die daran zweifeln, sollten wissen, dass dadurch nichts Nachteiliges geschieht, außer man will Schwerverbrecher schützen – aber das unterstelle ich wirklich niemandem hier in diesem Hause.

Was sind denn die Voraussetzungen für die Strafandrohung "lebenslang"? – Drogenhandel in Verbindung mit einer größeren Zahl von Menschen und eine große Menge Suchtgift. – Wenn die internationalen Suchtgift-Kartelle wegen dieser neuen Strafandrohung vielleicht aus Österreich absiedeln beziehungsweise sich hier nicht ansiedeln, so ist doch immerhin schon etwas erreicht. Auch deshalb ist es sinnvoll, diese Strafandrohung zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu guter Letzt: Im Gegensatz zu Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, vertrauen wir auf die Unabhängigkeit und die Kompetenz der Richterinnen und Richter Österreichs. Diese werden in jenem Maße von diesem "lebenslang" Gebrauch machen, wie das eben notwendig ist. Und, meine Damen und Herren: Mafia-Verbrecherbanden, die Suchtgifthandel großen Stils hier in Österreich betreiben, Milliarden verdienen und unsere Jugendlichen süchtig machen, nein, das ist nicht die Klientel, die wir als schutzwürdig betrachten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

19.30

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch die Experten – das wurde ja bereits von einigen VorrednerInnen angesprochen – sind sich darin einig, dass eine Erhöhung der Strafandrohungen in diesem Bereich nichts bringt. Therapie statt Strafe!, das ist das Einzige, was da tatsächlich greifen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Miedl! Würde Ihr System funktionieren, dann würde es auch jetzt schon funktionieren. Ich lade die Damen und Herren einmal ein, sich die Einrichtungen des Strafvollzuges auf nationaler, aber auch auf europäischer beziehungsweise internationaler Ebene anzusehen. (Abg. Mag. Mainoni: In Texas?) – Nicht in Texas! Aber schauen Sie sich von mir aus nur jene in Österreich an! (Abg. Dr. Pumberger: Das war die sozialistische Sicherheitspolitik! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Ob jetzt aus dem Gefängnis heraus oder hinein gedealt wird, ob es Drogenkonsum im Gefängnis gibt oder nicht: Würde Ihr System greifen, dann würde es ja jetzt schon funktionieren. Nur zu strafen und einzusperren, das, meine Damen und Herren, funktioniert eben nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Miedl: Das will doch niemand!)

In Österreich haben wir, und zwar in den verschiedensten Justizanstalten, eigene Stationen, in denen Drogenabhängige behandelt werden. – Da können Sie (in Richtung Freiheitliche) deuten, was Sie wollen. (Abg. Mag. Wurm: Justizwachebeamte wissen, wovon sie reden!) Einige Anstalten sind schon so weit, dass sie sagen: Wir schaffen drogenfreie Zonen! (Abg. Dr. Pumberger:


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Ihr müsst eine "gute" Politik gemacht haben!) Was heißt denn das, meine Damen und Herren? – Das heißt doch, man kann nur dort eine drogenfreie Zone machen, wo es eben Drogen gibt. Jetzt schon bekommt man dieses Problem im Justizbereich in Wirklichkeit also nicht in den Griff! (Ruf bei den Freiheitlichen: Na das muss eine "gute" Politik gewesen sein!)

Dort muss aber jetzt gespart werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Alle Experten werden Ihnen sagen, dass dadurch nichts geschehen wird – außer dass wir mehr Leute einsperren und diese dann aus dem Gefängnis dealen. Dieses Problem kann so nicht an der Wurzel bekämpft werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Da, Kollege Miedl, finden wir uns wieder: Wenn man präventive Maßnahmen setzt, dann muss man auch danach trachten, dass es für den Sozial-, für den Bildungs- und Ausbildungsbereich die entsprechenden finanziellen Mittel gibt. Nur auf diesem Weg, in einem geordneten sozialen Umfeld, kann man verhindern, dass es überhaupt zu Drogenmissbrauch kommt. – Ich hoffe, wenigstens diesbezüglich werden wir uns einig sein.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, genau in diesen Bereichen wird gleichfalls gespart! Das ist nämlich Ihre Form von "neuem Regieren"!

Ich meine: Wenn wir dieses Problem gemeinsam bekämpfen wollen, dann müssen wir eben eine Lösung von der Wurzel her versuchen. Es bringt nichts, jetzt ganz einfach zu sagen: Strafen wir die Leute mehr, schicken wir sie in irgendeine Justizanstalt, dann aber zuzuschauen, wie dort Drogenmissbrauch stattfindet!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Mauern dieser Anstalten sind nicht dicht. Aber auch in diesem Bereich wir leider weiter eingespart.

Abschließend: Jedenfalls ist zu befürchten, dass aus finanziellen Gründen Drogenabhängige dann vielleicht sogar als Freigänger unterwegs sein werden. – Das wäre ja die größte "Hetz‘", denn damit würden Sie von den Koalitionsparteien sich überhaupt selbst konterkarieren.

Unsere Fraktion jedenfalls kann mit einer solchen Politik nichts anfangen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

19.34

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Justizminister! Herr Kollege Pendl, dieses Problem an der Wurzel zu lösen, heißt – so sehen wir das jedenfalls –, zwischen Dealern und Süchtigen zu unterscheiden. In Ihrer Rede habe ich jedoch nicht gehört, dass Sie das wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube, das Schlimmste ist die Verharmlosung der Drogenproblematik beziehungsweise des Drogenkonsums. Und mir tut es Leid, dass eine solche Verharmlosung hier in diesem Hause sehr oft geschieht; das ist ja nicht die erste diesbezügliche Debatte. Verharmlosung ist jedenfalls das Schlimmste, was man in dieser ganzen Problematik tun kann, wissen wir doch, dass Drogen zu den größten Gefahren unserer Gesellschaft gehören.

Ich möchte jetzt noch an die Diskussion über den Familienbericht anschließen. Mir tut es sehr Leid – das wäre vielleicht eine Anregung –, dass diese Thematik im Familienbericht nicht beleuchtet wurde. Das könnte man doch einmal tun und sich der Frage widmen: Wie geht eine Familie damit um, wenn es bei ihr einen Drogenkranken gibt? – Das wäre also eine Anregung, und ich meine, wir von den Regierungsparteien sollten uns dafür einsetzen, dass in einem Familienbericht einmal auch dieses Thema – ein wirklich trauriges Kapitel! – behandelt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn man sich mit der Drogenproblematik beschäftigt, dann weiß man, dass es keine gesellschaftliche Schicht gibt, in der dieses Problem nicht vorkommt, ebenso keine Altersstufe. Es ist das zwar nicht nur, aber in erster Linie doch ein Problem Jugendlicher.


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Wenn man in diesem Bereich von Liberalisierung spricht, so ist das aus meiner Sicht etwas, was man sich da oft nicht ganz klar vor Augen führt. Kollege Miedl hat ja hier – das möchte ich gerade in Richtung der Kollegin Wurm sagen – von einem Vater gesprochen, der sich viel zu spät mit den Problemen seines Sohnes beschäftigt hat. Kollege Miedl hat aber wirklich nicht verlangt, dass die Mütter zu Hause bleiben sollten, sondern hat klar aufgezeigt, dass sich dieser Vater – eben oft die Eltern oder die Gesellschaft überhaupt – viel zu spät mit seinem Sohn, mit diesem Jugendlichen befasst hat.

Was eine Liberalisierung in diesem Bereich anlangt, sollte man schon bedenken, dass man da eigentlich den Schluss ziehen könnte, dass man sich sehr oft nicht mit den Problemen des Jugendlichen, mit seinen Ängsten, seinen Sorgen und Zweifeln auseinander setzen möchte, sondern diesem sozusagen bedeuten würde: Nimm die Droge, wenn du unglücklich bist, das schadet nicht! – Aber das bitte ist nicht unser Zugang zur Drogenproblematik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Wer will das?)

Indem man Drogen anbietet – auch Cannabis – und sagt, das ist eigentlich nur eine weiche Droge (Abg. Edlinger: Aha, deshalb hat die Frau Partik-Pablé im Wahlkampf junge Menschen zum Tschechern eingeladen!), versucht man, mit diesen Drogen gleichsam eine Illusion von Freiheit zu verkaufen. Man verkauft also mit Drogen die Illusion, ein Problem lösen zu können. Man verkauft mit den Drogen die Illusion, stark, erwachsen und mutig zu sein. In Wirklichkeit jedoch – seitens der Jungen ÖVP wurde das einmal sehr treffend gesagt – wird jeder, der sich mit Drogen einlässt, von diesen Drogen betrogen. Das muss uns allen bewusst sein!

Wir müssen alle Kraft darauf verwenden, um eben in der Prävention noch mehr zu tun, um noch mehr Hilfe zu leisten.

Wir wissen heute, dass Drogensüchtige – und seien sie noch so müde – alle Kräfte aufwenden, um sich Drogen zu beschaffen, und deshalb kommt es eben sehr oft zu kriminellen Handlungen.

In diesem Zusammenhang möchte ich an Kollegin Wurm, die im Moment nicht anwesend ist, appellieren und zu ihrer Haltung sagen, sie möge in diesem Zusammenhang auch über Folgendes nachdenken: Zum Zwecke des Frauenhandels werden beispielsweise viele Frauen unter Drogen gesetzt, werden durch Drogen gefügig gemacht und zur Prostitution gezwungen! Darüber wurde hier noch gar nicht gesprochen. Das ist jedenfalls ein ganz großes Problem, das man da auch sehen sollte.

Wir wollen jedenfalls, dass es in Zukunft kein Mitleid mit Großdealern gibt; dazu bekennen wir uns. Wie schon gesagt: Diese Drogenhändler machen ihr Geschäft nicht nur mit Drogen, sondern auch mit Menschen- beziehungsweise Waffenhandel. Wir müssen daher alles daransetzen, dies zu bekämpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da dieser österreichischen Bundesregierung hier immer so eine Law-and-Order-Politik vorgeworfen wird, möchte ich nur auf Folgendes hinweisen: Wir stehen da bitte vollkommen im Einklang mit der UN-Politik, ebenso im Einklang mit der Drogenpolitik vieler anderer EU-Länder.

Da meine Redezeit sich bald dem Ende zuneigt, möchte ich nur noch kurz – weil hier immer wieder Holland als großes Vorbild in der Drogenpolitik darzustellen versucht wird – auf einen "Presse"-Artikel vom 15. März 2000 hinweisen, in dem es in Bezug auf Holland heißt: "Liberale Drogenpolitik gescheitert."

Und weiters: "Der freizügige Umgang Den Haags mit Rauschgift gilt als gescheitert. Die Bilanz nach 25 Jahren liberaler Politik ist erschreckend." – Zitatende. (Abg. Miedl: Genau, das ist es!)

Man muss sich auch vor Augen führen, dass in den Niederlanden die Zahl der Drogensüchtigen, auch im Falle schwerer Drogen, in Europa – und das gleich nach den US-Zahlen – am höchsten ist. (Ruf bei der SPÖ: Könnten Sie uns Ihre Quelle verraten?)

Sie können sich das gerne ansehen; das geht zurück auf eine Studie des amerikanischen Drogenforschers Larry Collins, der sagte:


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"Heute zeigen Studien, dass die liberale niederländische Drogenpolitik kläglich gescheitert ist. Sie hat das Gegenteil dessen erreicht, was sie anstrebte. Die Niederlande sind heute der größte Ecstasy-Produzent in Europa." – Zitatende. (Abg. Edlinger: Deshalb wurden die jungen Leute von den Freiheitlichen zum Gratis-Bier-Saufen eingeladen! – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das unterstrich, wie gesagt, der US-Drogenforscher Larry Collins in der Nachrichtensendung "KRO-Netwerk". – Jüngste Untersuchungsergebnisse in Amsterdam haben dies auch bestätigt.

Der bekannte Drogenexperte Steinmetz fand unter anderem heraus – nachzulesen in diesem "Presse"-Artikel –, "dass allein der Markt für weiche Drogen in Holland jährlich umgerechnet etwa 122,5 Milliarden Schilling Umsatzvolumen hat".

Die Bilanz nach 25 Jahren liberaler niederländischer Drogenpolitik laut "KRO-Netwerk": "Die Niederlande haben nicht weniger Konsumenten harter Drogen als Länder mit weniger toleranter Drogenpolitik." – Zitatende.

Ich glaube, dass Kollege Brosz ja auch noch zu diesem Thema sprechen wird. Ich habe ihn schon einige Male in diesem Haus gehört, und ich weiß, dass er immer wieder Holland als Vorbild bringt.

Daher möchte ich vorausschauend schon jetzt sagen: Holland hat es probiert – und daraus ist nur ein einziger Schluss zu ziehen: Holland kann da niemals ein Vorbild für uns sein!

Wir sind für Prävention, für Hilfe für Süchtige, aber auch für die Bestrafung von Drogenbossen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

19.41

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In 14 Monaten ist sehr viel geschehen in der österreichischen Drogenpolitik. Wir haben die Drogenkontrollen im Straßenverkehr zur Hebung der Verkehrssicherheit ermöglicht. Wir haben die Grenzmenge für Heroin von fünf auf drei Gramm gesenkt – eine Wiedergutmachung, um Heroinhändlern rascher das Handwerk legen zu können –, und wir beschließen heute ein Suchtmittelgesetz, das in erster Linie gegen den schweren, organisierten Suchtgifthandel gerichtet ist.

Das sind Meilensteine einer zukunftsorientierten Drogenpolitik. Diesen Weg gehen wir weiter! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir ermöglichen die Hilfe für die Süchtigen. – Es ist heute schon mehrmals behauptet worden, dass das nicht der Fall sei. – Es steht ja auch in der Vorlage, dass wir beim Prinzip "Therapie statt Strafe" bleiben. Aber wir wollen Strafe für Dealer haben, und gerade für die Großdealer, für die wirklich großen Drogenbosse. (Abg. Dr. Niederwieser: Was hat das mit der Grenzmenge zu tun? Was hat die Grenzmenge mit den Drogenbossen zu tun?) Das ist der Kern dieses heutigen Gesetzes, dass wir das Strafausmaß für die wirklich gefährlichen, großen Drogenbosse der Drogenmafia, die es auch in Österreich gibt, auf bis zu "lebenslänglich" in besonders harten Fällen erweitern. Das ist legitim, das ist wichtig für unsere Jugend! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im Bereich der elektronischen Kommunikation, des Internet, war es bisher straffrei, den Drogenkonsum gutzuheißen oder zum Konsum oder zum Handel aufzufordern. Das wird mit diesem Gesetz nunmehr auch geändert. Es ist ganz wichtig, dass wir auf die modernen Kommunikationsmethoden eingehen und dem entgegenwirken, indem wir es unter Strafe stellen, wenn Drogengebrauch und -missbrauch im Internet gutgeheißen wird oder gar zum Gebrauch aufgefordert wird. Das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt.


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Herr Kollege Niederwieser! Die differenzierte Handhabung der vorläufigen Anzeigenzurücklegung (Abg. Dr. Niederwieser: Dann werden Sie ein paar Wissenschafter einsperren müssen, die das behandeln!), wenn jemand immer wieder während der Probezeit ertappt und erwischt wird, ist ja unbedingt notwendig! Wir wollen ja dem Mann oder dem Kind helfen, von der Droge wegzukommen, weil er selbst nicht die Kraft hat, sich von der Droge zu befreien, und weil Sie in Ihrer sozialistischen Politik es verabsäumt haben, genug Drogenentwöhnungsstellen zu schaffen, sodass in Österreich ein halbes Jahr bis zu einem Jahr gewartet werden muss. – Das war Ihre Drogenpolitik! (Abg. Edlinger: Na selbstverständlich!)

Aber wir brauchen sie ja gar nicht zu entwöhnen – es ist ja klasse: Da gibt es jetzt einen Antrag im Gesundheitsausschuss betreffend Freigabe von Marihuana. Ich bin überzeugt, dass Sie da mitgehen werden mit dem grünen Brosz und auch mit dem Herrn Universitätsprofessor Grünewald, der sich einsetzt für eine Freigabe von Marihuana! (Abg. Dr. Grünewald: Bitte sagen Sie die Wahrheit – und keine Dummheiten!)

Herr Professor! Der Antrag liegt im Gesundheitsausschuss. Sie wissen nicht, was von Ihrer Fraktion eingebracht wird! Lesen Sie ihn! (Abg. Dr. Grünewald: Lesen ist zu wenig! Verstehen!) Sie brauchen sich für Ihre Kollegen in Ihrer Fraktion nicht zu genieren, Sie brauchen nur gegen Ihren Fraktionsantrag zu stimmen. (Abg. Mag. Wurm: Wissen Sie, was die WHO sagt?) Dann haben Sie Mut bewiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Gesetz ist wichtig und notwendig und wirkt dem entgegen, was die linke Tendenz in diesem Haus ist (Abg. Dr. Niederwieser: Jetzt habt ihr mit den Plakaten Schiffbruch erlitten! Wie lange wollt ihr denn das noch erzählen?): die Liberalisierung der weichen Drogen, der Sie jahrelang das Wort geredet haben! Eine Gesundheitsstadträtin einer Millionenstadt, der österreichischen Bundeshauptstadt, spricht sich für Straffreiheit – für Straffreiheit, Herr Altbundesminister Einem! – bei Cannabis aus, eine Gesundheitsstadträtin in einer Stadt, in der ihre Fraktion, der sie angehört, die absolute Mandatsmehrheit hat! – Mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich an die 230 Toten denke, die im Jahre 2000 zu beklagen waren. (Abg. Mag. Wurm: Cannabis-Tote? – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Wurm, Edler und Edlinger. )

Ich hoffe, dass durch unsere Politik auch der Anstieg der Drogentoten reduziert werden kann und dass Sie mit Ihrer Drogenpolitik am Abstellgleis sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Wurm: Nennen Sie mir einen Cannabis-Toten! – Abg. Edlinger: Ihre Politik ist in Wien nicht gefragt, Herr Pumberger!)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

19.46

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte, bevor Herr Professor Grünewald das Wort ergreift, bewusst einen Beitrag liefern, weil mir zu oft gesagt wurde, dass das Prinzip "Therapie vor Strafe" verlassen werden würde. – Das ist nämlich nicht der Fall!

Es ist aber bitte eines klarzustellen: Die Strafe muss angedroht werden, damit derjenige, der süchtig ist, sich therapieren lässt. Ohne die Androhung der Strafe lässt er sich normalerweise nicht therapieren.

Es wären noch andere Dinge anzumerken. Vor allem hat mich Herr Abgeordneter Pendl ein bisschen enttäuscht. – Sie wissen doch, Herr Abgeordneter, wie sehr wir uns im Strafvollzug bemühen und in diesem nicht sparen, damit die Therapien auch wirklich durchgeführt werden. Wir haben zu diesem Zweck alleine 60 Millionen Schilling Auffangkosten, denn auf Grund der Subsidiarität muss der Bund eingreifen, wenn die Länder die Therapiekosten nicht bezahlen. Allein das kostet uns – das Bundesministerium für Justiz – 60 Millionen Schilling jährlich.

Es ist richtig und, so glaube ich, auch kein Beweis für Negatives, dass es drogenfreie Zonen in den Justizanstalten gibt. Was sind denn drogenfreie Zonen? – Dort können unter anderem The


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rapiewillige den Strafvollzug durchführen lassen, sie müssen sich aber in sehr kurzen Abständen einer Harnprobe unterziehen, weil das die einzige sichere Methode ist, um die Drogenfreiheit, die Suchtfreiheit zu bestätigen. Das ist eine sehr sinnvolle Einrichtung.

Es gibt noch sehr viele andere Bemühungen, bei denen wir nicht sparen, Herr Abgeordneter Pendl, um die Therapiewilligen wirklich zu therapieren. Zum Beispiel entsteht in Floridsdorf – nicht ganz mit der Zustimmung der Justizwache, das wissen Sie – eine Begutachtungsstation, in der wir schon während des Strafvollzuges die Therapiewilligen von den nicht Therapiewilligen trennen.

Das Prinzip, dass denjenigen, die sich therapieren lassen wollen, wirklich geholfen wird, damit sie die zu Recht verhängte Strafe nicht verbüßen müssen, wird also nicht verlassen. Es wird nur sehr sorgfältig verfolgt, damit jeder veranlasst ist, sich wirklich therapieren zu lassen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte. (Abg. Dr. Pumberger  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Grünewald –: Das habe ich mir gedacht, dass Sie auf mich replizieren! – Abg. Dr. Grünewald: Fein, dass Sie einmal denken! Das freut mich! – Abg. Böhacker: Und dass Sie mitdenken, das ist auch sehr nett!)

19.48

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Lieber Kollege Pumberger! Hohes Haus! Der Herr Minister hat gerade sozusagen etwas korrigiert. Das steht mir natürlich auch zu – nämlich zu korrigieren –, und ich stelle mit aller Deutlichkeit fest, dass ich keinen Antrag an den Gesundheitsausschuss zur Freigabe von weichen Drogen unterschrieben habe. Sie müssen das als Vorsitzender des Ausschusses wissen! Wenn Sie es nicht wissen, dann brauchen Sie vielleicht auch einen Arzt. (Heiterkeit des Abg. Edler.  – Abg. Edlinger: Einen Augenarzt! – Abg. Dr. Fekter: Das ist sehr tief!)

Was nun die Strafe betrifft, so ist im Prinzip nachgewiesen ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt zwei Bemerkungen gemacht, die nicht gerade der Würde des Hauses entsprechen. Ich bitte Sie, wenn Sie fortfahren, Worte zu gebrauchen, die angemessen sind!

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Ich werde etwas vorsichtiger sein.

Dort, wo vernünftig und wirklich klug diskutiert wird, hat man schon lange erkannt, dass vorwiegend strafrechtliche Maßnahmen nicht genügen, um das Drogenproblem zu kontrollieren und auch nur irgendwie in Richtung Besserung zu bringen. In diesen Ländern, wo vernünftig und klug debattiert wird, wird aber auch die Entkriminalisierung von Drogenkranken nicht verwechselt mit der Werbung für Drogen und die Freigabe von Drogen auch nicht verwechselt mit der möglichst großen Straffreiheit von Drogen-Usern. Das ist etwas anderes! Das ist doch nicht so schwer zu verstehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir können über vieles streiten, aber es gibt drei Punkte, worüber man nicht streiten kann:

Erstens: Die Utopie einer drogenfreien Gesellschaft bleibt, ob uns das gefällt oder nicht, weiterhin Utopie.

Zweitens: Dass auch die jetzige Suchtgiftpolitik nicht das bewirken konnte, was man sich davon erwartet hat, ist klar; aber ebenso dass Drogenpolitik – und das sollten Sie erfahren haben – als Wahlkampfthema schlecht geeignet ist, weil sozusagen die Bündelung von Vorurteilen in Schlagzeilen und Slogans einfach der Tragik der betroffenen Menschen nicht in geringstem Maße gerecht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Drittens: Wenn Sie meinen, dass Strafe alles löst, dann denken Sie doch daran, dass es Länder gibt, wo die Strafen und die Justiz weitaus härter als in Österreich sind. Da brauche ich Ihnen nur das Beispiel USA zu nennen: Dort gibt es sogar dreimal oder viermal "lebenslänglich", es gibt die Todesstrafe, und die Kriminalität ist dennoch höher als in Österreich! Das müssen Sie doch einmal kapieren! – Mir ist das wirklich ein Rätsel.

Es ist doch nicht sinnvoll, alle Vorurteile, Ängste und Unsicherheiten jetzt in ein politisches Programm hineinzureklamieren, weil dieses Programm den Problemen ja auch nicht gerecht wird. Es bringt auch nichts, sich, wie ich es bei Waneck erlebt habe, auf die verzweifelte und dennoch frustrane Suche nach Kronzeugen der eigenen Beengtheit und der eigenen Unsicherheit zu begeben, denn da finden sich keine herausragenden Fachfrauen und WissenschaftlerInnen, die bezeugen, was an Cannabis gefährlich ist.

Früher hat man uns auch gepredigt, unter welchen Bedingungen man Schwindsucht des Rückenmarkes und alles Mögliche bekommt. Ich kann Ihnen sagen – und Sie werden es bei sich selbst festgestellt haben –: Es hat nicht gestimmt! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber wenn Waneck dann sagt, die Drogenberater sind die größten Drogenverharmloser, dann geht das schon ein Stück zu weit. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist weder klug noch richtig, noch kommt es in irgendeinem Ausmaß der Wahrheit nahe.

Noch einmal zur Schweiz. Dort hat die Zahl der Drogentoten durch die dortige soziale, humane und relativ kluge Drogenpolitik nachweislich einen Tiefststand erreicht, auch wenn diese einige Purzelbäume geschlagen hat – das gebe ich schon zu. (Abg. Mag. Wurm: ... Arbeit mit Heroinabhängigen!)

Wenn in den Niederlanden Ecstasy für den Weltmarkt produziert wird – das kann schon sein –, da würde ich auch hart einschreiten. Da gebe ich Ihnen Recht, da habe ich kein Problem. Das hat aber nichts mit der Drogenpolitik, die konsumentenorientiert ist, zu tun.

Etwas sollte Ihnen aber in Erinnerung gerufen werden: dass in Deutschland der Großteil aller Polizeipräsidenten deutscher Großstädte unterschrieben und sich dazu bekannt hat, dass Strafrecht nicht genügt, und sie für die Freigabe von Heroin für jene Süchtigen sind, die sonst der Verelendung preisgegeben sind. Und sie sind auch zu einem großen Teil – dieser Artikel liegt vor, den kann ich Ihnen zeigen – für die Freigabe – oder sagen wir Entkriminalisierung, damit ich nicht auch diesen Fehler mache – von weichen Drogen gewesen.

Es ist aber zu hinterfragen, warum der Anteil an Haftstrafen bei Suchtmitteldelikten bei uns oder in ähnlichen Ländern bei 62 Prozent liegt, während die Haftstrafen bei der Gesamtkriminalität zwischen 23 und 30 Prozent liegen. Nur 10 bis 20 Prozent der Haftstrafen betreffen wirklich die Dealer, von denen Sie pausenlos reden; der Rest sind Konsumenten. Das kann es doch nicht sein!

Noch etwas: 70 Prozent der Drogentoten sind Opfer einer unbeabsichtigten Überdosierung, die der Schwarzmarkt begünstigt, weil dort der Reinheitsgrad von 10 bis 90 Prozent schwankt.

Ganz zum Schluss: Es ist nur scheinbar eine bestechende Ideologie, dass der Staat nichts für Süchtige tut, um ihre Sucht zu erleichtern. Aber ich frage mich: Wie tauglich ist diese Ideologie, wenn sie die öffentliche Sicherheit untergräbt, wenn sie die Sicherheit der BürgerInnen gefährdet, wenn sie Ressourcen der Polizei verschwendet, Süchtige in die Verelendung treibt und letztlich den Schwarzmarkt blühen lässt? Der Schwarzmarkt wird durch stärkere Strafen insofern noch "schwärzer", da er sich noch weniger kontrollieren lassen wird, weil die Leute mehr aufpassen werden.

Zuletzt noch zu den Präventionsmaßnahmen, die für uns von ganz entscheidender Wichtigkeit sind. Da möchte ich Ihnen schon eine neue Sicht davon geben: Prävention ist für mich, dass die


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Politik an einer Welt arbeitet, um sie so zu gestalten, dass es immer weniger Grund gibt, aus dieser Welt mittels Drogen zu flüchten. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Edlinger. ) Dazu gehört, dass die Politik Freiräume schafft, Bildung schafft, Emanzipation schafft, das Selbstwertgefühl stärkt, Menschen nicht das Gefühl gibt, ohnmächtig zu sein, und letztlich auch, Fremdes nicht auszugrenzen – auch dann, wenn man es nicht versteht und wenn man es nicht verstehen will. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pumberger zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.55

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Professor Grünewald hat behauptet, ich hätte gesagt, er hätte den Antrag der Grünen zur Cannabis-Freigabe unterschrieben. (Abg. Mag. Wurm: Haben Sie gesagt! Habe ich gehört! – Abg. Dr. Stummvoll: Seine Fraktion! – Abg. Mag. Wurm: Er hat es zweimal gesagt!)

Ich stelle tatsächlich richtig: Ich habe gesagt, dass der Entschließungsantrag der Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde im Gesundheitsausschuss liegt (Abg. Brosz: Welche Zahl hat der Antrag?), aber nicht, dass Sie unterschrieben haben.

Dieser Antrag betreffend Ermöglichung des Konsums von Cannabis lautet:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, ... Maßnahmen zu setzen, die den Konsum von Cannabis ohne Strafverfolgung ermöglichen ..."

Ich habe Sie gebeten, wenn Sie Zivilcourage haben, dem Antrag Ihrer Fraktion nicht zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

19.56

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bin einigermaßen verwundert über diese Diskussion und über die Haltung der Sozialdemokraten – ich muss es ganz ehrlich sagen. (Ruf bei der SPÖ: Geh, wirklich?) Ich wundere mich, dass sich insbesondere auch Frau Kollegin Wurm über ein Thema ereifert (Abg. Dr. Niederwieser: Weil sie sich auskennt, im Unterschied zu Ihnen!) und sich hier gleichsam zum politischen Schutzpatron von Drogenkonsumenten und Drogenhändlern macht (Abg. Mag. Wurm: Von Kranken!) und dabei überhaupt nicht die gesellschaftliche Realität vor Augen hat.

Sie sind doch in dieser Frage offensichtlich ideologisch vollkommen fixiert und betreiben hier Realitätsverweigerung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch etwas, was ich nicht verstehe: Das, was Sie hier vertreten, das vertritt ganz sicher nicht die Basis der sozialdemokratischen Wähler. (Abg. Mag. Wurm: Das wissen Sie schon wieder!)  – Auch das ist meine Meinung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe wirklich den Eindruck, Sie haben hier politisch resigniert, und Sie haben in dieser Frage auch moralisch abgedankt, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )


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Was wir wollen, ist eine weitgehend drogenfreie Gesellschaft. (Abg. Mag. Wurm: Alkohol!) Das ist das Ziel, das wir auch mit dieser Regelung verfolgen.

Diese Regelung ist nichts anderes als ein neuer, wichtiger Schritt einer Drogenpolitik mit einem klaren Konzept und auch mit einem erkennbaren Profil, meine Damen und Herren. Das ist es, worum es geht. (Abg. Mag. Wurm: 1 000 Tote wegen Alkohol haben wir! – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Prost, Herr Kollege!)

Zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen sage ich Ihnen Folgendes: Frau Kollegin Stoisits hat diese Enquete bemüht, die da stattgefunden hat, und auch versucht, Herrn Professor Burgstaller sozusagen für ihre Position zu instrumentalisieren. Aber wie meistens, Frau Kollegin Stoisits, haben Sie auch hier nur halb zitiert und haben Sie auch hier Positionen von ihm vereinnahmt, die er in dieser Eindeutigkeit, wie Sie das hier vorführen wollten, nie zum Ausdruck gebracht hat. Im Gegenteil, meine Damen und Herren!

Herr Professor Hauptmann hat gerade in der Frage "30 Jahre Drogenpolitik in Österreich" im letzten halben Jahr eine umfassende Untersuchung vorgelegt. Und was schreibt er als Resümee dieser Untersuchung? – Er schreibt, dass er möchte, dass diese Untersuchung einen Beitrag zum Umdenken in der Drogenpolitik leistet.

Und warum will er dieses Umdenken in der Drogenpolitik? – Weil sich die Anzahl der bekannt gewordenen Drogendelikte seit der Strafrechtsreform 1971 und der noch weiter gehenden Liberalisierung 1985 annähernd vervierfacht hat. Und eine weitere Verdreifachung hat sich von 1985 bis zum nächsten Liberalisierungsschritt 1997 ergeben, meine Damen und Herren.

Er hat auch darauf hingewiesen, dass der tatsächliche Zuwachs an Drogendelikten, also die Dunkelziffer, noch deutlich höher war, als dies strafrechtlich zum Ausdruck kommt. Er hat weiters darauf hingewiesen, dass es eine Ineffizienz bei der Entwöhnungsbehandlung gibt. Bei Abhängigkeit von harten Drogen kann nur eine Erfolgsquote von 5 Prozent erreicht werden. Die Substitutionsbehandlungen, zum Beispiel mit Methadon, haben nur bei bestenfalls 5 bis 10 Prozent der Drogensüchtigen einen Erfolg. Nur 5 Prozent der Substitutionspatienten sprechen darauf an, alle anderen nehmen weiter harte Drogen oft sogar zusätzlich zu ihrem Programm.

Weiters stellt er einen Zusammenbruch der Drogenkontrolle fest. Unter den Wiener Drogentoten eines ganzen Jahres fanden sich nur 12 Prozent, die wegen eines Drogendeliktes vorbestraft waren. Was heißt das? – Neun von zehn Drogentoten blieben demnach vom Beginn ihrer Rauschgiftkarriere bis zu deren letalem Ende von einschlägiger Strafverfolgung unbehelligt! Das heißt, von zehn, die gestorben sind, sind neun überhaupt nie mit dem Strafgericht in Zusammenhang gekommen, meine Damen und Herren. Ja, das ist doch geradezu ein völliges Versagen auch der Drogenkontrolle und des Strafrechts bei der Frage der Drogenbehandlung!

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Und da stellen Sie sich einfach tot, da akzeptieren Sie nicht, dass wir hier allenfalls auch neue Wege gehen müssen?! Da stellen Sie sich her und verlangen die Freigabe von Cannabis, wo jeder weiß, dass das eine ganz wichtige Einstiegsdroge für 90 Prozent der später nach harten Drogen Süchtigen ist? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Heinisch-Hosek: Nein! Alkohol!)

Es ist doch erwiesen: 90 Prozent derjenigen, die bei harten Drogen enden, haben mit Cannabis und Haschisch angefangen, meine Damen und Herren! Auch das ist wissenschaftlich nachgewiesen. (Abg. Mag. Wurm: Oder mit "Null-Komma-Josef"!)

Meine Damen und Herren! Bei dieser Verharmlosungspolitik werden wir auch in Zukunft nicht mittun – im Interesse unserer Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.03


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62. Sitzung / Seite 186

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

20.03

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es darf keine Gnade für Drogenbosse geben (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), und es darf keine Milde für diejenigen geben, die vorsätzlich und wissentlich Hunderte und Tausende Menschen in die Sucht treiben, in der Sucht halten und damit auch wissentlich ihren Tod in Kauf nehmen. Daher ist diese Novelle betreffend § 28 Abs. 5 Suchtmittelgesetz, die die Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe für die schwerste Form der Suchtmittelkriminalität vorsieht, absolut richtig und notwendig und, wie es Kollege Ofner gesagt hat, nur ein Nachziehen im europäischen Standard. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Herr Kollege! In den USA gibt es die Todesstrafe, und das hält keinen Einzigen ab! – Abg. Haigermoser: Geh, Schwemlein, setz dich nieder!)

Herr Kollege Schwemlein! Mir ist es nicht verständlich, warum Sie für Drogenbosse, für Bosse, die im großen Stil als Köpfe der groß organisierten Drogenmafia im Hintergrund die Fäden ziehen, Leute missbrauchen und deren Tod in Kauf nehmen, Milde walten lassen wollen, warum Sie nicht die Möglichkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe für diese Schwerstkriminellen vorsehen möchten. (Abg. Mag. Wurm: Weil es nichts nützt!) Das ist mir nicht verständlich, aber das müssen Sie Ihren Wählern erklären! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrten Damen und Herren! Es geht hier nicht um das Infragestellen des Prinzips "Helfen statt Strafe". Es geht hier, wie gesagt, darum, dass die Führungsebene getroffen werden soll, dass die Köpfe von Großbanden getroffen werden sollen. Es soll ein deutliches Zeichen der Generalprävention gesetzt werden. Daher findet diese Novelle unsere Unterstützung.

Die neuesten Meldungen des Innenministeriums bestätigen, dass hier akutester Handlungsbedarf gegeben ist. (Abg. Schwemlein: Sie glauben, Sie kündigen das an, und keiner traut sich mehr!) Im Jahre 2000 wurden – horchen Sie zu, Kollege Schwemlein! – 225 Tonnen Heroin beschlagnahmt, das ist dreimal so viel wie im Jahr davor! Und im Jänner und Februar dieses Jahres wurde bereits fast genauso viel beschlagnahmt, wie das im gesamten letzten Jahr der Fall war.

Daher ist es notwendig, dass wir ganz klare Maßnahmen setzen! (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )  – Na, weil Ihre Innenminister die Aufgriffsquote nicht geschafft haben. Ganz einfach! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber wir sind das gewohnt von Ihrer Seite, denn gerade die SPÖ mit ihrer Jugend spielt hier ein doppelzüngiges Spiel. Ich würde Ihnen empfehlen, nachzusehen, was auf der Homepage der Sozialistischen Jugend steht. Ich zitiere: "Die sozialistische Jugendpolitik ..." (Abg. Heinisch-Hosek: Hast du es schon ausprobiert?) Nein, habe ich noch nicht. (Abg. Heinisch-Hosek: Warum weißt du es dann?)

"Die Sozialistische Jugend fordert in der Drogenpolitik: Erstens: Cannabis-Produkte sind zu legalisieren." – Das wissen wir, dass das eine Forderung ist, das ist schlimm genug, aber es kommt noch schlimmer.

"Der Konsum von so genannten harten Drogen gehört entkriminalisiert", schreibt da die Sozialistische Jugend auf ihrer Homepage. (Abg. Mag. Wurm: Sie kennen nicht den Unterschied zwischen legalisieren und entkriminalisieren!)

Und dann geht es weiter – es ist eh noch immer nicht Schluss, Frau Kollegin Wurm; es ist noch immer nicht Schluss –: "Heroin muss an Süchtige abgegeben werden." (Abg. Mag. Wurm: Ja, natürlich! Methadon-Programme!) Und zwar warum? – Die Begründung ist interessant: "Als Maßnahme zur Aushöhlung des organisierten Verbrechens und zu einer Erhöhung der Sicherheit der Süchtigen." – Zur Erhöhung der Sicherheit der Süchtigen, damit die keine verunreinigten


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Stoffe einnehmen müssen. (Abg. Mag. Wurm: Richtig!) Daher soll der Staat das abgeben, und daher soll der Staat das bezahlen.

Ich möchte wissen, wie sich das die Sozialistische Jugend vorstellt. (Abg. Mag. Wurm: Fragen Sie einmal den Herrn Dr. Rasinger!) Soll der Staat, soll die Republik Österreich jetzt irgendwo vielleicht im Burgenland Mohn anpflanzen und selbst Heroin produzieren, das wir dann abgeben können? (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Oder soll vielleicht das Wirtschaftsministerium mit irgendeinem kolumbianischen Drogenboss Kontakte aufnehmen und ein paar Tonnen Heroin bestellen, damit die dann nicht einmal mehr schmuggeln müssen, die Drogengelder nicht einmal weißwaschen müssen, sondern ganz offiziell ihre Drogen verkaufen können? (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Wenn Sie sich das so vorstellen – wir haben das nicht in unserem Konzept. (Abg. Mag. Wurm: Sie sind gegen kranke Menschen!)

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen noch etwas vorlesen, was wirklich dem Fass den Boden ausschlägt. Ich zitiere hier, wie gesagt, aus der Homepage der Sozialistischen Jugend, aus dem Drogenkonzept der Sozialistischen Jugend: "Suchtprävention", schreiben die da, "hat nicht die Aufgabe, Kinder und Jugendliche zur Abstinenz zu erziehen." (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, eh nicht!) "Das ist nicht die Aufgabe. Sie muss vielmehr als Stützung der Selbstregulation gesehen werden." (Abg. Heinisch-Hosek: Ja! Ja!) "Das Ziel der Prävention sollte deshalb die Erziehung zum selbstbestimmten Konsum sein." (Abg. Jung: Zum selbstbestimmten Konsum? Das darf ja nicht wahr sein!)  – Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren!

Und dann geht es weiter: "Drogenkonsum" – das muss man sich bitte wirklich auf der Zunge zergehen lassen – "wird in diesem Zusammenhang nicht als Gefahr wahrgenommen, sondern als alternative Form des Genusses akzeptiert." (Abg. Heinisch-Hosek: So wie Sie Alkohol akzeptieren!)

Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren, und ich hoffe, Sie werden diesbezüglich auf Ihre Jugendorganisation einwirken. Wir werden diesen Weg nicht mitgehen. Da erübrigt sich jede Diskussion!

Wir wollen und werden unsere Jugendlichen vor rot-grüner Drogenpolitik schützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

20.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte. (Abg. Haigermoser: In der Sozialistischen Jugend ist der Wurm drin!)

20.09

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es ist immer dasselbe: Jede Suchtmitteldiskussion hier im Parlament entwickelt sich zu einer Diskussion zwischen zwei Ideologien. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Auf der einen Seite stehen die, die die drogenfreie Gesellschaft wollen und die dafür stehen, nämlich wir (Abg. Schwemlein: Da müssen Sie aber ein neues Gesellschaftssystem erfinden! Eine drogenfreie Gesellschaft gibt es nicht!), und auf der anderen Seite die, die die Drogenfreigabe haben wollen und damit die drogenabhängige Gesellschaft.

Dass man Drogenpolitik im internationalen Kontext sehen muss, dass es hier um einen der größten Wirtschaftsfaktoren der Welt geht, ist ja wohl unbestritten. Es ist überhaupt kein Problem, es ist überhaupt keine Frage: Wenn man eines der Mitglieder dieser Führungsebene überhaupt habhaft wird, dann ist die Ausweitung des Strafmaßes bis auf lebenslang überhaupt keine Frage. Das kann ja von jedem nur befürwortet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Im September 2000, meine Damen und Herren, sind 73 Jugendliche im Salzburger Raum aufgegriffen worden. Sie haben Cannabis, Ecstasy, Speed und Kokain konsumiert. Unter ihnen war ein Mädchen, das erst zwölf Jahre alt war.


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Meine Damen und Herren! Ich frage Sie  –  viele von Ihnen haben sicher Kinder in diesem Alter –: Wie viele dieser Kinder sind immer wieder im Internet? Mein Sohn fragt mich einmal am Tag: Mama, darf ich für eine kurze Zeit ins Internet hineinschauen? Und ich bin mir sicher, dass es Ihnen genauso geht. Sie können doch nicht wirklich befürworten, dass Aufforderungen und Anleitungen zum Drogenmissbrauch im Internet weiterhin straffrei sein sollen. Ich finde das sogar richtig, ich finde das begrüßenswert, ich finde das gut, dass unsere Kinder, die das Internet als neues Medium zur Verfügung haben, geschützt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Meine Kinder schauen ganz andere Seiten an!)

Meine Damen und Herren! In Linz ist die Zahl der Drogenverdächtigen von 1990 auf 1998 auf das Fünfundzwanzigfache gestiegen. Künftig – das ist für mich ebenfalls ein ganz wichtiger Punkt – ist es unzureichend, dass ein Verteidiger vor Gericht ganz einfach sagt, sein Angeklagter sei süchtig. Es ist unzureichend, er muss es selbst beweisen. (Abg. Mag. Wurm: Sie wollen die Beweislast umkehren!) Das finde ich vollkommen richtig, denn mit einer Krankheit zu spielen, ist nicht richtig. Es ist die Verhöhnung des wirklich Kranken, und es ist der Betrug an einer solidarischen Gesellschaft. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe mir noch die Stellungnahme der Grünen zum Suchtmittelgesetz angeschaut, und da, Frau Dr. Glawischnig, ist etwas ganz auffallend. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Darin steht nämlich – hören Sie zu! –: Ein Künstler sagt: Meine besten Bilder habe ich nur im Drogenrausch gemalt. – Das ist ein Zitat aus der Stellungnahme der Grünen zum Suchtmittelgesetz.

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was Sie damit suggerieren? (Abg. Mag. Wurm: Sie führen die Beweislastumkehr ein!) Sie suggerieren damit: Es gibt nichts anderes als drogenabhängige Kunst. Und dafür, meine Damen und Herren, sind wir nicht zu haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind gegen Abhängigkeiten im Leben, wir sind gegen Abhängigkeiten in der Kunst, und wir sind gegen Abhängigkeiten bei Drogen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Wurm: Hier wird ein Rechtsgrundsatz außer Kraft gesetzt, und Sie klatschen noch dazu!)

20.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte zunächst aus einem Artikel zitieren, der am 20. November 2000 im "Kurier" unter dem Titel: "Mit religiösem Eifer gegen Drogen" erschienen ist. Ich möchte den ersten Absatz daraus vorlesen.

"An der Stadteinfahrt von Kandahar, dem Machtzentrum der Taliban, klärt ein Schild auf: ,Wir wollen ein drogenfreies Afghanistan‘." 

Das erinnert mich irgendwie an die Position, die Sie dauernd vertreten, die genauso realistisch ist wie die der Taliban in Afghanistan. Reden wir über realistische Drogenpolitik! (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist das Niveau, auf dem sich Ihre Drogenpolitik in Hinsicht auf Realitätsnähe abspielt.

Kollege Miedl – ich weiß nicht, ob er jetzt da ist; ah, da hinten –, Sie haben die Grenzmenge erwähnt und eine Zahl genannt. Aber Sie wissen schon, dass die Grenzmenge und die geringe Menge zwei verschiedene Größen sind. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Die geringe Menge beträgt 10 bis 20 Prozent der Grenzmenge, und dort fängt die Strafverfolgung mit dem Ausschluss der Therapie an. Also nicht bei den Daten, die Sie genannt haben, sondern bei einer wesentlich geringeren Menge. Das ist ein Zehntel von dem, was Sie genannt haben. (Anhaltende Zwischenrufe und Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Die Kritik an dieser Grenzmengenverordnung brauchen Sie ja wohl nur aus der zusammenfassenden Stellungnahme des Gesundheitsministeriums zu entnehmen, das nämlich die Länderstellungnahmen abschließend folgendermaßen zusammengefasst hat: "Dies" – nämlich die


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Maßnahme – "widerspricht den Drogenkonzepten der Länder und steht in krassem Gegensatz zu allen Maßnahmen, die in Österreich seit Jahren erfolgreich zur Stabilisierung der Drogenpolitik beigetragen haben."

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Der Lärmpegel ist so hoch, dass der Redner keine faire Chance hat, auch gehört zu werden. Ich bitte um ein wenig Aufmerksamkeit!

Abgeordneter Dieter Brosz (fortsetzend): Das war die Stellungnahme der Bundesländer zu der Grenzmengenverordnung. So viel zu Ihrer Politik, die Sie machen. Diese steht auch im Widerspruch zu dem, was die österreichischen Bundesländer an sinnvoller Politik vor Ort durchführen.

Ich möchte auf den Punkt Cannabis zurückkommen. – Herr Kollege Pumberger! Ich habe Sie gebeten, die Zahl des Antrages vorzulesen. Sie werden sie nämlich nicht vorlesen können, weil dieser Antrag nicht im Gesundheitsausschuss eingebracht wurde. Ich kann Sie aber aufklären: Es war ein unselbständiger Antrag, der im Rahmen einer Diskussion hier im Plenum abgestimmt wurde.

Als Vorsitzender des Ausschusses sollten Sie doch zumindest wissen, welche Anträge bei Ihnen sind! Diesen Antrag werden Sie nicht finden. Ich kann Sie aber beruhigen, weil Sie diesen Antrag in absehbarer Zeit genau so, wie Sie ihn vorgelesen haben, oder noch etwas ausführlicher auch im Gesundheitsausschuss vorfinden werden – keine Frage!

Ich denke, dass es Teil unserer Verantwortung ist, dass man, wenn es internationale Erfahrungen in der Drogenpolitik gibt, diese hier beachtet. Sie tun ja so, als würde sich nichts tun. In Europa hat sich in den letzten zwei Jahren relativ viel entwickelt. Schauen Sie sich die Schweiz an, schauen Sie sich Portugal an! Es ist in der Europäischen Union eigentlich die Erkenntnis so weit zum Durchbruch gelangt, dass die Gleichbehandlung von Cannabis und harten Drogen nicht zum Erfolg geführt hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Es geht darum, endlich zu differenzieren und damit eine entsprechende Möglichkeit zu schaffen.

Frau Kollegin Gatterer hat meine Argumentation betreffend Holland schon angekündigt und ebenfalls mit diesem Modell argumentiert: Man kann natürlich immer wieder aus verschiedenen Studien zitieren – keine Frage –, ich gehe nur lieber auf die wissenschaftliche Literatur ein, nicht unbedingt auf Artikel in Zeitungen. Ich zitiere Klaus Schwaighofer, Strafrechtsexperte an der Universität Innsbruck, der dazu Folgendes geschrieben hat:

Durch eine Freigabe des Cannabis-Konsums besteht die Chance, neue Konsumenten von anderen wesentlich gefährlicheren Drogen wie Ecstacy oder Kokain, die derzeit besonders in sind, fernzuhalten nach dem System der Trennung der Märkte, wie es in Holland erfolgreich praktiziert wird. – Ende des Zitats.

Und zu den Daten, zu den Zahlen, Frau Kollegin Gatterer: Sie haben Recht, es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen Holland und den anderen Ländern. Aber das wäre ja besonders viel verlangt, was Sie hier tun. Das Wesentliche ist, dass der Konsum nach der Freigabe nicht zugenommen hat. Das heißt, eine nicht repressive Politik führt auf jeden Fall zu keiner Zunahme. Und das war dort die wesentliche Erkenntnis!

Abgesehen davon hat die Zahl der Heroinabhängigen in Holland danach abgenommen. Lesen Sie nach in Parlaments-Unterlagen. Das werden Sie relativ leicht bekommen, nämlich in der "Litdok". Ich kann Ihnen auch die Zahl sagen. Dort finden Sie das.

Es war ja auch so, dass in den Reihen der ÖVP vor einiger Zeit durchaus eine andere Drogenpolitik zumindest angedacht wurde. Ich zitiere Ihnen jetzt zwei Aussagen, und Sie können dann zuordnen, wer sie getätigt hat – nein, ich sage den Namen gleich dazu, sonst wird der Satz unvollständig –: "Auch Erwin Rasinger, Arzt und Gesundheitssprecher der ÖVP, sieht keinen einzigen medizinischen Grund für ein Verbot von Cannabis. Einstiegsdrogen für härtere Sachen sind Alkohol und Nikotin." – Ich würde ihm da zustimmen.


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62. Sitzung / Seite 190

Dann möchte ich Ihnen auch noch Kollegen Leiner aus dem Jahr 1993 zitieren. "Leiner tritt für eine kontrollierte Liberalisierung von Drogen ein." Und wissen Sie, was er damals wollte? Die kontrollierte Abgabe von Heroin an Süchtige. Genau das haben Sie 1993 gefordert. Ihre OTS habe ich hier. Ich stimme Ihnen ja zu! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Genau diese Maßnahmen haben in der Schweiz den Erfolg gebracht.

Wenn Kollege Kukacka sagt, es sei kein Erfolg, dann frage ich Sie, wie Sie Erfolg definieren. Ist es nicht ein Erfolg – nämlich ein Erfolg des Methadon-Programms –, wenn Menschen endlich wieder menschenwürdig leben können, wenn sie zumindest von der Szene, wie etwa am Karlsplatz in Wien, wegkommen, wenn sie geordnet leben können, wenn sie in Wohnungen leben können, wenn sie berufstätig sein können? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) All das würde dadurch ermöglicht werden, auch wenn sie abhängig sind, und das ist der Unterschied!

Der Punkt ist folgender: Wenn jemand einmal drogensüchtig ist, gibt es zwei Varianten. Entweder Sie gehen her und sagen: Ist mir egal, ich kriminalisiere ihn! – das machen Sie! –, oder man versucht, den Drogensüchtigen zu helfen. Und man kann ihnen helfen.

Schauen Sie sich einmal an, was in Zürich wirklich passiert ist. Richtig, es gab eine unterschiedliche Politik. Es gab in Zürich zunächst den Versuch, mit kontrollierter Heroinabgabe zu arbeiten. Das ist dann unterbrochen worden, aber jetzt ist man wieder darauf zurückgekommen, weil man gesehen hat, man kann die Szene nur dann von der Straße wegbringen, wenn man es selbst anbietet. Mittlerweile funktioniert das äußerst erfolgreich.

Es gibt zahlreiche Beispiele von schwer Süchtigen, die durch diese Möglichkeit erstmals wieder von der Straße weggekommen sind. Sie konnten tagsüber wieder etwas anderes machen, als kriminell zu sein, um Drogen überhaupt erstehen zu können, sie sind sogar wieder Berufseinsteiger geworden. Es gibt Beispiele von Leuten, die durch Heroinabgabe nach einiger Zeit ausgestiegen sind. Die sagen, es war erstmals möglich, überhaupt nachzudenken, was passiert, über ihr Leben nachzudenken, es in den Griff zu bekommen, weil sie nicht den ganzen Tag nur darauf aus sein mussten, illegal Heroin zu beschaffen. Mit 15 Franken am Tag hat das Zürich geschafft.

Ich würde Sie daher wirklich ersuchen, Drogenpolitik nicht als ideologisches Kampfgebiet zu betrachten, sondern sich an den Chancen derer zu orientieren, die betroffen sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. – Bitte.

20.20

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Minister! Wir haben heute hier über drogenkranke Menschen gesprochen. Schlimm genug, dass es so viele von ihnen gibt. Wir haben über das Prinzip "Therapie statt Strafe" gesprochen. Die österreichische Regierung bekennt sich nach wie vor auch zu diesem Prinzip. Wir haben von Rehabilitation gesprochen, wir haben von Wiedereingliederung gesprochen – alles wichtige Punkte, ohne Frage.

Wir haben auch von einer Zweiklassengesellschaft bei den Drogen gesprochen, wo so genannte Drogen – wie Sie sie bezeichnen, ich würde sie eher als Genussmittel bezeichnen – wie Alkohol und Tabak im Gegensatz zu Cannabis eigentlich viel gefährlicher sind, und die linkslinke "Presse", meine sehr geehrten Damen und Herren, schreibt und unterstützt Sie damit auch in Ihrer Meinung – ich zitiere –:

"Zu den gefährlichsten Drogen zählen demnach Opiate, Alkohol und Kokain, in der mittleren Kategorie" – und das dürfte Ihnen und Ihrer Meinung entsprechen – "finden sich Ecstacy, Aufputschmittel, ... und" – letztendlich dann – "Tabak. In der untersten Kategorie finden sich Cannabisprodukte, wie Haschisch ..."


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62. Sitzung / Seite 191

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Politik ist nicht nur sozialromantisch, sie ist auch nicht nur Realitätsverweigerung – nein! –, diese Politik ist gemeingefährlich für unsere Jugend! Und gegen diese Politik werden wir uns aussprechen! (Beifall und Rufe der Zustimmung bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von Rot und Grün! Sie verweigern sich, Sie ignorieren einfach die Zahlen. Sie ignorieren, dass es einen Rückgang in der gesamten Kriminalität und nur im Drogenbereich Zuwächse gibt. Sie ignorieren es einfach, dass synthetische Drogen stark im Vormarsch sind und damit Riesengeschäfte gemacht werden. (Abg. Dr. Glawischnig: Erklären Sie einmal den Zusammenhang!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Sie ignorieren es, dass im heurigen Jahr 225 Kilogramm Heroin gefunden wurden und der Preis, der Wiener Preis im Heroinhandel nicht gesunken ist. (Abg. Dr. Glawischnig: Wo ist da der Zusammenhang?) Sie haben hier die Stirn ... – Liebe Frau Glawischnig, Ihre Zwischenrufe demaskieren Sie, sie demaskieren Sie als Lobbyistin für Drogendealer! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Empörung bei den Grünen und der SPÖ. – Rufe: Das ist ungeheuerlich! Ordnungsruf! – Abg. Dr. Glawischnig: Sie unterstellen mir eine Unterstützung des Drogenhandels! – Abg. Dr. Mertel: Und der Präsident hört und sieht nichts!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Kollege! Ich würde ersuchen, eine andere Sprache an den Tag zu legen! Das ist hart an der Grenze dessen, was zuträglich ist!

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (fortsetzend): Herr Präsident! Ich werde mich dem beugen, aber es ist auch hart an der Grenze, welche Zwischenrufe hier kommen. (Abg. Brix: Ungeheuerlich! – Abg. Mag. Wurm: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Und ich glaube doch, dass man hier mit fairen Waffen kämpfen kann.

Sie ignorieren warnende Artikel wie: "Suchtforscher warnen vor Drogenkonsum", "Zerschlagung von Schmugglerring", "Geschäftseinbrüche". Sie ignorieren Artikel, in denen sich Ihr SPÖ-Mann darüber beklagt, dass es in Salzburg zehn Drogentote gibt. Sie ignorieren Prozesse über Kokainfunde im Umfang von 100 Kilogramm, sie ignorieren Prozesse, in denen sich herausstellt, dass Kriegsverbrecher Drogenbosse sind. Sie ignorieren das, und es ist alles noch steigerungswürdig. Sie ignorieren Artikel, aus denen hervorgeht, dass Mütter von Kindern mit Spritzen bedroht werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verdacht auf Beischlaf mit einer Zwölfjährigen im Kokainrausch stellt wahrscheinlich für Sie auch keine besondere Tat dar. (Rufe bei der SPÖ: Unerhört!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines: Beschützen Sie weiter die Täter, das entspricht wahrscheinlich auch eher Ihrer Denkweise.

Wir werden unsere Jugend vor diesen Einflüssen schützen, und wir werden harte Strafen für Drogendealer fordern und auch umsetzen. – Danke sehr. (Beifall und Bravo-Rufe bei den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe bei allen Fraktionen.)

20.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Öllinger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.25

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sie haben zwar eine Zwischenbemerkung gemacht, aber ich denke, es ist Ihnen der Zuruf des Abgeordneten, gerichtet an die Adresse von Abgeordneter Glawischnig, im Kontext noch nicht bewusst geworden. (Abg. Achatz: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Abgeordnete hat erklärt, sie sei eine "Lobbyistin für Drogendealer", und das auf die Frage von Abgeordneter Glawischnig in einem Zwischenruf, er möge das erklären, was er soeben gesagt hatte.


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Ich halte das für eine Ungeheuerlichkeit, und ich ersuche Sie, Herr Präsident, das Protokoll über die Wortmeldung des Abgeordneten herbeizuschaffen und die Erteilung eines Ordnungsrufes zu prüfen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich komme Ihrem Ersuchen gerne nach. Wenn es der Fall sein sollte, dass es tatsächlich eine gravierende Beleidigung in diesem Ausmaß war, werde ich selbstverständlich nicht zögern und einen Ordnungsruf erteilen. Ich habe das aber nicht so vernommen. (Abg. Dr. Mertel: Was hören Sie überhaupt? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Graf zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.26

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich berichtige Herrn Abgeordneten Brosz, der in seiner Rede (anhaltende Unruhe bei der SPÖ)  – ich würde Ihnen das auch gerne sagen, vielleicht haben Sie es ja überhört – unmittelbar vorher gesagt hat, indem er ein Zitat aus dem "Kurier" betreffend das Taliban-Regime verwendete und meinte: So ähnlich kommt mir Ihr Verhalten hier vor. (Abg. Dr. Mertel: Was haben Sie gehört?)

Ich schreibe es der Jugend und der Unwissenheit von Herrn Kollegen Brosz zu, dass er nicht weiß, welchen Vergleich er hier angestellt hat. (Abg. Eder: Was berichtigen Sie?) Ich weise jedenfalls einen Vergleich des österreichischen Parlaments mit dem unmenschlichen Taliban-Regime in aller Form zurück und stelle anheim, diesen Vergleich auch dementsprechend zu beurteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Was ist das gewesen? – Abg. Dr. Kostelka: Unfassbar! – Abg. Dr. Mertel: Was hört er eigentlich?)

20.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

20.27

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Ich hätte mich ausschließlich mit Abgeordnetem Scholl befasst, wenn Sie jetzt die notwendigen Worte gesprochen hätten, dass das vorhin nämlich keine tatsächliche Berichtigung war, sondern ein Vorwand dafür, eine Fraktion nachhaltig zu beleidigen. Ich fordere Sie mit allem Nachdruck auf, auf dem Präsidium nach der Geschäftsordnung zu handeln und vor allem, sie allen Fraktionen gegenüber gleich zu handhaben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Kostelka! Ich verwahre mich dagegen, vom Rednerpult aus den Vorwurf zu hören, dass ich die Fraktionen nicht gleich behandle! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich muss dazu sagen, ich habe wiederholt darauf aufmerksam gemacht, welcher Lärmpegel in diesem Haus herrscht! Ich bitte Sie, sich ruhiger zu verhalten! Man hört verschiedene Ausdrücke und Sätze hier nicht vollständig. Ich kann daher auch nicht darauf reagieren, sondern bin angewiesen auf eine Überprüfung, ob anhand des Protokolls eine bestimmte Aussage verifiziert werden kann oder nicht. Und wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann, muss ich Ihnen sagen, werde ich die Geschäftsordnung in anderer Weise zur Anordnung bringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Empörte Rufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Mertel: Er hört nichts und sieht nichts! – Abg. Edlinger: Nur bei uns hört er alles!)

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend): Herr Präsident! Ich will annehmen, dass Sie mir jetzt nicht drohen wollen.


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Herr Präsident! Ich nehme auch an, dass das, was Sie jetzt gesagt haben, wohl nicht der Versuch ist, in diesem Haus einen frei gewählten Abgeordneten am Reden zu hindern. Verstehe ich das richtig? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich würde Sie auch ersuchen, einen am Wort befindlichen Abgeordneten nicht zu ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Kostelka! (Rufe bei der SPÖ: Schon wieder! Jetzt macht er das wieder!) Eine derartige Vorgangsweise ist unmöglich! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, wenn Sie so fortfahren, bin ich gezwungen, Ihnen dafür einen Ordnungsruf zu geben beziehungsweise die Geschäftsordnung weiter anzuwenden.

Bitte setzen Sie fort, und zwar in der Materie. (Abg. Mag. Schweitzer: Zur Sache!)

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jugend und eine geringe Zahl von Sitzungen, die man in diesem Haus mitgemacht hat, Herr Abgeordneter Scholl, sind keine Entschuldigung für Unverschämtheiten! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Sie haben wörtlich gesagt, dass es auf der linken Seite dieses Hauses "Lobbyisten für Drogendealer" gibt. Sie haben meine Fraktion bezichtigt, ignorieren zu wollen, was in Zeitungen steht, und Sie haben vor allem gesagt, wir schützten Drogendealer und all diejenigen, die viel Leid über Familien und über junge Menschen bringen. (Abg. Haigermoser: Herr Kotanka, wer ist Scholl? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen ganz deutlich: Das Privileg, hier sprechen zu dürfen, heißt nicht, tun zu dürfen, was man will. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Die Abgeordneten Dr. Stummvoll und Dr. Fekter  – auf den Redner deutend –: Genau!) Ich weise das mit aller Entschiedenheit zurück und fordere Sie auf, sich dafür zu entschuldigen! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Wer ist Scholl? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Bevor ich zur Abstimmung komme, ersuche ich Sie, Herr Abgeordneter Kostelka, im Anschluss an die Abstimmung zu mir zu kommen. (Ironische Heiterkeit und empörte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger: Zum Pult zitieren – was soll denn das?)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, sich zu beruhigen! Ich denke, die Situation ist dazu angetan, Ruhe walten zu lassen! Wir kommen zu einer Abstimmung! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Abgeordneter Nürnberger! Bitte, beruhigen Sie sich, wir sind im Parlament! (Präsident Dr. Fasslabend gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 521 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit.


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Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (422 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gewährleistungsrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und im Konsumentenschutzgesetz sowie das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden (Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz – GewRÄG) (522 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (485 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem im Aktiengesetz, im Handelsgesetzbuch und im Börsegesetz Regelungen über Optionen auf Aktien getroffen werden (Aktienoptionengesetz – AOG) (523 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (447 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem zur Regelung der elektronischen Übermittlung von Jahresabschlüssen das Handelsgesetzbuch, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (524 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. (Anhaltende Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Darf ich Sie bitten, sich zu beruhigen!

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Herr Kotany, wer ist Scholl? Das ist die Frage des Abends!)

20.34

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz ist aus unserer Sicht das für Konsumenten sicherlich wichtigste Konsumentenschutzgesetz der letzten zehn Jahre. Ich bedauere, dass die Bedeutung zivilrechtlicher Bestimmungen in der öffentlichen Diskussion unterschätzt wird. Es wird über strafrechtliche Aspekte, über Reformpolitik sehr heftig diskutiert, der zivilrechtliche Bereich jedoch, der jeden Einzelnen betrifft, gerade im Bereich der Mängelbeschwerden, wird absolut unterschätzt. Es gibt Probleme im Baubereich, im Handwerksbereich, beim Autokauf, beim Computerkauf, Softwarekauf und so weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regelungen sind aus unserer Sicht für die Rechtssicherheit im Wirtschaftsgeschehen von besonderer Bedeutung, und zwar sowohl für die KonsumentInnen als auch für die Wirtschaft. Mit diesem Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz wird die so genannte "Verbrauchsgüterrichtlinie" umgesetzt, und ich betone: Es ist ein Vorteil, der von der Europäischen Union nach Österreich kommt, der uns die Möglichkeit gibt, Anpassungen des veralteten österreichischen Gewährleistungsrechts vorzunehmen.

Die Regierung allerdings, und das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit sagen, beschränkt sich darauf, nur diese Richtlinie umzusetzen, und schafft keine weiter gehenden Maßnahmen, Herr Bundesminister.

Anders Deutschland: In einem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wird eine generelle Reform des Schuldrechts in Angriff genommen. Deutschland geht somit wie bereits bei vorangegangenen Justizvorhaben den Weg einer eigenständigen nationalen Verbraucherrechtspolitik – diesen Weg, Herr Bundesminister, vermisse ich in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)


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Über diese deutschen Gesetzesvorhaben lässt sich natürlich diskutieren. Ich beziehungsweise die Verbraucherschutzorganisationen sind nicht mit allen Entwicklungen einverstanden, insbesondere nicht bei der Vereinheitlichung der Verjährungsfristen, doch das Ziel der Vereinheitlichung des in viele Einzelgesetze zersplitterten Verbraucherrechts ist grundsätzlich zu begrüßen. Daher würde ich es als Aufgabe des Gesetzgebers ansehen, auch in Österreich entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Mit dieser Regierungsvorlage wurde zwar den Forderungen der österreichischen Konsumentenschützer entsprochen, gegenüber der bestehenden Rechtslage wurden aber auch bestimmte Einschränkungen vorgenommen, die im Grunde genommen akzeptabel sind. Die Vorteile überwiegen, nämlich die Verlängerung der Gewährleistungsfrist für bewegliche körperliche Sachen auf zwei Jahre, die Regelung einer Montageschadenshaftung und die Änderung im Versicherungsvertragsgesetz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als sozialdemokratische Fraktion bedanken uns bei den Beamten des Justizministeriums, die haben einen exzellenten Entwurf geliefert. (Abg. Dr. Fekter: Werden Sie zustimmen?) Sie haben eine Regierungsvorlage vorgelegt, der wir sofort zugestimmt hätten. Seitens der Sozialdemokratie: herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Warum stimmen Sie nicht zu?)

Nachdem die Regierungsvorlage beschlossen war, Kollegin Fekter, kam allerdings die "Stunde der Lobbyisten": zuerst die Baubranche, dann der Gebrauchtwagensektor und zum Schluss die Reisebranche. Kollegin Fekter! Wir hätten der Regierungsvorlage zugestimmt. Uns tut es Leid! Wir können der nunmehr abgeänderten Vorlage nicht zustimmen. (Abg. Dr. Trinkl: Meine Güte!)  – Kollege Trinkl, ich bin in der Beratung, Sie haben von diesen Problemen keine Ahnung, weder bei Baumängelfolgeschäden noch in der Reisebürobranche. Bei der Reisebürobranche liegt doch das Hauptproblem, nämlich hier eine Rügepflicht für Konsumenten festzulegen. Und wenn Sie das wollen, müssen wir auch über die Erweiterung der Gewährleistungsfristen reden. (Die Abgeordneten Dr. Fekter und Dr. Trinkl: Das haben wir nicht gemacht! Lesen Sie nach!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe das Verlangen der Abgeordneten Dr. Kostelka und Mag. Maier ein, über Artikel I Z 4 betreffend § 933 Abs. 1 letzter Satz, Artikel I Z 5 betreffend § 933a Abs. 3, Artikel II Z 2 betreffend § 9 Abs. 1 Konsumentenschutzgesetz getrennt abzustimmen.

Der ursprünglichen Regierungsvorlage wird von unserer Seite zugestimmt, den Abänderungen nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erwarten uns etwas von der Gesetzeslage oder von diesem neuen Gesetz und sehen die Probleme im Abänderungsantrag. Daher werden wir auch in dritter Lesung diesem Gesetzesvorhaben nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Schade, dass Sie uns die Zustimmung nicht ermöglichen! – Abg. Dr. Fekter: Mein Gott!)

20.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Kollege Mag. Maier, hat zwar dieses neue Gewährleistungsrecht durchaus in vollen Tönen gelobt, letztlich aber gesagt, er werde dem nicht zustimmen. (Abg. Dr. Fekter: Das ist typisch!) Er hat dann einen Antrag vorgelesen, allerdings mit keinem Wort begründet, aus welchem Grund er nicht zustimmen wolle. Das Einzige, was er gesagt hat, war, er möchte nicht zustimmen, weil es Absicht der Regierungsparteien sein könnte, dass man die Rügepflicht für Konsumenten bei in die Hosen gegangenen Reisen einführen könnte.

Aber, Herr Kollege, das ist doch wirklich kein Grund, einer Regierungsvorlage nicht zuzustimmen. Ich meine, es ist ein hypothetischer Wille, sofern er überhaupt besteht – das kann ich nicht


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beurteilen. Aber man kann doch nicht einem Gesetz, das gut ist, auf Grund eines hypothetischen möglichen Willens nicht zustimmen. Das ist doch absurd, Herr Kollege Jarolim. (Abg. Dr. Jarolim: Man will es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde ein Abänderungsantrag eingebracht, und offensichtlich finden einige Punkte unseres Abänderungsantrages nicht die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion. Ich beschränke mich vielleicht auf einen. Soweit ich das jetzt in der Kürze nachvollzogen habe, wollen Sie nicht, dass man die Gewährleistungsfrist privatautonom verkürzen kann. – Herr Kollege Jarolim! Vielleicht leihen Sie mir Ihr geneigtes Ohr. (Abg. Dr. Khol: Auf "Euroteam" hört er!) "Euroteam" hört er! Da verwende ich hier wahrscheinlich die falschen Vokabel.

Herr Kollege, ich verstehe das nicht. Im Konsumentenschutzbereich gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Da gibt es sozusagen eine Schieflage in der Interessensituation: der Unternehmer, der ein und dasselbe Rechtsgeschäft mehrere hundert Mal am Tag abschließt, und der Konsument, der das vielleicht nur einmal im Jahr abschließt. – Gut! Da soll man die Gewährleistungsfrist nicht verkürzen können.

Aber im Rahmen der Privatautonomie muss es doch den Parteien freistehen! Wenn heute ein Unternehmer mit einem anderen Unternehmer ein Rechtsgeschäft abschließt, wieso soll denn der nicht die Frist von 24 Monaten auf zwei Monate, auf drei Monate verkürzen oder überhaupt auf Gewährleistung verzichten? Das ist auch etwas – es wurde heute schon einmal gesagt –, wo wirklich zwei gesellschaftliche Fronten sozusagen aufeinander prallen – ich meine das nicht im martialisch-militärischen Sinne –: wir, die wir von einer Eigenverantwortung des Menschen ausgehen, und die Sozialdemokratie, die alles oktroyieren will, die zwangsbeglücken will, die dem Individuum jede Verantwortung nehmen will.

Wieso, Herr Kollege Jarolim, wollen Sie vom Unternehmer, der mit einem anderen Unternehmer ein Rechtsgeschäft abschließt, verlangen, dass zwei Jahre Gewährleistung gelten, wenn der andere das gar nicht haben will? Das ist nicht verständlich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Schieder: Weil ja betrügen wünschenswert ist!)  – Also, Herr Kollege, Sie haben offensichtlich überhaupt nichts von der Materie verstanden. Wissen Sie, wovon wir sprechen? (Abg. Schieder: Danke, Herr Lehrer!) Ich glaube, den strafrechtlichen Teil, den haben wir heute schon abgehandelt, Herr Kollege! (Abg. Schieder: Ich werde lernen, jawohl!) Den haben wir schon abgehandelt. Es ist absurd! Weil er betrügen will – na sehr gut.

Ich darf mich vom Gewährleistungsrecht abwenden – vielleicht finde ich ein Thema, mit dem Sie sich eher befasst haben. (Abg. Dr. Khol: Schieder, der bekannte Jurist! – Abg. Schieder: Aber, Herr Professor! ) Ich darf zur Frage der Pflichtveröffentlichung sagen: Ich appelliere an den Bundesminister und auch an die hohe Beamtenschaft, hier auch in Zukunft die Interessen von Unternehmen im Auge zu behalten – nicht die Interessen von Unternehmen zu Lasten der Konsumenten, das möchte ich betonen.

Es geht um die Veröffentlichungspflicht. Darf ich Ihnen kurz sagen, wo die Problematik liegt? – Es geht um die Problematik, dass alle Gesellschaften mit beschränkter Haftung ihre Bilanzen beim Firmenbuch abgeben müssen und jedermann darin Einsicht nehmen kann. Die großen Kapitalgesellschaften müssen ihre Bilanz, bestehend aus dem Vermögensvergleich und der Gewinn- und Verlustrechnung, vorlegen, einschließlich Lagebericht.

Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege Schieder – Kollege Jarolim, du wirst mir das aus der Sicht des Wirtschaftsanwaltes bestätigen –, das ist dem Unternehmer nicht zumutbar, dass er einen völligen Striptease vorführen muss gegenüber einem Konkurrenten, der Einsicht nehmen kann, der den Rohaufschlag sieht. (Abg. Schieder: Striptease, das ist ein Gebiet, wo er sich auskennt!) Es ist gerade in einer derart kompetitiven Wirtschaft wie in Österreich und auf einem derart kleinen Markt nicht zumutbar – ich weiß wirklich, wovon ich rede, ich rede aus der Praxis. Auf dem Möbelsektor beispielsweise gibt es nur zwei Großabnehmer, die Lutz-Gruppe und Kika-Leiner. Natürlich haben die die Möbelindustrie relativ gut im Griff, wenn man das salopp ausdrücken will. Bitte, das ist ein Leichtes für die, die holen sich die Bilanzen und sagen zu ihren


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Lieferanten: Da habt ihr aber noch einen zu hohen Rohaufschlag, da habt ihr einen zu hohen Gewinn. – Das geht nicht!

Und es ist auch nicht richtig, dass man das nur ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der EU sieht, die natürlich eine Publizität im Sinne des Gläubigerschutzes verlangt, das anerkenne ich auch. Es soll auch einen Gläubigerschutz geben, es soll auch entsprechende Vorlagen geben – aber doch nicht eine umfassende Gewinn- und Verlustrechnung, aus der man den Rohaufschlag erkennt!

Auch die EU anerkennt nämlich einen Geheimnisschutz. Ich sage Ihnen ehrlich, wenn wir in Europa sowieso, aber auch in Österreich wettbewerbsfähig bleiben wollen – und auch Europa, das betrifft die Europäische Union insgesamt –, dann müssen wir uns auch am Weltmarkt orientieren. Und in den USA wäre ein derartiger Striptease, den man hier machen muss, bis ins letzte Detail, bis hin zu allen Anmerkungen über irgendwelche Abschreibungen und zum Lagebericht und so weiter schlicht und einfach untragbar.

Ich bitte also, zur Kenntnis zu nehmen, dass ein legistischer Handlungsbedarf im Interesse unserer Wirtschaft gegeben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

20.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

20.47

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Oberlehrer und sehr geehrte Lehrer dieser Nation! Sehr geehrte Anwälte dieser Nation! Mein Vorredner hat in seinen sehr ausschweifenden Darlegungen der amerikanischen Sitten und der österreichischen Kleinkariertheit eines verabsäumt, nämlich, sich vielleicht einmal mit den Vertretern der Industrie zusammenzusetzen. Ich war zwei Mal im Gespräch mit der Industriellenvereinigung, ich habe mir zwei Mal die Bedenken der Industrie im Detail angehört, und ich habe interessanterweise keine der Bedenken, die Sie hier äußerten, von kompetenten Menschen direkt aus der Praxis gehört.

Und wenn ich nur kurz darauf eingehen darf: Es gibt Unternehmer – und Unternehmer von kleinen Betrieben! Und auch da braucht es, denke ich mir, ein Gleichgewicht, einen Schutz für den Kleinunternehmer, der sicherlich nicht das Know-how, nicht die Kompetenz und vielleicht auch nicht das Gewicht eines Großunternehmers hat. Und gerade deshalb ist auch unter den Unternehmern dieses rigorosere Recht anzuwenden, ist diese Vorgangsweise zu wählen. Das sehe ich nicht als Bevormundung, das sehe ich als Rechtsschutz! Die Republik hat auch den Auftrag, Rechtsschutz zu gewährleisten, nicht nur allen KonsumentInnen, sondern auch den Unternehmern. Das sollte in Österreich geradezu eine Art Unternehmenskultur sein. Und als solche sehe ich auch dieses Gewährleistungsrecht.

Ich teile natürlich die hier geäußerten Meinungen, in denen bedauert wird, dass wir angesichts einer EU-Richtlinie mit diesem Gesetz jetzt sowieso nur praktisch das EU-Recht in nationales Recht transferieren und keine Zuwaage bieten. Es hätte die Chance gegeben, Herr Minister, nach dem Vorbild Deutschlands auch in Österreich höhere Qualitätsmaßstäbe in dieser Hinsicht zu verankern.

Ich hätte es mir von Ihnen erwartet, weil Sie als KonsumentInnenschutzminister damit immerhin einmal positives Profil gewinnen könnten. Sie haben es ja auch einmal versucht, als es darum gegangen ist, die Klagen bei den Banken zur Geltung zu bringen, als es um diese gleitende Kreditklausel gegangen ist. Das war für mich ein positiver Ansatzpunkt. Diesen ersten Vorstoß haben Sie einmal unternommen, jetzt sehe ich aber konsumentenpolitisch keine weiteren Vorstöße, und im vorliegenden Fall ist es nur mehr ein Nachvollziehen dessen, was uns die EU vorgibt.

Es gibt sogar einen Abstrich, nämlich bei der Gewährleistungsfrist, welche bei Baumängeln früher 30 Jahre betrug und jetzt zehn Jahre beträgt, und auch der VKI hat bestätigt, dass diese – wie ich es jetzt bezeichnen möchte – Rückschritte sehr wohl ... (Abg. Dr. Fekter: Es gibt Scha


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denersatz!)  – Gerade Sie kommen doch aus einer Branche, die mit dem Bauwesen zu tun hat! Daher frage ich Sie: Was tun Sie, Frau Kollegin Fekter, wenn Sie zwölf Jahre in einem Haus gewohnt haben, dann einen massiven Rohrschaden haben und aufstemmen lassen müssen? (Abg. Dr. Trinkl: Das merkt man ja!) Sie haben vielleicht eine Versicherung, aber das Problem ist, dass die Gewährleistungsfrist im Baubereich nur mehr zehn Jahre und nicht mehr 30 Jahre beträgt. (Abg. Dr. Fekter: Das kann man ja beweisen, denn dann hat man ja einen Schaden!) Diesbezüglich haben gerade Mieterinnen und Mieter Schwierigkeiten, die nicht im Eigenheim, sondern in Genossenschaftswohnungen oder auch frei finanzierten Wohnungen, deren Errichter eine große Gesellschaft war, leben. Und wenn Sie ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )  – Sie können ohnedies nachher sprechen, das ist kein Problem, Sie sollten mich aber jetzt nicht unterbrechen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Sie können das gerne noch nachtragen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Sie können sich auch noch einmal zu Wort melden!

Es geht darum, dass in diesem Zusammenhang ein gewisser Abstrich gemacht wurde. Ich nenne nur die diesbezügliche Aussage des Herrn vom VKI, der, glaube ich, Dr. Kolba heißt. – Auf diesem Niveau möchte ich dem Gewährleistungsrecht nicht zustimmen, und auch unsere Fraktion wird, obwohl wir die Regierungsvorlage insgesamt begrüßen, in dritter Lesung nicht zustimmen, sondern einen ähnlichen Weg gehen wie Kollege Maier von der SPÖ. (Abg. Dr. Trinkl: Welchen?)

Es gibt nämlich auch noch einen anderen Aspekt, nämlich Ihre Vorgangsweise gegenüber der Reisebranche. Zwar steht noch im Gesetz, dass die Gewährleistung gilt, wie sie die EU vorsieht, Sie haben aber diese Regelung durch Ihren Entschließungsantrag praktisch bereits einer Evaluierung unterzogen, und damit wird der Wirtschaftsminister beauftragt, einen Bericht darüber einzufordern, wie sich das neue Gewährleistungsrecht in dieser Branche auswirkt und ob man nicht doch von den zwei Jahren abgehen sollte. Das schwingt zwischen den Zeilen mit, und deshalb werden wir diese Entschließung keinesfalls mittragen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

20.52

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition tut sich narrisch schwer, irgendetwas zu finden, was man bemängeln könnte, um vielleicht doch diesem so unheimlich guten Gesetz, das mehrmals gelobt wurde, nicht zustimmen zu müssen!

Kollegin Moser meint, die Verjährungsfrist von 30 Jahren bei Bauschäden würde abgeschafft werden. – Frau Kollegin Moser! Das ist Stumpfsinn! Das ändern wir nicht! Das gibt es nach wie vor! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Das, was wir ändern, ist die Beweislastumkehr. Gerade in dem von Ihnen genannten Fall mit dem Wasserschaden, den der Wohnungsinhaber hat, ist der Beweis gegenüber der Baufirma, die das Bauwerk zum Beispiel vor 25 Jahren errichtet hat, durch den Wohnungsinhaber, der ja den Schaden daheim hat, leichter zu führen als durch eine Baufirma, die es vielleicht gar nicht mehr gibt, die in einer anderen Rechtsform geführt wird und deren damals damit befasste Mitarbeiter schon längst in Pension sind et cetera.

Dass das gerechtfertigt ist, hat auch Professor Welser im Erstentwurf erkannt. Er wollte die Frist von 30 Jahren abschaffen. Das haben wir nicht getan, sondern wir haben die 30 Jahre belassen, aber eine Beweislastumkehr nach zehn Jahren festgeschrieben. Die Begründung, dass Sie deshalb nicht zustimmen, ist also doch ein bisschen weit hergeholt! (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Zweitens ist sowohl von Herrn Mag. Maier als auch von Frau Dr. Moser ausgeführt worden, dass sie wegen des Entschließungsantrages gemäß Anlage 2 nicht zustimmen. – Meine Damen und Herren! Ich lese Ihnen die Entschließung vor, die zu so großen Befürchtungen führt.


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Die Entschließung lautet: "Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird ersucht, im Tourismusbericht auch die Auswirkungen des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes auf die Lage des Tourismus in Österreich und seine Wettbewerbsfähigkeit zu erörtern, um allfällige legislative Schritte in die Wege leiten zu können."

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das, was da befürchtet wird, nicht sehe! Ganz im Gegenteil: Wir haben nämlich die Wünsche der Tourismuswirtschaft nicht berücksichtigt. Es ist einfach falsch, wenn behauptet wird, dass zum Schluss die Lobbyisten gekommen wären und dieses Gesetz umgedreht hätten! Konkret war der Streitpunkt, dass die Tourismuswirtschaft generell von der Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ausgenommen werden wollte. Dem konnten wir nicht Rechnung tragen, weil wir nicht einzelne Verträge gewisser Branchen ausnehmen, sondern ein einheitliches Gewährleistungsrecht haben.

Der zweite Wunsch der Tourismuswirtschaft betraf die Mängelrüge, und zwar nach dem Motto: Wenn sich der Gast nicht sofort beschwert, dann verliert er das Gewährleistungsrecht. – Diesem Wunsch sind wir auch nicht näher getreten, weil gemäß Konsumentenschutzgesetz in Umsetzung der Reiserichtlinie ohnedies schon längst geltendes Recht ist, dass der Reisende vor Ort den Mangel kundtun muss, damit der Unternehmer die vertragsgemäße Herstellung bewerkstelligen kann. Das heißt, dass der Reisende, wenn beispielsweise das gewünschte Zimmer nicht zur Verfügung steht, das direkt vor Ort sofort melden muss. Eine Beweislastumkehr gibt es ohnedies nach sechs Monaten.

Eine weitere Befürchtung der Tourismuswirtschaft betraf Schäden während der Reise. – Diese unterliegen ohnedies dem dreijährigen Verjährungsrecht. Das ist geltendes Recht, daher brauchten wir diesbezüglich auch keine Änderung.

Wir sind ein Tourismusland, und bei uns ist der Gast König, deshalb haben wir ihm im Zusammenhang mit diesem Konsumentenschutzrecht auch besonderen Rechtsschutz zugesichert. Sollten die Auswirkungen aber doch so gravierend sein, dass der von Frau Moser geforderte Rechtsschutz für die Unternehmen nicht mehr gewährleistet ist, dann müssen wir uns eben ansehen, in welcher Art Abhilfe geschaffen werden kann. Das wird dann zu beraten sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

20.57

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Mag. Maier! Sie haben sich dankenswerterweise bei den Beamten des Justizministeriums für deren hervorragende legistische Arbeit bedankt. Ich nehme diesen Dank namens dieser Beamten natürlich gerne zur Kenntnis und werde ihn weiterleiten.

Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Beamten auch inhaltlich hinter dieser Regelung stehen, auch hinter den Regelungen im Abänderungsantrag, den Sie ablehnen. Wenn Sie zu Recht den Beamten für diese Arbeit danken, dann bitte ich Sie, genauer zu erklären, warum Sie deren inhaltliches Arbeitsergebnis desselben Beamten auf einmal ablehnen! Das ist nämlich wirklich nicht ganz verständlich! Sie könnten dem Gesetz ruhig zustimmen und Ihren Dank aufrechterhalten, das wäre eine Einheit, die einen logischen Sinn ergibt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da nur drei Punkte in diesem Abänderungsantrag enthalten sind, darf ich auf Folgendes verweisen: Der Umstand, dass man Gewährleistungsfristen zwischen Firmen verkürzen und verlängern kann, ist schon immer selbstverständlicher Rechtsbestand und Judikatur in Österreich gewesen. Das kann man wirklich nicht als Negativum werten, zumal für Verträge mit Konsumenten diese Möglichkeit nicht besteht. In solchen Verträgen gibt es keine Verkürzungsmöglichkeit zu Lasten der Konsumenten. Auf die einzige Ausnahme komme ich gleich zu sprechen.


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Dieser Regelung könnte auch Frau Abgeordnete Dr. Moser im Hinblick auf die neuen Schadenersatzregelungen zustimmen. Es verhält sich nämlich nicht so, wie sie irrtümlicherweise gesagt hat, dass die Gewährleistungsfrist oder die Schadenersatzfrist von 30 auf 10 Jahre verkürzt wurde. Frau Abgeordnete Dr. Fekter hat schon gesagt, dass es lediglich eine Beweislastumkehr nach zehn Jahren gibt. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Herr Abgeordneter Gradwohl! Diese Beweislastumkehr ist logisch und selbstverständlich, weil derjenige, in dessen Haus oder Wohnung ein Schaden eintritt, naturgemäß die Möglichkeit hat, die Schadensquelle zu sichern und damit auch nach zehn Jahren den Schadensbeweis zu erbringen. Das ist überhaupt kein Problem.

Sie sollten außerdem die Beweislastverpflichtung bei einem Gewährleistungsprozess im Werkvertragsrecht nicht überschätzen! Vor Gericht stellt jede Partei ihre Behauptungen auf und erbringt ihre Beweise, so gut und soweit sie kann.

Es ist überhaupt nicht unzumutbar, dass man nach zehn Jahren Beweise betreffend einen tropfenden Wasserhahn, eine kaputte Heizung, einen explodierten Ofen oder eine Kontaminierung des Bodens erbringt. Ich spreche aus siebenundzwanzigjähriger Erfahrung als Rechtsanwalt. Sie werden diesbezüglich keine Probleme haben, und das von mir genannte Problem ist das einzige, das entstehen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Maier: Das ist nicht das Problem, Herr Bundesminister! Das Problem sind die großen Wohnanlagen!)  – Für die großen Wohnanlagen gilt dasselbe. Für diese hat der Hausverwalter noch eher die Unterlagen aus der Bautätigkeit. Gerade betreffend solche Anlagen können Sie nicht für Ihren Standpunkt argumentieren!

Das dritte Problem stellt das Gewährleistungsrecht für gebrauchte Sachen dar. Diesbezüglich waren die Überlegungen ganz eindeutig: Es waren Vertreter der Autoindustrie im Justizministerium und haben sehr ausführlich begründet, warum man der Auffassung ist, dass eine Verkürzung der Gewährleistungsfrist von zwei Jahren auf ein Jahr zugestanden werden müsste.

Dabei wurde mit Recht wie folgt argumentiert: Würde man diese Verkürzung der Gewährleistungsfrist für gebrauchte Waren, die ohnedies nur dann gilt, wenn diese älter als ein Jahr sind, nicht gestatten, dann würde der Autohandel in den Kommissionsverkauf ausweichen. (Abg. Mag. Maier: Wer zahlt die Sachverständigenkosten?) Und wenn der Autohandel in den Kommissionsverkauf ausweicht, also nur den Verkauf vermittelt und der Händler nicht mehr als Verkäufer auftritt, dann kauft der Private vom Privaten. Die Gewährleistung kann in diesem Fall wie bisher ausgeschlossen werden, und der Konsument wäre schlechter gestellt. – Deshalb gab es eine ganz klare Entscheidung des Gesetzgebers.

Herr Dr. Maier! (Abg. Haigermoser: Mag. Maier!) Herr Mag. Maier! Im Übrigen kann der Autohandel auf eine funktionierende Schlichtungspraxis verweisen, was auch für ihn spricht. Die Regelung ist insgesamt also abgerundet und konsumentenfreundlich.

Sie negieren, dass die Wirtschaft eine Vervierfachung der Gewährleistungsfrist bei beweglichen Sachen akzeptieren musste, und Sie übersehen, dass die Wirtschaft in diesem Zusammenhang dankenswerterweise wesentlich mehr Beiträge geleistet hat! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Jackie! Was sagst du jetzt?)

21.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Huber. – Bitte.

21.01

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Natürlich ist unbestritten – das hat auch mein Kollege Maier gesagt –, dass diese Novelle eine ganze Reihe von Verbesserungen für Konsumentinnen und Konsumenten bringen wird. Ich muss jedoch sagen, dass wir den größten Teil der Verbesserungen der Europäischen Union und der entsprechenden EU-Richtlinie verdanken, deren Umsetzung notwendig geworden ist. (Abg. Dr. Fekter: Ihr könnt wirklich nichts Positives daran lassen!) In Anbetracht dessen ist es meiner Meinung nach umso bedauerlicher, dass man den Mut zu großzügigeren Regelungen für die


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österreichischen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht aufgebracht hat. Es ist schade, dass Sie diesen nationalen Spielraum, den es durchaus gegeben hätte, nicht entsprechend genützt haben! (Abg. Dr. Fekter: Was hättet ihr euch denn gewünscht?)

Ich werde Ihnen noch einmal unsere Bedenken und Kritikpunkte zum Abänderungsantrag vortragen: Es ist problematisch – insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe des Handels und des Gewerbes, die ihren Vorlieferanten dadurch voll ausgeliefert sind –, wenn man die Gewährleistungsfrist verkürzen und verlängern kann. Auch die Ausschussfeststellung löst dieses Problem nicht, und ich denke, Sie wissen das auch! (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Insbesondere dadurch, dass es gemäß § 9 entsprechend dem zweiten Punkt des Abänderungsantrages möglich ist, dass bei gebrauchten beweglichen Sachen die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr verkürzt werden kann, sofern das im Einzelnen ausgehandelt ist, werden natürlich die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher eingeschränkt, und das kann doch wohl nur zu Beweisproblemen führen! Bei Kraftfahrzeugen ist eine solche Verkürzung etwa nur dann wirksam, wenn seit dem Tag der ersten Zulassung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

Besonders problematisch aus konsumentenpolitischer Sicht ist § 933 Abs. 3: Damit wurde nämlich den Wünschen der Baulobby tatsächlich voll entsprochen. Kollegin Moser hat ihre diesbezüglichen Bedenken bereits vorgetragen. Ich denke mir, dass die Beweislastumkehr im Zusammenhang mit dem Mangelschaden durchaus ein Problem ist. Sie haben argumentiert, dass es einer Firma sehr schwer zuzumuten ist, dass sie nach zehn Jahren noch die Bauunterlagen aufgehoben hat. – Da frage ich mich: Wie geht es dann einem Mieter oder dem Inhaber eines Hauses, der dieses unter Umständen in der Zwischenzeit erworben hat? Der Punkt ist nämlich: Wer bezahlt die Sachverständigenkosten bei der Beweislastumkehr? – In diesem Fall selbstverständlich der Konsument!

Vor allem halte ich es für wirklich problematisch, dass in dem Entschließungsantrag steht, dass für den Fall, dass es eventuell zu negativen Auswirkungen in der Tourismusbranche kommen sollte, eine Rügepflicht vorgesehen wird.

Ich betone noch einmal: Auch wenn mir und der sozialdemokratischen Fraktion eine einheitliche Gewährleistungsfrist von drei Jahren besser gefallen hätte, hätten wir der Regierungsvorlage im Sinne der vielen Verbesserungen, die dieses Gesetz für die Konsumenten bringt, zugestimmt. Der Abänderungsantrag und der Entschließungsantrag haben das jedoch leider unmöglich gemacht. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es auch meiner Meinung nach hoch an der Zeit wäre, den immateriellen Schadenersatz für die vergeudete Freizeit in Angriff zu nehmen, denn die vielen Beschwerden von geschädigten Touristen zeigen deutlich, dass die Konsumenten insbesondere bei Pauschalreisen doppelt und dreifach geschädigt sind, weil sie für ihre vergeudete Freizeit und Urlaubszeit überhaupt keine Entschädigung erhalten. Diesbezüglich gibt es großen Handlungsbedarf, und ich erwarte, dass hier im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten Abhilfe geschaffen wird! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Maier zu Wort gemeldet. Ich bitte, die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten. (Abg. Dr. Khol: Er will wahrscheinlich sagen, dass er doch Doktor – und nicht Magister ist!)

21.06

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer hat in seiner Wortmeldung darauf hingewiesen, dass es in Österreich überall Kfz-Schlichtungsstellen gebe, und hat damit auch den Abänderungsantrag erklärt.


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Ich stelle richtig: In Österreich gibt es nicht in allen Bundesländern Kfz-Schlichtungsstellen der Wirtschaftskammer.

Ich stelle weiters richtig: Es gibt keine einzige Kfz-Schlichtungsstelle in Österreich, die der Empfehlung der Europäischen Union entspricht. (Beifall bei der SPÖ.)

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

21.07

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Maier, Sie haben offenbar andere Worte des Herrn Bundesministers gehört als ich! Vielleicht waren Sie zur selben Zeit auch anderswo als ich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Sie hören besser, und jeder hört nur das, was er will!)

Im Jahr 2000 hat das Justizressort wesentliche legistische Maßnahmen abgeschlossen; ich denke jetzt an die Wohnrechtsnovelle, an die Kridareform oder das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz, um nur einige zu nennen. Heute werden wir wiederum über weitere wichtige Neuerungen im Justizbereich abstimmen, nämlich über die Gewährleistungsreform, das Aktienoptionengesetz und das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wahrung der Rechte der Verbraucher ist vorrangiges und erklärtes Ziel dieser Bundesregierung. Die Verbraucher sind in der modernen Wirtschaftswelt mit einer Vielzahl von Risken und Gefahren konfrontiert, und die Verbraucher dürfen nicht Opfer, sondern müssen Nutznießer dieser wirtschaftlichen Entwicklung werden! Deshalb ist es gut, dass seit genau einem Jahr – nämlich seit 1.4.2000 – der Konsumentenschutz beim Bundesministerium für Justiz ressortiert, und es ist an uns allen, unserem Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer und seinem Team dafür zu danken, dass gerade auf den Bereich des Konsumentenschutzes besonderes Augenmerk gelegt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Verbraucherprobleme bedeuten, dass sich der Konsument einem potenteren Partner gegenübersieht. In der Regel gibt es keine Solidarisierung unter den Konsumenten, und deshalb ist es wichtig, dass der Gesetzgeber tätig wird. Das neue Gewährleistungsgesetz ist ein Konsumentenschutzgesetz, mit welchem die EU-Verbraucherschutzrichtlinie umgesetzt wird, und der vorliegende Gesetzesvorschlag wird von unserem Herrn Bundesminister für Justiz zu Recht als Meilenstein in der Konsumentenpolitik bezeichnet! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie wichtig die Neuregelung ist, zeigt auch der Bericht des Vereines für Konsumenteninformation zur Lage der Verbraucher, der im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz erstellt wurde und klar darlegt, dass ein Drittel der Beschwerden mangelhafte Güter oder mangelhafte Werkleistungen betreffen.

Neu ist – wir haben es bereits gehört, dass das Gewährleistungsrecht nicht nur für Kaufverträge, sondern auch für Werkverträge gilt. Neu ist, dass die Gewährleistungsfrist für bewegliche Sachen und Werkleistungen von sechs Monaten auf zwei Jahre erhöht wird. Hinsichtlich eines Mangels, der in den ersten sechs Monaten ab Lieferung oder Leistungserbringung auftritt, wird vermutet, dass er bereits bei der Übergabe vorhanden war. Dies ist eine eindeutige Besserstellung des Konsumenten, denn bisher lag die Beweislast beim Konsumenten. In vielen Fällen war für Verbraucher die Rechtsverfolgung praktisch unmöglich. Ich denke nur an technische Produkte des täglichen Lebens, etwa an Autos oder Elektrogeräte, für welche man ohne Gutachten den Nachweis eines Mangels wohl kaum erbringen kann.

Nun ein großer Schritt vom Gewährleistungsrecht zum Aktienoptionengesetz: Aktienoptionen werden verstärkt genützt, um gute Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Aktienoptionen haben einen positiven Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und dadurch natür


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lich auch auf den Unternehmenserfolg. (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer. ) Der vorliegende Entwurf schafft gesellschaftsrechtliche Erleichterungen für die Einräumung und Bedienung von Aktienoptionen und – auch das haben wir schon gehört – bessere Kontrollrechte für Aktionäre.

Der dritte Entwurf, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz, betrifft etwa 100 000 Rechtsträger, die zur Offenlegung der Jahresabschlüsse verpflichtet sind. Der Entwurf soll es ermöglichen, dass Daten, die dem Firmenbuch offen zu legen sind, im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren der Opposition! Ihre Zustimmung zum 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz haben Sie schon im Justizausschuss gegeben, und ich bitte Sie, auch den beiden anderen zukunftsweisenden Gesetzen zuzustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

21.12

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zum Aktienoptionengesetz machen.

Zunächst möchte ich etwas Positives feststellen: Die Bestimmungen, die zu einer besseren Transparenz der Börse führen sollen, sind zweifellos zu begrüßen. Die im Entwurf enthaltenen Publizitätsvorschriften sind ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich in die Richtung einer Verbesserung der Wiener Börse, welche diese tatsächlich dringend benötigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht so positiv sehen kann ich allerdings die Bestimmungen über die Einräumung von Stock Options, denn es soll damit nicht nur die Gewährung von Aktienoptionen an Mitarbeiter beziehungsweise an das Management erleichtert und vereinfacht werden, sondern es soll auch ermöglicht werden, dass Stock Options auch Aufsichtsratsmitgliedern eingeräumt werden können. Das war ursprünglich nicht vorgesehen, in den ersten Entwürfen war eine derartige Regelung nicht enthalten. Jetzt enthält der Gesetzentwurf jedoch auch die Einbeziehung der Aufsichtsratsmitglieder.

Das ist der Punkt, weshalb wir nicht unsere Zustimmung geben können. Wir befürchten, dass dadurch die Tendenz, die kurzfristige Gewinnmaximierung in den Vordergrund zu stellen, noch verstärkt wird, denn man fragt sich schon, ob Aktienoptionen dem Vorstand eingeräumt werden sollen, weil auch hier die Gefahr besteht, dass die Gegenleistung für die Einräumung von Aktienoptionen der Abbau von Arbeitsplätzen ist. Eben das befürchten wir, und dagegen haben wir unsere Bedenken. (Beifall bei der SPÖ.)

Das trifft natürlich noch mehr für den Aufsichtsrat zu, der für die Ausgestaltung der Stock Options verantwortlich ist und dann auch die Möglichkeit hat, von einem solchen Programm zu profitieren. Diesfalls ist nämlich zu befürchten, dass die Unbefangenheit abhanden kommt und der Aufsichtsrat, der ja sehr vorsichtig und kritisch vorgehen und seine Kontrollaufgaben kritisch erfüllen sollte, vielleicht doch etwas zu risikofreudig wird, nach dem Motto: "Mehr Geld für weniger Kontrolle". Daher ist das eigentlich ein sehr fragwürdiges Modell! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich höre gerüchteweise, dass Herr Präsident Prinzhorn großes Interesse daran hatte, dass diese Regelung aufgenommen wird, dass auch die Aufsichtsräte in den Genuss dieser Regelung kommen, und ich bedauere sehr, dass Sie diesem Druck nachgegeben haben! Das war ursprünglich nicht vorgesehen, aber hier ist offensichtlich eine einflussreiche Lobby am Werk! (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Wir haben schon im Ausschuss darüber diskutiert, und Sie haben darauf hingewiesen, dass § 70 Aktiengesetz in Geltung ist, dass es also Haftungsbestimmungen gibt. Wir wissen aber, dass es in Deutschland leider eine ganz andere Entwicklung gibt. Entsprechende Untersuchungen zeigen, dass diese Möglichkeit, Aktienoptionen zu erhalten, die Mitglieder von Auf


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sichtsräten doch beeinflusst, und zwar gerade im Bereich der New Economy, aber nicht nur dort. Wir haben gesehen, dass dort riskanten Geschäften zugestimmt und dann abgecasht wird und die Arbeitnehmer auf der Strecke bleiben. Meine Damen und Herren! Deshalb werden wir nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

21.16

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zu diesem Beitrag von Frau Dr. Hlavac sofort Stellung nehmen.

Sie haben kritisiert, dass auch die Aufsichtsräte diese Stock Options bekommen können, und haben gemeint, dass so zu viel Risiko eingegangen werden könnte. – Darauf sage ich: Man wird doch, der Logik folgend, nicht sein eigenes Vermögen riskieren, sondern man wird so arbeiten, dass das Wohl und damit auch der Wert des Unternehmens gesichert sind beziehungsweise steigen! Das ist der Gedanke! Sie übersehen, dass auch jetzt schon unternehmenserfolgsabhängige Belohnungen für Aufsichtsräte gegeben werden können! In Wirklichkeit müsste man den gegenwärtigen Zustand kritisieren, dass nämlich – Herr Kollege Jarolim wird noch sprechen, und er hat ja zu einigen großen Aktiengesellschaften ganz gute Beziehungen, insbesondere im verstaatlichten Bereich – die nicht ganz günstige Sitte besteht, dass sich Aufsichtsräte auf Kosten des Unternehmens – ich betone: auf Kosten des Unternehmens! – gegen Fehler in ihrer Kontrolltätigkeit versichern lassen. Das bewirkt verminderte Kontrolle und Leichtfertigkeit, weil nie das eigene Vermögen betroffen sein kann. Vielleicht kann Kollege Jarolim noch darauf eingehen! Ich habe mich bewusst deshalb noch einmal zu Wort gemeldet. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Seine Redezeit beträgt voraussichtlich 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Er wird sich daran halten! – Abg. Dr. Trinkl  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich werde es probieren!)

21.18

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition tut sich wirklich schwer dabei, zu begründen, warum sie gegen dieses erstklassige Gesetz ist. Vielleicht liegt das daran, dass Sie jetzt, kurze Zeit vor Ostern, einen Eiertanz aufführen wollen! Ihre Argumente sind wirklich schwach, das möchte ich Ihnen schon sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Mag. Maier! Sie verwechseln etwas, und ich bitte Sie, diesbezüglich bei Frau Kollegin Moser Nachhilfe zu nehmen: Gewährleistung ist nicht gleich Konsumentenschutz, auch wenn Konsumentenschutz ein wichtiger Teil der Gewährleistung ist.

Ihr Problem ist, dass Sie auf einem Auge blind sind! Sie haben mir unterstellt, dass ich keine Ahnung hätte. Darauf sage ich: Ich bin auch schon seit 25 Jahren in einer Interessenvertretung, und selbst wenn jemand überhaupt keine Ahnung hat, bekommt er in 25 Jahren automatisch einiges mit. So dürfte es auch bei Ihnen gewesen sein!

Jetzt darf ich kurz noch zu einigen Ihrer Einwände Stellung nehmen: Sie haben gemeint, dass im Zuge der Debatte plötzlich die Stunde der Lobbyisten geschlagen habe. – Ich möchte Sie insofern etwas verbessern: Es hat nicht die Stunde der Lobbyisten, sondern – wie oft im Justizausschuss – die Stunde der Vernunft geschlagen! Wir wollen versuchen, faire Bedingungen zu schaffen. Das Gesetz soll faire Bedingungen für die Vertragspartner bringen, sowohl für den Unternehmer als auch für den Konsumenten, der erwartet, dass seine Forderungen vom Unternehmen entsprechend eingehalten werden. Darum – und das werden Sie mir zugestehen – freue ich mich tatsächlich, dass noch im letzten Augenblick gemeinsam mit den Beamten des


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Ministeriums, wofür wir sehr dankbar sind, einige Berichtigungen in diesem Gesetz vorgenommen und einige Anmerkungen getroffen wurden.

Sie haben kritisiert, dass sich der Tourismus durchgesetzt hat. Der Tourismus hat sich, bitte, nicht durchgesetzt! Aber wenn Sie argumentieren, dann bitte ich Sie sehr höflich, auch fair zu argumentieren.

Die Verbrauchsgüterrichtlinie hätte keine Verlängerung der Gewährleistungsfrist für Dienstleistungen mit sich gebracht. Wir sind in Österreich einen anderen Weg gegangen. Wir haben die Gewährleistung für alle Dienstleistungen und alle Verbrauchsgüterkäufe gleich angesetzt. Wenn Sie jetzt kritisieren und deswegen dagegen sind, weil wir wesentlich weiter gegangen sind, als die EU-Richtlinie es von uns verlangt hätte, wenn Sie deswegen heute hier dagegen stimmen, dann muss ich Ihnen schon sagen: Dieses Argument zieht tatsächlich nicht!

Frau Kollegin Moser! Eines möchte ich Ihnen noch ins Stammbuch schreiben. Sie haben hier gesagt, die Koalition möchte ein Gesetz evaluieren. Bitte schön, das ist ja wohl das Mindeste, dass ich mir überlege, ob das Gesetz auch wirklich das zum Ausdruck bringt und bewirkt, was der Wille des Gesetzgebers ist! Wir bekennen uns daher zu dieser Evaluierung.

Wir bekennen uns auch dazu, auf die Wünsche und die Bedürfnisse der Wirtschaft und der Betroffenen einzugehen. Das ist Justizpolitik dieser Regierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden sich sehr schwer damit tun, zu begründen, warum Sie dagegen sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: 3 Minuten! – Präsident Dr. Fischer: Und 15 Sekunden! – Abg. Dr. Khol: Das zählst du nur bei unseren Rednern! Pilz darf immer 20 Sekunden ...!)

21.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. Er hat das Wort.

21.21

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Bundesgesetz, mit dem zur Regelung der elektronischen Übermittlung von Jahresabschlüssen das Handelsgesetzbuch, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden, wird heute im Interesse von Unternehmen und Gesellschaften dem technischen Fortschritt Rechnung getragen. Hunderttausend im Firmenbuch eingetragene Rechtsträger müssen seit dem EU-Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz von 1996 alljährlich ihren Jahresabschluss dem Firmenbuch offen legen. Wenn man bedenkt, dass vor dem EU-Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz nur etwa 2 600 Gesellschaften dazu verpflichtet waren, so sieht man, dass sich die Anzahl der offenlegungspflichtigen Unternehmen um fast das 40fache erhöht hat.

Deshalb ist es ein echtes wirtschaftliches und gesellschaftliches Bedürfnis, zu ermöglichen, dass die Daten auf dem elektronischen Weg dem Gericht übermittelt werden. Der elektronische Rechtsverkehr ist ein Gebot der Zeit, bei ihm liegt die Zukunft, und wir sollten uns schrittweise immer mehr darauf einstellen, dass dieser Weg die Normalität bedeutet. Das liegt sowohl im Interesse der Firmen als auch im Interesse der Justiz. Wer sich gegen diese Entwicklung quer legen will, dem wird auf Dauer kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden sein und der wird als Nachzügler unnötige Kosten zu tragen haben.

In der Vorlage wurde aber auch klargestellt, dass die elektronische Einbringung von Jahresabschlüssen unter dem Vorbehalt des jeweils technisch Machbaren steht. Ziel muss es sein, möglichst rasch einen Vollausbau der elektronischen Übermittlung zu erreichen. Ich sehe aber ein, dass Zwischenschritte notwendig sind; diese sollten jedoch nicht in zu großen Zeitabständen gesetzt werden.

Ich möchte in Erinnerung bringen, dass die Offenlegung von Unternehmensdaten kein Selbstzweck ist, sondern der Information von Gläubigern der jeweiligen Kapitalgesellschaft oder auch von potentiellen Geschäftspartnern dient. Es ist deshalb notwendig, dass in diesem Zusammenhang alles möglichst transparent abläuft und gut funktioniert.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, dass es für Österreich als Wirtschaftsstandort von nicht unerheblicher Bedeutung ist, dass es einen modernen Kontakt zwischen der Wirtschaft und den staatlichen Behörden gibt. Das Image unseres Wirtschaftsstandortes wird auch für Investoren besser, wenn möglichst rasch der elektronische Rechtsverkehr die Normalität in diesem Bereich darstellt. Dazu dient die heute zu beschließende Vorlage. Wir Sozialdemokraten werden dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

21.25

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen heute das neue Aktienoptionengesetz. Ich möchte an dieser Stelle als Allererstes der Beamtin, die das im Ministerium bearbeitet hat, gratulieren und mich bei ihr herzlich bedanken. Sie hat das nämlich ganz hervorragend gemacht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wie Sie vielleicht wissen, wurden im letzten Jahr in Österreich im Bereich der New Economy ungefähr 3 700 Unternehmen gegründet, viele von ihnen – auch sehr kleine Unternehmen zum Teil – als Aktiengesellschaften. Der Dienstleistungssektor boomt in Österreich überhaupt, die New Economy ist aber sicherlich die Lokomotive des österreichischen Wirtschaftswachstums.

Gleichzeitig erleben wir auf dem Arbeitsmarkt eine Trendwende. Mit kaum mehr als 3 Prozent an Arbeitslosen haben wir in Österreich de facto Vollbeschäftigung erreicht und liegen europaweit im Spitzenfeld. Das ist nicht nur schön, sondern bringt eben auch einige Probleme mit sich. Durchschnittlich drei Monate lang sucht heute ein Unternehmer einen Mitarbeiter. Die Zahl der offenen Stellen steigt, und Mangelware sind vor allem Facharbeiter, aber auch IT-Experten, nicht nur die topausgebildeten, sondern exzellente Fachkräfte und auch exzellente Lehrlinge in diesem Bereich. (Zwischenrufe der Abgeordneten Eder und Schwemlein.  – Abg. Dr. Ofner: Was habt ihr gemacht 30 Jahre lang? Hättet ihr es ausgebügelt!)

Für das Jahr 2003 prognostizieren Studien zwischen 13 000 und 85 000 fehlende Mitarbeiter im Bereich Information und Kommunikation. Dadurch können Aufträge von unseren Unternehmen nicht mehr angenommen werden. Es sinkt die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Die Unternehmen brauchen also neben einem attraktiven Gehalt zusätzliche Anreize, um die offenen Stellen zu besetzen und sie attraktiv zu machen. Unsere gut ausgebildeten jungen Leute – wir haben gerade in diesem Bereich jetzt sehr viele neue Ausbildungszweige geschaffen – müssen nach Abschluss der Ausbildung auch in Österreich tätig sein, hier bleiben und ihre Arbeitsleistung in Österreich zur Verfügung stellen.

Aus ganz Europa werden die gut ausgebildeten Österreicher nicht zu Unrecht abgeworben. Den Arbeitnehmern wird im benachbarten Ausland längst schon eine Mitarbeiterbeteiligung, die Beteiligung am Erfolg des eigenen Unternehmens geboten. Diese Stock Options sind für die Mitarbeiter interessant, sie motivieren sie, und vor allem binden sie sie auch längerfristig an das Unternehmen. (Beifall bei der ÖVP.) Aus diesem Grund haben wir bereits im letzten Jahr mit dem Kapitalmarktoffensive-Gesetz die Stock-Options-Modelle steuerlich begünstigt. Die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen waren aber immer noch nicht optimal ausgestaltet. (Abg. Böhacker: So ist es!)

Mit dem jetzt vorliegenden Aktienoptionengesetz werden die gesellschaftsrechtlichen Hindernisse für die Einräumung und Bedienung von Aktienoptionen beseitigt. Dadurch können die Kapitalbeschaffungsmaßnahmen, die liquiditätsschonend und für unsere Unternehmen besonders wichtig sind, flexibel und rasch umgesetzt werden. Die Hauptversammlung kann den Vorstand mit der Zustimmung des Aufsichtsrates zu einer bedingten Kapitalerhöhung zu diesem Zweck ermächtigen.

Alle Arbeitnehmer kommen in den Genuss dieser Mitarbeiterbeteiligungen, nicht nur Vorstand und Aufsichtsrat. Da vorhin als besonderer Kritikpunkt genannt wurde, dass es negativ sei, dass Aufsichtsräte an Unternehmen beteiligt werden, muss ich dem Folgendes entgegenhalten. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber es war auch bisher möglich, die Aufsichtsräte am Gewinn


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des Unternehmens orientiert zu entlohnen. Das ist auch in der Vergangenheit und bisher so geschehen. Aufsichtsräte sind nicht nur ein Überwachungsorgan, das dem Vorstand auf die Finger klopfen soll, sondern ein sehr wichtiges strategisches Organ für jedes Unternehmen. (Abg. Schwemlein: Erste Klasse Handelsakademie ist das! Das wissen alle! – Abg. Neudeck: Nicht alle, Herr Kollege! Edlinger nicht!)

Ich sage das deswegen noch einmal, weil die Vorredner von der SPÖ gesagt haben, es gehe eine große Gefahr davon aus, wenn Aufsichtsräte am Unternehmensgewinn beteiligt werden. Dem ist eben nicht so, Herr Kollege! Gemessen an dieser großen Verantwortung sind aber in der Vergangenheit die Aufsichtsräte sehr gering entlohnt worden. Mit diesen Beteiligungen wird es jetzt möglich sein, Aufsichtsräte für ihre Verantwortung auch angemessen zu entlohnen. Es wird dann in Zukunft nicht mehr notwendig sein, irgendwelche Konsulenten heranzuziehen, deren Haftung viel unklarer ist als jene der Aufsichtsräte.

Ich bin daher sehr glücklich darüber, dass wir dieses Gesetz heute beschließen werden. Der einzige Kritikpunkt, den Sie vorgebracht haben, ist völlig haltlos. Es würde mich freuen, wenn Sie sich das noch einmal überlegen und diesem Gesetz doch Ihre Zustimmung geben würden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Khol: Oje! "Euroteam"!)

21.30

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zum Gewährleistungsrecht ist nur kurz Folgendes zu sagen: Es ist bedauerlich, dass man mit diesem Abänderungsantrag mehr oder weniger fast mit der Brechstange noch eine Grundlage dafür geschaffen hat, dass wir hier nicht zustimmen. Wir haben vor, auch in der Form des Abstimmungsvorganges das Signal zu geben, dass wir dem Ministerialentwurf zugestimmt hätten. (Abg. Böhacker: Das hat schon der Jacky Maier gesagt!) Insofern stehe ich auch nicht an, in diesem Zusammenhang den Beamten zu danken.

Was nunmehr die Aufsichtsräte im Zusammenhang mit den Stock-Options-Plänen anlangt, kann man das auch so zusammenfassen, dass man sagt: Auch ein Aufsichtsrat muss ein Auge zudrücken können. Wir beteiligen die Aufsichtsräte, die Aufsichtsorgane nach dem österreichischen und deutschen Recht sind und nicht nach dem Board-System aus dem angloamerikanischen Bereich installiert sind, einfach anders. – Das funktioniert nicht!

Ich glaube, es ist auch mit Fug und Recht sinnvoll, zu sagen, dass der Aufsichtsrat – der zwar nicht die Funktion hat, dem Vorstand auf die Finger zu klopfen, wohl aber eine überprüfende Funktion hat – nicht gleichermaßen am Gewinn beteiligt wird. Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich mit einem Haftungskapital beteiligt bin, das ich verlieren kann, oder ob ich nur eine Chance habe oder eben nicht habe, je nachdem, ob dieses Konzept umgesetzt wird oder nicht, wofür der Aufsichtsrat gewonnen werden soll, indem man ihm in diesem Fall sagt: Nimm das nicht gar so tragisch und stimm zu, es wird auch zu deinem Besten sein!

Wenn man davon ausgeht, dass er zwar gewinnen, aber nichts verlieren kann – eine Chance kann er verlieren, aber er muss nicht selbst mitzahlen –, ist es völlig unakzeptabel, den Aufsichtsrat zu beteiligen. Wenn man sagt, er ist am Gewinn beteiligt, indem er dafür ein Entgelt, das von der Höhe der Aufsichtsratsentschädigung abhängig ist, bekommt, besteht da an sich kein Problem. Das sind ganz andere Dimensionen, als wenn man dem Aufsichtsrat sagt, dass er im Rahmen von Stock Options direkt am Unternehmensgewinn beteiligt ist. Das ist wesentlich tiefgreifender.

Frau Kollegin Hakl! Da Sie gerade gesagt haben, die New Economy würde das notwendig machen, kann ich Ihnen nur sagen: Sie macht es in erster Linie deshalb notwendig, weil solche Unternehmen zu Beginn die Gehälter nicht auszahlen können. Wenn ich das nicht kann – wenn ich dem Aufsichtsrat nicht einmal das bezahlen kann, was seiner Leistung entspricht –, dann ist das Risiko, das der Aufsichtsrat eingeht, indem er zustimmt, unter Umständen noch größer. Ich


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muss überhaupt sagen, dass ich der Meinung bin, dass man Aktiengesellschaften eigentlich nur dann bilden sollte, wenn entsprechendes Kapital vorhanden ist, und nicht in Bereichen, in denen nichts vorhanden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass es völlig unakzeptabel ist, dem Aufsichtsrat diese Beteiligung einzuräumen, und wir werden daher dieser Materie auch nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Der Wunsch eines Berichterstatters nach einem Schlusswort liegt ebenfalls nicht vor.

Wir kommen zu den Abstimmungen; diese werden über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vorgenommen.

Zuerst stimmen wir ab über den Entwurf betreffend das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz in 522 der Beilagen.

Es liegt mir zu dieser Vorlage der Wunsch nach getrennter Abstimmung vor.

Ich werde zunächst über die von dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und dann über die restlichen Teile der Vorlage abstimmen lassen.

Wir kommen also zur getrennten Abstimmung über Artikel I Z. 4 § 933 Abs. 1 letzter Satz, Artikel I Z. 5 § 933a Abs. 3 und Artikel II Z. 2 § 9 Abs. 1 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dies unterstützen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich komme zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile dieser Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür stimmen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (Abg. Dr. Fekter  – in Richtung SPÖ –: Doch ein gutes Gesetz! – Abg. Schieder: Teilweise!)

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 522 der Beilagen als Anlage 2 beigedruckte Entschließung betreffend Auswirkungen des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes auf die Lage des Tourismus in Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 76.) (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Dagegen sind Sie auch? Unglaublich! Fundamentalopposition! Zum Schutz der Konsumenten – was habt ihr dagegen?)

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 522 der Beilagen als Anlage 3 beigedruckte Entschließung betreffend Umsetzung des Regressanspruches des Letztverkäufers.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Anlage zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 77.) (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Dagegen auch? Ist ja auch konsumentenfreundlich!)

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend das Aktienoptionengesetz samt Titel und Eingang in 523 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Dies ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Regelung der elektronischen Übermittlung von Jahresabschlüssen das Handelsgesetzbuch, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 524 der Beilagen abstimmen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Damit haben wir diese Tagesordnungspunkte erledigt.

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (489 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Passgesetz 1992, das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Passgesetz-Novelle 2001) (526 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (479 der Beilagen): Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (527 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung.

Die Debatte darüber wird unter einem durchgeführt. – Auf Berichterstattung wird verzichtet.

Die erste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordnetem Parnigoni. – Bitte.

21.38

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Vorlage zum Passgesetz ist eine, die schon länger in Diskussion ist. Diese Initiative soll durch Verwaltungsvereinfachungen, durch Verbesserungen im Bereich der personenbezogenen Datenverarbeitung und durch die Ermöglichung der Erweiterung der Informationsfunktion der Personalausweise Erleichterungen für den Bürger bringen.


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Ich halte für die Sozialdemokratie fest, dass diese Ziele leider nur zum Teil erreicht worden sind. Es ist durchaus zu begrüßen, dass die Ausstellung von Reisepässen und Personalausweisen automationsunterstützt erfolgt. Es war uns als Sozialdemokraten immer ein Anliegen, eine effiziente Verwaltung – allerdings mit größtmöglicher Datensicherheit für das Individuum – zustande zu bringen. Diesbezüglich haben wir bei dieser Novelle aber unsere Bedenken.

Herr Minister! Sie haben es – entgegen Ihrem ursprünglichen Versprechen – wieder nicht lassen können, bei der Datenverarbeitung im Zuge der Passausstellung auf die ZMR-Zahl zurückzugreifen. Das ist für das Passwesen eigentlich nicht erforderlich. Es hat nur für die Bürger unliebsame Effekte, nämlich dass die Zusammenführung von Datensätzen, die nicht zusammengeführt werden dürften, in Wirklichkeit wiederum ein Stück erleichtert wird. Es ist natürlich eine größere Verlockung für den kriminellen Missbrauch gegeben.

Meine Damen und Herren! Dass es in unserer Republik so etwas gibt, hat ja die heutige Debatte zur Dringlichen Anfrage bewiesen. Das kann man spätestens seit der Spitzelaffäre nicht mehr leugnen.

Ich habe in der Debatte zum Meldegesetz schon sehr deutlich darauf hingewiesen, dass diese Personenkennzahl im Bereich des Zentralen Melderegisters enorme Gefahren mit sich bringt. (Im Sitzungssaal ist Handy-Läuten zu hören.)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen und feststellen, dass diese ZMR-Zahl in einer Gleichsetzungstabelle der Sozialversicherungsnummer ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, eine Sekunde bitte! – Ich bin verpflichtet, darum zu bitten, dass man im Sitzungssaal keine Handys verwendet. Frau Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer, bitte. – Danke schön.

Herr Abgeordneter, bitte setzen Sie Ihre Rede fort!

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Danke. – Ich darf noch einmal sagen, dass diese ZMR-Zahl in einer Gleichsetzungstabelle der Sozialversicherungsnummer desselben Menschen zugeordnet wird. Der Bundesminister für Inneres hat daher die Möglichkeit, dass er über diese Personenkennzahl sowohl auf die Melderegisterdaten und zugleich auch auf die Sozialversicherungsdaten eines Menschen zugreifen kann. Das birgt ganz einfach enorme Gefahren in sich. Dieses Passgesetz ist daher wiederum ein Schritt in Richtung "gläserner Mensch".

Herr Bundesminister! Hier geht es um einen kleinen Schritt zu einer Verwaltungsvereinfachung, aber Sie öffnen die Tür sperrangelweit für den Datenmissbrauch. Das verstehe ich nicht, die Verhältnismäßigkeit ist ganz einfach nicht gegeben!

Hohes Haus! Es ist so, dass gerade die Passausstellung zu jenen Gegebenheiten gehört, die eine enorme Belastung für die Bevölkerung darstellen. Die Gebühr für einen Reisepass haben Sie von 490 S auf 950 S hinaufgesetzt. Sie haben auch die Gebühr für Personalausweise verdoppelt.

Das ist allerdings insofern bedauerlich, als die Bürgerinnen und Bürger für diese Gebührenerhöhung keine entsprechende Gegenleistung erhalten. Eigentlich ist das Gegenteil der Fall: Der Bürger muss feststellen, dass der teurere Reisepass, der teurere Personalausweis nicht einmal fälschungssicher gestaltet sind. Hier haben Sie ein gewisses Versäumnis einzugestehen, Herr Bundesminister! Man kann das Lichtbild relativ leicht austauschen, weil sich die Folie über dem Bild ablösen lässt. Dies bietet große Missbrauchsmöglichkeiten, gerade auch im Bereich der internationalen Schlepperei.

Dies widerspricht übrigens auch den jahrelangen Bemühungen seitens der EU, die Fälschungssicherheit von Reisedokumenten in höchstmöglichem Ausmaß zu gewährleisten. (Abg. Murauer: Damit hat Schlögl auch nicht ...!)


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Eine weitere Schwachstelle möchte ich hier ebenfalls noch darstellen, Herr Bundesminister! Personalausweise werden nunmehr mit einem Datenträger versehen, auf dem der Ausweisinhaber automationsunterstützt persönliche Daten verarbeiten darf. Es kommt also zum Verschwimmen von Grenzen zwischen urkundlicher Beweiskraft und persönlicher Disposition des Ausweisinhabers, das heißt zwischen behördlichen Teilen und privaten Teilen in einem Dokument.

Herr Bundesminister! Das Problem besteht darin – das hat etwa auch die Niederösterreichische Landesregierung festgestellt –, dass man nicht mehr nachvollziehen kann, ob bestimmte persönliche Merkmale des Ausweisinhabers behördlich autorisiert worden sind oder ob in Wirklichkeit der Ausweisinhaber willkürlich etwas festgesetzt hat. Das sorgt für extreme Rechtsunsicherheit, und das kann nicht im Sinne des Erfinders sein!

Herr Bundesminister! Daher darf ich festhalten, dass der Mangel an Fälschungssicherheit und das Problem der Garantie der Echtheit der Urkunden uns dazu bringen, gegen diese Novelle zu sein. Ich nehme an, dass Sie die nächste Novelle in Wirklichkeit schon in petto haben, denn diese ist vorprogrammiert. Wir jedenfalls lehnen diese Novelle ab! (Abg. Dr. Khol: Ihr lehnt alles ab!)

Ich kann Ihnen auch sagen, Herr Bundesminister, dass Sie damit einer Kritik Vorschub leisten, die ich heute in der "Kronen Zeitung" gelesen habe und die das "einfache Parteimitglied" aus Kärnten dieser Regierung übermittelt hat. Ich brauche sie nicht zu verlesen, Sie kennen sie ja alle. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits.  – Abg. Dr. Pumberger: Jetzt geht’s nicht mehr lange! ... was der Haider sagt!)

21.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Er hat das Wort.

21.45

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Parnigoni, Sie haben in Ihrem Redebeitrag Argumente verwendet, die nicht zu dem Gesetz passen, über das wir heute debattieren. Sie werden gegen eine Novelle stimmen, die Erleichterungen für den Bürger und Modernisierung im Behördenverfahren bringen wird. (Abg. Dr. Cap  – eine Ausgabe der "Kronen Zeitung" in die Höhe haltend –: Da steht’s!)

Die Hauptinhalte der Novelle sind eine Flexibilisierung der örtlichen Zuständigkeit derart, dass passbehördliche Amtshandlungen in Bezug auf gewöhnliche Reisepässe und auf die Ausstellung von Personalausweisen auch von der Behörde des Aufenthalts vorgenommen werden dürfen, sowie die Verankerung der Gemeinde auch als Einbringungs- und Ausfolgungsbehörde. (Abg. Dr. Cap: Aber da steht’s!) – Das steht nicht dort, Herr Kollege Cap.

Weiters kommt es zu Verbesserungen im Bereich der personenbezogenen Datenverarbeitung und zur Ermöglichung der Erweiterung der Informationsfunktionen des Personalausweises. Diese Novelle bringt Erleichterungen und Vereinfachungen für den Bürger in Bezug auf die Beibringung von Urkunden im Passverfahren. Als Teilprojekt der elektronischen Verwaltung, des E-Governments, der Bundesregierung sollen die Besitzer von Personalausweisen die Möglichkeit bekommen, diese mittels Chipkarte auch als Datenträger für andere Informationen zu nützen.

Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, auch die grundsätzlichen Bedenken zu diesem Punkt wurden in die Vorlage eingearbeitet. Insbesondere die Einwendungen des Datenschutzrates wurden sehr ernst genommen und berücksichtigt. Der Bürger hat in Zukunft die Entscheidungsfreiheit, ob er die Urkunden zum Passamt mitbringen möchte oder nicht, ob er sie auf einer Chipkarte festgehalten haben möchte. (Abg. Dr. Cap: Wer hat das eigentlich geschrieben? Hat das wer geschrieben?)


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Meine Damen und Herren! Alles in allem ist diese Passgesetz-Novelle eine vernünftige, bürgernahe Sache. Deshalb sollten auch Sie von der Opposition zustimmen. Wir Freiheitlichen werden es tun. (Abg. Dr. Cap: Wer hat das geschrieben?)

Wir beschließen heute auch einen Vertrag zwischen Österreich, der Schweiz und Liechtenstein, der eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden ermöglichen und damit die Sicherheit gerade auch an den Vorarlberger Grenzen maßgeblich erhöhen wird. Gemäß diesem Vertrag soll die grenzpolizeiliche Zusammenarbeit weiterentwickelt und grenzüberschreitenden Gefahren sowie der internationalen Kriminalität durch ein kooperatives Sicherheitssystem wirksam begegnet werden. Insbesondere wird der Informationsaustausch von Fahndungsdaten erleichtert und beschleunigt. In Zukunft werden auch grenzüberschreitende Amtshandlungen zur Verfolgung eigener polizeilicher Interessen oder zur Unterstützung der Nachbarstaaten möglich sein.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Vertrag wird die Sicherheit gerade an den Vorarlberger Grenzen wesentlich erhöht und vor allem eine schärfere Verfolgung international agierender Verbrecherbanden sichergestellt. Wir Freiheitlichen begrüßen das und stimmen zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Bravo! Kurze Rede!)

21.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Die Grünen stimmen zu, haben sie gesagt!)

21.48

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! (Abg. Dr. Khol: Auf Slowenisch, bitte!) Nicht nur ich, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion werden dieser neuen Passgesetz-Novelle nicht zustimmen. (Abg. Dr. Khol: Nicht zustimmen?) Nein, sehr geehrter Herr Klubobmann! Ich möchte, um für die noch folgenden Debattenbeiträge meiner Kollegen Zeit zu sparen, nur auf die Argumentation des Kollegen Parnigoni verweisen. (Abg. Dr. Khol: Man könnte jetzt in Stinatz einen Pass bekommen!) Er hat hier die Argumente schon klar vorgebracht. (Abg. Dr. Khol: Die Koalition zeichnet sich ab!)

Das ist eine Vorgangsweise, mit der ich einfach nicht mitkann: Auf der einen Seite werden wirklich lobenswerte, unterstützenswerte und von uns auch immer wieder geforderte Maßnahmen gesetzt: weniger Bürokratie, besserer Zugang der Bürger und Bürgerinnen zu – in diesem Fall – Dokumenten, sozusagen jetzt auch eine Ressourcen schonende, Zeit und Geld schonende Methode, zu einem Reisepass zu kommen – dagegen hat ja niemand hier im Saal etwas –, und auf der anderen Seite gibt es dann doch wieder andere Hemmnisse.

Kollege Parnigoni hat das schon ausgeführt. Diese Vorgangsweise ist nicht korrekt, und zwar auch deshalb nicht, weil in der Diskussion um entsprechende gesetzliche Bestimmungen selbstverständlich solche Änderungen im Vordergrund standen. Vereinfachung, besserer Zugang und Entbürokratisierung wurden auch öffentlich kaum wahrgenommen, jetzt aber drohen diese Möglichkeiten einzutreten. Das ist der Grund dafür, dass wir diese Passgesetz-Novelle ablehnen.

Aber wir lehnen sie nicht nur deshalb ab, sondern wir lehnen sie auch ab, weil wieder eine Gelegenheit versäumt wurde, ein Gesetz, das aus dem Jahre 1951 stammt, in allen Facetten zeitgemäß zu gestalten. Ich habe das dem Herrn Bundesminister schon im Ausschuss gesagt, und Ihnen, geschätzte Damen und Herren, die Sie nicht Mitglieder des Innenausschusses sind, möchte ich es jetzt auch sagen: Vor allem die Bestimmungen dieses Passgesetzes gemäß Artikel 14 betreffend Versagungsgründe entsprechen weder den Erfordernissen der modernen Mobilität noch dem Grundsatz, dass man jenen Menschen, die einmal einen Blödsinn gemacht haben, sich nicht gesetzeskonform verhalten haben, dafür ihre Strafe bekommen haben und vorbestraft sind, dann nicht noch einmal eine Zusatzstrafe beziehungsweise Zweitstrafe geben sollte, indem man ihnen über Jahre den Reisepass verweigert. (Beifall bei den Grünen.)


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Für viele, die sich in einer solchen Situation befinden, ist das existenzgefährdend, denn heutzutage muss man reisen. Die Zeiten sind vorbei, in welchen man im Südburgenland geboren wurde und im Südburgenland stirbt und dazwischen maximal einmal in Graz im Krankenhaus war. Diese Zeiten sind vorbei. Heutzutage braucht jeder einen Reisepass. Daher sind Vorbestrafte beziehungsweise vor allem Menschen, gegen die ein Strafverfahren eingeleitet wurde, das oft – wir kennen genug solche Fälle! – jeder Grundlage entbehrt, in ihrer Mobilität und in ihrem beruflichen Fortkommen behindert.

Herr Minister! Ich sage Ihnen jetzt noch einmal konkret, welche Fälle das insbesondere betrifft: Es handelt sich um Fälle von Vorbestraften nach dem Suchtmittelgesetz. Solche Fälle wurden extra als Passversagungsgrund mit aufgenommen. – Ich frage Sie: Wie sollen diese Menschen, nachdem sie ihre Strafe bekommen und verbüßt und sich dann wohl entsprechend verhalten haben, eine Chance bekommen? Wie sollen diese an den Rechtsstaat und an das Gute des Staates, in welchem man ihnen Chancen gibt, glauben, wenn man ihnen auf Grund von Vorfällen, die oft Jahre zurückliegen – und dieser Gesetzentwurf bietet die Möglichkeit dazu –, Hemmnisse vor die Füße wirft?

Herr Minister! Es wäre doch vielleicht auch einmal eine gute Idee, wenn Sie so modern, wie Sie sind beziehungsweise sich geben und wie Sie auch schon ein Jahr lang unter Beweis gestellt haben, wie Sie zum Beispiel mit dem positiven Teil des Passgesetzes gezeigt haben, sich auch einmal jenen Gruppen zuzuwenden, die halt üblicherweise nicht die Zuwendung und die große Sympathie der Öffentlichkeit haben, wie beispielsweise nach dem Suchtmittelgesetz vorbestrafte Straftäter! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm. )

21.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. Er hat das Wort.

21.54

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Für die ÖVP ist diese Passgesetz-Novelle insofern sehr wichtig, als sie wesentliche Erleichterungen für den Bürger und Verwaltungsvereinfachungen bei der Ausstellung und bei Änderungen von Reisedokumenten bringt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Hauptinhalt dieser Novelle ist, dass nunmehr der entsprechende Antrag, ausgenommen Anträge auf Ausstellung von Zweitpässen, bei jeder Behörde und nicht nur bei der Passbehörde des Hauptwohnsitzes gestellt werden kann. Diese Novelle sieht auch die Möglichkeit vor, dass die Bezirksverwaltungsbehörden mit Zustimmung der Gemeinde durch Verordnung festlegen können, dass die Einbringung von Anträgen auf Ausstellung von Reisepässen und Personalausweisen bei der Gemeinde selbst erfolgen kann. In vielen oberösterreichischen Gemeinden und Gemeinden anderer Bundesländer ist es bereits gängige Praxis, dass Passanträge auf dem Gemeindeamt entgegengenommen werden und die Bezirkshauptmannschaft diesen dann ausstellt. Man hat damit gute Erfahrung gemacht.

Ich freue mich, dass insbesondere Bewohner von Landgemeinden von den neuen Regelungen profitieren können, denn diese Regelung ist vor allem für jene Personen sehr wichtig, die nicht mehr sehr mobil sind und nicht problemlos zur Bezirkshauptmannschaft gelangen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Gemeindeämter präsentieren sich dabei einmal mehr als Servicestelle für die Gemeindebürger. Ich sage daher von dieser Stelle aus Dank an alle Bürgermeister und Gemeindebediensteten, die diese Initiative bereits von sich aus ergriffen haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Betreffend Personalausweise steht mit dieser Novelle die Anbringung eines Mikrochips auf einem als Scheckkarte gestalteten Personalausweis bevor. Dies ist per Verordnung festzulegen. Die Chipkartenfunktion dient dem Karteninhaber zur Speicherung persönlicher Daten, die dann im Notfall in seinem Interesse und zu seinem Schutz verwendet werden können. Als Beispiel nenne ich etwa Informationen über Medikamentenverträglichkeit oder die Speicherung sonstiger


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medizinisch relevanter Daten. Diese wichtigen Hinweise können in Notfällen Leben retten. Da ist keine Spur vom "gläsernen Menschen", wie dies von SPÖ-Seite dargestellt wurde!

Nach der Novelle sollen auch Daten über Urkunden, die zur Ausstellung eines Reisepasses vorgelegt werden, gespeichert werden dürfen. Solche Daten sind erst sechs Jahre nach Ablauf der Gültigkeit des Reisedokuments zu löschen. Dadurch wird dem Antragsteller die mehrmalige Vorlage dieser Urkunden erspart.

Wenn Sie von der SPÖ für den Bürger da sind, wie Sie immer wieder behaupten, dann sollten Sie dieser Novelle zustimmen!

In Folge der geplanten direkten Zusendung des Personalausweises vom Hersteller an den Inhaber werden zusätzliche Verwaltungskosten gespart. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Mit dieser Novelle setzen die Regierungsparteien und Bundesminister Strasser einen klaren Akzent zu noch mehr Bürgernähe und Verwaltungsvereinfachung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Regierung kommt damit den Wünschen vieler Bürger entgegen. Zirka 700 000 Reisepässe und 50 000 Personalausweise werden jährlich beantragt. Diese hohe Zahl beweist die Wichtigkeit dieser Passgesetz-Novelle. Ich ersuche Sie daher, dieser Gesetzesinitiative im Sinne unserer Bürger zuzustimmen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

21.57

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich einmal den anwesenden Mitgliedern des Hohen Hauses herzlich dafür danken, dass Sie die Diskussion über die Passgesetz-Novelle und das Abkommen Schweiz-Österreich-Liechtenstein betreffend verbesserte grenzüberschreitende Zusammenarbeit einem zugegeben wichtigen nationalen Ereignis voranstellen, das zur selben Stunde stattfindet. – Danke schön!

Ich möchte fünf Punkte nennen, die für die Passgesetz-Novelle entscheidend sind.

Erstens möchte ich darauf hinweisen, dass mit dieser Novelle die Möglichkeit geschaffen wird, dass der Reisepass auch bei der Heimatgemeinde beantragt werden kann.

Zweitens werden wir davon abgehen, dass der Hauptwohnsitz die behördliche Zuständigkeit begründet. Vielmehr wird, wenn Sie diesem Gesetz zustimmen, ein Pass nunmehr bei jeder Bezirksverwaltungsbehörde beantragt werden können.

Drittens werden wir wesentliche Vereinfachungen in Bezug auf die Beibringung von Urkunden durchführen.

Viertens ist diese Novelle vor allem Grundlage für einen neuen Personalausweis, der in einer Art Scheckkartenformat in Bälde zur Verfügung stehen soll.

Und fünftens möchte ich Frau Abgeordnete Stoisits ganz besonders herzlich bitten, sich das noch einmal anzusehen: Es werden gerade Auskunftsbeschränkungen bei Verurteilungen wegen Straftaten, die vor dem 21. Lebensjahr begangen wurden und bei welchen das Strafausmaß nicht mehr als sechs Monate beträgt, ausgesprochen. Damit kommen wir dem Wunsch des Justizausschusses im Zusammenhang mit der Beschlussfassung des Jugendgerichtsgesetzes nach, und wir haben auch der übereinstimmenden Expertenmeinung der Enquetekommission Rechnung getragen. (Abg. Mag. Stoisits: Da ging es ja nur um die Anpassung des Jugendgerichtsgesetzes!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch zum zweiten in Diskussion stehenden Sachverhalt, dem Abkommen zwischen Österreich, Schweiz


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und Liechtenstein, ein paar Worte sagen. – Es ist dies ein ganz entscheidendes Vertragswerk, das der verstärkten Sicherheit und zollbehördlichen Zusammenarbeit vor allem im Bodensee-Raum dient. Es kommt somit zu einer Beschleunigung und Vereinfachung des Informationsaustausches und einer Ausweitung der Fahndungsbereiche durch automationsunterstützte Übernahme von Fahndungsdaten der Vertragspartner und damit der Schweiz. Das ist uns ein großes Anliegen, denn es bringt uns näher an die Schengen-Reife heran, dass gerade im Bodensee-Raum Österreich, Deutschland und Italien als drei EU-Länder mit einem Nicht-EU-Land auf sicherheitspolitischem Gebiet zusammenarbeiten und es so zu einer wesentlichen Verbesserung kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Er hat das Wort.

22.01

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe keinen Einwand gegen die von Ihnen genannten fünf Punkte. Dieses Bundesgesetz beinhaltet Verwaltungsvereinfachungen für die Bürger und Bürgerinnen bei der Ausstellung und Änderung von Reisepässen sowie diverse Verbesserungen insbesondere auch im Bereich der personenbezogenen Datenverarbeitung.

Herr Dr. Bösch und Kollege Freund haben Recht, wenn sie sagen, dass diese Novelle Erleichterungen bringt. Das steht zweifelsohne fest. Herr Bundesminister! Es hat aber auch Kollegin Stoistis nicht Unrecht, wenn sie sagt, dass es auch Risken gibt, und ich meine, dass unsere Bedenken bei der Gesetzwerdung dieser Materie zu wenig Berücksichtigung gefunden haben. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir unsere Zustimmung dazu nicht geben können.

Herr Bundesminister! Man hat bei der Zielsetzung dieser Gesetzesinitiative zu sehr die Verwaltungsvereinfachung, Verbesserungen und Erleichterungen im Auge gehabt, meiner Meinung nach wurde aber das Element der Sicherheit – erlauben Sie mir, das so auszudrücken – nahezu gänzlich vernachlässigt. Das beginnt, um Beispiele anzuführen, bei der Änderung des Tilgungsgesetzes mit den erweiterten Auskunftsmöglichkeiten aus dem Strafregister und geht bis hin zur Durchführung der Verlässlichkeitsprüfung gemäß § 23 Militärbefugnisgesetz, wo keinerlei Beschränkungen vorgesehen sind.

So macht es mich zum Beispiel besonders hellhörig, dass im Militärbefugnisgesetz, das wir auf sehr hohem Niveau und in aller Breite diskutiert haben und das schlussendlich mit der Mehrheit dieser Regierungskoalition beschlossen wurde, keine eindeutige, klare und ausreichende gesetzliche Regelung für die Tätigkeit der militärischen Dienste getroffen wurde. Im Gegenteil: In diesem Militärbefugnisgesetz werden wesentliche rechtsstaatliche Prinzipien systematisch verletzt, es können zum Beispiel Journalisten an ihrer Pflicht zur Berichterstattung ge- beziehungsweise behindert werden, es können Personenkontrollen durchgeführt und Personen ohne Angabe von Gründen überprüft werden. Es gibt mehr Befugnisse und mehr Eingriffsrechte bis hin zur Lizenz des Lügens, jedoch keine ausreichende Kontrolle. Dieses Gesetz ist unserer Meinung nach verfassungswidrig, und ich bin sehr zuversichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof hier in unserem Sinne entscheiden wird.

Herr Bundesminister! Bei allem Verständnis für die Vereinfachungen und diversen Verbesserungen muss ich sagen – Kollege Parnigoni hat bereits darauf hingewiesen –, dass dieses Gesetz die Möglichkeit bietet, dass Daten untereinander verknüpft und weitergegeben werden können. Es wird festgeschrieben, dass personenbezogene Daten zwar gespeichert werden können, mit den passrechtlichen Daten aber nicht verknüpft werden dürfen. Das ist meines Erachtens jedoch zu wenig. Hier besteht die Gefahr des Datenmissbrauchs, und man hätte entsprechend Vorsorge treffen müssen.

Herr Bundesminister! Daher wäre es mir auch viel lieber gewesen, wenn die Vollziehung dieses Gesetzes weiterhin im Bereich der Sicherheitsbehörden geblieben wäre. Herr Bundesminister! Vielleicht hat man hier die Absicht verfolgt – ich kann das nicht beweisen, aber das Gefühl lässt mich nicht los –, nach der Meldegesetznovelle nun auch mit dem Passgesetz nicht nur den "glä


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sernen Menschen" zu schaffen, sondern vielleicht, wenn in Zukunft der Schwerpunkt bei den Bezirkshauptmannschaften und den Gemeinden liegt, auch die Sicherheitsbehörden, die Sicher-heitsdirektionen und die Polizeidirektionen, zu zerschlagen. Herr Bundesminister! Ich hoffe, ich liege diesbezüglich falsch, aber unsere Bedenken sind so groß, dass wir trotz Verbesserungen und Vereinfachungen diesem Gesetz unsere Zustimmung nicht geben können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Da kann man halt nichts machen!)

22.06


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62. Sitzung / Seite 217

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Egghart. Er hat das Wort.

22.06

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gaál, ich verstehe vollkommen, dass Sie um die Datensicherheit besorgt sind, denn die Datensicherheit ist aus meiner Sicht sehr, sehr wesentlich und macht es unter Umständen notwendig, dass man eine Verfassung und die Grundrechte der Menschen verteidigt.

Trotzdem meine ich, dass es in diesem Zusammenhang zu einer gewaltigen Vereinfachung und Erleichterung für den Bürger gekommen ist. Auf Grund des Umstandes, dass man die Zuständigkeit an die Basis, an die Bezirksbehörden und die Bürgermeister gibt, kommt es jetzt zu gewaltigen Erleichterungen für den Bürger, und es entspricht dies auch dem Subsidiaritätsprinzip.

Ich glaube, dass es auch in Zukunft notwendig sein wird, bei gewissen Gesetzen auf Datensicherheit hinzuweisen. Die ÖVP und die FPÖ haben es sich auch im Hinblick darauf nicht leicht gemacht. Unter anderem haben wir im Zuge der Vorberatungen auch einen Passus aufgenommen, der vielleicht etwas untergegangen ist: Personenbezogene Daten, die bei der Antragstellung verarbeitet werden, sind nach diesem Bundesgesetz mit rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung des Antrages zu löschen, ebenso ist der Vermerk über ein laufendes Verfahren mit rechtskräftigem Verfahrensabschluss zu löschen. Es war für uns nämlich ein großes Problem, dass diese Daten weiterhin in den Amtsstuben bleiben sollen, ohne dass es dafür eine Notwendigkeit gibt.

Herr Abgeordneter Gaál! Ich glaube, auch ein anderes Thema, das vielleicht etwas untergegangen ist, zeigt, wie wichtig es ist, unsere Daten zu schützen. Ich habe bereits im Innenausschuss darauf hingewiesen, und auch der ORF hat in einer Sendung vorige Woche darauf hingewiesen, wie wesentlich es ist, dass unsere Daten national gesichert werden.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine Aussendung des Europäischen Parlaments verweisen, in welcher darüber informiert wird, dass durch das Abhörsystem Echelon der Wirtschaft der europäischen Staaten seit 1993 ein Schaden in der Höhe von 2 100 Milliarden Schilling verursacht wurde. Jede relevante Information, die über elektronische Medien geleitet wird, wird durch die National Security Agency, kurz NSA, gesammelt. Ich glaube, dass es notwendig sein wird – und ich habe im letzten Hauptausschuss auch die Kollegen Schieder und Gaál darüber informiert –, gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Daten, die hier gesammelt werden, nicht aus der Hand kommen. Ich habe das auch dem Herrn Bundeskanzler im Hauptausschuss gesagt: Einerseits starten wir in Stockholm eine Forschungsoffensive, auf der anderen Seite liegt uns ein Bericht des Europäischen Parlaments vor, in dem mitgeteilt wird, dass bei den GATT-Verhandlungen die Positionen des Europäischen Parlaments, bevor diese in irgendeiner Form intern bekannt waren, bereits in den Vereinigten Staaten bekannt waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist ein wesentlich größerer Datenmissbrauch zu befürchten, und ich würde mir wünschen, dass wir uns im Interesse der wirtschaftlichen und nationalen Sicherheit zusammenschließen und die Probleme, die hier entstehen könnten, in den diversen Gremien und Ausschüssen beraten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Er hat das Wort für zirka 5 Minuten.

22.10

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein klarer Fall, dass auch wir dafür sind, dass das Prozedere bei der Ausstellung eines Personalausweises oder eines Passes einfacher wird. Ich erinnere mich noch an Zeiten, als man, wenn man einen Reisepass gebraucht hat, drei oder vier Wochen warten musste, bis man diesen bei der Bezirkshauptmannschaft bekommen hat. Das ist in der heutigen Zeit undenkbar, und die Novelle ist ein echter Schritt in die Zukunft.

Ich teile aber auch die Ansicht meiner Fraktionskollegen. Auch mir ist das Kürzel ZMR nicht ganz geheuer, und es ist Tatsache, dass mit der Existenz des Zentralen Melderegisters gewisse Gefahren verbunden sind, nicht zuletzt, dass das auf jedem Meldeschein aufscheint. Das stört mich ganz gewaltig, denn der Meldeschein wird für Bestätigungen relativ oft gebraucht. Man muss in diesem Zusammenhang auch bedenken, welche Daten in der heutigen Zeit bereits geknackt werden können. Es können sogar sehr schwierige Daten geknackt werden. Auch Codes betreffend Daten der nationalen Sicherheit wurden von Studenten schon geknackt. Daher meine ich, dass man da sehr, sehr vorsichtig sein muss und dass das wirklich etwas problematisch ist. Diesbezüglich teile ich die Meinung meiner Fraktionskollegen voll und ganz.

Aus den einzelnen Gutachten geht hervor, dass es die Gutachter auch sehr skeptisch sehen, dass auch private Daten auf dieser Karte gespeichert werden können. Die Vermischung von amtlichen Daten mit privaten Daten stößt ebenfalls auf größte Skepsis, überhaupt auch betreffend Gesundheitsdaten. Ich meine, dass es wirklich nicht ungefährlich ist, wenn diese jemand lesen kann. Ich will nicht ... (Abg. Dr. Pumberger: Sie wollen nicht schon wieder ein Haar in der Suppe finden?) Ich möchte nicht die harte Ausdrucksweise vom "gläsernen Menschen" noch einmal gebrauchen, aber gewisse Gefahren birgt das sehr wohl in sich, und es muss auch möglich sein, dass man diese Bedenken hat und auch äußert. Wir haben diese Bedenken, und das ist leider Gottes der Grund, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. – Danke schön. (Abg. Dr. Puttinger: Wo bleibt der Applaus? – Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.)

22.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. Er hat das Wort.

22.13

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir von der Koalition betreiben zielgerichtete Politik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Danke, dass bei mir nicht auf den Applaus vergessen wurde – wie bei meinem Vorredner!

Eines unserer wichtigsten Ziele ist die Verwaltungsreform, eine Modernisierung der Verwaltung, und mit dieser Passgesetz-Reform gehen wir im wahrsten Sinn des Wortes den Bürgern einen Schritt entgegen.

Frau Abgeordnete Stoisits! Wenn Sie beispielsweise als schöne Burgenländerin in Tirol Urlaub machen, von dort nach Kroatien fahren wollen und draufkommen, dass Ihr Reisepass nicht mehr gültig ist, dann können Sie ab jetzt auch in Tirol einen Reisepass lösen! (Abg. Mag. Stoisits: Auch wenn ich nicht schön bin, werde ich einen Pass bekommen!)

Frau Abgeordnete! Dazu ist aber beispielsweise auch notwendig, dass die Tiroler Ihre Daten erhalten, denn sonst können sie den Reisepass nicht ausstellen. Daher brauchen wir das Zentrale Melderegister und die Verfügbarkeit entsprechender Daten. Wir haben einen modernen Staat, in welchem gewisse Formalitäten EDV-unterstützt erledigt werden. Daher muss es eine gewisse Zugriffsmöglichkeit auf Daten geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Was ich an dieser ganzen Angelegenheit bekrittle, ist – das meine ich ganz ernst –, dass man von vornherein so tut, als ob lauter Rechtsbrecher am Werk wären. – Dazu sage ich: Wenn wir uns an die Gesetze halten, dann kann es zu nichts kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kiermaier hat zu Recht gesagt, dass es Studenten gibt, die gewisse Codes knacken. Das machen sie aber nicht innerhalb des Gesetzes! Wenn das jemand tun will, kann er so etwas außerhalb des Gesetzes immer tun. Wir wollen uns aber an die Gesetze halten!

Ich möchte noch zu einem wichtigen Punkt betreffend die Gemeinden kommen. Ich danke Herrn Abgeordnetem Freund sehr herzlich, dass er auch die Bürgermeister und die Mitarbeiter in den Gemeinden erwähnt hat! Ich freue mich darüber, und wir sind bei dieser Erwähnung auch aufgestanden. Wir nehmen gerne gewisse Dinge wahr, weil wir als Gemeinden unseren Bürgern entgegenkommen wollen. Es ist das eine Kann-Bestimmung, aber ich bin sicher, dass fast alle österreichischen Gemeinden davon Gebrauch machen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss aber auch einfordern – und da werden möglicherweise nicht alle applaudieren –, dass die Gemeinden, wenn ihnen gewisse Tätigkeiten übertragen werden, auch entsprechend zu entschädigen sind. – Auf diese Feststellung lege ich besonderen Wert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die ÖVP-FPÖ-Koalition ist bereit, in der Verwaltungsreform voranzuschreiten. Wir reden nicht von der Verwaltungsreform, sondern wir machen sie, und das ist auch ein wichtiger Punkt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. Er hat das Wort.

22.16

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsreform sind, wie ich glaube, wir alle. Ich kenne in diesem Hause niemanden, der diesbezüglich eine andere Meinung hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fange gleich beim letzten Teil der Rede meines Vorredners an. Über diesen Punkt sind wir uns in den Gemeinden einig: Wir übernehmen gerne jede Arbeit, wir wollen sie aber auch entsprechend abgegolten wissen. Und ich habe schon bei der Diskussion ums Meldegesetz gesagt: Bei aller Bereitschaft, für die Bürger etwas zu übernehmen, wissen wir auch, wie schwierig das ist. Das kennen wir von den FAG-Verhandlungen.

Herr Bundesminister! Ich glaube, dass sich der Bürger darüber freut, und er hat natürlich ein Recht darauf. Die meisten Gemeinden spielen mit, in den meisten Bereichen machen sie das ohnedies bereits seit langem. Gar so groß wird die Freude aber auch wieder nicht sein, denn immerhin kostet ein Reisepass jetzt um 500 S mehr. Und die Gefahr, die nach wie vor gegeben ist, haben wir hier auch im Zusammenhang mit dem Meldegesetz diskutiert. Ich habe damals bereits darauf hingewiesen, und wir haben damals das Beispiel mit dem Meldezettel gebracht: Wenn man heute ein Auto oder sonst etwas kauft, braucht man oft einen Meldezettel. Jede Firma kommt an diese Daten heran. Jetzt laufen die Daten übers Meldeamt, und sie werden auch im Zusammenhang mit dem Passwesen gespeichert. Und natürlich machen auch die Spezialisten immer wieder Fortschritte, um hinter die Verknüpfungen der Daten zu kommen. Das ist für Firmen und für alle, die Geschäfte machen wollen, sicherlich sehr, sehr einfach.

In der Stoßrichtung sind wir, glaube ich, alle einer Meinung. Wir gehen bei der Verwaltungsvereinfachung mit, haben jedoch unsere Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Daten, und aus diesem Grund werden wir der Passgesetz-Novelle nicht zustimmen.

Selbstverständlich werden wir aber dem Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein zustimmen. Auch ich glaube – das hat der Herr Bundesminister bereits ausgeführt –, dass es wichtig ist, dass uns dieses Abkommen näher an die


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Schengen-Reife heranbringt. Ich glaube, dass das im gemeinsamen Interesse liegt, und daher werden wir diesem Vertrag die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

22.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. Er hat das Wort.

22.18

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mit der Novelle des Passgesetzes wurde von der neuen Bundesregierung ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Bürgernähe gesetzt. Es ist jetzt möglich, dass Anträge auf Ausstellung, Erweiterung des Geltungsbereiches und Änderung eines gewöhnlichen Reisepasses beim Bürgermeister und nicht nur, wie bisher, bei der Bezirksverwaltungsbehörde eingebracht werden können. Das ist eine Verwaltungsvereinfachung, das ist Regieren neu.

Meine Damen und Herren! Interessant in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen einer grünen Abgeordneten. Die grüne Abgeordnete Mag. Stoisits hat am 14. März dieses Jahres im Innenausschuss die Frage gestellt, ob der § 14 im Passgesetz noch zeitgemäß sei, und zwar in allen Facetten, und diese Frage hat sie auch heute hier in ihrem Debattenbeitrag wiederholt.

Meine Damen und Herren! Der § 14 im Passgesetz regelt die so genannte Passversagung, also: Wann wird einer Person kein Reisepass ausgestellt?

Da heißt es unter anderem: "wenn ... Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um a) sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung im Inland zu entziehen".

Frau Abgeordnete Stoisits wird doch nicht meinen, dass man Personen, die in Österreich gerichtlich strafbare Handlungen wie Diebstähle, Sachbeschädigungen und dergleichen mehr begangen haben, einen Reisepass ausstellen soll, damit sie recht bequem ins Ausland flüchten können?

Passversagung ist weiters vorgesehen, "wenn ... Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um ... f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift" – auf dieses Suchtgift ist sie heute im Besonderen eingegangen – "in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen", heißt es im Gesetzestext.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist doch nicht anzunehmen, dass die Grünen den Drogendealern ihre schmutzigen, niederträchtigen Geschäfte erleichtern wollen? – Den Drogendealern stehen harte Zeiten bevor, ob das den Grünen nun passt oder nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Ist es nicht mehr zeitgemäß, wenn man Personen die Ausstellung eines Reisepasses untersagt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde? Meine Damen und Herren Grün-Abgeordnete, wollen Sie gewaltbereiten Demonstranten die Ausreise ermöglichen, damit sie dann im Ausland gegen die Republik Österreich und deren Bundesregierung demonstrieren? (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Grünen! Mit solchen Debattenbeiträgen entlarven Sie sich, zeigen Sie Ihre tatsächliche Einstellung. Es ist dies bezeichnend für Sie. Solche Phantasien sind im Sinne der Grünen (ironische Heiterkeit bei den Grünen), sicherlich nicht aber im Sinne der gesamten österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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Ein Wunsch des Berichterstatters nach einem Schlusswort liegt mir nicht vor.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Wir gelangen zur Abstimmung, die über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vorgenommen wird.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 526 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Mitglieder des Hohen Hauses, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen ersuchen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 479 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Die Genehmigung des Staatsvertrages erfolgt einstimmig.

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (283 der Beilagen): Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Finnland, der Griechischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, dem Königreich Schweden, dem Königreich Spanien, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Anlagen (512 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (349 der Beilagen): Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle (513 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (442 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation erdölexportierender Länder über die Änderung des Amtssitzabkommens samt Annexen (516 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zu den Punkten 12 bis 14 der heutigen Tagesordnung.

Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit gehen wir in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. Er hat das Wort.

22.24

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Das Gemeinsame Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicher


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heit der Behandlung radioaktiver Abfälle schafft erstmals international akkordierte, völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen für diesen wichtigen Bereich. Das von diesem internationalen Übereinkommen angestrebte Ziel, einen weltweit hohen Standard an Sicherheit zu erreichen, stellt einen wichtigen Beitrag dar, um Gefahren der Kernenergie einzudämmen.

Wichtig scheint es mir in diesem Zusammenhang zu sein, dass Österreich als Anrainer von Kernenergie-Staaten wie Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Deutschland, Italien und der Schweiz zusätzliche Möglichkeiten zum Informations- und Erfahrungsaustausch erhält. Information über die verschlungenen Wege, die radioaktives Material durch Europa und die ganze Welt zurücklegt, ist höchst wichtig, um die Bevölkerung vor Schlampereien und unsachgemäßer Handhabung beim Transport dieser Stoffe zu schützen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich einmal vor, was passiert wäre, wenn bei dem furchtbaren Unglück im Tauerntunnel ein LKW beteiligt gewesen wäre, der, sagen wir, ein paar Kilo Plutonium 239 oder Uran 235 geladen gehabt hätte! Ich meine, umso bestürzender ist hier die Blauäugigkeit, mit der die zuständige Verkehrsministerin auf eine parlamentarische Anfrage der SPÖ-Fraktion zum Thema Atomtransporte geantwortet hat. Auf detaillierte Fragen, ob, wann, von und zu welchen grenznahen Kernkraftwerken Atomtransporte seit Beginn 1998 stattgefunden haben, gab Frau Ministerin Forstinger Folgendes zur Antwort:

"Was die angesprochenen statistischen Unterlagen anbelangt, werden solche nicht im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie erstellt, sondern von der ÖSTAT bezogen beziehungsweise bei dieser oder anderen Institutionen in Auftrag gegeben und liegen daher im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie nicht auf. Die Ursachen für unzureichende statistische Information im Bereich der Gefahrguttransporte liegt in der Schwierigkeit der spezifischen Erfassung. Erst Fortschritte in der Telematikanwendung (Online-Verfolgung von Gefahrguttransporten) werden hier eine erhebliche Verbesserung mit sich bringen." – Ich habe aus der Anfragebeantwortung von Frau Minister Forstinger zitiert. (Abg. Zweytick: Eine gute Antwort!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das muss man sich einmal so richtig auf der Zunge zergehen lassen! (Abg. Mag. Schweitzer: Warum?) Wenn Sie nicht wissen, Herr Mag. Schweitzer, warum das so ist, dann tun Sie mir Leid. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum?)

Sicherheitstechnische Informationen mit höchster Priorität im Zusammenhang mit Atomtransporten (Abg. Mag. Schweitzer: Was heißt da "Priorität"?) haben für die Regierung nur den Status statistischer Daten, die nicht dazu verwendet werden, um das Sicherheitsrisiko der Österreicherinnen und Österreicher zu beurteilen oder zu begrenzen. Nein, diese Daten werden nur vom ÖSTAT oder sonst wem gesammelt und liegen nicht einmal bei den Behörden auf. Auf eine bessere Kontrolle von Gefahrengütern dürfen wir erst dann hoffen, wenn die Frau Verkehrsministerin sich vielleicht einmal dazu bequemt, neue Computer zu kaufen.

Meine Damen und Herren von der Regierungspartei FPÖ, auch wenn Sie das lächerlich finden (Abg. Mag. Schweitzer: Nein, nein!), und wenn auch Sie, Herr Mag. Schweitzer, als Umweltsprecher Ihrer Partei das lächerlich finden, dann sage ich Ihnen: Diese Regierung handelt bei der Sicherheit von Atomtransporten geradezu fahrlässig. Das sage ich Ihnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Der Einem klatscht!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Anstatt die Informationen über Ein- und Ausfuhren von spaltbarem Material, die laut Sicherheitskontrollgesetz erhoben werden müssen, dazu zu benutzen, um sichere Transportrouten zu planen und diese zu überwachen sowie die für den Katastrophenschutz zuständigen Landesbehörden, die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden und vor allem die Exekutive zu informieren, übt man sich in nobler Zurückhaltung und Unwissenheit. Das ist ein unerträglicher Zustand, meine Damen und Herren! Mit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur EU ist auch mit einem Anstieg der Atomtransporte durch Österreich zu rechnen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, dass Atomtransporte in unserem Land und durch unser Land besser überwacht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

22.30


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Erstens gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Schweitzer zu Wort. Zweitens hat Österreich das Länderspiel 2 : 1 gewonnen. (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.)  – Bitte, Herr Abgeordneter Schweitzer.

22.30

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Heinzl, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie auf den Missstand hingewiesen haben, was die Datenerfassung in diesem Zusammenhang betrifft. Ich habe es auch bemerkenswert gefunden, dass gerade Kollege Einem applaudiert hat, als Sie auf diesen Missstand hingewiesen haben.

Ich bin davon überzeugt, dass Frau Verkehrsminister Forstinger diesen Missstand, der von ihren Vorgängern – dem Kollegen Einem und allen anderen sozialdemokratischen Verkehrsministern, auch Klima und Streicher gehörten zu ihnen – offensichtlich nicht abgestellt wurde und jetzt von Ihnen aufgedeckt wird (Zwischenrufe bei der SPÖ), diesen Missstand, den es offensichtlich bei den sozialdemokratischen Ministern während ihrer ganzen Amtszeit gegeben hat, als erste freiheitliche Ministerin sofort abstellen wird. Deshalb herzlichen Dank dafür, dass Sie hier klargestellt haben, wie fahrlässig Ihre Minister dieses Ressort in dieser Frage geführt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Heinzl: Ministerin Forstinger ist fahrlässig!)

Im Übrigen werden wir diesem jetzt zur Debatte stehenden Abkommen selbstverständlich zustimmen, weil es für Österreich wichtig ist, umfassend informiert zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Er hat das Wort.

22.32

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einen einzigen Gedanken zu den drei Abkommen formulieren.

Wenn man auf dieses Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag näher eingeht, sieht man, dass die entscheidende Rolle dabei, dieses Zusatzprotokoll zu einem wichtigen Vertrag wirklich ins Rollen zu bringen, Österreich gespielt hat – Österreich gemeinsam mit einigen anderen Staaten. Ich halte das deshalb für bemerkenswert, weil das wieder ein Mosaikstein für die österreichische Außenpolitik ist, in wichtigen internationalen Verträgen eine Rolle zu spielen und konstruktiv daran mitzuwirken, dass etwas weitergeht.

Ich denke, das ist mittlerweile eine sehr gute Tradition, die in den letzten Jahren sehr viel an Boden gewonnen hat. Ich erinnere an die Landminen-Konferenz, ich erinnere auch daran, dass wir im Rahmen der UNO zum Schutz des Kindes einiges in Bewegung gebracht haben. Ich erinnere daran, dass die Frau Bundesministerin auch bei der UNO-Vollversammlung dafür gekämpft hat, dass der Entwurf, mit dem gegen die Schlepperorganisationen vorgegangen werden soll, vorangekommen ist.

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass wir diese traditionelle Rolle jetzt, da in Europa entscheidende Neuerungen im Rahmen der EU vor der Tür stehen, sehr aktiv angehen sollten. Ich denke, es ist besonders wichtig, dass wir 2004 bei der Fortentwicklung der europäischen Verträge in Richtung einer Entbürokratisierung, in Richtung einer Kompetenzabgrenzung, in Richtung einer europäischen Verfassung auch die Frau Bundesministerin bitten, mit ihrem Haus aktiv tätig zu werden, um diese Serie tatsächlich fortzusetzen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

22.34

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Auch wir werden allen drei Anträgen, die jetzt vorliegen, zustimmen. Die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle sind natürlich sehr wichtige Dinge. Es steht dem nichts entgegen, hier zuzustimmen.

Was uns aber noch wichtiger zu sein scheint, wo mir das österreichische Engagement fehlt und auch in der Vergangenheit gefehlt hat, das geht in die Richtung, dass wir als ein Land, das kein Atomkraftwerk in Betrieb hat, auch dafür sorgen, dass es in unseren Nachbarländern – sei es in den Beitrittsländern, sei es auch innerhalb der EU – diese Kraftwerke nicht mehr gibt. So etwas wie zum Beispiel Ausstiegsangebote für Temelin hat mir in der Vergangenheit gefehlt. Auch jetzt ist es so – wir werden das morgen in einer Anfragebesprechung behandeln –, dass die Umsetzung des "Melker Abkommens", was Temelin betrifft, leider nicht dem entspricht, was dort vorgesehen war.

Auch was die anderen EU-Staaten betrifft, würde ich mir wünschen, dass es hier von österreichischer Seite mehr Einwirken auf einen Atomausstieg der Länder gibt. Das einzige Land, das mittlerweile einen Ausstieg hat, ist – unter grüner Regierungsbeteiligung – Deutschland. Das ist aus der Zeitperspektive noch immer viel zu wenig. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Deutschland ist das einzige Land in der Europäischen Union, das ein Atomausstiegsszenario hat. Die Zeit dafür ist uns auch immer noch zu kurz – pardon, zu lang; wir hätten auch gern einen kürzeren Zeitraum. (Abg. Gaugg: Zu kurz? Schneller gehen, Trittin!) Aber die konservative Regierung Deutschlands hat in den früheren Jahren überhaupt nichts dazu getan, und es war auch jetzt nicht möglich, mehr umzusetzen. Da wünschen wir uns, dass sich Österreich auch innerhalb der EU dafür einsetzt. (Abg. Mag. Schweitzer: Wir brauchen das gar nicht! Wir brauchen das Ausstiegsszenario gar nicht!)

Österreich nicht; aber wir sind in der EU, und wir könnten uns dafür einsetzen, solche Ausstiegsszenarien vorzubereiten, sowohl in der EU als auch für die Beitrittsländer. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Einmischen bei den anderen? Noch mehr einmischen? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ein weiterer Punkt, auf den ich hier in Kürze eingehen möchte, betrifft das Amtssitzabkommen mit der OPEC. (Abg. Neudeck: Werfen Sie das dem Trittin vor! – Abg. Mag. Schweitzer: Ist das wahr, dass die Roth dem Trittin ...?)  – Ich spreche jetzt von der Änderung des Amtssitzabkommens mit der OPEC, die wir hier jetzt behandeln werden.

Ich war im Ausschuss wirklich sehr erstaunt darüber, dass die Freiheitliche Partei dort nicht auch eine Einladung an die OPEC-Geschäftsführung in Wien zu einem Gespräch mit dem Ausschuss vorgeschlagen hat, so wie wir das beim letzten Amtssitzabkommen mit der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus hatten. Es gäbe sehr wohl Gründe dafür. In der Änderung dieses Amtssitzabkommens heißt es im Artikel 22j, dass die OPEC in Wien und die Personen, die in der OPEC arbeiten, von der Kraftfahrzeugsteuer und von der maschinenbezogenen Versicherungssteuer ausgenommen werden.

Da gibt es hohe Benzinpreise – die OPEC ist in irgendeiner Form schon auch dafür verantwortlich –, und dann werden diejenigen, die hier dafür arbeiten, von der Kraftfahrzeugsteuer und der maschinenbezogenen Versicherungssteuer befreit? – Ich hätte mir vorstellen können, dass die Freiheitlichen das gerade im Wiener Wahlkampf gut hätten gebrauchen können. Das hat mich sehr gewundert.

Ich muss aber auch sagen, dass ich dann schon erfreut darüber war, dass wir hier nicht wieder eine skandalöse Anmerkung der Freiheitlichen gehabt haben, um wieder einmal dem Image Österreichs im Ausland zu schaden. Insofern war ich froh, dass es nicht dazu gekommen ist, und ich bedanke mich bei den Freiheitlichen dafür, dass sie davon abgesehen haben, die OPEC


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in den Ausschuss einzuladen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Gut, dass Sie es uns sagen!)

22.38


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62. Sitzung / Seite 225

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Er hat das Wort.

22.38

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wer gestern am Abend die Nachrichten genauer verfolgt hat, der hat gesehen, welche Probleme die bundesdeutsche Politik mit den von meiner Vorrednerin bereits erwähnten Castor-Transporten hat. (Abg. Mag. Lunacek: Ich habe das Atomausstiegsszenario erwähnt!) Sowohl die alte als auch die neue Regierung der Bundesrepublik haben gegen Demonstranten Polizeikräfte einsetzen müssen, und die Regierung hat dort, wie wir gestern gesehen haben, auch Greenpeace-Aktivisten entfernen lassen. Der Ort Dannenberg hat einem Ort im Ausnahmezustand geglichen.

Meine Damen und Herren! In Österreich sind wir mit solchen Ereignissen zum Glück nicht konfrontiert. Umso erfreulicher war es, dass wir im Außenpolitischen Ausschuss eine hohe Übereinstimmung bei den beiden Regierungsvorlagen hatten (Abg. Murauer: ... die Grünen nicht in der Regierung sind! Dann geht es gleich besser!), sowohl bei dem Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle als auch bei der zweiten Regierungsvorlage, dem Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen.

Das Ziel des Gemeinsamen Übereinkommens ist es, durch die Verbindung nationaler und internationaler Maßnahmen weltweit einen möglichst hohen Sicherheitsstandard bei der Behandlung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zu erreichen. Gefahren durch ionisierende Strahlung sollen dadurch verringert, radiologische Unfälle auf diese Weise verhindert werden.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Abkommen werden erstmals völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen geschaffen, um international anerkannte Grundsätze des Strahlenschutzes bei der Abfallbehandlung auch im nationalen, also im eigenstaatlichen Bereich anzuwenden. In der vereinbarten internationalen Überprüfung und in der internationalen Kontrolle liegt gegenüber der bisherigen Rechtslage der Fortschritt. Darüber hinaus regelt der Vertrag auch die wechselseitigen Informationsverpflichtungen unter den Vertragspartnern. Er verbessert aber auch die Mitwirkungsrechte von Nachbarstaaten im Rahmen der Abfallkonvention.

Die zweite Regierungsvorlage, das Zusatzprotokoll zur Nichtverbreitung von Kernwaffen, hat den Zweck, die missbräuchliche Verwendung ziviler Nuklearprodukte für militärische Zwecke noch wirksamer als bisher zu verhindern. Sie kennen die Vorgeschichte. 1972 hat Österreich auf Grund des Atomwaffensperrvertrages mit der Internationalen Atomenergie-Organisation ein Abkommen über die Sicherheitskontrollen für Kernmaterial geschlossen. Nach dem EU-Beitritt ist dieser Vertrag dann durch das so genannte EURATOM-Abkommen ersetzt worden.

Nach dem Golfkrieg hat man aber dann erkennen müssen, dass sich ein Vertragspartner nicht an den Sperrvertrag gehalten hat, sondern im Begriffe war, heimlich ein Atomwaffenprogramm zu entwickeln, das trotz der Kontrollen durch die IAEO nicht entdeckt worden war. Um solche Systemmängel zu beheben, wurde seit 1993 ein Konzept zur Verbesserung der Sicherheitskontrollen erstellt. Zwei wichtige Forderungen sind in dieses Zusatzprotokoll eingeflossen, nämlich die Informationspflicht der Vertragsstaaten und auch (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen)  – ich bin damit schon beim Schlusssatz – eine verbesserte Möglichkeit zur Kontrolle für die Kontrollore.

Ich darf Sie bitten, beiden Abkommen zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung wäre jene von Frau Abgeordneter Povysil gewesen, aber die Redezeit der Freiheitlichen ist abgelaufen.

Ich stelle daher fest, dass weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die wiederum getrennt durchgeführt werden.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages, Zusatzprotokoll zum Übereinkommen in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Anlagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dies billigen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, dass dieser Vertrag einstimmig angenommen ist.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses abstimmen, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 der Bundesverfassung durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, das Zusatzprotokoll hinsichtlich der authentischen Texte in dänischer, finnischer, französischer, griechischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen, dass diese zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufgelegt werden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages in 349 der Beilagen – Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle – die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Staatsvertrag einstimmig angenommen ist.

Auch hier lasse ich über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses abstimmen, wonach dieser Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 der Bundesverfassung durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Beschlussfassung fest.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG das Übereinkommen hinsichtlich seiner authentischen Texte in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen, dass es zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, dass das bei einer Gegenstimme mit Mehrheit vom Nationalrat angenommen ist.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages in 442 der Beilagen – Abkommen zwischen der Republik


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62. Sitzung / Seite 226

Österreich und der Organisation erdölexportierender Länder über die Änderung des Amtssitzabkommens samt Annexen – die Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, die Beschlussfassung erfolgt einstimmig.

Damit haben wir diese Tagesordnungspunkte erledigt.

15. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (427 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (515 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu Punkt 15 der Tagesordnung.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Daher kommen wir gleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 427 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht angeschlossenen Abänderungen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung angenommen.

Präsident Dr. Werner Fasslabend (den Vorsitz übernehmend): Bevor wir zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung gelangen, gebe ich bekannt, dass in der Zwischenzeit das Protokoll über die Rede des Abgeordneten Scheuch eingelangt ist.

Er hat Folgendes ausgeführt: "Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie ignorieren es, dass im heurigen Jahr 225 Kilogramm Heroin gefunden wurden, und der Preis, der Wiener Preis im Heroinhandel ist nicht gesunken ... Sie haben hier die Stirn ... Liebe Frau Glawischnig, Ihre Zwischenrufe demaskieren Sie, sie demaskieren Sie als Lobbyistin für Drogendealer!"

Für diesen Ausspruch erteile ich Herrn Abgeordnetem Kurt Scheuch den Ordnungsruf. (Abg. Dr. Kostelka: Scholl! – Ruf bei den Freiheitlichen: Kotanyi!)

16. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Entschließungsantrag 308/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend die Anerkennung angestammter Landrechte indigener Völker in Kanada (514 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Entschließungsantrag 113/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Ratifikation des Internationalen Übereinkommens ILO Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker (517 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Stenographisches Protokoll
62. Sitzung / Seite 227

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Jäger. Ich erteile es ihr.

22.49

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits 1993 und dann 1997 wurde hier im Parlament mit den Stimmen aller Fraktionen die Ratifikation des Internationalen Übereinkommens ILO über eingeborene und in Stämmen lebende Völker einstimmig von allen Parteien beschlossen. Es wurde aber nie – auch nicht von vorhergehenden Regierungen – umgesetzt und ratifiziert. Heute wird dieser Antrag mit den Stimmen der Regierungsparteien endgültig zu Grabe getragen.

Ich bedaure das sehr, weil mit dem Argument, dass mit einer Ratifikation durch Österreich Rechtsunsicherheit einhergeht und dies eine Gefahr für die Kohärenz und Ausgewogenheit des geltenden österreichischen Volksgruppenrechts wäre, auch die Chance vergeben wird, dass wir tatsächlich auch auf internationaler Ebene glaubwürdig für die Rechte der indigenen Völker eintreten.

Dass dies ganz dringend notwendig ist, zeigen leider alle internationalen Entwicklungen, und das zeigt auch der Antrag über die Probleme der kanadischen indigenen Völker. Dazu wird Abgeordneter Posch noch reden. – 300 Millionen Menschen gehören zu den Völkern, Nationen und Gemeinschaften, die als Ureinwohner ihres Landes oft in enger Beziehung zur und im Einklang mit der Natur leben. Sehr häufig werden diese Völker Opfer von Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung. Vor allem durch den Entzug ihrer Lebensgrundlagen durch die Enteignung von Gebieten, in denen sie leben, durch Besiedelung ihrer Territorien und durch die Abholzung der Regenwälder verlieren diese Menschen ihre Lebensgrundlagen für die Zukunft und werden wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht mehr unter diesen Bedingungen leben können.

Bei der letzten WTO-Konferenz in Seattle haben diese indigenen Völker eine Deklaration eingebracht, in welcher sie sich ganz klar für ihre Rechte aussprechen und vor allem die Probleme ansprechen, die sich durch den Abbau von Rohstoffen in diesen Gebieten vor allem durch die Weltkonzerne aus den Industriegebieten, die sich daran beteiligen, ergeben. Ich denke vor allem auch an die Abholzung der Regenwälder, an der alle westlichen Industriestaaten beteiligt sind. Letzteres ist nicht nur ein Problem der Menschenrechte, sondern das ist im Zusammenhang mit der Klimaverschlechterung auch ein Problem, das uns alle betrifft. Daher meine ich, dass es wirklich notwendig wäre, die indigenen Völker auf internationaler Ebene vermehrt zu unterstützen.

Frau Ministerin! Wir haben hier schon mehrmals über den Walfang diskutiert, und es gibt ein internationales Walfangschutzabkommen. Es ist also auch möglich, für die Wale einzutreten. Umso mehr müsste es meiner Meinung nach möglich sein, für jene Völker und für jene Menschen einzutreten, die unseres Schutzes bedürfen! Dabei geht es um Kulturen und vor allem auch um Lebensmöglichkeiten. Daher ist es wirklich sehr schade, dass dieser Antrag heute abgelehnt wird!

Ich möchte noch einen letzten Punkt anführen: Gerade Österreich hat diesbezüglich in der Vergangenheit auf internationaler Ebene eine großartige Rolle gespielt. Österreich konnte etwa betreffend Antipersonenminen als kleines Land tatsächlich sehr viel einbringen und bewegen. Wir haben in diesem Zusammenhang auch ein Gesetz auf internationaler Ebene zustande gebracht. Und Österreich hat sich auch bei diesem Walfangabkommen immer eingebracht und eine gute Position eingenommen.

Nun noch eine Bemerkung zum Klimabündnis: Dem Klimabündnis, einem europäischen Abkommen, gehören fast 400 österreichische Gemeinden und Städte an, und diese unterhalten ganz enge Beziehungen zu den Regenwaldgebieten am oberen Rio Negro in Brasilien. Sie haben Beziehungen zu den dort lebenden indigenen Völkern, und ich weiß, dass es in Österreich sehr viele Menschen gibt, die eine enge emotionale Beziehung zu diesen Völkern haben, die in ihren natürlichen Lebensräumen leben. Wenn dieses Gesetz jetzt nicht beschlossen wird, dann müs


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sen wir uns meiner Meinung nach sehr genau überlegen, in welcher Form eine bessere Unterstützung auch auf internationaler Ebene trotzdem verwirklicht werden kann. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

22.55

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen selbstverständlich zu den Zielen des Abkommens Nummer 169 der International Labor Organisation. Aus diesem Grunde wurde es auch unterzeichnet.

Bei einer Ratifizierung sehen wir aber die Gefahr, dass es dadurch zu einer Verzerrung des österreichischen Volksgruppenrechtes und damit zu einer Ungleichbehandlung von einzelnen in Österreich lebenden Minderheiten kommt. Das ist auch der Grund, warum insgesamt nur 14 Staaten, davon nur drei EU-Staaten, dieses Abkommen bis jetzt ratifiziert haben. Aus diesem Grund wird Österreich dieses Abkommen nicht ratifizieren und können wir dem Antrag leider nicht zustimmen.

Zum Antrag des Abgeordneten Posch und Genossen betreffend die Anerkennung angestammter Landrechte indigener Völker in Kanada, dem wir auch nicht zustimmen, können wir nur ausführen, dass Kanada eine sehr aktive Menschenrechtspolitik betreibt, wie das auch im Antrag selbst ausgeführt wurde, und wir sind sicher, dass Kanada dieses Problem auch ohne unsere Einmischung im Einvernehmen lösen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

22.56

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich fange mit dem zweiten Punkt, den Frau Kollegin Hakl angesprochen hat, an. Frau Kollegin! Sie haben gemeint, dass Kanada ohnehin eine hohe Bilanz betreffend die Umsetzung von Menschenrechten habe. In diesem Punkt stimme ich Ihnen durchaus zu. Aber auch in Ländern mit einer sehr guten Menschenrechtslage kann es Dinge geben, die vielleicht doch noch nicht ganz so gut sind! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Unruhe im Saal.)

Herr Präsident! In Anbetracht des hohen Geräuschpegels möchte ich sagen: Ich würde mich sehr freuen, wenn die Damen und Herren von den Regierungsfraktionen auch zu so später Stunde doch noch zuhören könnten oder, wenn sie nicht vorhaben zuzuhören, den Saal verlassen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni. ) Wenn mir nicht einmal der Herr Präsident zuhört, dann werde ich eben versuchen, dennoch weiter zu sprechen, vielleicht hört es zumindest Frau Kollegin Hakl! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn ein Land wie etwa Kanada, auch wenn es eine gute Menschenrechtsbilanz hat, in einzelnen Punkten betreffend die Umsetzung der Landrechte für die Indianer noch nicht alles getan hat, was es selbst beschlossen hat – im konkreten Fall geht es um die Umsetzung eines vom kanadischen Obersten Gerichtshof 1997 anerkannten kollektiven Eigentumsrechts –, dann muss es unter befreundeten Regierungen doch möglich sein, diejenigen aufzufordern und zu sagen: Bitte setzt das um! – Ich sehe darin keine Einmischung, und ich finde, dass es sehr bedauernswert ist, dass Österreich da nur sagt: Die werden das schon umsetzen! Ich meine, unter Freunden wäre es doch möglich, auch Kanada zu ersuchen, das umzusetzen!

Zur Ratifikation beziehungsweise Nicht-Ratifikation der ILO-Konvention 169: Frau Kollegin Jäger hat schon angesprochen, dass diese Nicht-Ratifikation mittlerweile eine sehr skurrile Angelegenheit in der Geschichte des österreichischen Nationalrates der letzten acht Jahre ist.


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Diejenigen von Ihnen, die schon in der XVIII. Gesetzgebungsperiode hier waren, können sich vielleicht erinnern, dass der Nationalrat am 17. Juni 1993 einstimmig beschlossen hat, dass die Regierung aufgefordert werden soll, diese Konvention zu ratifizieren. Eine Aufforderung war aber anscheinend nicht genug. In der XX. GP, und zwar im Jahre 1997, hat der Nationalrat noch einmal einstimmig beschlossen, dass die Regierung ratifizieren soll. Was ist geschehen? – Nichts ist geschehen! Die Zeit ist vergangen. Damals war die Begründung für die Nicht-Ratifizierung, dass man von Seiten des Sozialministeriums gemeint hat: Wir haben in Österreich keine Indigenen, warum sollen wir das beschließen? Damals war die Frau Außenministerin noch Staatssekretärin, und damals war sie sehr wohl für eine Ratifizierung.

Der wahre Grund dafür ist – auch diesen hat Frau Kollegin Jäger zum Teil erwähnt –, dass es vor allem um den Schutz von Lebensräumen indigener Völker in Gebieten geht, wo Österreich Entwicklungsprojekte durchführt beziehungsweise Firmen tätig sind. Und nicht einmal die Tatsache, dass 160 österreichische Klimabündnisgemeinden – ich bin jetzt leider nicht dazu gekommen, nachzusehen, ob nicht vielleicht einige Bürgermeister aus diesen Gemeinden hier sitzen – die Regierung aufgefordert haben, diese Konvention zu unterzeichnen, konnte etwas ändern. Und jetzt kommt die Information aus dem Außenamt, von der Frau Bundesministerin, dass wir das nicht unterzeichnen können, weil das die Kohärenz im österreichischen Volksgruppenrecht stören könnte.

Ich habe Sie schon im Ausschuss daran erinnert, dass in der ILO-Konvention 169 ganz klar steht, dass eine bessere Rechtslage im jeweiligen Land von der Ratifizierung dieser Konvention natürlich nicht beeinflusst wird. Dieses Argument ist einfach nicht in Ordnung, und es deckt Argumente zu, die, wie ich gehört habe, in die Richtung gehen: Das können wir nicht zulassen, denn dann kommen vielleicht auch die Roma und sagen, dass sie ähnliche Rechte wollen, wie sie in der Konvention formuliert werden! Oder es könnten vielleicht sogar die Kärntner Slowenen kommen und sagen, dass sie zuerst da waren und nicht die Deutschsprachigen und dass sie aus diesem Grund mehr Rechte haben wollen!

Außerdem würde es dann vielleicht schwieriger werden für Beteiligungen von österreichischen Firmen an internationalen Großprojekten, in deren Zusammenhang in der Vergangenheit zum Beispiel bei Staudamm-Projekten Menschen von ihrem Territorium vertrieben wurden. – Das sind die Hintergründe, warum Sie diesmal nicht zustimmen werden und Österreich, das sich in der Vergangenheit sehr oft positiv geäußert und auch einiges zum Schutz der indigenen Völker unternommen hat, die Ratifikation jetzt nicht vornehmen will. Stattdessen gibt es nur einen Entschließungsantrag im Ausschuss, in welchem etwas verwaschen steht, dass wir die Ratifikation zwar nicht vornehmen, dass wir aber alles tun werden, damit die Konvention auch umgesetzt wird.

Frau Ministerin! Darüber bin ich sehr erstaunt, und vor allem über das Argument, dass nur 14 andere Länder dem zugestimmt haben. Diese Haltung, wie Österreich gegenüber anderen Ländern auftritt, ist für mich sehr bedauerlich: Wir machen immer nur das, was die anderen schon gemacht haben. Wir sagen nicht: Wir unterzeichnen das, weil wir das für sinnvoll halten. Nein! Vielmehr sagen wir: Die anderen machen das nicht, dann machen wir es lieber auch nicht, denn sonst könnte uns etwas passieren!

Frau Ministerin! Diese Haltung als außenpolitische Haltung der österreichischen Bundesregierung ist leider sehr kontraproduktiv! (Beifall bei den Grünen.)

23.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

23.03

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Ministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Sie werden bedauerlicherweise den Antrag betreffend die indigene Bevölkerung in Kanada ablehnen. Das ist so zu akzeptieren, aber es ist zu bedauern!

Ohne auf die tragische Geschichte der europäischen Landnahme im Neuen Kontinent eingehen zu wollen, muss man feststellen, dass den Indianern nach wie vor eigentlich 50 Prozent der


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Staatsfläche gehören und dass diese nie durch Verträge abgetreten wurde, weshalb der indianische Anspruch auf Indian Claims in Wahrheit de iure weiter besteht. In der Praxis haben die Indianer einen Teil des Anspruchs auf diese Indian Claims abgetreten und dafür einen Teil des Landes als Reservatsland zurückerhalten, wobei dieses Reservatsland heute etwa 27 000 Quadratkilometer ausmacht.

Zu erwähnen ist auch die sehr schlechte soziale Situation der Indianer: Das Durchschnittseinkommen der Statusindianer beträgt nicht einmal die Hälfte dessen, was ein Kanadier im Durchschnitt verdient, nämlich 10 500 kanadische Dollar gegenüber einem durchschnittlichen kanadischen Einkommen von 24 100 Dollar. Über ein Viertel der Statusindianer lebt von Sozialhilfe, die Arbeitslosigkeit beträgt fast 30 Prozent, die Selbstmordrate ist fast dreimal so hoch, von der schlechten Ausbildung ganz zu schweigen.

Nun hat die kanadische Verfassung, und zwar im Artikel 35, zwar die indigenen Rechte, darunter auch die Landrechte, prinzipiell anerkannt, und auch der kanadische Oberste Gerichtshof hat im Jahre 1997 – Kollegin Lunacek hat bereits darauf hingewiesen – den "original title" als kollektives Eigentumsrecht von indigenen Gruppen anerkannt. Trotzdem ist die kanadische Regierung bisher nicht darauf eingegangen.

Deshalb wäre der vorliegende Antrag meiner Meinung nach ein moderater Antrag gewesen, bei welchem es sich keineswegs um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kanadas handelt, sondern darum, dass man sich in Gesprächen mit Kanada um eine vermittelnde Position bemüht, um die kanadische Regierung zu einer Kooperation und zu einem Einlenken gegenüber der eigenen indigenen Bevölkerung zu bewegen. Nicht mehr und nicht weniger steht in diesem Antrag! Sie werden diesen Antrag bedauerlicherweise ablehnen, was für die österreichische Menschenrechtspolitik kein gutes Zeichen ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen, und zwar kommen wir zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 514 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. – Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 517 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist ebenfalls die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 517 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 78.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates, Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Verschleppung der gegenständlichen Verfahren durch die Staatsanwaltschaft und aller damit in Zusammenhang stehenden Weisungen und sonstigen Rechts


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akte, Aufklärung des Vorwurfes der Fälschung von Beweismitteln und aller damit in Zusammenhang stehenden Verfolgungsschritte, Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka und GenossInnen gemäß § 33 GOG betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis S: 5, F: 4, V: 4 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates;

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Verschleppung der gegenständlichen Verfahren durch die Staatsanwaltschaft und aller damit in Zusammenhang stehenden Weisungen und sonstigen Rechtsakte;

Aufklärung des Vorwurfes der Fälschung von Beweismitteln und aller damit in Zusammenhang stehenden Verfolgungsschritte,

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministeriums für Justiz und anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten hin überprüfen.

*****

Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 413/A (E) eingebracht wurde.

Ferner sind die Anfragen 2222/J bis 2232/J eingelangt.


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Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurzmann und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 29. März 2001, 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage 500 und Zu 500 der Beilagen, Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen, 540 der Beilagen.

Zur Beratung kommen die Beratungsgruppe I: Oberste Organe, Beratungsgruppe II: Bundeskanzleramt mit Dienststellen einschließlich Generaldebatte und Beratungsgruppe XIII: Öffentliche Leistung und Sport.

In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Die jetzige Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.08 Uhr