Stenographisches Protokoll

63. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 29. März 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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63. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 29. März 2001

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 29. März 2001: 9.01 – 21.16 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen

Beratungsgruppe I: Präsidentschaftskanzlei; Bundesgesetzgebung; Verfassungsgerichtshof; Verwaltungsgerichtshof; Volksanwaltschaft; Rechnungshof

Beratungsgruppe II: Bundeskanzleramt mit Dienststellen; Kunst

Beratungsgruppe XIII: Öffentliche Leistung und Sport

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Ordnungsrufe 137, 137

Geschäftsbehandlung

Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel zum Thema "Ergebnisse des Europäischen Rates in Stockholm" im Sinne des § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung 8

Bekanntgabe 7

Bundeskanzler Dr.  Wolfgang Schüssel 8

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 7

Redner:

Dr. Caspar Einem 12

Dr. Michael Spindelegger 15

Dr. Evelin Lichtenberger 17

Mag. Karl Schweitzer 19

Mag. Ulrike Lunacek 22


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63. Sitzung / Seite 2

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 23

DDr. Erwin Niederwieser 25

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend Redezeit in der Debatte über die Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel 8

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1762/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 26

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 91

Redner:

Dr. Eva Glawischnig 91

Staatssekretär Franz Morak 94

Mag. Ulrike Sima 95

Karlheinz Kopf 97

Ing. Gerhard Fallent 98

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 99

Dr. Gabriela Moser 100

Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen gemäß § 92 Abs. 3 der Geschäftsordnung, die Anfragebeantwortung 1762/AB zu 1742/J nicht zur Kenntnis zu nehmen – Ablehnung 101, 102

Antrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger, Dr. Günther Leiner und Genossen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 412/A der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger, Dr. Erwin Rasinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 30. März 2001 zu setzen 26

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 26

Redner:

Dr. Alois Pumberger 102

Manfred Lackner 104

Dr. Günther Leiner 105

Dr. Brigitte Povysil 106

Dr. Kurt Grünewald 108

Annahme des Fristsetzungsantrages 109

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 26

Ersuchen des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler auf Erteilung eines Ordnungsrufes 49

Ausschüsse

Zuweisungen 7


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63. Sitzung / Seite 3

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (500 und Zu 500 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen (540 d. B.) 26

Gemeinsame Beratung über

Beratungsgruppe I: Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft, Kapitel 06: Rechnungshof 27

Beratungsgruppe II: Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen, Kapitel 13: Kunst 27

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 27

Dr. Andreas Khol 31

Karl Öllinger 34

Ing. Peter Westenthaler 37

Doris Bures (tatsächliche Berichtigung) 41

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 42

Rudolf Edlinger 45

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 50

Mag. Werner Kogler 52, 137

Mag. Gilbert Trattner 56

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 59

Friedrich Verzetnitsch 63

Dr. Andrea Wolfmayr 66

Mag. Terezija Stoisits 68

Hermann Böhacker 72

Peter Schieder 74

Dr. Christof Zernatto 75

Dr. Eva Glawischnig 77

Reinhart Gaugg 79

Dr. Ilse Mertel 81

Wolfgang Großruck 83

Otmar Brix (tatsächliche Berichtigung) 85

Dr. Josef Cap 85

Staatssekretär Franz Morak 88, 118

Mag. Beate Hartinger 90, 109

Heidrun Silhavy 110

Dr. Gottfried Feurstein 112

Manfred Lackner 114

Dr. Brigitte Povysil 114

Dr. Peter Wittmann 116

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 118

Dr. Gertrude Brinek 118

Otmar Brix 119

Dr. Sylvia Papházy, MBA 121

Gabriele Binder 122

Karl Donabauer 123

Mag. Kurt Gaßner 125

Dr. Gerhard Kurzmann 126

Dr. Günther Kräuter 127


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Edeltraud Lentsch 128

Mag. Walter Posch 129

Dr. Harald Ofner 131

Paul Kiss 132

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 133

Dr. Michael Krüger 136

Werner Amon, MBA 139

Entschließungsantrag der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen betreffend Garantie der Unabhängigkeit des Rechnungshofes – Ablehnung 121, 140

Annahme der Beratungsgruppen I und II 140

Beratungsgruppe XIII: Kapitel 70: Öffentliche Leistung und Sport 141

Redner:

Dr. Günther Kräuter 141

Mag. Cordula Frieser 143

Dr. Kurt Grünewald 145

Dr. Reinhard Eugen Bösch 147

Dr. Peter Wittmann 149

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 152, 179

Reinhold Lexer 155

Theresia Haidlmayr 158

Mag. Dr. Udo Grollitsch 160

Arnold Grabner 161

Werner Miedl 163

Dieter Brosz 164

Patrick Ortlieb 167

Katharina Pfeffer 168

Astrid Stadler 169

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 170

Hermann Reindl 172

Otto Pendl 174

Christian Faul 175

Beate Schasching 176

Anton Leikam 177

Annahme der Beratungsgruppe XIII 179

Eingebracht wurden

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Notwendigkeit der Schaffung einer eigenen "Ministerspur" in der Neustiftgasse (2233/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend rassistische Nachrichten von Imadec (2234/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend rassistische Nachrichten von Imadec (2235/J)


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Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Ergebnisse der Untersuchungen bezüglich des Antibiotika-Missbrauchs in der österreichischen Schweinewirtschaft (2236/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Salmonellenerkrankungen bei Nutztieren in Österreich (2237/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Anwendung von Düngemitteln in Hausgärten (2238/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Investitionsförderungen für artgerechte Tierhaltung gemäß Programm für die ländliche Entwicklung (2239/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundesvoranschlag 2002, Budgetkapitel Landwirtschaft (2240/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anachronismus: Hermelin-Pelz für AmtsträgerInnen (2241/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Anachronismus: Hermelin-Pelz für AmtsträgerInnen (2242/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Flugverkehr und Fluglärm, insbesondere durch Tiefflüge (2243/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Posten und die Personalsituation der Gendarmerie und Polizei in Stadt und Bezirk Wiener Neustadt (2244/J)

Mag. Walter Tancsits und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend künftige Berechnung des Kilometergeldes (2245/J)

Mag. Walter Tancsits und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend künftige Berechnung des Kilometergeldes (2246/J)

Franz Riepl und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Inkompetenz und unrichtige Aussagen des FPÖ-Klubobmannes im Plenum des Nationalrates bezüglich Ambulanzgebühren (2247/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1799/AB zu 1803/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Genossen (1800/AB zu 1850/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1801/AB zu 1855/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1802/AB zu 2058/J)


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der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen (1803/AB zu 1831/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1804/AB zu 1798/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (1805/AB zu 1849/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1806/AB zu 1894/J)

 

 


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 63. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 61. Sitzung ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Ing. Gerhard Bauer, Rosemarie Bauer, Huber, Parnigoni, Dr. Partik-Pablé und Mag. Firlinger.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich wie immer auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 1799/AB bis 1806/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Bautenausschuss:

Antrag 413/A  (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Vereinheitlichung der Bauordnung;

Landesverteidigungsausschuss:

Auslandseinsatzgesetz 2001 – AuslEG 2001 (535 der Beilagen),

Auslandseinsatzanpassungsgesetz – AuslEAG (536 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass mir der Herr Bundeskanzler seine Absicht mitgeteilt hat, heute eine Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung zum Thema "Ergebnisse des Europäischen Rates in Stockholm" abzugeben.

Es liegt auch ein Verlangen vor, über diese Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Ich schlage dem Hohen Haus vor, dass der Herr Bundeskanzler seine Erklärung sogleich, das heißt vor Eingang in die Tagesordnung, abgibt und dass die Debatte unmittelbar daran anschließt.


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Was die Redezeiten anlangt, so soll die Erklärung in etwa 15 Minuten nicht überschreiten. In der anschließenden Debatte soll je ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 15 Minuten zu Wort gelangen.

Über diesen Vorschlag habe ich mit den Mitgliedern der Präsidialsitzung Einvernehmen erzielt.

Herr Klubobmann Van der Bellen wünscht dazu das Wort.

9.03

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Einvernehmen ja, allerdings habe ich es so verstanden, dass es – wie wir es immer gemacht haben – 15 Minuten pro Fraktion gibt (Abg. Dr. Khol: Ja!), wie immer sich das jede Fraktion dann aufteilt. Es muss daher nicht unbedingt ein Redner sein, ich habe an zwei gedacht.

9.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit bin ich einverstanden. Wichtig ist, dass 15 Minuten pro Fraktion nicht überschritten werden.

Mit dieser Modifikation liegt jetzt der Vorschlag vor, dass jede Fraktion eine Redezeit von 15 Minuten hat.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Vorschlag angenommen.

Erklärung des Bundeskanzlers zum Thema "Ergebnisse des Europäischen Rates in Stockholm"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf nun dem Herrn Bundeskanzler zu seiner Erklärung das Wort erteilen. (Abg. Ing. Westenthaler  – mit Blick auf noch eher schütter besetzte Reihen der Abgeordnetenbänke der SPÖ –: Kann irgendjemand die SPÖ aufwecken gehen?)  – Bitte, Herr Bundeskanzler.

9.04

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Da wir uns vorige Woche, vor dem Europäischen Rat in Stockholm, intensiv darauf vorbereitet und eine, wie glaube ich, qualitativ sehr gute Aussprache über die Themen, die dort behandelt werden, gehabt haben, habe ich mir gedacht, es ist eine gute Usance, dass man auch unmittelbar nach der Rückkehr von einem solch wichtigen Treffen berichtet. Ich danke für das Verständnis, dass wir einen Weg gefunden haben, es in geschäftsordnungskonformer Art und Weise zu ermöglichen, dass einerseits der Bericht zur Kenntnis genommen und diskutiert werden kann und dies andererseits auch gleich in die Budgetberatung, die heute mit der Debatte der diversen Kapitel beginnt, eingepasst wird.

Wenn man über Stockholm berichtet, dann muss man ein Jahr zurückgehen und den Rat von Lissabon, einen sehr wichtigen Gipfel, in Erinnerung rufen, bei dem sich die Europäische Union das sehr ehrgeizige Ziel gesetzt hat, Europa bis zum Jahre 2010 zur "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaft der Welt" zu machen. – So steht es in den Vorgaben des Europäischen Rates von Lissabon.

Für uns ist jetzt natürlich sehr wichtig, was aus diesen ehrgeizigen Zielsetzungen, für die in Lissabon das Fundament gelegt wurde, geworden ist, wie wurde dieses Haus weiter gebaut, in welchem Stockwerk sozusagen sind wir gerade. Ich würde sagen: Wir haben jetzt das erste Stockwerk gebaut, aber wir sind noch lange nicht so weit, dass wir sagen können, das gesamte Haus Europa ist fertig gebaut.

Für uns Österreicher ist es wichtig, zu sehen, dass wir innerhalb eines Jahres in der Budgetkonsolidierung sehr weit gekommen sind. Wir sind von der Position des absoluten europäischen Schlusslichts in das solide Mittelfeld gekommen. Es geht um eine echte, dauerhafte Neu


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ordnung unserer öffentlichen Finanzen und des Staates an sich. Und das ist gut für uns Österreicher! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten wurde erstmals auf der Ebene der europäischen Regierungschefs das Thema Pensionsreformen  – Drei-Säulen-Modell, nachhaltige Sanierung und Sicherung der Altersvorsorge – angesprochen, denn die demographischen Veränderungen sind eindeutig: Es wird auf den Arbeitsmärkten der Europäischen Union in den nächsten Jahren etwa 25 Millionen bis 30 Millionen weniger Erwerbstätige geben. Was bedeutet das für das Funktionieren des europäischen Sozialmodells?

Diesbezüglich hat man sich nun ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Man will bis zum Jahre 2010 die Beschäftigungsquote der älteren Arbeitnehmer, zwischen 55 und 64 Jahren, auf 50 Prozent anheben. Das ist – ich sage das sehr offen – wirklich sehr ehrgeizig, nicht nur für Österreich, denn heute erreichen 14 von 15 Mitgliedsländern der Union dieses Ziel nicht. Wir müssen daher daran arbeiten, dass die Erwerbsquote, die Beschäftigungsquote steigt, aber auch die Arbeitschancen für ältere Mitarbeiter wirklich gesichert sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und wiederum zeigt sich, dass der österreichische Weg, nämlich behutsam und sozial verträglich das Frühpensionsalter in Etappen um 18 Monate anzuheben, absolut richtig ist. Wir sind in dieser Hinsicht auf dem Weg, der letztlich eine dauerhafte Sanierung des Pensionssystems bringen wird. Nur rechtzeitiges Handeln kann uns vor einem Zusammenbruch der Altersvorsorge wirklich bewahren.

Das dritte Thema waren die Liberalisierungen. Es gibt immer noch geschützte Bereiche, und es ist ganz wichtig, dass wir in diesem Bereich auch vermitteln können, warum diese Monopole aufgebrochen, warum liberalisiert werden soll! Das ist doch kein Selbstzweck, meine Damen und Herren! Billigeres Erdgas, niedrigere Strompreise, niedrigere Telekompreise, ein effizienteres und besseres Postservice, eine wettbewerbsstarke Bahnverbindung in einem europäischen Kontext zu haben sind ein Vorteil für den Standort Europa und gerade auch für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nehmen Sie das kleine Beispiel des berühmten European Sky. Kein Mensch kann sich darunter etwas vorstellen, aber wenn es gelingt, durch ein funktionierendes Management des europäischen Luftraumes, durch ein "slot regime", mit dem die Lufträume optimal genützt werden können, etwa 25 Prozent weniger Verspätungen zu haben – Hand aufs Herz: Wer von uns hat sich noch nicht über eine Flugverspätung oder über vertauschte oder erst später nachgekommene Gepäckstücke geärgert? –, dann bedeutet das einen wirtschaftlichen Gewinn von 30 Milliarden Schilling, also so viel wie bei uns eine Steuerreform.

Das sind die Vorteile eines funktionierenden europäischen Managements, und das müssen wir auch der Bevölkerung vermitteln, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Genauso soll das Europäische Gemeinschaftspatent für die Betriebe, für die Erfinder einen sichereren und billigeren Schutz der Erfindungen, der Patente, der Muster bewirken. Es soll sichergestellt sein, dass ein junger Unternehmer, der ein Start-up-Unternehmen gründet, besser und billiger zu Kapital kommt. Es ist einer der großen Vorteile der Amerikaner, dass dort sechsmal mehr Venture Capital und noch dazu billiger zur Verfügung steht als im europäischen Raum. Deswegen sind diese Themen, die wir uns vorgenommen haben, auch von größter Bedeutung.

Auch das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie stand erstmals zur Diskussion. Wir sind mit unserem österreichischen Modell, mit dem wir Weltspitze sein wollen – wir sind es heute schon –, sowohl in der Frage der Einrichtungen für die Kinder als auch und vor allem bei den Direktleistungen für die Familien einen großen Schritt weitergekommen. Ganz Europa hat in dieser Frage auf uns geschaut! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es wird in Zukunft – das ist neu und war auch ziemlich heftig umstritten – Indikatoren, Vergleichswerte in Europa geben, damit man weiß, wer wo steht. Dann wird sich auch sehr klar zeigen, dass wir Österreicher in dieser Frage meilenweit vor der europäischen Konkurrenz liegen und zum ersten Mal echte Wahlmöglichkeiten für Mütter und Väter zur Verfügung stellen, damit man sich in Freiheit für Kind und Beruf entscheiden kann. Das ist ein Quantensprung in Sachen Sozialpolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es sind in diesem Bereich eine ganze Reihe von ehrgeizigen, auch quantitativen Zielen gesetzt worden. So soll zum Beispiel die Erwerbsquote der Union bis 2005 auf 67 Prozent für Männer und 57 Prozent für Frauen erhöht werden. Dies zeigt, wie gut wir in Österreich sind: Wir müssen diesbezüglich nämlich in Wahrheit gar nichts mehr machen, weil wir das längst erbringen.

Überhaupt liegen wir innerhalb Europas in jenen Bereichen im Spitzenfeld, bei denen es um die so genannten soft issues, also um die weichen Themen oder, wenn Sie so wollen, um die Themen "mit Herz" geht. In all jenen Bereichen, in denen es um die Familie, um die Arbeitsmöglichkeiten, um niedrige Armut, um eine ausgewogene Einkommensverteilung, um Umweltthemen oder Bildung geht, überall dort sind wir in Österreich Spitze! Und darauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber ich möchte das Bild nicht zu rosig malen. Überall dort, wo zu lange reguliert wurde, ein Markt zu lange abgeschottet wurde, wo man aus ideologischen Gründen zu lange versucht hat, die Liberalisierung hinauszuschieben, die Liberalisierung der Strommärkte, der Gasmärkte, der Postdienste, der Bahn und anderer Bereiche, genau dort liegen wir im Schlussdrittel. Das sollte uns nachdenklich machen, meine Damen und Herren.

Wir sehen daher, wo wir gut sind, wir sehen aber auch, wo wir nachlegen müssen!

Es hat sich – und das ist besonders wichtig – gezeigt, dass wir im Bereich der Bildung, der Wissensgesellschaft – das war ein Thema in Stockholm – mehr tun müssen. Wir investieren mit diesen Budgets jetzt 8 Milliarden Schilling mehr in Universitäten und Schulen und 7 Milliarden mehr in Forschung. Damit halten wir unseren Spitzenplatz, müssen aber auch durch ein Ranking, durch einen Wettbewerb der europäischen Universitäten Sorge tragen, dass auch an den hohen Schulen eine echte Wettbewerbs- und Leistungsgesinnung eingekehrt. Es gibt mir schon zu denken, wenn unter den 50 besten Universitäten der Welt außer der ETH Zürich keine einzige deutschsprachige Universität zu finden ist. Das ist meiner Überzeugung nach ein sicherer Beweis dafür, dass auch hier reformiert und weiterentwickelt werden muss. Mit dem bloßen Beharren, alles müsse so bleiben, wie es war und wie wir es gewohnt sind, kann nicht das Auslangen gefunden werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In Stockholm hat man es leider nicht geschafft, ein Datum für die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte festzulegen. Dies ist – ich sage das hier offen – an einem Mitgliedsland gescheitert. Ich bedauere das, denn in Wirklichkeit steckt ein sehr unfairer Wettbewerbsvorteil für dieses Land und seine Unternehmungen dahinter. Es kann doch nicht so sein, dass man sich mit der Monopolrente auf dem Heimmarkt jenes Spielkapital verdient, mit dem man dann auf den liberalisierten Märkten auf Einkaufstour geht!

Wir haben daher die Kommission dringend aufgefordert, gemäß Artikel 85 dafür zu sorgen, dass es eben nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt, und nach langen Diskussionen hat die Kommission dies auch zugesagt. Das wird einzufordern sein, meine Damen und Herren, gerade nach diesem Gipfel in Stockholm!

Wir haben in einem Bereich gemeinsam einen großen Schritt vorwärts gemacht: Der Startschuss für eine moderne Regulierung des Wertpapiermarktes wurde gegeben. Das wurde erst nach sehr langen und schwierigen Verhandlungen der Finanzminister im ECOFIN, noch in der Nacht vor dem Europäischen Rat, möglich. Ich möchte daher auch Finanzminister Grasser für seinen Einsatz hier ausdrücklich danken, denn der integrierte europaweite Finanzmarkt ab 2005 und der Wertpapiermarkt ab 2003 werden ein Quantensprung in der Entwicklung zum Binnen


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markt sein. – Danke, Karl-Heinz Grasser! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben in Hinsicht auf das Projekt "Galileo" einen kleinen Schritt nach vorne gemacht, weil jetzt erstmals der Privatsektor bereit ist, mehr Geld dafür aufzuwenden, sodass man hoffen kann, dass dieses wichtige Satellitenbeobachtungssystem auch ohne Beanspruchung der öffentlichen Haushalte verwirklicht werden kann.

In der Biotechnik gibt es einen deutlichen Schwerpunkt. Wir alle, die wir damit in der Bundesregierung befasst sind, haben uns gemeinsam mit österreichischen Spitzenforschern auf diesen Europäischen Rat vorbereitet, denn wir meinen, dass gerade das Thema Biotechnik, Bioinformationstechnik – unter Wahrung der ethischen und moralischen Probleme, die zweifellos damit verbunden sind! – ein ganz wichtiges Gebiet der Forschung der nächsten Jahre sein wird.

Erstmals ist es uns auch gelungen – und wir haben gemeinsam mit den Schweden sehr darauf gedrängt –, dass neben der Wirtschafts- und Sozialpolitik die Umweltdimension ein gemeinsames und zentrales Anliegen der Lissaboner Strategie wird. Das, was wir eigentlich schon vor Jahren unter der österreichischen Präsidentschaft begonnen haben, ist jetzt in der Stockholmer Diskussion endgültig positiv gelöst worden.

Meine Damen und Herren! Ich glaube daher, dass Stockholm nicht negativ zu sehen ist, auch wenn in manchen Bereichen sicherlich eine präzisere und mutigere Entscheidung der Regierungschefs zu wünschen gewesen wäre. Für uns bedeutsam ist Stockholm auch deshalb, weil wir neben einer fundierten außenpolitischen Diskussion mit dem Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, und dem Präsidenten von Mazedonien, Trajkovski, dessen Außenminister ja gestern und vorgestern hier war und mit allen Fraktionen geredet hat – eine sehr dramatische Situation wurde ausgeleuchtet und, wie ich glaube, jetzt auch einigermaßen politisch entschärft –, auch das Thema Erweiterung anreden konnten.

In diesem Bereich ist eine ganz wesentliche Entscheidung zu treffen, denn wir wollen die Erweiterung gut machen, und wir wollen sie auch in einer vernünftigen Zeitspanne – bis etwa zur Wahl des Europäischen Parlaments für die ersten Kandidaten – zu einem Erfolg machen. Das bedeutet aber, dass ehrlich über jene Themen gesprochen wird, bei denen es objektive Probleme gibt.

Wir haben nun zum ersten Mal auf der Ebene der Regierungschefs das Thema Arbeitsmarkt diskutiert. Das, was in der Zeitung steht, nämlich dass es da einen Wettbewerb zwischen Deutschland und Österreich gegeben habe, ist absurd! Jeder Schritt ist natürlich zwischen mir und Gerhard Schröder vorher vereinbart gewesen – wer als Erster redet, wer nachgeht, wer unterstützt!

Ich bin sehr froh darüber, dass wir, Deutschland und Österreich, volle Unterstützung von der Europäischen Kommission bekommen haben. Es hat kein einziges Mitgliedsland dagegen Stellung genommen, als wir eine siebenjährige Übergangsfrist für die Arbeitsmärkte – ab dem Beitritt der jeweiligen Kandidaten – verlangt haben. Und wir haben auch deutlich darauf hingewiesen, dass dieses Modell ein flexibles Modell ist. Es gibt natürlich die Möglichkeit, bilateral – mit Grenzgängerabkommen oder bilateralen Verträgen – größere Flexibilität zu schaffen, es gibt weiters die Möglichkeit, nach einem Review gemeinsam, einstimmig die Frist zu verkürzen, wenn man sie nicht braucht, aber es gibt damit auch Sicherheit für die Bevölkerung und für unsere Arbeitsmärkte.

Dies erreicht zu haben ist ein großer Fortschritt des Gipfels in Stockholm! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir damit den Weg für eine entscheidende Phase der Erweiterungsverhandlungen geöffnet haben. Natürlich ist jetzt die Kommission am Zug – sie hat intern bereits eine Orientierungsdebatte durchgeführt und wird in nächster Zeit ihre Verhandlungsgegenstände und ihre Themen offiziell präsentieren.


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Was mich auch freut, ist, dass man eigentlich innerhalb kurzer Zeit echte Erfolge sieht. Österreich ist heute neben zwei anderen Ländern ein Staat, in dem alle höheren Schulen ans Internet angeschlossen sind. Das haben andere noch nicht – übrigens nicht einmal die Amerikaner.

Man hat gesehen, dass wir im Bereich Kapitalmarkt deutlich aufgeholt haben.

Man hat gesehen, dass unter allen 15 Mitgliedsländern Österreich innerhalb eines Jahres in der Informationstechnologie den größten Sprung gemacht hat. Das wird auch bereits in einer internationalen Statistik bewiesen. Ich habe hier die Länderbonität des "Institutional Investors", sozusagen die Rangliste der Welt: Wir haben uns innerhalb eines Jahres von Platz 16 der Welt auf Platz 9 der Welt verbessert! – Meine Damen und Herren! Darauf können wir gemeinsam stolz sein! (Ruf bei den Grünen: Durch Sozialabbau!)

In diesem Sinn war auch der Europäische Rat in Stockholm eine sehr wichtige Zwischenstation auf dem Weg, Europa zur Konjunkturlokomotive der Welt zu machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Caspar Einem. – Bitte. (Abg. Großruck: Ist das eine tatsächliche Berichtigung?)

9.21

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Verehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat, der Gipfel von Stockholm, das Frühjahrstreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, hätte ein wichtiges Ereignis in der Entwicklung der Union, für die Menschen in Europa werden können.

Immerhin ging es darum – der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen –, das Europa der Union zur dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt zu machen, mit ständigem Wachstum, mit mehr und besseren Arbeitsplätzen, mit einem gesicherten sozialen Netz, mit gleichen Chancen für Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt und mit einem verbesserten sozialen Zusammenhalt.

Was ist das Ergebnis? – Das Ergebnis, das harte Ergebnis, ist die Liberalisierung der Finanzdienstleistungen und die Regulierung der Wertpapiermärkte in Europa. Das ist es! Es ist dies ein technisches Ergebnis in Richtung Binnenmarkt, aber, Hohes Haus, der europäische Binnenmarkt ist kein Ziel an sich, der europäische Binnenmarkt ist eines von mehreren Mitteln, die dazu beitragen können, ein besseres Leben für die Menschen in Europa zu sichern. Er ist ein Hilfsmittel für ein gutes Leben der Menschen, für bessere, allenfalls auch preiswertere Produkte auf dem europäischen Markt, aber er ist nicht das Ziel! Das Ziel ist, ein gutes Leben für die Menschen in Europa zu sichern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Hohes Haus! Lassen Sie mich daher der Frage nachgehen, was in jenen Bereichen weitergegangen ist, die für die Menschen in Europa, insbesondere für die Menschen in Österreich, die weniger Interesse an technischen Fragen haben, wichtig sind. Was ist in den Alltagsbereichen der Menschen weitergegangen? Und vor allem: Was haben Sie, Herr Bundeskanzler, als Vertreter Österreichs in diesen Bereichen beigetragen?

Als ich jetzt Ihre Rede gehört habe, musste ich feststellen, dass beispielsweise das Thema des sozialen Zusammenhalts in Ihrer Rede nicht einmal mit einem Wort gestreift worden ist. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) Ich denke, auch das spricht für sich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Lassen Sie mich nun anhand einiger konkreter Beispiele der Frage nachgehen, was bei diesem Gipfel hätte geschehen können, was Österreich dort hätte einbringen können und was leider Gottes an Chancen versäumt worden ist.

Was ist, erste Frage, weitergegangen in dem Feld mehr und bessere Arbeitsplätze? Und was haben Sie, Herr Bundeskanzler, dazu beigetragen? (Abg. Großruck: Vollbeschäftigung in Österreich!)  – Sie, Herr Bundeskanzler, sind mit einer Prioritätenliste, bestehend aus mehr als 30 Abschnitten, nach Stockholm gefahren, was nichts anderes heißt, als dass Sie keine Prioritäten gehabt haben. Sie sind ohne einen Schwerpunkt im Bereich bessere Arbeitsplätze nach Stockholm gefahren. Das aber würde den Alltagsinteressen der Menschen entsprechen: Arbeitsplätze, die inhaltlich befriedigen und die Menschen ernähren können! Das ist das Ziel, um das es gegangen wäre! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben sich von Ihrer Mehrheit hier im Hohen Haus eine Stellungnahme des Hauptausschusses mitgeben lassen, in der Sie sich für "die von Österreich ... betriebene Politik" – wie es in dieser Stellungnahme heißt – "der Vollbeschäftigung (,Vollbeschäftigung ohne neue Schulden‘)" berühmen haben lassen. (Abg. Dr. Khol: "Berühmen"!?)

Was haben Sie getan, Herr Bundeskanzler, außer die Konjunktur mit Ihren Maßnahmen, die Sie im letzten Jahr haben wirksam werden lassen, zu dämpfen? Was haben Sie getan, außer die Mittel der Arbeitslosenversicherung abzuschöpfen und der Budgetsanierung zuzuführen? (Abg. Mag. Mühlbachler: Reden Sie doch von den Milliarden, die uns durch Zinszahlungen entzogen wurden!) Was haben Sie getan, außer dazu beizutragen, dass es jetzt weniger Mittel gibt, um Leute zu qualifizieren oder nötigenfalls umzuschulen?

Die Bilanz fällt traurig aus, Herr Bundeskanzler: Österreich hat von der europäischen Konjunktur profitiert und hat deshalb Vollbeschäftigung, aber Österreich hat die Vorreiterrolle in diesem Feld verloren. – Das ist das Ergebnis Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Hohes Haus! Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen. Zweite Frage: Was ist im Bereich der Sicherung des solidarischen Systems der Altersvorsorge, der Pensionsversicherung weitergegangen? (Abg. Großruck: ... Nebelscheinwerfer ...!) Was ist weitergegangen hinsichtlich der Erreichung des Ziels der Europäischen Union, die Erwerbsquote, insbesondere jene der Frauen, zu erhöhen? – Herr Bundeskanzler, auch in diesem Punkt finden sich keine Schwerpunkte in Ihrem Reisegepäck, auch in diesem Punkt hat Ihnen Ihre Mehrheit im Hauptausschuss nichts Konkretes mitgegeben!

Auf "die von Österreich betriebene Reform des Pensions- und Gesundheitssystems zur langfristigen Sicherung ihrer Leistungsfähigkeit" hinzuweisen – um noch einmal aus dieser Hauptausschussempfehlung zu zitieren –, ist eben nicht genug.

Das, worum es geht, ist, sicherzustellen, dass mehr Menschen Arbeit finden, mehr Menschen gute Arbeit finden, dass mehr Menschen in das System einzahlen und es dadurch sichern. Und für den Bereich der Ausweitung der Erwerbsquote haben Sie in Ihrem Papier nicht einmal einen Vorschlag mitgebracht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf Sie daher noch einmal fragen: Was sind die Schwerpunkte Ihrer Regierung auf dem Gebiet der Ausweitung der Erwerbsquote? Welches sind die konkreten Vorschläge, Herr Bundeskanzler, die Sie auf diesem Gebiet in Österreich und dann gegebenenfalls auch in Europa zu machen haben? – Ich kenne keine.

Lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen: Herr Bundeskanzler! Was sind die konkreten Maßnahmen zugunsten der Frauen, zugunsten ihrer gleichberechtigten Teilnahme am Arbeitsmarkt? Was haben Sie getan, um die selbständige Erwerbstätigkeit der Frauen attraktiver zu machen? – Ich weiß, bei Ihnen heißt die Antwort auf alle Fragen: Kindergeld. Aber diese Antwort ist falsch. Jener von Ihnen beiden, die Sie den Koalitionspakt zwischen den Freiheitlichen und der ÖVP unterschrieben haben, der gelegentlich redet, hat gesagt, dass das Kindergeld ein


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Beitrag dazu sei, den Arbeitsmarkt zu entlasten, Herr Bundeskanzler. Er hat in diesem Punkt ausnahmsweise Recht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie daher, Herr Bundeskanzler: Was ist also der konkrete österreichische Beitrag zur Aufhebung der Diskriminierung der Frau auf dem Arbeitsmarkt? Was ist der konkrete österreichische Beitrag zur Sicherstellung von gleicher Bezahlung von Frauen und Männern, um den Arbeitsmarkt für Frauen attraktiver zu machen und dadurch die Erwerbsquote zu erhöhen? Es reicht nicht aus, dass Sie hier erklären, dass das Ziel, das in Europa definiert worden ist, in Österreich schon erreicht ist und wir daher nichts zu tun haben. Das setzt die Linie fort, dass Sie dort, wo Sie sprechen müssten, nicht sprechen und dass Sie dort, wo Sie handeln müssten, nicht handeln, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Was haben Sie, was hat die Bundesregierung im Hinblick auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan? (Abg. Sophie Bauer: Belastungen haben sie gemacht!) Wo ist die Kinderbetreuungsoffensive dieser Bundesregierung geblieben? – Konkrete Antworten darauf sind Sie bisher schuldig geblieben. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist ja gar nicht wahr!)

Herr Bundeskanzler, eine vierte Frage: Welche Vorschläge haben Sie gemacht, um das europäische Wirtschaftswachstum – gerade jetzt! – abzusichern? Welche Vorschläge haben Sie gemacht, um sicherzustellen, dass die europäische Konjunktur nicht vom Nachlassen der US-amerikanischen Konjunktur gedämpft wird oder sich überhaupt in Richtung Rezession bewegt? (Abg. Mag. Posch: Selber gedämpft!)

Haben Sie Vorschläge gemacht, endlich etwa auch die Geldpolitik zugunsten des europäischen Wirtschaftswachstums einzusetzen, wie das die USA in den vergangenen Jahren außerordentlich erfolgreich getan haben? (Ruf: Das haben wir gemacht, ja!)

Vor Jahren, Herr Bundeskanzler, hat man Ihnen vorgeworfen, Sie hätten den Präsidenten der Deutschen Bundesbank beschimpft, weil er mit der Politik der Deutschen Bundesbank dazu beigetragen hätte, die europäische Konjunktur zu dämpfen und damit Millionen europäischer Arbeitsloser mitzuproduzieren. Was ist Ihre Haltung in dieser Frage heute? Wo sind die konkreten Vorschläge der Bundesregierung? Wo sind Ihre konkreten Vorschläge zu dieser Frage? (Ruf bei den Freiheitlichen: Wann machen Sie einmal Vorschläge?)

Herr Bundeskanzler! In der Tat, der Gipfel von Stockholm war keine große Sache, nur in einem hat er die Entwicklungen, hat er den Standard von Nizza leider – muss ich sagen – fortgesetzt: in der Unart der Staats- und Regierungschefs, sich vor den Augen der Welt lächerliche Hahnenkämpfe zu liefern, wie Kinder im Sandkistel darum zu streiten, wer den größeren Sandkuchen gebaut hat.

Herr Bundeskanzler! Wir Sozialdemokraten treten deshalb dafür ein, dass der nächste europäische Gipfel, bei dem es um institutionelle Reformen gehen soll, endlich anders und konkreter und früher vorbereitet wird. Wir treten deshalb dafür ein, dass dabei Parlamentarier – nationale und europäische – und Vertreter der Regierungen in einem Konvent zusammenarbeiten, weil es notwendig ist, sicherzustellen, dass diese Politik der Hahnenkämpfe kleiner Männer endlich überwunden wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fasslabend: Was soll diese Äußerung? Das ist ja wirklich unglaublich!)

Herr Bundeskanzler! Wir treten deshalb auch für eine klare Zuordnung ein, welche Aufgaben von der Union selbst als Union und welche Aufgaben hinkünftig von den Mitgliedstaaten in Subsidiarität wahrgenommen werden sollen. Und wir treten in diesem Zusammenhang dafür ein, der Union eigenständige Handlungsmöglichkeiten mit einer eigenständigen demokratischen Legitimation zu geben. Das ist der Schritt hin zu einer verstärkten Sensibilität der europäischen Politik für Alltagsinteressen der Menschen.

Wir wollen, dass dieses Europa, dass das Europa der Union seine Leistungsfähigkeit bei den Interessen, bei den Alltagssorgen der Menschen endlich zu entfalten beginnt. Dafür braucht es eine andere und eine bessere demokratische Grundlage, da müssen die Menschen, die betrof


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fen sind, mitentscheiden können, was in diesem Europa geschieht, und dazu müssen wir auch diese Form von Regierungskonferenzen, diese Form von Gipfeltreffen überwinden.

Wir wollen deshalb eine Demokratisierung der EU und als ersten Schritt ein Jahr, Herr Bundeskanzler, auch in Österreich, in dem öffentlich über diese Fragen diskutiert wird, in dem die Regierung aktiv etwas dazu beiträgt, dass die Menschen mehr Interesse für dieses Europa bekommen. Und das wird nicht dann gelingen, wenn die Fragen immer technokratischer werden, sondern dann, wenn es um konkrete Alltagssorgen der Menschen geht, um Arbeit, um ihre soziale Sicherheit, um Perspektiven für Familien, dass Frauen und Männer Familie und Kinder unter einen Hut bringen können. Es wird dann gehen, wenn sichergestellt ist, dass die Alltagsinteressen der Menschen im Mittelpunkt der europäischen und der österreichischen Politik stehen. Dazu braucht es noch einiges an Änderung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Spindelegger. Sie wollen, dass ich die Uhr auf wie viel Minuten stelle? (Abg. Dr. Spindelegger  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 10 Minuten!)  – Bitte.

9.34

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Inhalt und die Diktion von Kollegen Einem waren wahrlich keine Meisterleistung. Wir haben Besseres von Ihnen gehört, Herr Kollege Einem. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Nein, das stimmt nicht! – Abg. Dr. Stummvoll: Der Gusenbauer ist auch nicht besser!)

Ihr Beitrag hat mir auch gezeigt, dass man leider von ganz vorne beginnen muss. Ich darf Ihnen in Kürze mit ein paar Fakten in Erinnerung rufen, was stattgefunden hat. (Anhaltende Zwischenrufe.)

Zum Ersten: Es hat in Schweden ein Gipfel stattgefunden und nicht in Wien, meine Damen und Herren.

Zum Zweiten: Dieser Gipfel wurde von der schwedischen Präsidentschaft, von einem Sozialdemokraten als Präsidenten geführt.

Zum Dritten: Die Mehrheit der Mitgliedsländer der Europäischen Union ist sozialdemokratisch geführt, meine Damen und Herren.

Und zum Vierten, Herr Kollege Einem: Man kommt fast in Versuchung, die Sozialdemokraten auf europäischer Ebene vor Ihnen in Schutz zu nehmen. Eine völlig neue Situation für uns, aber wir werden auch damit umgehen können. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eines muss ich Ihnen schon noch aus der Vergangenheit vorwerfen: Sie haben heute dem Herrn Bundeskanzler vorgeworfen, dass er sich zu wenig um diese europäischen Themen kümmert. Herr Kollege Einem, das sagen gerade Sie. Beim Gipfel von Nizza, als wir in diesem Haus sogar ein "Feuerwehr"-Komitee eingerichtet hatten, das sich bei diesem Gipfel in ständigem Kontakt mit der Bundesregierung begleitend auf die weitere Vorgangsweise festgelegt hat, war ein einziger Abgeordneter nicht anwesend: Das waren Sie, Herr Kollege Einem. (Oh-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Das hat ihn nicht interessiert!) Wenn Sie heute dem Bundeskanzler vorwerfen, dass er sich nicht darum kümmert, dann gebe ich diesen Vorwurf an Sie zurück. Sie waren es, der in der Vergangenheit durch Abwesenheit geglänzt hat und bei diesem wichtigen Vertrag von Nizza für Ihre Fraktion nicht einmal mitgewirkt hat. Das muss auch festgehalten werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber lassen Sie mich ein wenig auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes bei diesem Gipfel in Stockholm zu sprechen kommen. Wenn man die Zielsetzungen liest und sehr genau verfolgt, ist festzustellen, sie sind zwar etwas allgemein gehalten, aber sie entsprechen genau dem, was wir


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in Österreich tun: Vollbeschäftigung als Ziel, mehr Arbeitsplätze, die Mobilität der Arbeitnehmer fördern, weniger staatliche Beihilfen, stattdessen eine Modernisierung des Sozialsystems, neue Technologien, weniger Schulden.

Meine Damen und Herren! All das ist ins Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung aufgenommen und wird Stück für Stück umgesetzt. Wir haben ein Budget, das wir heute zu diskutieren beginnen, das erstmals Vollbeschäftigung ohne neue Schulden garantiert. Und das ist eine Leistung im Vorgriff auf die Schlussfolgerungen von Stockholm. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu den Details, meine Damen und Herren, die wir hier finden und die in Österreich auch schon besondere Aufmerksamkeit beim Thema Pensionen erregt haben. Es hat ja ein Experte, der uns wohl bekannt ist (Abg. Kößl: Ein Experte der SPÖ!), schon gemeint, morgen müsste die nächste Pensionsreform eingeleitet werden. Darum darf ich vielleicht wieder auf das zurückkommen, was sich tatsächlich in den Schlussfolgerungen findet.

Richtig wird darauf eingegangen, dass wir vor einer demographischen Herausforderung stehen, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und dass wir daher im Pensionssystem etwas tun müssen. Wir haben ja letztes Jahr dazu eine Pensionsreform beschlossen.

Hier heißt es: Der demographischen Herausforderung kann in den kommenden zehn Jahren begegnet werden, indem die Erwerbsquoten gesteigert, die öffentliche Verschuldung verringert und die Sozialschutzsysteme einschließlich der Rentensysteme angepasst werden. – Der österreichische Weg, meine Damen und Herren, den wir letztes Jahr begonnen haben und der natürlich Stück für Stück fortzusetzen ist.

Und wenn Sie auf das Ziel zu sprechen kommen, dass man die durchschnittliche EU-Erwerbsquote älterer Männer und Frauen, zwischen 55 und 64 Jahren, bis 2010 auf 50 Prozent anheben will, dann ist das etwas, was wir als Herausforderung natürlich annehmen müssen. Wir wollen nicht im Jahr 2030 aufwachen und wissen, es gibt pro einem Erwerbstätigen einen Pensionisten. Damit wären die Pensionen ja nicht finanzierbar. Darum ist es notwendig, unser Pensionssystem Stück für Stück den neuen Herausforderungen anzupassen. Aber nicht durch eine neue Pensionsreform morgen, meine Damen und Herren, denn da haben wir unsere Hausaufgaben schon gemacht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch darauf eingehen, dass es auch ein Zusammentreffen mit Präsident Putin gegeben hat, was ich im Sinne der Außenpolitik der Europäischen Union für sehr wichtig halte. Dass es hier eine Partnerschaft mit Russland gibt, ist klar, dass wir sie verstärken müssen, ist ebenso klar, und dass Schweden im Rahmen der nordischen Dimension durch die Nachbarschaft besonderes Interesse hat, mit Russland viel stärker zusammenzuarbeiten, das ist bekannt.

Ich denke, wenn diese Zusammenarbeit zwischen EU und Russland wirklich verstärkt wird, werden wir uns auch in humanitären Fragen viel leichter tun. Für uns bleibt natürlich nicht unvergessen, dass wir in Tschetschenien heute noch immer eine humanitäre Katastrophe vorfinden, denn wenn man die letzten Entwicklungen verfolgt und sieht, dass nunmehr statt der Armee der FSB als Nachfolger des KGB die "Terroristen" – unter Anführungszeichen – dort bekämpft, ist das für uns noch keine befriedigende Lösung.

Ich denke daher, dieser Dialog muss dazu führen, dass wir auch etwas erreichen können: für die Menschen in Tschetschenien, aber insbesondere auch für die Hebung des Wohlstandes in Russland. Das würde uns auch mehr Sicherheit in Europa bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich noch auf das Thema Erweiterung eingehen. Für uns Österreicher ist ja ganz entscheidend, dass wir hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer Übergangsfristen erreichen. Gerade die Organisationen, die der SPÖ sehr nahe stehen, wie der ÖGB und manche Teile der Arbeiterkammer, haben uns ja immer wieder darauf hingewiesen, dass wir da etwas erreichen müssen. Wenn es jetzt wirklich so weit ist, dass die Kommission einschwenkt und von


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einer Übergangsfrist von fünf Jahren, die um zwei Jahre erweitert werden kann, spricht, sodass wir bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach einem Beitritt mit sieben Jahren Übergangsfrist – das heißt, wenn wir das konkret betrachten, das geht über das Jahr 2010 hinaus – zu dieser vollen Freizügigkeit kommen, ist das im Interesse unserer Arbeitnehmer gerade in den Grenzregionen ein Riesenschritt in die Richtung, die wir brauchen, weil ein Tagespendlerproblem tatsächlich ein Problem für diese Grenzregionen wäre.

Ich möchte daher sagen, es ist ein großer Erfolg der österreichischen Außenpolitik und des Bundeskanzlers, dass man hier mit Partnern wie Deutschland in dieser Richtung Übergangsfristen konkret festmachen kann. Es ist ein Erfolg, meine Damen und Herren, dass der Bundeskanzler das erreicht hat! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich ist auch Kritik berechtigt, und ich denke, man sollte diese Kritik auch durchaus im Sinne einer weiteren Gestaltung der Europäischen Räte so verstehen, dass man sich nicht alle paar Monate selbst eine Latte legt, die nicht übersprungen werden kann. Man kann nicht nach einem Vertrag von Nizza, der eine grundlegend neue Richtung in der Europäischen Union angibt, jetzt glauben, nach drei, vier Monaten gibt es schon den nächsten großen Sprung vorwärts. Darum ist es auch nicht sinnvoll, sich selbst immer unter Erfolgsdruck zu setzen, dass jede Präsidentschaft bei zwei europäischen Gipfeln ein großes Stück Europa neu gestalten muss.

Ich denke, man sollte daraus lernen und vielleicht den ersten Gipfel einer Präsidentschaft durchaus als informellen Gipfel, bei dem nur geredet wird und keine großen Beschlüsse gefasst werden, neu gestalten. Es wäre wahrscheinlich auch für die schwedische Präsidentschaft klug gewesen, diesen Erwartungsdruck für Stockholm nicht so hoch zu schrauben.

Ich denke daher, wir sollten uns in dieser Richtung bewegen und wir sollten auch als Österreicher dazu einen Beitrag leisten. Wie es überhaupt für uns das Ziel sein muss, bei der Verfassungsreform der Europäischen Union die Schwerpunkte zu verwirklichen, die für uns wichtig sind: im Sinne eines Kompetenzkatalogs der Europäischen Union, im Sinne der Grundrechte, die in diese europäische Verfassung aufgenommen werden sollen, und einer Verfassungskritik im Sinne einer Aufgabenkritik, weil ich denke, dass auch die Europäische Union mittlerweile zu weit in ihren Kompetenzen fortgeschritten ist.

Wenn wir das verfolgen, wird die österreichische Außenpolitik beim nächsten Gipfel wieder einen Erfolg einfahren. Ich sehe für Österreich mit dieser Frage der Übergangsfristen bei der Erweiterung durchaus einen großen Erfolg auch in Stockholm. Und für die schwedische Präsidentschaft, Herr Kollege Einem, war es, denke ich, auch nicht so negativ, wie Sie das dargestellt haben. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste gelangt Frau Kollegin Dr. Lichtenberger zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.44

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte, die wir heute über die Schlussfolgerungen von Stockholm führen, hätte aus meiner Sicht – und das ist ein großer Mangel – sowohl Ihre Stellungnahme betreffend, Herr Bundeskanzler, als auch hinsichtlich des Schlusspapiers von Nizza generell wesentlich stärker und viel deutlicher unter den Themenkreis "Nizza und der Folgeprozess" zu stehen gehabt.

Folgendes, meine Damen und Herren, müssen wir schon feststellen: Von Nizza und den Folgen, von dem, was jetzt für Europa notwendig ist, vom versprochenen Post-Nizza-Prozess finden wir weder in den Schlussfolgerungen noch in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers eine zentrale Aussage. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das halte ich für einen eklatanten Mangel, denn hier, Herr Bundeskanzler und meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament, verlange ich eine österreichische Vorbildrolle in Europa oder zumindest das Erreichen eines Mindeststandards in der europäischen Debatte, nämlich in einer offenen, klaren und informativen


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Auseinandersetzung über den Post-Nizza-Prozess, über die Folgen von Nizza und darüber, wie das nun wirklich umgesetzt werden soll.

Ich bin nicht Ihrer Meinung, Herr Kollege Spindelegger, dass man sich jetzt einmal ein Jahr zurücklehnen und den Schweiß von der Stirn wischen soll, weil man sich in Nizza so angestrengt hat. Der Gipfel von Nizza – seien wir uns ehrlich – wurde insgesamt und nicht zu Unrecht als kein großer Fortschritt, sondern eher als ein Rückschritt im europäischen Prozess bezeichnet. (Abg. Mag. Schweitzer: Nein, aus österreichischer Sicht nicht! Aus österreichischer Sicht ist das ein gewaltiger Fortschritt!) Einige österreichische Zeitungen, die den Bundeskanzler sehr, sehr schätzen und vor allem seine Stellungnahmen berücksichtigen, haben gejubelt, aber sie waren allein auf weiter Flur. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich aber nun zu dem Thema kommen, das in den öffentlichen Debatten, aber auch im Schlusspapier von Stockholm die Diskussion sehr, sehr stark beherrscht hat, nämlich zur Frage der demographischen Entwicklung und der möglichen Gegenstrategien gegen ein Problem mit den Pensionen, mit der Sicherung des Lebensstandards und des finanziellen Lebens und Überlebens der älteren Generation auf Grund der zu erwartenden demographischen Verschiebungen.

Hier sehe ich schon auch einen Zusammenhang mit Nizza. Wir hatten einen Gipfel der Regierungen, wir haben ein Bekenntnis zur Subsidiarität im Papier, aber wir haben in den zentralen Ankündigungen, meine Damen und Herren, die Intention der Europäischen Union festgeschrieben, mit Maßnahmen, auf die ich im Detail noch eingehen möchte, in die äußerst unterschiedlichen nationalen Pensionssysteme eingreifen zu wollen und mit einer Blankomaßnahme wie der Erhöhung des Pensionsalters – also de facto der längeren Erwerbstätigkeit der Menschen im Alter – zu versuchen, die völlig unterschiedlichen Pensionssysteme in Europa sozusagen über den gleichen Kamm zu scheren. Das aber ist ein völlig falscher Ansatz, denn das Hineinschreiben von Subsidiarität allein wird es nicht bringen. Die unterschiedlichen Sozialsysteme in Europa verlangen unterschiedliche Lösungen, vor allem so lange es nicht einmal in Ansätzen gelingt, zumindest soziale Mindeststandards einzuführen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Thema im Bereich Pensionen, dem sich die Europäische Union sehr wohl zuwenden müsste, es aber offensichtlich nicht tut, ist die Durchlässigkeit der Pensionssysteme für Menschen, die in verschiedenen europäischen Staaten arbeiten. Die Anrechenbarkeit der Pensionszeiten und der Pensionsleistungen in den europäischen Staaten – von den Drittländern einmal ganz zu schweigen – ist derzeit ein Desaster. Mobile Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden heute in ihren Berufskarrieren schwer behindert, und zwar dadurch, dass die gegenseitige Anrechenbarkeit und die Ausgleichssysteme in den Pensionssystemen einfach nicht funktionieren.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang dann einfach zu sagen, dass halt die alten Menschen länger arbeiten sollen, ist der wirklich absolut falsche Weg. (Beifall bei den Grünen.) Aufgabe der Europäischen Union wäre es vielmehr, hier für eine Sicherung der Anrechenbarkeiten, für Gerechtigkeit für mobile Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sorgen. (Beifall bei den Grünen.)

Zur Frage der Sicherung der Pensionssysteme und der demographischen Entwicklung hat der Herr Bundeskanzler sehr lange und sehr deutlich über seine Vorstellungen des Pensionssystems gesprochen. Er hat aber nicht davon geredet – und das halte ich nicht unbedingt für einen Zufall –, dass mit der gleichen Deutlichkeit die Erhöhung der Frauenerwerbsquote diskutiert und festgeschrieben wird; auch mit Untersuchungen in Bezug auf die Kinderbetreuungen, auch mit Untersuchungen in Bezug auf die Sicherung der Frauen im Alter und Ähnliches mehr.

Meine Damen und Herren! Mit einer hohen Frauenerwerbsquote allein werden Sie kein Pensionssystem in ganz Europa sichern können und werden Sie keine Gerechtigkeit für Frauen in ganz Europa herstellen können. Wenn Sie nach dem Rasenmäherprinzip, das derzeit herrscht, vorgehen, erreichen Sie nur Folgendes: Bei den Frauen wird der Anteil der so genannten Working poor enorm zunehmen, nämlich jener Frauen, die zwar arbeiten – sei es in Teilzeit oder


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in Vollzeit –, die aber weit unter den Gehaltschancen von Männern bleiben und mit ihrer Entlohnung nicht einmal die zentralen Bedürfnisse decken können. Das kann doch auf keinen Fall die Zukunft einer Frauenerwerbsquote sein.

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie das nicht einmal entsprechend erwähnen, muss ich befürchten, dass für Sie das Thema sehr nachrangig ist. Das zeigt sich ja auch an der Hauptausschussdebatte, die wir gehabt haben. Die Stellungnahme – Kollege Einem hat sie schon zitiert –, die Sie sich von Ihrer Mehrheit mitgeben haben lassen und die verlangt hat, die Europäer sollen uns für unser Kindergeld loben, ist ja völlig neben diesen Handlungsnotwendigkeiten gestanden und hatte mit dem, was wirklich die Kernprobleme in der derzeitigen europäischen Diskussion sind, überhaupt nichts zu tun.

Herr Bundeskanzler! Etwas möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang schon auch noch sagen: Wenn Sie in Ihrer Rede sagen, ganz Europa habe auf uns geschaut wegen dieser Kindergeldvorschläge, dann mag das vielleicht in dem einen oder anderen österreichischen Blatt so dargestellt worden sein, aber ich konnte keine einzige europäische Zeitung finden, die dieses Lobhudeln in diesem Bereich auch nur in Ansätzen geteilt hätte. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Sie sollten mehr internationale Zeitungen lesen! – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten auch internationale Zeitungen lesen!)

Letzter Satz, da ich gerne mit etwas Positivem enden möchte: Der Rat von Stockholm hat die Berücksichtigung der Kyoto-Protokolle festgeschrieben und die Notwendigkeit des Handelns in diesem Bereich wiederum betont. Herr Bundeskanzler, hier können Sie Vorreiter sein, hier verlange ich von Ihnen, dass Sie Vorreiter sind. Das würde einem Österreich, wie es heute in Europa dasteht, sehr gut anstehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Schweitzer. Er hat das Wort.

9.54

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren auf der Regierungsbank! Lassen Sie mich mit einem Dank an Kollegen Einem beginnen. Herr Kollege Einem, ich sage Ihnen danke für diese sehr zutreffende Abrechnung mit der Sozialistischen Internationale. Besser hätten wir das auch nicht machen können, als Sie das heute hier getan haben.

Ich habe mich bei der Vorbereitung auf diese Debatte, Herr Kollege Einem, sehr bemüht, noch Spuren des seinerzeitigen Bundeskanzlers Klima zu suchen, und ich habe mich auch bemüht, solche zu finden, und ich habe auch versucht, vom vor kurzem noch im Amt gewesenen Bundeskanzler Klima auf dieser europäischen Ebene Spuren zu finden. Aber meine Bemühungen, Herr Kollege Einem, waren ergebnislos. Das Motto: Was blieb vom Wörthersee? war gut erfunden, aber ich habe nichts gefunden, Herr Kollege Einem. – Das zur EU-Politik der Kanzler, die Ihrer Fraktion angehört haben.

Seit es diese Bundesregierung gibt, Herr Kollege Einem, gibt es österreichische Spuren auf der europäischen Ebene. Der Gipfel von Nizza war meines Erachtens der erste Gipfel, bei dem es Österreich gelungen ist, seine Vorstellungen in die Politik der Europäischen Union einzubringen. Sie haben das kritisiert, aber diese Regierung mit diesem Bundeskanzler hat es geschafft, österreichische Interessen so zu vertreten, dass sie im Vertrag von Nizza ihren Niederschlag gefunden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber ich werde mich auch durchaus kritisch mit den Ergebnissen von Stockholm auseinander setzen, und ich betone, Herr Bundeskanzler: Dieser Gipfel von Stockholm hat schon einmal mehr aufgezeigt, dass diese Europäische Union noch nicht die Union der Bürger ist. Rückblickend betrachtet zeigt sich, dass einzig und allein der Aufbau des Binnenmarktes recht gut funktioniert hat. Wenn es aber um andere Problemlösungen geht, dann ist die Union auch heute noch nicht immer überzeugend.


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Bis heute – das wurde mehrfach auch international festgestellt – hatte diese Union in sicherheitspolitischen Fragen nicht überzeugen können. Hier ist sie den Nachweis der Kompetenz noch schuldig. Die Rolle der Union in den diversen Balkankonflikten war und ist eine sehr bescheidene.

Besonders bemerkenswert – diese Kritik richtet sich einmal mehr an Sozialisten oder Sozialdemokraten – ist auch die Tatsache, dass sich die schwedische Präsidentschaft an der Realität vorbeischummeln wollte, als gäbe es kein BSE-Problem, als gäbe es keine Maul- und Klauenseuche, als hätte es keinen Dioxin-Skandal gegeben. Der Gipfel von Stockholm hätte ja, ohne auf diese Themen einzugehen, ablaufen sollen, und das kann es nicht sein. Wenn es diese Probleme gibt, dann muss man sich auch damit auseinander setzen, auch wenn der Erfolg des Gipfels dann unter Umständen gefährdet ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich war es wichtig, die Lissabon-Strategie weiter zu verfolgen. Die Dynamisierung des Wirtschaftsraumes und der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit unter Nutzung neuer Technologien sind ein wichtiges Thema, und dem muss Beachtung geschenkt werden. Aber dass die EU-Politiker auf dem Gipfel nur eine Erklärung in der Hoffnung und Zuversicht verabschiedet haben, dass die Tierseuchen BSE und MKS bald in den Griff zu bekommen sind, war eindeutig zu wenig, Herr Bundeskanzler. Diese kritische Anmerkung sei mir gestattet.

Eine EU-Politik ohne Rücksichtnahme auf die Aktualitäten, auf die Realität, ohne Rücksichtnahme auf die tatsächliche Befindlichkeit und Betroffenheit der Bürger – besonders durch diese Fragen geprägt – wird von uns nicht gewünscht. Momentan sind diese Fragen wichtig, und man hätte sich diesen Fragen auch intensiver stellen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Hunderttausende von gesunden Tieren getötet werden, nur weil das unter Umständen für den Markt eine Entlastung bedeutet, dann ist das keine zukunftsträchtige Lösung. Die nicht artgerechte Massentierhaltung wurde und wird, Herr Kollege Kukacka, durch eine Förderungspolitik wie Exporterstattungen ermöglicht, die Missbrauch bis hin zu mafiosen Methoden begünstigt. So etwas muss abgestellt werden, denn dann haben wir eine Alternative, dann kann das, was hier passiert ist, nicht wiederholt werden. Das glaube ich schon. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Viele Händler nutzen bis heute zum Beispiel den Interventionsmechanismus als normalen Absatzmarkt, obwohl dieser als Sicherheitsnetz entwickelt wurde. Und allein deshalb müssen wir uns klar und deutlich eingestehen, dass eine umfassende Reform der gemeinsamen Agrarpolitik notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu gibt es viele Vorschläge seitens der Freiheitlichen, Herr Kollege Kukacka, wie zum Beispiel die Umstellung der Förderung von Flächen und Viehbestand zum Arbeitsplatz Bauernhof, die anzustreben ist. Das wäre eine sinnvolle Geschichte. Ein EU-weit artgerechtes Haltungssystem zu installieren, das ist eine Alternative, Herr Kollege Kukacka. Und ich könnte noch viele weitere Vorschläge meiner Kollegin Achatz hier präsentieren.

Tatsache ist, dass es höchst an der Zeit ist, dass eine Abkehr von diesem falschen Kurs erfolgt. Die Dominanz des ungezügelten Freihandels hat uns viele Probleme bereitet und kann nicht mehr die wesentlichste Entscheidungsgrundlage der EU-Politik sein, weil sie in eine Sackgasse führt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Handlungsbedarf besteht aber nicht nur bei der gemeinsamen Agrarpolitik, sondern auch in anderen gemeinschaftlichen Politikbereichen, wie auch der EU-Rat in Nizza dank der österreichischen Initiative festgestellt und zur Kenntnis genommen hat. Es wird eine umfassende Kompetenzverteilung nicht nur überdacht werden müssen, Herr Bundeskanzler, sondern wir werden diese Frage offensiv angehen und den Begriff "Subsidiarität" endlich auch mit Leben erfüllen müssen (Beifall bei den Freiheitlichen) – nach dem Prinzip, dass die Entscheidungszuständigkeit, meine Damen und Herren, dort sein soll, wo sie am nächsten beim Bürger angesiedelt werden kann. Da gibt es viele Möglichkeiten, man muss sie nur erkennen und dann auch umsetzen.


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Herr Bundeskanzler! Wir brauchen eine klare Abgrenzung bei der Bewältigung verschiedener Aufgaben. Wir stehen dazu: Natürlich gibt es viele gemeinschaftliche Aufgaben wie die Außen- und Sicherheitspolitik, die Wirtschafts- und Währungspolitik. Es wäre auch eine gemeinsame Umweltpolitik vonnöten. Vieles aber – das muss auch klar sein – sollte im Regelungsbereich der Mitgliedstaaten verbleiben beziehungsweise auch wieder auf die nationale Ebene zurückgeführt werden, wenn man zur Erkenntnis gelangt, dass die Dinge dort besser aufgehoben sind als auf europäischer Ebene. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sage es im vollen Bewusstsein, Herr Bundeskanzler: Wenn zum Beispiel im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik keine einschneidenden Reformen möglich sind, weil andere Länder andere Vorstellungen von einer Agrarpolitik haben als wir, dann muss auch eine Renationalisierung in den Überlegungen Platz haben. Davon bin ich fest überzeugt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schlussendlich geht es auch um die künftige Finanzierung. Es war Kollege Schwarzböck, der gesagt hat, dass wir den Plafond der Finanzierung dieser Agrarpolitik bereits durchstoßen haben. Es kann nicht sein, dass eine verfehlte Agrarpolitik auf europäischer Ebene zu weiteren finanziellen Belastungen der Bürger führt. Das wollen wir nicht, und das darf nicht sein. Deshalb muss auch diese Überlegung, die wir anstellen, ihren Platz in den europäischen Überlegungen haben.

Die Finanzierung ist aber auch eine wesentliche Frage für ein ganz großes Vorhaben der Europäischen Union, und auch darüber muss jetzt geredet werden. Die Finanzierung ist die zentrale Frage bei der größten Herausforderung der nächsten Jahre, nämlich bei der Osterweiterung. Man sollte, wenn man sagt, vor den nächsten Wahlen soll es die ersten Beitritte geben, auch über die Finanzierung Klarheit haben. Jeder Österreicher muss wissen, was ihm die Osterweiterung zusätzlich an Kosten verursacht und wie sich diese Kosten für jede Österreicherin, für jeden Österreicher auswirken. Das ist eine Frage, auf die Antwort gegeben werden muss. Das ist Bürgernähe. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir von der FPÖ – das muss und will ich unterstreichen –, meine sehr geehrten Damen und Herren, bekennen uns zur Erweiterung, aber wir werden sehr darauf achten, dass all das, was im Regierungsübereinkommen festgeschrieben ist, auch eingehalten wird, und zwar auf Punkt und Beistrich – im Interesse der Österreicher und der Österreicherinnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unsere Aufgabe muss es sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür zu sorgen, dass diese Erweiterung sorgfältig und gründlich vorbereitet wird. Es kann nicht so sein, dass Schweden sagt: Wir haben uns die drei großen "E’s" vorgenommen: die Erweiterung, die Umwelt – auf Englisch – und die Arbeitsplätze. Und dann gibt es zur Erweiterung nur die Aussage: Sie muss rasch kommen – ohne entsprechende Vorbereitungen.

So kann es nicht gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb werden wir Österreicher besonders darauf zu achten haben, dass diese Erweiterung bürgerverträglich erfolgt – so, wie es auch im Regierungsübereinkommen festgelegt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben gemeinsam mit den Deutschen die längste gemeinsame Grenze mit den Beitrittskandidaten. Wir haben – das ist auch in einem Informationsschreiben des Außenamtes an den Rat festgehalten worden – damit viele Probleme, die andere Mitglieder der Europäischen Union nie haben werden, weil sie einfach nicht diese gemeinsame Grenze haben. Im Bereich des Arbeitsmarktes, im Bereich der Freizügigkeit, im Bereich der Dienstleistungen sind für uns andere Dinge zu beachten, als es für Irland, als es für England oder als es für Portugal der Fall ist.

Deshalb ist es legitim, dass wir hier auftreten und Übergangsfristen verlangen. Es geht darum, unsere Bevölkerung auf diese Erweiterung so vorzubereiten, dass sie auch verkraftbar ist, dass der Arbeitsmarkt diese Erweiterung verkraftet, dass der Dienstleistungssektor diese Erweiterung verkraften kann. Übergangsfristen können nicht einfach angesetzt werden, indem man sagt: Sieben Jahre, und dann hat es sich!, sondern innerhalb dieser Zeit muss auch eine Entwicklung


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stattfinden. Es muss festgelegt werden, wie diese Entwicklung auszusehen hat, Herr Bundeskanzler, es wird zu beachten sein, ob innerhalb dieser Zeit auch die Entwicklung in den Beitrittskandidatenländern so weit vorangeschritten ist, dass die Erweiterung den Österreichern keine allzu großen Probleme bereitet.

Ich glaube, dass es notwendig ist, klar zu definieren, welcher Standard in den Beitrittsländern innerhalb dieser Übergangsfristen erreicht werden muss, dass die Erweiterung auch Österreicher- und Österreicherinnen-verträglich gestaltet werden kann.

Herr Bundeskanzler! Deshalb betone ich noch einmal: Es wird für uns wichtig sein, relativ rasch unsere Bedingungen zu definieren, unter denen wir einer Erweiterung der Europäischen Union uneingeschränkt im Interesse der österreichischen Bürger zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

10.08

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben davon gesprochen, dass in der EU sozusagen ein erstes Stockwerk gebaut ist, auf das weiter aufgebaut werden soll. Dafür braucht es einen inneren Zusammenhalt; diesen hat schon meine Kollegin Lichtenberger angesprochen. Ich möchte mich auf das beziehen, was ein solches Gebäude auch braucht, nämlich gute Beziehungen zu den Nachbarn, zur näheren und zur ferneren Umgebung. Diese darf man da nicht ausschließen.

Lassen Sie mich mit der ferneren Umgebung beginnen. Sie haben gesagt: In Stockholm hat eine fundierte außenpolitische Diskussion stattgefunden. Es stimmt, es wurde zu Mazedonien, zu Russland gesprochen. Aber wo blieben die großen friedenspolitischen Vorschläge Österreichs, was zum Beispiel Mazedonien betrifft? – Das Einzige, was wir immer nur gehört haben, ist: das KFOR-Mandat erweitern!, statt zum Beispiel zu überlegen, einen Sonderbeauftragten der EU einzusetzen, der dort arbeitet. (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) So etwas kam von Ihnen nicht. Da kam nur – wie auch das letzte Mal im Ausschuss –, dass die Forderungen der Albaner legitim sind; auch jene der Nationenbildung. Der EU-Beauftragte Petritsch, ein sehr anerkannter österreichischer Südost-Experte, meint, dass das nicht unbedingt der richtige Weg ist. Da haben mir also die friedenspolitischen Vorschläge Österreichs gefehlt.

Nun zur näheren Umgebung, zum Versuch der Außenministerin, eine strategische Partnerschaft mit den Beitrittsländern ins Leben zu rufen. Gleichzeitig ist Österreich, sind Sie, Herr Bundeskanzler, stolz darauf, dass Sie gemeinsam mit dem deutschen Bundeskanzler Schröder durchgesetzt haben, dass die Freizügigkeit auf sieben Jahre fixiert wird – fünf Jahre, und dann für jene, die mehr wollen, also Österreich und Deutschland, wird es sieben Jahre geben. Keine Rede mehr ist von den vier Jahren, die die Kommission noch vor kurzem vorgeschlagen hatte. Keine Rede mehr ist davon, dass die Flexibilität vielleicht auch bilateral gestaltet werden kann. – Nein! Einstimmig müssen die EU-Länder wieder abstimmen, wenn das weniger sein sollte.

Herr Bundeskanzler! Da widersprechen die Taten dieser Bundesregierung der Rhetorik, und die Beitrittsländer werden Ihnen das nicht danken. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Spindelegger und auch Herr Kollege Schweitzer meinen, dass man auf die Österreicherinnen und Österreicher schauen muss, dass man das bürgerverträglich machen muss. – Herr Bundeskanzler! Ich habe den Eindruck, Sie versuchen, die Europapolitik Freiheitlichen-verträglich zu machen. Was Sie nämlich tun, ist Folgendes: Sie geben dem Druck der Freiheitlichen nach. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) – Sie, nicht Herr Gerhard Schröder.

Was Sie in den letzten Jahren getan haben, war, dass Sie dem Druck der Freiheitlichen nachgegeben haben. Die Freiheitlichen sind es, die eine längere Zeitspanne bis zur Freizügigkeit wol


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len, nicht Ihre ÖVP und auch nicht der Erweiterungsbeauftragte Busek. Er ist sehr wohl anderer Meinung. Ist er jetzt Ihr Erweiterungsbeauftragter, oder ist er es nicht? (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. )

Herr Klubobmann Westenthaler hat letzte Woche gemeint, dass Herr Busek nicht im Namen der Regierung nach Paris fahren soll. Er sei nämlich nicht der Regierungsbeauftragte der Bundesregierung. Er ist aber damals vom Ministerrat sehr wohl einstimmig als solcher anerkannt worden. Ist er es jetzt, oder ist er es nicht? Hören Sie auf das, was der Erweiterungsbeauftragte Busek sagt, nämlich dass die Freizügigkeit der Personen so rasch wie möglich da sein soll, dass man das sehr flexibel handhaben muss, oder hören Sie nur auf die Zurufe der Freiheitlichen (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Ist Schröder ein Freiheitlicher?), die da heißen – Kollege Schweitzer hat es soeben gesagt –: Eine Renationalisierung muss in den Überlegungen Platz haben! (Abg. Mag. Schweitzer: Was spricht dagegen?)

Herr Bundeskanzler! Ich konstatiere bei Ihnen eine innenpolitisch motivierte Mutlosigkeit (Beifall bei den Grünen)  – und nicht das, wofür die ÖVP gestanden ist, nämlich für eine mutige Europapolitik, die versucht und es auch geschafft hat, Österreich in die Europäische Union zu bringen. Das höre ich von Ihnen hier nicht mehr.

Sie sprechen nur mehr davon, was wir tun müssen, um den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Sicherheit und Schutz zu gewähren. In einer strategischen Partnerschaft müssten Sie auch auf das achten, was auch Ihr Parteikollege Juncker aus Luxemburg gesagt hat: Es gibt auch Interessen und Ängste bei den Bürgerinnen und Bürgern in den Beitrittsländern.

Wenn Österreich Vorreiter für eine Erweiterung sein soll, dann wäre es doch Auftrag – auch Ihr Auftrag, Herr Bundeskanzler! –, sich dafür einzusetzen, dass die Grenzen raschest abgebaut werden. (Beifall bei den Grünen.)

Was ich hier konstatiere, ist: Es fehlt Ihnen der Mut, dazu beizutragen, dass die Grenzen nicht nur an den Staatsgrenzen, sondern auch in unseren Köpfen abgebaut werden. Darauf können Sie nicht stolz sein! (Beifall bei den Grünen.)

10.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Restliche Redezeit: 7,5 Minuten. Ich stelle die Uhr auf knappe 8 Minuten. – Bitte.

10.14

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Ergebnisse des Europäischen Rates in Stockholm beurteilt, so kann man sagen, dass es zwei Methoden der Beurteilung gibt. Man kann Stockholm nach der Fragestellung beurteilen: War Stockholm ein großer, ein kleiner, ein mittlerer Fortschritt im Rahmen der Europäischen Integration? – Das haben die meisten Vorredner getan.

Man kann die Ergebnisse des Europäischen Rates in Stockholm und die Debatten dort aber auch nach der Kategorie beurteilen: Was hat Stockholm hinsichtlich unserer Position im Rahmen der europäischen Entwicklung gezeigt, meine Damen und Herren? – Das möchte ich tun.

Davor möchte ich kurz auf Kollegen Einem eingehen. Bei Ihrer Rede, Herr Kollege, habe ich einen Zwischenruf getan, der da lautete: Von welchem Land sprechen Sie? – Sie haben diesen Zwischenruf nicht gehört, aber mein Klubobmann, der vor mir sitzt, hat ihn gehört und hat präzise geantwortet: Offensichtlich in "Absurdistan". – Wenn man Ihre Rede gehört hat, dann muss man sagen: Wenn man Stockholm danach beurteilt, wo wir liegen, wo Österreich im Rahmen der europäischen Entwicklung liegt, dann müsste man als Parlamentarier dieses Hauses, egal ob in der Regierung oder in Opposition, so selbstbewusst sein – ich würde fast sagen: so stolz sein –, zu sagen: Österreich liegt auf dem richtigen Kurs, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir liegen auf dem richtigen Kurs, und wir haben in wichtigen Bereichen der Sachpolitik – ob Jugendbeschäftigung, Kindergeld, Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Vorbildfunktion in Europa. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) So selbstbewusst sollten wir sein, Frau Kollegin! Das sollten auch Sie als Oppositionspolitiker sein. Unser Land liegt unter dieser Bundesregierung, die angetreten ist, das Land zu reformieren und nach Europa zu führen, richtig im Kurs. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind erstens in der Budgetpolitik auf dem richtigen Weg. Europa sagt heute: Spektakuläre Verbesserung der Budgetpolitik unter dieser Regierung, unter diesem Finanzminister. – Meine Damen und Herren! Das sollten wir auch registrieren: spektakuläre Verbesserung der Budgetpolitik, Budgetpolitik als Zukunftsgestaltung und nicht als Schuldenpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweites Beispiel: Wir sind im Bereich der Arbeitsmarktpolitik auf dem richtigen Weg. Schauen Sie sich die Ergebnisse an! Da gibt es eine Überschrift der Ergebnisse von Stockholm: Auf dem Weg zur Vollbeschäftigung. – Bitte, wir haben Vollbeschäftigung. Wir haben Vollbeschäftigung, meine Damen und Herren! (Abg. Schwemlein: Dann kommst du einmal zu mir in den Bezirk!) Wir haben heute eher das Problem – aber darüber werden wir morgen beim Kapitel "Wirtschaft und Arbeit" reden –, dass unsere Wirtschaft keine Arbeitskräfte bekommt, meine Damen und Herren. Das ist unser zentrales Problem! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Europa beneidet uns um die geringste Jugendarbeitslosigkeit. Europa beneidet uns, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen im letzten Jahr um 40 Prozent zurückgegangen ist. Vorbild für Europa, meine Damen und Herren!

Drittes Beispiel: Wir sind in der Frage unseres Sozialsystems auf dem richtigen Weg. Sie haben es gehört: Wir setzen richtige, sanfte Schritte zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters, kein abruptes Erhöhen. Wir liegen richtig auf diesem Weg. 1 Behindertenmilliarde – ein richtiger Weg im Rahmen der Integration des europäischen Sozialsystems. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )

Viertes Beispiel: Wir sind im Bereich der Familienpolitik auf dem richtigen Weg. Noch einmal: Unser Kindergeld hat Vorbildfunktion für Europa – eigentlich weltweit Vorbildfunktion. Seien Sie so mutig, das zuzugeben, auch wenn Sie in Opposition sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind fünftens auf dem richtigen Weg, was die Liberalisierungspolitik dieser Bundesregierung betrifft. Gar keine Frage: Österreich war auch in den letzten Jahren in vielen Bereichen ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Aber viele Betriebe, die ein internationales Ranking machen, haben sich jahrelang beklagt, dass in Österreich Telekom- und Stromkosten so hoch sind. Diese Regierung hat mit ihrer Liberalisierungspolitik genau an diesen zwei Schwachstellen angesetzt: Telekom- und Strom- und Energiekosten senken. Das ist ein richtiger Weg in Europa, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sechstes Beispiel: Wir sind auf dem richtigen Weg bei der Integration der Finanzmärkte. Erstes Beispiel dafür: Die Kapitalmarktoffensive, die wir schon beschlossen haben, ist ein Beitrag zu einer offensiven Politik im Rahmen dieser Finanzmarktpolitik. Zweites Beispiel: Wir diskutieren derzeit mit allen Fraktionen dieses Hauses – ich bedanke mich beim Herrn Finanzminister – in überaus korrekter und seriöser Weise unter professioneller, wissenschaftlicher Begleitung die Frage "Reform der Bankenaufsicht". Auch da liegen wir richtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Alle vier Fraktionen werden in Kürze einen Begutachtungsentwurf für eine Reform der Bankenaufsicht in Richtung einer Allfinanzaufsicht im Finanzministerium diskutieren, und wir werden das heuer noch beschließen. Das ist ebenfalls ein wichtiges Beispiel dafür, dass wir mit dieser Politik unserer Bundesregierung auf dem richtigen Weg sind, meine Damen und Herren!

Ich sage das deshalb, weil ich einer jener bin – ich werde das auch morgen, wenn es um den Wirtschaftsstandort Österreich geht, wieder tun –, der durchaus nicht alles durch die rosarote


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Brille sieht. Ich weiß genau, wo die Schwachstellen hinsichtlich des Wirtschaftsstandortes Österreich liegen. Aber so selbstsicher, so ehrlich und so objektiv sollte man sein, dass man anerkennt, dass wir in diesen wichtigen Bereichen der Politik auf dem richtigen Weg sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.20


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Restliche Redezeit: 2,5 Minuten. Also ich stelle die Uhr auf 3 Minuten. – Bitte.

10.20

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Stummvoll hat gemeint, Sie seien auf dem richtigen Weg. (Abg. Steibl: Gute Rede! Jawohl! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Dass Sie nach dem letzten Sonntag noch so überzeugt sein können, auf dem richtigen Weg zu sein, dazu gehört schon eine große Portion an Realitätsverweigerung, gehört eine große Portion an Missachtung von Wähleraussagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das hat man schon am Sonntag Abend gesehen. Sie meinen, alles richtig zu machen, nur die Wähler sehen das Ihrer Meinung nach falsch. Wenn Sie meinen, das sei ein richtiger Weg, dann bleiben Sie bei diesem Weg, uns kann das nur recht sein, Kollege Stummvoll! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Gusenbauer ist nicht Häupl! Gusenbauer ist nicht Häupl!)

Allerdings ist es uns nicht ganz recht, und es kann uns deshalb nicht recht sein, weil die Leidtragenden dieses Weges die Österreicherinnen und Österreicher sind. Das will ich an einem Beispiel nachweisen, und es gibt viele Beispiele dafür.

Herr Bundeskanzler! Ihnen waren die Flugverspätungen in Stockholm offensichtlich sehr wichtig. Sie haben uns hier berichtet, dass das ein Problem ist, das alle so mächtig beschäftigt. Herr Bundeskanzler! Was uns in Österreich und speziell in Tirol beschäftigt, ist die Frage: Was haben Sie in Stockholm getan, was die Fortsetzung unseres Transitvertrages anlangt? – Dies ist ein zentrales europäisches Thema der Verkehrspolitik, nämlich die Belastung des Alpenraumes, unter der viele Bürger zu leiden haben. (Abg. Schwarzenberger: Das Klima und Einem vermurkst haben!)

Das war ein ausgezeichneter Transitvertrag, wie Sie selbst wissen, der unter Klima und Einem ausgehandelt wurde und unter Einem vollzogen wurde. (Abg. Ing. Westenthaler: Deswegen hält er auch nicht!) – Sie lassen ihn auslaufen und sprechen dieses Thema nicht einmal an. Da haben Sie versagt, Herr Bundeskanzler! Das wären jene Probleme gewesen, bei denen Sie in Stockholm hätten deutlich machen müssen, was im Interesse Österreichs zu tun ist. Darüber hätten Sie hier berichten sollen, anstatt uns nur die Welt und Europa zu erklären. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie meinen, jetzt hergehen zu müssen und dieses Projekt des Kindergeldes – das gibt es noch nicht einmal (Rufe bei der ÖVP: Das Projekt gibt es!), und Sie streiten noch in einer Heftigkeit über Details, die interessant, aber nicht neu ist –, das noch nicht einmal real ist, in Europa oder gar weltweit verkaufen zu müssen, Kollege Stummvoll, sage ich Ihnen: Machen Sie es zuerst einmal so, dass das auch der Verfassungsgerichtshof für in Ordnung befinden wird, damit Sie nicht wieder auf dem Bauch landen! (Abg. Dr. Stummvoll: Es wird Ihnen noch zu schnell gehen!) Erst dann gehen Sie nach Europa und sagen Sie, was Sie Tolles geleistet haben, aber reden Sie nicht über Projekte und ungelegte Eier! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (fortsetzend): Was wir uns erwarten würden, Herr Bundeskanzler, ist, dass Sie dem österreichischen Parlament in Zukunft darüber berichten, was Sie im Interesse unserer Bürger beim europäischen Gipfel getan haben. (Beifall bei der SPÖ.)

10.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre hiermit die Debatte über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers für geschlossen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1762/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass mir das nach § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 1762/AB zur Anfrage 1742/J der Abgeordneten Dr. Glawischnig betreffend Ergebnis der Melker Vereinbarungen zwischen den Regierungen der Tschechischen Republik und Österreich zum Kraftwerk Temelin durch den Herrn Bundeskanzler durchzuführen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darüber hinaus liegt mir ein Verlangen auf Durchführung einer Kurzdebatte über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Leiner vor, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 412/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASVG, GSVG, B-SVG und B-KUVG geändert werden, eine Frist bis 30. März zu setzen.

Die beiden Verlangen sind jeweils von einer Kurzdebatte begleitet. Es wird zunächst die Debatte über die Anfragebeantwortung und im unmittelbaren Anschluss daran die Debatte über den Fristsetzungsantrag, beginnend um 15 Uhr, stattfinden.

Allfällige Abstimmungen werden im Anschluss an die Debatten durchgeführt.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (500 und Zu 500 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen (540 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Tagesordnung ein.

Wir werden die Debatte entsprechend unserer Gepflogenheit so führen, dass allgemeine, eigentlich in eine Generaldebatte gehörende Ausführungen im Zusammenhang mit der Beratungsgruppe II zulässig sind.

Ferner ist beabsichtigt, die Beratungsgruppen I und II einschließlich dieser Generaldebatte unter einem zu verhandeln.

Bei der Verhandlung des Bundesvoranschlages werden die entsprechenden Budgetkapitel am selben Tag jedenfalls zu Ende beraten. Die vorgesehene Gliederung der Debatte und der Abstimmung im Sinne des § 73 Abs. 2 GOG ist einem schriftlich ausgegebenen Arbeitsplan zu entnehmen.

Ich frage das Hohe Haus, ob gegen diese Gliederungen beziehungsweise gegen die gemeinsame Verhandlung der Beratungsgruppen I und II Einwendungen erhoben werden? – Dies ist nicht der Fall, daher werde ich so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde darüber hinaus Konsens über Gestaltung und Dauer der heutigen Debatte wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" vorgesehen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten, Grüne 104 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes, die 20 Minuten überschreitet, beziehungsweise die Redezeit des für die Beratungsgruppe zu


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ständigen Staatssekretärs, die 10 Minuten überschreitet, wird auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ferner soll die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staatssekretäre von Beginn an auf die Redezeit der jeweiligen Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ausgenommen davon ist die Redezeit der Frau Vizekanzlerin bei der unter den Beratungsgruppen I und II abgehaltenen Debatte, sofern diese Redezeit 10 Minuten nicht überschreitet.

So lautet der Vorschlag, den ich dem Hohen Hause unterbreite, und ich frage, weil darüber das Hohe Haus zu befinden hat, ob es dagegen Einwendungen gibt? – Das ist nicht der Fall, dann ist dieser Vorschlag so angenommen.

Beratungsgruppe I

Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei

Kapitel 02: Bundesgesetzgebung

Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof

Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof

Kapitel 05: Volksanwaltschaft

Kapitel 06: Rechnungshof

Beratungsgruppe II

Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen

Kapitel 13: Kunst

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur gemeinsamen Verhandlung der Beratungsgruppen I und II.

Zum Wunsch nach mündlicher Berichterstattung: Kollege Donabauer wünscht keine Berichterstattung, Kollege Feurstein wünscht auch keine Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.28

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutige Morgen hat etwas kabarettistische Züge angenommen. (Rufe bei der ÖVP: Erst jetzt! Erst jetzt!) Dies konnte man feststellen, wenn man Herrn Stummvoll zugehört hat, der darüber gesprochen hat, dass die Regierung alles richtig machen würde. (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht alles!) Jeder hat sich die Frage gestellt, über welche Regierung denn Herr Stummvoll spricht, als er als sein erstes Beispiel angeführt hat (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter ), diese Regierung habe Österreich nach Europa geführt. (Abg. Dr. Stummvoll: Das habe ich nicht gesagt! Sie haben nicht aufgepasst!) Herr Stummvoll! Sie haben offensichtlich die letzten zwei Jahre geschlafen, das muss man Ihnen deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Hochinteressant waren auch die durchaus kontroversiellen Bemerkungen zwischen Herrn Schweitzer und dem Herrn Bundeskanzler. Während der Herr Bundeskanzler ein Hohelied auf die Liberalisierung gesungen und darauf hingewiesen hat, welche glorreichen Wirkungen davon


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in Zukunft ausgehen werden, ist knapp danach Herr Schweitzer an das Rednerpult geeilt und hat gemeint, man müsse den Freihandel einschränken, man müsse die Landwirtschaftspolitik renationalisieren, man müsse das Niveau der Europäischen Integration zurücknehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierung ist in einer wesentlichen Zukunftsfrage unseres Landes zutiefst gespalten und hat dazu keine einheitliche Auffassung. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, Herr Stummvoll, falls Sie der Meinung sind und inzwischen erkannt haben, dass Sie jetzt über eine andere Regierung reden und nicht mehr über die, über die Sie jahrelang geredet haben, soll es mich freuen. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie haben nicht aufgepasst! Sie haben geschlafen!)  – Dabei hat sich die Wortwahl, die Sie verwendet haben, in den letzten 15 Jahren nicht geändert: Egal, was passiert, Herr Stummvoll erzählt uns immer das Gleiche, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber falls Sie der Meinung sind, dass alles so wunderbar und richtig war, würde ich Ihnen die Lektüre der heutigen Tageszeitungen empfehlen. Dann werden Sie sehen, dass sich das Mitglied Ihres Koalitionsausschusses, der Kärntner Landeshauptmann und Alt-Parteiobmann der FPÖ, mit der Regierungspolitik auseinander setzt. (Abg. Dr. Stummvoll: Gusenbauer auf Haider-Kurs! – Heiterkeit bei der ÖVP.)  – Dazu kann ich nur sagen: Der ist offensichtlich nicht der Meinung, dass alles richtig war, wenn er meint, die Regierungspolitik sei schuld an der FPÖ-Niederlage, die Bundesregierung betreibe Politik ohne Herz, und der sagt – ich zitiere wörtlich –, mit schwachsinnigen Inseraten und Plakaten könne man keine Politik machen, man müsse den Bürgern die Politik erklären. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Gusenbauer vertritt Haider-Meinung!)

Wir sind ja gespannt, wie der "glorreiche" Wahlverlierer aus Simmering, Herr Westenthaler, sich entweder der Stummvoll- oder der Haider-Fraktion in der Bundesregierung zuschlagen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Posch: Das ist der größte Sohn Simmerings!)

Es steht heute das Budget des Jahres 2002 zur Diskussion (Abg. Mag. Posch: Und der Finanzminister ist schon ganz blass!), und der Finanzminister hat den Kurs, der mit dem Budget 2000 und 2001 eingeschlagen wurde, nicht verlassen. Es stellt sich die Frage: Welche Wirkungen hat die Budgetpolitik, die der Finanzminister den Österreicherinnen und Österreichern verordnet?

Vor dem Hintergrund dessen, dass der Anspruch jeder Budgetpolitik sein muss, den gesellschaftlichen Reichtum zu vermehren – und zwar im Gesamtstaat und für jeden Einzelnen –, brauchen wir uns nur die Bilanz anzusehen: Die Wachstumskurve ist dabei, nicht nur in Europa, sondern noch viel stärker in Österreich einzubrechen. Das ist nicht Ausdruck einer guten Budgetpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Konsequenz für jeden Einzelnen ist auch klar: Trotz hoher Wachstumsraten im vergangenen Jahr, trotz guter Lohnabschlüsse der Gewerkschaften bleibt dem durchschnittlichen österreichischen Arbeitnehmer als Lohn für seine harte Arbeit und für seinen großen Fleiß in diesem Jahr eine dicke, fette Null. Es bleibt nämlich in den Taschen der Österreicherinnen und Österreicher vom gesamten Produktivitätsschub, von all den Lohnerhöhungen nichts übrig, weil alles in die Taschen des Finanzministers wandert und den Arbeitnehmern nichts bleibt. Das ist keine gute Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Finanzminister hat eine Reihe von Einschränkungen in seinen Budgets vorgenommen, aber in einem noch viel stärkeren Ausmaß auf Einnahmenerhöhungen gesetzt. Wenn man die Einschränkungen näher betrachtet – Herr Kollege Stummvoll, bei der Lektüre der Zeitung wird Ihnen das auch auffallen (Abg. Dr. Stummvoll  – von der Zeitung aufblickend –: Ich höre Ihnen schon zu!)  –, dann kann man sagen: Der Herr Finanzminister hat uns bei seinem ersten Budget erklärt, man könne den Investitionsfreibetrag abschaffen, weil es ohnehin so viele Mitnahmeeffekte gebe und das daher keine Auswirkung auf die Investitionen haben werde. – Wie sieht es in Wirklichkeit aus? – Die Investitionen werden leider in diesem Jahr auch auf Grund der Abschaffung des Investitionsfreibetrages zurückgehen. Das ist weder eine gute Investition in die


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österreichische Wirtschaft noch eine gute Investition in die österreichischen Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das Gros holt sich der Finanzminister selbstverständlich über Einnahmen. Zwischen dem Jahr 1999 und dem Jahr 2002 werden die Einnahmen aus Steuern und Abgaben um 111 Milliarden Schilling ansteigen. Ein Finanzminister, der angetreten ist mit der Ankündigung: Ausgabenseitig wird saniert!, verschuldet in Wirklichkeit die höchste Steuer- und Abgabenquote, die es in Österreich in der gesamten Geschichte gegeben hat. Das ist der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist falsch! Das ist wieder falsch! Das ist absoluter Unsinn! – Abg. Mag. Posch: Er muss den Schüssel-Ditz-Kurs korrigieren!)

Aber es ist ja bekannt, wie Herr Stummvoll und andere versuchen, dieses Budgetprogramm immer wieder schönzureden. Die Wahrheit ist: Wenn diese Regierung von Reformen redet, dann müssen die Menschen Angst haben, dass ihnen etwas weggenommen wird. Wenn diese Regierung von sozialer Treffsicherheit redet, bedeutet das für die Kranken, für die Invaliden, für die Unfallrentner, für die Pensionisten, für die Arbeitslosen oder für die Studenten, dass ihnen Leistungen weggenommen werden. Wenn diese Regierung von einem Belastungsstopp redet, dann müssen die Bürger damit rechnen, dass neue Belastungen auf sie zukommen. Und wenn diese Regierung von ausgabenseitiger Budgetsanierung redet, dann bedeutet das, dass sie einnahmenseitige Budgetsanierung macht. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine ehrliche Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

All diese Täuschungsmanöver sind natürlich auch durch Hunderte Millionen Schilling teure Inserate und Werbekampagnen, zu denen sich Ihr Alt-Parteiobmann ja bereits einschlägig geäußert hat, nicht mehr zu kaschieren. Die österreichische Bevölkerung erkennt glasklar, was der Kurs dieser Regierung ist, was er für jeden Einzelnen bedeutet, und immer mehr Menschen erkennen, Herr Stummvoll: Es ist der falsche Weg für Österreichs Zukunft, den Sie hier gehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben vom großen Lob der Europäischen Union für die Budgetkonsolidierung gesprochen. Herr Stummvoll! Ich empfehle Ihnen die einschlägige Lektüre der Stellungnahme der EU-Kommission und des ECOFIN-Rates, und Sie werden dabei feststellen, was Sie bisher auf Grund selektiver Wahrnehmung offensichtlich nicht festgestellt haben, was dort auch problematisiert wird: dass die Budgetkonsolidierung im Wesentlichen – neben den starken Einnahmensteigerungen durch Steuern – auf Einmaleffekten basiert und dass diese Budgetkonsolidierung keine nachhaltige ist. (Abg. Dr. Puttinger: Werden wir sehen!)

Was heißt das, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Wenn die Budgetkonsolidierung keine nachhaltige ist, dann wird es zwar vielleicht im Jahre 2002 ein Nulldefizit geben, aber um ein Nulldefizit, das Ihr oberstes Ziel ist, auch im Jahr 2003 zu haben, ist damit zu rechnen, dass, wenn das nachhaltig gestaltet werden soll, erneut der Griff in die Taschen der österreichischen Steuerzahler stattfinden wird. Das wird die Konsequenz der bisher auf Einmaleffekte reduzierten Politik für die Österreicherinnen und Österreicher sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Gusenbauer als Wahrsager!)

Es stellt sich doch bei jeder Budgetpolitik auch die Frage: Welche Leistungen werden eigentlich erbracht? Die Österreicherinnen und Österreicher zahlen Steuern und Abgaben, und es stellt sich die Frage: Was bietet der Staat für diese Steuern und Abgaben? – Das Allerwesentlichste, das ein Staat, der zukunftsorientiert denkt und handelt, bieten muss, ist der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, damit Wirtschaftswachstum nachhaltig gefördert werden kann. Er muss im Übrigen Investitionen in Wissenschaft und Forschung bieten, um in der Zukunft mithalten zu können, und er muss entscheidende Investitionen in die Bildung und Ausbildung der österreichischen Bevölkerung bieten. – In all diesen drei Bereichen schränkt die österreichische Bundesregierung die Ausgaben ein, statt sie zu erhöhen. Dieses Budget geht auf Kosten der Zukunft unseres Landes, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Im Wesentlichen geht es eigentlich nur um eine Verschiebung des Defizits: Der Finanzminister verschiebt sein Budgetdefizit in die Geldbörsen der Bürger, er verschiebt sein Defizit in ein Defizit der Leistungen des Staates für die Bürger, er verschiebt sein Defizit in Richtung eines Defizits an sozialer Gerechtigkeit und Treffsicherheit, er verschiebt sein Defizit in Richtung eines Defizits an Ehrlichkeit und Dialog, er verschiebt sein Defizit in Richtung eines Defizits für Österreichs Zukunft. Diese Defizit-Verschiebung ist keine gute Finanz- und Budgetpolitik. Das ist der falsche Weg für unser Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Mit großem Interesse warten die Österreicherinnen und Österreicher darauf, wann endlich die Regierung kommt und uns erklärt, wie der Satz "bei sich selbst sparen" in die Realität umgesetzt wird, denn dieser Satz harrt nach wie vor der Erfüllung. (Abg. Dr. Wittmann  – in Richtung ÖVP und Freiheitliche –: Schlagworte!) Bis jetzt gibt es nur Schlagworte und Ankündigungen. Wie schaut es aus mit den Verhandlungen zwischen der Frau Vizekanzlerin und den Landeshauptleuten über eine Verwaltungsreform? Wie schaut es aus mit den Ausgaben in den Kabinetten der Ministerien, wo leitenden Mitarbeitern sechsstellige Monatsbezüge bezahlt werden? (Abg. Ing. Westenthaler: Edlinger-Kabinett!)

Wie schaut es aus, Herr Westenthaler, mit den Ausgaben für die von Ihrem Alt-Parteiobmann "schwachsinnig" genannten Inserate? Wo wird da bei der Regierung selbst gespart? – Überhaupt nicht! Sie greifen nur in die Taschen der österreichischen Bürgerinnen und Bürger! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wie schaut es denn mit Ihrer Parteikasse aus?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Husch-Pfusch-Politik hat sich offensichtlich erledigt. Nachdem Herr Khol, der Wortschöpfer des "speed kills", inzwischen draufgekommen ist, dass "speed kills" im Wesentlichen heißt: Schuss ins eigene Knie (Heiterkeit bei der SPÖ)  – und mit diesem Schuss ins eigene Knie muss die Regierungskoalition seit dem vergangenen Sonntag leben –, wird jetzt offensichtlich umgestellt. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie freuen sich zu früh!) Die Frau Vizekanzlerin hat uns mitgeteilt: Nicht mehr so viele Reformen, nicht mehr so schnell die Reformen, lieber alles besser vorbereiten. (Abg. Dr. Puttinger: Üben Sie Demut, Herr Gusenbauer! Demut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hätten Sie billiger haben können. Wir haben Ihnen das von Anfang an geraten, aber Sie haben nicht auf uns gehört, und das ist Ihr Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist wie immer ganz einfach, Herr Khol: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. (Abg. Dr. Khol: Die Geschichte! – Abg. Ing. Westenthaler: Nicht einmal das Zitat können Sie richtig ...!) Aber, Herr Khol, wer eine unsoziale Politik macht, wer eine Politik auf Kosten der Zukunft unseres Landes macht, wer eine Politik auf Kosten von Bildung und Forschung macht, den bestraft der Wähler in einer Demokratie. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Budgetpolitik dieses Finanzministers wird bereits in wenigen Tagen dazu führen, dass die Prognosen für das wirtschaftliche Wachstum zurückgeschraubt werden müssen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie wird dazu führen, dass die Investitionen in diesem Land zurückgehen, und sie wird letztendlich dazu führen, dass die öffentlichen Leistungen, die wir dringend für die Zukunft brauchen, weniger werden.

Dieses Budget ist nicht Ausdruck einer phantasievollen, zukunftsorientierten Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik. Dieses Budget ist ausschließlich auf ein Nulldefizit orientiert. Das ist die Ideologie dieser Regierung, und die wird unser Land nicht vorwärts bringen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte.


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10.45

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Günter Stummvoll hat gemeint, Caspar Einem scheint in "Absurdistan" zu leben. – Ich muss feststellen: Er ist dort nicht allein, auch Herr Gusenbauer lebt dort. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich muss aber einige positive Effekte feststellen. Bei der letzten Budgetrede hat Herr Gusenbauer mit dem Brustton der Überzeugung festgestellt, wir würden ein konsolidiertes Budget mit einem Nulldefizit ohne Neuverschuldung und mit Vollbeschäftigung nicht zustande bringen. Heute hat er seine Prophezeiung bereits revidiert. Er hat zumindest anerkannt, dass wir das für das Jahr 2003 zustande bringen, und hat die Nachhaltigkeit in Frage gestellt. Lieber Herr Gusenbauer! Ihre Prophezeiungen sind immer nur kurz valid. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wieder einmal muss ich feststellen, dass Ihre inhaltliche Leere dröhnend ist. Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie Sie in Österreich Budgetpolitik machen würden. (Abg. Böhacker: Gott sei Dank hat er das nicht gemacht!) Das Einzige, was Sie gerettet hat: Was Günter Stummvoll gesagt hat, das hat Sie provoziert, hat Sie angeregt. Davon haben Sie in den ersten fünf Minuten gelebt, und die weiteren fünf Minuten haben Sie vom Kärntner Landeshauptmann gelebt. (Heiterkeit bei der ÖVP.)  – Wir werden es ihm ausrichten. Wenn Sie ihn zur Unterstützung Ihrer Argumente öfter brauchen, wird er Ihnen öfter Argumente liefern, lieber Herr Gusenbauer. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Es sollten Ihnen auch die Dauereffekte nicht verborgen bleiben, denn die Dauereffekte – im öffentlichen Dienst 11 000 Dienstposten weniger (Abg. Dr. Gusenbauer: Die höheren Steuern!), der Zuschussbedarf bei den Pensionen (Abg. Schieder: Die dauernd höheren Steuern!), der Beitrag der Gebietskörperschaften – muss man doch auch anerkennen. Sie haben gemeint, das seien alles nur Einmaleffekte. (Abg. Mag. Posch: Der Schüssel-Ditz-Kurs war das! Das Erbe des Schüssel-Ditz-Kurses!) Von den 100 Milliarden, die wir von den Schulden, die hier gemacht wurden, einbringen müssen, werden 68 Prozent durch Dauereffekte und 32 Prozent durch Einmaleffekte abgedeckt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Das Erbe des Schüssel-Ditz-Kurses! Wer war Wirtschaftsminister? Wer war Finanzminister? – Abg. Ing. Westenthaler: Wieso sitzt der Herr Posch heute in der ersten Reihe?)

Herr Posch! Mit Ihnen von der SPÖ haben wir viermal versucht, das Budget zu sanieren. Viermal! Da war der Schüssel-Ditz-Kurs auch dabei. Da war auch Alois Mock dabei. Da war damals auch noch Finanzminister Klima dabei. Wir haben es in der Regierungsverhandlung 1999 wieder versucht, aber mit dem Sanierungskurs ist Ihr Parteivorsitzender Klima an den Gewerkschaftern gescheitert. Daher haben wir jetzt einen neuen Sanierungskurs – und wir werden nicht scheitern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aber nicht ausschließlich mit Ihnen befassen – das gäbe mir zu wenig Substanz, da käme ich nicht auf die Redezeit (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen)  –, sondern ich möchte mich mit dem Budget des Jahres 2003 befassen. (Abg. Edlinger: Das wird jetzt spannend! Das mit 2003 ist spannend! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte in Paraphrasierung dessen, was unser erfolgreicher Finanzminister bei den letzten beiden Budgetdebatten gesagt hat, sagen: Eine Zukunftsdebatte für Österreich beginnt mit einem Budget in Euro. Wir haben heute ein Budget in Euro vor uns liegen, das den Kriterien des Lissaboner Prozesses entspricht, das, wie der Bundeskanzler dargetan hat – und ich glaube, schlüssig dargetan hat –, sich in die europäische Wirtschaftsdynamik einbettet. Vollbeschäftigung ohne neue Verschuldung – das ist unser Ziel! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir werden im nächsten Jahr 57,5 Milliarden j einnehmen und 58,3 Milliarden j ausgeben. 0,8 Milliarden j werden ein rechnerisches Defizit sein, das ausgeglichen wird durch die Überschüsse der Länder und der Gemeinden. Auch das sind dauerhafte Struktureffekte, Herr Gusenbauer. Ich möchte die Regierung dazu beglückwünschen, dass es ihr gelungen ist, in der Zeit eines Sparkurses einen Finanzausgleich mit den Ländern und mit den Gemeinden zustande zu bringen, einen Finanzausgleich, der uns weiterbringt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer! Natürlich stellt es auch für uns eine Versuchung dar, eine Politik nur mit Herz zu machen, also auszugeben und auszugeben und auszugeben. Konrad Adenauer hat immer gesagt: Dat is, wat de Sozis könne. – Das hat Adenauer gesagt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Geld, das vorher vom Steuerzahler eingenommen wird, geben sie aus. Das war die Politik von Bruno Kreisky. Stephan Koren hat ihm nach dem Paukenschlag, der uns die Mehrheit gekostet hat, eine volle Geldtruhe hinterlassen, wie seinerzeit Herzog Friedl mit der leeren Tasche. Bruno Kreisky hat sich ein "goldenes Dachl" gebaut, wie Sigismund der Münzreiche, und wir zahlen heute noch daran. – Ja, die Sozis können ausgeben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber wir haben eben nicht nur ein Herz, sondern wir haben auch ein Hirn (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Ruf: Wo?)  – weil wir Verantwortungsgefühl haben. Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen! Wir wissen, was die Schulden von gestern für uns bedeuten. An den Schulden, die Bruno Kreisky und Hannes Androsch gemacht haben, zahlen wir heute mit Mühe und mit Hängen und Würgen. 100 Milliarden an Zinsen und Schuldentilgungen – das ist die Hälfte der Jahreseinnahmen aus Lohnsteuern und Einkommensteuern der gesamten Republik. Also jeder zweite Schilling von dem, was an Lohn- und Einkommensteuer bezahlt wird, geht für die Tilgung der Schulden auf.

Damit unsere jungen Leute noch eine Pension bekommen, dürfen wir heute nicht neue Schulden machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Damit wir die Pensionen unserer älteren Menschen sichern, dürfen wir heute keine neuen Schulden machen. Wenn wir die Vollbeschäftigung erhalten wollen, dürfen wir unsere Wirtschaft nicht mit neuen Steuern erwürgen.

Daher ist Schuldenpolitik absolut unsozial. Jetzt ist Schluss damit! Ich hoffe, dass wir bei diesem Kurs bleiben und ihn auch durchhalten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Gusenbauer, ich glaube, Sie sollten, da Sie von Zukunftsinvestitionen gesprochen haben, Folgendes doch auch sehen: Für Forschung und Bildung geben wir so viel aus wie noch nie in der Geschichte der Republik. (Abg. Dr. Gusenbauer: Schauen Sie ins Budget!) Investitionen in Forschung und Bildung sind die Zukunftsinvestitionen für unsere jungen Leute. Forschung und Bildung sichern Arbeit in diesem Land. Daher geben wir für diese Bereiche sehr viel aus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir geben auch sehr viel für unsere Infrastruktur aus, aber in allen Ministerien finden wir in der Übernahmebilanz Zusagen aus alten Zeiten, in denen großzügig, ohne Prioritäten zu setzen, alles und jedes versprochen wurde. Wir müssen jetzt ordnen, wir müssen Prioritäten setzen, und wir müssen wirtschaften. (Abg. Dr. Gusenbauer: Haben Sie die letzten 15 Jahre geschlafen, Herr Khol? Waren Sie die letzten 15 Jahre im Tiefschlaf?) Und dass diese Regierung wirtschaften kann, ist ein Glück für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben mit dem Budgetbeschluss nächste Woche nach 14 Monaten ein wichtiges Etappenziel unseres Weges erreicht: Wir haben den Reformstau in der Finanzwelt mit drei Budgets und dem Finanzausgleich abgearbeitet. Wir haben die Schulden der ÖIAG halbiert, wir haben die ASFINAG saniert. (Abg. Dr. Wittmann: Sprechblasen!)  – Herr Kollege Wittmann! "Sprechblasen" sagen Sie? Was waren denn Sie, Herr Kollege Wittmann? (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn ich den Spitznamen, den wir Ihnen in der Koalition gegeben haben, hier wiederhole, bekomme ich einen Ordnungsruf. Das ist es mir nicht wert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir haben im öffentlichen Dienst wichtigste Reformen eingeleitet (Abg. Dr. Wittmann: Sprechblasen!), und wir haben eine Pensionsreform durchgeführt, die die Pensionen für unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger sichert. Für jeden Buchstaben im Alphabet, von A bis Z, haben wir eine Reform durchgeführt: von A – wie: Arbeiter und Angestellte werden gleichgestellt – bis Z – Zivildienst wird neu geordnet –, für jeden Buchstaben im Alphabet! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Wittmann: Sie werden nicht besser!)

Meine Damen und Herren! Mit diesem Etappenziel ist der Reformstau im Finanzbereich abgearbeitet. Wir haben große Strukturreformen, wichtige Strukturreformen vor uns, wo wir bereits die Ziele festgelegt haben, wie beim Kindergeld (Abg. Dietachmayr: Reden Sie von den Zivildienern! Sie sind schon so weit von der Praxis entfernt!), beim ORF, bei der Objektivierung der Postenvergabe, beim AMS, bei der Neuordnung der Arbeitsmarktverwaltung. (Abg. Dr. Wittmann: Sie werden nicht besser! Das sind Sprechblasen!) Es liegt eine Gesamtreform im Bereich der Universität vor uns, wir müssen die Krankenkassen sanieren.

Das sind wichtigste Reformen für die Republik. Wir werden sie sorgfältig vorbereiten. (Abg. Silhavy: Das merkt man eh! So wie bei den Ambulanzgebühren!) Der Termindruck finanzieller Natur ist geringer geworden. Die Reform ist aber deswegen genauso dringlich und wird dieses Hohe Haus noch stark in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren! Die Verwaltungsreform ist sicherlich – wir sprechen heute über das Kapitel oberste Organe – ein Herzstück unserer Regierungstätigkeit, und wir werden am Erfolg der Verwaltungsreform gemessen werden. (Abg. Dr. Wittmann: Nur Ankündigungen, kein Ergebnis! Zwei Jahre lang nur Ankündigungen!) Und ich sage Ihnen hier: Wir werden eine Verwaltungsreform nur dann zustande bringen, wenn wir das in weitestgehendem Einvernehmen mit den Gebietskörperschaften bewältigen, wenn wir mit Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam die Verwaltung straffen.

Wir haben bereits sehr wichtige Zwischenziele erreicht: Ich denke an die Beschaffungsagentur, an das Gesetz über die Objektivierung der Postenvergabe, an die BIG, also die zentrale Bundesgebäudeverwaltung, die ausgegliedert wurde. Wir haben gestern ein Gesetz über die Dezentralisierung der Ausgabe der Reisepässe beschlossen.

Wir haben eine ganze Reihe von Strukturreformen im Bereich des öffentlichen Dienstes begonnen. Wir müssen auf diesem Weg des Abbaues unnötiger Staatsaufgaben weitergehen, und Aufgabenreform ist eine mutige Sache. Alle jubeln theoretisch, aber jeder will dann sein eigenes Gesetz haben, jede Berufsgruppe will ihr eigenes Gesetz haben, und wenn es nur 38 Vertreter gibt. Wir haben das früher auch gemacht. (Abg. Dr. Niederwieser: Ein paar Beispiele für diese unnötigen Ausgaben!)

Es ist zum Beispiel unnötig, dass es in weiten Bereichen der Finanzverwaltung und in weiten Bereichen der bäuerlichen Verwaltung Amtsbeschwerden gibt. So gibt es beispielsweise zirka 1 300 Amtsbeschwerden pro Jahr gegen gültige Bescheide der Verwaltungsbehörden bei Rodungsbewilligungen und ähnlichen Dingen. In diesen Fällen wäre es sicher sinnvoll, gleich den Unabhängigen Verwaltungssenat oder den Verwaltungsgerichtshof zu beschäftigen. Das würde Zeit und Geld sparen.

Wissen Sie beispielsweise, Herr Kollege Niederwieser, dass ein Landesbeamter in Tirol, der eine Ausnahmegenehmigung erteilen muss, wenn in ein Kleinkraftfahrzeug eines Behinderten eine Gangschaltung eingebaut wird, die der Behinderte mit einer Hand schalten kann, einen Akt anlegen muss, diesen nach Wien ins Verkehrsministerium senden und dort die Ausnahmegenehmigung beantragen muss? Von dort wird der Verwaltungsakt nach Tirol "herabgelassen". Im Einzelfall wird die Stelle ermächtigt, die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, und erst dann kann dem betroffenen Behinderten die Ausnahmegenehmigung erteilt werden. – Derartige Dinge aus der Zeit Metternichs abzubauen, das ist Verwaltungsreform! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Ohne Zentralismus, in Zusammenarbeit mit den Ländern, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden, aber schnell und im Interesse des Bürgers!

Wir werden große Anstrengungen machen müssen, um dieses Budget 2003 weiter durchzutragen, nachhaltig zu sichern. Ich war selbst Klubobmann in Regierungen, in denen wir auch derartige Anstrengungen gemacht haben. Kaum hatten wir ein Budget beschlossen, wurde das Lied "Happy days are here again" gesungen und kräftig wieder ausgegeben. Das kann nicht sein! Wir haben jetzt, wenn wir dieses Budget beschlossen haben, die Finanzen konsolidiert. Aber Budgetpolitik mit Herz und Hirn bedeutet Verantwortung auch für die nächsten Generationen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Uhr ist auf 15 Minuten gestellt. – Bitte.

10.59

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Mitglieder der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Einen Monat ist es her, Herr Finanzminister, da haben Sie uns in der Budgetrede erklärt: "I have a dream". Sie hatten einen Traum, den Sie verbunden haben mit einem Budgetdefizit, das Sie in ein Nulldefizit aufgelöst haben, verbunden mit einem Traum von einem Österreich, das anders ist als das bisherige Österreich.

Herr Finanzminister! Die Wochen nach Ihrer Budgetrede, nachdem Sie Ihren Traum expliziert haben, waren ein Alptraum. Diese Wochen nach Ihrer Budgetrede waren ein Alptraum, angefüllt mit antisemitischen Reden, mit Ausgrenzung, mit strikten Anweisungen einer Partei an eine Plakatfirma, in einem Wahlkampf Ausländer neben Kriminalität zu plakatieren. Das ist aus Ihrem Traum geworden: ein Alptraum! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Alptraum, der sich, meine Damen und Herren, kurzfristig – Gott sei Dank – über das Wahlergebnis vom vorigen Sonntag etwas aufgelöst hat, gäbe es da nicht die neuen Träume, ausgelöst vielleicht auch durch Ihren Ex-Parteiobmann. Vielleicht hat das auch bei Ihnen etwas ausgelöst. Er spricht davon, dass in der Regierung nur mehr die Technokratie herrscht. Ich denke, da werden Sie sich wohl angesprochen gefühlt haben. Der Alptraum hätte sich auch aufgelöst, gäbe es nicht die Aussagen einer Vizekanzlerin, die davon spricht, dass das Chaos in der Bundesregierung in den letzten Monaten manchmal desaströs war. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, Herr Khol, Sie sprechen von etwas anderem. Ich spreche jetzt von den Äußerungen der Vizekanzlerin. Sie sitzt jetzt nicht hier, aber ihre Äußerungen, nämlich vom Chaos, von den desaströsen Wirkungen, von dem desaströsen Bild, das diese Bundesregierung auch in den Augen der Vizekanzlerin und in den Augen des "einfachen Parteimitgliedes" für die Österreicherinnen und Österreicher geboten hat, Herr Westenthaler, sprechen ja wohl für sich. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hatte einen Traum, einen Traum, den er mit Martin Luther King begründet hat. Der Traum von Martin Luther King, Herr Finanzminister, das war ein anderer Traum. Das war ein Traum eines Menschen in einer Gesellschaft, die geprägt war – und nach wie vor geprägt ist – von Rassismus und Ausgrenzung. Und dieser Martin Luther King ist in die Bundeshauptstadt gefahren und hat davon gesprochen, dass er einen Scheck – vielleicht ist es das im Bild, was Sie mit Martin Luther King verbindet – von dieser Regierung, von dieser Gesellschaft einlösen will. Er wollte die Menschenrechte einlösen, er wollte gegen Ausgrenzung ankämpfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es stünde Ihnen und dieser Bundesregierung gut an, nicht nur von einem Nulldefizit zu reden, sondern davon, dass die Menschenrechte für alle in diesem Land gelten, egal ob Inländer oder Ausländer! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Es stünde dieser Bundesregierung und auch dem Bundeskanzler gut an, sich nicht nur zu verschweigen, wenn jemand antisemitische Hetzparolen ins Land bringt, sondern klar zu sagen, diese Musik spielt es nicht in diesem Land! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie können noch so sehr von einem Nulldefizit und von Ihrem Traum sprechen – wenn das Nulldefizit, das Sie haben wollen, meine Damen und Herren, verbunden ist mit und begleitet ist von Ausgrenzung, von Abbau von Bildung, von fehlenden Vorstellungen über eine Zukunft, in der alle – ich betone: alle! – ein Recht haben, in dieser Gesellschaft ihre Rechte durchzusetzen, ist das schlecht. Erst wenn Sie diese Vorstellung einer Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle, egal, welcher Hautfarbe, egal, welchen religiösen Bekenntnisses, egal, ob Inländer oder Ausländer, mit uns teilen, dann dürfen Sie, Herr Finanzminister, Martin Luther King wieder zitieren. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das Nulldefizit von heute ist auch verbunden – und das ist das Problem – mit der fehlenden Infrastruktur von morgen. Ja, ziehen wir eine Bilanz nach diesen Monaten einer schwarz-blauen, blau-schwarzen Bundesregierung. Was haben wir denn bis jetzt von Ihnen erhalten? Was haben wir erhalten? – Gesetze, die uns der Verfassungsgerichtshof zu Recht zurückwirft. Wir haben in vielen Bereichen höhere Strafdrohungen und eine Senkung der Strafaltersgrenzen erhalten, wir haben von Ihnen eine Spitzelaffäre erhalten, die Sie wieder vertuschen wollen. Wir haben von Ihnen in diesen Monaten die Ankündigung erhalten: Rein in die NATO, so schnell es nur irgend geht. Wir haben von Ihnen ein relativ klares Bekenntnis erhalten, dass Ihnen die Bildung und die Forschung auch in Zukunft nicht sehr viel wert sind.

Meine Damen und Herren! Wenn das Nulldefizit von heute verbunden ist mit der fehlenden Infrastruktur von morgen, dann erinnert mich das nicht nur wegen der Rede von Martin Luther King an die USA, sondern auch deshalb, weil dort am drastischsten die Parallelen zu Ihrer Politik zu finden sind: die fehlende Infrastruktur vom morgen. Ja, es war der Vater des gegenwärtigen US-Präsidenten, der mit seinem "Read my lips!" zu den Steuern, zu den Steuererhöhungen ein falsches Versprechen abgegeben hat.

Ja, es waren diese Jahre einer republikanischen Regierung in den USA, die mit dem erklärten Ziel angetreten ist, die Steuern der Reichen zu senken, die Reichen zu entlasten: das erinnert uns an Ihre Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.) Das erinnert uns tatsächlich an Ihre Politik. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Wenn man sich in den USA ansieht, wie dort nicht nur ein Bildungssystem in den Sand geführt wurde, sondern wie dort auch eine Infrastruktur in den Sand geführt wurde, wie dort die Straßen devastiert sind, wie dort das Verkehrssystem devastiert ist (Abg. Dr. Fekter: Arbeitsplätze wurden geschaffen!)  – aber eines funktioniert dort noch: das sind die Gefängnisse, die ausgebaut worden sind –, dann erinnert das an die Debatten der letzten Tage, die wir hier in diesem Haus geführt haben. Wenn das Ihr Traum einer besseren Gesellschaft ist, nämlich dass Sie die Strafen erhöhen, dass Sie die Strafaltersgrenzen für Jugendliche senken, dann hat das viel mit dem, was in der real existierenden Politik in den USA aufgeführt wird, gemeinsam.

Aber ich erinnere Sie daran, Herr Finanzminister: In den USA haben im Unterschied zu Österreich offensichtlich die Milliardäre noch so viel soziales Gewissen, dass sie von der neuen Regierung Bush eingefordert haben, die Steuern nicht zu senken. Sie haben gesagt: Wir sind nicht einverstanden damit, Herr Bush, dass Sie die Steuern für uns Milliardäre senken wollen. Wir wollen Steuern zahlen, weil wir ein Land wollen, in dem es sich lohnt zu leben, in dem soziale Integration existiert und nicht soziale Ausgrenzung. (Beifall bei den Grünen.)

Ich hätte mir eine Erklärung dieser Bundesregierung anlässlich des Budgets gewünscht, in der man nicht nur stolz darauf ist, dass man eine Null schafft, sondern in der man stolz erklärt, dass dieses Land Österreich auch stolz auf seine Menschenrechte ist, auch stolz sein kann auf seine sozialen Rechte und auch stolz darauf ist, dass es seinen Jugendlichen im Bildungssystem eine gute Zukunft gibt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Genau das tun wir!)

Was machen Sie, meine Damen und Herren? – Sie führen wieder eine Schulordnung ein. Sie wollen die Schüler wieder disziplinieren, die Klassenschülerhöchstzahl hinaufsetzen und die


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Begleitlehrer abbauen. Das ist die Musik, die es bei Ihnen spielt, und dem setzen wir ganz klar entgegen: Wir wollen ein Bildungssystem, das allen Menschen Chancen zu ihrer Verwirklichung bietet. (Abg. Dr. Khol: Wie halten Sie es mit den Drogen?) Wir wollen ein Bildungssystem, das allen Menschen, egal mit welchen Bedürfnissen, diese Chance gibt, und wir wollen, dass die Gesellschaft, der Staat, der Bund, Herr Khol, diese Möglichkeiten für die BürgerInnen schafft. Wir wollen nicht ein zwei- oder dreigliedriges Schul- und Bildungssystem, das den neuen Hilfsarbeiter von morgen produziert, weil die Lehrerinnen und Lehrer in den Klassen nicht genügend Zeit haben, um sich mit jedem Schüler und mit jeder Schülerin einzeln auseinander zu setzen.

Das ist nicht unsere Vorstellung, Herr Khol! Ich sage das ganz bewusst, weil ich von diesen Möglichkeiten des österreichischen Bildungssystems als Kind eines Arbeiters profitiert habe. Ich weiß, Herr Khol, wovon ich spreche. Ich weiß es wirklich. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Ich weiß das auch!)

Meine Damen und Herren! Kommen wir auch zu den hard facts dieses Budgets: Thema Kindergeld. Herr Finanzminister! Soweit ich weiß, führen Sie in diesen Tagen Verhandlungen mit Herrn Bartenstein und mit dem Herrn Sozialminister darüber, wie das Kindergeld nun finanziell ausschauen soll. Herr Finanzminister! Mich würde nicht nur interessieren, wie das Kindergeld heute ausschaut, sondern mich würde von Ihrer Seite interessieren, wenn Sie schon von Ihren Träumen sprechen, wie das Kindergeld morgen aussieht.

Wie schaut es denn damit aus im Budget 2004? – Jetzt ist Herr Khol weg. Sprechen wir nicht nur vom Jahr 2003, sondern sprechen wir doch auch vom Jahr 2004! Sprechen wir vielleicht auch von 2020! – Danke, Herr Khol, Sie sind wiedergekommen. Sprechen wir von 2020, aber zunächst von 2004! Sie wissen genauso gut wie ich, Herr Finanzminister, dass die Versprechen, die von Herrn Bartenstein und vom Herrn Sozialminister im Zusammenhang mit dem Kindergeld gemacht wurden, nur bis zum Jahre 2003 halten werden. Wenn Sie nur annähernd irgendwie daran denken, auch die Pensionsversicherung für die Ersatzzeiten zu finanzieren, dann gibt es im Jahre 2004 ein Defizit im Familienlastenausgleichsfonds. Aber das ist ja nach dem Wahljahr. Im Jahre 2003 können Sie noch ausgeben, da können Sie noch 100 S zusätzlich an Familienbeihilfe ausgeben. (Abg. Edlinger: Frei nach Adenauer!) Und im Jahre 2004, Herr Westenthaler, was ist dann? – Dann werden Sie sich hinstellen und wahrscheinlich davon reden wollen, dass die vergangene Regierung, vermutlich noch die schwarz-rote Regierung von 1999, die Verantwortung dafür trägt, dass Sie das, was Sie in den Jahren 2002/2003 den Leuten mit dem Kindergeld, mit der Erhöhung der Familienbeihilfe zwar versprochen haben, nicht einhalten konnten.

Und im Jahre 2020, wenn jene Frauen, denen man jetzt die Pensionszeiten versprochen hat, in Pension gehen werden, dann wird sich irgendeine Bundesregierung vor die Leute hinstellen und sagen müssen: Man hat euch vor 20 Jahren das Schwarz-Blaue vom Himmel versprochen, aber diese Pensionen sind so nicht zu finanzieren. – Sie wissen, Herr Finanzminister, dass die 3,9 Milliarden Schilling, die maximal vom Familienlastenausgleichsfonds für die Ersatzzeiten und Pensionszeiten eingezahlt werden – und die sind nicht einmal sicher –, mit den Leistungen, die daraus abgedeckt werden, nichts zu tun haben. 12 Milliarden Schilling – Minimum! – kosten die Ersatzzeiten, die Pensionszeiten, die über das Kinderbetreuungsgeld lukriert werden. Eingezahlt werden maximal 3 bis 4 Milliarden Schilling. Wir werden uns genauer anschauen, Herr Finanzminister, wie viel tatsächlich einbezahlt wird.

12 Milliarden Schilling an Leistungen werden fällig. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Wie viel wird heute gezahlt? Sagen Sie das!)  – Ich sage es gern, Herr Bundeskanzler. Ich rechne es Ihnen vor, aber das schaut nicht günstig für Sie aus. Heute werden 1,2 Milliarden Schilling einbezahlt, und es werden Leistungen von 6 bis 7 Milliarden Schilling fällig. Die Differenz sind 5 bis 6 Milliarden. (Abg. Ing. Westenthaler: Eben! Wer hat das zu verantworten?) In Zukunft werden 4 Milliarden einbezahlt, aber Leistungen von 12 Milliarden fällig. Das heißt, die Differenz beträgt 8 Milliarden Schilling. Wo bedecken Sie diese 8 Milliarden? (Abg. Mag. Trattner: Er versteht es nicht!) Wo bedecken Sie diese 8 Milliarden, Herr Bundeskanzler? – Das interessiert uns doch! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Wie oft soll man Ihnen das erklären?)


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63. Sitzung / Seite 37

Und wir hätten gerne gewusst, wie es im Jahre 2004 mit den Leistungen im Familienlastenausgleichsfonds, aber nicht nur dort, aussieht, ob Sie, Herr Westenthaler, dann den Mut haben werden zu sagen: Wir haben uns geirrt, wir können diese Leistungen für die Zukunft nicht mehr geben – das würde mich interessieren. Ich vermute eher nicht. (Abg. Mag. Trattner: Sie werden es nie verstehen!)

Und noch eines, Herr Finanzminister – es mag wie ein Steckenpferd klingen: Wenn man von Budgetzahlen und davon spricht, dass diese Budgetzahlen auch etwas mit Budgetwahrheit zu tun haben sollen, dann würde ich mir in Zukunft schon erwarten, dass die Zahlen, die von Ihrem Ministerium, aber auch von anderen Ministerien kommen, etwa über die Beschäftigung von Leiharbeitern in Ministerbüros, wenigstens so abgefasst sind, dass die Aussage in einer Anfragebeantwortung mit der Aussage in einer anderen Anfragebeantwortung übereinstimmt. Was wir aber feststellen mussten, ist, dass die Zahlen, die Sie im Budget abgedruckt haben, zu jenen in den Ministerbüros beschäftigten Leiharbeitern – egal, welches Ministerium es betrifft –, nicht einmal mit den Aussagen der Minister übereinstimmen, die sie im Budgetausschuss gemacht haben, nicht übereinstimmen mit den Aussagen, die in den Anfragebeantwortungen gemacht wurden. Da stimmt keine einzige Zahl!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie mit dem Auftrag des Gesetzgebers, die Bundesregierung zu kontrollieren, so verantwortungslos umgehen, dass Sie dem Parlament, den Abgeordneten einfach irgendwelche Hausnummern servieren, wenn Sie darüber hinaus so verantwortungslos vorgehen, dass in den Ministerbüros teilweise die Zahl der Leiharbeiter explodiert, dass zeitweise in einem Ministerbüro, wie im Sozialministerium, 15 Leiharbeiter in einem Monat beschäftigt waren, dass darüber hinaus noch andere Personen beschäftigt waren, dass diese Personen Verträge über 200 000 S hatten beziehungsweise zumindest monatliche Auszahlungen in Höhe von 200 000 S erhalten haben – das wissen Sie ja –, dass Sie darüber hinaus das Parlament nicht zu informieren bereit sind, was sollen wir dann von Ihren sonstigen großen Ankündigungen in Bezug auf Ihre ökonomischen Weisheiten mit oder ohne Nulldefizit halten? (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Plank. )

Uns interessiert, wie Sie, die Bundesregierung, wie Sie, die Regierungsparteien, mit den Menschen in diesem Land umgehen. Uns interessiert, ob es Ansagen gibt, mit denen die Leute verhetzt werden, ob es Ansagen gibt, mit denen Ausgrenzung betrieben wird, ob es Ansagen gibt, mit denen die Zukunft verspielt wird, indem nicht in Bildung und Forschung investiert wird (Abg. Dr. Ofner: Einbetonieren in Bahngleise!), ob es Ansagen gibt, mit denen dem heimlichen Marsch in die NATO das Wort geredet wird, oder ob es Ansagen gibt, die ehrlich gemeint sind und in die Zukunft weisen. (Beifall bei den Grünen.)

11.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Die Uhr ist wunschgemäß auf 12 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.18

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben uns heute hier offenbar Ihre neue Leidenschaft vermittelt, nämlich das Zitieren von Jörg Haider zu Ihren Gunsten. Ich habe das mit großem Amüsement zur Kenntnis genommen (Abg. Dr. Gusenbauer: Das freut mich!) und darf Ihnen daher gleich zu Beginn einen Vorschlag machen. (Abg. Öllinger : Das ist eher zu Ihren Ungunsten!) Ich werden Ihnen nämlich später das Buch von Jörg Haider: "Die Freiheit, die ich meine" überreichen (der Redner hält das genannte Buch in die Höhe), und die Idee wäre, das heutige Zitieren fortzusetzen: Vielleicht machen Sie eine Österreich-Tour unter dem Titel "Gusenbauer liest Haider". Das wäre eine ganz gute Idee. Da können Sie vielleicht noch etwas lernen und können dann die Menschen mit diesen Zitaten entsprechend erfreuen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ein Ladenhüter!)


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Zum Zweiten: Es ist schon – und da werde ich jetzt ein bisschen ernster – eine gewisse neue Überheblichkeit und neue Arroganz der Sozialdemokratie zu sehen und zu spüren. Das ist auch verständlich, denn nach 15 Jahren, in denen eine Wahlniederlage der anderen folgte, nun eine Wahl gewonnen zu haben, darüber kann man sich freuen; das verstehe ich. Aber es ist schon ein hohes Maß an Arroganz und Überheblichkeit dabei.

Herr Kollege Gusenbauer! Wenn man als Spitzenkandidat antritt, kann man gewinnen oder verlieren. Nur Sie, Herr Kollege Gusenbauer, sind als Vorsitzender noch nie zur Wahl gestanden. Und ich verspreche Ihnen, in zweieinhalb Jahren sind Sie dran, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Dann sind Sie dran und stehen vor dem Wähler, sofern die Geschichte Ihrer Partei Sie nicht überrollt und sich Ihre Partei nicht eines anderen besinnt.

Aber was nach dieser Wahl, nach diesem Sonntag zu sehen und zu merken ist – auch im Auftreten des Herrn Kollegen Gusenbauer und einiger seiner Kollegen –, ist eine gewisse anatomische Veränderung des Herrn Kollegen Gusenbauer und so manch anderer, gestern des Kollegen Cap und auch so mancher Wiener SPÖ-Politiker. Diese anatomische Veränderung zeigt sich darin, dass die Schultern ein bisschen höher sind (Abg. Haigermoser: Aufgepolstert!)  – ist okay nach diesem Wahlerfolg –, dass die Brust ein bisschen breiter, der Brustumfang ein bisschen größer ist – ist okay nach diesem Wahlerfolg – und dass auch die Haltung etwas gerader ist – ist ebenfalls okay nach diesem Wahlerfolg.

Nur, Herr Kollege Gusenbauer, was auch auffällt – wahrscheinlich auch schon vielen Wählerinnen und Wählern, die am Sonntag die SPÖ gewählt haben –, ist etwas ganz anderes, und zwar die nächste anatomische Veränderung, dass nämlich die Nase am Plafond ist. Und das wird Ihnen bei den Wählern nicht gut tun, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Überheblichkeit schätzen die Wähler überhaupt nicht. Ich kann nur sagen, Sie sollten das tun, was man mit so einem Ergebnis anfängt, nämlich tatsächlich auch ein bisschen Bescheidenheit und Demut zu üben. Das sollte man nach so einem Ergebnis, wenn man erfolgreich war, sicherlich zeigen und weniger Arroganz. Aber das überlasse ich Ihnen. Sie müssen das letztlich mit Ihren Wählerinnen und Wählern ausmachen.

Kollege Gusenbauer! Was mir noch auffällt, ist, dass Sie hier jetzt zum dritten Mal antreten – das ist die dritte Budgetdebatte in knapp mehr als einem Jahr – und zum dritten Mal alles in Bausch und Bogen kritisieren. Aber, Herr Kollege Gusenbauer: Wo ist Ihre Alternative? Wo ist das Alternativkonzept der SPÖ? (Abg. Dr. Gusenbauer: Zuhören! – Die Abgeordneten Dr. Khol und Dr. Stummvoll: Er hat keines!) Wo ist Ihr schlüssiges Gegenmodell zur Staatssanierung? – Ich sage Ihnen: Sie haben einfach kein Gegenmodell, weil es keine sinnvollere und bessere Alternative zum jetzigen Zukunftssicherungsprojekt der Regierung gibt, Herr Kollege Gusenbauer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Lesen!) Sie haben keines! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man könnte es auch noch anders ausdrücken. Ihre Partei – nicht Sie selbst – hat ja schon jahrelang die Chance zu Verbesserungen gehabt, Ihre Finanzminister haben schon jahrelang die Chance dazu gehabt – Herr Kollege Edlinger vor Ihnen zum Beispiel –, etwas zu tun, die Sanierung des Staatshaushaltes durchzuführen. Er hat es aber nicht getan. Ganz im Gegenteil! Er hat 1996/97 ein Belastungspaket mit einer dramatischen Belastung der Bürger, vor allem der "kleinen Leute" geschnürt, mit einer Lohn- und Einkommensteuererhöhung, mit einer Körperschaftsteuererhöhung, Kapitalertragsteuererhöhung, Tabaksteuererhöhung, Umsatzsteuererhöhung und, und, und.

Es gab eine ganze Liste mit dramatischen sozialen Einschnitten: Rezeptgebühr drei Mal erhöht, Sie haben letztlich die Höchstbeitragsgrenze zur Sozialversicherung verändert, Sie haben eine Energieabgabe auf Strom und Gas eingeführt, Sie haben das Karenzgeld in Dauer und Höhe gekürzt, ebenso das Pflegegeld, das Pflegetaschengeld, das Bausparen, die allgemeinen Absetzbeträge, die Absetzbarkeit von Sonderausgaben, die Steuerfreiheit von Überstunden, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Sie haben die Geburtenbeihilfe und die Studentenfreifahrt ge


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strichen. Das waren Ihre Maßnahmen! Das wäre Ihr Alternativkonzept zum jetzigen Sanierungskurs. Ich sage Ihnen: Da ist mir der jetzige Kurs wesentlich lieber als das, was Sie in den vergangenen Jahren hier getan haben, meine Damen und Herren von der SPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer! Sie sprechen hier auch anders, als Sie es sonst, wenn es eng wird, tun. Da hat es am Tag nach der Budgetrede des Finanzministers einen ganz interessanten Auftritt von Kollegen Gusenbauer in der "Zeit im Bild 2" gegeben; das war hochinteressant. Da hat es einen Vorbeitrag gegeben, und in der Anmoderation zu diesem Beitrag sagte die Moderatorin, Frau Thurnher – sie ist unverdächtig, dass sie eine freiheitliche Funktionärin im ORF wäre; sie gehört ganz woanders hin –, Folgendes – ich zitiere wörtlich aus der "ZiB 2" vom 2. März 2001 –:

"Gestern hat Finanzminister Karl-Heinz Grasser seinen dritten Vorschlag innerhalb nur eines Jahres vorgestellt, erstmals soll es dabei keine Neuverschuldung mehr geben. Heute spricht die Opposition in Zusammenhang mit dem Haushaltsplan nun neuerlich von einer Rekordbelastung. Das scheint aber bei der Bevölkerung so nicht wirklich wahrgenommen zu werden."

In einem Bericht, der vorgeschalten wurde, wurde Folgendes gesagt: "Der ‚Strahlemann‘ auf der Regierungsbank" – gemeint ist Karl-Heinz Grasser; ist ja etwas Schönes – "bekommt für seinen Sparkurs derzeit allerdings wenig Widerstand aus der Bevölkerung. Nur fünf Prozent, sagen mehrere Umfragen, finden die Maßnahmen gar nicht gut, obwohl sie jeder im Geldbörsl zu spüren bekommt. ‚Der Begriff "Nulldefizit" sei fast ausschließlich positiv besetzt‘, meint der Politologe Anton Pelinka."

Und Pelinka rät der Sozialdemokratie in dieser Sendung im O-Ton Folgendes: "Die Sozialdemokratie ist sicherlich gut beraten, daher eher mittel- bis langfristig zu vermitteln und auch zu akzeptieren, daß derzeit in der Budgetpolitik die Regierung die besseren Karten hat." – Danke, Herr Kollege Pelinka, für diese Ehrlichkeit. Es stimmt: Die Regierung hat derzeit einfach die besseren Karten, weil dieser Kurs der richtige ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dann sitzt Kollege Gusenbauer im Studio und wird interviewt. Die erste Frage lautete: "Herr Dr. Gusenbauer, die meisten Menschen finden das Ziel des Nulldefizits in Ordnung, das sagen mehrere Umfragen, das bedeutet offenbar mehr Zustimmung zu diesem Ziel, als Sie vielleicht gerne zugeben möchten. Tun Sie sich deshalb nicht in Wirklichkeit ein wenig schwer mit Ihrer Kritik an diesem Budget?"

Gusenbauer – gut zuhören! –: "Es gibt nichts gegen das Sparen zu sagen, das ist in Ordnung." – Das sagte Herr Gusenbauer in der "Zeit im Bild 2".

Nächste Frage von Frau Thurnher: "Das heißt, Sie sind einverstanden mit dem Kurs des Nulldefizits?"

Gusenbauer: Ich bin damit einverstanden, dass man das Budget und den Staatshaushalt so in Ordnung bringt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Genau lesen!)  – Und das würde jetzt so weitergehen. Ich möchte das nicht alles zitieren, obwohl es so interessant ist. Sie bekennen sich ja dazu! Und heute gehen Sie heraus und schießen alle Maßnahmen durch Sonne und Mond, obwohl Sie in Wirklichkeit wissen, dass es keine Alternative dazu gibt und dass Sie das auch machen müssten, nämlich den Staatshaushalt sanieren. Sie haben das aber 30 Jahre lang nicht zustande gebracht. Das ist die Wahrheit, und das muss auch einmal gesagt werden! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist dies das erste Nulldefizit seit 28 Jahren, das erste Budget ohne neue Schulden. Wir stehen jetzt mit diesem dritten Budget am Ende der ersten Phase dieser Regierungstätigkeit und des Aufräumens des von Ihnen erzeugten Schuldenberges, den Ihre Finanzminister hinterlassen haben.


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Jetzt beginnt die zweite Phase, nämlich die nachhaltige Sanierung, die Umsetzung all dieser Maßnahmen zur Sanierung des Staatshaushaltes: sozial gerecht, verantwortungsbewusst und im Sinne der Zukunftssicherung, und zwar aller Generationen und nicht nur kurzfristig gedacht.

Vielleicht war es auch immer wieder ein Fehler vergangener Regierungen, dass man immer nur kurzfristig gedacht hat, von Wahl zu Wahl, und die Situation der Menschen in Wirklichkeit noch mehr verschlechtert hat. Man soll nicht von Wahl zu Wahl, sondern von Generation zu Generation denken. Das wäre eine richtige Politik, Herr Kollege Gusenbauer, die man letztlich auch umsetzen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben keine Alternative gebracht – ich habe das schon gesagt –, ich habe die Maßnahmen, die Sie letztlich durchgeführt haben, schon zitiert. Ihr Weg ist keine Alternative, er wäre in Wirklichkeit der Weg direkt in den Staatsbankrott mit einer permanenten Schädigung des wirtschaftlichen Gefüges in Österreich und mit massiven Einkommensverlusten für alle Österreicherinnen und Österreicher. Und das wollen wir nicht!

Deshalb ist dieses Budget 2002 auch so wichtig, weil es ein Ende der Schulden bedeutet und weil auch – das ist mir ganz besonders wichtig – in diesem neuen Budget, das wir in den nächsten Tagen beschließen werden, keinerlei neue einnahmenseitige Maßnahmen, keinerlei Belastungen mehr enthalten sind, sondern ausschließlich auf der Ausgabenseite, in der Verwaltungsreform und in der Bürokratie gespart wird. Das werden die Menschen auch zu schätzen wissen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dieses Budget ist der Sockel für die finanzpolitische Genesung Österreichs, von der wir letztlich alle etwas haben. Es ist letztlich auch ein Budget, das gute Rahmenbedingungen schafft und geringe Arbeitslosigkeit erzeugt. Wir haben im Moment die drittniedrigste Arbeitslosenrate in Europa, wir haben die viertniedrigste Inflationsrate und wir haben sehr, sehr gute Wirtschaftsdaten. Allein im letzten Jahr gab es 7,6 Milliarden Schilling an neuem Investitionsvolumen, 132 neue Firmen haben sich in der Zeit dieser neuen Regierung in Österreich angesiedelt. Das ist an sich etwas ganz Anständiges, diese Firmen haben 5000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist etwas, was in diesem positiven Finanzklima sehr erfreulich ist.

Aber der Vergleich des jetzigen Kurses zu Ihrem Kurs von 1996/97 lässt sich sehen. Sie haben mit Ihren Budgets von 1996/97 in Wirklichkeit 3 Millionen Österreicher einkommensteuerlich belastet. Und wenn Kollege Gusenbauer heute von der Belastung der Arbeitnehmer spricht, dann darf ich ihm das vorrechnen, was die Vorgänger des jetzigen Herrn Finanzministers – die SPÖ-Finanzminister Edlinger, Klima, und wie sie alle geheißen haben – getan haben.

Sie haben 1996/1997 einem Arbeitnehmer, der 15 000 S verdient hat, 560 S im Monat weggenommen. – Das war Ihre Politik! Jetzt ist das eben nicht der Fall. Jetzt haben wir 3,5 Millionen Lohnempfänger, von denen 2,6 Millionen auf der steuerlichen Einkommenseite nicht belastet werden. Und das ist etwas Entscheidendes!

Auch im Kaufkraftvergleich hält dieses Budget im Vergleich zu Ihren Budgets einiges aus. Dieses Budget 2002 sieht letztlich mehr Kaufkraft für alle Österreicherinnen und Österreicher vor: etwa allein im unteren Einkommensdrittel, von dem wir hier so oft sprechen, um 9,2 Milliarden Schilling mehr Kaufkraft als im Jahre 1999. (Abg. Öllinger: Die Menschen müssen das aushalten!) Das ist ein schöner Erfolg dieses Budgets, und das werden wir auch umsetzen, Herr Kollege Öllinger, daran werden Sie uns nicht hindern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir werden auch aufzeigen, mit welch fadenscheinigen Argumenten und wie sehr Sie die Bevölkerung hinters Licht führen, etwa auch in der Frage der Ambulanzgebühren, die wir auch noch beraten werden. Sie behaupten andauernd etwas, was nicht stimmt. Gestern etwa hat Kollege Kostelka auf einmal behauptet: Die Lehrlinge müssen Ambulanzgebühr zahlen! – Das behauptet er einfach. Eine Unwahrheit, die völlig aus der Luft gegriffen ist! Sie wissen ganz genau, dass die Lehrlinge auf Grund ihres niedrigen Einkommens selbstverständlich um Rezeptgebührenbefreiung ansuchen können und diese auch gewährt bekommen, und jeder, der rezeptgebührenbefreit ist, ist selbstverständlich auch von der Ambulanzgebühr befreit. Sie sind


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wieder einmal einer Unwahrheit überführt worden, wieder einer Propaganda, die nicht stimmt. Das wird ja auch noch entsprechend argumentiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Weil Sie so vehement gegen die Ambulanzgebühr auftreten: das alles sei fürchterlich, es gebe keine Lenkungsmaßnahme und eigentlich brauchten wir sie gar nicht, darf ich Sie daran erinnern, dass es einen Folder der SPÖ-Wien gibt, auf dem Herr Häupl abgebildet ist – dieser Folder ist allerdings schon aus dem Jahre 1995 – und in dem sich ein Artikel von Gesundheitsstadtrat Rieder findet, in dem er Folgendes sagt:

"Eine in der Wiener Rudolfstiftung durchgeführte Studie ergab: In einzelnen Ambulanzen hätten 86 Prozent aller Fälle auch durch niedergelassene Ärzte behandelt und so die stark steigenden Spitalskosten eingedämmt werden können." Die SPÖ empfiehlt: "Zum Hausarzt statt ins Spital".

Sie sagen: In den Ambulanzen sind so viele Leute, wir müssen eine Lenkungsmaßnahme ergreifen!, und Sie sagen, dass diese Maßnahme daher vollkommen richtig ist. Daher sind Sie auch so unglaubwürdig in der Argumentation bei der Ambulanzgebühr: weil Sie erstens schon selbst für 2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher Ambulanzgebühren und Selbstbehalte eingeführt haben und weil Sie zweitens genau wissen, dass die Ambulanzgebühr eine richtige Lenkungsmaßnahme ist, zu der wir auch stehen werden und die wir auch durchführen werden. – Das also macht Sie unglaubwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieses Budget 2002 wird letztendlich deshalb – davon bin ich fest überzeugt –, weil es eben keine weiteren Belastungen beinhaltet und weil es den Sanierungskurs fortschreibt, den Aufschwung für alle in den nächsten Jahren sicherstellen. Es wird ein Aufschwung für alle erreicht werden in dieser Regierungsperiode. Ab jetzt – ich sage das klipp und klar – ist es auch damit vorbei, dass wir uns den Kopf darüber zerbrechen, wie wir Ihren Schutthaufen wegräumen, denn das haben wir bereits getan! Jetzt denken wir nach über die wesentlichsten Reformen, die wir in den nächsten zwei, zweieinhalb Jahren umsetzen werden: das Kinderbetreuungsgeld, eine gesellschaftspolitische Reform, die ORF-Reform, die objektivierte Postenvergabe, die Sicherung des Gesundheitswesens, die Abfertigung neu, die Verwaltungsreform, den Bürokratieabbau, die Stärkung der Sicherheit bis hin zu den Sicherungen im Pensionsbereich, bis hin zu den Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit sowie auch eine umfassende Neuordnung und Verbesserung des österreichischen Steuersystems.

Wir werden diese Maßnahmen durchführen. Wir werden diese Maßnahmen vor allem im Dialog mit der Bevölkerung durchführen, die für diese Maßnahmen sicherlich nicht nur ein offenes Ohr hat, sondern diese Maßnahmen zur grundsätzlichen Sanierung des Staates mit einem gesunden Budget, mit einer gesunden Beschäftigungssituation und mit einer guten finanzpolitischen Lage in Österreich auch bei der nächsten Wahl entsprechend unterstützen wird. Ich bin davon fest überzeugt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.34


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Bures zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, ich darf Sie ersuchen, mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen und den berichtigten Sachverhalt dem gegenüberzustellen.

11.34

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Westenthaler hat behauptet, dass Lehrlinge rezeptgebührenbefreit sind und daher von der Ambulanzgebühr ausgenommen werden. – Diese Aussage ist unwahr, Herr Westenthaler! (Abg. Ing. Westenthaler: Das habe ich nicht gesagt! – Abg. Haigermoser: Zuhören!) Ich weiß, dieses Thema regt Sie auf.

Wahr ist vielmehr: Lehrlinge müssen in Zukunft Ambulanzgebühren zahlen! Diese Ambulanzgebühren sind eine der unsozialsten Maßnahmen, die Sie einführen! Behaupten Sie nicht, dass Lehrlinge von der Ambulanzgebühr ausgenommen sind – das ist eine falsche Behauptung! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

11.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte.

11.35

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Beschluss des Budgets für das Jahr 2002 fällt in eine wirtschaftlich nicht einfache Zeit. Ich habe beispielsweise im Dezember, im Vorfeld von Nizza, darauf hingewiesen, dass einiges darauf hindeutet, dass international eine Verlangsamung der Konjunktur durchaus zu befürchten sein könnte. Das hing einerseits mit der Ölkrise zusammen, andererseits aber auch mit gewissen Schwächezeichen der amerikanischen Konjunktur und einer Nichterholung der japanischen Situation. – Das muss man sehen.

Wie reagiert man?, ist die Frage, angesichts einer Situation, in der wirtschaftliche Fragezeichen, und nicht nur wirtschaftliche, da sind, die Börsenkurse in manchen Bereichen einbrechen, vor allem bei den Hochtechnologiewerten, aber auch in der old economy – die österreichische Situation erscheint übrigens ein bisschen davon abgesetzt –, in der immerhin große Unsicherheiten vorherrschen. Wie reagiert man darauf?

Ich muss Ihnen sagen, Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich bin eigentlich auch enttäuscht darüber, dass Sie nicht die Chance wahrgenommen haben, angesichts dieser Situation auch Fundiertes zur Wirtschaftspolitik vorzutragen, denn mit diesen holzschnittartigen Darstellungen: hier das Reich des Lichts und dort das Reich der Finsternis, kommt man ja nicht aus. In einer solchen Diskussion müsste man doch gemeinsam darum ringen, die beste wirtschaftspolitische Strategie für Österreich auszuarbeiten!

Ich sage Ihnen ganz offen, dass wir uns das sehr lange überlegt haben. Es ist ja nicht so, dass wir jetzt etwas hinlegen, und das war es, sondern wir sitzen seit Wochen und Monaten zusammen und ringen innerhalb des Bereichs der Möglichkeiten, die es in der Wirtschaftspolitik gibt, darum: Was ist die für Österreich beste Strategie?

Im Wesentlichen gibt es drei grundsätzliche Möglichkeiten. Zum einen kann man so weitermachen wie bisher. Wohin das führt, wissen Sie, da brauche ich jetzt nicht polemisch zu werden: Das hieße, weiterhin hohe Defizite in Kauf zu nehmen, Schulden in Kauf zu nehmen, die letztlich über steigende Zinsen wiederum den Steuerzahler belasten.

Absolut falsch ist es, dass, wie Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dies hier behauptet haben, der Finanzminister quasi sein Defizit aus den Haushaltskassen in die Privatkassen der Steuerzahler verlagert, aber vielleicht ist es Ihnen nicht geläufig: Der Finanzminister hat keine Kasse! Er verwaltet optimal und sorgfältig jenes Geld, das ihm die Steuerzahler treuhändig zur Verfügung stellen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Jeder einzelne Schilling, jede Schuldenaufnahme muss zurückgezahlt werden, und das mit Zinsen und Zinseszinsen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Alles, was Sie glauben, sich bei der Budgetkonsolidierung ersparen zu können, fällt im Nachhinein jedem einzelnen österreichischen Steuerzahler härter und schmerzhafter auf den Kopf. Die schmerzlose Budgetsanierung gibt es nicht!

Wir befinden uns auch deshalb in einer schwierigen Phase, weil wir offen gesagt haben, dass jeder für die Sanierung des Budgets, der Budgetpolitik, für die Vollbeschäftigung ohne Schulden wird Opfer bringen müssen. Wir haben aber sehr sorgfältig darauf geachtet, dass diese Opfer, die jeden treffen, sozial ausgewogen sind. Das heißt, "kleine Leute", Ärmere treffen diese notwendigen Opfer eben weniger als den Mittelstand oder jene, die mehr haben.

Ich stehe dazu, ich halte das auch für richtig. Es wäre aber falsch, zu sagen, dass es eine Budgetsanierung gibt, die niemand spürt, die die Steuerzahler nicht merken, die an den Menschen dieses Landes spurlos vorübergeht. Wir wissen, dass sich viele darüber ärgern, dass manche Leistungen erhöht worden sind, dass Absetzbeträge gekürzt worden sind und, und, und. Das weiß ich, wir sind uns dessen bewusst, aber wir glauben, dass diese Opfer berechtigt sind, weil sie letztlich die Zukunft des Landes freispielen. Budgetkonsolidierung heißt für uns eben, dass wir das Geld der Steuerzahler für Zukunftsinvestitionen (Abg. Öllinger: Wo denn?)


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und nicht für die Kreditrückzahlungen oder für die Zinsen der früheren Schulden ausgeben. – Das ist "neu regieren", meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt drei Wege in der Wirtschaftspolitik, die theoretisch denkbar sind: weitermachen wie bisher (Abg. Haigermoser: "Konsum"-Politik!), das heißt Schulden in dreistelligen Milliardenbeträgen in Schilling, weit über 100 Milliarden Schilling jedes Jahr. Die Frage ist: Wollen Sie das?

Wenn Sie das nicht wollen – und ich glaube, dass auch einige Ihrer öffentlichen Erklärungen darauf hingedeutet haben, dass Sie sich prinzipiell zum Sparziel bekennen –, wenn das der Fall ist, dann gibt es zwei andere Wege: Man kann einnahmenseitig oder ausgabenseitig etwas tun. Was aber nicht geht, meine Damen und Herren, ist, jede Einnahmenerhöhung zu kritisieren und gleichzeitig jede Ausgabenkürzung als unsozial zu verdammen! (Abg. Edlinger: Wer tut das?) Herr Abgeordneter Gusenbauer! Das geht nicht, das ist unlogisch und das ist auch unsensibel! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Sie haben eine selektive Wahrnehmung, Herr Bundeskanzler!)

Wir haben uns zu einer Mischform bekannt: zu einem Drittel etwa einnahmenseitige Maßnahmen und zu zwei Dritteln entweder Kürzungen im Bundesbereich oder modernen Finanzausgleich, eine gemeinsame Anstrengung mit den Ländern und Gebietskörperschaften. Und da, muss ich sagen, sind offensichtlich die sozialdemokratischen Landeshauptleute bereits weiter als Sie, denn der Pakt zum Finanzausgleich wurde mit den Landeshauptleuten Stix und Häupl unterschrieben. Diese Herren stehen dazu, sie wussten, wie notwendig im Interesse der Zukunft unseres Landes diese Budgetsanierung ist. Und all das, was jetzt umgesetzt ist, war vorher bekannt, ist gemeinsam erarbeitet und grosso modo auch als Ziel akzeptiert worden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich ist es Ihre Aufgabe als Opposition, einzelne Maßnahmen zu kritisieren. Aber der intellektuellen Redlichkeit halber sollte man schon darauf hinweisen: Ambulanzgebühren sind nicht nur vom Stadtrat Rieder, sondern auch schon vom Abgeordneten und Ex-Minister Edlinger vorgeschlagen worden. Oder: die Abschaffung des Investitionsfreibetrages. Ich habe ein gutes Gedächtnis und kann sagen, das ist keine genuin ÖVP- oder FPÖ-Forderung. Ich habe jahrelang die gleiche Forderung von den sozialistischen Finanzministern Lacina bis Edlinger gehört. Bleiben Sie doch bei der Wahrheit, Herr Abgeordneter Gusenbauer! Stehen Sie dazu! Das ist auch keine Schande. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Wir haben von der Wirtschaft die Zusage – als befristetes Opfer! – zur Abschaffung des Investitionsfreibetrages für drei Jahre erhalten; dann soll das in einer Unternehmenssteuerreform wieder aufgehoben werden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Zu spät!) Von Ihnen wäre das inkassiert worden und niemals wieder zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes zurückgeflossen. Das ist der Unterschied! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Unsere budgetäre Situation bedarf aber nicht nur eines Sparkonzeptes, sondern eines Gesamtkonzeptes in der Wirtschaftspolitik. Wir müssen zuerst sanieren, dann reformieren und drittens investieren, und wir machen alles: Wir sanieren die Budgets, wir sanieren die Löcher in der Krankenkassa – die nicht durch uns verursacht worden sind! –, wir sanieren die Schuldensituation in der ÖIAG, die wir geerbt haben, und wir sanieren manches, was sich im Pensionsversicherungsrecht schon lange aufgestaut hat. Wir reformieren zugleich die Verwaltung, wir reformieren das System des Miteinanders der Gebietskörperschaften, wir reformieren die Universitäten und die Schulen, weil wir einfach die beste Ausbildung für unsere jungen Leute haben wollen. Gleichzeitig investieren wir in Bildung, in Forschung, in Infrastruktur.

Wer die Budgets lesen kann, der soll sich jetzt wirklich einmal ansehen: Hat es zu irgendeiner Zeit, in irgendeinem Jahr mehr Geld für Forschung gegeben, ja oder nein? (Abg. Dr. Gusenbauer: Ja, voriges Jahr!) Sie können es nicht leugnen: In diesem Budget steht das meiste Geld für Forschung und Entwicklung zur Verfügung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Hat es – Frage an Sie, meine Damen und Herren von der Opposition – irgendein Jahr in der Geschichte gegeben, als Sozialisten die Verantwortung als Finanzminister oder Kanzler getragen haben, in dem mehr Geld für Schulen oder Universitäten ausgegeben wurde? Dann heraus damit, dann sagen Sie die Wahrheit! – Sie schweigen! Nein, das hat es nicht gegeben, weil für diesen Bereich jetzt mehr Geld denn je zur Verfügung steht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die dritte Frage – das waren ja Ihre drei Punkte, Herr Abgeordneter Gusenbauer –: Hat es jemals in einem Jahr mehr Geld für die Infrastruktur, für Schiene und Straße gegeben? Die Antwort ist: Nein! (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Die Budgets insgesamt für ASFINAG, ÖBB und SchIG weisen für heuer und für nächstes Jahr mehr Geld aus als zu jeder anderen Zeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher: Den Ideenwettbewerb führen wir gerne mit Ihnen, aber dann wollen wir auch Ideen zu Alternativen hören! Was hätten Sie denn gerne? Welche Ansätze hätten Sie gerne anders gestaltet? Wo wollen Sie mehr oder weniger auf der Einnahmen-, auf der Ausgabenseite? (Die Abgeordneten Dr. Mertel und Mag. Wurm: Anträge lesen! Da gibt es SPÖ-Anträge!) Dann kann der österreichische Wähler natürlich seine Entscheidung treffen, die Bürger können entscheiden: Dieses oder jenes ist uns lieber.

Aber ich möchte auch noch etwas Grundsätzliches zu Abgeordnetem Öllinger sagen. Ich möchte nämlich darauf hinweisen, dass wir in diesen letzten Monaten gesellschaftspolitisch einiges in Bewegung gesetzt haben, und das ist verpackt in dieses Budget: die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten etwa – wer ist denn heute noch dagegen? – oder die Frage einer modernen und zukunftsorientierten Familienpolitik. Natürlich können Sie mit uns über gewisse Dinge reden, etwa darüber, dass es im Bereich der Kindergärten noch immer so manches von den Ländern und von den Gemeinden zu tun gibt. Die Länder und Gemeinden werden das auch tun, und wir werden ihnen dabei zur Seite stehen.

Im Bereich der Direkttransfers aber ist es wichtig, jungen Müttern die Angst zu nehmen, dass Kinder, ein Kind oder gar mehrere Kinder zu haben, ein Abgleiten in die Armutszone bedeuten kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ihnen die Angst davor zu nehmen, das ist eine wahrhaft soziale Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Vereinbarkeit von Beruf und Familie. – Frau Abgeordnete Mertel! Sie sind doch lange Zeit Familiensprecherin gewesen. Das Berufsverbot, das es immer gegeben hat, war doch genau die Barriere, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verhindert hat. Wenn wir jetzt die Zuverdienstgrenzen vervierfachen, dann bedeutet das doch zum ersten Mal die Möglichkeit für junge Mütter und Väter, sich frei für Kind und Beruf zu entscheiden. Darauf sind wir wirklich stolz, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daneben gibt es eine ganze Reihe von Programmen, die Martin Bartenstein gemeinsam mit dem AMS organisiert – wofür sie sehr zu loben sind –: Wiedereinstiegsprämie, Karenz plus, alles Mögliche wird gemacht. 15 000 junge Mütter nehmen derzeit an solchen Programmen teil, und das kostet, wenn ich richtig informiert bin, an die 2 Milliarden Schilling.

Das ist ein Impuls, auf den wir doch gemeinsam stolz sein können. Darüber brauchen wir doch um Himmels willen nicht zu streiten! Es ist durchaus ein Ideenwettbewerb der besten Köpfe gefragt, was in diesem Bereich noch möglich ist. Zu sagen, eine Investition in unsere Familien von 9 bis 10 Milliarden Schilling sei nichts oder sei sogar schlecht, das, meine Damen und Herren, ist nicht ernst, das ist nicht seriös, und ich möchte eigentlich eine seriöse Diskussion mit Ihnen führen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu dem von Ihnen erwähnten dritten Punkt, zur Frage der Investition in brain-power, Informations-, Kommunikationstechnik und all diese Dinge. – Vielleicht ist es noch zu wenig möglich, aber weshalb nehmen Sie denn nicht zur Kenntnis, dass gerade in diesen Monaten der größte Schub in diesem Bereich erfolgt ist? Wir verdoppeln etwa die Zahl der Lehrlinge in den IKT-Berufen, wir vervierfachen die Zahl der Universitätsabsolventen in den nächsten vier Semestern,


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wir erhöhen den Ausstoß, die Zahl der Absolventen an den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, die einen IKT-Abschluss haben, von 20 000 auf 30 000. Ist das wirklich nichts? 40 Klassen mehr für 1 000 Schüler? Ist das nicht etwas, zu dem auch die Opposition sagen kann: Jawohl, dazu stehen wir, das steht außerhalb des Parteienstreits, das ist wichtig für unser Land!? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Ich sage Ihnen offen: Eine Diskussion darüber hätte ich gern geführt.

Herr Abgeordneter Öllinger! Sie beklagen, Österreich sei nicht tolerant, und Antisemitismus, Rassismus und Verhetzung werden jetzt Platz greifen oder werden stärker denn je. – Herr Abgeordneter! Nehmen Sie mich beim Wort: Es ist noch nie so viel getan worden, um jene Menschen, die in Österreich voll integriert sind, die wir eingeladen haben, für die wir verantwortlich sind, auch wirklich einzubinden! (Abg. Öllinger: Einzelne Personen!) Wer legal in Österreich wohnt, wird auch hier arbeiten können. Die 10 Prozent Ausländer – mehr als in jedem anderen Land in der Europäischen Union – sind Gott sei Dank friedlich und ordentlich und richtig integriert. Darauf bin ich stolz, Herr Abgeordneter! Malen Sie nicht ein Zerrbild von meiner Heimat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht!)

Das Gleiche gilt für die Integrationsarbeit. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht!) Wissen Sie es nicht, soll ich es Ihnen sagen? (Abg. Öllinger: Ja, bitte!)  – Wir haben derzeit 10 500 Lehrer, die – zumindest 8 000 davon – nichts anderes tun, als für Behinderte oder für in irgendeiner Weise nicht voll ausbildbare oder nur mit Schwierigkeiten ausbildbare Schüler zur Verfügung zu stehen, und 2 500 Lehrer stehen für die Ausländerintegration für jene Ausländer zur Verfügung, die Deutsch nicht als Muttersprache haben.

Ich sage Ihnen offen: Dieses Land war, ist und bleibt ein offenes, ein tolerantes Land! Und darauf sollten wir auch gemeinsam stolz sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses Budget für das Jahr 2002 wird also zu einem sehr interessanten Zeitpunkt beschlossen. Die Konjunktur in Amerika geht deutlich zurück, heuer auf 0 Prozent, nächstes Jahr vielleicht 1 Prozent, in Japan auf 0 Prozent. Jeder, der glaubt, dass das nicht auf Europa zurückschlägt, auch auf ein Land wie Österreich, das sich ja 50 Prozent seiner Wertschöpfung im internationalen Wettkampf jedes Jahr neu erobern muss, der irrt. Das ist auch völlig klar. Aber selbst dann, wenn die Wirtschaftsforscher morgen ihre Konjunkturprognosen zurücknehmen, werden mit unserer klugen Mischung die Ziele einer Budgetsanierung, eines Nulldefizits und einer Vollbeschäftigung gehalten werden. Es ist uns wichtig, dass mit diesem Budget das Geld des Steuerzahlers in Zukunftsinvestitionen geht und nicht in die Tilgung und Verzinsung von Altschulden. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte.

11.52

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! (Abg. Haigermoser: Geschätzte Damen und Herren!) Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Wir halten heute die zweite Lesung zum Budget 2002 ab, und ich finde, es ist hochinteressant, die Diskussionsbeiträge, die bisher eingebracht worden sind, ein wenig Revue passieren zu lassen. (Abg. Zweytick: Das ist doch kein Simpl-Kabarett!)

Da sprach zunächst einmal der Klubobmann der Österreichischen Volkspartei und Buchautor Khol, der sich in einer unglaublich subjektiven Geschichtsdarstellung ergangen hat. Vielleicht sind seine zeitgeschichtlichen Betrachtungen interessant, sie sind – davon bin ich überzeugt – auch literarisch exzellent, aber sie sind politisch falsch, soweit man das dem Vorabdruck entnehmen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben von der Budgetentwicklung gesprochen und sich darüber beklagt, dass das Budget heute noch die Bewältigung der Politik von Kreisky und Androsch zu bewerkstelligen hat. Sie


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vergessen dabei, dass sich die österreichische Schuldenentwicklung wunderbar darstellen lässt. (Der Redner zeigt eine Tabelle mit der Überschrift "Schuldenentwicklung seit 1970".) In den 13 Jahren sozialdemokratischer Alleinregierung gab es 295 Milliarden Schilling Schulden. In den 13 Jahren gemeinsamer Regierungstätigkeit mit Ihnen, sehr geehrter Herr Khol, stiegen die Schulden um 991 Milliarden Schilling. (Rufe bei der SPÖ: Hört, hört! Oh! Aber geh!)

Wenn man das auf das BIP umrechnet (der Redner zeigt eine weitere Tabelle mit der Überschrift "Jährlicher Schuldenanstieg in % des BIP"), dann hat der jährliche Schuldenanstieg der Republik Österreich zur Zeit der Alleinregierung der Sozialdemokraten 1,7 Prozent pro Jahr betragen, in der Koalitionszeit mit Ihnen haben wir einen Anstieg auf 2,64 Prozent zustande gebracht.

Ich kritisiere das gar nicht, sondern ich bekenne mich auch zur Politik der letzten 30 Jahre. Ich finde nur, es ist äußerst interessant, dass Sie alles vergessen haben, was Sie in den 13 Jahren vor dem Jahre 2000 gemacht haben! Daher würde ich Ihnen, sehr geehrter Herr Khol, einen anderen Untertitel für Ihr Buch empfehlen. Wenn man Ihre Auffassung, Ihre politische Darstellung hier Revue passieren lässt, dann kommt man zu dem Schluss, Ihr Buch wäre wahrscheinlich ein Renner, würde man es folgendermaßen titulieren – suchen Sie es sich aus –: "Von Absurdistan in die Wüste Gobi" oder "Von der Wüste Gobi nach Absurdistan"; Letzteres ist, glaube ich, besser. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Ich bedanke mich für die Werbung, Herr Edlinger!)

Ich habe auch mit sehr großem Interesse den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers zugehört. Der Herr Bundeskanzler war als Minister und Vizekanzler elf Jahre lang in der rot-schwarzen Koalition tätig, und nach dem 4. Februar des Jahres 2000 erklärte er der staunenden Öffentlichkeit: Ich hatte ja überhaupt keine Ahnung das Budget und die Schulden betreffend! – Jeder in Österreich weiß, dass jeder einzelne Beschluss in der Bundesregierung einstimmig gefasst werden muss. Elf Jahre – und er hatte keine Ahnung! Das ist offenbar die Qualifikation, die ein österreichischer Bundeskanzler in dieser Regierung benötigt: keine Ahnung zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werte auch seinen heutigen Beitrag zum Budget in diesem Sinne. Wenn der Herr Bundeskanzler meint, es sei ein Mix aus Einnahmen und Ausgaben, dann hat er selbstverständlich Recht. Ein Budget ist nämlich immer ein Mix aus Einnahmen und Ausgaben, falls Sie das noch nicht gewusst haben! (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Aber geh!) Nur ist Ihre Zielsetzung sehr zentriert: Sie belasten die "Kleinen" durch zusätzliche Steuern, und Sie nehmen ihnen Leistungen des Staates weg. Noch nie mussten die "kleinen Leute" in Österreich so viele Steuern für so wenig Leistung zahlen! Das ist das historische Verdienst Ihrer Regierung, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde es sehr weit hergeholt, wenn der Herr Bundeskanzler der Republik Österreich meint, dass die Frauen bisher Angst hatten, Kinder zu bekommen. Ich finde, das ist eine äußerst interessante Argumentation, und ich muss sagen, ich bin sehr froh, dass ich mit einer so "mutigen" Frau verheiratet bin, wir haben nämlich drei Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Budget 2002 schafft jene Rahmenbedingungen, die diese Regierung ganz offensichtlich braucht, um ihren Weg der bisherigen Politik fortzusetzen. Es ist jener Weg, der die Ungerechtigkeiten gegenüber den sozial Schwächeren fortsetzt, der die Belastungen der "kleinen Leute" weiterführt, der die Umverteilung zu Lasten der "Kleinen" fortsetzt, der die Einkommen und das Wirtschaftswachstum weiter schwächt. Und es ist jener Weg, dem die Menschen in Wien eine klare Abfuhr erteilt haben! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt gar nicht die Behauptung aufstellen, dass das Wahlergebnis in Wien ausschließlich auf die Politik der Bundesregierung zurückzuführen ist. Nein, das möchte ich nicht, das wäre sehr vermessen, denn in Wirklichkeit ist natürlich die exzellente Politik der Sozialdemokraten in Wien ein ganz wesentlicher Aspekt: Für die Sozialdemokraten zählt Menschlichkeit, wir haben eine schöne, eine menschliche Stadt geschaffen, die zu zerstören selbst dieser Bun


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desregierung nicht gelungen ist! – Das war es, was letztendlich in diesem Votum am vergangenen Sonntag zum Ausdruck gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren – Sie nennen das "Wende" –, ist in der Tat eine Wende: eine kalte Wende weg von der Politik der letzten drei Jahrzehnte Österreichs. Die letzten drei Jahrzehnte, in denen sozialdemokratische Regierungsführung in diesem Land herrschte (Abg. Dr. Krüger: Herrschte! Genau!), waren in der Tat 30 gute Jahre für Österreich. Österreich wurde von einem Hinterhof Europas zu einer der führenden Industrienationen, zu einem der reichsten Länder in der Europäischen Union, zu einem Land des sozialen Wohlstands, zu einem Land des sozialen Friedens. – Das ist das Ergebnis 30-jähriger sozialdemokratischer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Budgetpolitik baut auf der Fiktion der mangelnden Wahrhaftigkeit auf, denn Sie haben behauptet – und behaupten das nach wie vor in jeder Ihrer Reden –, Sie hätten überproportionale Schulden übernommen, als Sie angetreten sind, dieses Land zu regieren. (Der Redner zeigt neuerlich eine Tabelle, und zwar mit der Überschrift "Schuldenquote 1999".) Der Schuldenstand der Republik Österreich betrug 1999 – damit haben Sie begonnen – 64,9 Prozent. In den Ländern der Europäischen Union betrug der Durchschnitt 68,1 Prozent.

Wahr ist vielmehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir geordnete Finanzen übernommen haben (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen sowie Ruf: Ja, aber übergeben nicht! ), pardon: übergeben haben, sodass Sie letztendlich auf der Basis einer politischen Realität operieren, die Sie Ihrer Vorgängerregierung verdanken!

Ich bedauere zutiefst, dass die Österreichische Volkspartei so massiv unter Gedächtnisverlust leidet! (Beifall bei der SPÖ.) Sie werden das allerdings noch einmal sehr teuer bezahlen müssen, dann nämlich, wenn Ihr jetziger Koalitionspartner draufkommt, welche Hintergedanken Sie in Ihrer Politik haben, nämlich eine massive Umverteilung von unten nach oben, wofür Ihnen die Blauen die Mauer machen sollen. Das ist das Resultat Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie von den Regierungsparteien stellen sich hierher und sagen, Sie würden Schulden abbauen. – Wahr ist vielmehr: Der Schuldenstand steigt weiter. Allein in den wenigen Tagen, in denen wir hier Ihr Budget debattieren, steigt der Schuldenstand Österreichs um 500 Millionen Schilling. (Abg. Dr. Khol: Das sind die Zinsen für Ihre Schulden! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ist das nicht lustig, wenn Sie Ihre Politik hier in der Öffentlichkeit vergleichen mit dem, was Sie tatsächlich zustande bringen?! (Abg. Dr. Khol: Da geht es um Ihre Zinsen! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, Sie behaupten weiters, Österreich wäre sozusagen Budget-Schlusslicht gewesen. – Das mag stimmen, aber nur für ein einziges Jahr, nämlich im Jahre 1999, und zwar in jenem Jahr, in dem die erste Etappe der Familienreform erfolgte und viele Maßnahmen im Bereich der Steuerpolitik gesetzt wurden. Das alles geschah ein bisschen – ich gebe das durchaus zu – mit einem Schielen auf den Wahltermin. Und das war falsch!

Sie aber machen jetzt bitte doch dasselbe! Wenn ich darüber nachdenke, was Sie alles für das Jahr 2003 den Bürgerinnen und Bürgern versprechen, kann ich dazu nur sagen: Es muss einem da direkt angst und bange werden! Mit Bedauern für die Menschen, aber mit der Gelassenheit eines Sozialdemokraten blicke ich Ihrer chaotischen Politik entgegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn hier von Umverteilung gesprochen wird, dann muss man sich auch die Steuereinnahmen anschauen. Sie von den Regierungsparteien behaupten ja, wir von der SPÖ hätten keine Alternativen. – Ich weiß schon, dass Sie unter selektiver Wahrnehmung leiden, gar keine Frage, denn Sie lesen nicht unsere Minderheitsberichte, auch nicht unsere Entschließungsanträge. (Abg. Dr. Khol: Natürlich tun wir das!) Sie müssen das auch nicht. Sie können sich in Ihrer Arroganz weiterbewegen, indem Sie ununterbrochen behaupten, die Sozialdemokraten seien gegen alles und jedes.


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Wir Sozialdemokraten sind nicht gegen alles. Wir sind nur dagegen, dass Sie einseitig die Arbeiter und Angestellten und die Pensionisten in unserem Lande belasten! Dagegen sind wir! Dagegen legen wir ein Veto ein! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die Lohnsteuer geradezu explodiert, ja wenn trifft denn das? – Die Arbeiter und Angestellten in diesem Lande!

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Der "Presse" werden Sie doch wohl nicht unterstellen wollen, dass diese sozialdemokratische Politik macht. Ich darf Ihnen daher einen "Presse"-Artikel vom 23. März zeigen – das ist nämlich das Resümee Ihrer Politik –, in dem es heißt (der Redner hält eine Tafel in die Höhe, liest daraus vor und stellt diese sodann vor sich auf das Rednerpult): Beim Steuererhöhen übertrifft die Regierung alle ihre Vorgänger. – Herzlichen "Glückwunsch", mit einem Bedauern den österreichischen Steuerzahlern gegenüber zum Ausdruck gebracht! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus unserer Kritik an Ihrer Politik ergibt sich die Alternative. Worin liegt denn unsere Kritik, wo setzen wir denn an, wo würden wir Veränderungen setzen? Was ist in den vergangenen 30 Jahren geschehen – und was passiert jetzt bei dieser so genannten Wende? Das, was wir Sozialdemokraten kritisieren, empfiehlt sich eben gleich als Alternative. Ich darf nur Folgendes in Erinnerung rufen: Der Wohlstand, die Einkommen, die Pensionen der Menschen sind in 30 Jahren sozialdemokratischer Regierungszeit in einer Weise gestiegen, wie das nie zuvor der Fall war. – Jetzt hingegen werden Arbeitnehmer und Pensionisten mit Steuern belastet, wie das nie zuvor in der Geschichte der Fall war!

Der Lebensstandard der Österreicher lag im Jahre 1970 35 Prozent unter jenem in der Bundesrepublik Deutschland. – Heute liegen wir um 5 Prozent darüber. (Abg. Dr. Khol: Dank unserer Regierung!) Wir Sozialdemokraten haben Österreich auf die Überholspur gebracht, Sie aber von FPÖ und ÖVP katapultieren unser Land auf die Kriechspur! Das ist Ihre Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Was sind Ihre Vorschläge?)

1970 war der Zugang zu Bildungseinrichtungen nicht mehr vom Geld abhängig, sondern wurde für alle Menschen frei zugänglich gemacht. Es gab das Gratisschulbuch, Stipendien wurden eingeführt, die Studiengebühren hingegen abgeschafft. (Abg. Achatz: Sie reden nur von der Vergangenheit! Was sind Ihre Vorschläge?) In den siebziger Jahren wurde alle 50 Tage eine Mittelschule eröffnet – und das war dann 30 Jahre lang so. (Abg. Achatz: Sie blicken immer nur zurück! Bringen Sie endlich einmal Vorschläge!) Heute wird in all diesen Bereichen gespart: Verringerung der Planstellen bei Lehrern, bei der Bildung wird gespart – und damit leider bei der Zukunft unserer Kinder. (Abg. Achatz: Vorschläge! Vorschläge!)

Über die Studiengebühren amüsiert sich Ihr Finanzminister geradezu! – Das ist die Kälte, die Sie den Menschen unseres Landes gegenüber zum Ausdruck bringen, Menschen gegenüber, die – so, wie das bisher der Fall war – einen kostenlosen Zugang zu den Bildungseinrichtungen haben wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Vorschläge!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesundheitswesen wurde in den letzten 30 Jahren in geradezu unglaublich hohem Maße verbessert. (Abg. Achatz: Vorschläge!) Jeden Tag standen den Menschen zwei Ärzte ... (Abg. Achatz: Vorschläge!)  – Papagei! (Rufe bei den Freiheitlichen: Unerhört!) Ist in Ordnung. (Abg. Achatz: Vorschläge!) Die Vorschläge lauten: Egalisierung Ihrer Demontage im sozialpolitischen Bereich! Das ist ein umfassendes sozialpolitisches Konzept, davon haben Sie aber leider keine Ahnung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: "Papagei" sagt er zu einer unserer Abgeordneten! Unerhört! Ordnungsruf, Herr Präsident!)

Das war die Weichenstellung sozialdemokratischer Politik: täglich zwei Ärzte, fünf Krankenpfleger mehr! Und das bitte 30 Jahre lang! – Was aber passiert heute? – Kranke werden belastet, Unfallrentner werden steuerlich geschnäuzt. Der Weg in die Zwei-Klassen-Medizin ist geradezu vorgezeichnet. Die Ambulanzgebühr wird wieder kommen! Und was steht in Ihrem Arbeitsprogramm? – Mitterlehner hat ja das bereits urgiert –: Überprüfung der Einführung von


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Selbstbehalten bei sämtlichen Arztbesuchen. 20-prozentiger Selbstbehalt bei jedem Arztbesuch, das steht in Ihrem Arbeitsprogramm! Mitterlehner urgiert diesbezüglich also eine "positive Prüfung". – Nochmals: Das ist der Weg in die Zwei-Klassen-Medizin! Das ist das, was Sie den Österreicherinnen und Österreichern verordnen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

In den 30 Jahren sozialdemokratischer Regierungstätigkeit wurden nicht weniger als 720 000 Arbeitsplätze geschaffen. – Da Sie von der Koalition heute sagen, die Arbeitslosigkeit ist niedrig: Die war in Österreich immer niedrig, weil es das Hauptziel sozialdemokratischer Politik war, und zwar auch zu Zeiten, in denen es in anderen Ländern eine 10-, ja 12-prozentige Arbeitslosenrate gab, massiv Mittel in die Beschäftigungspolitik zu investieren.

Das durchzusetzen war mit der ÖVP gar nicht immer leicht – das darf ich Ihnen verraten. Es war nicht leicht, mit ihr eine arbeitnehmerorientierte Politik zu machen; aber wir haben das letztendlich geschafft. (Zwischenruf des Abg. Zweytick. ) Sie wollen allerdings Verschiedenes in diesem Bereich heute anders sehen. Sie von den Koalitionsparteien kürzen AMS-Mittel, kürzen letztendlich in jenem Bereich Mittel, wo sie für die Arbeiter und Angestellten in unserem Lande eingesetzt werden müssten. Und das ist das, was ich Ihnen vorwerfe. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie jetzt fragen, worin die Alternative liegt, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Die Alternative ist die, dass wir die Politik der Sozialdemontage, die Politik, dass nur von den so genannten Kleinen Steuern kassiert werden, Multimillionäre hingegen ihre Gewinne in Stiftungen am Fiskus vorbei operieren, wahrlich nicht gutheißen können und da eine Änderung herbeigeführt haben wollen. Das ist die Politik, die ich kritisiere, meine Damen und Herren. Da vermisse ich jedoch Alternativen Ihrerseits! Und da werden wir Ihnen auch immer wieder den Spiegel vorhalten, wenn Sie nämlich vorgeben, für die Menschen in unserem Lande da zu sein! (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und zwar sowohl von der so genannten christlich-sozialen Partei als auch von der ÖVP. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Was soll das?) Es ist Fastenzeit. Halten Sie Einkehr! Gehen Sie in sich! (Ruf bei der ÖVP: Sind das die zehn Gebote Edlingers?) Seien Sie enthaltsam bei weiteren großen, aber inhaltsleeren Ankündigungen! Sparen Sie bei falschen Versprechungen! Sparen Sie bei Unwahrheiten! Sparen Sie auch mehr bei sich selbst und bei Ausgaben für Propaganda! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie, Herr Minister Grasser: Stimmt das Gerücht, dass in dritter Lesung hier noch ein Antrag betreffend 50 Millionen Schilling zusätzlich für Propaganda in diesem Hause, überfallsartig geradezu, eingebracht werden soll? (Ruf: Diese Gerüchteküche des Edlinger ...! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich frage Sie ganz konkret, ob das der Realität entspricht!

Nochmals: Sparen Sie bei sich selbst! Sparen Sie nicht länger auf Kosten der "kleinen Leute"! Sparen Sie nicht länger auf Kosten der fleißigen und anständigen Österreicher! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

12.09


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Ing. Peter Westenthale


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r
(Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Edlinger hat hier vom Rednerpult aus eine Abgeordnete dieses Hauses eindeutig mit einem Tiervergleich belegt. – Ich verlange daher, Herrn Abgeordnetem Edlinger, da ja gerade die SPÖ-Fraktion hier immer wieder auf vergangene Zeiten bei Tiervergleichen hinweist, gerade auch deshalb einen Ordnungsruf zu erteilen. (Abg. Böhacker: Herr Abgeordneter Edlinger, Sie sollten sich dafür entschuldigen! Das war ein typisches Macho-Verhalten! Und das war auch sexistisch! – Abg. Edlinger: Sie hat immer das Gleiche gesagt! Wie ein Papagei! – Weitere Gegenrufe bei der SPÖ.)

12.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Ich habe das Protokoll bereits angefordert und werde im Laufe des heutigen Tages dazu noch Stellung nehmen.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.11

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Der Budgetentwurf 2002 hat zum Ziel, eine Budgetkonsolidierung zu erreichen. Das Ziel der Bundesregierung, keine neuen Schulden und dabei Vollbeschäftigung zu haben, fand und findet breiten gesellschaftlichen Konsens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere Sie an die Reformdialoge 1 und 2: Alle gesellschaftlich relevanten und großen Gruppen unseres Landes waren darin eingebunden: die Regierung genauso wie die Opposition, die sich allerdings jetzt nicht mehr daran erinnern will oder kann; ebenso die Länder und Gemeinden, die Sozialpartner, die Wissenschaft. Und – was wohl das Wichtigste war – die Bevölkerung hat diesen Konsolidierungskurs unterstützt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Ziel, bis zum Jahre 2002 – also in sehr kurzer Zeit – eine Budgetkonsolidierung zu erreichen, hat allerdings eine radikale Abkehr vom bisherigen Kurs notwendig gemacht. Bisher gab es – wir von der ÖVP waren dabei, wir wissen, wovon wir sprechen – zögerliche, langsame, auf halbem Weg oft stehen gebliebene und auch oft halbherzige Versuche, das Budget in Ordnung zu bringen.

Die ÖVP hat 1995 – ich werde das nie vergessen – darauf gedrungen, dass das Budgetdefizit in Österreich in Ordnung kommt. Im Jahre 1995 gab es allerdings Wahlen – und die SPÖ hat damals das Anstreben dieses Ziels immer wieder verweigert. Darauf möchte ich schon verweisen, meine Damen und Herren, und ebenso möchte ich an den Pensionisten-Brief des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky erinnern. (Abg. Dr. Khol: Den werde ich nie vergessen!)

Der neue Weg, zu den sich diese Bundesregierung entschlossen hat, ist nicht leicht – und es ist das vor allem eine in Österreich bisher unübliche Vorgangsweise, die allerdings unbedingt notwendig ist. Die Ausgangssituation war nämlich entsprechend dramatisch, Herr Kollege Edlinger: 1 700 Milliarden Schilling Altschulden bedeuten Kosten der Bedienung der Altschulden von 114 Milliarden Schilling jährlich – und das ist mehr als die Summe der Budgetkapitel Bildung, Kultur und Wissenschaft zusammen!

Auf Grund dieser Ausgangssituation musste diese Bundesregierung rasch und entschlossen handeln. Auch wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr so einfach darstellt: Die Wirtschaftsdaten 2000 und auch die derzeitigen Prognosen für 2002 sind durchaus zufrieden stellend, und vor allem ist – das Allerwichtigste! – die Arbeitsmarktsituation eine besonders günstige. Sie können täglich die Zeitungen aufschlagen und werden erkennen: starke Nachfrage der Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt.

In Österreich haben wir derzeit einen Rekord an unselbständig Beschäftigten: über 3 Millionen Menschen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 3,7 Prozent; Österreich liegt damit im Spitzenfeld Europas.

Dieser Regierung, die sich bemüht, Ordnung in die Staatsfinanzen zu bringen, werden von der Opposition – und da ganz massiv vom Herrn Kollegen Edlinger – "soziale Kälte", "Menschenverachtung" sowie "Zerstörung der Solidarität" vorgeworfen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist richtig! – Abg. Böhacker  – in Richtung des Abg. Edlinger –: Schlechtes Kurzzeitgedächtnis!)

Bei all diesen Vorwürfen negieren Sie wirklich Grundsätzliches, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, denn: Warum muss denn dieses Budget saniert werden? – Damit eben genau diese Solidarität erhalten bleibt, nämlich die Solidarität zwischen den Generationen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Bei völlig ungebremstem Ausgabenwachstum würde doch dann plötzlich eine Generation überhaupt nur mehr Schulden zurückzahlen müssen!

Natürlich bejahen auch wir die Solidarität zwischen Starken und Schwachen, aber man muss das schon dahin gehend erweitern, dass es auch eine Solidarität der Generationen geben muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Man kann nicht auf Dauer der Jugend ungedeckte Schecks hinterlassen, um vielleicht für den Moment ganz günstig Wahlen gewinnen zu können. – Das ist sehr leichtfertig, sehr geehrter Herr Edlinger! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vor allem müssen auch Schulden zurückgezahlt werden – und es muss eine Budgetkonsolidierung stattfinden, bei der auch, zumindest einigermaßen, Vollbeschäftigung herrscht. Und genau diesen Zeitpunkt hat diese Regierung genützt.

Es ist auch nicht "soziale Kälte", wenn in solchen Zeiten der Wohlfahrtsstaat auf jene Bereiche reduziert wird, in denen er tatsächlich gebraucht wird. – Soziale Kälte wäre es nämlich, die Leistbarkeit von sozialen Systemen anderen Generationen aufzubürden.

Die Beschlussfassung zu diesem Budget ist der erste große Schritt zu einem Reformpaket – und wir sind damit auch hinsichtlich der Sanierung der Staatsfinanzen einen großen Schritt weitergekommen. Was mich allerdings schon bestürzt, sind die Reflexe, sind die Uralt-Reflexe der Opposition: Sie versuchen nämlich jetzt schon wieder, der Bevölkerung zu suggerieren, es seien keinerlei Veränderungen notwendig, alle Maßnahmen dieser Bundesregierung seien übertrieben, ja entbehrlich. – Damit, sehr geehrte Damen und Herren vor allem von der SPÖ, gehen Sie in eine völlig struktur-konservative und vor allem in eine an der Wirklichkeit vorbeigehende und die Fakten geradezu missachtende Richtung. – Diese Ihre Haltung war es ja auch, die uns genau dorthin gebracht hat, wovon wir uns jetzt so mühselig wegbewegen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Oppositionsparteien: Wenn Sie schon nicht an die konservative Budgetpolitik glauben, dann nehmen Sie sich doch ein Beispiel an anderen EU-Staaten, und zwar auch an von Sozialisten regierten EU-Ländern: Die Mehrzahl dieser Länder kann bereits Budgetüberschüsse vorweisen.

Diese Bundesregierung steht – das wurde ja bereits einige Male hier angedeutet – vor der Herausforderung noch vieler weiterer Reformen, und die wichtigste davon ist meiner Überzeugung nach die Verwaltungsreform. Auch an diesem Ziel müssen, wie beim nationalen Ziel der Budgetkonsolidierung, alle maßgeblichen Kräfte unseres Landes mitarbeiten, denn, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, das ist ein schwieriges Ziel, dieser Weg ist ein steiniger, aber notwendiger. Und: Das entsprechende Potential ist auch vorhanden. Die öffentliche Hand muss sich auf ihre Kernfunktionen zurückziehen; Doppelgleisigkeiten können wir uns nicht mehr leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf: Warum weiß das die ÖVP nicht?)

Diese Reform muss mit den Ländern und Gemeinden gemeinsam durchgeführt werden: miteinander, nicht gegeneinander. In einem föderalistischen Staat – und wir bekennen uns zum Föderalismus – kann eine derartige Reform immer nur von allen Gebietskörperschaften getragen werden; da müssen alle Kräfte gebündelt werden. (Abg. Dr. Mertel: Schlagworte!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige wenige Sätze zur Medienpolitik sagen. Im Bereich der Medienpolitik ist von dieser Bundesregierung bereits sehr viel vorgelegt worden. Der berühmte "Stillstand", der schon so oft beschworen wurde, der ja tatsächlich jahrelang stattgefunden hat, ist endlich überwunden – und er ist unwiderruflich zu Ende. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) – Nein, die Bundeskanzler waren in den letzten drei Jahrzehnten immer von der Sozialdemokratischen Partei! Das sollten Sie doch eigentlich wissen, Frau Abgeordnete. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich erinnere beispielsweise nur an dieses wichtige Gesetz betreffend "KommAustria". Und was liegt vor uns? – Ein modernes, zukunftsorientiertes ORF-Gesetz und ein Privatfernseh-Gesetz. Den ORF fit für die Herausforderungen der nächsten Jahre zu machen, dabei aber privates Fernsehen zu ermöglichen, das muss die Devise sein.

Aber auch hier das Bild der Opposition: Immer wieder das Lamentieren über angebliche Versuche der Regierung, sich Macht und Einfluss im Medienbereich zu sichern. – Aber wo waren Sie denn, als es um diese unabhängige Behörde gegangen ist, Herr Abgeordneter Cap? (Abg. Dr. Khol: Dagegen war er!) – Ja, dagegen. (Abg. Dr. Mertel: Nichts als Schlagworte!)

Arbeiten Sie mit uns an dieser zukunftsorientierten Medienentwicklung – anstatt diesem Oppositionsreflex Verweigerung immer wieder nachzugeben! Wir haben schon bisher auf Ihre Mitarbeit sehr lange gewartet – ich fürchte allerdings, wir werden noch länger darauf warten müssen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. )

Diese Regierung hat mit richtigen Reformansätzen lange Zeit aufgeschobene Reformvorhaben begonnen. Es gibt immer wieder – vielleicht manchmal auch durchaus berechtigte – Kritik, und auf berechtigte und konstruktive Kritik wird, ja muss selbstverständlich eingegangen werden, aber: Die von der Opposition so oft angestrebte Rückkehr zu alten, erstarrten Strukturen darf und wird es nicht geben! Das kann sich Österreich nicht leisten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte.

12.20

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundeskanzler, Sie haben darauf hingewiesen, die Debatte hier im Hause sollte sozusagen seriöser geführt werden, und Sie haben gesagt, dass es mehrere Wege gebe, was die Erreichung von bestimmten Budgetzielen betrifft, diesfalls halt das Nulldefizit. Dass es immer einnahmen- und ausgabenseitige Maßnahmen gibt, diese Erkenntnis ist nicht wirklich umwerfend. Die Frage ist dann eben, wo innerhalb der ausgabenseitigen Maßnahmen, wo innerhalb der einnahmenseitigen Maßnahmen die Schwerpunkte gesetzt werden. Dahinter verbirgt sich das wahre Gesicht der politischen Initiativen und der inhaltliche Zugang einer Regierung.

Wenn heute von beiden Seiten eingestanden wird, dass es sich bei dieser Bundesregierung um eine Wende-Regierung handelt – Sie sagen, dies und jenes ist gut, die anderen sagen, es ist schlecht –, so muss man dazu auch sagen: In manchen Bereichen ist tatsächlich eine inhaltliche Änderung eingetreten – und diese gilt es zu bewerten.

Es geht nicht so sehr darum – wie ja immer insbesondere von der ÖVP, durchaus aber auch von der FPÖ gepredigt wird –, dass da dieses magische Nulldefizit im Vordergrund steht. Das ist ein Aspekt, ist im Prinzip eine Bedingung für die Wirtschaftspolitik, die Höhe des Budgetdefizits festzulegen, aber das sollte doch nicht sozusagen zu einer Art Ersatzreligion gemacht werden. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. )

Niemand wird etwas dagegen haben, wenn in Zeiten guter Konjunktur ordentliche und gescheite Maßnahmen zur Reduktion eines Defizits gesetzt werden, das möglicherweise insofern als zu hoch betrachtet werden kann, als wir immerhin 100 Milliarden Schilling an Zinsentilgungen pro Jahr zahlen müssen. Von uns hat es gegen eine solche Vorgangsweise zunächst einmal keinen Einspruch gegeben. Sie von den Koalitionsparteien werden sich aber dann gefallen lassen müssen, dass darüber debattiert wird, wo und wie dieses Ziel erreicht wird. Und man kann doch nicht alles niederknüppeln, nur weil Sie vorne sozusagen die große Null draufschreiben wollen. Das geht nicht! Das ist auch unseriös, Herr Bundeskanzler, und da haben Sie auch mitgespielt! (Beifall bei den Grünen.)


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Würden wir etwa – schauen wir uns dann den Vergleich einnahmen-/ausgabenseitige Maßnahmen beziehungsweise die Struktur innerhalb nur der Einnahmenseite und nur der Ausgabenseite an – Einnahmenstrukturen wie in den skandinavischen oder vergleichbaren anderen Ländern haben, na dann könnte man nur sagen: gratuliere! Dann hätten wir nämlich nicht nur ein Nulldefizit, sondern bereits einen Budgetüberschuss. Dagegen hätten wir jedenfalls – Kollege Van der Bellen nickt – nichts einzuwenden. (Abg. Böhacker: Was wollen Sie denn machen? Sagen Sie es! Heraus damit!)

Kollege Böhacker, Sie wissen ganz genau, was uns ideologisch trennt. Und ich komme gleich auf das Argument bezüglich Nachhaltigkeit zu sprechen. Weil Sie das das letzte Mal so beharrlich nicht beantwortet haben, möchte ich das hier jetzt wiederholen: Wir sind natürlich nicht der Meinung, dass man schon für das Jahr 2003 einen großen Korb sozusagen an klientel-orientierten – diesfalls natürlich Ihre Klientel – Versprechungen anbieten sollte, was eben Steuersenkungen im Bereich der Unternehmen betrifft. Das ist zum Beispiel ein maßgeblicher Unterschied zwischen Ihnen und uns.

Wir hätten wahrscheinlich auch im Bereich der Stiftungsbesteuerung andere Maßnahmen vorgesehen, ich gebe aber zu, dass man damit allein das Budget nicht sanieren kann; das ist schon klar. (Abg. Mag. Trattner: Ja, Sie und die Vermögenssteuer ...!)

Bundeskanzler Schüssel hat ja hier erklärt, dass aus den verschiedensten Ressorts heraus Versprechungen bereits in die Zukunft gemacht worden wären – und daran würde man wieder frisch laborieren. Das glaube ich Ihnen schon, aber in erster Linie laborieren Sie an Ihren eigenen Ministern, die immer noch in irgendeiner Art und Weise in Amt und Würden sind. Ich beziehe mich da etwa auf den Dritten Präsidenten des Nationalrates Dr. Fasslabend, der uns ja genügend "Eier" in seiner Funktion als Verteidigungsminister gelegt hat; das können wir bis Ostern noch anständig ausbrüten. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wo liegen denn die Unterschiede? – Ich gehe jetzt gar nicht ein auf die Debatte betreffend NATO-Beitritt und welche budgetären Vorleistungen hiefür notwendig wären. Interessant wäre allerdings, darüber zu diskutieren, wenn der Kanzler wieder hier im Hause wäre. (Rufe bei der ÖVP: Schauen! Der Bundeskanzler sitzt hinter Ihnen auf der Regierungsbank!)  – Bloß schon auf Grund einer Festlegung, der NATO beizutreten, bedeutet: prozentuell höhere Ausgaben im Militärbereich, gemessen eben am BIP; ja das wäre geradezu eine Verpflichtung. Sie wissen, dass das so ist. Und da brauchen wir noch gar nicht darüber zu reden, welche Adjustierungen im militärisch-technischen und infrastrukturellen Bereich in einem solche Falle notwendig wären!

Wir wissen ganz genau, dass es dabei nicht nur um die Abfangjäger geht, aber alleine diese Anschaffung würde schon an die 40-Milliarden-Schilling-Grenze herangehen, mindestens aber 25 Milliarden Schilling wären dafür aufzubringen. Das wissen alle, die sich damit beschäftigen.

Da also liegen die Unterschiede, und darauf kommt es an: Wo wird mit welchen Maßnahmen wie gesteuert? Das ist Aufgabe der Budget- und der Steuerpolitik. Es ist sicherlich kein Zufall, dass diese eben so heißt. – Sie wollen das aber alles verwischen, indem Sie da ständig, wie bei einem Kulttanz, um diese Null herumtanzen und in Wirklichkeit einen Woodoo aufführen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Wie gesagt: Die Fassade bröckelt, der Lack wird schon matt, auch beim Herrn Finanzminister, denn hinter diesen Maßnahmen verbirgt sich eine Reihe wirklich konservativ-reaktionärer – aber das sei Ihnen unbenommen – politisch inhaltlicher Maßnahmen. Und darauf kommt es an.

Ich komme noch einmal zur Frage der Nachhaltigkeit, weil sich Herr Staatssekretär Finz hier letztes Mal geweigert hat, darauf einzugehen, diese Fragestellung aufzugreifen. Ich verstehe schon, wenn er sich nicht mit der grünen Opposition allein einlassen will, aber zitieren wir dann eben die Europäische Kommission. Die sagt auch nichts anderes als wir, nämlich dass das Verhältnis von einnahmen- zu ausgabenseitiger Sanierung so ist, dass dabei keinesfalls von einer Nachhaltigkeit die Rede sein kann – wenn da nicht hinzukommend noch etwas geschieht. Und was soll passieren? – Sie haben weitere Ausgaben versprochen im Bereich der Familien,


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im Bereich der Landwirtschaft, im Bereich des Militärs – deshalb sage ich ja: konservativ-reaktionär. Und ebenso haben Sie Steuergeschenke für die Unternehmer versprochen.

Sie von den Regierungsparteien bleiben die Antwort schuldig, wie diese Schere zugehen soll, die Sie schon jetzt für das Jahr 2004 wieder aufgemacht haben. (Beifall bei den Grünen.)

Sie lassen sich aber hier feiern für die Erreichung dieser Null, was allerdings in Zeiten wie diesen, so meine ich, nicht unbedingt als große Kunst bezeichnet werden kann. – Ich verstehe aber auch die Nöte der SPÖ, die der Propaganda-Walze dieser Bundesregierung wenig entgegenhalten kann, ist die SPÖ in der Vergangenheit, zusammen mit der ÖVP, durchaus nicht immer den glücklichsten Kurs gefahren und hat sie in Wirklichkeit selbst Sparpakete, eben auch mit der ÖVP, beschlossen, die von ihrer Wirkung her mindestens so einschneidend waren wie die jetzigen.

Es ist ja das Pech des Herrn Kollegen Edlinger und seiner Vorgänger, dass ja auch zu seiner Zeit Sanierungspakete gemacht wurden, durch die es prozentuelle Einsparungen, gemessen wieder am BIP, gegeben hat, Einsparungen, die größer waren als die jetzigen zur Erreichung dieser Null.

Das Einzige, wozu Ihnen von den Regierungsparteien zu gratulieren ist, ist diese gloriose Idee, wie man aus einer Null so viel machen kann. Das ist ein Verdienst des Finanzministers, da sind Sie ihm alle gefolgt. Ich halte das für relativ schlau, aber ewig geht das nicht, und, wie gesagt, die Fassade bröckelt bereits. (Beifall bei den Grünen.)

Hier wurde ja beispielsweise auch der Pakt betreffend Finanzausgleich strapaziert – Kollege Khol ist jetzt leider nicht mehr da, aber auch der Herr Bundeskanzler hat diesen angesprochen. Diesbezüglich sind wir natürlich misstrauisch, dass das so ohne weiteres halten wird. Regelmäßig kommen Sie da aber mit der Antwort, dass es ja auch einen innerösterreichischen Stabilitätspakt, der unterzeichnet wurde, gibt.

Hören Sie doch genau hin, was die Damen und Herren Landeshauptleute dazu zu sagen haben, beispielsweise auch in den Medien: Wenn das und das nicht, dann nicht beziehungsweise dieses und jenes nicht. – Kollege Trattner nickt jetzt, er weiß, worauf ich hinaus will. Anlässlich der wieder aufgeflammten Diskussion darüber, wie diese Getränkesteuer-Rückvergütung anzugehen ist, haben Landespolitiker erst gestern gesagt: Ja, wenn das alles so ist, wie das eben nach dem Stand der Dinge ausschaut, dann werden wir unsere beim Finanzausgleich getroffenen Vereinbarungen nicht einhalten können. – Bitte vor den Vorhang, Herr Kollege Trattner, Sie haben ja dann noch Gelegenheit dazu. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )  – Woher das jetzt kommt, ist die eine Sache – wir aber beschäftigen uns jetzt mit Ihren Versprechungen.

Schüssel und Khol haben gesagt, wie toll dieser Finanzausgleichspakt ist, der seinem Inhalt nach – Kollege Böhacker, das wissen Sie genau – im Wesentlichen ein Fortwursteln mit den alten Strukturen ist. Es ist da nicht viel geschehen, ein paar Nuancierungen beim Bevölkerungsschlüssel (Zwischenrufe der Abgeordneten Zweytick und Böhacker – ich weiß, das interessiert dich als Bürgermeister, Kollege Zweytick, das ist ja in Ordnung –, aber im Wesentlichen sind die alten Strukturen fortgeschrieben worden. Und das ist das Defizit bei diesem Finanzausgleich; detto bei der Verwaltungsreform.

Auch die ASFINAG wurde vom Kollegen Khol strapaziert. Aber nichts von all dem ist saniert. Wo, bitte, ist die Asfinag saniert? – Bitte, kommen Sie heraus und erklären Sie uns das! Aber vielleicht kann uns der Herr Finanzminister da helfen, er ist ja ohnehin zu Wort gemeldet. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist auch in der Stunde der gloriosen Verkündigungen – das ist ja jetzt schon monatelang anhaltend; die letzte Budgetrede mit der Zitatensammlung aus dem "glücklichen Herrgottswinkel" war ja hier der Gipfel dieser Predigten – legitim, dass man das in Frage stellt, was die Zukunftsrelevanz betrifft.


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Ich komme zu den Schwerpunkten, die wir auch immer kritisiert haben, zu den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung.

Herr Bundeskanzler, Sie haben im Bereich der Bildung die Integrationslehrer angesprochen, das heißt, vielmehr haben Sie auf einen Vorhalt meines Kollegen Öllinger, wie viele Lehrer denn nicht in der Klasse stünden, um die Integrationsbestrebungen voranzubringen, eine Entschuldigung vorgebracht. Genau diese Lehrer werden ja auf Grund Ihrer Maßnahmen jetzt gekündigt! Das ist ja das Problem! Und da wollen Sie uns verkaufen, dass das alles für die Zukunft verwendet wird. – Es ist das kein Bürokratieabbau, sondern ein plumper Personalabbau auf Kosten der Zukunft und nicht Zukunftsorientierung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ebenso ist es im Bereich der Forschung und Entwicklung. Man muss sich halt auf eine Zahl verständigen. Bis jetzt war es zumindest innerhalb der OECD üblich – wir kennen die Auseinandersetzung ja mittlerweile schon –, diese Ausgaben prozentuell gemessen am BIP als Vergleichsindikator zu strapazieren und nicht in absoluten Zahlen. Man müsste sonst so fair sein und wenigstens eine Inflationsbereinigung vornehmen, aber nicht einmal so fair waren die Vortragenden in dieser Sache.

Ich habe mir das jetzt einmal nominell angeschaut, und wenn man 2 bis 3 Prozent an jährlicher Erhöhung annimmt, dann ist ja nicht einmal in absoluten Zahlen sozusagen ein großer Fortschritt erkennbar, geschweige denn – und unserer Meinung nach ist das der relevante Indikator – in Prozenten des BIP. Sie jedoch stellen sich hier her und sagen: Noch nie ist so viel für Forschung und Entwicklung getan worden! (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Das müssen Sie sich gefallen lassen, wenn Sie eine seriöse Diskussion einfordern.

Die letzten Punkte – Sie kennen das, es ist ja auch vom Kollegen Edlinger angesprochen worden –: Wenn es stimmt, dass heuer noch einmal 50 Millionen Schilling für diese Kampagne ausgegeben werden sollen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wir werden Ihnen da weiter auf die Finger klopfen. In Wirklichkeit ist das nämlich keine Informationskampagne, sondern ein Geschwader von Unwahrheiten, das Sie da auf die Leute loslassen – und das auf Kosten des Steuerzahlers! (Abg. Kiermaier: Ja!) Auf Kosten jenes Steuerzahlers, der von Ihnen ständig strapaziert wird, der sozusagen ins Zentrum Ihrer Überlegung gerückt wird, des Tüchtigen, des Fleißigen; den manipulieren Sie jetzt auch noch. Gratuliere – dazu haben wir die FPÖ in der Regierung gebraucht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Zweytick: Das ist nur die Beantwortung eurer Unwahrheit! Die Regierung ist verpflichtet dazu!)

Ich komme noch einmal auf die Integration zurück, weil der Herr Bundeskanzler, und ich finde das legitim anlässlich einer Budgetrede ... (Heiterkeit der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Mag. Trattner. ) – Kollege Westenthaler ist jetzt wieder heiter im Plenum. Ich habe das ja ganz in Ordnung gefunden, Kollege Westenthaler ... (Abg. Ing. Westenthaler: Was wird Haider?) – Haider auch, dazu komme ich noch. Aber ich habe gesagt: "heiter im Plenum". (Abg. Mag. Trattner: Obwohl Ihre Rede so weinerlich ist!)

Ihnen hat ja diese Wahlniederlage ganz gut getan, zumindest was die Verträglichkeit hier im Haus betrifft. Ihr Redebeitrag war moderater als sonst. (Abg. Ing. Westenthaler: Ihnen gefällt es jetzt?!) – Das ist etwas anderes. (Heiterkeit.) Ich habe nur gesagt, dass man es leichter ausgehalten hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. )

Wenn Ihre Weisheit (in Richtung Freiheitliche) auf den letzten Sonntag die ist, dass Sie da mit der "Führer"-Fibel herumfuchteln und das zur SPÖ hin halten, dann ist das wirklich noch nicht alles. (Abg. Mag. Trattner: Werner, jetzt kennst du dich nicht mehr aus!) Aber das ist ja nicht nur mein Problem. Ich erwähne das nur deshalb (Abg. Böhacker: Jetzt hat er den Faden verloren! – Abg. Mag. Trattner: Jetzt ist der Westenthaler zu schnell hereingekommen, jetzt hat er den Faden verloren!), weil es jetzt noch um eine entscheidende Frage geht. Es ist ja genau der Landeshauptmann aus Kärnten, dem es vorbehalten geblieben ist, in dieser unsäglichen Rede in Ried ein Element in die österreichische Innenpolitik einzuschleppen, das bis jetzt so nicht da war – jedenfalls nicht in den letzten Jahrzehnten. Herr Bundeskanzler, es geht nicht, auf diesen


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Vorhalt des Kollegen Öllinger nur mit dem Argument, das Land sei ja integrationsbereit – "das Land"! –, zu antworten und ein paar Beispiele zu bringen.

Gott sei Dank ist das Land noch integrationsbereit, aber bei dieser Regierung ist einiges zu befürchten. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben es bis heute verabsäumt, klare Worte zu finden, Herr Bundeskanzler! Und jetzt muss schon das Land herhalten, hinter dem Sie sich verstecken.

Was die Region Wien, die Großstadt Wien betrifft, muss ich sagen: Da können wir beruhigt in die Zukunft schauen, Sie haben die Rechnung präsentiert bekommen! (Abg. Dr. Petrovic: Vor allem in Simmering!) – Das Land ist in Ordnung, die Regierung nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Böhacker: Ein richtiger Märchenerzähler!)

12.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.36

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Kollege Edlinger ist jetzt natürlich nicht im Saal, aber ich muss sagen, er leidet immer ein bisschen unter Gedächtnisschwund. Ich werde ihm jetzt ein bisschen auf die Sprünge helfen.

Erstens: Er kritisiert die 50 Millionen Schilling für eine Kampagne. (Abg. Leikam: Zusätzlich! – Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Der Haider hat kritisiert!) Kollege Edlinger muss sich einmal das Wiener Landesbudget anschauen. Im Wiener Landesbudget sind allein für den PID, den Presseinformationsdienst, 450 Millionen Schilling im Jahr vorgesehen. (Abg. Leikam: Wischi-Waschi-Kampagne, sagt der Haider!) Und vor der Wiener Landtagswahl hat man allein für die Präsentation der Stadträte – damit sie schöne Folder mit schönen Bildern und dergleichen mehr machen können – noch einmal 180 Millionen zur Verfügung gestellt. – Eine reine Jubelbroschüre, keine Informationsbroschüre!

Zu den Jubelbroschüren, die Sie früher in der Bundesregierung gemacht haben, darf ich sagen: Die Werbeeinschaltungen der Bundesregierung im Jahre 1998 beliefen sich auf 163 Millionen Schilling, Frau Kollegin Mertel! (Abg. Haigermoser: Wie viel?) 163 Millionen Schilling! Davon allein für den Bundeskanzler 71 Millionen Schilling (Abg. Haigermoser: Und dann haut er nach Argentinien ab, der Vickerl!) – richtig, richtig, der ist in Argentinien! (Abg. Haigermoser: Und kauft ein Polopferd um das andere!)  – und den Verkehrsminister 37 Millionen Schilling.

Wie sind denn die Werbeeinschaltungen aufgeteilt worden, wer hat was bekommen, wie viel ist in welchem Bereich ausgegeben worden? Wenn man einen Schlüssel hat, sieht man ungefähr die Relation. Einschaltungen im "Standard": SPÖ 5 Millionen, ÖVP nur 1,7 Millionen. Es gibt Einschaltungen im "FORMAT", die überhaupt nur für die SPÖ waren – nur der rote Kreis. Einschaltungen in "tv-media" (der Redner zeigt eine Graphik): Ein kleines Torteneckchen gehört der ÖVP, aber der Rest des Kuchens hat der SPÖ gehört! (Abg. Ing. Westenthaler: Da sind die Inserate des Gewerkschaftsbundes noch gar nicht dabei!)

So haben Sie agiert, und jetzt sagen Sie, eine Informationskampagne um 50 Millionen Schilling, das ist eine große Katastrophe. Ich glaube, Sie leiden derart stark an Gedächtnisschwund, dass man es sich gar nicht mehr vorstellen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Folgendes sage ich Ihnen auch: Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Sozialdemokraten zu Regierungszeiten unter ihrem damaligen Finanzminister so verhalten hätten, wie er jetzt hier gesprochen hat. Aber er hat sich ja ganz anders verhalten. Ich erinnere mich noch an die Wortmeldung des Präsidenten Verzetnitsch (Abg. Verzetnitsch: Nachlesen!) über die Taten des Herrn Finanzministers. Ich werde Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen und sagen, was der damalige Finanzminister alles gemacht hat.


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Der allgemeine Steuerabsetzbetrag für steuerpflichtige Einkommen zwischen 200 000 S und 500 000 S wird eingeschliffen, und ab 500 000 S entfällt er. (Abg. Ing. Westenthaler: Da hat der Herr Präsident Verzetnitsch mitgestimmt!)

Die Sonderausgaben – Herr Präsident Verzetnitsch, da habe ich von Ihnen nichts gehört! –, vorher zur Hälfte absetzbar, waren dann nur mehr zu einem Viertel absetzbar.

Die ersten fünf Überstunden sind nur mehr steuerfrei, bis höchstens 590 S. (Abg. Ing. Westenthaler: Verzetnitsch hat mitgestimmt! Wo war die Gewerkschaft?) Wo waren Sie denn da, Herr Präsident Verzetnitsch?

Die Gültigkeit der Freibetragsbescheide wurde ab Juni 1996 sistiert, sie gelten erst wieder seit 1998.

Diese Maßnahmen haben immerhin einen Betrag von 117 Milliarden Schilling ergeben. Und was ist mit den 117 Milliarden Schilling geschehen? Hat eine Reduktion der Staatsverschuldung stattgefunden? Hat eine Reduktion der Neuverschuldung stattgefunden? – Ganz im Gegenteil!

Finanzminister Edlinger sagte: Ich war für das Ganze damals ja gar nicht zuständig, weil ich damals noch gar nicht Finanzminister war! – Aber Finanzminister Edlinger war für etwas zuständig: für die Entwicklung nach diesen Maßnahmen! Und die Entwicklung nach diesen Maßnahmen war verheerend, und zwar insofern, als das öffentliche Defizit im Jahre 1997 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgemacht hat, im Jahre 1998 2,3 Prozent und im Jahre 1999 2,1 Prozent. Er hat sich um den Konsolidierungskurs überhaupt nicht gekümmert. Deswegen ist ja das Problem entstanden.

Bei den Staatsschulden ist es nicht anders gewesen. Die öffentlichen Schulden sind im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von 1997 mit 64,7 Prozent bis zum Jahre 1999 mit 64,7 Prozent gleich geblieben. Schauen Sie sich doch diese Balken einmal an (der Redner zeigt neuerlich eine Graphik), und sagen Sie Herrn Kollegen Edlinger, dass er seine Balken, die offensichtlich falsch sind, korrigieren soll, bevor er sich hier noch einmal herausstellt und noch einmal blamiert! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Im Übrigen hat es bei den ganzen Belastungen Nürnberger und Verzetnitsch auch schon gegeben! Die haben alle mitgestimmt!)

Und wenn Sie sagen, dass die Einnahmen und die Ausgaben noch nie so hoch wie jetzt waren, darf ich Sie auch wieder einmal auf die Zinnen zurückführen. Die Einnahmen und Ausgaben (der Redner zeigt eine weitere Graphik): Im Jahre 1997 betrugen die Ausgaben 53,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, im Jahre 1999 noch einmal 53,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, und in den folgenden Jahren sinken sie, im Jahre 2000 auf 51,8, im Jahre 2001 auf 51,4 und im Jahre 2002 auf 50,1 Prozent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sagen Sie Herrn Kollegen Edlinger, er soll auf der Oppositionsbank endlich einmal rechnen lernen. Als Finanzminister hat er ja bewiesen, dass er es nicht kann. Er soll sich zumindest diese Informationen anschauen, um sich nicht ständig zu blamieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Warum ist diese Kritik gegenüber der Österreichischen Volkspartei nicht gerechtfertigt? – Ich nehme die Österreichische Volkspartei nicht in Schutz, sie war damals mit in der Regierung (Abg. Nürnberger  – in Richtung ÖVP –: Aber das wissen sie nicht mehr!), aber Kollege Edlinger hat die Österreichische Volkspartei falsch informiert, bewusst falsch informiert!

Ich darf an die 175. Sitzung des Nationalrates vom 17. Juni 1999 erinnern, in der wir die Steuerreform debattiert haben. Kollege Van der Bellen hat damals gesagt, dass das ein Blankoscheck ist. Darauf hat Kollege Edlinger gesagt:

"Sie brauchen sich daher auch gar nicht zu bemühen, im kommenden Wahlkampf eine Argumentationslinie zu verfolgen, die die Frage stellt, wie hoch das Budgetloch ist. Es ist nämlich keines vorhanden." (Abg. Haigermoser: Wer hat das gesagt?)


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"Es ist nämlich keines vorhanden", hat der Alt-Finanzminister Edlinger gesagt. Er sollte sich einmal die Protokolle anschauen (Abg. Böhacker: So ist das mit dem Kurzzeitgedächtnis!), anschauen, was er damals als Finanzminister gesagt hat, und mit dem vergleichen, wie sich das Ganze dann im Endeffekt dargestellt hat. Es ist gut, dass dieser Finanzminister gehen musste, denn sonst hätte dieser Haushalt nie saniert werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie wichtig es ist, dass dieser Haushalt saniert wird und dass der Weg zur Nullneuverschuldung geht, zeigen ja die Aussagen der Experten.

Felderer sagt, der Finanzminister habe diesmal das untere Einkommensdrittel geschont. Und weiter: Der Finanzminister hat ausgabenseitig gemacht, was in der kurzen Zeit politisch möglich war. Mittelfristig, also in zwei bis drei Jahren, sollten die Konsolidierungsmaßnahmen positive Effekte nach sich ziehen.

Und IWF-Chef Köhler: Lob für österreichisches Budgetbild. Österreich sei auf einem guten wirtschaftspolitischen Kurs, die Reformanstrengungen würden zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Beschäftigungspolitik dienen. Von Seiten des IWF werde begrüßt, dass die Budgetpolitik auf den Weg gebracht wurde. – Ein besseres Lob können wir uns ja gar nicht vorstellen!

Jetzt hat man bereits die ersten Erfahrungsdaten, wir haben die ersten Erfahrungsdaten bereits vorliegen: die ersten Wirtschaftsdaten, die Auswirkungen auf die Beschäftigung, die Auswirkungen auf die Zunahme von Neugründungen von Unternehmen, und die können sich ja sehen lassen. (Abg. Verzetnitsch: Wie viele haben zugesperrt?)

Ende Feber hatten wir einen Höchstbeschäftigtenstand, auf den Monat Feber bezogen, von 3,090 Millionen unselbständig Beschäftigten. Im Feber waren nur mehr 248 363 Arbeitslose gemeldet – der niedrigste Stand seit den achtziger Jahren. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. ) Es hat sich die Entwicklung fortgesetzt: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen konnte um 60 Prozent reduziert werden. 24 000 Neugründungen von Unternehmen haben in Österreich stattgefunden. Das ist ja etwas! Das können Sie doch nicht miesmachen! Nehmen Sie diese positiven Zahlen doch zur Kenntnis, und sagen Sie: Es ist etwas geschehen! – Es ist nicht alles gut, denn man kann nicht in einem Jahr alles sanieren, was in 30 Jahren offensichtlich vernachlässigt wurde. Aber in diesem einen Jahr ist so viel geschehen, sodass sehr viel Vertrauen in diese Bundesregierung entstanden ist und es zu dieser Entwicklung, zu diesen Zahlen gekommen ist, und auf die können wir alle wirklich stolz sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und wenn Sie heute sagen, dass der Bund zu wenig für die Bildung tut, dass der Bund zu wenig für die Forschung ausgibt, dann muss ich Ihnen sagen: Man sollte sich die Entwicklung der Zahlen auch in diesem Bereich anschauen (der Redner zeigt eine Graphik), und zwar von 1997 bis zum Jahre 2000 beziehungsweise bis zum Bundesvoranschlag 2001 und 2002. Da ist eben eine Steigerung feststellbar, und zwar von 6,7 Milliarden j im Jahre 1997 auf 7,7 Milliarden j im Jahre 2000; Bundesvoranschlag 2001: 7,9 Milliarden j , und Bundesvoranschlag 2002: 8 Milliarden j .

Und die Forschungsausgaben des Bundes (der Redner zeigt eine weitere Graphik): Als Sie an der Regierung waren, haben Sie die Bundesausgaben für die Forschung auf 1,133 Milliarden beschränkt, und jetzt, unter der neuen Bundesregierung, hat man sich eben vorgenommen, Forschungsausgaben in der Höhe von 1,4 Milliarden j aufzuwenden. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) – Insgesamt, selbstverständlich, das sind die Bundesausgaben, Herr Präsident Verzetnitsch!

Der Bund ist natürlich auch daran interessiert und in Kenntnis der Tatsache – das wissen auch Sie, diese Zahlen kennen auch Sie –, wo die Forschungsquote in Europa hoch ist. Die Forschungsquote ist natürlich in jenen Ländern Europas hoch, in denen der Anreiz für die private Wirtschaft da ist, entsprechend viel in Forschung und Entwicklung zu investieren. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) Bei uns in Österreich ist die Forschungsquote seitens des Bundes sehr


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hoch, seitens der Wirtschaft aber relativ gering. Da muss eine Trendumkehr erfolgen, und diese hat sich diese Regierung vorgenommen, damit wir auch jene Zahlen erreichen, die die skandinavischen Länder haben. Zum Beispiel in Finnland ist es genau umgekehrt, dort ist der Anteil der öffentlichen Hand in der Forschung niedrig und jener der Wirtschaft hoch. Das ist das Ziel! (Abg. Verzetnitsch: Höhere Steuerquote!)

Das Ziel der Regierung war es auch und wird es immer bleiben, neben den Budgetkonsolidierungsmaßnahmen auch für die Zukunftsperspektive der österreichischen Bevölkerung etwas zu machen. Es hat ja keinen Sinn, wenn allein für die Zinsen der Staatsschulden pro Jahr 43 Prozent der Höhe des Kapitels Soziales ausgegeben werden müssen. Es macht auch keinen Sinn, wenn man daran hängen bleibt, dass die öffentliche Hand weiter Unternehmer sein soll. Man darf nicht daran hängen bleiben. (Abg. Verzetnitsch: Siehe Telekom!)

Herr Präsident, Telekom ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Sie das Ganze verhaut haben. (Abg. Verzetnitsch: Wir?) Telekom ist das beste Beispiel dafür, wie Sie alles verhaut haben.

Wir haben Sie vor Jahren darauf aufmerksam gemacht – damals hatte die Post noch ein Eigenkapital von 120 Milliarden Schilling. Sie haben damals aus den Telefongebühren überproportional hohe Beträge zum Stopfen von Budgetlöchern abgeführt. Wir haben Sie jedes Mal darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Weg einfach dazu führen wird, dass das Eigenkapital bei der Post negativ wird. Sie haben das völlig negiert. Sie haben die Privatisierung, den Börsegang viel zu spät gemacht. (Abg. Verzetnitsch: Wir?) – Sie waren die Verhinderer, die sozialdemokratische Fraktion war der Verhinderer. Jetzt war es höchste Zeit, das zu machen, um die Vergesslichkeiten, diese Nachlässigkeiten, die Sie damals begangen haben, auszugleichen. Hätten Sie es früher gemacht, wäre für die Post und Telekom ein höherer Betrag zu erzielen gewesen.

Aber ich wollte jetzt nicht auf Post und Telekom eingehen – das haben Sie verursacht –, sondern ich wollte eingehen auf ein Paradebeispiel dafür, was es bedeutet, wenn ein Privater ein verstaatlichtes Unternehmen übernimmt: AT&S – Androsch. Das ist das Paradebeispiel der Privatisierung.

Sie wissen selbst ganz genau, dass dort damals, als der Staat hineininterveniert hat, die Verluste höher waren als der Umsatz – und heute ist das ein Paradebetrieb mit Erträgen, die sich sehen lassen können! Deshalb werden wir von der Privatisierungsstrategie auch nicht abgehen, damit auf diese Weise auch die Staatsverschuldung abgebaut werden kann und die Zukunft nicht mehr durch Zinszahlungen belastet wird, sondern Förderungen für unsere Jugend möglich sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.

12.49

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Werte Volksanwälte! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Bundeskanzler hat in seiner Rede betont, dass es mehrere Alternativen gegeben hat: entweder so weiter wie bisher oder grundlegend anders. Und wir haben uns angesehen, was "so weiter wie bisher" bedeutet.

"So weiter wie bisher" hätte, meine Damen und Herren, bedeutet, dass wir im Budget 2002 – und das ist das Budget, über das wir heute sprechen – 168 Milliarden Schilling mehr an Finanzschulden in Österreich hätten. Der sozialdemokratische Weg weitergeführt hätte bedeutet: 168 Milliarden Schilling mehr an Schulden in Österreich, 9,8 Milliarden Schilling mehr an Zinsen in Österreich. (Zwischenruf des Abg. Eder. ) Und das ist der Grund dafür, dass wir gesagt haben: Das kann nicht unser Weg sein!


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Wir wollen reformieren, wir wollen, wie Pedro Solbes von der Kommission der Europäischen Union gesagt hat, spektakulär verbessern. Und deswegen können wir heute einen historischen Voranschlag präsentieren, der erstmals ein Nulldefizit beinhaltet, der keine neuen Belastungen in den Budgetbegleitgesetzen enthält und der Schwerpunkte zur Zukunftssicherung unseres Landes festlegt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist wirklich schade, dass es nicht gelingt, dass man auch von Seiten der Opposition anerkennt, dass hier Positives für dieses Land geleistet wird. Ich bedauere sehr, dass Sie das fortsetzen, was auch von den Medien in Österreich seit Wochen bereits erkannt wird.

So schreibt beispielsweise Herr Stanzel im "Kurier", "dass die Roten jetzt jene Rolle spielen, die sie einst, als Regierungspartei, der" Opposition "vorgeworfen haben: Nämlich jene einer destruktiven Radikal-Opposition".

Wir sollten das, was gut ist für dieses Land, was wichtig ist für Österreich, nicht schlecht machen, sondern sehen, dass hoch anerkannte Medien im In- und im Ausland diesen Weg durchaus unterstützen.

Beispiel "Neue Zürcher Zeitung", 2. März 2001: "Österreichs Haushalt kommt langsam ins Lot – Ein ausgeglichenes Budget für das Jahr 2002".

Beispiel "Handelsblatt" aus Deutschland, 2. März 2001: Österreichs Regierung hält Kurs auf einen ausgeglichenen Haushalt des Gesamtstaates im Jahre 2002. Nach höheren Steuern und Tarifen in diesem Jahr wird im kommenden Jahr in der Verwaltung gespart.

Das zeigt sehr deutlich: Wir sind auf dem richtigen Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Weil heute das Zitieren "in" ist, darf ich weitermachen und mich diesem Trend nicht verschließen. Zum Beispiel sagen auch Herr Professor Frisch vom Staatsschuldenausschuss und der gesamte Staatsschuldenausschuss – und das sollte schon zu denken geben, vor allem Ihnen zu denken geben, denn Sie wissen, wer im Staatsschuldenausschuss sitzt: Vertreter der Arbeiterkammer, des Gewerkschaftsbundes, der Wirtschaftskammer, hochrangige Experten (Rufe bei der SPÖ: Mehr Herz!), die auch meinen Vorgänger, den heutigen Abgeordneten Edlinger, beraten haben (Abg. Dr. Mertel: Haider sagt: mehr Herz!)  – in seiner letzten Stellungnahme zur Budgetkonsolidierung vom 14. Dezember 2000 – ich darf das auch zitieren –:

Der Staatsschuldenausschuss begrüßt die deutliche Intensivierung der Konsolidierungsanstrengungen der neuen Bundesregierung. (Abg. Dr. Mertel: Sind Sie ein Technokrat?)

Und er sagt weiters: Durch die Umsetzung dieses neuen Konsolidierungsprogramms wird Österreich nicht nur die internationalen Verpflichtungen erfüllen, sondern auch einen hinreichenden Raum für das Wirksamwerden der automatischen Stabilisatoren schaffen, den Spielraum für wirtschaftspolitische Akzentsetzungen erhöhen und die Geldpolitik des Euro-Systems unterstützen. – Ende des Zitats.

Das ist unsere Politik, die von Arbeiterkammer und Gewerkschaft im Staatsschuldenausschuss offensichtlich unterstützt wird. Damit ist Ihre Doppelbödigkeit wohl mehr als entlarvt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Aber wo ist das Herz? )

Der Bundeskanzler hat die konkreten positiven Auswirkungen sehr, sehr deutlich angeführt. Wenn wir es geschafft haben – im "Institutional Investor", dabei geht es um die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandortes –, in so kurzer Zeit, wo wir im September 2000 Nummer 16 waren, jetzt als Nummer 9 der Welt eingestuft zu werden – für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes und damit für die Beschäftigten –, sollten wir uns freuen und alle sagen: Wir sind stolz auf das in kurzer Zeit Erreichte, weil es Österreich, der Beschäftigung und dem Wirtschaftsstandort nützt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum haben wir diese bessere Einstufung tatsächlich erhalten? Weshalb ist uns das gelungen? – Weil wir eine grundvernünftige Finanzpolitik betreiben; eine Finanzpolitik, die es ermöglicht hat, dass allein im letzten Jahr 667 Milliarden Schilling an Investitionen in Österreich von unserer Wirtschaft stattgefunden haben. Wir haben damit im EU-Vergleich den höchsten Wert der privaten Investitionen zustande gebracht. Wir haben 24 000 neu gegründete Unternehmen. Wir haben das Ziel des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung, 100 000 Beschäftigte mehr, ein Jahr früher erreicht. Allein im letzten Jahr konnte die Zahl der Beschäftigten um 25 800 erhöht werden, davon sind 23 700 Frauen. Wir konnten die Zahl der älteren Arbeitslosen massiv reduzieren. Wir sind in einem Vergleich der EU-Indikatoren, die in Stockholm auch besprochen wurden, bei den Arbeitsmarkt-Indikatoren überall Nummer zwei, Nummer drei, das heißt ganz vorne im europäischen Vergleich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir sind, was die Armut in Österreich betrifft, ganz weit vorne im europäischen Vergleich.

Österreich ist, weil das angesprochen wurde, auch im Bildungsbereich – meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Vorwurf ist undifferenziert, oberflächlich, nicht mit den Fakten übereinstimmend und lautet, dass wir bei der Bildung sparen –, bei den Bildungsausgaben im europäischen Vergleich die Nummer drei. Wir sind die Nummer drei in ganz Europa, was die Bildungsausgaben anlangt.

Schauen Sie sich an, was in unseren Budgets enthalten ist beispielsweise für neue Fachhochschulen. Wir haben 13 neue Studiengänge bewilligt – in modernen zukunftsweisenden Technologien, Informations- und Kommunikations-Engineering in Dornbirn, Medizinische Informationstechnik in Klagenfurt, Informationstechnologien, IT-Marketing in Graz. Allein das Budget der Fachhochschulen wird sich von 1999 auf das Jahr 2002 praktisch verdoppeln.

Wir sind im Bildungsbereich, was die Ausgaben für einen Schüler anlangt, die Besten in Europa, wir geben am meisten Geld für unsere Schüler aus, wir werden nur in einem Bereich von Dänemark übertroffen. Das zeigt sehr deutlich: Wir sprechen nicht nur davon, wir erzählen der Bevölkerung nicht, dass wir eine Technologie-Milliarde machen, die dann tatsächlich nicht kommt, sondern wir machen sieben Technologie-, sieben Forschungs- und Entwicklungsmilliarden, weil wir wissen, dass das wichtig ist für höher qualifizierte Arbeitsplätze in Österreich. Es ist wichtig für eine Restrukturierung unserer Wirtschaft. Es ist wichtig, damit wir in Hochtechnologiebereichen Beschäftigung in Österreich schaffen können.

Der Rat für Forschung und Technologie hat ja bereits zwei Tranchen von mehr als 2 Milliarden Schilling bewilligt, damit wir hier einen Hebel auslösen können, damit wir mit der Wirtschaft einen Sprung nach vorne machen können, was Forschung und Entwicklung und damit die Zukunftspolitik für unser Land anlangt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir setzen Schwerpunkte in der Sozial- und Familienpolitik. Wenn Sie sich das Kinderbetreuungsgeld ansehen, dann sehen Sie: Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ein Finanzminister nicht mehr in den Familienlastenausgleichsfonds hineingreift. (Abg. Dr. Mertel: Sie haben ja voriges Jahr mit 14 Milliarden hineingegriffen! Sie täuschen und betrügen die Bevölkerung! Jetzt greifen Sie in die Arbeitslosenversicherung! Das ist eine Täuschung!) Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass wir das Geld, das für die Familien vorhanden ist, für die Kinder ausgeben, weil wir sehen, dass die Kinder zwar nur 17 Prozent der österreichischen Bevölkerung ausmachen, aber 100 Prozent der Zukunft unseres Landes sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir geben statt 8 Milliarden Schilling (Abg. Dr. Mertel: 2000 haben Sie 14 Milliarden herausgeholt!)  – auch wenn Sie es nicht gerne hören wollen – in Zukunft etwa 16 Milliarden Schilling für das Kinderbetreuungsgeld aus. Das ist eine ganz, ganz wesentliche Kaufkraftsteigerung für unsere Familien! (Abg. Dr. Mertel: 16 Milliarden sind es schon, Haupt meint, es sind 13 Milliarden! Im Budget stehen 13 Milliarden!) Damit sind wir auf dem besten Weg, das kinder- und familienfreundlichste Land Europas zu werden. Und das ist etwas, worauf wir mit Recht stolz sein können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Ich darf mich einem Argument zuwenden, das Herr Abgeordneter Gusenbauer einzubringen versucht hat, indem er schon mehrfach behauptet hat, dass wir die höchste Steuerquote in Österreich zu verantworten haben. Ich sage es gerne auch mehrfach, wenn die Opposition länger brauchen sollte, die Realität anzuerkennen: Im Jahre 1997 betrug die Steuer- und Abgabenquote 44,8 Prozent, und sie wird im Jahre 2002 44,3 Prozent betragen. Das heißt, den Rekordwert in diesem Bereich überlassen wir sehr gerne Ihnen. Sie werden jene sein, die die höchsten Steuern und Abgaben in Österreich kassiert haben!

Wenn man einen besonders schlichten Vergleich heranzieht und sagt, dass im Jahr 2002 die Steuereinnahmen in Österreich um 111 Milliarden Schilling steigen, dann sollte man doch eigentlich dazusagen, dass die Österreicherinnen und Österreicher insgesamt eine höhere Wertschöpfung erreicht haben: 1999 lag die Wertschöpfung, die wir erwirtschaftet haben, bei 2 700 Milliarden Schilling. Im Jahre 2002 wird sie 3 075 Milliarden betragen. Das heißt, wir haben eine Erhöhung der Wertschöpfung um 350 Milliarden Schilling. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Die Lohnsumme, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, steigt von 1 123 Milliarden Schilling im Jahre 1999, alte Bundesregierung, auf 1 248 Milliarden. Das heißt, die Beschäftigten in Österreich, die Arbeitnehmer, werden um insgesamt 125 Milliarden Schilling mehr verdienen in diesen drei Jahren.

Dass mit einem Mehr an Wertschöpfung, mit einem Mehr an Löhnen und Gehältern, die wir uns Gott sei Dank in unserem Land leisten können (Abg. Silhavy: Und Sie kassieren es dann dafür wieder ab!), natürlich auch höhere Steuerzahlungen anfallen, sollte man auch bei einem so schlichten Vergleich tatsächlich dazusagen.

Wenn Sie dann noch vergleichen wollen (Abg. Dr. Mertel: Sie täuschen!), wie sozial gerecht die Konsolidierung, die wir betreiben, ist, brauchen Sie nur anzuschauen, was im Jahre 1997 mit den Masseneinkommen passiert ist. Wie haben sich die Masseneinkommen 1997 durch Ihr Sparpaket entwickelt? Es gab im Jahre 1997 eine Reallohnsenkung um 2,5 Prozent. 2,5 Prozent weniger an tatsächlich verfügbarem Einkommen für die Arbeitnehmer in Österreich!

Im Jahre 2002 wird es eine Steigerung um 0,7 Prozent geben. Das heißt: 2,5 Prozent Minus bei Ihnen, eine Steigerung bei uns. Das zeigt, wie sozial gerecht eine Konsolidierung eines Haushaltes tatsächlich funktionieren kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie noch kritisieren, das Verhältnis zwischen einnahmenseitiger und ausgabenseitiger Konsolidierung sei nicht richtig, wir würden zu wenig auf der Ausgabenseite sanieren, und wenn dann noch die Frage kam, wo wir denn selbst sparen würden, dann darf ich Ihnen sagen: Wenn wir nicht konsolidiert hätten, dann hätten die Ausgaben in Österreich im Jahre 2002 848 Milliarden Schilling betragen. Tatsächlich betragen die Ausgaben im Voranschlag 802 Milliarden Schilling. Das heißt, wir haben es geschafft, eine Reduktion um 46 Milliarden Schilling Platz greifen zu lassen: durch eine Verwaltungsreform, dadurch, dass wir 11 000 Beamtenposten nicht nachbesetzen, durch Ausgliederung von 4 000 Stellen – allein das bringt 800 Millionen j  –, durch eine Pensionsreform, die 800 Millionen j bringt, durch eine Abschöpfung von Fonds, wobei wir das Geld nicht für andere Dinge ausgeben, was 840 Millionen j bringt, durch Maßnahmen bei den ÖBB und bei der SCHIG, die 200 Millionen j bringen, durch Zinsentlastungen und durch unsere Finanzpolitik, die auch 200 Millionen j bringt. Das zeigt sehr deutlich, dass wir auf der Ausgabenseite sehr stark konsolidiert haben. Das wurde auch von der Europäischen Kommission bestätigt. 2003 werden wir stärker auf der Ausgabenseite als auf der Einnahmenseite konsolidiert haben.

Ich komme nun zum letzten Punkt, meine Damen und Herren, bei dem ich nicht lobend über die eigene Finanzpolitik sprechen möchte, sondern Ihnen sagen will, was die Bevölkerung dazu sagt, was man in Leserbriefen zu der Politik, über die Sie verbreiten wollen, dass sie nicht sozial gerecht ist, dass sie eine Umverteilung von oben nach unten darstellt, schreibt.


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Man findet in der "Kleinen Zeitung" vom 22. Februar 2001 einen Leserbrief von Herrn Gottfried Fabian mit der Überschrift: "Wo ist da der Horror?" Dieser schreibt darin Folgendes – ich zitiere –:

"Auf Grund der laufenden Behauptungen, dass es sich beim Belastungspaket 2001 um ein Horrorpaket handle, habe ich das Thema für meine Familie (zwei Kinder, unsere ‚Familienmanagerin‘" – also eine Mutter, die sich zu Hause um die Kinder kümmert – "und ich als Alleinverdiener) genauestens analysiert. Die Sparpakete 1996 und 1997 ergaben damals für uns eine jährliche Mehrbelastung von S 23 677,--. Im Gegensatz dazu ergeben heute die Gesetzesänderungen im Rahmen der Steuersenkung 2000 und der Familienförderung 1999 und 2000 und die Zinssenkungen für unsere Kredite eine Jahresbegünstigung (!) von S 21 230,--. Wir sind froh, im Jahre 2001 zu leben und loben dieses ‚Horrorpaket‘." – Zitatende. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das ist sozial gerechte Konsolidierung, zu der wir uns bekennen! Damit müssen Sie anerkennen: Uns gelingt eine Konsolidierung des Haushaltes, die Ihnen nie gelungen ist! Wir setzen Schwerpunkte in der Infrastruktur, weil wir um die Hebelwirkung für die Beschäftigung wissen. Wir setzen auch Schwerpunkte im Bereich der Forschung und Entwicklung und im Bereich der Bildung und betreiben damit eine weise und kluge Finanzpolitik für die nächsten Generationen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: 15 Millionen für die Werbung!)

13.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

13.04

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Finanzminister, ich unterstelle Ihnen nicht, dass der Briefschreiber jener ist, der Ihnen 10 000 S gespendet hat. Der Verdacht liegt aber nahe. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt möchte ich einen einzigen Sanierungsvorschlag vom Gewerkschaftsbund hören!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines möchte ich am Beginn meiner Rede klarstellen: Sie unterstellen laufend in dieser Debatte, dass die Sozialdemokratie in ihrer Politik immer so weitermachen wollte wie bisher. Ich halte hier fest: Wir haben Reformen eingeleitet, wir stehen für Reformen, aber so wie bisher mit Ihrer Politik weiterzumachen, dagegen sind wir, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Weil Sie die Defizitentwicklung angesprochen haben: Ich kann mich noch an Redner von der ÖVP erinnern, auch an Redner auf der Regierungsbank, an Redner von der Sozialdemokratie und auch an andere Redner hier im Hohen Haus, die sagten, dass wir zwar auch Schulden gemacht haben, aber nicht, um Arbeitslosigkeit zu finanzieren, sondern um Arbeit zu finanzieren. Ich glaube, auch das sollte man in die Betrachtungen über die Budgetentwicklung mit einbeziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Trattner! Sie haben AT&S Hinterberg angesprochen. Ich nehme an, Sie werden die Kritik des Herrn Androsch an der Budgetentwicklung genauso ernst nehmen wie seinen Erfolg bei AT&S Hinterberg. Oder sehe ich das falsch? (Abg. Mag. Trattner: Das siehst du falsch!)

Sehe ich das falsch? – Seine Budgetkritik nehmen Sie auch so ernst wie seinen Erfolg im Unternehmen? (Abg. Mag. Trattner: Ich nehme alles ernst!) Na gut, dann wissen Sie ja genau, was Sie ändern müssen. Lesen Sie Androschs Aussagen genau, dann wissen Sie, welchen falschen Weg Sie gehen, Herr Trattner! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Auch Androsch hat nicht immer Recht!)

Herr Bundeskanzler! Sie haben in einer Debatte hier im Hohen Hause erwähnt, dass die Anhebung des Pensionsantrittsalters ein ganz entscheidender Punkt war. Ich persönlich bin der


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63. Sitzung / Seite 64

Überzeugung, dass nicht die Anhebung des Pensionsantrittsalters die Lösung der Probleme ist, sondern ein Durchbrechen jener Politik, die wir leider noch immer in diesem Lande spüren: zu alt für die Arbeit, zu jung für die Pension. – Darin sehe ich nämlich die Lösung des Problems und nicht allein in der Anhebung des Pensionsantrittsalters.

Weil heute schon sehr viel zitiert worden ist, erlaube ich mir auch, jemanden zu zitieren, der nicht verdächtig ist, ausschließlich dem Gewerkschaftsbund oder der Sozialdemokratie nahe zu stehen, sondern bisher – und, wie ich glaube, auch in Zukunft – objektiverweise als renommierter Wirtschaftsforscher anerkannt wurde. Ich zitiere Helmut Kramer wörtlich:

Im unteren Drittel der Einkommensverteilung übertrifft die durch diese Maßnahmen des Jahres 2000 wirksame Mehrbelastung die vorhergehende Entlastung aus der Lohnsteuersenkung deutlich.

Und weiter sagt Kramer: Durch die Änderung des Einkommensteuerrechts ab 2001 büßen somit sowohl alle aktiven Arbeitnehmer als auch Pensionisten der mittleren Einkommenskategorien bis etwa 42 000 S am meisten von den Vorteilen aus der Steuerreform 2000 wieder ein.

Kramer fasst in seiner Beurteilung wie folgt zusammen – wieder wörtliches Zitat –:

Die Konsolidierungsmaßnahmen trafen und treffen ab Anfang 2001 "besonders die Bezieher niedriger (nicht unbedingt der niedrigsten) und mittleren Einkommen", die ein Jahr zuvor als stärker begünstigt erschienen. – Zitatende.

Das ist ein wörtliches Zitat von Helmut Kramer! – Also reden Sie nicht dauernd davon, dass keine Betroffenheit da ist, lesen Sie nach, und Sie werden dem nichts entgegenhalten können! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister! Sie haben in Ihrer jetzigen Rede wieder darauf hingewiesen, wie positiv in Wirklichkeit international diese Steuerreform gesehen wird. Es wird ja auch im Bericht des Budgetausschusses rühmend hervorgehoben, dass zur Umsetzung struktureller Budgetsanierungsmaßnahmen international renommierte Berater herangezogen werden.

Die Berater der Weltbank, des Währungsfonds oder von Booz Allen und sonstiger Beratungsunternehmer kennen wir; für die ist Saldierung das Nonplusultra, aber sonst nichts anderes. Das Herz in der Politik ist auf dieser Seite sicherlich nicht zu finden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist für mich zumindest ein Faktum, dass der Budgetentwurf des Jahres 2001 die Senkung des Defizits nur deshalb möglich macht, weil neuerlich überwiegend Steigerungen auf der Einnahmenseite vorgesehen sind. 1,9 Prozent Steigerungen der Einnahmen sind zu verzeichnen.

Herr Finanzminister! Sie haben richtigerweise auf die Lohnsteuer hingewiesen, aber eine Senkung der Lohnsteuer haben Sie nicht angekündigt, wie das zum Beispiel bei den Arbeitgebern sehr wohl der Fall war, denen Sie, Herr Bundeskanzler, auch heute wieder signalisiert haben, dass sie zwar kurzfristig mehr zahlen müssen, diese Mehrausgaben jedoch wieder zurückbekommen.

Ich fordere für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Hauptlast dieser Sanierung tragen müssen, die gleiche Rückzahlung wie für die Arbeitgeber, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Für mich ist das Budget 2002 die Fortschreibung der einnahmenseitigen Sanierung, und es gibt dazu viele Beispiele: Weder im wirtschaftlichen Bereich, noch im Sozialbereich, aber auch nicht in der Bildungspolitik können wir etwas anderes als den Saldenfetischismus feststellen.

Wir brauchen eine andere Budgetpolitik! Trotz der Forschungsmilliarden – 2001 begonnen, in den nächsten Jahren 7 Milliarden Schilling – ist es ein Faktum, das in den Budgetkapiteln 14, 63 und 65 des Budgets 2002 einfach der Ansatz aus dem Budget 2001 fortgeschrieben wird und


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wir nicht das angepeilte Ziel von 2,5 Prozent Forschungsausgaben gemessen am BIP wirklich erreichen können.

Auch der Bereich Bildung wurde angesprochen. Ich habe die Ehre, in einem Universitätsbeirat sitzen zu können. Vor wenigen Tagen habe ich dort die Budgetvorschau und -entwicklung gehört, aber auch die Probleme. Faktum ist, dass bei den Universitäten die Personalausgaben eingefroren werden, Faktum ist, dass die Investitionsdotierung für grundlegende Verbesserungen nicht ausreicht. Und glauben Sie mir, gerade im Bereich Technik würden wir mehr an Innovationen brauchen, als jetzt finanziell möglich ist. Ein weiteres Faktum ist, dass die Fachhochschulen zwar unterstützt werden, aber von den Anforderungen her, die an sie herangetragen werden, viel zu niedrig dotiert sind.

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute über die Ergebnisse des Europäischen Rates von Stockholm berichtet. In Stockholm wurde unter anderem auch darüber beraten, wie es gelingen kann, bis zum Jahr 2005 und weitergehend bis zum Jahre 2010 10 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung eines Landes permanent in Bildung zu halten.

Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Wie passt denn das eigentlich mit den Budgetentwicklungen zusammen, wenn die finanziellen Mittel für die Weiterbildung weiter eingefroren bleiben? Wie wird es uns gelingen, die Entwicklung zu unterbrechen, dass man Menschen ab einem gewissen Alter als nicht qualifiziert für den Arbeitsmarkt bezeichnet, wenn man mehr als 15 Milliarden Schilling aus dem AMS abschöpft und sie dem Budget zuführt? – Ich glaube, das sind die Widersprüche, die in diesem Budget sehr klar und deutlich zu erkennen sind.

Der Infrastrukturbereich wurde auch angesprochen. – Es gibt im Budget 2002 um 900 Millionen Schilling weniger Mittel für die Infrastruktur bei den ÖBB, ganz zu schweigen von anderen Bereichen. So sagt man auf der einen Seite, die Sozialversicherung bilanziere nicht ausgeglichen, und auf der anderen Seite sagt der Finanzminister zu den Vertretern des Hauptverbandes – salopp gesagt –: Mir ist es lieber, ihr habt Schulden, daher gebe ich euch die 1,3 Milliarden Schilling, die ich euch wegen der entfallenen Mehrwertsteuer schulde, nicht zurück und belasse sie in meinem Budget! – Das kann nicht als Sanierung und das kann nicht als richtige Budgetierung angesehen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme sehr bewusst neuerlich auf die Problematik der Unfallrenten zu sprechen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Ihr Spitzenkandidat in Wien wurde am vergangenen Sonntag, bevor das Wahlergebnis bekannt war, gefragt: Was ist denn für Sie das bedrückendste Erlebnis im Wahlkampf gewesen? Er sagte – ich zitiere wörtlich –: Ich erklärte einer Frau den Sinn der Unfallrentenbesteuerung. Dann hielt sie mir die amputierten Hände ihres Mannes unter die Nase. Ich war völlig hilflos.

Das zeugt von sozialer Kälte! Das ist auf eine Politik zurückzuführen, die man nicht fortsetzen sollte! Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, tun Sie nicht so, als ob das Budget nur auf der Ausgabenseite reduziert würde. Sie haben gewaltig in den Topf der kleinen und mittleren Einkommen gegriffen. Sie haben gewaltig in die Taschen der Menschen gegriffen, vor allem derjenigen, die jetzt durch die Unfallrentenbesteuerung Verluste hinnehmen müssen.

Der Herr Finanzminister meinte, es gebe keine Kürzung. Ich hätte ihm gerne all die Lohnzettel zur Verfügung gestellt, die wir von Pensionisten und Unfallrentnern bekommen haben (Zwischenruf des Abg. Böhacker )  – nicht zwei! –, die das Gegenteil davon beweisen.

Es wird auch interessant sein, wie Sie das Ambulanzgebührenproblem lösen werden. (Abg. Böhacker: Gut!) Mich würde Folgendes interessieren: Welche Antwort geben Sie jemandem, der einen Blindarmdurchbruch hat, sofort stationär aufgenommen wird und eine Woche später in die Ambulanz geht, um sich die Nähte herausnehmen zu lassen? Zahlt er 250 S, zahlt er 150 S, oder zahlt er gar nichts? Das ist die Frage! (Abg. Böhacker: Warum geht er nicht zum Hausarzt?) Weil der Arzt ihn automatisch zugewiesen hat. – Sie werden darauf die Antwort geben müssen, und Sie werden das nächste Chaos erleben.


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Auf Ihre Frage, Herr Kollege Böhacker: Warum geht er nicht zum Hausarzt?, darf ich Ihnen sagen: Vielleicht kriegt der Patient zur Antwort: Der Hausarzt ist am Wochenende gar nicht da! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Böhacker. )  – Die kriegt er dort auf jeden Fall heraus. Am Samstag kann er dort hingehen. Glauben Sie mir das, ich kenne das auch ein wenig. Am Samstag kann er dort hingehen und kann das machen lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausgewogenheit der Struktur der Budgetdefizitreduzierung ist der Hauptkritikpunkt, den die Sozialdemokratie hier anführt. Die Kritik an dieser Regierung bezieht sich nicht so sehr auf das Budget, sondern auf die Defizite bei den Sozialleistungen, bei der Verteilungsgerechtigkeit und bei einer sozial ausgewogenen Lohnsteuer- und Zinspolitik.

Ich wiederhole das zum x-ten Male hier: Sie waren irrsinnig schnell – nach dem Slogan "Speed kills" – bei den Sozialausgaben. Da haben Sie schnell gewusst, was man reduzieren muss. Seit dem Vorjahr verlange ich – und ich werde nicht müde, das zu verlangen – einen Bericht über die Steuergerechtigkeit. Wo ist denn der Bericht über die Treffsicherheit der Steuern in Österreich? Wer zahlt welche Steuern? Wer bekommt aus diesem Steuersystem die Vergünstigungen? Das ist die Antwort, die wir von Ihnen einfordern, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Wer hat die Steuergesetze der letzten 30 Jahre beschlossen?)

13.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. – Bitte.

13.15

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Meine Damen und Herren im Plenum! Ich habe an sich recht wenig Lust, das endlose Hickhack fortzusetzen: Das Kunstbudget sei viel zu gering, schreit die Opposition, das stimme nicht, schreie ich dagegen. Ich möchte viel lieber auf eine sachliche Ebene kommen und die Zahlen nennen, die dem Kunstbudget zugrunde liegen. Ich möchte über das sprechen, was bereits geleistet wurde, und über das, was noch geleistet werden wird – trotz larmoyanter Verbalattacken auf die Arbeit dieser Regierung bei Pressekonferenzen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. )  – Nein, Kollege Cap, von Ihrer Seite! (Abg. Dr. Kräuter: Der Haider geht auf die Regierung los! – Abg. Edler: Der Haider schimpft auf die Regierung!)

Ich will mich in meinen Vergleichen an ein bekanntes Bild aus der Psychologie halten, das sich meiner Meinung nach sehr gut auf das Kunstbudget anwenden lässt, nämlich das des berühmten Glas Wassers. Ich behaupte, es ist halb voll (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und überlasse es der Opposition, es dauernd als halb leer zu bejammern. Der Inhalt bleibt doch gleich, was die Menge betrifft.

Nun zu den Zahlen: Für das Jahr 2002 werden im Budget für den Bereich Kunst Gesamtausgaben in der Höhe von 220,2 Millionen j zur Verfügung gestellt. Im Vergleich zum Jahre 2000 ist eine kontinuierliche Steigerung zu beobachten, die insgesamt rund 4,3 Millionen j ausmacht.

Das Bundesbudget ist das erste in Euro ausgewiesene, und weil wir vielleicht noch nicht so schnell umrechnen können, nenne ich die Zahlen lieber in unseren noch gewohnten Schillingbeträgen. Rund 3 Milliarden Schilling stehen demnach zur Verfügung. Davon sind 1,138 789 Milliarden Schilling für das Kunstbudget vorgesehen – das sind rund 25 Millionen Schilling mehr als heuer – und 1,891 229 Milliarden für die Bundestheater. Der Löwenanteil der Zuwächse entfällt auf Förderungen und Kunstankäufe und auf verschiedene Umschichtungen. Insgesamt weist das Kunstbudget im engeren Sinn eine Steigerung von 4,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 auf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das bedeutet, meine Damen und Herren, einen klaren und überproportionalen Zuwachs; und das ist vor allem im Vergleich mit anderen Budgetbereichen äußerst bemerkenswert und ein


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Zeichen dafür, wie hoch österreichische Kultur und Kunst von dieser Bundesregierung bewertet werden, und das auch in einem Sparbudget. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist auf die hervorragende und verantwortungsvolle Arbeit eines Staatssekretärs zurückzuführen, der außerdem auf nicht wenige, bereits geleistete Veränderungen hinweisen kann. Einiges davon war bekanntlich jahrelang, ja jahrzehntelang verschoben worden und konnte nicht bewältigt werden. Nun endlich gibt es Lösungen. Ich nenne Ihnen dafür folgende Beispiele:

So wurden alle großen Förderfälle – ich betone: alle! – bereits im ersten Quartal erledigt. Ein unbestritten großes Verdienst ist auch die Rettung der "Josefstadt" und des Konzerthauses – wohl eine der größten Hypotheken, die die Kunstsektion übernehmen musste.

Außerdem gab es Aufstockungen bei den Direktförderungen. Beispiel – da kenne ich mich besonders gut aus –: Stipendienerhöhungen im Bereich der Literatur. Die Bundesstipendien wurden auf insgesamt 20 erhöht. Es gab auch eine Aufstockung der Werkstipendien. Insgesamt gibt es nun mehr Geld für den Einzelnen, und zwar statt monatlich 15 000 nun 18 000 S. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zusätzlich gibt es ein zweites Robert Musil-Stipendium. Es gibt auch steuerrechtliche Erleichterungen für Künstler. Da sie unregelmäßige Einkünfte haben, besteht nun die Möglichkeit, ihre Einkünfte auf drei Jahre verteilt zu versteuern, und zwar auch rückwirkend. Darüber hinaus gibt es eine Mehrjährigkeit von Förderzusagen. Da soll das Wiener Modell auf Bundesebene umgesetzt werden. Das ist jetzt geplant. Für die Planbarkeit der Veranstaltungen ist das ganz wichtig.

Weitere Beispiele: die Künstler-Sozialversicherung, die ein Grundstein zu einer praktikablen langfristigen Lösung der sozialen Absicherung von Künstlern und Künstlerinnen ist, die Galerienförderung, die ein vorbildliches Modell ist, und als erster Erfolg dieser Regierungsperiode, der mir auch besonders am Herzen liegt, die Buchpreisbindung. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen: Unser Modell wird als so vorbildlich angesehen, dass Belgien und Italien nachgezogen haben. Wir haben für unser Modell Lob von europäischer Seite bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Schließlich noch als jüngstes Zeichen einer sehr geschickten und klugen Vorgangsweise sei die Verlängerung des Vertrages – Sie haben vielleicht davon gelesen – von Ioan Holender erwähnt. Das geschah auf Initiative unseres Staatssekretärs Franz Morak. Ioan Holender hat nämlich bewiesen, dass er die Staatsoper in jeder Hinsicht, nämlich wirtschaftlich, künstlerisch und personell, hervorragend führt, und auf diese Weise ist eine weitere Vorausplanbarkeit für die beiden Jubiläumsjahre 2005 und 2006 gewährleistet.

Meine Damen und Herren! Die Vorgangsweise und Amtsführung unseres Staatssekretärs für Kunst sind anders als die seines Vorgängers. (Abg. Auer: Weit besser! – Abg. Schwarzenberger: Besser!) So wird nichts im Voraus versprochen, das außerbudgetär gedeckt werden muss. Zuerst werden Mittel für Sonderprojekte gesucht, dann wird zugesagt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) So war es im Fall der Auftreibung der Gelder – ich kann jetzt nur die drei wichtigsten Beispiele nennen – für das Kunsthaus Graz, für den Umbau des Festspielhauses, für den Künstler-Sozialversicherungsfonds.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werden auch Strukturen korrigiert. Welche Regierung würde es versäumen, ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen? So soll einiges geändert werden, und so manche Abteilungen, die lange unberührt und ungestört ihre Existenz genossen haben, müssen sich jetzt wie jedes andere Unternehmen auch gefallen lassen, evaluiert zu werden. Jetzt wird untersucht: Wofür braucht man was, wo kann eingespart werden, und wo können die dabei gewonnenen Mittel wirkungsvoller eingesetzt werden? Natürlich dürfen, ja müssen diese Fragen endlich gestellt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt zum Beispiel die Abteilung "Kinder- und Jugendliteratur" der Abteilung "Literatur" einzugliedern beziehungsweise ein Referat statt einer eigenen Abteilung zu schaffen, darin kann ich


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nun wirklich nicht den Untergang des Abendlandes sehen. Auch darin, die Jugendfilmabteilung der Filmabteilung einzugliedern, sehe ich durchaus Sinn. Die Folgerung, dass deshalb grundsätzlich weniger Wert auf diese Bereiche gelegt würde und dass vor allem weniger finanzielle Mittel dafür aufgewendet würden, ist dadurch ganz bestimmt nicht automatisch impliziert, wie die Praxis schon beweist und weiterhin beweisen wird. Ich bitte wirklich, hier nicht dauernd den Teufel an die Wand zu malen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Panikmache und das Stiften von Unsicherheit sind, wie wir wissen, nichts als politische Taktik, und diese wird durch kontinuierliche Arbeit, die sich durchaus nicht dauernd grell im Scheinwerferlicht gespiegelt sehen muss, ohnehin aufgehoben. Gerade jene Künstlerinnen und Künstler, die sich hauptsächlich um ihre künstlerische Arbeit und weniger um die Tagespolitik scheren – wir kennen diese Problematik –, werden aber durch Gerüchte und falsche Behauptungen laufend verunsichert und reagieren auf gezielte Falschmeldungen empfindlich, manchmal auch aggressiv. Das ist auch ganz klar, wenn Behauptungen wie "das Kunstbudget wird immer geringer, der Staat tut nichts für seine Künstler" und so weiter gebetsmühlenartig wiederholt werden, auch wenn sie falsch sind. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )

Ich behaupte – und das nicht ohne Genugtuung, meine Damen und Herren –, das ist sinnlos, denn so vieles an nachweislich umsichtiger Planung, an Etappensiegen, an Strukturiertheit und klugem Vorgehen spricht für sich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es gibt ambitionierte Vorhaben, es gibt Erfolge, es gibt laufend Gespräche mit den Künstlerinnen und Künstlern, mit Kulturinitiativen und Institutionen, und es gibt Antworten.

Meine Damen und Herren! Daran ist nicht zu rütteln: Wir haben einen guten Staatssekretär für Kunst, der ein gut strukturiertes Kunstbudget klug verwaltet. Und dafür bedanke ich mich auch im Namen vieler meiner Künstlerkollegen und -kolleginnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

13.24

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! – Schade, dass er jetzt gerade geht, wenn ich zu Wort komme. – Herr Staatssekretär Finz! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Meine Damen und Herren! Geschätzte Frau Kollegin Wolfmayr, man braucht überhaupt nicht den Teufel an die Wand zu malen, das tut auch die Opposition nicht, es reicht, wenn man die Zahlen an die Wand malt – das meine ich jetzt symbolisch –, was die Kunst- und Kulturförderung betrifft, denn die machen einem Angst genug, da braucht man den Teufel wahrlich nicht.

Aber ich möchte in meinem Redebeitrag nicht das Kunst- und Kulturbudget bewerten, sondern ich habe vor, mich mit anderen Themen auseinander zu setzen. Vorerst möchte ich gerne dem Herrn Bundeskanzler eine Antwort auf etwas geben, was er im Zusammenhang mit der Integration ausländischer Bürgerinnen und Bürger gesagt hat. Jetzt ist er zwar nicht da, aber dafür hat er ja einen Staatssekretär, der ihn vertritt, und dieser wird ihm dann hoffentlich ausrichten, was zu seinen Redebeiträgen gesagt worden ist.

Der Bundeskanzler hat nämlich Folgendes gemeint: Wir haben richtig, ordentlich und friedlich integriert, und darauf bin ich stolz! – Das waren genau seine Worte. "Die ordentliche Integration der ausländischen Bürgerinnen und Bürger": Das ist seine Wortwahl, das ist seine Semantik, und das möchte ich auch nicht weiter kommentieren.

Ich möchte aber Ihnen, Herr Staatssekretär, als dem momentanen Vertreter des Herrn Bundeskanzlers sagen: Wenn Sie meinen, es erfolge eine ordentliche Integration der ausländischen Bürgerinnen und Bürger, obwohl noch immer kein passives Betriebsratswahlrecht in Österreich für ausländische BürgerInnen besteht, obwohl es immer noch so ist, dass der Zugang zum


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sozialen Wohnbau für ausländische Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht gewährt wird, obwohl die Familienzusammenführung in Österreich durch Quoten behindert wird – das heißt, ausländische Familien haben nicht die gesetzlich geschützten Rechte gemäß der EMRK wie inländische Familien – und obwohl es eine Einschränkung bei der Bundesbetreuung für Flüchtlinge, also Asylwerber und Asylwerberinnen, gibt, nämlich die Beträge dafür immer kleiner werden, dann sei Ihnen das unbenommen. Ich würde auf so etwas keinesfalls stolz sein können und wollen!

Jetzt seien nur an einigen Beispielen einige kleine Punkte herausgehoben zum Thema "Integration ausländischer Bürger und Bürgerinnen" und zu dem, was von staatlicher Seite her dazu getan wird, und ein paar Worte auch zur Unterstützung, die es dafür gibt, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in Bezug darauf, was es auf gesetzlicher Ebene in diesem Bereich gibt – natürlich unter Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse hier im Hohen Haus.

Das Staatsbürgerschaftsgesetz – es war nicht diese Regierung, die es beschlossen hat, sondern noch die alte Regierung, aber auch in dieser ist die ÖVP gesessen; auch wenn sie sich manchmal nicht mehr gerne daran erinnert – ist kein Instrument zur Integration von ausländischen Bürgerinnen und Bürgern nach dem Verständnis, das es international gibt, was ein Vergleich deutlich zeigt.

Da der Herr Bundeskanzler jetzt nicht mehr da ist und ich daher nicht direkt in einen Dialog mit ihm treten kann, möchte ich nur noch eine Bemerkung machen: Es geht mir jetzt schon wirklich mehr als auf die Nerven, wenn christlich-soziale Politiker dauernd den Satz im Mund führen: Wer hier wohnt, der wird auch arbeiten können!

Genau das sagt der christlich-soziale Bundeskanzler seit seinem Regierungsantritt – aber bis heute ist davon nichts umgesetzt! (Beifall bei den Grünen.)

Ich kenne, verehrter Herr Staatssekretär, außer der geschlossenen Freiheitlichen Partei niemanden, der gegen diesen Grundsatz "Wer legal hier lebt, soll auch hier arbeiten dürfen" ist – ich sage "dürfen", denn ob er es kann, ob er einen Arbeitsplatz findet, das steht auf einem anderen Blatt, das gilt für in- und ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen, die von Arbeitslosigkeit oder vom Nicht-Finden eines Arbeitsplatzes betroffen sind.

Dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, sage ich: Nicht an Worten messen wir Sie, sondern an Taten! (Beifall bei den Grünen.) Aber in diesem Bereich fehlen Taten! Sie fehlen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Da ist es ein bisschen zu wenig, wenn man sagt: Jetzt dürfen Au-Pairs bis 28 Jahre aus allen Ländern der Welt nach Österreich kommen und unterliegen nicht der Quotierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes! – Das ist eine Maßnahme, die ab kommender Woche, exakt ab 1. April 2001, in Kraft treten wird. Grundsätzlich begrüße auch ich diese Maßname, nämlich dass Au-pair-Kräfte, die nach Österreich kommen, nicht in die Quote hineinfallen, denn ich finde die Idee, auf diese Weise Sprachen zu erlernen und andere Kulturen kennenzulernen, großartig, allerdings verbirgt sich dahinter die Gefahr, dass natürlich bei strikter Quotierung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz das im Falle anderer, über diesem Au-pair-Status stehender Ausländerinnen und Ausländer geradezu zum Missbrauch einlädt.

Wir werden selbstverständlich genau beobachten, mit welchen Ländern sich dieser Sprachaustausch in erster Linie abspielen wird. – Aber das nur als Nebenbemerkung.

Herr Staatssekretär! Richten Sie dem Herrn Bundeskanzler aus: Reden allein ist zu wenig. Handeln wäre in Bezug auf legales Leben, Wohnen und Arbeiten angebracht. (Beifall bei den Grünen.)

Aber jetzt zum eigentlichen Punkt, Herr Staatssekretär, nämlich zur Volksgruppenförderung und zum Geld, das den Volksgruppen zur Verfügung steht. Als Minderheitensprecherin einer Oppositionspartei bin ich – natürlich, möchte ich fast sagen – seit Jahren mit den objektiven Fakten, mit denen wir konfrontiert sind, nicht zufrieden, wiewohl ich aber gleichzeitig sagen muss, dass es,


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seit ich im Parlament Abgeordnete bin und diese Funktion als Minderheitensprecherin inne habe, eine durchaus bemerkenswerte Steigerung des Volksgruppenbudgets, der allgemeinen Volksgruppenförderung gegeben hat, die jetzt immerhin 51,8 Millionen Schilling beträgt. (Staatssekretär Morak: Das ist gleich geblieben!) Vor zehn Jahren waren das erst ein paar Millionen Schilling. Das ist also okay.

Dieses Budget wurde auch letztes Jahr nicht gesenkt, wiewohl aber doch Millionen fehlen, die der Volksgruppenförderung insgesamt nicht mehr zugute kommen, weil es das gesamte Geld, die Mittel für die Unterstützung von privaten Volksgruppenradios nicht mehr gibt. – Herr Staatssekretär! Das gibt es nicht mehr! Ich bin jedoch korrekt und rechne das nicht in die allgemeine Volksgruppenförderung ein, denn wenn ich das täte, dann wäre es peinlich für Sie, denn dann wäre ersichtlich, dass die Volksgruppenförderung insgesamt sehr wohl um etliche Prozent gesenkt wurde. Aber das ist ein eigenes Kapitel, zu dem ich noch komme, weil sich diesbezüglich nämlich neue Erkenntnisse, was die Förderung der privaten Radios insgesamt betrifft, ergeben haben.

Aber ich möchte noch einmal den Aspekt der nicht erhöhten Volksgruppenförderung besonders ansprechen, weil wir uns nämlich in einem neuen volksgruppenpolitischen Zeitalter befinden, Herr Staatssekretär, und dieses neue Zeitalter hat diese Bundesregierung beziehungsweise dieser Nationalrat letztes Jahr einstimmig ausgerufen. Wir sind nämlich jetzt in dem Zeitalter, in dem eine Staatszielbestimmung das Bekenntnis zur kulturellen und sprachlichen Vielfalt dieses Landes zum Ausdruck bringt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber auch das sind wieder nur Worte, in diesem Fall auf Papier. (Abg. Kiss: Das ist nicht richtig! So etwas Unlogisches!) Im Budget drückt sich das in keiner Weise aus, denn die Volksgruppenförderung ist, wie Sie mir zugeflüstert haben – nicht zugeflüstert, sondern wie Sie es mir laut gesagt haben, aber ich bin ja durch das Mikrophon lauter –, gleich geblieben.

Bitte, das heißt für mich: Wenn Budget in Zahlen gegossene Politik ist, dann ist diese Zahl für die Volksgruppenförderung ja der Ausdruck der absoluten Unfähigkeit, weil sich diese Politik des Bekenntnisses zur kulturellen und sprachlichen Vielfalt nicht erkennen lässt. (Beifall bei den Grünen.) Sonst hätte die Volksgruppenförderung ja nicht auf dem niedrigen Stand, auf dem sie 2001 war – zwischen 2000 und 2001 wurde sie ja auch nicht erhöht –, eingefroren werden können. Für mich ist das Versagen! Das ist nur ein Bekenntnis. Worte statt Taten, Herr Staatssekretär. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Morak. )

Jetzt komme ich noch zu einem Zwischenpunkt, weil die Damen und Herren der Volksanwaltschaft hier sind und weil uns der Herr Staatssekretär die Ehre gibt. Die Volksanwaltschaft und deren Besetzungsmodus, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist demokratiepolitische Steinzeit. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rufe Ihnen – den wenigen, die noch hier sind – einmal in Erinnerung: Wie werden denn in Österreich die Damen und Herren der Volksanwaltschaft bestellt ? Von "gewählt" kann man ja wirklich nicht reden.

Da gibt es ein Verfassungsgesetz, das in den siebziger Jahren beschlossen wurde, und in diesem steht: Die drei größten Parteien, die im Hauptausschuss des Nationalrates vertreten sind, haben ein Nominierungsrecht. – Die drei größten Parteien, wissen Sie, was das heißt? In einer Zeit, in der es nur drei gab, schrieb man hinein: die drei größten. So viel zum Verständnis.

Die drei größten Parteien machen einen Vorschlag im Hauptausschuss, und dann könnte der Nationalrat theoretisch sagen: Wir lehnen ab. Aber das ist keine Wahl, das ist ein Nominierungsvorschlag, und damit ist das erledigt. – Damals war das ein Geschenk von Kreisky an die Freiheitlichen.

Diese Regierung – von den Sozialdemokraten habe ich ja nie erwartet, dass sie das ändern –, die in einer Tour von nichts anderem als von Privilegien redet, die abgebaut werden müssen, und vom Ausmisten – ich will ja nicht die drastischen Worte des "einfachen Parteimitglieds" aus Kärnten verwenden (Abg. Böhacker: Ihr Kollege war das mit dem Ausmisten! –, ist mit der Regelung bei der Volksanwaltschaft plötzlich ganz zufrieden. Da sind wir alle ganz zufrieden,


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denn da gibt es drei attraktive Posten zu besetzen, und bei diesem Modus bleiben wir, dass sich die drei Größten einen attraktiven Posten geben, und damit hat es sich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hat nichts mit meiner Einschätzung der Wichtigkeit der Volksanwaltschaft und meiner oder unserer Zufriedenheit mit der Arbeit der Volksanwaltschaft zu tun. Die Damen und Herren Volksanwältinnen und Volksanwälte leisten im Bereich des ihnen Möglichen – das heißt, im Bereich des gesetzlichen Auftrages, und der wird ja immer kleiner, weil immer mehr ausgegliedert wird – und mit den Möglichkeiten, die sie haben, hervorragende Arbeit. Sie leisten diese Arbeit, ohne eine parteipolitischen Neigung erkennen zu lassen – um das vorsichtig zu formulieren. Dabei haben Sie unsere höchste Wertschätzung! Aber die Art und Weise, wie die Damen und Herren in die Volksanwaltschaft entsendet werden, ist ein demokratiepolitisches Armutszeugnis. (Abg. Großruck: Das sind kompetente Leute! Sie werden das nie erreichen!) Und die Bundesregierung – mit dem Mehrheitsverhältnis, das sie hat – ist aufgefordert, sich das einmal zu Gemüte zu führen.

Aber jetzt komme ich zum letzten Punkt (Abg. Auer: Es wird höchste Zeit!), Herr Medienstaatssekretär Morak, und das ist ein Thema, das wir in dieser Woche schon einmal hier erörtert haben, nämlich die Situation des ORF. (Abg. Großruck: Geh, geh!)

Diese Situation ist deshalb dramatisch (Staatssekretär Dr. Finz: Überhaupt nicht!) – aber Herr Staatssekretär! –, weil das Problem, das letztes Jahr durch diese Bundesregierung eingeführt wurde, nach wie vor gegeben ist: nämlich der Entfall von Programmentgelten, den der ORF dadurch hat, dass er für die Gebührenbefreiungen keine Kompensation erhält. Das ist ja kein kleiner Betrag, da geht es um 600 bis 700 Millionen Schilling, die dem ORF weggenommen wurden und weiter weggenommen werden und ihm fehlen, um seinen Auftrag als öffentlich-rechtliche Anstalt zu erfüllen und ihn umzusetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Sie schädigen mit dieser Vorgangsweise nicht nur den ORF selbst, noch viel schlimmer ist – das ist das, was wesentlich ist –, Sie schädigen damit auch die österreichische Filmwirtschaft, um die es wahrlich nicht rosig bestellt ist. Mit den derzeitigen niedrigen Unterstützungen und Förderungen und dem geringen öffentlichen Rückhalt, den die Filmwirtschaft hat, ist sie so geschwächt, dass selbst 10 Prozent dieses Betrages von 600 Millionen Schilling, also 60 Millionen Schilling, existentiell für die Filmwirtschaft sind. Und das ist nur ein Aspekt.

Aber die österreichische Bundesregierung bleibt weiter dabei, dass man dieses System, das ja so kommod ist, weiterführen soll. Und es werden in Österreich eben die Fernsehgeräte besteuert. Die Bürgerinnen und Bürger, die Programmentgelte zahlen, glauben, wenn sie diese "Fernseh- und Radiogebühr" – so heißt es im Volksmund – entrichten, dass sie das dem ORF geben, damit er ein ordentliches, gutes, interessantes, für die Seherinnen und Seher attraktives Programm gestaltet.

Wissen Sie, wie viel der ORF von diesem Programmentgelt bekommt? – Nur 66 Prozent! 66 Prozent erhält der ORF, und der Rest wandert wieder direkt in den Sack des Finanzministers. (Abg. Großruck: Aber geh!) Das ist nichts anderes als einfache Steuern! Das ist erstens eine Irreführung und zweitens auch noch eine eminente Schwächung des ORF, wenn man nun die Gebührenbefreiung nicht adäquat ausgleicht und ihm dadurch noch zusätzlich eine Schwächung beibringt.

Hätte ich noch Redezeit – aber die ist leider zu Ende –, dann könnte ich noch ganz genau erläutern, wie schlecht der ORF im Vergleich zu anderen öffentlichen Rundfunkanstalten dasteht und dass er unter diesen Bedingungen auch nicht konkurrenzfähig sein kann, wenn ihm ständig Geld entzogen wird und ihm dadurch die Möglichkeit genommen wird, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.

Aber, Herr Staatssekretär Morak – Sie sind ja der Medienstaatssekretär –, Sie haben ja die Möglichkeit, diese Dinge zu ändern. Sie hätten die Möglichkeit, die Identifikation mit der so genannten Fernseh- und Rundfunkgebühr zu erhöhen, indem Sie ... (Die Rednerin wendet sich nach hinten zur Regierungsbank.)  – Jetzt ist er weg; nein, da hinten ist er. Er hört alles.


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Herr Staatssekretär! Sie sind aufgefordert, hier entsprechende Maßnahmen zu setzen, denn uns ist, im Gegensatz zu Ihnen, der Österreichische Rundfunk, sowohl das Radio als auch das Fernsehen, viel wert. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich nutze das jetzt, um Ihnen, Frau Abgeordnete, zu sagen: Sie haben freiwillig 10 Minuten Redezeit gewählt. Sie sind nun bei über 15 Minuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

13.40

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Frau Volksanwältin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Vor wenigen Minuten beziehungsweise vor knapp einer Stunde haben uns die Kollegen Verzetnitsch und Edlinger wieder einmal vor Augen geführt, dass in der SPÖ anscheinend die Linke nicht weiß, was die Rechte will.

Verzetnitsch hat vorhin eine Lohnsteuersenkung eingefordert, und vor rund einer Stunde hat Kollege Edlinger die Regierung davor gewarnt, Wahlversprechen zu machen und Steuersenkungen anzukündigen, weil damit die nachhaltige Budgetsanierung gefährdet sei. (Abg. Silhavy: Verzetnitsch hat einen Ausgleich gefordert!)

Also was wollt ihr von der SPÖ jetzt? Ich sehe genau, ihr zieht an einem Strang, aber in verschiedene Richtungen! Und so war auch die Politik der Sozialdemokraten in den letzten Jahrzehnten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Auch wenn es Ihnen nicht passt: Mit diesem Budget 2002 wird ein weiteres Kapitel in der Erfolgsstory der Budgetsanierung unter einem freiheitlichen Finanzminister geschrieben.

Mit den Budgets 2000, 2001 und 2002 wird in drei Jahren vieles – noch lange nicht alles! – von dem saniert, was sozialistische Finanzminister 30 Jahre lang in Österreich verwirtschaftet haben. (Widerspruch bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Diese Rede haben Sie schon gehalten!) Und dabei gilt der Dank auch den Bürgerinnen und Bürgern von Österreich, die ein erkleckliches Maß an Beiträgen zu dieser Budgetsanierung leisten.

Mit diesem Budget 2002 wird auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich weiter gesteigert und nachhaltig gesichert und damit die Basis dafür geschaffen, dass es in Österreich in Zukunft Vollbeschäftigung gibt. Schon derzeit haben wir einen hohen Beschäftigungsstand. (Abg. Dr. Mertel: Diese Rede haben Sie schon gehalten!)

Mit diesem Budget werden aber auch jene Voraussetzungen und Spielräume geschaffen, um bei einer Konjunkturdelle rasch und entschieden gegensteuern zu können. Und wenn morgen die Wirtschaftsdaten vielleicht moderat nach unten revidiert werden, dann ist in diesem Budget entsprechend vorgesorgt.

Mit der Einführung des Kindergeldes (Abg. Dr. Kostelka: Halleluja!), also der Einlösung eines zentralen freiheitlichen Wahlversprechens, und mit der Erhöhung der Familienbeihilfe wird wahrlich ein Meilenstein in der Familien- und Frauenpolitik in Österreich gesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, müssen den Frauen und den Familien erklären, warum Sie gegen diese Vorgangsweise sind. Wir werden uns jedenfalls diese Maßnahme von Ihnen nie und nimmer kaputtreden lassen.

Insgesamt ist die Budgetpolitik dieser Regierung, dieses "Neu Regierens" auf ein modernes Österreich, auf steigenden Wohlstand für alle ausgerichtet. Und das, meine Damen und Herren von der SPÖ, werden auch Sie nicht verhindern können. (Abg. Eder: Lesen Sie nicht Haider? Haider lesen!)


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Die Opposition, die immer angekündigt hat, sie wolle konstruktiv mitarbeiten und nicht Fundamentalopposition machen, hat bisher mit ihren ersten drei Rednern keinen einzigen aktiven, positiven Vorschlag gemacht. Kollege Kogler wird mir Recht geben. Haben Sie von der SPÖ einen positiven Vorschlag gehört? – Ich habe keinen gehört.

Herr Kollege Kogler, Sie werden sich erinnern: Im Budgetausschuss hat Finanzminister a. D. Edlinger erklärt: Wir werden einen Minderheitsbericht erstellen lassen und beilegen. – Ich habe ihn durchgelesen, selbstverständlich. (Abg. Eder: Aber nicht verstanden! Nicht verstanden!)  – Und was, bitte, steht da drinnen? – Nicht ein einziger brauchbarer Vorschlag zur positiven Lösung Ihrer alten Budgetprobleme! Ganz im Gegenteil!

Aber ich muss sagen: Dieser Minderheitsbericht ist an sich unheimlich wertvoll. Warum? (Abg. Dr. Kostelka: Weil er nicht von euch ist!)  – Weil er eine fast lückenlose Bestandsaufnahme der Versäumnisse der Sozialisten der letzten 30 Jahre ist. Fast lückenlos wurden die Versäumnisse hier aufgelistet. Aber umgesetzt haben Sie nichts.

Auch bei allem Wohlwollen: Wenn man diesen Minderheitsbericht wirklich liest, dann kann man nur feststellen: Er ist geprägt von Schwarzmalerei, von einer dumpfen Angstmache und von Widersprüchen gegenüber öffentlichen Aussagen. Ich möchte fast sagen, er ist ein depressiver Minderheitsbericht. (Abg. Eder: Sie sind schon ganz depressiv, Herr Kollege!)

Was ist denn übrig geblieben von den Vorschlägen der Opposition beim Budgethearing? Was hat denn etwa der Experte der Grünen, Herr Mag. Rossmann, gesagt? Was können wir anders machen? – Steuererhöhungen, Wiedereinführung der Vermögensteuer, Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungsteuer, Erhöhung der Sparbuchsteuer, und als "Jolly Joker" der Opposition – egal, ob rot oder grün – hat es geheißen, die Stiftungsbesteuerung muss erhöht werden, muss massiv erhöht werden. (Abg. Mag. Kogler: Ja, und?)

Stimmt es, Herr Kollege? Allen voran Herr Ex-Minister Edlinger hat gesagt, die Stiftungsbesteuerung gehört erhöht. Der ÖGB, die Arbeiterkammer, die Hagenhofers, die Verzetnitschs und die Nürnbergers, sie alle haben gefordert, die Stiftungsbesteuerung müsse erhöht werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Eder: Die Milliarden des Prinzhorn gehören besteuert!)

Sie vergessen aber, dass die SPÖ die Stiftungsbesteuerung eingeführt hat. Ich werde Ihnen diesbezüglich ein bisschen auf die Sprünge helfen. Schade, dass Herr Kollege Edlinger nicht da ist, weil er immer vom schlechten Kurzzeitgedächtnis der ÖVP spricht.

Ich habe im Jahre 1999 zur Stiftungsbesteuerung an den damaligen Finanzminister Edlinger eine schriftliche Anfrage gerichtet. Zur Erinnerung, zur Gedächtnisauffrischung werde ich euch jetzt einige Passagen aus der Antwort zur Kenntnis bringen. Edlinger antwortete – ich zitiere –:

"Die steuerliche Behandlung der Privatstiftung und ihrer Begünstigten ist systematisch so geregelt, daß das Gesamtbesteuerungsniveau ... jenes einer natürlichen Person, die vergleichbare Einkünfte erzielt, nicht unterschreitet." – Laut Edlinger ist also mit der Privatstiftungsbesteuerung alles in Ordnung.

Und Edlinger schrieb weiters: "Von einem Privileg der Stiftungsbegünstigten kann also nicht gesprochen werden und der in der Literatur zum österreichischen Stiftungssteuerrecht diesbezüglich angesprochene Mausefalleneffekt ist nicht ganz unberechtigt." – Edlinger warnt sogar davor, in die Stiftung zu gehen, weil da könnte man ja unter Umständen mehr zahlen.

Es heißt auch: Im Zusammenhang mit dem moderaten Schenkungsteuersatz darf im Übrigen nicht übersehen werden, dass eine Vermögensdurchschleusung durch eine Privatstiftung keinen Steuervorteil bringt. – Originalzitat Edlinger.

Weiteres Originalzitat Edlinger: "Die Gleichstellung von Begünstigten einer Privatstiftung mit Steuerpflichtigen, die Sparbuchzinsen, Wertpapiererträge und Dividenden erzielen, ist ... schon


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derzeit gegeben", so Edlinger. "Weitere Schritte sind daher nicht erforderlich", meint Edlinger. – Ja, was wollt ihr denn? Wisst ihr denn nicht, was ihr alles schon gesagt habt?

In einem Punkt war Kollege Edlinger allerdings schon ein bisschen gesprächsbereit, und zwar in Bezug auf den Eingangssteuersatz von 2,5 Prozent. Da war er gesprächsbereit. Er sagte wörtlich: "Allerdings sollte hier aber mit Augenmaß vorgegangen werden, um Abwanderungen ins Ausland zu vermeiden. Da es keine europäische Mindestbesteuerung für Stiftungen gibt, besteht in diesem Bereich ein besonders scharfer Steuerwettbewerb".

Und dann fasst er noch zusammen, setzt noch eins drauf zur Stiftungsbesteuerung und schreibt: "Ich" – Klammer auf –, Rudolf Edlinger – Klammer zu –, "sehe im Zusammenhang mit der angesprochenen Gesamtregelung des Privatstiftungssteuerrechtes keinen ... Änderungsbedarf." – Zitatende.

Das sagt jener Edlinger, der durch die Lande zieht und erklärt, die verstärkte Stiftungsbesteuerung würde das Budget sanieren! Das ist die Doppelbödigkeit und die Doppelzüngigkeit der SPÖ! Es ist damit auch klar, was Herr Ex-Minister Edlinger schon immer war: die sozialistische Schutzmantelmadonna der Stiftungsmilliardäre.

Ich möchte gar nicht fragen, warum er diese Tätigkeit so ausgeübt hat. Aber es gäbe noch viele Beispiele, die nachweisen, dass Ex-Minister Edlinger und die Sozialdemokraten eine Steuerpolitik für die Großen gemacht haben, nach dem Motto: Die Großen können es sich richten, die Kleinen sollen blechen! – Aber da werden wir nicht dabei sein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Eder: Die Stiftungsmilliardäre sitzen in Ihren eigenen Reihen!)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

13.50

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Ich möchte in der Debatte zu den Obersten Organen übergehen und das Thema behandeln, wie die Regierung, wie die Mehrheit in diesem Haus das Parlament im Allgemeinen und die Opposition im Speziellen behandelt.

Als wir vor einiger Zeit im Verfassungsausschuss eine eingehende Beratung über ein Gesetz einforderten und die Regierungsfraktionen meinten, die davor stattgefundenen Parteienverhandlungen hätten schon gezeigt, dass wir nicht an einer Debatte interessiert seien, und darum fände sie im Ausschuss gleich gar nicht statt, habe ich zum Herrn Staatssekretär gesagt: Wir sind doch bereit, hier und heute zu antworten. – Und er antwortete mir passenderweise mit einem Zitat aus "Faust. – Der Tragödie erster Teil": "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube."

Und wenn man sich fragt, wie die Regierung vorgeht, dann ist das vielleicht – um bei den Zitaten zu bleiben, Herr Staatssekretär – jene Methode, die auch Hamlet darin sieht, nämlich dass Sie vielleicht tatsächlich hier vorgehen, wie es manche Sprichwörter oder Redensarten sagen. So scheint mir zum Beispiel "Friss, Vogel, oder stirb!" das Motto zu sein, unter dem Sie die Opposition behandeln, wenn es um Fragen der Zweidrittelmehrheit, den Vertrag von Nizza und andere Dinge geht.

Entgegen dem Grundsatz, bei Fragen, die eine Verfassungsmehrheit bedingen, zu verhandeln und sich zu bemühen, die Zweidrittelmehrheit zu bekommen, gehen Sie davon aus: Es wird der Opposition nichts anderes übrig bleiben, als zuzustimmen. Wir verhandeln nicht, wir nennen ein Verhandeln gleich im Vorhinein "Packeln" oder "Aushandeln eines politischen Preises", wir schummeln uns durch und sprechen nicht. Wir kommen nicht jenem Grundsatz nach, den eine Regierung beachten sollte: sich zu bemühen, gerade bei Verfassungsfragen, bei Fragen, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, einen Konsens zu finden, einen Mittelweg zu finden und zu schauen, wie man alle einbinden könnte. Sicherheitshalber wird das Parteiengespräch mit der


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kleinsten Fraktion dieses Hauses, nämlich den Grünen, überhaupt nicht geführt, denn sie allein können Ihnen die Zweidrittelmehrheit nicht bieten.

Ein anderes Sprichwort ist: Nicht einmal den Schein wahren. Nicht einmal den Schein wahren Sie, wenn es um Vorlagen in diesem Haus geht – egal, ob es jetzt die Ambulanzgebühren sind oder ob es das Gesetz über die "KommAustria" war. Nicht einmal der Schein wird gewahrt, sondern es wird vorgelegt, es wird verwiesen, ohne dass veröffentlicht wurde. Sie machen sich nicht einmal die Mühe zu kaschieren, dass diese Vorgangsweise nicht in Ordnung ist.

Und ein anderes Sprichwort besagt, dass man jemanden vor vollendete Tatsachen stellt. – Das machen Sie! So gehen Sie mit uns in wesentlichen Fragen um.

Neutralität – ein Verfassungsgesetz: Wir sind bereit, mit Ihnen ein Gespräch darüber zu führen. – Nein, das führen Sie nicht! Sie verpacken in manche Gesetze so kleine Dinge hinein, die wollen Sie dann schnell durchdrücken – wie gerade jetzt –, und Sie hoffen, die Neutralität schleichend abschaffen zu können, um dann eines Tages das Argument gegen sie verwenden zu können, sie sei ja in Wirklichkeit nicht mehr vorhanden.

Das ist kein demokratischer Grundsatz, das ist ein undemokratischer Grundsatz, wenn man in einem Parlament, in einer Demokratie den anderen nur vor vollendete Tatsachen stellt. (Beifall bei der SPÖ.)

"Speed kills" – Sie sprechen von "speed kills". Es wurde heute schon darauf hingewiesen, dass die richtige, die passende Übersetzung immer mehr "husch-pfusch" oder "drüberfahren" ist. Sie schaffen sich Zeit und nehmen sie dem Parlament. Sie schaffen sich Möglichkeit und nehmen sie den demokratischen Behandlungen.

ORF-Gesetz: Sie legen eine Punktation vor. Die Punktation wird diskutiert, aber das Gesetz liegt noch nicht vor. Hinsichtlich der Beratung sagen Sie, das Gesetz wird ordentlich beraten werden. – Na ja, das wird sich nicht ausgehen! Sie setzen sich in manchen Fragen einen Endpunkt, aber ein Unterausschuss, in dem wirklich beraten werden kann, in dem wirklich Experten gehört werden können, wird dann nicht mehr möglich sein.

Und so ist es bei allen Vorhaben. Ich glaube nicht, dass da das Sprichwort zutrifft, dass erst am Abend der Faule fleißig wird, sondern Sie machen das bewusst, damit nicht die Möglichkeit besteht, hier Dinge einzubringen oder öffentlich zu diskutieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )  – Ja, ich komme darauf, Herr Kollege.

Ein anderes Sprichwort ist das von Treu und Glauben. – Ich möchte Sie nur daran erinnern, wie Sie diesen Grundsatz in der Frage Fuhrmann und in anderen Fragen nicht eingehalten haben. Ich sage das, Herr Kollege, weder traurig noch weinerlich. Ich bin nicht niedergeschlagen, ich sage das nur betroffen, denn ich glaube – und das muss man beim Budgetkapitel Oberste Organe, wenn wir über das Parlament, das Bundeskanzleramt diskutieren, auch feststellen –, es ist nicht der richtige Weg, so eine Gesetzgebung zu machen und so mit der Demokratie und dem Parlament umzugehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

Und wenn Sie, Herr Staatssekretär – und damit mache ich schon Schluss mit den Sprichwörtern –, so sehr auf Sprichwörter hören, dann kann ich Ihnen von einer Regierungsfraktion nur sagen: Freuen Sie sich nicht zu früh, es ist noch nicht aller Tage Abend! (Beifall bei der SPÖ.)

13.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zernatto. – Bitte.

13.57

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Volksanwältin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich auch zweifellos spontan nicht so viele Sprichwörter auf Lager


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habe wie mein Vorredner, Kollege Schieder, so fällt mir als ein Sprichwort, das über dieser gesamten Diskussion stehen könnte – wenn ich mir weniger die Rede meines Vorredners hier vergegenwärtige, sondern das, was von der Opposition insgesamt heute in der Generaldebatte gesagt wurde –, das altbekannte "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!" ein.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ja kein Wunder, ich hatte selbst die Freude, Finanzreferent in einer Landesregierung zu sein, immerhin über fünf Jahre, und hatte dort auch eine Budgetkonsolidierung zu vollziehen. (Abg. Mag. Posch: In Kärnten schaut das ganz anders aus!) Wenn ich immer wieder "Totalopposition" und Ähnliches höre: Auch damals wurde so argumentiert, allerdings aus einer anderen Richtung, aber ich sage Ihnen ganz offen: Es gibt keine Budgetkonsolidierung, die nicht mit einer Totalopposition konfrontiert wäre, denn es liegt nun einmal in der Natur der Demokratie, dass das Budget zweifellos das wesentlichste Gesetz eines jeden Jahres ist. Das Budget ist auch und vor allem die in Zahlen gegossene Politik und stellt die in Zahlen gegossene politische Strategie einer Regierung dar. Dass das nicht auf Zustimmung der Opposition stoßen kann und dass sie sich daher mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bemühen muss, dieses Budget schlecht ausschauen zu lassen, ist etwas, was ganz selbstverständlich ist.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil ich diese Erfahrung habe, mute ich mir auch eine gewisse Objektivität zu, die nicht ausschließlich – wenn auch sicher zu einem Teil – von parteipolitischer Überlegung getragen ist.

Meine Damen und Herren! Diese Regierung beziehungsweise dieser Finanzminister hat mit Sicherheit nicht herzlos agiert, als er diese Budgets erarbeitet hat. (Abg. Leikam: Das hat der Haider gesagt!) Wer das gesagt hat, ist ja unerheblich! Ich sage, er ist nicht herzlos. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Das ist nicht unerheblich!) Es ist überraschend, dass das Wort "Herz" so große Emotionen auslöst. Aber es ist ja auch kein Wunder, meine Damen und Herren, denn es gehört schon Herz dazu, eine Konsolidierungspolitik wirklich engagiert und vor allem mit Konsequenz anzugehen. Und das ist dieser Regierung und das ist diesem Finanzminister bisher hervorragend gelungen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang Kollegen Böhacker zitieren, der zu Recht darauf hingewiesen hat, mit welch großem Gestus Rudi Edlinger in der Sitzung des Budgetausschusses zum Kapitel Finanzen angekündigt hat, die Alternativen der Opposition, die Alternativen der Sozialdemokratie auf den Tisch legen zu wollen. (Heiterkeit des Abg. Kiss. ) Es wurde damals zwar bedauert, dass das nicht schon im Vorfeld, nämlich zum Zeitpunkt der Budgetgestaltung, passiert ist, denn dann hätte man auch jene von Kollegen Schieder eingeforderte Dialogbereitschaft durchaus auf den Prüfstand stellen können, aber Dialog im Zusammenhang mit der Erstellung dieses Budgets war, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, beileibe nicht möglich.

Daher sage ich: Das, was diese Regierung bisher aufzuweisen hat, wenn man sich die Wirtschaftsdaten anschaut, wenn man sich die Beschäftigungszahlen anschaut, wenn man sich die Arbeitsmarktsituation anschaut, kann so schlecht nicht sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Kollege Edlinger, mit dem ich wirklich eine alte kollegiale Verbundenheit habe, letztlich zum Schluss kommt, wenn seine Alternative zum Budget dieser Bundesregierung im Ausspruch mündet: Hört auf mit dem Sparen! (Abg. Schwarzenberger: Und macht wieder Schulden!), dann ist das eindeutig zu wenig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das ist ganz sicher nicht unser Weg, und dazu stehen wir auch, denn darüber hat, soweit ich mich zumindest erinnere, über alle Fraktionen hinweg noch vor einem Jahr Einhelligkeit bestanden, dass es nämlich unabdingbar notwendig ist zu reformieren, unabdingbar notwendig ist zu konsolidieren, um von der Schlusslicht-Position in Europa wegzukommen.

Meine Damen und Herren! Es gehört schon Herz dazu, bei einer Budgeterstellung nicht nur an das Jetzt zu denken, sondern sehr wohl auch die Verantwortung zu verspüren, künftige Generationen in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Daher ist diese Konsolidierung wichtig und


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notwendig, und daher danke ich dieser Bundesregierung, dass sie, auch wenn es unpopulär ist, diese Maßnahmen setzt. Ich fordere sie aber auch gleichzeitig auf, sich auf diesem Weg in keiner Weise beirren zu lassen, woher auch immer die Zurufe kommen mögen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

14.03

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Volksanwältin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir jetzt über das Budget 2002 diskutieren, dann muss uns bewusst sein, dass das die letzte Korrekturmöglichkeit vor dem Budget 2003 darstellt, das dann schon ein "Wahlkampfbudget" sein wird, und dass jetzt die Weichen für eine relativ lange Zeit gestellt werden.

Was wir immer wieder versucht haben zu thematisieren und was in dieser Debatte, besonders von Ihrer Seite, immer völlig untergeht, das ist der Versuch, über bestimmte inhaltliche Prioritäten zu diskutieren. Wir haben es versucht bei Bildung, Forschung, Wissenschaft, und ich versuche es jetzt noch einmal bei einem mir extrem wichtigen Bereich, auch für die Volkswirtschaft extrem wichtigen Bereich: dem ganzen Sektor Kreativwirtschaft.

Wenn heute der "Standard" schreibt: "Sport ist Doping für die Wirtschaft", dann würde ich mir wünschen, dass hier einmal steht: Kultur ist Doping für die Wirtschaft. Und wenn hier vorgerechnet wird, der Sport schaffe im Durchschnitt eine Wertschöpfung von 1,48 S, dann möchte ich den Herrn Staatssekretär, aber auch den Herrn Bundeskanzler fragen, ob sie nicht wissen, welche Wertschöpfung in Österreich ein investierter Kunst- und Kulturschilling produziert. Ich frage Sie: Wissen Sie das? (Beifall bei den Grünen.)

Es sind 4 S. Die österreichische Musikindustrie erwirtschaftet mehr als die österreichische Stahlindustrie. Bei der Filmwirtschaft, die in ganz Europa boomt und wo sich im Moment der Wettbewerb um die Medienstandorte für die Zukunft abspielt, ist Österreich absolutes Schlusslicht, in allen Kategorien. Ob das die Zahl der Beschäftigten ist, ob das die Höhe der investierten Geldsummen ist, ob das die Höhe der Wertschöpfung ist – bei allen Summen, was den Bereich Kreativwirtschaft betrifft, liegen wir bereits jetzt hinter Griechenland und Portugal. Das ist ein echtes Armutszeugnis! (Beifall bei den Grünen.)

International, global gesehen, belegt die Kreativwirtschaft den zweiten Platz hinter der Automobilindustrie.

Ich möchte auch auf Kollegin Wolfmayr eingehen; ich werde heute nicht mehr in dieses übliche "Lied" – es ist berechtigt, aber ich mache es heute nicht mehr – mit dem Zu-Tode-Kürzen von Institutionen einstimmen, sondern ich möchte heute wirklich auf diese vertane Chance Kreativwirtschaft eingehen.

Es ist tatsächlich so, dass ein Land wie Luxemburg – Luxemburg ist wirklich sehr klein – mehr für die Filmwirtschaft ausgibt als Österreich. Es ist tatsächlich so, dass Bayern viermal so viel für den Bereich Kreativwirtschaft/Filmindustrie ausgibt wie Österreich. Wir wurden mittlerweile nicht nur von Städten wie Berlin und Köln als Metropolen in diesem Bereich meilenweit abgehängt, sondern es fahren sogar jetzt schon österreichische Kreativleute nach Prag und nach Budapest, weil es bei uns keine entsprechenden technischen Möglichkeiten mehr gibt, da in diesen Bereich nicht mehr investiert wird. Und das ist wirklich eine vertane Chance, die ihresgleichen sucht.

Letzte Woche fand die "Diagonale" in Graz statt. Es wurde sehr klar von Seiten der Filmschaffenden, der Filmindustrie ausgerichtet – erstmals war der Staatssekretär nicht dort, auch kein anderes Regierungsmitglied –, dass es hier um ein schwarzes Loch für die Gegenwartskunst und -kultur geht, das wirtschaftlich immense Auswirkungen hat.


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Wenn gestern 100 Millionen Schilling für militärische Nachtsichtgeräte beschlossen wurden und man weiß, dass für die österreichische Filmwirtschaft in diesem Kunstsparbudget nur noch 106 Millionen Schilling übrig sind, dann stimmt mich das einfach traurig. Und wenn Frau Wolfmayr sagt, das sei "Den Teufel an die Wand malen", das sei Panikmache, dann frage ich Sie: Ist es nicht wirklich traurig, dass wir für diesen kreativen Bereich nicht einmal so viel ausgeben wie für Nachtsichtgeräte für das Bundesheer? Ist das nicht absurd? (Beifall bei den Grünen.)

Es ist besonders absurd, weil im österreichischen Regierungsübereinkommen von einem Schwerpunktprogramm für den österreichischen Film gesprochen wird: durch Einsatz von Fördermitteln, Bereitstellung von Risikokapital, Koordinierung mit dem Wirtschaftsministerium. Es ist tatsächlich auch eine Wirtschaftsförderung. Und wissen Sie, was unglaublich ist? Das Wirtschaftsministerium hat den österreichischen Filmschaffenden und der Filmwirtschaft ausrichten lassen: Ihr kriegt keinen Termin. Mit euch reden wir nicht, denn bei euch sind einige Leute dabei, die gegen die Regierung sind. – Das finde ich wirklich unerhört. (Beifall bei den Grünen.) Das ist ein illegitimer Einsatz von Kapital, das der Volkswirtschaft gehört und nicht Wirtschaftsminister Bartenstein! Das ist wirklich unerhört! (Abg. Großruck: Wer hat das gesagt?)

Zwei Punkte noch die Filmwirtschaft betreffend. Sie ist ein riesiger boomender Markt in ganz Europa. Wir wissen, dass wir in diesem Bereich Schlusslicht sind, wir sind im Begriff, von unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten überholt zu werden. Städte wie Prag und Budapest stehen in den Startlöchern. Dieser im Regierungsprogramm angekündigte Schwerpunkt wird so umgesetzt, dass wir im jetzigen tatsächlichen Budget noch einmal ein Minus von ein paar Millionen Schilling haben.

Das geschieht auf Grund einer Kurzsichtigkeit, und es ist für mich einfach nicht nachvollziehbar, wie man diese Riesenchance und diese Zukunftsressource Kreativität, die in Österreich vorhanden ist, so ungenutzt lassen kann. Die österreichischen Filme räumen bei jedem Festival ab. Herr Morak sagt, solche Filme wie "Der Überfall", der sehr beliebt ist, in dem Düringer mitspielt – zwar nicht so ganz mein Fall, aber bitte –, der ein sehr erfolgreicher Film ist, haben auf dem deutschsprachigen Markt keine Chance. – Was war? Ein paar Monate später hat er bei den größten Festivals in Deutschland zwei große Preise abgeräumt.

Ihre Antwort, Herr Morak, war immer die: Wir sollen Kooperationen mit ausländischen Filmteams eingehen. Wenn es kein österreichisches Kapital gibt, dann ist das Geld, das in Deutschland für Koproduktionen auf der Straße liegt und das es nur abzuholen gilt, vertan. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir nicht einmal fähig sind, diese vorhandenen Chancen zu nützen, wie sie andere Länder wie Finnland oder Schweden nützen, die so große internationale Erfolge verzeichnen, Lars von Trier et cetera, die Sprachinseln darstellen – wir haben den riesigen deutschsprachigen Markt zur Verfügung! –, dann ist das wirtschaftspolitisch wirklich haarsträubend und äußerst schade. (Abg. Haigermoser: Castor-Transport!) Es schmerzt mich dermaßen, dass so wenig Priorität für eine Zukunftsressource wie Kreativität und Filmschaffen in Österreich ersichtlich ist. (Abg. Haigermoser: Castor-Transport!)

Ein Schlusswort zum Kunstbudget selbst, um noch einmal die Zahlen aus unserer Sicht darzustellen. Es ist ein eingefrorenes Budget ... (Abg. Haigermoser: Castor-Transport! Joschka Fischer, Trittin!)  – Können Sie bitte ruhig sein! Das geht mir wirklich auf die Nerven. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Nein!) Ich rede jetzt über die Filmwirtschaft! Wir können dann gern noch über Atomkraft und so weiter diskutieren, wirklich mit Vergnügen, aber lassen Sie mich jetzt zur Filmwirtschaft fertig reden! (Abg. Dr. Mertel: Der "rülpst" immer! – Abg. Haigermoser: Ich werde nicht ruhig sein!)

Bitte melden Sie sich zu Wort, und erklären Sie mir, warum Sie in den Bereich Filmwirtschaft keinen einzigen Groschen mehr investieren wollen! Das würde mich echt interessieren. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: In was?) Bei einer Wertschöpfung von 4 S pro investier


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tem Schilling! (Abg. Haigermoser: Bei was?) Ich verstehe das nicht, das ist mir völlig unbegreiflich. (Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Nein, Herr Gaugg! Darf ich es Ihnen noch einmal kurz erklären (Abg. Haigermoser: Bitte mir auch!): pro investiertem Schilling 4 S Wertschöpfung! Die österreichische Wirtschaft schreit: Wir brauchen mehr Investitionen in Fussball-EMs! – und ich weiß nicht was. Das ist alles schön und gut, aber ich möchte dieses Bewusstsein auch einmal für den kulturellen Bereich haben. Sie kennen ja die österreichischen Filme. – Haben Sie sich noch nie einen österreichischen Film angesehen? Die sind extrem erfolgreich. Die österreichischen Fernsehzuschauer lieben österreichische Filme – viel mehr als die Hollywood-Blockbusters –, die haben eine viel höhere Quote! Ich denke, so etwas nicht zu nützen, das ist nicht nur Kurzsichtigkeit, sondern das ist blanke Dummheit. Ich verstehe das einfach nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist wirtschaftspolitische Dummheit!; anders kann man es nicht ausdrücken.

Zum Abschluss noch einmal: Das Kunstbudget ist auf einen Stand von minus 10 Prozent im Vergleich zu 1999 eingefroren. Seitdem wurde kein Groschen mehr hinzugefügt. Es gibt keine Prioritäten für die Bereiche Neue Medien, Film, Kreativwirtschaft. All das, was angekündigt worden ist, ist nicht geschehen.

Ich habe jetzt bewusst nicht, weil wir schon sehr viel darüber diskutiert haben, über politische Gesinnung als Förderkriterium gesprochen und über all das, was sich im Morak-Ressort abspielt, all das, was Kommentatoren in den letzten Tagen und Wochen geschrieben haben, wie Morak mit seinen – unter Anführungszeichen – "Feinden" umgeht; auch dazu gäbe es einiges zu sagen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber wenn Sie mich zwingen: Wie Morak Entscheidungen fällt – die große Feigheit vor dem Feind. Kommentatoren schreiben: Die Intransparenz bei Entscheidungen ist eine neue Qualität im Vergleich zu dem, wie es vorher war. Weiters: Nach den budgetbedingten Subventionskürzungen folgen nun die ideologiebedingten.

Über all das wollte ich heute wirklich nicht sprechen, sondern ich wollte einmal etwas Konstruktives machen und über die Kreativwirtschaft sprechen, aber leider ist das mit Ihnen und Ihrer Kurzsichtigkeit einfach nicht möglich. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kiss: Bleiben Sie so jung und präpotent!)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Dame Volksanwältin Krammer! Herr Volksanwalt Schender! Geschätzte Damen und Herren! Wenn Frau Kollegin Glawischnig wüsste, in wie vielen Bereichen sich das Kulturdenken der Freiheitlichen mit dem ihrer Ausführungen deckt, würde sie sich wundern. Sie sollte uns auch einmal zuhören, dann käme sie drauf, dass es durchaus möglich ist, einen Konsens zu finden.

Frau Kollegin Glawischnig! Wenn Sie hier Behauptungen aufstellen wie, es würde irgendjemand sagen, man würde mit Vertretern der Filmwirtschaft nicht sprechen, weil es unter diesen Leute gäbe, die eine andere Meinung als die Regierung hätten, dann müssen Sie auch den Namen nennen. Sagen Sie dazu, wer das ist! So etwas lehnen wir zutiefst ab, das gibt es bei uns einfach nicht, weil wir es durchaus lobenswert finden, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Allgemein wäre noch festzustellen, dass es am dritten Sitzungstag in Folge massive Auflösungserscheinungen hier im Plenum gibt, wobei die massivst betroffene Fraktion die SPÖ ist. (Abg. Dr. Mertel: Wo waren denn Sie bis vor einer halben Stunde?) Da sitzt noch der Zivilschutzpräsident von Österreich, der wahrscheinlich auf die zwei Kärntner Abgeordneten Mertel und Leikam aufpasst, die, wenn sie nicht hier herinnen sitzen, in Kärnten an ihrem Arbeitsplatz sein müssten. Dort würden sie vom Landeshauptmann Dr. Haider kontrolliert, ob sie etwas tun.


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Daher ziehen sie es vor, hier zu sitzen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Aber der Rest der SPÖ-Fraktion scheint sich um einen Gemeinderatssitz in Wien zu bemühen, denn das ist die einzige erfolgreiche Landesgruppe, die sie auch bleiben wird. Ich darf Ihnen auch heute sagen: Sie sollen den Tag nicht vor dem Abend loben! (Abg. Haigermoser: Genau!)

Man muss eines sehen – und das deckt sich mit vielen Ausführungen meiner Vorredner, die die Budgets 2001/2002 durchleuchtet haben –, nämlich dass es in Österreich selbstverständlich ist, dass die Arbeitsleistung in einem erheblichen Ausmaß besteuert wird, in vielen Bereichen zu hoch besteuert wird. Und es sollte und muss durchaus Überlegungen geben, in der Frage der Stiftungen und der Vermögensteuer neue Wege zu gehen. (Abg. Mag. Kogler: Richtig!) Es kann doch nicht so sein, dass einerseits das Entgelt für jede Überstunde, die von einem Arbeitnehmer geleistet wird, wie selbstverständlich bis zu 50 Prozent in den Taschen des Finanzministers landet, andererseits aber beachtliche Vermögenszuwächse steuerfrei lukriert werden können, immer mit dem Argument: Das Kapital ist scheu wie ein Reh, das darf man nicht berühren, denn dann ist es weg!

Ich sage Ihnen eines: In vielen Bereichen ist immer wieder feststellbar, wie scharlatanenhaft mit Geld umgegangen wird. Ich erwähne nur die Entwicklung der internationalen Börsen und Ähnliches mehr. Und daher auch mein Appell an den Herrn Finanzminister, nicht alles und jedes der schwarzen Null unterzuordnen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Jawohl!) Wir haben als politische Mandatare die Aufgabe, nicht nur ein saniertes Budget zu präsentieren, sondern vor allem Politik für Menschen zu machen. Das ist das Entscheidende! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Bravo, Herr Kollege!)

Warum das so schwierig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür ist das finanzielle Desaster verantwortlich, das uns zuletzt ein gewisser Herr Edlinger, seit wenigen Tagen mit roten Locken, hinterlassen hat. Er ist es, der es letztlich zu verantworten hat, dass viele Maßnahmen, die schmerzhaft sind, die die Menschen in diesem Lande treffen, gesetzt werden müssen, weil sie eben notwendig sind. Das wollen doch nicht einmal die Abgeordneten der SPÖ: dass die Republik Österreich so endet wie der "Konsum", nämlich in der Pleite. Es sind notwendige Gegenmaßnahmen zu treffen.

Umso eigenartiger mutet es an, dass sich die SPÖ-Fraktion unter Federführung des Ex-Finanzministers Edlinger zu einem Minderheitsbericht zum Budget 2002 aufrafft. Darin wird geradezu weinerlich festgestellt, dass das Budget 2002 ausgeglichen erzielbar sein wird, dass der Bund zwar noch 11,5 Milliarden Schilling Abgang schreibt, aber durch den Beitrag der Länder das Nulldefizit erreichbar ist. Das wird weinerlich in einigen Sätzen beklagt! Da muss ich sagen, die Fähigkeit des Wirtschaftens Ihrer sozialdemokratischen Abgeordneten ist größer als jene des ehemaligen Finanzministers Edlinger, weil sich dieser noch immer zur Schuldenpolitik, die er gemacht hat, bekennt. Weiters wird bezüglich der Arbeitslosenversicherung beklagt, dass hier Mittel für die Wirtschaftsoffensive verwendet werden. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, Gott sei Dank haben wir Arbeitslosenzahlen, die diese Maßnahmen zulassen.

Dann wird in einer Analyse der Ausgabenstruktur des Bundes festgestellt, es passiere eigentlich gar nichts Wesentliches, mit Ausnahme des Kindergeldes. Das hat man großzügigerweise hineingeschrieben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem von der Sozialdemokratie! Eine der größten Errungenschaften im sozialen Bereich ist die Einführung des Kindergeldes. Die Einführung des Kindergeldes bringt unseren Familien doppelt so viel Geld wie bisher. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das wäre eine hehre Aufgabe für die SPÖ gewesen.

Weiters beklagen Sie die Mindereinnahmen beziehungsweise die Minderinvestitionen der Österreichischen Bundesbahnen. Hätten Sie nicht ein so "großartiges" Desaster bei den Finanzen in der ÖIAG hinterlassen, wären Kürzungen in diesen Investitionsbereichen nicht notwendig.

In Summe ist das Budget 2002 aber ein Budget, das Akzente für die Zukunft setzt, Akzente für Forschung und Entwicklung, ein Budget, das auch für den Bereich der Infrastrukturen in den


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öffentlichen Einrichtungen Akzente setzt und ausreichend ist. Und das Krankjammern von Seiten der SPÖ werden wir Ihnen als Spiegel vorhalten, und ich kann Ihnen nur eines sagen: Sie werden es erleben, dass trotz Nulldefizit in unserem Land die Sozialmaßnahmen wieder besser werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

14.19

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist ein seltenes Vergnügen, nach Herrn Gaugg zu sprechen. Jetzt haben Sie sich an die Kärntner Töne bereits gewöhnt, wodurch es Ihnen leichter fallen wird, mich zu verstehen. (Abg. Gaugg: Genieren Sie sich dafür – oder was?)  – Nein, ich sage nur, dass die Töne für Kärnten symptomatisch sind. Meine sind ja nicht anders, vielleicht weniger ... (Abg. Gaugg: Also dagegen verwahre ich mich schon!)

Herr Gaugg hat gemeint, höhnisch hat er das natürlich gemeint: Würde ich nicht hier sitzen, würde ich zu Hause an meinem Arbeitsplatz sitzen müssen und von Herrn Haider kontrolliert werden. Wissen Sie, Herr Gaugg, ich darf noch zu 25 Prozent arbeiten. Aber gegen Ihre Arbeitsleistung und Ihre Rückkehr in die Bank für Kärnten hat sich diese Bank wirklich erfolgreich gewehrt, sie hat es verhindert, dass Sie zurückkehren. (Abg. Gaugg: Darüber freuen Sie sich, gell?) Sie können also gar keine andere Arbeitsleistung erbringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Das sind gelernte Sozialdemokraten!)

Das Einzige, mit dem ich bei Ihnen einverstanden bin, das ist der Ausspruch: Politik für Menschen. (Abg. Dr. Khol: Keine Kärntner Solidarität, muss ich sagen!)  – Was sprechen Sie, Herr Torquemada, Großinquisitor der ÖVP und FPÖ? (Abg. Dr. Khol: Keine Kärntner Solidarität!) Was meinen Sie, Großinquisitor? Darf ich weitersprechen? (Abg. Dr. Khol: Aber natürlich!)  – Danke.

Politik für Menschen. – Diese Meinung teile ich. Herr Zernatto, der schon wieder entschwunden ist, hat da so verbindliche, verständnisvolle Töne anklingen lassen. Menschlich sympathisch ist er auch persönlich. Aber das Einzige, was mir von seiner Kärnten-Politik in Erinnerung blieb, heißt in Kärnten "Lei lossn!". Vornehmer heißt es Laissez-faire. (Abg. Dr. Khol: Laissez-faire – das ist schon Hunderte Jahre alt!)

Tatsache ist, dass in diesem Haus ein Budget vorgestellt wird, das gravierende generelle und strukturelle Mängel aufweist, wie negative Umverteilungseffekte, Belastung kleiner und mittlerer Einkommen, eine kümmerliche Steigerung der Reallöhne – so 0,4 Prozent – sinkende Bildungsausgaben und Einkommen und Wachstum werden weiter geschwächt.

Sie greifen in die Taschen und schröpfen Kranke, Familien, Pensionisten und Studenten. Sie verwenden immer das Schlagwort "Wende". Sie haben Recht: Sie wenden sich ab. Sie wenden sich ab von den Arbeitnehmern, Sie wenden sich ab von den Kleinen, den Kranken, den Pensionisten, den Familien, den Studenten und Studentinnen, von den Schülern, von der Bildung. Sie wenden sich ab. Das stimmt! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Wort zu den Obersten Organen. Die Budgetbewegungen sind da im Vergleich zum Vorjahr nicht spektakulär. Die Dotierung der Präsidentschaftskanzlei und des Verfassungsgerichtshofes bleibt annähernd gleich. Die Dotierung des Rechnungshofes fällt besser aus, deutlich höher ist sie bei der Volksanwaltschaft. Das begrüßen ich und wir von der SPÖ. Für das gegenwärtige demokratiepolitische Klima in unserem Land ist es wichtig, dass auf oberste unabhängige Prüfungsinstanzen geachtet wird, wir sind darauf angewiesen.

Wer hätte denn dieser Regierung, dieser Wenderegierung ihren Dilettantismus – es ist schwierig, dieses Wort auszusprechen (Zwischenruf der Abg. Steibl ), ja, Frau Steibl, Sie haben auch immer Schwierigkeiten –, ja dem ganzen Volk diese Politsatire zum Beispiel bei den Ambulanzgebühren besser vor Auge führen können als eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Nicht nachvollziehbar ist für mich der geringere Budgetansatz, die geringere Dotierung


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beim Verwaltungsgerichtshof, denn der Arbeitsanfall ist dort enorm, der Rückstand ist enorm, 8 795 Akte, also eine besorgniserregende Belastungssituation, vor allem wenn man mit einer neuerlichen Beschwerdeflut bei der Getränkesteuer rechnet. In diesem Bereich wäre eine Aufstockung der Mittel zweckmäßig gewesen.

Bei diesem Punkt der Generaldebatte war es immer üblich, auch einen Debattenbeitrag zur Frauenpolitik zu liefern. Vor allem möchte ich es tun, weil Frau Rosemarie Bauer von der ÖVP, die nicht im Saal ist (Abg. Dr. Khol: Sie ist entschuldigt!)  – sie ist momentan nicht herinnen, es hat jeder das Recht, kurz hinauszugehen, auch Sie sind gerade erst hereingekommen, Herr Torquemada Khol (Abg. Donabauer: Sie ist krank!)  –, bei der letzten Budgetdebatte am 10. Mai 2000 gemeint hat, "dass das bisherige Frauenministerium, das so genannte Frauenministerium zu einem echten neuen Frauenministerium und Generationenministerium umgewandelt worden ist und jetzt viel mehr an Kraft und Tragfähigkeit aufzuweisen hat".

Mittlerweile hat diese echte neue Frauenpolitik der FPVP-Regierung massive Belastungen für Frauen beschlossen, verursacht und zu verantworten, Belastungen für Frauen, die in alle gesellschaftliche Bereiche hineingehen. Diese reichen von der Bildung, vom Gesundheitsbereich, von der Pensionsvorsorge bis zu den Kinderbetreuungseinrichtungen. Zehn Monate nach dieser Rede haben sich diese Aussage und auch etwaige Erwartungen, sollte diese jemand in die Kraft dieser Frauenpolitik gesetzt haben, als katastrophale Fehleinschätzung erwiesen.

Nun zum Tempo dieser Budgeterstellung und der fragwürdigen Qualität der Zahlen im Budget. "Speed kills"  – Geschwindigkeit tötet – lässt jeden in diesem Land zusammenzucken, seit Klubobmann Khol diese Worte geprägt hat. Wir haben heute schon gehört, es wäre besser, würden die Vorgänge rund um die Aufhebung der Ambulanzgebühren und Ihr weiteres Vorgehen als "husch-pfusch" bezeichnet. Ich bin nicht dieser Ansicht. Ich meine, "Speed kills" drückt genau das aus, was gemacht wird: Es wird nämlich über die Menschen, über den politischen Gegner drübergefahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber Sie von der ÖVP haben ja gestern angekündigt, wie es mit den Ambulanzgebühren weitergehen soll. Der Erfinder von "Speed kills" Khol setzt ja seinen Weg wie ein Wüstenschiff durch die "Wüste Gobi" fort. Sollte Herr Westenthaler irgendwelche Assoziationen bei diesem Wort haben, dann hat er sie. Frau Riess-Passer täuscht nach wie vor die Bevölkerung, wenn sie sagt: Wir werden das Tempo reduzieren. – Das Gegenteil ist der Fall: Das Tempo wird gesteigert. Es liegt ja ein Fristsetzungsantrag zu den Ambulanzgebühren vor.

Andererseits ist die Regierung nicht überall gleich schnell. Die FPÖ geht ja mit der Idee des Kinderschecks seit Jahren "schwanger", würde ich fast sagen. Die ÖVP geht seit 1998 mit der Idee "Karenzgeld für alle" hausieren. Sie haben sich auf den Terminus "Kinderbetreuungsgeld" geeinigt, und zwar im Februar 2000. Aber die Umsetzung Ihrer Vorstellungen wird auf 1. Jänner 2002 verschoben.

Es werden also Versprechungen spät eingelöst; abkassiert, geschröpft, hineingegriffen in die Taschen der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen wird sofort. (Abg. Steibl: Was hat die SPÖ denn vorgeschlagen?) Frau Steibl, ich bin am Wort, Sie können schreien, soviel Sie wollen. (Abg. Steibl: Schreien tu ich nicht!) Das glauben Sie, dass Sie nicht schreien, Sie sind lauter als ich, aber ich habe einige Mikrophone vor mir. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Vorhaben besteht bereits seit drei Jahren. Aber bis heute waren Sie nicht in der Lage, ein detailliertes Modell zu erarbeiten. Sie waren nicht in der Lage, Berechnungen vorzulegen. Das ist deshalb so bedenklich, weil wir inzwischen das Budget 2002 erstellt haben, in dem eigentlich nur Scheinbeträge drinstehen.

Ich kann mich den Worten des Abgeordneten Schieder, der hier mit Literaturkenntnissen brilliert hat – es ist wirklich eine beachtliche Leistung, was du alles herausgefunden hast, Peter –, nur anschließen und zum Herrn Finanzminister sagen: Weh dem, der lügt! – Er sagt, er sei der erste Finanzminister, der nie zweckwidrig in einen Fonds gegriffen habe. 1999/2000 hat er 15 Milliarden Schilling aus dem zweckgebundenen Familienlastenausgleichsfonds herausgenommen. (Abg. Steibl: Um die ÖBB zu finanzieren!) Aus der Arbeitslosenversicherung nimmt er


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jetzt 15 Milliarden Schilling heraus. – So viel zur "Glaubwürdigkeit" der Freiheitlichen und der schwarzen Partei.

Sie haben in dieses Budget lediglich so genannte Best-case-Zahlen, geschätzte Zahlen hineingeschrieben. Sie sagen, das Kinderbetreuungsgeld kostet 13 Milliarden Schilling. Der Herr Finanzminister spricht heute von 16 Milliarden Schilling, Herr Schüssel spricht von 16 Milliarden Schilling, Herr Haupt spricht von 13,4 Milliarden im Anfangsstadium und von 18 Milliarden Schilling im Endstadium im Jahre 2003. Die Arbeiterkammer berechnet die Kosten für das Ganze mit 24 Milliarden Schilling. Das bedeutet, dass Sie dem Budget neben vielen Unbekannten eine weitere Unbekannte hinzugefügt haben. Das heißt also im Klartext: Hier wird ein Budget diskutiert, in dem sich ein Kuckucksei befindet. (Abg. Steibl  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Eine Antwort des Herrn Bundesministers an Sie!)

Speed – Geschwindigkeit – auf der einen Seite, die zu Dilettantismus führt, auf der anderen Seite vollkommener Mangel an Geschwindigkeit, zum Beispiel auch bei der Streichung der Mitversicherung. Im September 2000 vorgestellt, gesetztes Einsparungsziel 850 Millionen Schilling, betroffener Personenkreis angeblich 100 000 Personen. Im November wurde das Ganze beschlossen, aber berechnet wurde es bezeichnenderweise erst jetzt im März 2001, und nicht Sie haben es berechnet, sondern Betroffene und Journalisten haben es Ihnen vorgerechnet. (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich die Frage, ob Sie überhaupt lernfähig sind. – Ich behaupte: nein! Ein allfälliger Appell an Sie wird zwar nichts nützen, aber ich mache ihn doch: Sollten Sie den Entwurf des Kinderbetreuungsgeldes irgendwann einmal zu einem Ende bringen, dann nehmen Sie sich Zeit für das Begutachtungsverfahren! Führen Sie Gespräche mit Leuten, die sich in der Sozialgesetzgebung auskennen und etwas davon verstehen! Beziehen Sie entgegen der Empfehlung Ihres Statthalters in Kärnten Experten ein! Fahren Sie nicht drüber, wie Haider sagt, und gehen Sie auf meinen Vorschlag ein, ein Expertenhearing zu machen, und zwar kein Pseudohearing, sondern ein echtes Expertenhearing! Machen Sie – wie es auch Herr Gaugg gesagt hat – Politik mit Herz und Gefühl! Denken Sie daran, dass es um die Lebensplanung Tausender junger Mütter und Väter geht – die Menschen sind derzeit total verunsichert –, es geht schließlich um ihre Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)

14.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

14.30

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Volksanwältin! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich eingangs kurz mit dem Rechnungshof befassen, der natürlich auch Teil der Obersten Organe ist. Ich freue mich als Mitglied des Rechnungshofausschusses für den Rechnungshof, dass die Budgetdotierung des Rechnungshofes, die im Jahre 2000 241 Millionen Schilling und im Jahre 2001 245 Millionen betrug, im Jahre 2002 auf 252 Millionen Schilling oder 18 300 000 j angestiegen ist. Das beweist, dass die Regierung und die Regierungsparteien die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Rechnungshofes erkannt haben und ihm die entsprechenden Mittel in die Hand geben, damit er effizient und vor allem auch für das Parlament wirksam arbeiten kann.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit beim Rechnungshof auch für die konstruktive Zusammenarbeit mit uns sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich komme nun zu einem anderen Thema. Lassen Sie mich auch ein paar Worte zur allgemeinen Debatte, die geführt worden ist, sagen. Wir haben heute ganz abenteuerliche Argumente gehört. Es ist unwahrscheinlich, was heute gebracht worden ist, man hört daraus die Totalopposition. Herr Edlinger hat Herrn Günter Stummvoll gesagt, er solle ein Buch mit dem Titel "Von Absurdistan zur Wüste Gobi und zurück" schreiben. (Abg. Grabner: Da warst du draußen!) Nein, ich habe das gehört. (Abg. Grabner: Dem Khol sein Buch sollte man so nennen! Du musst ein bisschen aufpassen!) Grabner, Zwischenrufe nachher bitte.


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Wenn sich Herr Edlinger einmal anschickt, ein Buch herauszugeben, dann sollte er es vielleicht "Von der Regierungslust zum Oppositionsfrust" nennen, denn das ist es, was wir erleben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Keine konstruktive Kritik, sondern nur ein Vernadern, ein Schlechtmachen.

Meine Damen und Herren! Ich habe schon Verständnis dafür, aber muss man denn unbedingt permanent die Realität verweigern? Das ist auch nicht der Sinn und Zweck. Die Regierung hat ein schweres Erbe angetreten. Als Patrioten haben wir aber gesagt, wir nehmen die Einantwortungsurkunde an, wir wollen die Finanzen sanieren, wir wollen die Herausforderung annehmen, wir wollen die Probleme bewältigen, wir wollen für die Jugend die Zukunft sichern und vor allem wollen wir wieder der Jugend Chancen und – ganz wichtig! – auch Hoffnung auf ein gutes Leben, das sie noch vor sich hat, geben. Das ist unsere Maxime, auch bei der Budgetsanierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie hier von Verunsicherungen, von Falschmeldungen sprechen, dann darf ich schon einmal ein bisschen weiter in die Geschichte zurückgehen. Es ist nun fünf Jahre her, ich erinnere mich genau – wahrscheinlich erinnert sich jeder daran –, als Neuwahlen waren und Herr Vranitzky einen Brief an die Rentner geschickt hat, in dem er jeden Rentner in Österreich angeschrieben und gemeint hat:

Lieber Rentner! Liebe Rentnerin! Die bösen anderen werden dir, wenn du sie wählst, deine Rente kürzen. (Abg. Silhavy: Das war das Erste, was ihr gemacht habt!) Sie wollen eine Rentenreform machen. Wir garantieren dir, dass sich nichts ändern wird, dass deine Renten in gleicher Qualität und Höhe wie bisher gesichert sind.

Das Parlament war gewählt, Vranitzky war wieder an der Regierung. Das Erste, was gemacht worden ist, war die notwendige, zielführende und sinnvolle Rentenreform, die in Zukunft auch unsere Pensionen absichern soll. Vorher wurden die Leute am Schmäh gehalten, nachher hat er genau das getan, was er tun hat müssen. Das ist die Realität der SPÖ-Politik, meine Damen und Herren!

Wenn der Herr Finanzminister um 14 Milliarden Schilling weniger Schulden hat, wenn diese nämlich von 53 auf 39 Milliarden gesenkt werden, dann gehen Sie her und fordern, dass er diese 14 Milliarden Schilling woanders ausgeben soll. Ich bin kein Wirtschaftsökonom, aber jeder Volksschüler, glaube ich, kann sich ausrechnen, dass man nicht Mittel, die man zur Verringerung von Schulden verwendet hat, für etwas anderes ausgeben kann. Das müssen Sie einmal genau erklären, wie das geht.

Die Mehrheit der Österreicher ist bei dem, was Sie geglaubt haben, meine Damen und Herren, nicht mitgekommen.

Ich verweise auch darauf, dass Sie einen Antrag auf Herabsetzung der Absetzbeträge eingebracht haben. Sie beschweren sich über einen Formfehler in der Frage der Ambulanzgebühren beziehungsweise Unfallrenten, selbst bringen Sie aber einen schriftlichen Antrag ein, in dem Sie die Herabsetzung der Absetzbeträge, also eine Verschlechterung für die Steuerzahler, fordern.

Meine Damen und Herren! Ihre Politik könnte man vielleicht so umschreiben: Wenn Sie jetzt an der Regierung wären, würden Sie den Leuten sagen, warten wir bis zum 1. Jänner 2002, da kommt der Euro. Und Sie würden ihnen wahrscheinlich den Spruch verkaufen: "Euro gegen Schillingschein macht über Nacht die Schulden klein. War’s vorher ein Milliardenloch, sind’s dann ein paar Millionen noch." – Das wäre Ihre Politik, die Sie den Österreichern verkaufen würden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das, was Sie beim Kinderbetreuungsgeld machen, kommt mir jetzt, in der vorösterlichen Zeit, direkt wie ein Eiertanz vor. Sie machen einen Eiertanz der Gegenargumente, während die Regierung das Gelbe vom Ei beschließen wird.

Meine Damen und Herren! Erklären Sie mir doch die Verschlechterung, die Sie den Österreichern einreden werden, wenn die Frauen ab 1. Jänner 2002 10 Prozent mehr Karenzgeld


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bekommen, wenn jede Mutter – egal, ob sie vorher in Beschäftigung gestanden ist oder nicht –, wenn jede Bäuerin, wenn jede Studentin, wenn jede Hausfrau 6 000 S im Monat bekommen wird. Erklären Sie mir, wo da eine "Verschlechterung" gegeben ist!

Erklären Sie mir, wo da die Verschlechterung ist, wenn die Karenzzeit von 1,5 auf 2,5 Jahre oder, wenn der Partner Karenzzeit in Anspruch nimmt, auf drei Jahre erhöht wird! Erklären Sie mir die Verschlechterung, wenn die Zuverdienstgrenze von 50 000 S auf 200 000 S erhöht wird! Erklären Sie den Frauen, wo sie an den Herd zurückgedrängt werden! Ich sehe nur Verbesserungen. Erklären Sie ihnen, wo die Verschlechterung ist, wenn sie auf einmal 18 Monate Anrechnungszeit für die eigene Pension bekommen! Oder erklären Sie ihnen, wo die Verschlechterung ist, wenn die Familienbeihilfe ab dem Jahr 2003 um 100 S pro Kind angehoben wird!

Sie haben Argumentationsnotstand, und das wissen Sie genau. Aber Sie gehen hinaus und posaunen, die Frauen werden an den Herd zurückgedrängt, die Frauen werden wieder bevormundet. Im Gegenteil! Alle Frauen in Österreich, die ein Kind bekommen, werden in Zukunft dieselben Leistungen erhalten. Sie werden sich in Zukunft auch die Kinderbetreuung vielleicht besser leisten können als bisher. Und das ist ein Meilenstein. Ihnen fehlen die Argumente, und deshalb gehen Sie her, verunsichern die Frauen und vernadern das Kinderbetreuungsgeld. Sie machen den Frauen Angst, dass es schlechter wird.

Meine Damen und Herren! Das glaubt Ihnen niemand. Das glaubt Ihnen niemand in ganz Österreich, da sind Sie unglaubwürdig, genauso wie mit Ihrer Angstmacherei, die Sie tagtäglich bei den Leuten betreiben.

Wir sind angetreten, das Budget zu sanieren, für die Familien etwas zu tun. Wir sind angetreten, die Zukunft zu gestalten, auch der Jugend, die heute so zahlreich hier auf der Galerie vertreten ist, die Chance auf ein Leben zu geben, das sie verdient, nämlich es nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das kann sie nur tun, wenn sie nicht die Schulden von heute morgen zurückzahlen muss und ein Erbe übernimmt, das frei von Schulden ist und das sie selber gestalten kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brix zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.39

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Großruck hat davon gesprochen, dass der ehemalige erfolgreiche Finanzminister für die Arbeiter, Angestellten und die Pensionisten dieses Landes, Herr Abgeordneter Rudolf Edlinger (Abg. Dr. Khol: Hat er sicher nicht gesagt!), ein Buch zitiert hat, das Herr Abgeordneter Stummvoll geschrieben hat.

Ich stelle richtig: Herr Abgeordneter Großruck hat auch in diesem einfachen Bereich nicht die Wahrheit gesagt, denn Herr Abgeordneter Edlinger hat von dem Buch gesprochen, das Herr Klubobmann Dr. Khol geschrieben hat – und nicht Herr Abgeordneter Stummvoll. (Abg. Dr. Khol: Danke für die Werbung!)

14.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

14.40

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Staatssekretär! Sie sind ja für Medien und Kultur zuständig. Ich möchte mich heute in einem Teil meiner Rede mit den Medien und im anderen Teil mit der Kultur beschäftigen.

Gestern war die Präsentation des so genannten Weisenrates. Anscheinend sind Sie gerade dabei, das Ganze in eine Gesetzesvorlage einfließen zu lassen. Es kann sein, dass Sie jetzt auf


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Ideen und Hinweise neugierig sind. Da kann ich Ihnen gleich behilflich sein mit Fragen, die Sie noch zu beantworten haben werden auf Grund dieses Berichtes.

Die vier selbst ernannten oder von der Regierung ernannten "Weisen" sagen, der ORF müsse ein ausgewogenes Gesamtprogramm bieten, anspruchsvolle Inhalte müssten gleichwertig darin enthalten sein. Überhaupt wird gefordert, dass im Hauptabendprogramm, in der Primetime, anspruchsvolle Programme zur Wahl gestellt werden. Ich möchte wissen, sagen Sie mir das heute: Was ist ein anspruchsvolles Programm? Was ist das Programm für die Blöden, und was ist das Programm für die Anspruchsvollen? – Ich möchte gerne eine Übersetzung, eine Interpretation dessen, was diese "Weisen" da formuliert haben. (Abg. Dr. Khol: Die Übertragung deiner Rede aus dem Parlament ist ein anspruchsvolles Programm!) Wie wird diese Forderung nach anspruchsvollem Programm im Gesetz stehen? Handelt es sich nicht vielmehr um eine Bevormundung und Zwangsbeglückung, die da dahinterstecken? Entscheiden soll das der Stiftungsrat oder der Publikumsrat oder der Bundeskanzler über den Bundeskommunikationssenat. Der sagt dann, was den Österreichern gut tut, wie man das Bildungsniveau in Österreich heben kann und wo man es vielleicht senken soll, wo es sich nicht auszahlt.

Nächster Punkt. Was ich beachtlich finde, ist, dass in dem Gutachten steht: Werbung darf nicht irreführen und den Interessen der Verbraucher nicht schaden. Schleichwerbung ist unzulässig. – Sofort stoppen müssten Sie hiermit die Serie "Zukunft ohne Schulden" – der "Weisenrat" sagt ja, Werbung dürfe nicht irreführen und den Interessen der Verbraucher nicht schaden –, in der die Bundesregierung vor der "ZiB 1" versucht, Information über ihre Regierungsarbeit zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem ist es eine Unterbrecherwerbung. Vorher gescheites Programm, nachher gescheites Programm, und das wird durch diese Propaganda unterbrochen. – Da stimme ich den vier "Weisen" zu, das ist ein weiser Ratschlag, den sie da formulieren.

Nächster Punkt: "Die Vergabe von Sendezeiten für Werbung an Medieninhaber, die in einem oder mehreren der angeführten Märkte" bestimmte "Reichweiten überschreiten, ist unzulässig." Es sollte – so der Weisenrat – überhaupt keine Zusammenarbeit mit großen Medienhäusern geben. – Was Sie damit erreichen, ist, dass der ORF sehr viel Werbegeld verlieren wird und dass die deutschen Medieninhaber, die deutschen Fernsehanstalten über ihre Satellitenfenster in Österreich das Geld abkassieren werden. Sie zwingen sie förmlich dazu. Und da muss ich Ihnen sagen, das wird zu Lasten von so guten Serien wie "Julia" oder "Schlosshotel Orth" oder die Fußballweltmeisterschaft gehen, denn das muss einmal bezahlt werden. (Staatssekretär Morak: 15 Millionen!)

Weil Sie gerade die Hände zusammenschlagen: Schauen Sie sich an, was die Übertragungsrechte für die Fußballweltmeisterschaft kosten! Das muss bezahlt werden! Das steigt ins Unendliche! Wer zahlt die Übertragungsrechte für die anderen Sportveranstaltungen, die Ski-WM und alles andere? Das muss bezahlt werden, andernfalls müssen die Gebühren erhöht werden. Wenn Ihr Programm heißt, dass die Gebühren erhöht werden sollen, damit die deutschen Fernsehanstalten Gewinne über ihre Werbefenster in Österreich machen, dann ist das bitte gegen die Interessen der Hörer und Seher, und das sollte man diesen wirklich mitteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kurz und gut, ich muss sagen, das sind einmal allein schon drei Punkte, die interpretationswürdig sind. Ich habe leider zu wenig Zeit. Wir könnten uns noch weiter in die Tiefe hineinarbeiten. Aber ich möchte auch zum Kulturbereich noch etwas sagen. (Abg. Dr. Khol: Der ORF gehört nicht zur Kultur? – Der ORF ist doch Teil der Kultur!)

Bitte, für die Filmwirtschaft – Herr Klubobmann Khol, das war jetzt ein Fauxpas –, für die Filmwirtschaft Hunderte Millionen, ganz entscheidend. Wenn dem ORF Geld entgeht, entgeht auch der Filmwirtschaft Geld. Dann kann Morak bei Finanzminister Grasser anklopfen, der lässt ihn wie immer abfahren, und dann ist nichts. Und dann stehen die Filmschaffenden zu Recht vor der Tür und protestieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Ich möchte jetzt wissen, ob der ORF zur Kultur gehört oder nicht!)


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Kunstbudget. Morak jubelt, weil es 25 Millionen Schilling mehr gibt. Aber die sind ja eigentlich nur für den Umbau des Musikvereins. Meine Frage: Was haben die Kunstschaffenden davon, außer dass sie dann in einen renovierten Musikverein gehen können, was erfreulich ist, aber für die Kunstszene selbst, glaube ich, bringt das nichts.

Zweite Frage: Umbau in der Kunstsektion. Ausschreibung: Ist das nicht schon ein bisserl auf jene zugeschnitten, die Sie dort haben wollen? Sagen Sie uns doch gleich die Namen, Herr Staatssekretär, das ist doch viel einfacher! Das ist richtig zugeschnipselt auf die Personen. Es gibt gar keine Ausschreibung. Es ist noch tragischer, wenn es keine Ausschreibung gibt. (Staatssekretär Morak: Es wird eine Ausschreibung geben!)  – Es wird eine geben. Dann wird es aber interessant sein, wie diese formuliert ist, ob man schon mit der personalpolitischen Wünschelrute herausfinden kann, in welche Richtung das geht. (Abg. Dr. Khol: So habt es ihr gemacht! Ich sage nur: Mailath-Pokorny!)

Stehen zufällig die Qualifiziertesten der ÖVP nahe? Das ist ja der Sinn dieser Umstrukturierung der Kunstsektion, sei einmal hier gesagt. "Neu regieren" ist das nicht. Das können übrigens die Niederösterreicher noch besser. (Beifall bei der SPÖ.)

Nächster Punkt in diesem Zusammenhang: Sie haben jetzt den Vertrag mit dem Herrn Holender verlängert, und zwar ohne Ausschreibung. (Abg. Dr. Khol: Guter Mann!) Das Lustige ist, Morak hat damals eine Ausschreibung verlangt, aber wir wollten gar keine Ausschreibung haben. Jetzt ist er Staatssekretär, jetzt macht er auch keine Ausschreibung. Das ist "Neu regieren", was er da macht, aber gut. Der Vertrag wird um zwei Jahre verlängert. Ich enthalte mich jetzt jeden Kommentars. Ich finde Herrn Holender durchaus sympathisch. Ich will mich da nicht mit der Person Holender an sich auseinander setzen, aber eines möchte ich schon sagen, seltsam ist es schon, wie überfallsartig das vor sich geht.

Es wird ja auch im "Standard" kritisiert: Holender-Verlängerung widerspricht dem Gesetz. Die "Presse", das Haus-, Leib- und Hofblatt Ihrer Kulturpolitik, versteht es auch nicht.

Die Einzige, die es versteht, ist Frau Abgeordnete Wolfmayr, wobei ich sagen muss, dass den Text der Aussendung wahrscheinlich der Morak-Mitarbeiter Wohnout geschrieben hat. Sie als Künstlerin, die die Worte wohlgesetzt formulieren kann? Bitte, da steht: "Wolfmayr: Wieder begrüßenswerte Maßnahme von Staatssekretär Morak". Also alles ist begrüßenswert, was er macht. Das mag ich noch verstehen, weil ich selbst manchmal Aussendungen machen habe müssen, in denen Lob und Tadel oft in der Balance nicht ganz gewichtet waren. (Abg. Dr. Khol: "Müssen"!?) – Weil mich die Überzeugung dazu gezwungen hat!

Hier aber steht wörtlich: "Wolfmayr: Wieder eine begrüßenswerte, erfreuliche und sinnvolle Maßnahme von Kunst-Staatssekretär Franz Morak". (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Dem alten Ceauşescu würden die Tränen in die Augen steigen, wenn er so eine Formulierung gehört hätte. “Wieder eine begrüßenswerte, erfreuliche sinnvolle ...” Am besten wäre, Sie würden schreiben: Halleluja! Halleluja! Halleluja! – Das ist einfacher. Schreiben Sie das hin und dann am Anfang Morak und am Schluss Morak, und wenn Sie etwas machen, Khol, ist ja Wurscht, aber Halleluja muss immer dabei sein. Bei Ihnen trifft es wahrscheinlich ohnehin besser zu als bei ihm.

Jedenfalls wäre ich dafür, dass man das Wort "Halleluja" stärker auch bei diesen Presseaussendungen einbringt.

Aber ich will mich auf etwas anderes konzentrieren: Holender, Staatsoper. Etwas, was wir hier in diesem Haus eigentlich noch nicht diskutiert haben, ist der Opernball. Ich schaue mir immer gerne das "Morgenjournal" der ARD an. (Abg. Dr. Khol: Schaue ich nicht an! Mir genügt der ORF!) Sie sollten sich das auch anschauen, es würde Ihren Informationsgrad verbessern. Jedenfalls jeden Morgen "ARD-Morgenjournal".

Eines Morgens nach dem Opernball kommt ARD-ZDF mit dem Titel "Was ist eigentlich los mit dem Wiener Opernball?" Ein spannender Bericht. Sie müssen sich die Bilder vorstellen. Der einzige Weltstar wurde um 140 000 D-Mark von Lugner eingekauft, sonst kommt kein Weltstar dort


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hin – na gut, das wissen wir auch selbst. Kommentierung: Es hat sich seit 50 Jahren nichts geändert. Die Töchter und Söhnchen aus bestem Haus präsentieren sich der feinen Wiener Gesellschaft oder zumindest der, die sich dafür hält.

Abgesehen davon, dass damit gesagt wird, eine einfallslose Veranstaltung, es fällt ihnen nichts Neues ein, jetzt in der Übersetzung, geht es weiter: Es ist ein Karneval der Pinguine, sagen sie, und auch die Bundesregierung hat ihren Märchenprinzen. Um zu zeigen, dass Österreich nach den EU-Sanktionen international anerkannt ist, hat sie den kroatischen Staatspräsidenten eingeladen. – Also eine einzige Hinrichtung dessen, was der Opernball dort ist.

Ich muss Ihnen sagen, ich habe mir den Opernball auch im TV angesehen. Es handelt sich wirklich um eine nicht innovative, langweilige, selbstbeweihräuchernde Veranstaltung, die von allen, die wirklich Rang und Namen haben, gemieden wird, außer jenen, die dort hingehen müssen. (Abg. Dr. Khol: Ich war nicht dort!)

Allein der Einzug der Frau Gürtler mit ihren Hofschranzen dort – ich sage Ihnen, der Gefangenenchor von "Nabucco" hat optimistischer dreingeschaut als die Leute bei diesem Einzug in der Staatsoper.

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wissen Sie, was da, wenn das so weitergeht, herauskommen wird? – "La commedia è finita!" Für die, die nicht in die Oper gehen, Herr Schweitzer: Das ist aus "Der Bajazzo". (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Diese Rede hat zur Kulturgattung Kabarett gehört!)

14.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort hat sich Herr Staatssekretär Morak gemeldet. – Bitte.

14.50

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke nach dieser Rede Josef Cap dafür, dass er sie gehalten hat. Sie war sehr erfrischend. Sie gestatten, dass ich nicht wirklich darauf eingehe, aber ein paar Fakten, die im Laufe dieser Debatte angesprochen wurden, möchte ich doch gerade richten:

Wenn ich mir hier – ich habe mir das gerade ausheben lassen – die Entwicklung des Kunstbudgets von 1999 bis 2002 anschaue, dann habe ich im Jahre 1999 1 150 Millionen Schilling, dann die 4,5 Prozent Reduzierung auf 2000, eine Steigerung von 2,6 Prozent auf 2001 und von 2 Prozent auf 2002. Das heißt, es ist jetzt in harten Zahlen um 12 Millionen Schilling weniger als 1999, aber dabei ist natürlich all das nicht mitgerechnet, worüber wir noch reden sollten und angesichts dessen ich meine, dass diese Bundesregierung sehr wohl einen Akzent im Bereich der Kulturpolitik setzt.

Es war noch nicht die Rede von den 25 Millionen Schilling, die, anders als Kollege Cap meint, natürlich den Kulturschaffenden zugute kommen, zum Beispiel den Musizierenden dieses Landes, von den Philharmonikern abwärts, durch den Ausbau des Musikvereins, der sich durch die bei der U2 getroffenen Baumaßnahmen ergeben hat. Ich meine das ist ein "window of opportunity", dass wir hier in den nächsten drei Jahren die Finanzierung auf die Beine stellen werden, übrigens zusammen mit der Gemeinde Wien und zusammen mit einem, wie ich meine, sehr verdienstvollen Mann, nämlich Albert Vilar, der zusätzlich noch 60 Millionen Schilling in den Musikverein investiert.

Außerhalb des Budgets – das wurde heute schon gesagt, und ich meine, das ist auch ein Akzent – gibt es Mittel, die nicht aus dem Kunstbudget stammen, sondern dankenswerterweise vom Herrn Finanzminister zur Verfügung gestellt wurden: 200 Millionen Schilling – sofort und nicht auf fünf Jahre aufgeteilt – für den Programmanteil der Kulturhauptstadt Graz und natürlich auch den Bundesbeitrag für die Kunsthalle Graz und für das Kleine Festspielhaus in Salzburg in der Höhe von 200 Millionen Schilling und 130 Millionen Schilling. Beides – und da könnte man sehr wohl von Kulturwirtschaft reden, worauf wir noch zu sprechen kommen sollten – wurde über den Verkauf von Bundesanteilen an den Flughäfen Graz und Salzburg finanziert.


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Hiezu kommen noch die 50 Millionen Schilling aus jener neuen Finanzierungsmöglichkeit – und das ist auch Kulturwirtschaft, sage ich –, die wir über die Einnahmen der Kabelbetreiber und über den Kunstförderungsbeitrag der SAT-Empfänger geschaffen haben, wobei Wertschöpfung in diesem Ausmaß in Österreich nicht stattfindet, aber darüber der Künstler-Sozialversicherungsfonds finanziert werden kann. Ich sehe dies als ein wesentliches Schwerpunktprogramm dieser Bundesregierung für die soziale Absicherung unserer Künstler und Künstlerinnen.

Das Doppelbudget dieser Bundesregierung für diese nächsten zwei Jahre ermöglicht natürlich auch eine Verwendungszusage auf zwei Jahre, und ich kann Ihnen versichern, dass wir davon ausgiebig Gebrauch gemacht und damit auch den Handlungsspielraum einerseits der Kulturveranstalter und Kulturvermittler, andererseits aber auch des Staatssekretariats erweitert haben.

Die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, kommen ungefähr 100 Förderungsnehmern zugute, die nach Maßgabe der uns zustehenden Möglichkeiten ein auf zwei Jahre verteiltes Budget zugesichert bekommen haben: Es sind dies Förderungsnehmer im Bereich der Musik, der bildenden Kunst, der Architektur, der Kulturinitiative und der Literatur. Zu der immer wieder vernommenen Aussage, wonach Subventionen unter politischen Auspizien vergeben würden, kann ich Ihnen nur eines sagen: Suchen Sie sich aus der folgenden Liste von Förderungsnehmern, die ich Ihnen als Beispiele nennen darf, selbst aus, wo hier die freiheitlichen, wo hier die ÖVP-Initiativen sind: MICA, Musikverein, Klangforum, IGNM, Mahler Jugendorchester, Forum Stadtpark, Secession, Spielboden Dornbirn, WUK, alle Literaturhäuser, IG Autoren, Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur, Erhöhung des Tanzbudgets – das darf ich auch noch sagen – bei einer Beiziehung eines Tanzbeirates: Dies ist ein erstmalig durchgeführtes Schwerpunktprogramm dieser Bundesregierung, das es bisher nicht gegeben hat.

Die Zielsetzungen für das kommende Jahr werden gerade projektiert und verhandelt. Wir sind dabei, hier eine Möglichkeit für eine mehrjährige Budgetierung zu finden, sodass wir, wie das die Gemeinde Wien getan hat, zu Drei-Jahres-Budgets übergehen können. Die Verhandlungen mit dem Finanzminister sind noch ausständig, aber es wird unser fester Wille sein, noch in diesem Jahr einen Akzent zu setzen, um hier größere Planungssicherheit zu schaffen.

Für die Unterstützung der Abgeordneten bei gegebenem Anlass wäre ich hier sehr dankbar. Kollege Cap wird davon sicherlich ausgiebig Gebrauch machen und dabei kurzfristig auf seine Oppositionsrolle vergessen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein paar Sachen klarstellen:

Es ist hier vom Staatsoperndirektor die Rede gewesen. Ich muss Ihnen sagen, das, was wir bisher dazu tun konnten, war im Rahmen des Möglichen, im Rahmen des Gesetzes. Alles, was an Gegenteiligem behauptet wird, ist natürlich falsch.

Was haben wir getan oder was ist die Basis unserer Entscheidung? – Was die Tatsache betrifft, dass laut § 12 Abs. 3 Bundestheaterorganisationsgesetz das Stellenbesetzungsgesetz einzuhalten ist, so darf ich allerdings darauf hinweisen, dass dies insofern nur von bedingter Bedeutung ist, als diese Bestimmung des Bundestheaterorganisationsgesetzes dahin gehend erweitert ist, dass für die Bestellung des Direktors der Wiener Staatsoper das Stellenbesetzungsgesetz "mit der Maßgabe Anwendung" findet, "daß mit dieser Funktion auch Personen betraut werden können, die sich nicht im Rahmen der Ausschreibung um diese Funktion beworben haben".

Das, was ich getan habe, war also, dass ich, als Ioan Holender seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, seinen Vertrag über 2005 hinaus bis zum Jahre 2007 zu verlängern, den politischen Willen bekundet habe, diesem Wunsche Rechnung zu tragen, unter Hinweis darauf, dass natürlich der Aufsichtsrat offiziell davon verständigt wird – er wird am 4. April tagen – und dass natürlich alles dem Gesetz entsprechend geregelt werden muss, wozu auch die Durchführung einer Ausschreibung zählt. Ich glaube nur, dass auch die Staatsoper einen Anspruch darauf hat, sowohl für das 50-jährige Jubiläum als auch für das Mozart-Jubiläumsjahr eine Planungssicherheit zu haben.


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Lassen Sie mich noch einen Satz zur Kulturwirtschaft sagen: Der Begriff heißt, Frau Abgeordnete, "Kultur", und der Begriff heißt "Wirtschaft". – Das, was hier verhandelt wird, ist Kunst und Förderung – und das ist ein Unterschied, auf den ich hier jetzt einmal bestehe. – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger.

Frau Abgeordnete, ich mache Sie nur darauf aufmerksam, dass sich die geplanten 5 Minuten bis 15.00 Uhr nicht mehr ausgehen. Sie werden sich entweder kürzer fassen müssen, oder ich muss Sie dann unterbrechen. – Bitte.

14.57

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Verehrte Volksanwaltschaft! Auch ein Hohes Haus braucht ein Budget, zwar kein hohes, aber ein angemessenes.

Der vorliegende Budgetentwurf ist im Wesentlichen eine Fortschreibung des Vorjahres durch das Präsidium des Nationalrates. Aber wie generell im Staatshaushalt sind auch bei der Budgeterstellung des Parlaments betriebswirtschaftliche Instrumente anzuwenden. Im Vergleich zu anderen Parlamenten geben wir zwar nicht viel mehr aus, es ist aber ein Gebot der Stunde, was die Verwendung der Mittel betrifft, auch hier Vorbildwirkung zu zeigen. Kostentransparenz durch ein entsprechendes Steuerungs- und Budgetierungskonzept für die Parlamentsdirektion ist ein dringendes Erfordernis. Warum eine entsprechende Nachvollziehbarkeit der einzelnen Voranschlagsposten so schwierig sein soll und nicht allen Abgeordneten zur Verfügung steht, ist mir eigentlich unerklärlich.

Meine Damen und Herren! Es muss unser gemeinsames Ziel sein, einerseits unsere Arbeit effektiv durchzuführen und dafür alle erforderlichen Instrumente wie EDV zur Verfügung zu haben, und andererseits die notwendigen Budgets dafür so gering wie möglich zu halten.

Warum aber, meine Damen und Herren, sind 145 Millionen Schilling an Rücklagen für Investitionen, für EDV, und zwar sowohl für Hardware als auch für Software, nicht verwendet worden, beziehungsweise warum wurden im Vorjahr diesen Rücklagen noch 14 Millionen Schilling zugeführt? Auf der anderen Seite wird, vor allem seitens der SPÖ, immer erklärt, die bösen Regierungsparteien streichen wieder 25 Millionen Schilling beim Budget. – Dies ist entweder Unfähigkeit oder politische Strategie. Es liegt mir ferne, Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, Unfähigkeit zu unterstellen, obwohl Sie, Frau Kollegin Mertel, davon nicht weit entfernt sind, wenn Sie nicht einmal den Unterschied zwischen einem Budget und einem Rechnungsabschluss kennen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Danke! Ich werde mich bemühen!)  – Bitte.

Herr Präsident Fischer – er ist leider nicht anwesend, aber Sie werden es ihm sicher ausrichten – ist aus meiner Sicht aufgefordert, in Abstimmung mit den Präsidentenkollegen – diese Abstimmung hat es ja bei den Budgeterstellungen leider vorab nicht gegeben ... (Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Dr. Mertel. ) – Sie können sich später gerne wieder zu Wort melden, Frau Kollegin Mertel. (Abg. Dr. Mertel: Ich frage Sie etwas!) – Bitte. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist keine Fragestunde! – Abg. Dr. Mertel: Sind Sie Lehrerin?) Nein, ich bin nicht Lehrerin, aber ich war Steuerberaterin, deshalb kenne ich mich da sehr gut aus. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Wahrscheinlich haben Sie das Herrn Kollegen Edlinger auch nicht nahe bringen können, was der Unterschied zwischen einem Rechnungsabschluss und einem Budget ist. Deshalb haben wir jetzt so viel an Schulden aufzuarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bitte, richten Sie auch Ihrem Präsidenten Fischer aus, dass es auch für die Budgeterstellung des Parlaments ...


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Präsident Dr. Heinz Fischer
(das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeordnete! Es ist 15 Uhr, und ich bitte Sie, den Satz zu beenden und dann die Rede zu beenden!

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (fortsetzend): Ich würde meine Rede gerne fortsetzen, Herr Präsident. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Hartinger bleibt also am Wort und wird die Rede nach Beendigung der beiden Kurzdebatten, die jetzt folgen, fortsetzen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1762/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zunächst, zur vereinbarten Zeit, zur Durchführung der Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 1762/AB.

Diese Anfragebeantwortung ist verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein, und ich mache darauf aufmerksam, dass der Erstredner den Gegenstand der Kurzdebatte innerhalb einer Redezeit von 10 Minuten begründen kann und dass dann kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Sollte sich ein Mitglied der Bundesregierung oder ein Staatssekretär zu Wort melden, dann soll die Redezeit gleichfalls nicht länger als 10 Minuten sein.

Zu Wort gelangt als erste Rednerin die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

15.02

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler ist noch nicht eingetroffen. Es ist bedauerlich, dass jedes Mal, wenn die Causa Temelin einer Diskussion hier im Hohen Haus bedarf, dies durch Instrumente der Opposition veranlasst werden muss, und dass man einen Kanzler und einen Umweltminister immer herbemühen muss, damit man die Dinge, die dort vor Ort geschehen, hier diskutieren kann.

Führen wir uns einmal die Situation vor Augen: Wir haben mittlerweile 15 Störfälle hinter uns, vorzugsweise am Wochenende und an Sonntagen. Beim Probebetrieb dieses Kraftwerkes herrscht Chaos: Das Kraftwerk wird ständig hinauf- und hinuntergeschaltet – man kommt überhaupt nicht mehr mit mit der Beobachtung –: einmal Leistung auf 55 Prozent, dann wieder schwere Turbinenprobleme, Vibrationen, wieder Abstellen des Reaktors. Trotzdem erteilt die Kontrollbehörde Genehmigungen für einen Betrieb mit einer Leistung bis zu 55 Prozent. Sie gibt zwar zu, dass es schwere Konstruktionsmängel gibt, dass vermutlich die Turbine ausgetauscht werden muss, aber sie erteilt trotzdem weitere Genehmigungen – also ein völliges Versagen der tschechischen Kontrolltätigkeit!

Dann wurde vor wenigen Tagen eine höchst Besorgnis erregende, bemerkenswerte Studie, was die Sicherheitsfrage betrifft, veröffentlicht: Deutsche Reaktorexperten haben 29 gravierende Sicherheitsmängel festgestellt, die alle zu einer inakzeptablen Gefährdung führen. Ja, Herr Westenthaler, zu einer inakzeptablen Gefährdung!

Was aber ist die Reaktion unserer Bundesregierung auf diese Situation? Was ist die Reaktion auf einen Prozess, in den Österreich gemeinsam mit der Tschechischen Republik involviert war und der so schlecht verlaufen ist, dass die österreichische Umweltschutzbewegung und die NGOs heute aus diesem Prozess ausgestiegen sind?

Die Reaktion war: Es ist alles in Ordnung, es ist alles im grünen Bereich, wir machen gar nichts. – Es gab keine einzige kritische Stellungnahme zu diesen desaströsen Punkten, die jetzt vorliegen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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63. Sitzung / Seite 92

Der Bundeskanzler ist zum Schweigekanzler geworden; zu dieser eklatanten Sicherheitsproblematik hat er kein Wort verloren.

Wir haben jetzt, schon seit längerem, eine Anfragebeantwortung, was die Umsetzung des "Melker Prozesses" betrifft, den wir – als Nicht-Fundamental-Opposition – als Teilerfolg bezeichnet haben. Es ist allerdings so: Wenn man bei einem Teilerfolg dann die Arbeit beendet und der Bundeskanzler sich dann nicht mehr weiter bei der Anti-Atomarbeit betätigt, dann kann ein Teilerfolg auch zu einem Misserfolg werden. Und das ist mit heutigem Tag der Fall.

Es hat also wiederholte Male massive Kritikpunkte von Seiten der österreichischen Umweltschutzbewegung gegeben, der österreichischen NGOs, die in Oberösterreich vor Ort arbeiten. Es hat immer wieder die Kritik gegeben, dass beim "Melker Übereinkommen" Geheimniskrämerei betrieben wird, dass es eine inakzeptable Alibi- und Feigenblattaktion ist, dass es Scheinverhandlungen sind. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist sehr konstruktiv!) Es heißt, niemand kenne die Inhalte der Expertentreffen, und Zwischenberichte werden an die NGOs nicht weitergegeben. Und was hat der Bundeskanzler auf unsere Anfrage geantwortet? – Es gibt laufende Informationen an die NGOs. (Abg. Ing. Westenthaler: Super! Na gut!)

Diese laufende Information an die NGOs hat so ausgesehen, dass die NGOs sich heute in Linz hingesetzt haben und den Prozess aufgekündigt haben, dass sie aus dem gesamten "Melker Prozess" ausgestiegen sind. Das ist das Armutszeugnis einer Anti-Atompolitik: wenn die Bürger und Bürgerinnen wieder darauf angewiesen sind, zur Selbsthilfe zu greifen und wieder Aktionen an der Grenze durchzuführen. Das ist der Erfolg Ihrer Anti-Atompolitik! (Beifall bei den Grünen. – Die Rednerin hält einen kleinen Gegenstand in schwarzer Verpackung mit gelb-roter Aufschrift in der Hand. – Abg. Ing. Westenthaler: Was war das? – Abg. Schwarzenberger: Das ist der Atommüll aus Gorleben! – Abg. Ing. Westenthaler: Der Trittin mit Castor-Transporten!) – Sie bekommen das dann noch als Geschenk von uns.

Ich möchte noch einmal auf die Besorgnis erregende Situation zurückkommen. Es hat heute ein Treffen der Außenministerin Benita Ferrero-Waldner mit dem tschechischen Außenminister gegeben. Und was war ihre Reaktion auf dieses Aussteigen der Umweltorganisationen aus dem "Melker Prozess"? Was war ihre Reaktion auf die massiven Kritikpunkte, die es immer wieder gegeben hat, nämlich: eine Schein-UVP, ein Persilschein, an dessen Ende ausschließlich ein Öko-Pickerl stehen wird, mit dem Temelin in Betrieb gehen wird, sozusagen mit einem Persilschein der österreichischen Bundesregierung?

Was tut also die Außenministerin in dieser Situation? Auf welche Seite stellt sie sich? – Sie sagt, es ist alles in Ordnung, es gibt keinen Grund, irgendetwas zu kritisieren. Sie macht sozusagen den tschechischen Betreibern die Mauer und tut so, als wäre alles in bester Ordnung! Sie stellt sich nicht auf die Seite der österreichischen Umweltschutzbewegung und der österreichischen Umwelt-NGOs, sondern sie stellt sich auf die Seite der tschechischen Betreiber (Abg. Kopf: Auf die Seite des Rechts!), und das ist tatsächlich unglaublich! (Beifall bei den Grünen.)

Weil Sie sagen, es ist die Seite des Rechts: Der oberösterreichische Landeshauptmann war bei vielen Aktionen dabei. Er war ein "Oberblockierer", möchte ich jetzt fast sagen, um das einmal zu überzeichnen. (Abg. Dr. Krüger: Da ist aber niemand verletzt worden!) Er hat sehr wohl die Möglichkeit wahrgenommen, über Proteste in der Öffentlichkeit zu zeigen, dass dieser Prozess in Wahrheit nur eine Farce und keine zielführende UVP war.

Unsere Forderung an den Herrn Bundeskanzler – der immer noch nicht eingetroffen ist und dem es sichtlich nicht der Mühe wert ist, zu Temelin ein Wort zu verlieren – ist nun: Die Umweltorganisationen haben ... (Abg. Dr. Moser begibt sich mit einem Korb, gefüllt mit kleinen, quaderförmigen Gegenständen, jeweils in schwarzer Verpackung mit der gelb-roten Aufschrift "Blockade-Waffe(l)" und "Achtung: Temelin gefährdet Ihre Gesundheit", in Richtung Regierungsbank und leert den Inhalt des Korbes auf einen der beiden Stenographentische. – Abg. Haigermoser: Was ist da Gefährliches drinnen?)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Frau Kollegin! Das ist ein Arbeitsplatz der Stenographen! (Abg. Haigermoser: Das ist der Tisch der Stenographen! – Abg. Ing. Westenthaler: Was können die Stenographen dafür?)

Frau Kollegin Dr. Moser! Dort sitzen ja Stenographen oder Mitarbeiter! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen die Protokolle behindern!)

Ich lasse jetzt einmal die Frau Abgeordnete ihre Rede fertig sprechen, und ich bitte Sie, das am Ende der Rede wieder wegzuräumen. (Abg. Ing. Westenthaler: Am Ende der Rede? Wo sollen denn die Stenographen schreiben?)  – Bitte, Frau Abgeordnete! (Abgeordnete der SPÖ, ÖVP und der Freiheitlichen begeben sich zu dem Tisch, um die dort deponierten Gegenstände – deren Inhalt sich als Süßigkeiten erweisen sollte – näher zu begutachten oder ein Exemplar davon für sich mitzunehmen. – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des mit einem Exemplar an seinen Platz zurückkehrenden Abg. Dr. Kostelka –: Die sind von Gorleben verstrahlt!)

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Ich möchte diese Möglichkeit jetzt gerne aufgreifen.

Ich habe es bereits ausgeführt: Das Ende dieses Prozesses, von dem wir befürchtet haben, dass es ein Scheinprozess ist, wird ein Persilschein für die Inbetriebnahme eines Kraftwerkes sein, das eine massive Gefährdung darstellt. Vielen Bürgerinnen und Bürgern in Oberösterreich ist der Kragen bereits geplatzt, und auch der oberösterreichische Landeshauptmann hat heute in einer Aussendung erklärt, er versteht, dass angesichts dieses Scheinprozesses, dieses Persilscheins, der für Temelin ausgestellt wird, vielen der Kragen bereits geplatzt ist. – Das sind die Grüße der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher (die Rednerin weist auf die auf den Tisch geleerten Gegenstände), die sich auf nichts anderes verlassen können als auf ihre eigene Widerstandskraft und die von der österreichischen Bundesregierung in der Causa Temelin im Stich gelassen worden sind!

Ich möchte nun noch einmal unsere Vorschläge, was die zukünftige Weiterführung betrifft, besprechen. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt wollten Sie gerade so konstruktiv sein! Sie haben vorher gesagt: Einmal wollten Sie konstruktiv sein!)  – Ich bin immer konstruktiv, Herr Westenthaler! Schaue ich nicht so aus? Das ist überhaupt kein Problem. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Wir fordern Sie nachdrücklich auf, diesen gesamten "Melker Prozess" – der die Möglichkeit bietet, die Frage der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit dieses Kraftwerkes, das die österreichische Sicherheit massiv bedroht, einer Lösung zuzuführen – neu aufzurollen, neue Verhandlungen zu starten. Wir wissen, dass die Probleme mit der Turbine so groß sind, dass es die Tschechische Republik wahrscheinlich Milliarden mehr kosten wird. Das ist eine Riesenchance, nur: Diese Riesenchance muss man auch ergreifen! Wenn man dazu tagelang, wochenlang, monatelang nur schweigt, dann kann man keine Chancen ergreifen. Sie müssen jetzt eine Nachverhandlung des "Melker Abkommens" vorantreiben und versuchen.

Unser zweiter Vorschlag: Sie müssen der Tschechischen Republik ein ernst zu nehmendes Ausstiegsangebot machen. Der tschechische Industrieminister Gregr hat sich mit zwei Punkten verpflichtet. Er sagt: Das Kraftwerk wird fertig gestellt, wenn es keine zusätzliche Krone mehr kostet und kein Tag Verzögerung zu verzeichnen ist. – Beide Punkte sind nicht einhaltbar. Das ist für Österreich und für Sie als Bundeskanzler eine Riesenchance! Machen Sie der Tschechischen Republik ein ernst zu nehmendes Ausstiegsangebot, und versuchen Sie, gemeinsam mit jenen Bürgern, die immer wieder an der Grenze gestanden sind und die immer wieder gezeigt haben, dass sie solidarisch zur österreichischen Atompolitik stehen (Beifall bei den Grünen – Abg. Ing. Westenthaler: Den Herrn Trittin fragen!), gemeinsam mit dieser Bewegung, die Ihnen eigentlich über all die Monate den Rücken gestärkt hat, den Ausstieg aus diesem Kraftwerk zu erreichen!

Ein Letztes: Wenn es dann immer noch so ist, dass es weder ein Umweltminister noch ein Bundeskanzler an einem Tag wie heute, an dem Umweltorganisationen massiv ihre Kritik an der Regierung formuliert haben und aus einem langen Prozess ausgestiegen sind, wert findet, hier


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im Parlament zu erscheinen und an einer Debatte teilzunehmen (Abg. Ing. Westenthaler: Weil Sie alles mit Riegeln zuschütten!) und konstruktiv, Herr Westenthaler, darüber nachzudenken, was wir in diesem Bereich gemeinsam tun können (Abg. Ing. Westenthaler: Einmal konstruktiv!), dann ist das ein Armutszeugnis für die Anti-Atompolitik – und ich habe den Verdacht, sie ist gar keine. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Moser räumt die noch auf dem Tisch verbliebenen Süßigkeiten unter Mithilfe des Abg. Dr. Khol wieder in den Korb, während Abg. Dr. Petrovic jeweils ein Stück davon an die auf der Regierungsbank Anwesenden verteilt.)

15.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals für die Amtshilfe!

Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

15.13

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen sind bereits in allen Bereichen, die beim "Gipfel von Melk" angesprochen wurden, gemeinsame Schritte zur Umsetzung erfolgt. Allerdings ergaben und ergeben sich bedauerlicherweise auf tschechischer Seite bisweilen vermeidbare Verzögerungen, und leider häufen sich auch gerade in jüngster Zeit wieder Meldungen über Störfälle in Temelin, die für uns Anlass dafür sind, die weiteren Schritte der tschechischen Behörde mit höchster Wachsamkeit zu verfolgen.

Da noch im Jänner 2001 wesentliche Fragen der Umsetzung sowohl zum Ablauf als auch zum Inhalt der gesamten UVP ungeklärt waren, hat sich der Bundeskanzler persönlich an Premierminister Zeman gewandt und die exakte Umsetzung der Vereinbarungen eingemahnt. Mit der gemeinsamen Erklärung von Umweltminister Mag. Molterer und dem tschechischen Außenminister Jan Kavan vom 13. Februar 2001 konnten auch hinsichtlich der Gesamt-UVP für das AKW Temelin essentielle Elemente der weiteren Vorgehensweise außer Streit gestellt werden.

Ich stelle allerdings nochmals klar, dass die Art und Weise der Berücksichtigung der Bereiche "Variantenanalyse" sowie "schwere Unfälle", aber insbesondere auch die Qualität der Öffentlichkeitsbeteiligung die Akzeptanz des gesamten Prozesses aus österreichischer Sicht wesentlich beeinflussen werden. Auf die entscheidende Bedeutung dieser Punkte wurde die tschechische Seite zuletzt im Rahmen einer Intervention im tschechischen Außenamt, die vergangenen Freitag erfolgte, mit Nachdruck hingewiesen.

Ich nütze diese Anfragebesprechung gerne dazu, Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, über den aktuellen Stand der Umsetzung der Vereinbarung des "Gipfels von Melk" bezüglich des AKW Temelin in der Tschechischen Republik aktuell und korrekt zu informieren.

Auf österreichischer Seite erfolgt die Implementierung der "Vereinbarungen von Melk" unter der Leitung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in enger Zusammenarbeit seines Ministeriums mit dem Umweltbundesamt, das sowohl hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung als auch hinsichtlich der technischen Fragen nuklearer Sicherheit mit der Fachkoordination beauftragt wurde. Das Umweltbundesamt selbst greift dabei auf einen umfangreichen Expertenpool zurück.

Wir kooperieren dabei auch sehr intensiv mit den Bundesländern Oberösterreich und Niederösterreich, deren Nuklearbeauftragte wiederum den Kontakt mit den NGOs vor Ort sicherstellen. Einen intensiven Meinungsaustausch pflegen wir auch mit den Vertretern des deutschen und bayrischen Umweltministeriums, sowie mit den verantwortlichen Vertretern der Europäischen Kommission.

Welche Bedeutung die Bundesregierung dieser Angelegenheit beimisst, kann auch daraus erkannt werden, dass vereinbart wurde, trotz des prioritären Sparziels noch im Rahmen der laufenden Budgetberatungen für das Budget 2001 einen außerordentlichen Ausgabenrahmen von bis zu 45 Millionen Schilling zur Umsetzung der "Melker Vereinbarung" auf österreichischer Seite zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Bereits nächste Woche werden weitere wichtige Gespräche auf Expertenebene sowohl zur Umweltverträglichkeitsprüfung als auch zu den Sicherheitsfragen in Prag stattfinden.

Eine ganz konkrete Zwischenbilanz werden wir am 10. April 2001 zu ziehen haben. An diesem Tag wird die tschechische Seite vereinbarungsgemäß ihre Umweltverträglichkeitserklärung veröffentlichen müssen. Im Anschluss daran wird, wie im tschechischen UVP-Recht vorgesehen, 30 Tage lang die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen gegeben sein. Eine Anhörung in Österreich ist für die erste Mai-Hälfte anberaumt. Die konkrete Festlegung von Zeit und Ort wird in Abstimmung mit den am meisten betroffenen Bundesländern, Oberösterreich und Niederösterreich, erfolgen.

Was nun die Rechtsverbindlichkeit der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung betrifft, verweise ich auf die gemeinsame Erklärung des tschechischen Außenministers Kavan und des österreichischen Umweltministers Mag. Molterer vom 13. Februar, derzufolge die Ergebnisse der UVP zur weiteren Entscheidungsfindung der zuständigen tschechischen Behörden beziehungsweise Organe in Bezug auf die zu erteilenden Genehmigungen nach nationalem Recht wie auch als Grundlage für die laut UVP-Richtlinie der EU durchzuführenden bilateralen Konsultationen heranzuziehen und umzusetzen sind.

Unbeschadet der Tatsache, dass die eigentliche Beteiligung der Öffentlichkeit erst mit der Auflage der Umweltverträglichkeitserklärung beginnen kann, haben die Regierungsvertreter die Umweltorganisationen von Anbeginn an regelmäßig informiert und nach Möglichkeit in den Umsetzungsprozess eingebunden. So wurde unter anderem am 23. Jänner im Wiener Umweltministerium eine mehrstündige Informationsveranstaltung mit Vertretern von Landes-NGOs und Aktivisten abgehalten.

Darüber hinaus finden regelmäßig Treffen, so am 1. und 27. Februar sowie am 19. März, mit Beauftragten der Bundesländer Oberösterreich und Niederösterreich statt, die ihrerseits zugesagt haben, die Umweltorganisationen auf Landesebene laufend zu informieren. Für nächste Woche sind zwei weitere Informationsveranstaltungen mit Umweltorganisationen und -aktivisten angesetzt, und zwar am 4. April in Linz und am 6. April erneut in Wien im Umweltministerium.

Zusätzlich werden auf Internetseiten des Umweltbundesamtes laufend relevante Informationen zum AKW Temelin – insbesondere zur Umweltverträglichkeitsprüfung und zu den Sicherheitsfragen – der interessierten Öffentlichkeit jederzeit abrufbar zur Kenntnis gebracht.

Ich meine, an diesem Beispiel die außerordentliche Bedeutung, die die Bundesregierung dem "Melker Prozess" beimisst, deutlich klargelegt zu haben, und ich versichere Ihnen, dass die Bundesregierung auch weiterhin alle ihr zu Gebote stehenden Mittel zum Schutz der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt vor Nukleargefahren einsetzen wird und ihre diesbezüglichen Positionen, die durch mehrfache einstimmige Beschlüsse des Parlaments und der Landtage untermauert sind, mit aller Konsequenz vertreten wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Staatssekretär.

Wir kommen nun zu jenen Wortmeldungen, deren Dauer mit 5 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

15.20

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Nur eine kurze Bemerkung zu Ihnen, Herr Staatssekretär: Sie haben diesen Text, diese "Grußbotschaft" von Herrn Bundeskanzler Schüssel derart emotionslos und unenthusiastisch vorgetragen, dass ich daraus wirklich nur entsprechende Rückschlüsse auf den Inhalt dieser Botschaft ziehen kann. (Abg. Mag. Schweitzer: Er ist ein Schauspieler noch dazu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Eben, er hat eine schauspielerische Ausbildung! Daher ist es umso schlimmer, dass er das so emotionslos vorträgt! (Beifall bei der


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SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung Rednerin –: Ulli, welche Rolle spielst du?)

Sie haben gemeint, die NGOs seien in den letzten Wochen regelmäßig informiert worden. – Also ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung sagen: Wir haben allen Informationen im Zusammenhang mit dieser UVP nachlaufen müssen. Nachdem die NGOs heute ihren Ausstieg aus diesem Prozess verkündet haben, ist wohl offensichtlich, dass sie nicht ausreichend informiert worden sind. Sie sind absolut unzufrieden damit, wie die ganze Sache gelaufen ist, und das ist wirklich ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, weil sie da eine große Chance vergeben hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Kiss: Das ist doch unlogisch!) Das ist überhaupt nicht unlogisch.

Gestern gab es in Temelin den Störfall Nummer 15 seit der Inbetriebnahme im vergangenen Oktober. Wegen einer Vibration der Turbine ist Temelin wieder einmal vom Netz genommen worden. Mittlerweile hat das Kraftwerk schon den Namen "On/Off-AKW" bekommen, weil es permanent ein- und wieder ausgeschaltet wird. Und das Erstaunliche, worauf meine Kollegin Glawischnig schon aufmerksam gemacht hat, ist, dass Bundeskanzler und Umweltminister dazu schweigen.

Die unglaubliche Pannenserie der letzten Monate ist in keiner Weise kommentiert worden. Es hat keine diesbezügliche Aufforderung an unsere tschechischen Nachbarn gegeben. Seit den Verhandlungen zum "Melker Abkommen" gab es zum Thema Temelin einfach nur Schweigen im Walde. Dann darf man sich auch nicht wundern, wenn die NGOs nach monatelangem, geduldigem Darauf-aufmerksam-Machen sagen: Es reicht uns, wir haben jetzt einfach die Nase voll, und wir schauen uns das nicht mehr länger an!

Ich finde das sehr schade, weil das "Melker Abkommen" eigentlich auch eine sehr große Chance hätte sein können, eine große Chance, das Thema Temelin auf eine vernünftige Weise zu behandeln und die Sicherheitsmängel auch wirklich genau zu untersuchen. Offensichtlich ist diese große Chance leider von Seiten der Bundesregierung vergeben worden, denn ohne die NGOs wird es sehr schwierig sein, dort eine UVP durchzuführen, die dann auch wirklich akzeptiert werden kann.

Herr Staatssekretär! Sie haben das jetzt so dargestellt, als ob mit dieser Umweltverträglichkeitsprüfung ohnehin alles klar wäre und als ob alles auf dem Tisch läge. Ich finde aber, es gibt nach wie vor einige offene Fragen, Fragen, die nach wie vor nicht geklärt sind. Wir haben seit Monaten eine Offenlegung gefordert: Wie soll der Zeitplan ausschauen? Wann wird es die öffentliche Anhörung geben?

Ich höre jetzt zum ersten Mal, dass schon ein Termin ins Auge gefasst ist. Bisher hat niemand gewusst, ob es eine Anhörung in Österreich, in Tschechien oder in beiden Ländern geben wird und wie es dabei mit der Bürgerbeteiligung aussehen wird. (Zwischenruf des Abg. Kopf. )

Herr Kollege Kopf! Das müssen leider auch Sie zur Kenntnis nehmen, dass die NGOs ausgestiegen sind. Sie müssen sich diesbezüglich selbst bei der Nase nehmen, weil Sie offensichtlich nicht in der Lage waren, die Umweltorganisationen ausreichend und zufriedenstellend einzubinden und sich für diese Umweltverträglichkeitsprüfung auch wirklich genügend einzusetzen.

Sie wissen ganz genau, dass wir im Hohen Haus bezüglich Temelin immer versucht haben, gemeinsam zu agieren. Es hat sehr viele Vierparteienanträge gegeben, weil es wirklich auch ein Anliegen der Opposition war, in dieser Sache gemeinsam vorzugehen. Wenn Sie so ein Kapital einfach verspielen, weil es Ihnen irgendwie kein besonderes Anliegen ist, weil Sie mit den Ambulanzgebühren überlastet sind oder was auch immer, dann finde ich das wirklich sehr bedauerlich. Das war eine große Chance, die heute vergeben worden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nach wie vor nicht völlig klar: Bei der UVP soll auch eine Nullvariante überprüft werden. Und die Zeitvorgabe, die mit Ende Juni angegeben wurde, ist völlig unrealistisch und nicht einzuhalten. Man darf sich nicht wundern, wenn es dann Proteste gibt. Sie stehen heute in Wahrheit vor den Scherben von Melk, das muss ich mit großem Bedauern feststellen.


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Noch etwas hat sehr viele Menschen verärgert. Sie haben völlig ohne Grund die Blockade des Energiekapitels mit Tschechien einfach aufgegeben, obwohl vor kurzem die Studie mit den 29 offenen Sicherheitsfragen veröffentlicht wurde. Das hat sehr viele Leute verärgert. Ich weiß schon, dass es noch keine endgültige Zustimmung gegeben hat, aber die bisherige Blockade wurde einfach ohne Begründung aufgegeben.

Über die APA war dann sogar zu lesen, man hätte dem Energiekapitel zugestimmt, was sich dann Gott sei Dank als nicht zutreffend herausgestellt hat.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir einen gültigen Vierparteienantrag haben, in dem ganz klar festgehalten ist, dass einem Energiekapitel nicht zugestimmt werden kann, sollte Temelin nicht dem Stand der Technik entsprechen. Und diese Studie hat wieder einmal eindeutig belegt, dass das nicht der Fall ist.

An die Adresse des Herrn Bundeskanzlers, der sich heute leider nicht ins Hohe Haus bemühen wollte, möchte ich sagen (Abg. Murauer: Waren Sie heute Vormittag nicht da?): In Sachen Temelin ist wirklich Feuer am Dach! Nehmen Sie das zur Kenntnis! Werden Sie endlich aktiv! Ich kann Ihnen nur sagen: Wir werden den Widerstand in Oberösterreich unterstützen, weil wir verstehen, dass die Bürger dort besorgt sind – zu Recht besorgt sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Er hat das Wort – und die gleiche Redezeit.

15.25

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Die Schwierigkeiten mit der tschechischen Seite in Bezug auf Temelin sind bekannt und sind auch nicht wegzudiskutieren. Umso beachtenswerter ist es, dass es unserer Bundesregierung, dem Herrn Bundeskanzler, dem Herrn Umweltminister gelungen ist, mit der tschechischen Seite eben dieses "Melker Abkommen" abzuschließen. Das war keine einfache Angelegenheit, aber es ist gelungen. (Ruf bei der SPÖ: Nicht gelungen!)

Die dort vereinbarte UVP unter Einbeziehung der österreichischen Seite bindet die sehr besorgte Bevölkerung in Gestalt der NGOs, in Gestalt der Aktivisten über das österreichische Umweltministerium mit ein. Über das Umweltbundesamt sind diese Organisationen – wie dies schon vom Herrn Staatssekretär festgestellt worden ist – in mehreren Besprechungen, in Veranstaltungen informiert und miteingebunden worden, und haben die Möglichkeit gehabt, ihre Vorstellungen einzubringen. Umso weniger verstehe ich zum jetzigen Zeitpunkt – denn wir wissen, dass für den 10. April die Vorlage der Umweltverträglichkeitserklärung vereinbart ist und außer Vermutungen und Annahmen nichts seriös belegbar darauf hindeutet, dass diese Umweltverträglichkeitserklärung am 10. April nicht vorliegen wird – die Aktion der Umwelt-NGOs, den Ausstieg aus diesem Prozess anzukündigen.

Es ist am 10. April mit der Vorlage dieser Erklärung zu rechnen. Dennoch werden über die APA Forderungen aufgestellt beziehungsweise Feststellungen getroffen wie: Der Zeitraum ist zu kurz. – Das war aber schon bei Abschluss des Abkommens in Melk bekannt, dass der Zeitraum bis Juni zwar zugegebenermaßen knapp bemessen ist, dass es aber trotzdem machbar ist.

Einen Neubeginn der Verhandlungen zu fordern, ist geradezu paradox! Das würde den Zeitraum, bis zu dem dieses Verfahren abgeschlossen werden könnte, ja weiter verlängern.

Auch, dass eine UVP bei laufendem Probebetrieb ein gewisses Problem darstellt, war beim Abschluss des "Melker Abkommens" bekannt. Aber das war eben in den Verhandlungen das Maximum des Erreichbaren.

Wenn man das alles weiß, dann könnte einem schon ein Verdacht kommen. Frau Kollegin Sima! Sie sagen, es sei schade, dass die Organisationen, die NGOs jetzt aussteigen. Das finde


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ich auch. Nur: Sie haben meines Erachtens zum jetzigen Zeitpunkt auch keinen Grund dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie hier von Scheinprozess reden und das so ohne weiteres und ohne Beweise in den Raum stellen, dann darf man das umgekehrt durchaus auch mit gleicher Münze zurückzahlen. Dann kann man auch den Verdacht äußern, dass es sich vielleicht um eine Show seitens der NGOs handelt und dass Sie von den Oppositionsparteien aus Gefälligkeit gegenüber den NGOs mit diesen gemeinsame Sache machen und eine gemeinsame Show abziehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Genau so ist es!)

Wenn ich es aber positiv sehen will – und ich bin jetzt einmal geneigt, es durchaus auch positiv zu interpretieren –, dann könnte man es auch als eine Aktion Besorgter in Richtung der Aktionen und Vorgänge in Tschechien deuten. Als positiv denkender Mensch bin ich natürlich geneigt, es so zu interpretieren. Daher nehme ich Ihre Aktion jetzt einfach einmal als eine Zwischenaktion, um das Bewusstsein aller an diesem Prozess Beteiligten dafür, dass am 10. April ein brauchbares Ergebnis vorgelegt werden soll, noch einmal zu schärfen. Unter diesen Vorzeichen bin ich sogar geneigt, das emotional  – nicht inhaltlich und sachlich; da bleibe ich bei meiner Einschätzung "Show" – als Zwischenschritt, als Appell an die Tschechen zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. Er hat das Wort.

15.30

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir stehen mit Sicherheit vor einer der größten Bedrohungen der Menschheit, und dies sehr nahe an unseren Grenzen. Ich stimme mit Ihnen überein, dass es sich beim Kernkraftwerk Temelin um einen Hochrisiko-Reaktor handelt, dass Temelin laut einer Studie gefährlicher ist als hundert moderne Kernkraftwerke zusammen und dass es eben wirklich diese 29 offenen Sicherheitsfragen gibt. Auch 15 Pannen sprechen für sich. – Das ist die Situation. Ich gehe auch davon aus – und davon bin ich völlig überzeugt –, dass in Lebensräumen mit Zukunft kein Platz für solche Kraftwerke, für solche Gefahrenquellen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines möchte ich Ihnen aber schon sagen: Ich gehe nicht damit konform und bin nicht damit einverstanden, wenn seitens der SPÖ und der Grünen hier Kritik in diesem Maße geäußert wird, denn man muss schon auch sehen, dass Tschechien eine sozialistische Regierung hat. Ich ersuche Sie, und das habe ich schon mehrmals getan, Ihren Einfluss dort geltend zu machen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Heindl. )

Man muss auch sehen, dass es in Deutschland im Bereich der Umwelt eine Politik gibt, die gefährlich und bedrohlich ist, wenn man beispielsweise an die Castor-Transporte denkt. Und schließlich muss man auch in Betracht ziehen, dass beim gestrigen Budgetantrag ein Beschluss gefasst wurde, 40 Millionen Schilling für die Umsetzung der Vereinbarungen von Melk zu reservieren und 5 Millionen Schilling für den seismisch gefährdeten Standort Krško. Dass die Grünen da nicht mit dafür gestimmt haben, kann ich nicht verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Und Hunderte Millionen Schilling werden für das Militär ausgegeben!) Ich kann das nicht verstehen!

Ich bin ganz bei Ihnen, ich schließe mich Ihrer Auffassung an, wenn ich sage: Helfen wir zusammen, hier etwas zu erreichen! Helfen wir zusammen, aus dieser Sackgasse herauszukommen! Und ich sage Ihnen, was wir tun müssen und was wir gemeinsam fordern, aber auch umsetzen sollten: Es gilt, Temelin wirklich außer Betrieb zu nehmen und diese UVP durchzuführen. Es gilt, die "Melker Vereinbarung" auf Punkt und Beistrich umzusetzen, aber es gilt auch, dies nicht zu verhindern, und es gilt letztendlich, den Ausstieg Europas aus der Atomenergie in einem kurzen Zeitraum zu beschließen. (Abg. Mag. Kogler: Politik mit Herz! )


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Ich meine, dass der EURATOM-Vertrag kein Vertrag für Atomenergie sein sollte – was er ja jetzt ist –, sondern dass dieser EURATOM-Vertrag geändert und zu einem Atomausstiegs -Vertrag in Europa werden muss.

Ich bin auch der Auffassung, dass wir energiesparenden Maßnahmen den Vorrang geben müssen und hierfür entsprechende Anreizsysteme schaffen sollten – ein Öko-Bonus-System zum Beispiel, bei dem jene, die sparsam mit Energie umgehen, mit einem günstigeren Preis pro Kilowattstunde belohnt werden. Und letztendlich sollten wir uns dafür einsetzen, dass es einen kompletten Umstieg auf erneuerbare Energieträger gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mit dem ElWOG erste Schritte in diese Richtung gesetzt: die Strom-Kennzeichnung und die Drittstaaten-Regelung haben wir geschaffen. Wir wissen, dass dies ein erster Schritt ist und noch nicht der letzte. An weiteren Schritten wird gearbeitet.

Wir treten dafür ein, dass es eine österreichische Wasserkraft-Lösung gibt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Energiewirtschaft darf nicht in den Händen ausländischer Atomenergie-Produzenten liegen! Österreich soll Vorreiter für zukunftsfähige Technologien in Europa sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind es unseren Kindern schuldig, Tschechien Einhalt zu gebieten. Dazu stehe ich, und dazu stehen die Freiheitlichen und auch die Bundesregierung. Ich erkläre mich solidarisch mit all jenen und unterstütze all jene, die auf friedlichem, demokratischem und konstruktivem – und darauf lege ich besonderen Wert: auf konstruktivem – Wege versuchen, diese Gefahr Temelin rasch abzuwenden. Ich meine aber, dass wir diesen 10. April abzuwarten und uns dann ein Bild von der Situation zu machen haben. Die Frage ist: Hält Tschechien die Vereinbarungen ein oder nicht?

Herr Bundeskanzler Schüssel! Frau Außenministerin! Herr Bundesminister Molterer! Machen Sie Tschechien bewusst, dass dies nicht der Weg in die europäische Wertegemeinschaft ist und auch nicht der Weg in eine lebenswerte Zukunft. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Wo bleibt das Herz? )

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Umweltminister. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.36

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit dieser Anfragebesprechung benützen, um neuerlich zu betonen, dass die Stärke der österreichischen Anti-Atompolitik darin liegt, dass wir eine gemeinsame Basis haben, die vor allem auch hier im Parlament durch die einheitliche Linie aller vier Parteien ganz klar zum Ausdruck kommt, eine gemeinsame Basis, die auch dadurch klar zum Ausdruck kommt, dass wir seitens der Bundesregierung intensiv die Schritte etwa mit betroffenen Landesregierungen, mit betroffenen Bundesländern abstimmen. Und ich ersuche Sie im Interesse der österreichischen Bevölkerung ganz dringend, an dieser gemeinsamen Basis, an dieser gemeinsamen Strategie festzuhalten.

Ich bin auch dafür dankbar, Frau Abgeordnete Sima, dass ich heute so deutlich von Ihnen gehört habe, dass Sie das "Melker Abkommen" als Chance bezeichnet haben. (Abg. Mag. Sima: Das habe ich immer schon gesagt!) Als das "Melker Abkommen" abgeschlossen wurde, haben wir gegenteilige Äußerungen gehört. Und ich meine, dass wir daher die gemeinsame Linie vertreten sollten, dieses "Melker Abkommen" auch tatsächlich umzusetzen, die Chance, die darin liegt, auch zu verwirklichen.

Meine Damen und Herren! Wir arbeiten intensiv und mit aller Konsequenz daran. Sie können das auch daran ermessen, dass – und ich danke auch dafür – dieses Hohe Haus – leider nicht einstimmig – die finanzielle Plattform, die finanzielle Basis dafür geschaffen hat: für Krško, für


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die Ausweitung der seismischen Untersuchungen, sowie für den Sicherheitscheck und die UVP bei Temelin.

Ich möchte nur zwei Dinge klarstellen, meine Damen und Herren. Frau Abgeordnete Sima! Diese auch in der Öffentlichkeit immer wieder transportierten 29 Punkte, von denen die Rede ist, gibt es als 29 offene Fragen, die wir definiert haben, etwa seit Mitte Februar öffentlich zugänglich im Internet. Wir haben diese 29 offenen Fragen als Arbeitsgrundlage für die weitere Bearbeitung im UVP-Prozess definiert, weil wir Interesse an der Transparenz dieses Prozesses haben.

Zur Frage des Energiekapitels möchte ich Ihnen nur mitteilen, dass es keinen Abschluss des Energiekapitels gibt. Das ist nicht so, wie auch in der Öffentlichkeit leider fälschlich behauptet wurde. Nein, das Energiekapitel ist offen, ist nicht abgeschlossen worden.

Ich bedauere daher auch vor diesem Hintergrund die Ankündigung der NGOs. Ich hoffe, dass die NGOs ihre Ankündigung überdenken, weil ich meine, dass das Angebot der Transparenz und das Angebot zur Kooperation, auch zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung, kein einseitiges sein kann, sondern letztendlich auch positiv wahrgenommen werden sollte.

Mein Ersuchen geht daher auch in diesem Hohen Haus an alle Fraktionen, nicht nur hier im Hohen Haus diese gemeinsame Basis zu haben, sondern auch dazu beizutragen, dass die NGOs in Österreich offen und offensiv an diesem transparenten Prozess der Umsetzung des "Melker Abkommens" mitarbeiten – letztendlich zum Wohle der österreichischen Bevölkerung, aber nicht nur der österreichischen Bevölkerung, sondern zum Wohle und für die Sicherheit aller Menschen auf diesem Kontinent. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.39

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Keine Frage: Ein Appell an Tschechien ist nötig. Aber noch dringender nötig – da schließe ich mich durchaus einem meiner Vorredner, Herrn Kollegen Kopf, an – ist aktives Eingreifen, aktives Eintreten, aktives Sich-zu-Wort-Melden von Seiten der Regierungsspitze.

Herr Minister Molterer! Ich bin dankbar dafür, dass Sie gekommen sind. Aber es war nicht unsere Absicht, Sie zu einer Anfragebesprechung hierher zu holen, sondern unsere Absicht ist es, mit dem Herrn Bundeskanzler zu sprechen, weil wir wissen – das sage ich seit mindestens vier Jahren –, dass Atompolitik Chefsache sein muss, um erfolgreich zu sein. (Abg. Dr. Ofner: ... Wahlkampf!) Deswegen wollten wir hier und heute mit dem Herrn Bundeskanzler reden und ihm noch einmal unseren Appell – auch den Appell der NGOs – deutlich vor Augen führen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Sie haben wieder die gemeinsame Basis beschworen, ja geradezu erbeten, Sie haben auch die Kooperation in den Vordergrund gestellt. Der Korb mit diesen "Blockade-Waffeln" war ein doppeltes Symbol. Ich habe nämlich Anfang März einer Schulklasse zwei Kartons abnehmen – unter Anführungszeichen – "müssen", weil diese Schüler aus dem Mühlviertel, die mit an der Grenze waren, so stark emotionalisiert waren, dass sie Ihnen diese Waffeln von der Galerie aus herunterwerfen wollten. Das war eine Schutzaktion – so darf ich es apostrophieren –, weil ich meine, dass damit die Falschen getroffen worden wären.

Das Parlament hat immer wieder – in Form von Vier- oder damals Fünf-Parteien-Beschlüssen – eine offensive Temelin-Politik vertreten. Das Parlament und die Abgeordneten waren immer offensiv, und hier gab es entsprechende Beschlüsse.

Wer nicht offensiv war, wer immer etwas in Deckung ging und sich immer auf diplomatische Formulierungen zurückzog, das war und ist leider der Herr Bundeskanzler. Das war immer


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unser Kritikpunkt. Er ist, schon seit er Wirtschaftsminister war, mit dieser Materie betraut, und er war damit betraut, als er Außenminister war. Wer immer gebremst hat – da können Sie Insider-Kreise fragen –, war das Außenministerium. Dort gab es die diplomatischen Bedenken im Umgang mit unserem Nachbarstaat. Diese Bedenken und diese Zurückhaltung hat er, der jetzige Herr Bundeskanzler, auch als Außenminister immer schon geübt. Daher wollten wir ihn als Bundeskanzler hier mehr oder weniger zur Rede stellen, damit endlich das "Melker Abkommen" offensiv umgesetzt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich darf ganz kurz die zwei Kernpunkte wiederholen. Es ging und es geht um die Umweltverträglichkeitsprüfung. Wie derzeit Tschechien, das Umweltministerium in Tschechien, mit Umweltverträglichkeitsprüfungen umgeht, das kritisieren, glaube ich, auch Sie, Herr Minister Molterer. Da wird drübergefahren, da wird nicht detailliert geprüft, da wird sehr, sehr oberflächlich einfach der Status quo gutgeheißen. Das wollen wir nicht! Das wollen wir vor allem deshalb nicht, Herr Kollege Mühlbachler, weil die Mühlviertler und Mühlviertlerinnen nicht nur als Erste die Köpfe hinhalten müssten, sondern weil wahrscheinlich das ganze Land verwüstet würde, wenn das Horrorszenario einträte.

Ich habe diese Zweifel früher nicht so stark gehegt, aber je mehr ich mich mit diesem Thema beschäftige, je öfter ich diese Studien lese und je mehr ich mich auch mit der Arbeit des Kollegen Hirsch auseinander setze, desto bedrohlicher erscheint mir dieses Szenario. Es ist mir wirklich ein persönliches Anliegen, noch einmal Folgendes klar und deutlich zu machen: Hier geht es nicht nur um viel, hier geht es teilweise sogar um alles!

Dieses Kraftwerk muss gestoppt werden! Es muss eine Nachdenkpause einsetzen, und es muss neu verhandelt werden, was den Umfang der UVP anlangt. Es muss vor allem auch ein offensives Ausstiegsszenario für die Tschechen von Seiten der EU und mit Hilfe Österreichs bereitgestellt werden.

Österreich muss nicht nur die Türe öffnen, Österreich soll auch den ersten Schritt tun. Eine Energiepartnerschaft ist ein halber Schritt – wesentlich ist eine Stopp-Partnerschaft. Dafür gibt es Partner in Deutschland und bei den NGOs. (Abg. Mag. Mühlbachler: Leider nicht!) Der heutige Ausstieg der NGOs ist ein deutliches Zeichen, ist ein Appell, dass wir besser informieren müssen, dass wir von Seiten der Bundesregierung den Kontakt besser pflegen müssen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Die deutschen Grünen versagen! Das ist das Problem!)

Sie sagen doch: Nur gemeinsam sind wir stark, und nur gemeinsam schaffen wir es! Daher hätten wir die NGOs massiver einbinden müssen. Das kritisiere ich auch heute hier von dieser Stelle aus. Eine Internet-Seite ist zu wenig. Reden Sie bitte auch mit den Vertretern! Reden Sie mit Josef Pühringer! Er wird Ihnen sagen, dass vieles nur sehr sachte angegangen wurde.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Frau Abgeordnete, die Redezeit ist beendet. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Noch einen letzten Satz. Weil der Herr Bundeskanzler nicht hier ist und seine Antwort unbefriedigend war, stelle ich folgenden Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser nach § 92 Abs. 3 GOG

Hiermit stelle ich den Antrag, die Beantwortung der Anfrage 1742/J nicht zur Kenntnis zu nehmen.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt mir der Antrag vor, die Beantwortung der Anfrage 1742/J nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag stimmen, um ein Zeichen. (Abg. Ing. Westenthaler: Zu wenig! Wieder verloren! – Die Stimmenzählung wird vorgenommen. – Zwischenrufe.) Bitte Ruhe, meine Damen und Herren! – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zur Kurzdebatte über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Leiner und Genossen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 412/A eine Frist bis zum 30. März 2001 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Ich mache darauf aufmerksam, dass in der Debatte kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Zur Begründung des Antrags erhält der Erstredner eine Redezeit von 10 Minuten.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Pumberger, und zwar, wie gesagt, für 10 Minuten. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Behandlungsbeitrag Ambulanz ist als Lenkungsmaßnahme von allen Experten akzeptiert und wird nunmehr auch von der Ärztekammer vertreten. (Abg. Silhavy: ... lebt wieder in einer eigenen Welt!) Auch manche anfangs kritischen Landesräte treten der Meinung bei, dass dieser Behandlungsbeitrag als Lenkungsmaßnahme eingeführt werden muss. (Abg. Oberhaidinger: Wo haben Sie Ihre Weisheit her?)

Ein reiner Formalfehler, ein administrativer Fehler, der nicht hier im Hohen Haus begangen wurde, eine fehlerhafte Administration hat dazu geführt, dass am 20. März der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung aufheben musste. Jetzt geht es darum, dass wir möglichst schnell handeln. Hier kann man nicht "Speed kills" und so weiter sagen, sondern jetzt müssen wir schnell handeln, damit die Rechtssicherheit gegeben ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Keppelmüller: Haben Sie eine Hausapotheke? – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Daher haben wir sofort gehandelt und versucht, Ausschusstermine zustande zu bringen, aber die Opposition hat mit Arbeitsverweigerung reagiert. (Abg. Dr. Keppelmüller: Haben Sie eine Hausapotheke? – Abg. Edler: He!) Sie betreiben Fundamental-Opposition, Sie verweigern Ausschusstermine. (Abg. Silhavy: Das ist ungeheuerlich, was Sie sagen!) Wir haben Ihnen angeboten, bereits gestern, am 28. März, eine Ausschusssitzung einzuberufen und daran teilzunehmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Die Grünen haben gleich abgesagt, und die SPÖ hat die Ablehnung in Aussicht gestellt. (Abg. Dr. Keppelmüller: Haben Sie eine Hausapotheke?)

Damit wir aber in möglichst kurzer Zeit wieder Rechtssicherheit erzielen, ist es notwendig geworden, dass wir heute diese Fristsetzung eingebracht haben und dass wir auch darüber debattieren. (Abg. Dr. Keppelmüller: Haben Sie eine Hausapotheke?) Mit Annahme des Antrags Pumberger, Leiner wird der Nationalrat beauftragt, dem Sozialausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 412/A von Pumberger, Rasinger eine Frist bis zum 30. März zu setzen. (Abg. Jäger: Husch-Pfusch wird fortgesetzt!) Damit ist es möglich, trotz Ihrer Arbeitsverweigerung und obwohl Sie keine konstruktive Ausschussmitarbeit ermöglichen (Abg. Edlinger: ... unglaublich!), sehr schnell, und zwar bereits am 2. April, im Plenum den Beschluss zu fassen.


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Wenn Sie sagen, das sei ein "Drüberfahren", da sei kein Ausschuss ermöglicht worden, dann liegt das in erster Linie daran, dass Sie keinen Ausschusstermin ermöglicht haben. (Abg. Dr. Mertel: "Drübergefahren", sagt der Herr Haider!) Wir haben Ihnen mehrere Termine angeboten. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Wenn Sie sagen, das sei nicht Usus, dann erinnere ich Sie etwa an einen Initiativantrag betreffend Preisgesetz, der von den Klubvorsitzenden Dr. Kostelka und Dr. Khol am 24. März 1999 eingebracht wurde. Schnell musste es gehen! (Abg. Dr. Keppelmüller: Hier geht’s um die Hausapotheken!) Die Dringlichkeit wurde begründet, und man bat die Opposition – damals war auch die FPÖ in Opposition –, Einsicht zu haben wegen der Rechtssicherheit, die man schnell brauchte. (Abg. Dr. Kostelka: Und mitgestimmt habt ihr! Das war ein einstimmiger Beschluss!)

Klubobmann Stadler ist diesem Ihrem Wunsch beigetreten, Herr Kostelka. (Abg. Dr. Kostelka: Nicht schnell genug konnte es euch gehen!) Aber geschehen ist es gegen den Willen zweier Oppositionsparteien, der Grünen und der Liberalen, die es damals auch noch gab. Gegen deren Willen haben Sie damals ein hohes Tempo vorgelegt.

Das möchte ich Ihnen vorlesen: Sie brachten den Antrag am 24. März 1999 ein. Am selben Tag, am 24. März 1999, war er schon auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses. Am 25. März, also am nächsten Tag, fanden dann die zweite und dritte Lesung statt. Noch am selben Tag wurde der Gesetzesvorschlag in zweiter Lesung angenommen, und ebenfalls am selben Tag wurde er in dritter Lesung angenommen. (Abg. Dr. Kostelka: Und alles einstimmig!) Am selben Tag wurde dann auch der Bundesrat eingeschaltet (Abg. Ing. Westenthaler: In zwei Tagen habt ihr es durchgepeitscht!), und am 26. März – also waren es insgesamt zwei Tage für ein Gesetz – erhob der Bundesrat dagegen keinen Einspruch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erinnere Sie daran, und das war kein Einzelfall. Sie hatten bereits beim Arbeitslosenversicherungsgesetz sehr schnell gehandelt. Dieses wurde am 25. März 1998 eingebracht, im Ausschuss war es noch am selben Tag. Am 26. März erfolgte die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales. Am selben Tag, wiederum dem 26. März: zweite und dritte Lesung. 27. März: Bundesrat. Ebenfalls 27. März: Dem Antrag an den Bundesrat, keinen Einspruch zu erheben, wurde stattgegeben. – Also wiederum: zwei Tage für ein Gesetz.

Sie brauchen es uns daher nicht vorzuwerfen, wenn wir innerhalb von zehn Tagen einen Rechtszustand herstellen müssen, der dafür sorgt, dass die Patienten Gewissheit darüber haben, wer wann wie viel an Ambulanzgebühr zahlen muss. Der Behandlungsbeitrag als solcher ist ja unumstritten.

Wir haben diese Gelegenheit auch genützt, um kleine Adaptierungen vorzunehmen. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Da nun ein Monat an Praxis vorliegt und von mehreren Stellen gewisse Administrierungsschwierigkeiten bekannt geworden sind, haben wir gesagt: Ändern wir das bei dieser Gelegenheit! Es wäre doch nicht sinnvoll, jetzt denselben Antrag noch einmal einzubringen, wenn wir bereits kleine, leichte Adaptierungen machen können. (Abg. Dr. Kostelka: "Leichte Adaptierungen"?) Leichte Adaptierungen, und zwar Verbesserungen! (Abg. Dr. Kostelka: Inhaltlich völlig neu gestaltet! Damit noch mehr Leute zahlen! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Professor Grünewald! Es ist ja so, dass die Ärzteschaft, Ihre Standesvertretung und auch meine – als Zwangsmitglied bin ich ebenfalls dabei –, die Ärztekammer, voll hinter diesem neuen Antrag steht. (Abg. Mag. Prammer: Eh klar!) Auch alle Landesräte, die bisher noch kritisch waren, stehen voll hinter diesem Antrag. Es gibt also niemanden mehr, der sich dagegen stellt – außer einem, da muss ich mich selbst berichtigen.

Es gibt schon noch jemanden, der nicht hinter dem neuen Antrag steht, und das ist der Hauptverbandspräsident Sallmutter. (Abg. Dr. Kostelka: Eine Kunstfehler-Gesetzgebung!) Er warnt ausdrücklich vor dem Versuch, die Ambulanzgebühr innerhalb der nächsten Wochen zu reparieren. – Das ist die Denkweise des Herrn Sallmutter. Damit hat er sich selbst entlarvt. Gegen besseres Wissen will er nicht, dass diese Regierung schnell etwas repariert und verbessert, was


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unbedingt notwendig ist und was Rechtssicherheit schafft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Sie argumentieren genau so, wie das Gesetz ist!)

Diese Rechtssicherheit hat damals beim Arbeitslosenversicherungsgesetz, das in zwei Tagen durchgepeitscht wurde, Frau Abgeordnete Hagenhofer als Begründung angeführt. Das alles geschieht, damit Rechtssicherheit gegeben ist, hat sie damals gesagt. – Völlig richtig, auch Klubobmann Stadler ist dem damals beigetreten, und die Rechtssicherheit ist eingetreten.

Wenn Sie aber heute der Fristsetzung Ihre Zustimmung verweigern, dann verstehe ich nicht, worauf Sie hinauswollen. (Abg. Silhavy: Es gibt keine Rechtssicherheit!) Ich verstehe das einfach nicht. Sie wollen, glaube ich, eine sinnvolle Lenkungsmaßnahme in toto verhindern, oder Sie wollen wirklich nur keine konstruktive Mitarbeit in diesem Hohen Haus ermöglichen. Sie wollen Fundamentalopposition betreiben und einfach gegen alles sein, was sinnvoll ist, ganz gleich, ob Sie es geprüft haben oder nicht.

Dass jetzt zum Beispiel auch die Kinder ausgenommen sind, ist eine sehr gute Sache und wirklich eine Verbesserung. Auch in der Administrierbarkeit haben wir viele Erleichterungen geschaffen. Was besonders wichtig ist: Nicht das Krankenhaus muss feststellen, ob jemand den Beitrag zu zahlen hat, sondern der Versicherungsträger, die Krankenkassen. All das sind wesentliche Verbesserungen.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie nicht weiterhin Fundamentalopposition machen wollen, dann stimmen Sie diesem Fristsetzungsantrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Sie sind ja ein "Fundi", der sich der Realität verweigert!)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der nun folgenden Debatte erhält zunächst Herr Abgeordneter Lackner das Wort. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

15.56

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! "Speed kills" – obwohl vom "einfachen Parteimitglied" offiziell zu Grabe getragen – lässt bei dieser heutigen Fristsetzungsdebatte grüßen. Herr Dr. Pumberger, hören Sie nun gut zu!

Im sogenannten Husch-Pfusch-Verfahren – und das nicht durch Arbeitsverweigerung der Opposition oder der Sozialdemokratie – wird dieses parlamentarische Verfahren durchgeboxt. Für dieses Verfahren gibt sich die sozialdemokratische Parlamentsfraktion nicht her, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wollen dieses parlamentarische Verfahren auch unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit, ohne Begutachtung und ohne Beiziehung von Expertinnen und Experten im Parlament durchziehen. Für diese unsoziale, unüberlegte Maßnahme, die Ambulanz-Strafsteuer, die zum Schaden der Bevölkerung in diesem Lande im Eilzugstempo beschlossen werden soll, geben wir uns sicherlich nicht her! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Meine Damen und Herren! Es gibt zehn elementare Gründe für ein eindeutiges Nein der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion zu dieser unsozialen Ambulanz-Strafsteuer und zu dieser Fristsetzung, die das mangelnde beziehungsweise nicht vorhandene Demokratieverständnis dieser Koalition und Bundesregierung widerspiegelt.

Meine Damen und Herren! Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs liegt den Österreicherinnen und Österreichern noch nicht einmal vor, und schon wird diese Gesetzesmaterie in "bewährter" Husch-Pfusch-Manier durchs Parlament geschleust. Die Ambulanz-Strafgebühr-Neu wurde materiell gegenüber dem alten Gesetz maßgeblich verändert. Trotzdem gibt es keine ordentliche Ausschussarbeit und keine Beratung unter Beiziehung von Expertinnen und Experten. Es gibt auch kein Begutachtungsverfahren.

Diese Ambulanzgebühr-Neu enthält wesentliche Verschärfungen für Arbeiterinnen und Arbeiter sowie für PensionistInnen. Sie allein müssen 1 Milliarde Schilling von dieser Kranken-Strafsteuer


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aufbringen. Von dieser Ambulanz-Strafgebühr-Neu werden Bauern, Selbständige und Beamte ausgenommen. (Abg. Schwarzenberger: Weil wir den Beitrag schon leisten! Wir müssen jetzt schon 20 Prozent zahlen!) Die Regierung argumentiert für die Ambulanz-Strafgebühr-Neu mit einem Lenkungseffekt, meine Damen und Herren. Der Zweck dieser Ambulanz-Strafsteuer ist jedoch ein anderer: Es ist, wie gesagt, eine Ambulanz-Strafsteuer. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Sündenbock-Politik wird fortgeführt. Die blau-schwarze Bundesregierung schiebt die Verantwortung in üblicher Manier an die Sozialversicherung ab. Ich frage mich: Haben Sie mit den Sozialversicherungsträgern und dem Hauptverband in dieser Angelegenheit überhaupt schon gesprochen?

Mit dieser Ambulanzgebühr-Neu wird in "bewährter" Art von dieser Regierung ein großes Bürokratie-Monster geschaffen, und das finanzielle Aushungern der Sozialversicherung wird durch diese Bundesregierung fortgesetzt. Der den Sozialversicherungen zuerkannte Kostenersatz deckt nicht einmal die Portokosten für diese Maßnahmen ab, meine Damen und Herren! Mit dieser Ambulanz-Strafsteuer-Neu wird in der bekannten Art über die Interessen von 5,5 Millionen ÖsterreicherInnen hinweggefahren.

Meine Damen und Herren! Zusammengefasst kann gesagt werden: Diese Bundesregierung verhindert eine ordentliche Begutachtung und eine Ausschussberatung unter Beiziehung von Expertinnen und Experten. Diese aufdiktierte Vorgangsweise lehnen wir auf das Entschiedenste ab! Daher werden wir dieser Fristsetzung nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun noch ein paar Worte zur FPÖ: Gesprochen und schon wieder gebrochen! – Meine Damen und Herren, so ist wohl Ihre gestrige Resolution im Bundesparteivorstand oder Bundesvorstand zu interpretieren. Ich darf sie Ihnen auszugsweise in Erinnerung bringen: Ziel der FPÖ-Regierungspolitik ist es, im Dialog mit den Bürgern, insbesondere den sozial Schwächeren und den Einkommensbeziehern, Stütze und Hilfe zu sein.

Meine Damen und Herren! Die Vorgangsweise, die Sie bei dieser Fristsetzung wählen, hat mit Dialog wenig gemeinsam. Das ist ein Diktat und ein Drüberfahren über jene Menschen, von denen Sie vorgeben, sie mit dieser Resolution schützen zu wollen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

16.02


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Abgeordneter Dr. Günther Leiner
(ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lackner hat jetzt die zehn Gebote der Irreführung vorgetragen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist kein Wunder, dass unter der Bevölkerung eine derartige Rechtsunsicherheit durch Ihre Handlungen zustande gekommen ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), durch den Blödsinn, den ihr in die Bevölkerung hinaustragt. (Widerspruch bei der SPÖ.) Es ist unverantwortlich (Abg. Dr. Kostelka: Von Ihnen!), die Armen, die Schwachen und vor allem die Kranken so zu informieren (Zwischenruf des Abg. Edlinger ), wie es einfach nicht richtig ist! (Abg. Silhavy: Unverantwortlich ist Ihre Politik, Herr Kollege Leiner!)

Wir wissen ganz genau, dass diese Ambulanzgebühr kein Finanzierungselement ist, sondern ein Lenkungselement sein sollte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist ja keiner von denen mehr da, die damals, schon vor zehn Jahren, mit mir über die Ambulanzgebühren verhandelt haben. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Ihr wart dafür! Herr Rieder und viele andere haben appelliert und sogar 300 S einbringen wollen. Wir sind jetzt bei 250 S und 150 S, aber nicht 300 S! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Die nächste Rednerin, Frau Dr. Povysil, ist eine bekannt ruhige Rednerin, Herr Dr. Grünewald ist das auch, und diesen Diskussionsbeitrag werden wir ebenfalls in Ruhe über die Bühne bringen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (fortsetzend): Herr Präsident! Ich werde mich etwas ruhiger verhalten. Aber es erregt mich deshalb so, weil die Menschen hier – ich bin ja unmittelbar Beteiligter, ich weiß ganz genau, wie es ist! (Abg. Schwemlein  – mit Daumen und Zeigefinger die Geste des Geldzählens vorzeigend –: Ja! – Abg. Dr. Kostelka: Finanzielle Beteiligung!) Hier geht es nicht um die Finanzen. Sie wissen ganz genau, ich habe mein Gehalt – ob ich viele Ambulante habe oder nur wenige, ist völlig Wurscht. (Abg. Leikam: Das stimmt ausnahmsweise!) Ich bin in dieser Weise nirgends eingebunden. Aber die Ambulanzgebühr einzuführen, war einfach eine Notwendigkeit, um die Patienten hinaus in die Peripherie zu bringen.

In einem Punkt gebe ich Ihnen allerdings Recht: Wir müssen draußen die Infrastruktur entsprechend aufbauen. Hier möchte ich auch die sozialistischen Landesräte bitten, dabei mitzutun, statt in den Ländern Opposition zu üben und die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung zu stellen, die nötig sind, um die sozialen Dienste aufzubauen und um auch in Verbindung mit der Ärztekammer, mit dem Land und mit den Sozialversicherungen die entsprechenden Voraussetzungen zu bieten, damit die Patienten auch dort fachgerechte, qualitativ hochwertige Therapie und Versorgung bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist dies eine gesellschaftspolitische Entscheidung und eine gesellschaftspolitische Erregung, die sich bei Ihnen breit macht. (Ruf bei der SPÖ: Nein, da geht es ums Kassieren! – Abg. Grabner: Der Haider sieht es anders!) Wir wissen ganz genau, dass es unbedingt notwendig ist, eine entsprechende Grundlage zu bieten, und zwar einerseits für den ländlichen Raum. Herr Edlinger hat immer wieder von der Zwei-Klassen-Medizin gesprochen. – 30 Jahre sozialistischer Gesundheitspolitik haben bereits die Zwei-Klassen-Medizin bewirkt! (Abg. Grabner: Die ÖVP ...!) Denken Sie einmal daran, dass im städtischen Raum ein Arzt für 330 Patienten da ist, im ländlichen Raum aber für 850. Es fehlt also hinten und vorne (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), das muss man einmal so sehen. (Abg. Edlinger: Das sind Ihre Landeshauptleute!)

Nein, es sind gesetzliche Voraussetzungen, die wir jetzt bieten wollen. Wir möchten, dass die Patienten im ländlichen Raum genau die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben wie jene, die im städtischen Bereich leben. (Abg. Mag. Wurm: Aber einen Kassenvertrag ...!) Deshalb bauen wir Gruppenpraxen auf, deshalb möchten wir Tageskliniken ermöglichen. Sie haben es verhindert, Sie haben ja das Gruppenpraxengesetz bis jetzt verhindert – auch darüber habe ich mit Ihnen schon zehn Jahre lang verhandelt. Aber nichts ist dabei herausgekommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, mit Ihnen, mit der sozialistischen Fraktion. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt sind wir endlich dabei, und die jetzige Regierung ist imstande, entsprechende Gleichheit statt einer Zwei-Klassen-Medizin zu ermöglichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das, was jetzt gemacht wird, zwar für manche Menschen nicht einzusehen ist – und manche Menschen müssen zum Glück angehalten werden (ironische Heiterkeit bei der SPÖ)  –, es ist aber eine unbedingte Notwendigkeit. (Abg. Dr. Kostelka: Die Mehrheit ist das Prinzip einer Demokratie? – Abg. Mag. Wurm: Freiheit ...!) Dadurch wird eine qualitativ bessere und wesentlich humanere medizinische Versorgung vor Ort ermöglicht. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Kostelka: Eine Ärztelobby!)

16.07

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Reform heißt einmal Veränderung – kein Nachteil ohne Vorteil! (Abg. Öllinger: So einfach ist das!) Die Aufhebung dieses Behandlungsbeitrags durch den Verfassungsgerichtshof ist eine Chance zur Verbesserung. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre kooperative Mitarbeit bei dieser Verbesserungsmöglichkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das ist ein Pfusch! – Ruf bei der SPÖ: Husch-Pfusch!)

Sie kennen die Neuerungen. Sie wissen, dass nun die Ausnahmeregulationen adaptiert werden und dass mitversicherte Kinder jetzt ausgenommen sind. Wo ist da der "Pfusch"? Wollen Sie


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sagen, dass die Ausnahme der mitversicherten Kinder ein sozialer "Pfusch" ist, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie? (Abg. Grabner: Haider hat es gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)  – Das wird doch wohl nicht Ihre Sicht der Dinge sein! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gekoppelt sind diese Ausnahmeregelungen nun an den Mutter-Kind-Pass – auch das ist eine rein positive Maßnahme. Die Säuglingssterblichkeit ist bei uns ganz niedrig, der Schutz der Mutter bei der Geburt ist bei uns besonders wichtig. (Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Nun ist diese Ausnahmeregelung an den Mutter-Kind-Pass – den wir immer wollten und den auch Sie wollten – gekoppelt. Wo ist das negativ? Wo ist das unsozial? – Ich verstehe Sie nicht. Sie haben keine Argumente! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Administration wird gestrafft. Das Spital meldet die Patientendaten, und sie werden nun von der Krankenversicherung administriert. (Abg. Grabner: Der Haider hat was anderes gesagt!) Das heißt, der Sinn der Ambulanzgebühr ist, zu lenken: den Patienten weg vom Spital hin zum niedergelassenen Arzt. (Abg. Mag. Wurm: ... Freiheit? – Abg. Dr. Cap hält eine Ausgabe der "Kronen-Zeitung" mit der Schlagzeile "Haider attackiert die eigene Partei" in die Höhe.)

Da haben jetzt die Kassen einen ganz besonderen Auftrag, Herr Abgeordneter Dr. Cap (Abg. Dr. Kostelka: ... Ambulatorien!), dessen bin ich mir bewusst. Der Patient zahlt im Spital eine Ambulanzgebühr, der Patient zahlt beim niedergelassenen Arzt eine Krankenscheingebühr. Aber wo zahlt er nichts, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie? – In den Ambulanzen der Sozialversicherungsanstalten! (Abg. Dr. Cap  – weiterhin die "Kronen-Zeitung" in die Höhe haltend –: Mehr Herz! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Diese sind nun ganz besonders in die Pflicht genommen. (Abg. Silhavy: Und die Privatambulanzen?) Sie müssen sich jetzt nämlich am Ausbau des niedergelassenen Bereichs finanziell beteiligen, und sie sind nicht mehr gegen Gruppenpraxen. Sie können sich nicht mehr dagegenstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sind jetzt gefordert, ein Zeichen zu setzen und endlich einmal den Ärzten in den Gruppenpraxen Verträge zu geben, sodass der niedergelassene Bereich gestärkt werden kann, denn nur dann kann die Ambulanzgebühr – von der ja die Sozialversicherungsanstalten ausgenommen sind – auch wirklich wirken. (Abgeordnete der SPÖ halten neuerlich eine Ausgabe der "Kronen-Zeitung" mit der Schlagzeile "Haider attackiert die eigene Partei" in die Höhe.) Das heißt, der Hauptverband ist aufgefordert, die eigenen Vertragsärzte zu stärken, damit der beabsichtige Lenkungseffekt, der Sinn macht, auch wirklich eintritt.

Meine Damen und Herren! Es wird im Gesundheitssystem durch die Einhebung dieser Ambulanzgebühr schätzungsweise 1 Milliarde Schilling frei, die für den Ausbau der niedergelassenen Strukturen zur Verfügung steht. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Unsere Ideologie lautet: Wir sind gegen die Verstaatlichung des Gesundheitssystems! (Abg. Dr. Cap  – auf die "Kronen-Zeitung" mit der Schlagzeile "Haider attackiert die eigene Partei" weisend –: Aber was sagt er? Wofür ist er? ) England ist damit gescheitert, Schweden ist damit gescheitert. (Abg. Mag. Wurm: Was sagt er? ) Wir sind für ein sinnvolles Miteinander von öffentlichem und privatem Angebot, von ambulant und stationär. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Leikam: Und wo ist das Herz?)

Meine Damen und Herren! Unser Weg ist die Reform. (Abg. Dr. Cap: Ja, aber wo ist das Herz?) So ist es halt! Ich weiß, dieser Weg ist nicht leicht (Abg. Dr. Cap: Wo das Herz ist, will ich wissen!), aber er ist im Sinne unserer Patienten notwendig. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )

Und bei aller Gegenargumentation, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Sie können uns nicht aufhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Dr. Cap  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Grü


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newald –: Sagen Sie, wo das Herz ist? – Abg. Neudeck: Der ist Arzt, der weiß, wo das Herz ist! – Zwischenruf des Abg. Böhacker.  – Abg. Mag. Wurm: "Das Herz schlägt links"!)

16.12

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! (Abg. Grabner: Wo ist der Gaugg?) Ich möchte Ihnen jetzt in aller Ruhe meine Argumente darlegen, und ich möchte auch nicht polemisieren, wenn ich an Ihren Verstand appelliere. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Pumberger hat aus seinem parlamentarischen Kalender vorgelesen und dann gemeint, es würden nun viele Erleichterungen eintreten. Erlauben Sie mir die schüchterne Frage: Welche Erleichterung tritt ein, wenn der Kreis der Betroffenen von ursprünglich 10 Prozent um den Faktor 5 angehoben wird und nunmehr eine Milliarde Schilling von den Patientinnen und Patienten erwartet wird? Welche Erleichterung ist das? Ist es die Erleichterung der Ärzte, die jetzt weniger Verwaltung zu bewältigen haben? Reduziert sich das, was Sie dazu sagen, auf standespolitische Motive?

Ich zitiere aus einem Brief, den man nicht schreiben sollte, einen Brief von Waneck an alle Ärztinnen und Ärzte Österreichs. Vielleicht hat er ja geglaubt, ich bin auf dieser Verteilerliste nicht drauf. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Was steht darin? – Die Einführung des Behandlungsbeitrages war durch wenig Sachkenntnis, aber durch viel Polemik und destruktive Kritik gekennzeichnet. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wen hat er da gemeint?)  – Ich frage mich: Hätte er diesen Brief nicht der Bundesregierung schreiben sollen? Es ist wirklich wenig Sachkenntnis vorhanden gewesen! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen hat errechnet, dass nur 10 Prozent der Fälle gebühren- oder krankensteuerpflichtig geworden wären. Aber auch 10 Prozent sind zuviel, wenn diese 10 Prozent nicht auf gerechte Art bestimmt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Gebühren aus formalen Gründen aufgehoben, aber vergessen Sie nicht: Er hat kein Wort über etwaige inhaltliche Gründe verloren. Ich bräuchte jetzt allein eine halbe Stunde, um Ihnen diesen Unsinn im Rahmen der inhaltlichen Gründe darzulegen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. )

Wie können Sie jetzt glauben, das nach Monaten des Versagens und einer wirklich chaotischen Diskussion über die Definition von Notfällen und Ausnahmeregelungen mit einer Stunde Ausschusssitzung binnen drei Tagen beschlussfertig zu machen?

Wie können Sie das, wenn Sie den Verwaltungsaufwand auf 6,5 Prozent der Einnahmen deckeln? 6,5 Prozent von 150 S wären zirka 9 S. Eine Briefmarke kostet – bitte um Entschuldigung, dass ich Ihnen das erklären muss – 7 S, ein Kuvert und das Papier kosten vielleicht auch noch etwas. Die gesamte EDV wird wieder umgestellt werden müssen, weil sie jetzt natürlich nicht mehr gilt. Es braucht dann noch Sachbearbeiter, es kostet Mahnungen und Reklamationen, vielleicht sogar Bescheide der Landesregierung. – Das alles um 9 S?

Ich frage mich: Wo bleibt hier die Vernunft? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir verlangen nichts anderes – da flehe ich Sie jetzt wirklich an! –, wir hätten uns nichts anderes erwartet als die Möglichkeit, gemeinsam mit Ihnen darüber nachzudenken, gemeinsam zu überlegen und eine faire Diskussion zu führen.

Sie wünschen Finalisierung. Was aber heißt Finalisierung? – Finalisierung heißt dem Ende zugehen. Und es geht tatsächlich dem Ende zu! Sie haben Angst vor einem Gesichtsverlust. Aber wer verliert wirklich etwas? – Patientinnen und Patienten verlieren etwas, und das Parlament verliert die Glaubwürdigkeit, wenn man glaubt, ein halbes Jahr Chaos in wenigen Stunden korrigieren und zu etwas machen zu können, was Sie die Erleuchtung im Gesundheitssystem nennen. Sie nennen das auch noch einen "Meilenstein". Herr Pumberger, zeigen Sie mir einen leuchtenden Meilenstein, und ich glaube Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Nochmals zur Finalisierung, zur Finalisierung als Endbegriff: Es ist wirklich das Ende, das Ende einer seriösen Diskussion. Es ist das Ende einer Kooperation der Vernünftigen aus allen Lagern. Wir aber machen uns nicht zu Statisten, wir lassen uns von Ihnen nicht zu Statisten machen (Ruf bei den Freiheitlichen: Arbeitsverweigerung!), zu Statisten einer Kulissenschieberei, hinter der noch viel zu sehen und zu finden wäre, aber auch nicht zu Statisten einer Eile, die letztlich nichts ist als irrationales Allmachtstreben. Wir lassen uns auch nicht zu Feigenblättern einer Pseudodemokratie machen. Sie wollen etwas durchpeitschen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch etwas: Wenn Sie glauben, ein Gesetz, das alle befriedigen soll, in einer Stunde Beratungen durchziehen zu können, sage ich Ihnen: Wir werden da nicht mitmachen, wir werden vorher aufhören, wenn Sie schon das Motto predigen: Ehe der Hahn dreimal kräht, ist alles zu erledigen! Wir warten etwas länger und sind seriöser. (Abg. Dr. Leiner: ... nur zehn Jahre!)

Das heißt: In Achtung vor dem Parlament – ich sage das vor den Zuhörern und Zuschauern – werden wir uns dieser ich würde fast sagen griechischen Tragödie nicht hingeben und die Bühne, die Sie uns bereitet haben, nicht betreten.

Wir werden in Achtung vor dem Parlament dieser Abstimmung nicht beiwohnen und hoffen, dass Sie einmal Abstimmungen machen werden über Vorlagen, von denen man sagen kann: Es wurde darüber nachgedacht, es wurde nach dem Besten gesucht und das Beste gefunden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Debatte über den Fristsetzungsantrag. (Die Abgeordneten der Grünen verlassen geschlossen den Sitzungssaal.)

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich lasse über den Antrag des Abgeordneten Dr. Pumberger, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 412/A eine Frist bis 30. März 2001 zu setzen, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. (Heftige Buh-Rufe bei der SPÖ. – Alle Abgeordneten der SPÖ halten große Zettel mit der rot durchgestrichenen Aufschrift "Ambulanzgebühren" vor ihr Gesicht. – Rufe bei den Freiheitlichen: Schön! – Abg. Steibl: Schade um die schönen Gesichter! – Abg. Neudeck: Steht doch auf, dann sieht man euch besser!)  – Ich stelle fest, dass der Antrag mit Mehrheit angenommen wurde. (Abg. Schwarzenberger: Was ist denn das ...?!)

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme jetzt die Beratungen über die Budgetkapitel der Gruppe I wieder auf und bitte ... (Abg. Nürnberger: ... Haigermoser ...! – Abg. Edlinger: Wo ist denn der Gaugg? – Ruf bei der SPÖ: ... unsozial! – Anhaltende Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt wieder bei der Budgetdebatte!

Das Wort erhält Frau Abgeordnete Mag. Hartinger, die ihre Rede vor der Kurzdebatte begonnen hat und sie jetzt fortsetzen wird. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Martin Graf: Es war eine einstimmige Abstimmung, weil das war ein eindeutiges Zeichen! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Grabner und Dr. Martin Graf.  – Abg. Edlinger: Der Graf ist wirklich ein Intellektüller!)

Frau Abgeordnete Hartinger ist am Wort! – Bitte.

16.19

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche) (fortsetzend): Herr Präsident! Es ist mir schon klar, warum Sie vor der Unterbrechung versucht haben, zu boykottieren, dass ich mein


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Schlusswort sage – ich habe nämlich eine Aufforderung an Sie. Ich habe über das Budget des Hohen Hauses gesprochen und fordere Sie in diesem Zusammenhang auf, sich zu überlegen, in Abstimmung mit Ihren Präsidentenkollegen ein Controlling zur Überwachung des Budgets des Hohen Hauses zu erstellen.

Ein Controlling würde nämlich bewirken, dass das Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlicher Führung und Erweiterung des Aktionsradius von Nationalrat und Bundesrat verringert wird. Wir Abgeordneten und alle Mitarbeiter des Parlaments hätten dann endlich jene Arbeitsbedingungen, die wir brauchen, und das mit einem machbaren Budget.

Aber lassen Sie mich noch einen anderen Aspekt darstellen. Auch Abgeordnete müssen motiviert sein – wie motiviert sie sind, haben Sie gerade gesehen –, wobei ich Ihnen versichern kann, dass die Motivation gerade bei den Regierungsparteien ohnehin sehr groß ist – Herr Kollege Schwemlein lacht schon –, nämlich die Motivation, der Bevölkerung zu zeigen, dass daher unpopuläre Maßnahmen wie Sparen auf Grund jahrelanger Versäumnisse der sozialistischen Regierung notwendig wurden. (Abg. Schwemlein: Ist Ihnen lieber, ich schau’ böse?)  – Nein, aber wenn Sie über Ihre eigenen Versäumnisse lachen, bitte! Mich stimmt das traurig, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner. )

Uns ist es nämlich wichtig, eine ehrliche, transparente und auch für die nächste Generation faire Politik zu machen. Unser Finanzminister hat es geschafft, alle Lücken und Löcher zu füllen, die durch einen einige Jahrzehnte alten sozialistischen Kariesteufel entstanden sind.

Die Motivation der Abgeordneten ist eine Sache, wichtig ist aber auch die Motivation aller Parlamentsmitarbeiter. – Es ist sicher nicht leicht, bei so vielen langen und turbulenten Sitzungen immer engagiert und freundlich zu sein.

Ein Hohes Haus braucht ein Herz – und das sind die Mitarbeiter des Hauses! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Ich erteile ihr das Wort. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

16.21

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dieses Budget, mit dem wir uns heute in der Generaldebatte befassen, hat ein administratives Defizit von 11,4 Milliarden Schilling. Nach Maastricht-Kriterien ist es erheblich höher, nämlich 21,7 Milliarden Schilling. Die Einnahmen steigen um 1,9 Prozent, die Ausgaben sinken um 0,8 Prozent. – Soweit die Zahlen.

Aber wie kommt es zu diesen Zahlen? – Meine Damen und Herren, zu diesen Zahlen kommt man durch eine unsoziale, ungerechte und in vielen Bereichen menschenverachtende Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Da Sie das auch wissen, Herr Kollege Feurstein – jetzt schau ich Sie einmal an, weil Sie mir gerade so im Visier sitzen –, betreiben Sie eine Konfrontationspolitik. Da wird kein Konsens gesucht, da wird einfach drübergefahren. Das ist tatsächlich eine totale Wende in der politischen Kultur unseres Landes! (Abg. Dr. Feurstein: Ich werde Ihnen nachher antworten!)

Es gibt zum Beispiel einen Antrag, den die SPÖ im Kärntner Landtag einbringt und in dem es um die Abschaffung der unsozialen Unfallrentenbesteuerung geht. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen – einstimmig! –, also müssen auch die Damen und Herren Ihrer Couleur, Herr Kollege Feurstein, und jene der Freiheitlichen zugestimmt haben. Was hört man aber von Ihnen in diesem Hohen Haus? – Na ja, in einigen Fällen soll die Unfallversicherung den Rentnern mehr zahlen, damit der Finanzminister weiterhin von den Rentnern abkassieren kann.

Das ist Ihre Antwort darauf? – Das ist menschenverachtend, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Nulldefizit als Feigenblatt für den Kahlschlag des Sozialstaates – das ist Ihre Politik, die Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, zu verantworten haben werden. Nulldefizit als Feigenblatt dafür, dass Sie eine Klientelpolitik für Millionäre machen, aber sich bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wie Lohnsackelpiraten benehmen – das haben Sie, meine Damen und Herren von der blau-schwarzen Koalition, ganz alleine zu verantworten! (Beifall bei der SPÖ.)

Nulldefizit als Feigenblatt dafür, dass Sie den Mittelstand in Österreich in einem ungeheuerlichen Ausmaß schröpfen. (Abg. Dr. Cap: Schon wieder herzlos!) Präsident Verzetnitsch hat Ihnen heute bereits die diesbezügliche Wifo-Expertise vorgetragen. Sie nehmen Menschen die Möglichkeit, an der Wohlstandsentwicklung teilzuhaben, dafür blüht die Privilegien- und Günstlingswirtschaft in Ihrem Umfeld auf. Das haben Sie, das hat diese Regierung zu verantworten! (Abg. Dr. Cap: ... kein Herz!)

Da Sie all das selbst wissen, machen Sie eine Konfrontationspolitik. Die Debatte über die Ambulanzgebühren, die wir gerade zuvor erlebt haben, hat es der gesamten Öffentlichkeit vor Augen geführt!

Sie haben ein Husch-Pfusch-Gesetz gemacht, das Ihnen der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat. Sie haben ein Husch-Pfusch-Gesetz gemacht, das nicht nur von der gesetzlichen Qualität so schlecht war, dass es aufgehoben werden musste, sondern Sie haben damit ein Gesetz gegen die Menschen gemacht. Sie nehmen kranken Menschen Geld weg, Sie verstoßen gegen die Solidargemeinschaft, Sie spalten diese Gesellschaft ganz bewusst – und das haben Sie alleine zu verantworten! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Feurstein, finden Sie das nicht menschenverachtend, wenn man dann Anmerkungen hört wie: Die Nähte kann man sich ja beim Privatarzt ziehen lassen? Das war heute eine Antwort eines Freiheitlichen auf ein Beispiel. Finden Sie das nicht menschenverachtend? Und darüber gibt es dann noch ein Mordsgelächter! – Also ich finde das entsetzlich! Wenn das die neue Politik ist, dann muss man Angst haben, nicht nur vorm Kranksein, sondern überhaupt davor, in diesem Lande unter so einer Regierung zu leben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Binder: Ganz schlimm ist das!)

Herr Kollege Feurstein, wie schaut denn das aus? Kollege Gaugg hat sich überhaupt ganz aus dem Staub gemacht, der stellt sich ja nicht einmal mehr der Diskussion, der rennt gleich davon! Wie schaut denn das aus bei den Ambulanzgebühren? Haben Sie den Hauptverband überhaupt schon einmal gefragt? Haben Sie die Fragen, die dieser bei der letzten Ambulanzgebührenregelung an Sie gerichtet hat, schon einmal beantwortet? Es wird großartig auf den Hauptverband abgeschoben – der soll all das machen –, weil Sie dann mit Gesetzen drüberfahren wollen, von denen nicht einmal geklärt ist, wie sie vollzogen werden sollen.

Die Menschen sind nach wie vor verunsichert, weil sie nach wie vor nicht wissen, ob sie unter diese Regelung fallen oder nicht. Und klar ist auch, dass die Arbeitsunfälle zum Beispiel nicht mehr ausgenommen sind, Herr Kollege Feurstein! Angesichts all dessen stellt sich eine Ärztin da her und sagt allen Ernstes: Verbesserungen! – Wo sind Verbesserungen, wenn man Menschen, die jetzt keine Gebühren zahlen, weil der Verfassungsgerichtshof diese unsoziale Maßnahme aufgehoben hat, neuerlich Gebühren auferlegen will? Das ist menschenverachtend, das ist eine Politik, die man in Österreich bisher nicht kannte und nicht gewohnt war! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, meine Damen und Herren, dafür müssen Sie sich auch Kritik, und zwar heftige Kritik auch aus den eigenen Reihen gefallen lassen. Ein besonderer Höhepunkt ist dann, wenn ein Regierungsmitglied, nämlich die Frau Vizekanzlerin, feststellt, dass die eigene Arbeit ein "desaströses Chaos" verursacht. Ich muss Ihnen sagen: Da brauchen wir als Opposition eigentlich nicht mehr viel dazu sagen, wir können das nur bestätigen. Dieser Beurteilung Ihrer Arbeit, nämlich dass sie desaströs ist und Chaos verursacht, stimmen wir zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Da heute ein Vertreter der Volksanwaltschaft anwesend ist, möchte ich der Volksanwaltschaft meinen Dank für ihre Arbeit aussprechen. – Ich befürchte nur, dass Sie in Zukunft mit Arbeit


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überhäuft werden angesichts der Gesetzgebung der gegenwärtigen Regierung und auch der Koalitionsmehrheit hier in diesem Haus. Ich bedauere es für Sie, aber, wie gesagt, da die gegenwärtige Politik eine Konfrontationspolitik ist, Konsens nicht gesucht wird und Besserung zwar gelobt, aber nie tatsächlich durchgeführt wird, wird das leider auch nicht besser werden.

Wir von der Opposition brauchen eigentlich gar nicht dazu Stellung nehmen. Dazu gibt es ein Wirtschaftsmagazin namens "trend", dessen Beurteilung mehr als negativ für Sie ausfällt – ich zitiere –: "Natürlich müssen alle Österreicher Beiträge leisten, um das schwierige, aber sinnvolle Ziel eines ausgeglichenen Budgets zu erreichen." – Diese Rede wird Ihnen vielleicht bekannt sein. Sie werden es schon von vielen Seiten gehört haben, auch hier in diesem Haus. Was die Österreicher aber erschreckt, ist, dass es – ich zitiere – "immer ungerechter verteilt" wird. – Das ist die Politik, die Sie, meine Damen und Herren von Schwarz-Blau, zu verantworten haben!

Herr Kollege Khol hat heute vollmundig von Herz und Hirn gesprochen. Herz und Hirn, meine Damen und Herren, gab es in der Politik vor der Wende. Aber auch in dieser Hinsicht haben Sie die Wende wirklich total vollzogen.

Politik mit Herz und Hirn, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, wird Ihnen sicher niemand in dieser Republik unterstellen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap  – mit Hinweis auf nur wenige anwesende Abgeordnete von ÖVP und Freiheitlichen –: Blau-schwarzes Kuscheln ist anscheinend angesagt!)

16.28

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Sie sprechen von Konfrontation, Frau Abgeordnete Silhavy. Ich möchte jetzt nicht darüber urteilen, wer für die Konfrontation hier im Haus in den letzten Tagen und Wochen verantwortlich ist. (Abg. Silhavy:  ... Ambulanzgebühren!) Jedenfalls nehme ich Ihre Partei nicht davon aus. Die Konfrontationspolitik, die sie heraufbeschworen hat, ist dieses Hauses und der Politik in Österreich unwürdig. Lassen Sie sich das einmal sagen, Frau Abgeordnete Silhavy! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Ihre Politik fordert dazu ja heraus!)

Wir sind im Februar und März 2000 angetreten und haben Sie eingeladen, mit uns die wichtigen Reformmaßnahmen zu beraten und auszuarbeiten. Woher kam das Nein? – Von Ihrer Seite kam das Nein: Nein, wir sind nicht bereit, über Vorschläge der Regierung zu reden! – So wurde das beantwortet. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Jetzt erleben wir genau das Gleiche mit der Ambulanzgebühr. (Ruf bei der SPÖ: Reden heißt bei Ihnen diktieren!)  – Wir hören von Ihnen, Herr Abgeordneter Cap, nur ein Nein zur Ambulanzgebühr. Dabei gibt es viele in Ihren Reihen, die für die Ambulanzgebühr sind, weil sie sehen, dass sie notwendig ist. Sie ist notwendig als Lenkungsmaßnahme, so wie das Herr Abgeordneter Leiner gesagt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie ist notwendig als Lenkungsmaßnahme, denn es ist nicht möglich, dass man in Ambulanzen gratis versorgt wird. Wenn ich zum Hausarzt gehe, muss ich 50 S für den Krankenschein bezahlen. Das geht nicht, meine Damen und Herren! Das ist ungerecht. Das müssen auch Sie zugeben, Herr Abgeordneter Cap! So kann man nicht Gesundheitspolitik machen. Lassen Sie sich das einmal gesagt haben! (Abg. Dr. Cap: Herzlose Gesundheitspolitik!)

Wir sind angetreten, und ich habe und durfte zehn Jahre mitwirken: Wir haben eine Gesundheitspolitik ohne Zwei-Klassen-Medizin gemacht. Wir haben eine Gesundheitspolitik für alle gemacht, meine Damen und Herren! Distanzieren Sie sich nicht davon! Noch einmal: Der Vorschlag für eine Ambulanzgebühr kommt von Ihrer Seite genauso wie von unserer Seite. Es ist nicht richtig, wenn Sie sich davon distanzieren. (Abg. Dr. Cap: Sind Sie für eine herzlose


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Politik?) – Ich bin für eine gerechte Politik, die die soziale Sicherheit in Österreich gewährleistet, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Sie sagen nein, meine Damen und Herren, wenn wir sagen, Sparmaßnahmen sind notwendig. Ich habe bisher in keinem einzigen Punkt von Ihnen gehört, jawohl, diese oder jene Sparmaßnahme ist notwendig. Ich habe bisher heute in dieser Debatte keinen einzigen Vorschlag gehört, wie wir von den Schulden wegkommen, wie wir von der Neuverschuldung wegkommen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Herzlose Sparmaßnahmen! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Keinen einzigen Vorschlag! Ist das Politik, meine Damen und Herren, in Österreich, wenn man nur schreit? – Sie schreien heute schon wieder, Frau Abgeordnete Silhavy! Ich habe Ihnen gestern und vorgestern schon gesagt: Wer schreit, hat ein schlechtes Gewissen, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Die Österreicher wollen weg von der Verschuldung. Ich sage Ihnen das jetzt wieder. Meine Damen und Herren! Der junge Finanzminister Androsch ist angetreten, als die Österreicherinnen und Österreicher mit 7 000 S pro Kopf verschuldet waren. (Abg. Silhavy: Das glaubt Ihnen kein Mensch!) Heute sind wir bei 200 000 S Schulden – für die jungen Menschen in gleicher Weise wie für die älteren. Jedes Kind, das heute geboren wird, hat eine Schuldenlast in der Höhe von 200 000 S! Ist das zu verantworten? Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Ist das zu verantworten? – Ich sage: Nein. (Abg. Sophie Bauer: Herr Kollege Feurstein! Sie sind fast 14 Jahre in der Regierung ... !)

Wir sagen, meine Damen und Herren: Weg von den Schulden! Wir sagen: mehr für die Familie, und wollen ein Kindergeld einführen. Von Ihnen kommt nur: Nein! (Abg. Sophie Bauer: Belastung für die Familien!)  – Wenn wir sagen: 13 oder 14 oder 16 Milliarden Schilling mehr für die Familien, sagen Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, nein! Ist das Politik für die Familie? – Wir werden diesen Weg gehen. Wir werden für die Familien eintreten und dafür sorgen, dass die jungen Familien mehr Geld bekommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein letzter Punkt: Ich möchte nicht auf alles eingehen, aber, Herr Präsident Verzetnitsch, in einem Punkt argumentieren Sie falsch. Sie waren es, der noch vor zehn Monaten gefordert hat, dass die Ersatzzeiten durch entsprechende Beiträge abgedeckt werden müssen. Ich erinnere Sie an Ihr Papier. Wir überweisen jetzt aus der Arbeitslosenversicherung 15 Milliarden Schilling für Ersatzzeiten. Das ist genau der Betrag, den das Gutachten errechnet hat, das von Ministerin Hostasch in Auftrag gegeben wurde und das uns vorliegt. (Abg. Verzetnitsch: Das stimmt überhaupt nicht!)

Diese 15 Milliarden Schilling entsprechen genau den Ersatzzeiten für die Arbeitslosen. Das wird überwiesen. Das kritisieren Sie. Sehen Sie, wie wankelmütig Sie sind (Abg. Verzetnitsch: Überhaupt nicht! Überhaupt nicht!), wie Sie Ihre Meinung von einem Monat zum anderen ändern, von Mai 2000 bis heute?! Sie haben das damals gefordert. – Wir haben das jetzt gemacht. (Abg. Verzetnitsch: Was ist mit der Milliarde für die Sozialversicherung? Was ist mit der Milliarde?)

Ich bin auch der Meinung, dass die Kindererziehungszeiten besser abgegolten werden sollten, und wir haben einen Entschließungsantrag eingebracht, Herr Präsident Verzetnitsch, der besagt: Die zuständigen Minister werden beauftragt, die Ersatzzeiten für die Präsenzdiener zu überprüfen, zu prüfen, welche Leistungen dafür notwendig sind, damit sie als Beitragszeiten anerkannt werden. (Abg. Verzetnitsch: Das war schon im Vorjahr!)  – Das war vor ungefähr sechs Wochen. Damals wurde dieser Antrag von uns eingebracht (Abg. Verzetnitsch: Haben Sie ihn wiederholt?), und wir werden dazu einen Bericht bekommen.

Meine Damen und Herren! Ich schließe: Dieses Budget, das wir heute beschließen, ist eines, das die Vollbeschäftigung sichert. Wir werden im Jahre 2002 weniger Arbeitslose als heute haben. Es ist ein Budget, das die Inflation nicht anheizt, sondern senkt. Wir werden im Jahre 2002 eine niedrigere Inflationsrate haben als heute. Wir haben heute schon eine niedrige Inflationsrate.


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Das ist ein Budget, das das Wirtschaftswachstum gewährleistet und sichert. Meine Damen und Herren! Das Wirtschaftswachstum ist die Grundlage dafür, dass wir einen korrekten, geregelten Budgetvollzug haben. In diesem Sinne meine ich, dass es ein gutes Budget ist, ein Budget, zu dem wir stehen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. Er hat das Wort.

16.35

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Nur Dumme verharren in Fehlern, die ihnen einmal bei ihrer Arbeit passiert sind. (Abg. Dr. Cap: Das ist wahr! – Abg. Amon: Ist das eine SPÖ-Bilanz?) – Sie müssen mich ausreden lassen, Herr Amon! – Soweit die durchaus vernünftige Betrachtungsweise des Herrn Sozialministers, aus Fehlern die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dagegen ist sicherlich nichts einzuwenden.

Meine Damen und Herren! Diese Aussage im "Format" dieser Woche war wohl allerdings noch druckfrisch, als schon der neue Sündenfall, sprich die Ambulanzgebühr neu, folgte. Selbst ich, Herr Kollege Feurstein, habe nicht geglaubt, wie schnell der Herr Sozialminister seinen durchaus guten Vorsätzen untreu wird. Selbst ich habe das nicht geglaubt.

Er ist wirklich der Prototyp einer Politik von "Speed kills". Und er hat es geschafft, Herr Kollege Feurstein, was vor ihm noch kein Minister geschafft hat, nämlich in der Angelegenheit Ambulanzgebühr neu innerhalb weniger Stunden die österreichische Bevölkerung kollektiv zu verwirren. Das ist in der Tat Oscar-verdächtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber nun zu den Fakten, meine Damen und Herren! Noch unsozialer, noch unüberlegter, noch mehr Husch-Pfusch im Sinne der Erfinder der Speed-kills-Politik ist diese Ambulanzgebühr neu. Sie trifft in voller Härte Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Pensionistinnen und Pensionisten. Sie allein, Herr Dr. Feurstein, müssen eine Milliarde Schilling für diese Krankenstrafsteuer aufbringen. Bauern, Selbständige und Beamte werden von dieser Krankenstrafsteuer verschont. Herr Kollege Feurstein! Sie zahlen keine Ambulanzgebühr neu, ob Sie das wahrhaben wollen oder nicht. Sie zahlen keine Krankenstrafsteuer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Feurstein: Ist es gerecht, dass ich beim Hausarzt 50 S zahlen muss und in der Ambulanz null? Geben Sie mir eine Antwort! Ist das gerecht? – Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz. )  – Aber sie zahlen keine Ambulanzgebühr. Sie haben das Gesetz nicht gelesen, Herr Staatssekretär! Sie müssen wenigstens das eigene Gesetz einmal lesen. Das wäre angebracht. Das haben Sie offensichtlich nicht getan, sonst könnten Sie das jetzt nicht behaupten. (Beifall bei der SPÖ.)

All das, meine Damen und Herren, wird vom Klubobmann der ÖVP als Reform zum Wohle der Menschen in diesem Lande bezeichnet. Das, meine Damen und Herren, ist Zynismus pur! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch stundenlang über die verpfuschte Ambulanzgebühr neu diskutieren beziehungsweise Fakten vorbringen. In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit will ich mich nur noch darauf beschränken, zu sagen, dass diese Ambulanzgebühr, wie bereits erwähnt, unsozial ist. Sie hat – das ist auch erwiesen – wider besseres Wissen keine Lenkungswirkung und wird daher von uns auf das Entschiedenste abgelehnt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Haider würde sagen: Keine Schwachsinn-Propaganda mehr! – Abg. Dr. Povysil  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Schön, dass Sie unseren ehemaligen Parteichef zitieren!)

16.39

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Ich muss jetzt völlig das Thema wechseln. Leider ist es uns nicht möglich, in sinnvollen Gruppierungen zu reden – einmal über die Kultur,


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63. Sitzung / Seite 115

einmal über die Obersten Organe –, sodass das durcheinander geht. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Ich habe meine Rede noch gar nicht richtig begonnen: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Thema Kunst. Warum ist die neue Regierung das Beste, was den Herren im Kulturbetrieb passieren konnte? (Abg. Dr. Kostelka: Den Damen nicht?) – Nein, das ist absichtlich.

Ich zitiere einen Leserbrief, und dieser war genau so gehalten: Endlich gibt es einen Gegner, der was hergibt, und endlich sind Sie wieder Experten in Sachen Freiheit. Endlich können Sie wieder fest in einer Reihe stehen und jegliche Kritik an selbiger als Angriff auf die Kunst schlechthin qualifizieren. Endlich gibt es wieder Medienpräsenz für die Herren Wichtig und Co. Und endlich kann durchgezogen werden, was bisher so leicht nicht gegangen ist, weil es blöd ausschauen hätte können – undemokratisch oder frauenfeindlich zum Beispiel. Jetzt gibt es die Blauen in der Regierung, und die sind verantwortlich.

Meine Damen und Herren! Ja, wir sind verantwortlich, wir sind gemeinsam mit unserem Koalitionspartner verantwortlich für 14 Monate Regierungsarbeit. (Abg. Dr. Cap: Was halten Sie von den Schwarzen?) Wir sind verantwortlich für eine europaweit vorbildliche Regelung zum Schutz des Kulturgutes Buch. Wir sind verantwortlich für das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz, das gerade den nicht etablierten und einkommenschwachen Künstlern hilft. (Abg. Dr. Wittmann: Sehr erfolgreich! Sehr erfolgreich!)  – Haben Sie erreicht, dass sie 1 000 S Pensionszuschuss bekommen? Haben Sie es erreicht, oder haben wir es erreicht? – Sie haben es überhaupt nicht erreicht. Wir haben einen ersten Schritt gesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hören Sie doch auf, alles madig zu machen! Machen Sie, Frau Dr. Glawischnig von den Grünen, doch einmal irgendetwas selbst. Nichts ist bis jetzt von Ihnen gekommen. (Abg. Dr. Glawischnig: Ich habe einen schönen Initiativantrag ... eingebracht!)

Wir sind verantwortlich für die Stärkung des Galeriemarktes. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Museen jetzt Gelder bereitgestellt bekommen, sodass sie selbst Bilder ankaufen können und dadurch den Galeriemarkt stärken.

Wir sind verantwortlich für die steuerliche Erleichterung für Kunstschaffende. Wer ist es? – Wir oder Sie? (Abg. Dr. Cap: Was sagt der Wähler?) Wir sind verantwortlich für die Erhöhung und für die Direktvergabe von Stipendien und von Preisen. Ist all das nichts? (Abg. Dietachmayr: Studiengebühren!)

Wir stehen einfach zu einem Paradigmen-Wechsel (Abg. Dr. Kostelka: Für Ambulanzgebühren!) in der Kunst. Wir sagen nicht, die Abhängigkeit des Künstlers von der Willkür des Geldgebers soll im Vordergrund stehen, sondern was wollen wir? – Wir wollen denkbar günstige Rahmenbedingungen für ein kreatives Schaffen und für ein kreatives Werk schaffen. Wir wollen aber daneben auch die soziale Absicherung der Künstler. (Abg. Dr. Cap: Und der Wähler? Was sagt der Wähler?) Was ist da schlecht? Sagen Sie mir etwas dagegen! Sagen Sie mir ein stichhaltiges Argument! (Abg. Mag. Mainoni: Haben sie keines!)

3 Milliarden wird es 2001 und 2002 für Kunst und Bundestheater geben. Die Kunstsektion bekommt 14 Millionen mehr als 2000. Damit positioniert sich Österreich – vergleichen Sie es mit anderen Ländern – ganz eindeutig im Kreis der führenden Kulturländer Europas. (Abg. Dr. Wittmann: Vergleichen Sie es mit 1999!) – Es gibt nicht weniger als in vergleichbaren Ländern. Wir haben ein gutes Budget!

Vor 14 Monaten hat es noch geheißen, meine Damen und Herren, die Kunst der Stunde ist entweder Boykott oder Widerstand. Boykott und Widerstand allein sind einmal keine Kunst – Tatsache, aber keine Kunst. Jetzt frage ich Sie: Was ist passiert? Sind Künstler ausgewandert? (Abg. Dr. Cap: Herzlos!)


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63. Sitzung / Seite 116

Herr Dr. Cap! Sind Künstler ausgewandert? (Abg. Dr. Wittmann: Sie sind gerade dabei!)  – Nein. Haben Theater zugesperrt? – Nein. Sind internationale Produktionen ausgeblieben? – Nein. (Abg. Dr. Cap: Herzlose Kürzungen!) Haben Sie Produktions-Highlights wie "Die Möwe" von Luc Bondy gesehen? Haben Sie die internationale Produktion von "Hair" gesehen? Haben Sie Vladimir Malakhov in "Der Maskenball" tanzen gesehen? – Das sind lauter wirklich hervorragende Produktionen. Wo ist der "Einbruch"? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Worin liegt der Boykott, worin liegt der Widerstand, wo liegt das Weggehen der Künstler und der Einbruch in der Kulturszene? (Abg. Dr. Cap: Warum ist dann Haider so unzufrieden?) – Auch der Herr Staatssekretär hat die Anregung von Herrn Staatsoperndirektor Holender blitzschnell aufgegriffen, seinen Vertrag zu verlängern. Nicht nur dieser wird verlängert werden, sondern auch der Vertrag des Musikdirektors Ozawa. (Abg. Dietachmayr: Auch ohne Ausschreibung!) Also beide bleiben da. Wo gehen denn die internationalen Künstler weg?

Lassen Sie mich bitte an dieser Stelle André Heller, der ja nun wirklich kein Regierungsfreund ist, zitieren. Er sagt selbst – ich zitiere –:

Ich bin ja selbst ein so verschrobenes und vielleicht auch anachronistisches Wesen, dass ich schon von daher gut beraten bin, Toleranz zu geben und Toleranz zu fordern. Das ist eine Art von Egoismus, und ich sehe gar nichts Altruistisches dran.

Toleranz und Diskussion – keine selig dahindämmernde Kunstszene, sondern eine offene Kulturdiskussion, Kreativität. Das ist der Weg unserer Regierung. Federico Fellini hat gesagt – es prangt zurzeit an der Volksoper –: Wer Realität umsetzen will, muss visionär sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann. – Bitte. (Abg. Achatz: Jetzt wird es schwer! Jetzt wird es schwer! Jetzt wird es schwer! – Abg. Dr. Wittmann  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ui! Na gewaltige Herausforderung! – Abg. Achatz: Die Sprechblase! Jetzt wird es schwer!)

16.45

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sie haben gestern Ihr Budget präsentiert, Herr Staatssekretär (Abg. Achatz: Das war gut!), und das Einzige, was richtig war, ist die Tatsache, dass Sie es präsentiert haben.

Eigentlich muss man sagen: Es ist ein Budget der Phantasielosigkeit, ein Budget ohne irgendeine Vision. Sie machen als Staatssekretär nichts anderes, als Einsparungen bei der Kunst vorzunehmen. Ich habe noch nicht gehört, dass Sie bei einem Budgetvollzug, der 1,5 Milliarden Schilling Überschuss gebracht hat, Ihr Wort erheben und sagen: Auch für die Kunst sollte etwas abfallen! – Ich darf Sie erinnern, das Bundesheer hat eine Milliarde mehr bekommen, die Landwirtschaft 700 Millionen mehr. Für die Kunst ist nichts abgefallen, sondern bei der Kunst wurden die Einsparungen vollständig durchgezogen (Abg. Achatz: Landwirtschaft, nicht Kunst!), und zwar in einer Brutalität, dass es den Künstlern in Österreich tatsächlich schwer fällt, ihren Beruf noch auszuüben. (Beifall bei der SPÖ.)

Horchen Sie in die Kunstszene! Horchen Sie hinein! Umgeben Sie sich mit Künstlern (Abg. Achatz: Sind alle da geblieben!), dann wissen Sie sehr wohl, was in dieser Szene los ist. Aber wenn Sie sich hier herstellen und Halleluja sagen, wie mein Kollege schon zum Herrn Staatssekretär gesagt hat, dann sprechen Sie es nicht, singen Sie es! (Beifall bei der SPÖ.) – Also ich glaube, es wäre wirklich angebracht, dass man Ihr Kunstverständnis etwas zurechtrückt.

Das Schlimmste, was einer Kunstgattung in Österreich passieren kann, ist, dass sie von diesem Staatssekretär zum Schwerpunkt erklärt wird. Die Filmschaffenden wurden abgeräumt, sie wissen nicht mehr, wie sie Filme machen sollen. Dann hat er noch einen Schwerpunkt auserkoren: Tanz. Sie können nicht einmal mehr auftreten! Alle anderen zittern, dass sie zum Schwerpunkt erklärt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Aber geh!)


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Herr Staatssekretär! Bitte, bleiben Sie so visionslos, wie Sie sind, und erklären Sie ja nichts mehr zum Schwerpunkt, weil die Künstler sich das nicht verdient haben, dass sie von Ihnen zum Schwerpunkt erklärt werden und gleichzeitig ihre Kunst nicht mehr ausüben dürfen.

Sie zeichnen sich auch dadurch aus, dass in Ihrer eigenen Sektion Angst und Schrecken herrschen. Sie lösen Personen grundlos ab, die auf Grund ihrer Qualifikation jahrelang hervorragende Arbeit geleistet haben, bei den Künstlern größtes Ansehen genießen. Jetzt wollen Sie Günstlinge einsetzen, und es würde mich nicht wundern, wenn eines Ihrer Kabinettsmitglieder einen sehr anerkannten, international anerkannten Fachmann in der Kunstszene ablösen würde, weil, wie ich gehört habe, schon die Ausschreibung auf diese Person gerichtet gemacht wird. (Abg. Pistotnig: Name! Name!) – Schauen Sie sich sein Kabinett an, dann werden Sie sehen, wer wechselt. So weit wird es noch gehen, dass man das weiter verfolgen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie erteilen Weisungen, Sie gehen von Beiratsempfehlungen ab. Oder können Sie mir sagen, auf Grund welcher Beiratsempfehlung Sie die Auswahl für die Förderung in Höhe von 150 000 S für den Bischof Slatkonia-Preis getroffen haben? Oder auf welcher Beiratsempfehlung beruht die Förderung von 200 000 S für das Erinnerungsmonument an die Kärntner Volksabstimmung? – Diese gibt es nämlich nicht.

Sie agieren mit Weisungen, Sie regieren in die Tagespolitik und in das Tagesgeschäft der Beamten hinein, und Sie gehen ausschließlich nach dem Grundsatz vor: Die Hand, die mich füttert, darf ich nicht beißen. – Daher bekommen nur jene Künstler Geld, die willfährig zu Ihrer Politik ja sagen. Das, was Sie als Erfolg bezeichnen, wird von den Künstlern als Misserfolg gesehen. Fragen Sie Herrn Menasse nach der Künstler-Sozialversicherung!

Sie haben in Österreich in einem Jahr ein Klima geschaffen, dass sich namhafte österreichische Künstler überlegen, dieses Land zu verlassen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Kunst unbeeinflusst auszuüben. (Abg. Achatz: Es sind aber noch alle da! Alle sind da! Wer? Wer? Alle sind da geblieben!) Das ist Ihre Verantwortung im Kunstbereich. Das ist wirklich eine Leistung, die in Europa einzigartig ist. Jedes andere Land in Europa ist stolz auf die kreativen Geister seines Landes, auf die Ideenbringer – auch wenn sie kritisch sind. (Abg. Achatz: Außer Klima sind alle da!)

Nur Sie haben es geschafft, dass sie vertrieben werden. (Abg. Achatz: Außer Klima sind alle da!)

Ich habe mir die Mühe gemacht, Ihr nicht sehr umfangreiches und an sich schon schlechtes Übereinkommen hinsichtlich Kunst und Kultur, Ihr Koalitionsübereinkommen, zu studieren. Von jenen Punkten, die dort angeführt sind, angefangen beim öffentlichen Bau, Kunst und Stadtplanung, Bauplanung und Architekturförderung, hin zum Ausbau des Filmstandortes, über die Ausweitung der Medienkunst hin zur Sonderausgabe und Absetzbarkeit der Aufwendungen für Kunst und Bereitstellung von Risikokapital durch Venture-Financing und anderen kreativwirtschaftlichen Maßnahmen, die Sie immer, in jedem Interview, gepredigt haben, ist nichts zu sehen. (Abg. Haigermoser: Wo waren Sie denn als Staatssekretär?)

Sie haben in diesem einen Jahr nichts verwirklicht! Sie haben keine Visionen in das Budget einfließen lassen, und letztendlich gibt es die Kreativwirtschaft, die Sie immer herbeigeredet haben, nicht. Es gibt keine steuerlichen Maßnahmen. Sie haben kein "venture capital" zur Verfügung gestellt. Sie haben keine Fonds geschaffen, wie Sie sie immer versprochen haben.

Sie haben es nur geschafft, das Klima für die Kunst in diesem Land zu vermiesen, und das ist auch Ihre Leistung für 2001. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Der steinerne Gast! Vier Jahre hat er geschwiegen!)


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16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Khol zu Wort gemeldet. Ich mache auf die entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

16.52

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Mein Vorredner hat hier gesagt, der Staatssekretär habe keine einzige steuerliche Maßnahme für die Kunst bewirkt.

Ich stelle richtig: Auf Grund der Vorschläge des Herrn Staatssekretärs und der Bundesregierung wurde die steuerliche Abschreibmöglichkeit für Kunsterlöse über drei Jahre, eine langjährige Forderung der Künstlerschaft, im Budgetbegleitgesetz verankert. Wenn sich Herr Wittmann während seiner Staatssekretär-Zeit für die Kunst genauso intensiv eingesetzt hätte wie heute, wäre es besser gewesen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Das war keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Dietachmayr: Keine Kommentare!)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach den ganz strengen Regeln des Herrn Klubobmannes Khol war der letzte Satz kein Teil einer tatsächlichen Berichtigung. (Abg. Dr. Khol: Ja, war keiner! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Staatssekretär Morak meldet sich zu Wort.)  – Wollen Sie gleich antworten? (Staatssekretär Morak bejaht.)

Frau Kollegin Brinek, ich bitte um Entschuldigung. Der Herr Staatssekretär hat – zumindest nach der Geschäftsordnung – Vorrang. – Bitte, Herr Staatssekretär. (Abg. Dr. Martin Graf: Auch der Klubobmann Khol ist nur ein Mensch! – Abg. Dr. Khol: Ich habe die Einem-Regel angewendet!)

16.53

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Weil das immer wieder in der Diskussion genannt wird: Was die Förderung der Bronze-Skulptur in Kärnten in Höhe von 200 000 S betrifft, ist dies, wie in anderen Fällen auch, eine der zahlreichen Vereinbarungen zwischen zwei Gebietskörperschaften, in diesem Fall des Landes Kärnten und des Bundes, und wird daher nicht einem Beirat vorgelegt.

Das Zweite ist der Bischof-Slatkonia-Preis. Das klingt immer so kraus, wenn man das sagt, daher möchte ich das einmal aufklären: Es ist natürlich ein Preis für moderne Kirchenmusik. Dieser Preis wird, wie viele andere, von einer eigenen Jury festgelegt. Dieser Jury gehören der Domkapellmeister Ebenbauer, ein Organist, Hans Haselböck, der Komponist Erich Urban und Dr. Franz Karl Praßl an. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Brinek, Sie sind jetzt am Wort. – Bitte.

16.54

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Volksanwälte! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man mehr Zeit hätte, könnte man seinen Assoziationen freien Lauf lassen. Ein Beitrag des Kollegen Cap, einer des Kollegen Wittmann – man ist an einen Abgesang einer Audition eines drittklassigen Kellertheaters erinnert. Sie können das noch ein bisschen variieren.

Ich will zur Debatte über das Kunstbudget zurückkehren, weil die Rede davon war, dass es an Visionen fehle und der amtierende Staatssekretär von Robert Menasse kritisiert werden würde. Dazu ist mir eingefallen, dass die letzten Essays von Robert Menasse zur Bewertung der Ära Wittmann so deutlich, so beschämend sind, dass ich sie hier nicht zitiere, weil mir hier politische Kultur, Sprache und Geist wichtig sind. Also nur so viel als Andeutung. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Kunstbudget enthält, was die Binnengliederung betrifft, eine starke Bindung an vorgegebene Strukturen und einen demgemäß kleinen Spielraum für politische Schwerpunktsetzungen. Ich erinnere nur daran, dass 2 Milliarden für die Bundestheater gewissermaßen als Durchlaufer fungieren. Wie wir hören, können wir beruhigt sein, denn die Bundestheater achten auf eine funktionierende Autonomie und berücksichtigen erste Erfahrungen.


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Ich bin daher sehr froh, dass der Kunststaatssekretär diese zusätzlichen kleinen Spielräume schafft und ausbaut und Schwerpunkte im Bereich des Schreibens, im Bereich des Sehens, im Bereich der Musik und dann im Bereich der Urerlebnisse der Menschen setzt.

Ich bin auch sehr froh, dass er über weitere Partizipationsmodelle nachdenkt. Wir haben gehört, dass Graz, dass das große Salzburger Festspielhaus durch Verkauf von Bundesanteilen budgetiert, saniert und umgebaut beziehungsweise adaptiert werden können. Vor diesen Partizipationsmodellen muss man sich nicht fürchten. Es ist das, was als Vision im Bereich der Kunstpolitik und Kunstförderungspolitik bezeichnet werden kann.

Meine Damen und Herren! Ich gehe auch mit der Interpretation, mit der Einschätzung des Staatssekretärs konform, wenn er sagt: Wir definieren das Selbstwertgefühl dieses Landes über Kultur, aber zu stark über das, was war, und zu wenig über das, was ist. Das heißt, wir müssen uns gerade in der Kunstförderung überlegen, was wir wie weiter ausbauen, wie wir ein künftiges Verhältnis zwischen staatlicher Förderung und Marktanpassung erreichen können.

Ich berufe mich jetzt auf einen Gedanken, den ich bei Alfred Pfabigan, jüngst im "Spectrum" der "Presse" ausgeführt, gefunden habe. Er hat gefragt, ob die österreichische Kunstförderung oder die Debatte darüber funktioniert, wie die jahrhundertelang funktionierende Inquisition funktioniert hat und weiter funktionieren soll. Sie ist offen, und der Autor führt sie gerechterweise, meine ich, zurück auf eine österreichische Geschichtsentwicklung, nämlich dass der politisch und ökonomisch selbstbewusste Citoyen und auf seiner Visavis-Seite der autonome Künstler, der sich souverän auf dem Markt bewegt hat und bewegen kann, fehlt und dass wir diese Entwicklung schleunigst nachholen müssen, dass sich Kunst, Kunstwirtschaft, Kunst, Markt und Geld nicht so verhalten dürfen wie der Teufel zum Weihwasser. (Beifall des Abg. Dr. Khol. )

In dieser Diskussion, Herr Staatssekretär, die Sie beginnen einzuleiten und zu führen, möchte ich Sie sehr unterstützen, weil das eigentlich erst der Eintritt in die Entwicklung der Moderne ist und nicht ein Zurück.

Meine Damen und Herren! Ich bin auch sehr froh – und Robert Menasse habe ich in seiner harten Kritik am ehemaligen Staatssekretär Wittmann nicht zitiert –, dass Menasse in der Sache Künstler-Sozialversicherung – ich würde es einmal auf Wienerisch sagen – einen Rückzieher gemacht hat, weil er im ersten Überschwang so etwas wie die Verabschiedung aus einer Solidargemeinschaft anstreben wollte und Sozialversicherung und Steuer vermischt hat. Nach dem ersten Sturm ist eigentlich Ruhe eingekehrt. Es ist auch deshalb Ruhe eingetreten, weil wir davon ausgehen können, dass der erste Eindruck, nämlich dass die Vorschreibungen überhöht wären, nur deshalb entstanden ist, weil ab 2001 die niedrigere Beitragsgrundlage und der Beitragszuschuss ja erst nach Auskunft der Künstler festgelegt werden können und sich das nach und nach herumspricht.

Ich bin auch dankbar, dass alle an diesem Modell Beteiligten sehr intensiv an Aufklärung und Information arbeiten und von daher dieses neue Instrument bald wirksam werden wird. Ich bin sehr froh darüber, dass wir mit visionärer Kunstpolitik auch auf Basis eines streng strukturierten Budgets weitermachen können (Abg. Dr. Cap: Halleluja! Halleluja!) und auch künftig erfolgreich sein werden, Herr Kollege Cap. Ich kann das auch singen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. Die freiwillige Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Im "Gotteslob" gibt es zirka 14 verschiedene Melodien fürs Halleluja! – Abg. Dr. Cap: Dann können wir ja üben!)

16.59

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! In diesem Regierungszeitraum sind die Prüfungen des Rechnungshofes mehr als wichtig. Ich sage hier namens meiner Fraktion einmal ein aufrichtiges Dankeschön für die viele Mehrarbeit, für die viele Arbeit, die die Beamtinnen und Beamten des Rechnungshofes haben. Sie machen ihre Arbeit nicht nur sehr


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ordentlich, sondern sie helfen vor allem mit, dass aufgezeigt werden kann, wo mit dem Geld sorglos umgegangen wurde.

Es wird vor allem auch mit Rohberichten hausieren gegangen, die noch gar nicht endgültige Berichte sind. Vielen ist das sehr zuwider, vor allem dann, wenn klar und deutlich herausgestrichen wird, wer eigentlich in der alten Regierungskoalition wirklich die Schuldenmacher waren, die es durch dramatische Überziehung ihres Budgetrahmens geschafft haben, derartige Schulden zu verursachen.

Zwei Ministerien waren hier federführend: Auf der einen Seite war das das Bildungsministerium – wenn ich nur an die österreichische Galerie denke, fällt mir ein, dass man da auf große Bildersuche gegangen ist; die Bilder waren nicht da, die sind ganz einfach verschwunden –, auf der anderen Seite war es das Landesverteidigungsministerium. Dort raucht man jetzt noch viel stärkeren Tobak: Es werden Flieger gekauft, die kein Mensch braucht, die noch teurer sind, Hauptsache, das Geld kommt herein – und wahrscheinlich auch irgendwelche Inserate für irgendwelche Zeitschriften, die einem dabei helfen können.

Ich möchte daher den Rechnungshof bitten – er arbeitet auch schon an Überprüfungen der Inseratenkampagne der Regierung –, das zu prüfen, und man wird darauf kommen, dass das Geld zum Fenster hinausgeschmissen wurde.

Daher bin ich sehr froh, dass der Rechnungshof da wirklich eine Prüfung im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher vornimmt. Und nicht nur der österreichische Rechnungshof prüft, sondern auch unser Vertreter beim Europäischen Rechnungshof, Herr Dr. Weber, leistet ausgezeichnete Arbeit, wie Präsident Fiedler auch bestätigt hat. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir werden uns in der nächsten Zeit mit etwas Besonderem beschäftigen müssen – und es wird sich nächste Woche der Unterausschuss konstituieren –, nämlich mit den überzogenen Gehältern in den Ministerbüros, die auch der Rechnungshof bereits kritisiert. Und wenn ich Herrn Präsidenten Fiedler aus der letzten Ausschusssitzung zitieren darf: Er hat gesagt, dass auch der Rechnungshof es nicht richtig findet, dass es dort Arbeitsleihverträge gibt. Er meinte – und ich glaube, ich kann ihn aus dem Gedächtnis zitieren –, Ministersekretäre sollten mehr verdienen, sie leisten eben ein hohes Maß an Arbeit, und es sollte sogar ein eigenes Schema für diese Beamten geschaffen werden. Man solle aber davon abgehen, Arbeitsleihverträge mit anderen Institutionen abzuschließen, sondern die Menschen in diesem Land beschäftigen und damit auch im Ministerium Arbeitsplätze schaffen. – Das wäre richtig und anständig in dieser Republik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Wie war denn das früher? Haben die Arbeitsleihverträge wir erfunden? Ihr seid ja wirklich Pharisäer!)

Kollege Ofner! In Ihrer großväterlichen Manier bringen Sie doch immer so viel Erfahrung mit ein. Ich weiß nicht, ob Sie das als Justizminister auch taten. Mag schon sein. (Abg. Dr. Ofner: 30 Jahre lang ...! Und dann zeigt ihr auf die anderen mit dem Finger! Jeder weiß, was Sie für ein Doppelspiel spielen! Jeder da herinnen weiß das, und draußen auch!)

Aber können Sie sich vorstellen, dass jemand mehr verdient als ein Minister? (Abg. Dr. Ofner: Jeder weiß das!) Warum regen Sie sich so auf? Wahrscheinlich sind Sie neidisch, denn Sie dürfen nur 66 000 S aus einem Einkommen verdienen, und die dürfen 200 000 S verdienen. (Beifall bei der SPÖ.) Regen Sie sich nicht auf, sondern halten Sie die Haidersche Regel ein: Nehmen Sie aus einer Hand die 66 000 S, und mit der anderen Hand nehmen Sie die 150 000 S, die Sie verdienen, die Sie nicht der Partei abzuliefern brauchen! Das ist wahrscheinlich die Taktik der Freiheitlichen Partei. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Polemik, diese Zwischenrufe der FPÖ zeigen nur, dass Sie nervös werden, wenn es um den Rechnungshof geht. Und jetzt passiert etwas ganz Schlimmes. Da gibt es die Frau Vizekanzlerin ... (Abg. Dr. Jarolim: Wo ist der Herr Westenthaler?) Der Herr Westenthaler hat, glaube ich, eine Wahl verloren. Er ist am "Seeschlachtgraben" abgestürzt, und seither gibt es ihn nicht mehr. (Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Den "Seeschlachtgraben" gibt es bei uns im Bezirk; da war er als Gastarbeiter tätig.


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Aber da gibt es die Frau Vizekanzlerin, die jetzt droht, es dürfe keine Pragmatisierungen mehr geben. Sie will die Pragmatisierungen ganz einfach abschaffen, weil man damit eventuell Beamte erpressen kann, dass sie frei und unabhängig arbeiten. (Abg. Böhacker: Wer will erpressen? Nehmen Sie das zurück!)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir wollen, dass die Beamten des Rechnungshofes geschützt werden. (Abg. Böhacker: Herr Präsident! Das ist ja unerhört!)  – Ich nehme das zurück: Sie will sie nicht erpressen, sie versucht, die Beamten so zu beeinflussen, dass sie nicht mehr frei und abhängig arbeiten können. (Abg. Dr. Niederwieser: Nein, "erpressen" ist richtig!)

Wir Sozialdemokraten treten für die Pragmatisierung der Rechnungshofbeamten ein – im Sinne einer Überprüfung dieser Republik. (Beifall bei der SPÖ.) Erlauben Sie mir daher, zum Schluss folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brix und Genossen betreffend Garantie der Unabhängigkeit des Rechnungshofes

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles zu unternehmen, um die wertvolle Arbeit des Rechnungshofes und seiner MitarbeiterInnen auch in Zukunft zu schützen und insbesondere die Pragmatisierung der PrüferInnen des Rechnungshofes nicht in Frage zu stellen."

*****

Wir wollen, dass dieses Land durch unabhängige und ehrliche Beamte des Rechnungshofes kontrolliert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben vom Abgeordneten Brix eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Kollege Brix! Den gleichen Antrag hast du im Landtag für die Müllentsorgung gestellt! Ich kenne ihn! – Heiterkeit. – Anhaltende Rufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

17.06

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär Morak! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Staatssekretär Franz Morak hat am Dienstag das Kunstbudget 2002 und die wichtigsten Vorhaben vorgestellt. Für 2002 sieht das Kunstbudget um knapp 25 Millionen mehr vor als für 2001, und ich als Wienerin freue mich sehr, dass diese 25 Millionen Schilling in den Umbau und in den Ausbau des Wiener Musikvereins fließen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Musikverein ist für mich persönlich die wichtigste Wiener Konzertinstitution, und es ist gut, dass der Bund, die Gemeinde Wien und der amerikanische Kunstmäzen Alberto Vilar gemeinsam die notwendigen 260 Millionen Schilling aufbringen. Diese fließen in schon lange notwendige Verbesserungen im Haus und in die mehrgeschoßige Unterkellerung des Vorplatzes. In dieser Unterkellerung werden dann Orchestergarderoben, Instrumentendepots und der Alberto-Vilar-Saal mit 400 Plätzen untergebracht. (Abg. Dr. Cap: Das wollten wir auch machen!)  – Das ist schön, Herr Kollege Cap!

Der Alberto-Vilar-Saal wird die Proben-Situation des Hauses auch dramatisch verbessern, weil er die Bühne des Großen Saales simuliert.


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Als Wienerin freue ich mich auch darüber, dass die 30 Millionen Schilling, die für die Sanierung des "Theaters in der Josefstadt" fortgeschrieben werden und die 2002 nicht notwendig sind, den Wiener Philharmonikern zugute kommen werden.

Neben dem Musikverein ist die Staatsoper ein Hauptanziehungspunkt im Wiener Musikgeschehen. Staatsoperndirektor Ioan Holender und der Chefdramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz bieten künstlerische Qualität auf höchstem Niveau. Für mich war der unbestrittene Höhepunkt dieser Saison, Herr Kollege Cap, nicht der Opernball. Auch für mich war es nicht der Opernball, sondern "Die Jakobsleiter", die ich noch vor den phantastischen Verdi-Aufführungen einordne.

Ich finde es positiv, dass die Staatsoper das Konzept hat, erschwingliche Preise für Kunstgenuss zu gewährleisten. Kunstgenuss für Groß und Klein, Stehplatzabos und die Kinderkarten um 200 S sind für mich ganz wesentliche Punkte. (Abg. Öllinger: Sind wir da in einer Werbe-Veranstaltung?) Auch die eigene Opernschule finde ich sinnvoll, weil sie die Möglichkeiten und Flexibilität sowohl der Sängerknaben als auch der Staatsoper erhöht und so mehr begabten Kindern den potentiellen Zugang zu einer künstlerischen Karriere eröffnet.

Mir als Wienerin fehlt aber eines, nämlich ein attraktives Sommerprogramm der Staatsoper, und ich finde die Kritik seitens der Staatsoper an erfolgreichen anderen Sommerfestspielen zu wenig. (Abg. Dr. Cap: Richtig!)

Als Wienerin wünsche ich mir auch, dass das Gartentheater im Schlosspark Schönbrunn einmal Wirklichkeit wird und im Rahmen der Ausgliederung neu überdacht wird. Die Wiener Kultursprecherin von der FPÖ, Mag. Heidemarie Unterreiner, hat sich für die Idee dieses Gartentheaters schon stark gemacht, und ich halte das für eine sehr gute Sache für Wiener und für Touristen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die aktuelle Diskussion um die Vertragsverlängerung von Staatsoperndirektor Holender halte ich allerdings für berechtigt. Das Bundestheaterorganisationsgesetz sieht eine Ausschreibung vor. Eine unpolitische, korrekte Ausschreibung ist notwendig, auch wenn die Bestellungen, wie wir dem Gesetz entnehmen können, ohne Bewerbung erfolgen können. (Abg. Dr. Niederwieser: Das war jetzt aber eine massive Kritik an Morak!)

Argumente wie "50 Jahre Wiedereröffnung Staatsoper" und "Mozartjahr 2006" halte ich nicht für ausreichend. Ich finde es notwendig, dass sich junge, talentierte, potentielle Nachfolger um die Position des Staatsoperndirektors bewerben können, die sich wo auch immer befinden können, dass diese jungen Talente die Möglichkeit haben, sich zu bewerben, und so auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse aufmerksam machen können.

Herr Staatssekretär! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, bin ich, wie Sie, sicher, dass sich der Aufsichtsrat am 4. April zu einer unpolitischen Ausschreibung bekennen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. Ihre Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Das war eine eigenständige Rede!)

17.11

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Ich reihe mich ein in das Wechselspiel zwischen Kunst und Rechnungshof und möchte mich nun dem Rechnungshof widmen.

Die Arbeit des Rechnungshofes ist sehr aufschlussreich, umfassend und vor allen Dingen auch sehr detailliert. Das ist in den Berichten immer wieder nachzulesen und auch nachvollziehbar. Erwähnen möchte ich hier die gute Zusammenarbeit des österreichischen Rechnungshofes mit dem Europäischen Rechnungshof. Sektionschef Weber vertritt ja Österreich im Europäischen Rechnungshof. Ich finde es sehr spannend, dass Sektionschef Weber innerhalb des Euro


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päischen Rechnungshofes für die Erweiterung Europas zuständig ist. Präsident Fiedler bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rechnungshof als ausgezeichnet und betont das gute Verhältnis.

Herr Präsident! Sie haben darauf hingewiesen, dass es zu Prüfungen durch den Europäischen Rechnungshof in Österreich kommt und parallel dazu auch der österreichische Rechnungshof dieselbe Materie überprüft. Mich würde nur interessieren, in welchem Zusammenhang diese Prüfergebnisse stehen, inwieweit die beiden Rechnungshöfe zu gemeinsamen oder gleichen Ergebnissen kommen und wo das für uns nachvollziehbar ist oder wäre. Das wäre eine ganz interessante Frage.

Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit dem Rechnungshof und den neuen Medien ist die Präsentation des Rechnungshofes im Internet. Wie wichtig diese Präsentation ist, ist daran erkennbar, dass es laut Präsident Fiedler durchschnittlich zu 1 200 Zugriffen im Monat kommt – das heißt, das Interesse an der Arbeit des Rechnungshofes ist sehr groß.

Ein weiteres Thema, das wir auch im Budgetausschuss besprochen haben, ist die Pragmatisierung. Das hat Kollege Brix auch schon angeschnitten. Klar und deutlich ist die Aussage des Rechnungshofpräsidenten dazu: Die Pragmatisierung ist ein Mittel zum Zweck, nämlich zum Schutz der Beamten vor Willkür. Dieses ist wichtig und notwendig, weil auf Beamte auf Grund ihrer Tätigkeit Druck ausgeübt werden könnte, zum Beispiel auf Rechnungshofprüfer und Betriebsprüfer im Finanzamt. – Ich denke, diese Aussage ist sehr wichtig, nämlich im Sinne der österreichischen Bevölkerung und im Sinne der Wahrheit und der Aufklärung.

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Eine wesentliche Aufgabe des Rechnungshofes ist die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und auch die Überprüfung von bestimmten Maßnahmen, die die Bundesregierung setzt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an verschiedenste unsoziale Maßnahmen: Ambulanzgebühr, Unfallrentenbesteuerung, Wegfall der Mitversicherung, um nur drei Punkte zu nennen. Sie werden durch eine groß angelegte Werbekampagne der Regierung – ich würde einmal meinen – gut geschminkt und der Bevölkerung unter dem Motto "soziale Treffsicherheit" präsentiert. Ich erinnere an die gestrige Aussage des einfachen Parteimitglieds Haider in der "Zeit im Bild", der dort von einer – wortwörtlich – "völlig schwachsinnigen Werbung" sprach.

Herr Präsident! Mich würde interessieren, wie die Kosten ausschauen, die Wirtschaftlichkeit und das Verhältnis dieser Werbeausgaben einerseits im Vergleich zu den Kosten und dem Aufwand andererseits, die durch diese Maßnahmen entstehen. Auf den Punkt gebracht: Rechnen sich diese Grausamkeiten tatsächlich, wenn man sie ins Verhältnis bringt? Wie hoch ist der Verwaltungsaufwand, ist die Bürokratie und so weiter? Erfüllen sie tatsächlich den Grundgedanken des Sparens, oder haben all diese Maßnahmen nur das Ziel, ein Defizit in die Geldbörsen der BürgerInnen zu bringen und ein Defizit an Leistungen des Staates für seine Bürger und ein Defizit an sozialer Gerechtigkeit unter dem Deckmantel der sozialen Treffsicherheit herbeizuführen?

Herr Präsident! Vielleicht können Sie mithelfen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

17.16

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Ein erfolgreicher Tag beginnt mit einer guten Botschaft. Dieser Tag ist für mich deshalb erfolgreich, weil heute die Debatte zum Budget eröffnet wurde, zu einem Budget für das Jahr 2002 mit vollkommen neuen Vorgaben, mit einer modernen, der Zeit angepassten Ausrichtung, zu einem Budget, das ausgeglichen ist, das, so glaube ich, ein gutes Budget für dieses Land ist.


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Die gute Botschaft war der Bericht des Herrn Bundeskanzlers über den Rat von Stockholm, in dem er uns berichtete, dass man sich dort mit dem Thema Zukunft sehr intensiv beschäftigt hat. Erstens war die Frage der Finanz- und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten ein zentraler Beratungsbereich, zweitens wurde die Neustrukturierung der Pensionssysteme, vor allem auf die Lebensarbeitszeit bezogen, beraten. Der Bundeskanzler berichtete uns auch, dass in Stockholm sehr intensiv über Familien- und Jugendförderung diskutiert wurde.

Mit diesem Budget, das wir heute vorlegen, geht die Regierung sicherlich neue Wege, weil wir glauben, dass es wichtig ist, dass man hier eine Kurskorrektur vornimmt. Man kann dazu – in Abwandlung eines Sprichwortes – auch sagen: Der eine wartet, bis die Welt sich wandelt; der andere greift zu, denkt nach und handelt. – Das ist das, was die Regierung tut! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube, Sie von der Opposition können – das ist ja das normale Ritual – diese Budgetvorlage kritisieren – das wird auch in Zukunft so sein –, nur wenn Sie draußen mit den Bürgern reden, würden Sie staunen – das werden Sie sowieso selbst auch hören –, wie viel Verständnis die Bürger dafür haben, dass endlich einmal nach 28 Jahren mit der Neuverschuldung Schluss gemacht wird (Abg. Öllinger: Wie bei den Wahlen in Wien!), würden Sie staunen, wie viel Verständnis man findet, indem die Bürger sagen: Es ist richtig, dass man aufhört, die Zukunft unserer Kinder zu verbrauchen, und endlich daran geht, diese Zukunft zu gestalten. – Das ist die Botschaft, die wir haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Faszinierende ist nicht nur die Umstellung auf den Euro, sondern dass man die Themen, die uns ins Haus stehen, einfach kritisch angeht. Die Verteilungsdiskussion wird es immer geben – keine Frage! –, aber ich glaube, mit dieser Vorlage wird einmal mehr der Umbau des Sozialsystems vernünftig weiterentwickelt – jener Umbau, den wir mit Ihnen in der Koalition 1 im Jahre 1995 sehr offensiv begonnen haben. Ich halte es für richtig, dass wir in den Jahren 1995 und 1997 sehr intensiv diskutiert haben, und ich halte es für eine Pflicht der jetzigen Regierung, dieses Thema in entsprechender Weise fortzusetzen. Da kann es natürlich Interessengegensätze geben – das ist gar keine Frage –, aber wichtig ist, dass man einem Ziel nacharbeitet.

Natürlich gibt es auch andere Fragen, wie zum Beispiel die der Verwaltungsreform – ein Thema, das auch schon jahrelang diskutiert wird. Es geht kurzum um eine Neuaufteilung der Kompetenzen innerhalb der einzelnen Gebietskörperschaften und darum, Doppelgleisigkeiten abzustellen. Das wird natürlich eine Diskussion innerhalb der Gebietskörperschaften werden – keine Frage –, auch mit den Interessenverbänden. Das ist aber auch eine Frage des Dienstrechtes; das ist ja auch diskutiert worden, sowohl in der alten Koalition als auch in der Regierung, die wir jetzt haben.

Weil Herr Abgeordneter Brix heute hier einen Entschließungsantrag vorgetragen hat, muss ich schon ein paar Fragen stellen. Er sagte, er wolle mit diesem Entschließungsantrag die Beamten des Rechnungshofes schützen. – Ich sage: Wir schützen alle Beamten, nicht nur die des Rechnungshofes. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Brix. )

Weiters: Was bewegt Sie, lieber Herr Kollege Brix, dazu, diesen Antrag einzubringen? – Vielleicht ist es die Presseaussendung eines Herrn, den Sie gut kennen, es handelt sich um den Abgeordneten Pilz. Er ist im Moment nicht im Saal. Er tritt ein für die Abschaffung der Landtage, des Bundesrates und der Pragmatisierung. SPÖ und Grüne wollen, dass Länder und Gemeinden Steuern selbständig einheben und dergleichen mehr. Pilz sagt weiters – das ist interessant, das müssen Sie sich anhören! –: Es wird eine Zukunft ohne Landtage und ohne Bundesrat geben, und es wird niemand abgehen! Gleichzeitig fordert er nochmals die Abschaffung der Pragmatisierung.

Lieber Herr Kollege Brix! Das ist der Botschaftsträger Ihrer Sorge. Daher meine ich, dass Sie sich an ihn wenden sollten. Das wäre, glaube ich, gut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Sie wissen es nicht, glauben es nur!)

Meine Damen und Herren! Mit diesem Budget gehen wir in eine neue Aufgabe hinein. Wir setzen diesen Kurs fort, und wir stehen zu diesem Kurs, etwa unter dem Grundsatz: Österreich


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hat sehr viel aufgebaut, hat sehr viel herzuzeigen, hat Beispielswirkung in der ganzen Welt. Wir glauben: Wer Gutes bewahren will, muss manches verändern. – Das tun wir mit diesem Budget! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Ihre Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

17.22

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Ich darf mich in aller gebotenen Kürze noch einmal mit dem Budgetansatz für den Rechnungshof im Bereich der obersten Organe beschäftigen, wobei ich dann ganz kurz auf die Aussagen meines Vorredners bezüglich Verwaltungsreform zu sprechen kommen werde.

Es wurde heute schon des Öfteren gesagt, dass der Budgetansatz für den Rechnungshof erhöht wurde. Das ist gut so, dem können wir zustimmen, diese Erhöhung ist berechtigt. Der Rechnungshof hat als eine seiner wichtigsten Aufgaben die Prüfung – oder vielleicht könnte man es, da es heute so modern ist, mit einem modernen Begriff sagen –, das Controlling des Unternehmens Österreich inne. Diese Aufgabe erfüllt der Rechnungshof im Rahmen seiner Möglichkeiten hervorragend. Das Erkennen von Fehlentwicklungen und Missständen, um rechtzeitig – ich sage: rechtzeitig – gegensteuern zu können, ist wesentlich, und die Prüfungsarbeit des Rechnungshofes liefert dazu die notwendigen Unterlagen.

Allerdings hängt es ein bisschen an der Rechtzeitigkeit der Kontrolle. Das ist kein Vorwurf an den Rechnungshof, sondern vielleicht eher ein Vorwurf an den Budgetansatz oder an die personelle Ausstattung.

Ich darf das an einem Beispiel erläutern. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit den Bericht über die Auftragsvergabe im Bundesstraßenbau und im Bundeshochbau diskutiert. Da wurden uns vom Rechnungshof allein bezüglich Auftragsvergabe Missstände offeriert, die Sagenhaftes aufgedeckt haben. Allerdings: Die Ursache dieser Missstände liegt fünf Jahre und länger zurück.

Wenn man – und wir haben uns das sehr genau angeschaut – betrachtet, dass der Prüfungszeitraum für diese Bundesbauangelegenheiten acht Monate betragen hat, nur drei Bundesländer und dort nur 40 Prozent der Aufträge geprüft wurden, wenn man das hochrechnet – ich glaube, mich recht zu erinnern, Herr Präsident, dass Sie die Zahl für diese Prüfungsvorgänge genannt haben –, kommt man auf 120 Millionen Schilling, die hier hätten eingespart werden können. Drei Bundesländer und nur acht Monate!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rechnen Sie das hoch auf neun Bundesländer und permanentes Controlling, dann müssten wir uns heute nicht über Ambulanzgebühren unterhalten, wenn das eingehalten würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu kommt noch – auch ein wesentliches Handicap, das mir immer wieder im Rechnungshof auffällt – das Durchsetzungsvermögen der Anregungen des Rechnungshofes beziehungsweise dessen Berichte. Wenn man sich durchliest, wie die Antworten und die Stellungnahmen lauten, bis hin zu überhaupt keiner Stellungnahme mehr, dann frage ich mich schon, ob das nicht wirklich sehr viel vergebliche Mühe ist.

Apropos Stellungnahme, Herr Präsident! Eine Frage habe ich in diesem Zusammenhang noch: Wann wird es endlich offiziell den "Euroteam"-Rechnungshofbericht geben? Wir haben immer nur den Rohbericht, der schon sehr lange sozusagen unterm Volk ist. Aber wann wird es diesen Endbericht geben?

Zurück zum Controlling und zu den Aufgaben des Rechnungshofes. Ein modernes Controlling würde auch ein modernes Rechnungswesen voraussetzen. Was allerdings im Staat im Rechnungswesen geschieht, das ist wirklich monarchistisch. Das kamerale System ist uralt, und jeder, der sich ein bisschen damit beschäftigt, weiß, dass man hiermit keine moderne Betriebs


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führung machen kann. Das, meine Damen und Herren, wäre eine wesentliche Aufgabe der Verwaltungsreform! Davon hört man jedoch nichts.

Hingegen hört man bei der Verwaltungsreform bisher ausschließlich den Kampf zwischen der freiheitlichen Vizekanzlerin und den ÖVP-Landeshauptleuten, bei dem es nur darum geht, wer sich mehr Macht, mehr Einfluss, mehr Kompetenz im Rahmen der Verwaltungsreform sichert. Dabei hat man völlig vergessen, dass die unterste Ebene, die sehr wohl die wichtigste ist, nämlich die der Bürgerinnen und Bürger und die der Gemeinden, überhaupt nicht mehr gefragt wird beziehungsweise überhaupt nicht mehr in diese Verwaltungsreform miteinbezogen ist – es sei denn, man braucht einen Zahler oder jemanden für die Arbeit.

Da halte ich es, was ich sonst nicht tue, eigentlich schon sehr – ich zitiere hier, damit ich mir keinen Ordnungsruf einhandle – mit der Aussage des ganz gewöhnlichen Parteimitgliedes Haider, nachzulesen in der heutigen Ausgabe der "Kronen-Zeitung", der da sagt: "Die Regierung ist ein Tummelplatz unfähiger Experten." – Ich habe dem nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Niederwieser: Nennst du uns jetzt die unfähigen Experten?)

17.27

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Den autochthonen Minderheiten in Österreich geht es sehr gut. Wir wissen, dass es ihnen im internationalen Vergleich eigentlich ausgezeichnet geht, und wir brauchen deshalb nicht auf den Balkan zu blicken oder in bestimmte Kaukasus-Gegenden. Die Höhe der Förderung für die Volksgruppen im Budget ist, wie Sie wissen, gleich geblieben.

Es gibt in unserem Land auch keine Spannungen zwischen dem Mehrheitsvolk und den Minderheiten – im Gegenteil: Von sehr vielen ausländischen Besuchern – ob das jetzt Rumänen, Ungarn oder Mazedonier sind, die an den Minderheitenkongressen in Österreich teilnehmen – hört man immer wieder, dass unser Land geradezu Modellcharakter für die Volksgruppen hat. Vielfach wird unsere Volksgruppenpolitik in einem Atemzug mit der deutschen genannt, die ihre kleine dänische Minderheit ebenfalls vorbildlich fördert.

Bei der Bildung der neuen Bundesregierung vor mehr als einem Jahr war noch nicht allgemein klar, dass die Volksgruppenpolitik verbessert werden würde. Vor allem im Ausland hat es Unkenrufe gegeben, in manchen slowenischen Zeitungen wurden Befürchtungen geäußert, dass die ethnischen Minderheiten von der neuen Regierung benachteiligt würden.

Wir wissen inzwischen, dass keine dieser Befürchtungen eingetreten ist oder berechtigt war. In der Zwischenzeit haben auch alle internationalen Beobachter bemerkt, dass diese Bundesregierung sogar eine neue Minderheitenbestimmung in der österreichischen Verfassung verankert hat.

Am 31. Mai vergangenen Jahres wurde zum Beispiel der Artikel 8 der österreichischen Bundesverfassung um einen Absatz ergänzt. Diese Verfassungsänderung, die mit 1. August vergangenen Jahres in Kraft getreten ist, lautet – ich möchte diesen Absatz 2 wörtlich zitieren –:

"Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern."

Meine Damen und Herren! Das war aber nicht die einzige Initiative der neuen Regierung in diesem Bereich. Schon am 21. Juli wurde eine Verordnung über die offiziellen Namen von Gemeinden in jenen Regionen beschlossen, in denen die ungarische und auch die kroatische Minderheit siedeln. 260 zweisprachige Ortsschilder wurden in 51 Gemeinden des Burgenlandes


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aufgestellt. Wenige Monate später wurden Regelungen zum Gebrauch des Ungarischen auch für die Angehörigen der Minderheit im Behördenkontakt geschaffen.

Wir Österreicher brauchen den Vergleich mit anderen Staaten, aber auch mit der Europäischen Union, was die Volksgruppenpolitik betrifft, überhaupt nicht zu scheuen. Wir haben die besseren Standards. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Denken Sie nur daran, meine Damen und Herren, wie schlecht in der EU-Grundrechtscharta die Rechte der ethnischen Minderheiten abgesichert sind.

Die unverdächtigsten Zeugen für uns sind aber wohl jene drei Männer, die den so genannten Weisenbericht verfasst haben, nämlich Martti Ahtisaari, Jochen Frowein und Marcelino Oreja. Die Schlussfolgerungen, die diese drei Herren in ihrem Bericht am 8. September vergangenen Jahres gezogen haben, möchte ich gerade jenen nicht vorenthalten, die da immer wieder geschwätzig behaupten, es werde in Österreich zu wenig für die Minderheiten getan. Die drei ausländischen Politiker haben wörtlich festgestellt:

"Das österreichische Rechtssystem hat einen besonderen Schutz für die in Österreich lebenden Minderheiten geschaffen. Dieser Schutz besteht auf Verfassungsebene. Der den in Österreich lebenden Minderheiten durch das österreichische Rechtssystem gewährte Minderheitenschutz reicht weiter als der, der in vielen anderen europäischen Staaten gewährt wird." – Zitatende. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Ich möchte am Schluss meiner Rede noch ganz kurz ein Thema ansprechen, das mir von wirklicher Bedeutung zu sein scheint, nämlich das neue Staatsarchiv in Erdberg. Mir ist von Historikerkollegen mitgeteilt worden, dass die sachgemäße Belüftung und Klimatisierung des Staatsarchives im Argen liegen. Als Historiker, der selbst in einem wesentlich kleineren Archiv, nämlich im Stadtarchiv Graz, tätig ist, ist mir das ein besonderes Anliegen, und zwar vor allem deshalb, weil es sich hier um Bestände handelt, die, wenn sie wirklich verloren gingen, unwiederbringlich verloren wären. Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, so rasch als möglich für eine Klimatisierung dieser Bestände zu sorgen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Lentsch begibt sich zum Rednerpult.)  – Verzeihung, Frau Abgeordnete, laut meinen Aufzeichnungen wären Sie an der Reihe. Verzeihen Sie vielmals!

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte. (Abg. Lentsch: Das habe ich mir doch gedacht!)

17.33

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich habe mir vom Kollegen Gaßner besagte Ausgabe der "Kronen-Zeitung" besorgt, ich hätte es sonst nicht geglaubt und würde mir auch nie erlauben, so etwas zu sagen, aber es ist tatsächlich so. Da steht: "Die Regierung ist ein Tummelplatz unfähiger Experten."

Dieses Zitat, meine Damen und Herren, stammt vom Präambel-Unterzeichner Dr. Haider. Es ist schon gespenstisch, dass niemand auf der Regierungsbank die Stirn und die Kraft hat, etwas dagegen zu sagen. Das ist wirklich unglaublich! Und im Lichte dieser Qualifizierung, dass nämlich die Regierung ein "Tummelplatz unfähiger Experten" sei, werden wir in den nächsten Tagen die einzelnen Budgetkapitel diskutieren, und zwar Seite für Seite, Punkt für Punkt, Kapitel für Kapitel. Das wird sich wie ein roter Faden durch alle Debatten ziehen: Ist es tatsächlich so, ist die Regierung ein "Tummelplatz unfähiger Experten", wie Dr. Haider behauptet?

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus möchte ich Ihnen noch anhand eines Beispiels aufzeigen, wie Mitglieder der Bundesregierung mit dem Nationalrat, mit der Opposition umgehen: Im Rechnungshofausschuss ist es Usance und eine Selbstverständlichkeit, dass der zuständige


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Ressortminister bei der Debatte anwesend ist. In einer Sitzung dieses Ausschusses in der letzten Jännerwoche wäre das Minister Bartenstein gewesen; es ist um ein Thema im Bereich Hochbau in Niederösterreich 1995 gegangen. Es gibt dort ein paar Mängel, ein paar Schlampereien, und das Besondere daran ist, dass Bartenstein seinerzeit selbst der zuständige Staatssekretär war. Minister war ein gewisser Dr. Schüssel, aber der verschweigt sich ja schon zur Gegenwart, also natürlich auch zur Vergangenheit – hat auch keine Zukunft, füge ich einmal hinzu. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Man hätte sich eigentlich erwartet, dass Minister Bartenstein die Courage hat, in dieser Sitzung des Rechnungshofausschusses aufzutreten – es ging ja nicht um besondere Skandale, sondern um ein paar kleine Schlampereien –, aber die Herren von der ÖVP haben Frau Rossmann von der FPÖ als Vertretung ins Rennen geschickt. Eine Vertretung ist nicht ganz unüblich, wenn zum Beispiel ein Minister im Ausland ist, aber das war nicht der Fall, denn Minister Bartenstein hat zeitgleich ein ORF-Interview gegeben und Sallmutter-Anschüttungen betrieben. Der Minister für Arbeit hat sich gegen einen Arbeitnehmervertreter ausgesprochen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner. )

Aber diese Groteske, meine Damen und Herren, hat noch einen zweiten Akt. Wie war das dann bei der Plenardebatte? Wie war das dann am 1. Februar dieses Jahres im Plenum? – Eine völlig überforderte und uninformierte Staatssekretärin von der FPÖ wird als Vertretung geschickt, und zur gleichen Zeit, während die Frau Staatssekretärin auf der Regierungsbank leidet, meine Damen und Herren von der FPÖ, trinkt Minister Bartenstein von der ÖVP mit Minister Strasser von der ÖVP vergnügt ein Bier in der Cafeteria im Parlament.

So schaut das aus, meine Damen und Herren! Das ist ein Beispiel für eine Respektlosigkeit sondergleichen dem Parlament gegenüber. Und heute hat der Bundeskanzler die Stirn, von der Opposition konstruktive Arbeit und Mitarbeit einzufordern! Also das ist doch blanker Zynismus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bevölkerung spürt das natürlich. Die erste Rechnung dafür haben Sie bereits bei den Wiener Wahlen präsentiert bekommen. Wenn Sie Ihr Verhalten dem Parlament und der Opposition gegenüber nicht ändern, dann werden Sie weitere Rechnungen dieser Art präsentiert bekommen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Gegen so viel Dummheit in der Rede sind noch keine Kräuter gewachsen!)

17.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch zu Wort gemeldet. Ihre Uhr ist jetzt auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.37

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Ich werde auf die Ausführungen meines Vorredners nicht eingehen, denn das war reinste Polemik. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich dem Budgetkapitel "Oberste Organe", insbesondere dem Rechnungshof zuwenden. Als Mitglied des Rechnungshofausschusses ist es mir ein ganz spezielles Anliegen, Ihnen, Herr Präsident des Rechnungshofes, Ihren Mitarbeitern und Ihren Beamten in meinem Namen und namens meiner Fraktion recht herzlich zu danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir alle und besonders die Mitglieder des Rechnungshofausschusses wissen Ihre Arbeit und die Qualität Ihrer Berichte sehr zu schätzen.

Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Budget für 2002 sieht beim Rechnungshof Ausgaben in der Höhe von 23 719 Millionen j vor. (Abg. Schwemlein: 23 719 Millionen Euro?) Dass von den rund 300 Bediensteten des Rechnungshofes 240 Prüfer sind, spricht für eine schlanke Verwaltung und für einen effizienten Einsatz der Mittel. Es ist daher auch heuer wieder zu erwarten, dass der Rechnungshof durch seine Arbeit mehr an Einsparungen bringt, als er selbst kostet. Man müsste sogar sagen: Je mehr man sparen möchte, um so intensiver beziehungsweise um so öfter müsste man den Rechnungshof einsetzen.


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Der aktuelle Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes – er liegt zwar schon seit Dezember 2000 vor, wurde hier im Plenum aber noch nicht behandelt – bestätigt das auch sehr eindrucksvoll. Auf Grund seiner Arbeit ergaben sich nämlich Mehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben in dreistelliger Millionenhöhe. Allein bei Radio Österreich International konnten 48 Millionen Schilling eingespart werden. Andere vom Rechnungshof begründete Reformen, wie etwa die Kfz-Steuerreform aus dem Jahre 1993, bringen seither jährlich zirka 200 Millionen Schilling an Einsparungen. Diese Liste könnte man beliebig lange fortsetzen.

Ich muss aber ganz selbstkritisch sagen, geschätzte Damen und Herren, dass wir es uns manchmal ein wenig zu leicht beziehungsweise ein wenig zu einfach machen: wenn wir den Rechnungshof zum Beispiel mit einer Aufgabe betrauen, ohne ihm die geeigneten Mittel beziehungsweise die geeigneten Instrumente dafür in die Hand zu geben; geschehen beispielsweise beim Bezügegesetz. (Abg. Schwemlein: Mit dem Geld, das Sie ihm vermeinen, kann er sehr viel machen!)

Ich glaube, es war sinnvoll, den Rechnungshof damit zu beauftragen, die Einkommen der Manager in der staatlichen Wirtschaft zu erfassen. Es kann aber nicht die Aufgabe des Rechnungshofes sein, Prozesse zu führen, damit die betreffenden Personen ihre Daten offen legen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Niederwieser. ) Wir als Gesetzgeber dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken, wir dürfen den Rechnungshof nicht allein lassen!

Wir sollten uns beim Rechnungshof zweierlei vornehmen, geschätzte Damen und Herren! Erstens sollten wir seine Empfehlungen noch rascher und noch zügiger umsetzen – darin liegt nämlich ein sehr, sehr großes Einsparungspotential, und dieses Potential müssen wir für die Verwaltungsreform und für die Budgetsanierung nützen –, und zweitens sollten wir den Rechnungshof nicht mit Dingen belasten, die über die Prüfung und über die Analyse hinausgehen, wie das eben beim Bezügegesetz geschehen ist.

Dass es gute Gesetze gibt, die auch vollzogen werden, das kann man sicherlich nicht dem Rechnungshof umhängen, da sind schon wir Abgeordnete gefordert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Sie sollten sich tatsächlich berichtigen, Frau Kollegin!)

17.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch! Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

17.42

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Budget allgemein möchte ich sagen, dass die Belastungspolitik der Regierung auch im Jahr 2002 weitergeht, dass – und das sind die Kennzahlen – die Lohnsteuer um 18 Prozent in nur zwei Jahren von 199 auf 235 Milliarden Schilling explodiert ist, dass die Lohnsteuerquote so hoch wie nie ist und dass die Vermögensteuer dem gegenüber nur 0,36 Prozent des BIP ausmacht.

Zum Zweiten ist zu sagen, dass die Einnahmen seit 1999 fünfmal so stark wie die Ausgaben gestiegen sind, dass also von ausgabenseitiger Budgetkonsolidierung keine Rede sein kann. Das bestätigt auch der ECOFIN-Rat vom 12. Februar. Er sagt, dass das Budget stark durch einnahmenseitige Defizitverringerung geprägt sei und ein starkes Steigen der Steuerquote zu sehen sei und dass Ihre soziale Treffsicherheit schlechte Zeiten für die "kleinen Leute" bedeute, für die Kranken, die Invaliden, die Unfallrentner, die Pensionisten, die Arbeitslosen und die Studenten. – So viel allgemein zum Budget.

Zum Kunstbudget möchte ich sagen, dass es sich ungefähr im Rahmen hält, dass es heuer einen Zuwachs von 1,8 Millionen j gibt, wobei dem gegenüber anzumerken ist, dass die Bundestheater jedoch seit drei Jahren stagnieren. Da wird man sich etwas überlegen müssen. Die anderen Dinge wurden ja schon erwähnt: dass insbesondere der Bereich des Filmes und der neuen Medien um 0,582 Millionen j gekürzt worden ist, und das trotz Schwerpunktsetzung, und dass auch die 25 Millionen Schilling mehr gegenüber dem Vorjahr im Wesentlichen in den Umbau des Musikvereins fließen. Das heißt, das wirklich Innovative – und Sie, Herr Staats


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sekretär, haben Ihren Vorgänger, Herrn Staatssekretär Wittmann, deshalb des Öfteren kritisiert, auch im Bewusstsein Ihrer Handlungsmöglichkeiten, Ihrer eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten – kann man auch nicht erkennen!

Sie sollten – auch wenn das nicht Ihr Ressort ist – ein Auge auf die Auslandskulturpolitik haben. Die Schließung des Österreichischen Kulturinstitutes in Paris ist eine unsensible Angelegenheit. Ich weiß, es ist zwar nicht Ihr Ressort, aber Sie sollten sich auch ein wenig für die Auslandskultur zuständig fühlen, wenn ich nur daran denke, dass Kulturinstitute, wie zum Beispiel in Mailand und Istanbul, unter Umständen von der Schließung betroffen sind. Da könnten Sie der Anregung meines Kollegen Cap betreffend einen Auslandskulturfonds nahe treten, in dem Mittel von Bund, Ländern, Wirtschaft und Kammern gebündelt und koordiniert werden und womit die Auslandskultur gefördert wird.

Was die Künstlersozialversicherung anlangt, möchte ich sagen, bin ich auf Ihrer Seite. Ich zitiere Peter Turrini – ich möchte das nicht verhehlen, das war eine Leistung von Ihnen, Herr Staatssekretär, das ist in Ordnung –, der dazu, auch in Bezug auf die Menasse-Drohung, dass 50 Künstler ins Ausland gehen würden, nach meinem Dafürhalten richtig gesagt hat, er zahle hier in Österreich Steuern, weil er hier auch den Mund aufmachen möchte! – Das halte ich für einen richtigen Standpunkt. Er hat allerdings auch kritisiert, dass es im Zusammenhang mit der neuen Künstlersozialversicherung einen Berg von Unzumutbarkeiten und organisatorischem Chaos gäbe, und diesen gilt es zu beseitigen.

Zur Volksgruppenförderung ist zu sagen: Diese stagniert in Wahrheit seit Jahren. Insbesondere für die Volksgruppenradios wurde die Förderung komplett gestrichen. Das halte ich wirklich für eine absolute Unzumutbarkeit und eine Schwäche, wenn ich bedenke, dass die Regierung 84 Millionen Schilling für ihre PR-Kampagne ausgibt, aber keine 10 Millionen Schilling für ihre Volksgruppen hat.

Abschließend noch ein paar Worte in Bezug auf die gestrigen Vorkommnisse, den gestrigen Ordnungsruf für den Abgeordneten Pilz für dessen Äußerung von einer im Kern antisemitischen Partei. Wenn jemand wie Herr Landeshauptmann Haider sagt, dass er es nicht verstehe, dass jemand, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann, wenn Abgeordneter Pilz das kritisiert und dafür einen Ordnungsruf erhält – das ist aber nicht die einzige Bemerkung gewesen, es gibt ja auch die Bemerkung des Herrn Abgeordneten Westenthaler über die Juden, nämlich dass die ohnedies schon zu viel bekommen hätten, es gibt die Bemerkung des Herrn Haider über die Ostküste, es gibt die Bemerkung von parasitären Elementen, die auch Herr Haider gemacht hat; ich habe diese Sprache mit "Nazi-Sprache" charakterisiert und dafür vom Präsidenten Fasslabend einen Ordnungsruf erteilt bekommen –, dann sollten sich die Präsidenten des Nationalrates auch einmal darauf einigen, was eine politische Klassifizierung und was eine Beleidigung oder Herabsetzung oder Herabwürdigung ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Abgeordneter Prinzhorn von einer "Zweiklassengesellschaft" spricht, die in höchstem Maße asozial ist, von "Hormonen" redet, wo man sagt, das sei rassistisch, dann müssen Bezeichnungen wie Rassismus, Nationalsozialismus, rechtsextrem, Antisemitismus und so weiter erlaubt sein, ohne dass das mit Ordnungsrufen bedacht wird – das halte ich für sehr, sehr bedenklich.

Sie, Herr Staatssekretär, haben sich in diesem Zusammenhang ja ... (Abg. Dr. Ofner: Posch, deine Redezeit ist schon aus! Vielleicht solltest du das auch bedenken!) Es ist eine freiwillige Redezeit, freiwillig! (Abg. Dr. Ofner: Du redest freiwillig länger! In Ordnung!) Sie, Herr Staatssekretär Morak, haben sich ja ganz klar von dieser Haider-Äußerung distanziert, das habe ich von Ihnen auch nicht anders erwartet. Der Bundeskanzler hat das nicht im gleichen Ausmaß getan, obwohl er im Budgetausschuss gesagt hat, er habe dies bereits getan. Allerdings hat Herr Landeshauptmann Haider noch am gleichen Tag in der "Kleinen Zeitung" behauptet, er habe nie etwas Antisemitisches gesagt, denn wenn er es gesagt hätte, hätte Schüssel schon längst reagiert. Das ist einfach ein Faktum!


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Die Antwort auf diese Form von Politik haben in Wahrheit nicht die völlig überflüssigen EU-Sanktionen gegeben, sondern die Antwort haben die Wähler gegeben. Und eine Antwort – und das ist ein signifikanter Satz, den habe ich mir gemerkt –, hat der Berater für Wissenschaft und Kultur des Grazer Bischofs, Herr Harald Baloch, gegeben, nachzulesen im "Standard".

Der Berater für Wissenschaft und Kultur des Grazer Bischofs Harald Baloch sagte am 2. März im "Standard" in Bezug auf diesen Satz: "Wer mit den Namen von Menschen ein frivol-aggressives Spiel treibt, hat ,Dreck im Maul‘". – Und das ist fast ordnungsrufverdächtig. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Wieder ein Harald!)

17.49

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Es fällt mir schwer, mich nicht mit den Aussagen einiger meiner Vorredner persönlich auseinander zu setzen – ich tue es aber ohnehin!

Ich darf bei meinem unmittelbaren Vorredner Posch beginnen. Er hat sich darüber beschwert, dass die Förderung für die Volksgruppenradios gestrichen worden sei. Mir ist es auch nicht ganz recht, dass es sie nicht mehr gibt, aber sie ist nicht gestrichen worden – da darf ich deinem Gedächtnis nachhelfen –, sondern sie ist von Anfang an nur begrenzt und nur als Starthilfe eingeräumt worden. Man kann jetzt darüber weinen, ob es sie weiterhin gibt oder nicht, aber gestrichen ist sie jedenfalls nicht worden.

Zweitens: Wenn sich irgendjemand aus der Sozialdemokratischen Partei darüber mokiert, dass die jetzige Bundesregierung Werbung betreibe, darf ich den alle nervenden Spruch "Schiene statt Verkehrslawine" des Verkehrsministers in Erinnerung rufen, der uns allen wirklich schon auf den Hammer gegangen ist, aber viele, viele Millionen gekostet hat und der Republik überhaupt nichts gebracht hat (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP – Zwischenrufe bei der SPÖ)  – vielleicht dem Verkehrsminister einen zusätzlichen Negativeffekt, den ich ihm gewünscht habe, aber sonst jedenfalls nichts.

Zum Vorredner Kräuter: Er ist unvorsichtigerweise wieder einmal auf die Wahl vom vergangenen Sonntag zu sprechen gekommen. (Abg. Dr. Mertel: "Unvorsichtigerweise"!) Diese Wahl ist kein Ruhmesblatt für die Sozialdemokraten gewesen! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Ich würde mir wünschen, dass die Freiheitlichen so abgeschnitten hätten, das schicke ich gleich voraus, aber auch den Sozialdemokraten mit ihrem Bürgermeister Häupl ist es nicht gelungen, die Mehrzahl der Wiener auch nur zur Urne zu bringen. Die stärkste Partei ist die Partei der Nichtwähler gewesen, weit stärker als die Partei der Sozialdemokraten! Wenn man die Wahlberechtigten in Relation zu den Stimmen für die Sozialdemokratische Partei stellt, dann erkennt man, es haben nur 30 bis 31 Prozent sozialdemokratisch gewählt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich würde mir das für die Freiheitlichen wünschen, aber ihr dürft nicht so tun, als ob die Mehrheit der Wiener euch akzeptiert hätte. Zwischen 30 und 31 Prozent – ein Trauerspiel. Ein bürgerliches Trauerspiel, um mit Lessing zu reden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Nächste im Bunde: mein Vorredner Brix. Man kann darüber sprechen, ob Arbeitsleihverträge in Ministerbüros notwendig sind oder nicht, ob sie sein sollen oder nicht. Aber heute so zu tun, als ob am 4. Februar vergangenen Jahres die jetzige Bundesregierung die Arbeitsleihverträge erfunden hätte, ist ein bisschen viel. In den vergangenen 50 Jahren waren es gerade die sozialdemokratischen Regierungsmitglieder, die dieses System zur Perfektion erweckt haben und noch ein Schäuferl nachgelegt haben dadurch, dass die Mitarbeiter der diversen Büros anschließend in außerordentlich hohe Positionen in Versicherungen oder in Banken übersiedelt sind. Die prominenten Namen, die in diesem Zusammenhang aufzulisten wären, sind Ihnen besser bekannt als mir. Manchmal hat es auch Pannen gegeben. Unter dem Druck des Geschehens hat ein armer Teufel Selbstmord begangen. Aber das ändert nichts daran, dass der


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Weg vom Ministerbüro in die Direktor- und Generaldirektoretage von großen Banken und großen Versicherungen nachgerade vorgegeben war.

Wenn Sie jetzt so tun, als ob wir das erfunden hätten und als wären es bei Ihnen lauter Räte oder Oberräte aus dem eigenen Haus gewesen, dann muss ich sagen: Das kann man wirklich niemandem zumuten – niemandem auf der Galerie und schon gar niemandem hier herunten. Die Beamten und alle anderen, die da sitzen, können da nur schmunzeln. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser. )

Jetzt noch zu dem Antrag, den ihr eingebracht habt. Ich habe ein durchaus differenziertes Bild von der Pragmatisierung und ihrer Notwendigkeit. Ich glaube, dass die Pragmatisierung nicht mehr so zeitgemäß und nicht mehr so notwendig ist, wie sie es früher war. (Abg. Dr. Niederwieser: Beim Rechnungshof schon!) Ich halte aber auch dafür, dass man wird hergehen müssen (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel ) und besonders exponierte ... – Frau Mertel, ich kann Sie mühelos übertönen, denn ich habe das Mikrophon; Sie können ununterbrochen reden, es versteht Sie niemand, es hört Sie niemand! Ich brauche auch nicht darauf einzugehen.

Man wird differenzieren müssen. Besonders exponierte Gruppen von Beamten – dazu gehören zweifellos nicht nur die in Ihrem Antrag zitierten Richter und Ähnliche, also Justizangehörige, vielleicht auch Exekutivangehörige, sondern sicher auch die Angehörigen von Kontrollorganen wie jene des Rechnungshofes – wird man absichern müssen, wahrscheinlich in vielen Fällen durch Pragmatisierung wie bisher. Viele andere werden der Pragmatisierung nicht bedürfen, so, wie es sie heute in vielen Ländern schon längst nicht mehr gibt – auch dort nicht mehr, wo es sie früher gegeben hat. Aber das bedeutet nicht, dass wir einer Alibi-Effekthascherei wie diesem Fünf-Absätze-Antrag unsere Zustimmung erteilen werden. Wir werden sachlich differenzieren und entsprechend handeln, durch den Reifen, den ihr uns da hinhaltet, werden wir aber nicht springen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.55

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Im Laufe des heutigen Tages sind zur Thematik der Volksgruppen drei meiner Vorredner an diesem Pult gestanden. Ich möchte kurz replizieren.

Der Letzte, der darüber gesprochen hat, war Kollege Posch. Er hat etwas gesagt, was eigentlich auch eine vernichtende Kritik seinerseits am ehemaligen Bundeskanzler Klima – immerhin von der SPÖ gestellt – ist. Kollege Posch hat gemeint – ich zitiere –, die Volksgruppenpolitik stagniere seit Jahren. Kollege Posch, das ist eine massive Kritik am Bundeskanzler Klima, möglicherweise auch an dessen Vorgänger Vranitzky.

Ich behaupte im Gegenzug: Sie stagniert möglicherweise, kann man sagen, wenn man die Ära der sozialistischen Kanzler betrachtet. Sie stagniert zweifelsfrei nicht – und da gebe ich dem Kollegen Kurzmann Recht, der in seiner Rede das Thema angesprochen hat – seit dem 4. Feber 2000 – ich komme noch darauf zu sprechen –, denn seit diesem Datum hat sich in Sachen Minderheiten viel getan. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Kollegin Stoisits: Wir sind es ja schon gewohnt: Seit 1990 höre ich dieselbe Schallplatte – Schellack –, die sie auflegt. Und immer wieder gibt es im Zusammenhang mit der Thematik der Volksgruppen eine einzige Forderung: Mehr Geld, mehr Geld, mehr Geld! Noch nie habe ich von ihr einen einzigen konstruktiven Vorschlag in Sachen Minderheitenpolitik gehört. Aber die Platte "Mehr Geld!" dröhnt mir im Ohr. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das haben Sie aber gerne überhört!) Sie hat kein anderes Thema, als zu glauben, wenn man mehr Geld in die Volksgruppen investiert, kommt unterm Strich automatisch etwas Besseres heraus. Wir, die neue Bundesregierung, ÖVP und FPÖ, haben einen anderen Zugang zur Volksgruppenpolitik. (Beifall


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bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Lieber aushungern, dann passiert gar nichts mehr!)

Meine Behauptung, dass seit dem 4. Feber 2000 mehr für die Minderheiten in diesem Land getan wurde als in 30 Jahren SPÖ-Kanzlerschaft, möchte ich jetzt untermauern.

Kollege Kurzmann hat mit Recht darauf hingewiesen, dass am 13. Juli des vorigen Jahres die ersten zweisprachigen topographischen Aufschriften im Burgenland enthüllt wurden. Kanzler Schüssel war in Großwarasdorf und in Oberpullendorf, meiner Heimatgemeinde. (Abg. Dr. Ofner: Ich auch! Wir waren alle zwei dort!) Harald, du bist ebenfalls dort gewesen. Ich habe dich gesehen. Wir haben uns darüber gefreut.

Es ist etwas verwirklicht worden in diesem Haus, was unter sozialistischen Kanzlern nicht möglich war: das Selbstverständnis, den Staatsvertrag einzulösen. Wir haben es innerhalb einiger weniger Wochen geschafft. In 30 Jahren SPÖ-Kanzlerschaft war es nie möglich. Das ist der Unterschied zwischen der "Regierung neu" und dem, was die SPÖ repräsentiert hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn ich am 1. August des vorigen Jahres besonders stolz gewesen bin, dann deswegen – auch das hat Kollege Kurzmann bereits kurz angesprochen –, weil die Staatszielbestimmung in Bezug auf die Minderheiten klar und deutlich in die Verfassung aufgenommen wurde, was einen qualitativen, wie ich glaube, für alle nachvollziehbaren Sprung in der Verbesserung der Möglichkeiten der Volksgruppen gebracht hat. Auch das, nämlich die Aufnahme der Volksgruppen in die österreichische Verfassung, war mit einem Klima nicht möglich, war mit einem Vranitzky nicht möglich, war mit einem Sinowatz nicht möglich und war mit einem Kreisky nicht möglich. – Das sei in Ihr politisches Stammbuch geschrieben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als ich gestern in der Früh Radio gehört habe – "Radio Burgenland" selbstverständlich, das wir Burgenländer in Wien natürlich hören –, habe ich mit Stolz vernommen, dass das Finanzministerium – und ich möchte dies nur als letzten Beleg dafür anführen, was die neue Bundesregierung in Sachen Minderheiten an neuen Ideen einbringt – eine mehrsprachige Steuerfibel aufgelegt hat: neben dem Deutschen natürlich auch in Kroatisch, in Türkisch, in Slowenisch, in Slowakisch, in Englisch. Eines mahne ich aber jetzt an die Adresse des Finanzministers ein – Herr Staatssekretär, ich darf dich bitten, dies ad notam zu nehmen (Zwischenruf des Abg. Böhacker ); als Angehöriger der ungarischen Minderheit steht es mir zu –: Das Ungarische fehlt in dieser mehrsprachigen Fibel. Herr Staatssekretär! Ich darf ersuchen, dass dies bei der nächsten Auflage nach Möglichkeit in der Form realisiert wird, dass auch das Ungarische, nachdem wir ja eine der Minderheiten in diesem Land sind, verwirklicht wird. (Beifall des Abg. Dr. Ofner. )

Kolleginnen und Kollegen! Abschließend: Es stimmt, was ich sage: Die Volksgruppen in diesem Land wissen, dass sie mit der neuen Bundesregierung mehr Möglichkeiten haben, mehr Rechte erhalten haben und mehr Toleranz genießen. Und dies wirkt sich letztlich auf das Klima in diesem Land aus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Rechnungshofpräsident Dr. Fiedler. – Bitte.

18.00

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Der Rechnungshof hat in seinem Budget für das Jahr 2002 gegenüber dem Jahre 2001 eine geringfügige Erhöhung um rund 1 Million j zu verzeichnen. Er ist dem Hohen Haus dafür dankbar, dass ihm damit die Möglichkeiten geschaffen wurden, sowohl in personeller Hinsicht als auch betreffend den Sachaufwand das Auslangen finden zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sehe in dieser, wenn auch geringfügigen, so doch Erhöhung des Budgets des Rechnungshofes einen Ausdruck der Anerkennung des Nationalrates gegenüber seinem Prüfungsorgan.


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Das wurde im Übrigen auch in mehreren Redebeiträgen in der heutigen Budgetdebatte zum Ausdruck gebracht. Man hat sich beim Rechnungshof für die erfolgreiche Arbeit bedankt, und ich bin sehr froh darüber und sehe darin die Bestätigung, dass der Nationalrat mit unserer Arbeit zufrieden ist, was gleichzeitig eine Motivation für den Rechnungshof und natürlich für seine Mitarbeiter darstellt. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Ich habe auch mit Genugtuung vernommen, dass man sich auf Seiten der Abgeordneten dieses Hohen Hauses Gedanken darüber macht, dass der Rechnungshof in erster Linie Prüfungsaufgaben erfüllen und nicht mit prüfungsfremden Aufgaben belastet werden soll. Ich darf, aufbauend auf diesen Aussagen, einen Appell an den Nationalrat richten, dass er sich in Hinkunft bei jedem Gesetz, das prüfungsfremde Aufgaben für den Rechnungshof vorsieht, genau überlegt, ob es wirklich notwendig ist, dem Rechnungshof auch solche Aufgaben zuzuschanzen, die mit seiner eigentlichen Prüfungstätigkeit nicht im Einklang stehen, zumal sie darüber hinaus noch eine Beeinträchtigung jener Kapazitäten mit sich bringen, die mit Prüfungsaufgaben betraut sind.

Hohes Haus! Die Erhöhung für den Rechnungshof im Jahre 2002 in budgetärer Hinsicht ist auch noch auf etwas anderes zurückzuführen, und zwar auf Aufgaben, die ihm in den letzten Jahren zugewachsen sind. Ich darf an dieser Stelle insbesondere die Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes im Zusammenhang mit den Aufgaben, die durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union entstanden sind, erwähnen.

Auf Grund der Subventionszahlungen der Europäischen Union ist ein weiteres Prüfungsfeld für den Rechnungshof eröffnet worden, das er auch sehr tatkräftig und engagiert wahrnimmt, und zwar nicht allein, sondern im Zusammenwirken mit dem Europäischen Rechnungshof. Ich darf hier, wie ich das bereits im Ausschuss getan habe, nochmals bestätigen: Die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rechnungshof ist eine außerordentlich gute. Die Prüfungsergebnisse, die der Rechnungshof in seinen Tätigkeitsberichten schriftlich niederlegt, bringen diese gute Zusammenarbeit zum Ausdruck.

Darüber hinaus ist aber auch noch erwähnenswert, dass die Prüfungstätigkeit des österreichischen Rechnungshofes in dem Prüffeld, das Subventionszahlungen der Europäischen Union zum Gegenstand hat, sich darin positiv auswirkt, dass der österreichische Rechnungshof auf diese Weise nachprüfen kann, ob von Seiten der österreichischen Administration die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Der Rechnungshof erachtet die Einhaltung dieser gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen durch Österreich und durch die österreichische Administration deshalb für so besonders wesentlich und wichtig, weil bei der Einhaltung dieser Bestimmungen die Gewähr dafür besteht, dass Anlastungen von Seiten der Europäischen Union vermieden werden können; denn die Europäische Kommission ist im Zusammenhang mit der Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen sehr hart. Sie bringt sehr rasch Anlastungen zum Einsatz, wenn sie der Meinung ist, dass gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen verletzt werden. Es ist daher eine Aufgabe des Rechnungshofes, darauf zu achten, dass diesbezüglich keine Verletzungen begangen werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der österreichische Rechnungshof in diesem Bereich sehr erfolgreich präventiv tätig werden konnte. Er konnte in vielfacher Weise Anlastungen, die gedroht haben, noch abwenden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auf diese Art und Weise konnte der Rechnungshof Schaden von der Republik Österreich abwenden. Das ist einmal mehr ein Beweis dafür, dass der Rechnungshof mehr bringt, als er kostet, wie bereits von einer Vorrednerin sehr deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Es sollte daher im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Rechnungshofes nicht nur darauf geschaut werden, wo vom Rechnungshof Mehreinnahmen beziehungsweise die Verminderung von Ausgaben tatsächlich bewirkt werden konnten, sondern auch darauf, wo es darum geht, dass Schaden von der Republik in vielleicht gar nicht genau quantifizierbarer Höhe abgewendet werden konnte.


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Herr Abgeordneter Gaßner, Sie haben die Frage gestellt, wann der Endbericht über das "Euroteam" den Nationalrat erreichen wird. Herr Abgeordneter, ich darf Ihnen versichern: Dieser Bericht befindet sich im Stadium der Endredaktion, und ich gehe davon aus, dass er in absehbarer Zeit dem Nationalrat wird vorgelegt werden können.

Herr Abgeordneter! Worin liegt gerade bei diesem Bericht das besondere Problem in der Erstellung der Endredaktion? Zum einen ist darauf Bedacht zu nehmen, dass bei dieser Prüfung eine Vielzahl von Stellen geprüft wurde. Es handelt sich also nicht nur um eine geprüfte Stelle, sondern um mehrere geprüfte Stellen, was gleichbedeutend damit ist, dass im Zuge des Stellungnahmeverfahrens auch eine Vielzahl von derartigen geprüften Stellen ihre Äußerungen dem Rechnungshof gegenüber abgegeben haben, worauf der Rechnungshof wieder Gegenäußerungen zu erstatten hatte. – Das ist die eine Seite.

Die zweite Problemstellung im Zusammenhang gerade mit dem Bericht über "Euroteam" besteht darin, dass der Rechnungshof bemüht ist, einen aktuellen Stand der Rückforderungen gegenüber "Euroteam" und der "Euroteam"-Gruppe sowie auch jener Rückzahlungen, die bereits von "Euroteam" geleistet wurden, aufzulisten. Die Erhebung dieses aktuellen Standes gestaltet sich gerade wegen der vielfältigen Verästelungen im Zusammenhang mit den Aufträgen, die "Euroteam" und die "Euroteam"-Gruppe bekommen haben, besonders schwierig. Auch diesbezüglich ist der Rechnungshof natürlich interessiert, dem Nationalrat, wie ich bereits zum Ausdruck gebracht habe, einen aktuellen Stand an Zahlen zur Kenntnis zu bringen, und daher gibt es auch im Endstadium der Redaktion noch gewisse Schwierigkeiten, die natürlich vom Rechnungshof gemeistert werden, die aber eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, wofür ich um Verständnis ersuchen darf.

Hohes Haus! Es wurde die Qualität des Rechnungshofes im Zuge dieser Budgetdebatte mehrmals gelobt. Ich darf einmal mehr darauf verweisen, dass die Qualität der Arbeit des Rechnungshofes von der Qualität der Prüfer im Rechnungshof abhängig ist. Die Qualität dieser Prüfer beruht zu einem großen Teil darauf, dass sie die Gewissheit haben, dass sie bei der Prüfung eigenverantwortlich und eigenständig vorgehen dürfen und können. Die Eigenverantwortlichkeit der Prüfer und das kritische Denken im Zusammenhang mit der von ihnen vorgenommenen Prüfungstätigkeit ist aber auch davon abhängig, dass die Prüfer die Garantie haben können, dass ihnen aus der Prüfungstätigkeit und aus der von ihnen geübten Kritik kein Nachteil erwachsen darf. Sie müssen daher beruflich abgesichert werden, wenn sie prüfen und wenn sie darüber einen Bericht legen. Sie dürfen in diesem Zusammenhang nicht nur keinen Einflüssen von außen ausgesetzt sein, sondern es darf nicht einmal der Anschein erweckt werden, dass solche Einflüsse schlagend werden könnten.

In kaum einem anderen Bereich wie im Bereich der Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes ist daher – und das ist meine feste Überzeugung – das Berufsbeamtentum für die Prüfer angebracht. Das Berufsbeamtentum ist nach Meinung seines Präsidenten das Essentiale für die Sicherung der Prüfer und damit auch für die Sicherung der Qualität der Prüfer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Wenn von einigen Vorrednern angesprochen wurde, dass die Pragmatisierung, so wie sie derzeit geradezu flächendeckend in Österreich vorhanden ist, in Zukunft nicht mehr die gesamte Verwaltung umfassen muss – Herr Abgeordneter Ofner hat beispielsweise darauf Bezug genommen –, so kann ich das nur unterstreichen. Gewiss ist die Pragmatisierung derzeit in einem Ausmaß ausgedehnt, wie es nicht notwendig und auch nicht wünschenswert ist. Beim Rechnungshof halte ich sie allerdings für unabdingbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf daran erinnern, was ich im Ausschuss gesagt habe, nämlich: Die Pragmatisierung im Rechnungshof ist nicht Selbstzweck, sondern sie ist Mittel zum Zweck. Sie ist Mittel zur Erhaltung der Qualität der Prüfungen, der Qualität der Berichterstattung. Ich unterstütze daher alle Bestrebungen, die darauf abzielen, diese Qualität zu erhalten, und Vorstufe dafür ist die Auf


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rechterhaltung der Pragmatisierung im Rechnungshof, die daher gleichfalls von mir voll unterstützt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf daher an dieses Hohe Haus den Appell richten: Unterstützen auch Sie all die Bestrebungen, die in die Richtung gehen, die Pragmatisierung im Rechnungshof aufrechtzuerhalten – im Interesse der Qualität des Rechnungshofes und letztlich im Interesse unserer Republik und unserer Steuerzahler. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.11

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident! Herr Volksanwalt! Herr Präsident des Nationalrates! Ich bin eigentlich ein Gegner des argumentum ad personam, möchte mich aber dennoch heute auf Grund des Debattenbeitrags von Kollegen Posch mit seiner Person und seiner Funktion hier im Nationalrat befassen.

Ich kenne Kollegen Posch seit 1994 oder 1995, sofern ich mich richtig erinnere. Soviel ich weiß, war er einmal neben seiner Funktion im Nationalrat gleichzeitig im Europäischen Parlament und hat für einige Schlagzeilen gesorgt, weil er Doppelbezüge kassierte. Ich habe Kollegen Posch jetzt wirklich mehrfach beobachtet, und zwar sowohl in den Ausschüssen, in denen ich immer wieder mit ihm zu tun gehabt habe, als auch hier im Plenum des Nationalrates (Abg. Dr. Mertel: Miss Vienna!), und ich musste feststellen, dass er sich eigentlich immer nur mit einem einzigen Thema befasst. – Frau Kollegin Mertel, Sie erinnern sich: "Das wäre auch eine Möglichkeit!" Da haben Sie natürlich "Recht"! (Abg. Dr. Mertel: Es wäre eine Möglichkeit, dass man Sie mit einer Miss Vienna ...!)

Ich wiederhole: Ich habe ihn nur in der Weise erlebt, dass er sich immer nur mit einem einzigen Thema befasst, bei dem es darum geht, die Freiheitlichen undifferenziert anzuschütten. Das ist sein einziger Auftrag und seine einzige Funktion! Es ist schade, dass der Rechnungshof nicht die Arbeit der Abgeordneten nach deren Qualität beurteilen kann. Wäre dies möglich, dann müsste es eigentlich eine Kürzung der Bezüge von Kollegen Posch geben, der sich nie vorbereitet, der nie in der Sache Stellung bezieht, der sich ausschließlich damit befasst, die Freiheitliche Partei zu diskreditieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Mertel! Kollege Posch hat heute wieder einmal ein beredtes Beispiel dafür gegeben, wie er seine Stellung hier im Hohen Haus sieht und worin er den Sinn seiner Betätigung und seiner Funktion hier im Hohen Hause sieht, als er sein Bedauern dazu zum Ausdruck gebracht hat, dass es einen Ordnungsruf für Kollegen Pilz gegeben hat, weil dieser pauschal die FPÖ als antisemitische Partei bezeichnet hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Gesinnung, die Kollege Posch hier herinnen vertritt, ist genau jene Gesinnung, die in den dreißiger Jahren zu den fürchterlichen Verhältnissen in Österreich geführt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist der Hass, den er hier vor sich herträgt und den er dadurch zum Ausdruck bringt, dass er eine Gesinnungsgemeinschaft pauschal abqualifiziert. – Meine Damen und Herren von der SPÖ, nehmen Sie das, bitte, zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Bezug auf Antisemitismus, den er hier anderen vorwirft, ist er wirklich auf einem Auge blind, denn wo bleibt seine Empörung über die Aussagen von Herrn Blecha? Zu den Aussagen von Herrn Blecha, der bekanntlich die Existenz Israels aberkennen will, erklärt man uns von Seiten der SPÖ hier im Hohen Haus, diesbezüglich habe es ohnehin eine Entschuldigung beim Botschafter gegeben.

So macht man das: Zu den öffentlichen Erklärungen von Herrn Blecha, in welchen dieser die Existenz Israels aberkennen will, schreibt man einen diskreten Brief an den Botschafter, und


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dann glaubt man, es sei damit alles erledigt. Und was tut Kollege Posch? Er verschweigt sich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Gehen Sie Jaguar fahren, das können Sie besser!)

Kollege Schwemlein! Meine Damen und Herren von der SPÖ! Bitte, wo ist denn Ihre Empörung oder Ihre Distanzierung im Nachhinein?!

Ein zweiter Punkt: Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ihre Partei hat nicht davor zurückgescheut, Simon Wiesenthal, der in seinem Buch zu Recht Gerechtigkeit statt Rache eingefordert hat, als Mitglied einer mafiosen Vereinigung zu diskreditieren (Abg. Dr. Mertel: Wie ist das mit Miss Vienna?), und Ihre Partei beziehungsweise Ihr damaliger Klubobmann hat es zuwege gebracht, gegen Simon Wiesenthal sogar einen Untersuchungsausschuss einzufordern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Differenzieren Sie in Ihren Aussagen! Stellen Sie sich nicht hierher als große Kämpfer gegen den Antisemitismus! Ich trete auch dafür ein, dass man antisemitischen Strömungen entgegenwirken muss – das ist überhaupt keine Frage –, aber seien Sie, bitte, nicht auf einem Auge blind und beschuldigen Sie nicht eine Partei, beschuldigen Sie nicht per saldo Abgeordnete einer Partei, indem Sie sie des Antisemitismus bezichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch ein Letztes zu Kollegen Posch, der hier, sich hinter einem Zitat versteckend, ausführte, wie man etwa zu werten hat, wenn man eine Verballhornung mit Namen betreibt. Da muss man sagen: Das soll dann aber für alle gelten!

Meine Damen und Herren! Es ist mir noch gut in Erinnerung, dass ein Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei zu jener Zeit, als Kollege Gudenus noch im Nationalrat war, dessen Namen mindestens 15 Mal in seiner Rede verballhornt hat, indem er von Abgeordnetem "gute Nuss" gesprochen hat. (Abg. Schwemlein: Na, Gott bewahre uns vor Gudenus!) Er tat dies 15 Mal!

Wo ist denn da Ihre Empörung geblieben? Ist das nicht auch eine Verballhornung eines Namens, Herr Kollege? – Bitte, messen Sie nicht mit zweierlei Maß! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir Leid, ich bin leider mit meiner Redezeit schon am Schluss. Ich bin wahrscheinlich hart an der Sache vorbeigeschrammt, aber es war mir ein Bedürfnis, Kollegen Posch das einmal in aller Klarheit zu sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich zwei Dinge erwähnen: Ich habe mir jetzt die Protokolle der vormittägigen Debattenbeiträge der Abgeordneten Kogler und Edlinger geben lassen.

Herr Abgeordneter Edlinger hat im Zuge eines Zwischenrufes an Frau Abgeordnete Aumayr zugerufen: "Papagei"! – Ich halte das für eine Verächtlichmachung einer Abgeordneten und erteile Herrn Abgeordnetem Edlinger dafür einen Ordnungsruf. (Abg. Dr. Martin Graf: Sexistisch ist das! Massiv sexistisch! Sexistisches Macho-Gehabe! – Abg. Haigermoser: Da lacht die Frau Mertel! Das gefällt ihr!)

Zum Zweiten hat Herr Abgeordneter Kogler an die Adresse des Herrn Abgeordneten Westenthaler eindeutig gesagt: "Wenn Ihre Weisheit" – er meinte damit Westenthaler – "auf den letzten Sonntag die ist, dass Sie mit der Führer-Fibel da herumfuchteln ..."

Für diese Diktion als Verächtlichmachung des Herrn Abgeordneten Westenthaler erteile ich Ihnen ebenfalls einen Ordnungsruf.

Herr Abgeordneter Kogler, Sie sind dennoch am Wort. – Bitte.

18.17

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sehr geschätzter Herr Präsident! Die Erteilung eines Ordnungsrufs und die mehr oder weniger demütige Kenntnisnahme desselbigen hat ja mit der weiteren Worterteilung Gott sei Dank noch nicht so viel zu tun.


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Herr Präsident des Rechnungshofs! Herr Bundeskanzler! Meine Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Herren! Mein Vorredner hat gesagt, er sei am Thema vorbeigeschrammt; das habe ich nicht vor, ich fasse mich auch ganz kurz. (Demonstrativer Beifall des Abg. Wenitsch. ) Das ist, glaube ich, die einzige Verständigungsbasis, die wir finden. (Abg. Jung: Richtig!)

Ich kehre zum eigentlichen Thema zurück: Ich möchte mich beim Präsidenten des Rechnungshofes im Namen der grünen Fraktion für die Leistungen, die vom Rechnungshof das ganze Jahr hindurch erbracht werden (Zwischenruf bei den Freiheitlichen)  – geh, hören Sie doch auf mit Ihren infantilen Zwischenrufen! –, außerordentlich bedanken. Der Rechnungshof ist eine der wichtigsten Institutionen in dieser Republik, und es ist auch dafür zu danken, dass die Zusammenarbeit mit dem Hohen Haus fast nicht besser funktionieren könnte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In seiner Rede hat der Herr Präsident des Rechnungshofes das Wesentliche ausgeführt. Es ist nur wichtig, dass wir es uns selbst immer wieder in Erinnerung rufen, und deshalb tue ich es jetzt auch – wissend, dass es wiederholend ist, aber einen neuen Aspekt hinzufügend –: Wenn wir ein Bezügebegrenzungsgesetz mit Verfassungsbestimmungen verabschieden, dann ist es auch die Pflicht der Abgeordneten, und zwar gerade jener, die fleißig mitgestimmt haben – das waren zumindest alle Abgeordneten der ÖVP, die 1997 schon hier im Hohen Haus gesessen sind –, ein bisschen mehr Empathie an den Tag zu legen, wenn es darum geht, dass diese Bestimmungen auch eingehalten werden.

Ich sehe es wirklich nicht ein, dass eine ÖVP-nahe Organisation nach der anderen die Einhaltung dieser Verfassungsbestimmungen verweigert. Richtig ist, dass der Rechnungshof nur mehr die rechtlichen Schritte einleiten kann. Er tut das in vorbildlicher Weise und auch in der Weise, dass es von seinen Ressourcen her gerade noch verträglich ist.

Aber dass es überhaupt so weit gekommen ist, hat damit zu tun, dass etliche Organisationen, die, wie gesagt, der ÖVP zum Teil sehr nahe stehen, sich nicht an diese Bestimmungen halten wollen. Und ich vermisse hier den Aufschrei der Verfassungsschützer in den Reihen der ÖVP.

Letzter Punkt: Wir haben jetzt über das Kapitel Oberste Organe abzustimmen und anschließend über das Bundeskanzleramt. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in einem Fall dafür stimmen werden, weil das Parlament und der Rechnungshof natürlich ganz wesentliche Institutionen sind, die entsprechend dotiert gehören.

Wir sehen aber Tendenzen, dass langfristig dem Parlament sozusagen ressourcenmäßig das Wasser abgegraben werden soll, während bei der Bundesregierung weiterhin – auch die alte Bundesregierung hat sich nicht mit dem Ruhm der Sparsamkeit bekleckert; das ist schon richtig – fröhlich nachjustiert werden soll. Das werden wir zumindest insoweit nicht zulassen, als wir – wenn wir es hier im Haus mit unserer nicht vorhandenen Mehrheit schon nicht verhindern können – doch immer wieder darauf hinweisen werden, Herr Bundeskanzler.

Es ist ein Problem, wenn man das Parlament immer weiter ins Sparen drängt und dies auch sozusagen moralisch appellierend tut. Herr Kollege Krüger hat das im Budgetausschuss sogar so weit getrieben, dass er gemeint hat: Wenn schon schwerste Opfer auf die Bevölkerung zukämen, dann muss doch auch das Parlament sparen! – Das ist ein interessanter Einwand, weil er die Opfer der Bevölkerung an dieser Stelle zugegeben hat, aber ich betone: Das führt in die Sackgasse!

Das Parlament muss natürlich effizient arbeiten, aber dagegen, dass man dem Parlament ressourcenmäßig am Zeug flickt und damit in Wirklichkeit gemäß der österreichischen Realverfassung natürlich im Wesentlichen die Opposition trifft, werden wir auftreten; dies umso mehr, als bei den unsäglichen Regierungskampagnen ja genügend Steuergeld ausgegeben wird.

Herr Bundeskanzler! Eines dieser Inserate beinhaltet ja sinnigerweise die Botschaft: Der Staat spart bei der Verwaltung, bei den Politikern und der Bürokratie. Ich betone: bei den Politikern! Sie machen solche Kampagnen, schmeißen, glaube ich, jedes Jahr 50 Millionen Schilling dafür


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hinaus – ich bin gespannt, wie das heuer ausschauen wird – und leisten sich in Ihren Kabinetten die teuersten Mitarbeiter. Wir werden das im Unterausschuss ja dann noch zu beraten haben.

Diese Diskrepanz ist es, die nicht mehr erträglich ist. Daher geben wir unsere Zustimmung beim Kapitel "Oberste Organe" und unsere entsprechende Ablehnung beim Kapitel "Bundeskanzleramt" und folgende. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.23

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Am Ende einer langen Debatte zu diesem ersten Budgetkapitel, das wir beraten, noch einmal die Wiederholung der frohen Botschaft: Das Budget 2002 ist seit Jahrzehnten das erste Budget ohne neue Schulden, meine Damen und Herren! Und das ist das Verdienst dieser neuen Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das stellt in der Tat einen Paradigmenwechsel in der Politik dar. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ja, das haben Sie schon oft gehört. Und ich sage es Ihnen noch einmal, ich sage es Ihnen mit Freude noch einmal, weil das ein Budget ist, das der österreichischen Jugend auch Zukunft gibt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Wissen Sie, es war ja ganz spannend, heute in der Früh Herrn Klubobmann Gusenbauer zu hören, wie er gesagt hat, von den gesamten Zugewinnen, die es jetzt durch ein erfolgreiches Wirtschaftswachstum, durch Vollbeschäftigung gibt, bliebe den Österreichern nichts, weil alle Zugewinne in die Tasche des Finanzministers wandern würden. – Aber das ist falsch! Diese Zugewinne wandern nicht in die Tasche des Finanzministers, sie wandern in die Rückzahlung jener Schulden, für die Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Hauptverantwortung tragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: So ein Blödsinn! – Abg. Dr. Mertel: Sie Schläfer! Sie haben 40 Jahre geschlafen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich gestehe und gebe zu: Nur SPÖ-Mitgliedern geht es da noch schlechter, denn die müssen zusätzlich in die SPÖ-Parteikassa zahlen. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Wissen Sie, die Überheblichkeit, die Sie zum Teil im Zusammenhang mit der Wiener Landtagswahl an den Tag gelegt haben, war wirklich interessant. Ich meine, wir haben ja durchaus sehr erfolgreich die steirische Landtagswahl geschlagen: mit einem Zugewinn von über 11 Prozent. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steibl: Genau! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Genau so ist es: Es war eben eine Landtagswahl, ebenso wie die Wahl in Wien.

Doch eines sei Ihnen hier wirklich ins Stammbuch geschrieben: Herr Bürgermeister Häupl hat sich in relativem Verantwortungsbewusstsein in den Finanzausgleich eingebracht und auf diese Weise in Wirklichkeit die Budgetvorhaben indirekt unterstützt. Er hat die Wahl gewonnen, das sollten Sie sich fest hinter die Ohren schreiben! Möglicherweise wäre es auch für Sie gut, unsere Budgetpolitik zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Grabner hält eine Ausgabe der "Kronen-Zeitung" mit der Schlagzeile "Riss in FPÖ nach Haider-Schelte!" in die Höhe. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) .

Den ganzen Tag über haben Sie die Budgetpolitik der Bundesregierung kritisiert, ohne einen einzigen konstruktiven Vorschlag einzubringen. (Abg. Dr. Mertel: Lesen! Können Sie nicht lesen?)  – Frau Abgeordnete Mertel! Gerade von Ihnen hätte ich mir dazu etwas erwartet – vielleicht zu Unrecht –, aber den ganzen Tag haben Sie keinen einzigen konstruktiven Vorschlag gebracht.

Das ist das eigentliche Problem. Sie kritisieren die Budgetpolitik der Bundesregierung, haben aber keinen Gegenvorschlag. Sie kritisieren, dass wir keine neuen Schulden machen. Die einzigen Vorschläge, die Sie haben, lauten: Weitermachen wie bisher! – Das bedeutet, Schul


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den zu machen auf Kosten künftiger Generationen und damit in Wirklichkeit die Zukunftschancen für die Jugend heute zu verjausnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen Folgendes in aller Deutlichkeit sagen: Sie reden der Bevormundung durch den Staat das Wort. – Das wollen wir nicht. Wir wollen einen anderen Staat. Wir wollen einen Staat, in dem die Eigenverantwortung etwas gilt. Wir wollen keine Bevormundung durch den Staat. Sie wollen einen Staat, in dem alles gratis ist – vieles in diesem Zusammenhang ist dann auch umsonst. Aber wir wollen eine Kostenwahrheit schaffen. (Zwischenruf des Abg. Edler. )  – Sie träumen von vergangenen Tagen, und wir gestalten die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass es völlig richtig ist, ein Budget zu machen, das auf der einen Seite den künftigen Generationen keine neuen Schulden aufhalst. Es ist Gott sei Dank so, dass wir nun das erste Budget in Euro haben. Es ist aber auch ein Budget, das in Österreich die Vollbeschäftigung gebracht hat, und zwar ohne neue Schulden. Auch das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen, und die Schulden von heute sind auch die Arbeitslosen von morgen. Auch das wollen wir nicht. Dennoch gibt es klare Akzente in diesem Budget, und zwar für Zukunftsinvestitionen, in den Bereichen Forschung, Bildung und Infrastruktur. Das garantiert Vollbeschäftigung, und das garantiert ein Wirtschaftswachstum. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Abschließend – und das muss ich wirklich noch sagen –: Wenn man heute in der Früh Abgeordneten Gusenbauer gehört hat, wie er förmlich (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edler ) das Zurückgehen des Wirtschaftswachstums herbeigebetet hat, wie er förmlich darum gefleht hat, dass die Arbeitslosenrate wieder steigen möge, da hatte man fast den Eindruck, Sie wünschen sich schlechtere Wirtschaftsdaten für unser Land! Doch ich sage Ihnen: Diese Bundesregierung wird dem entgegenstehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo!)

18.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort. (Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung, und zwar kommen wir nun zur Abstimmung über die Beratungsgruppe I des Bundesvoranschlages für das Jahr 2002.

Diese umfasst die Kapitel 01 – 06 des Bundesvoranschlages in 500 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 540 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über den bei der Verhandlung der Beratungsgruppe I des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsantrag sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Brix und Genossen betreffend Garantie der Unabhängigkeit des Rechnungshofes. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Wo ist der Brix? – Abg. Böhacker  – in Richtung SPÖ –: Die haben nicht einmal mehr einen Klubobmann! Kein Klubobmann! Kein Edlinger!)


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt .

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die Beratungsgruppe II des Bundesvoranschlages für das Jahr 2002.

Diese umfasst die Kapitel 10 und 13 des Bundesvoranschlages in 500 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 540 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Beratungsgruppe XIII

Kapitel 70: Öffentliche Leistung und Sport

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Beratungsgruppe XIII: Kapitel 70: Öffentliche Leistung und Sport.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Der erste Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Haigermoser hält ein Plakat mit der Aufschrift "Buenos dias, SPÖ! 27 Millionen öS abkassiert!" in die Höhe und ruft in Richtung SPÖ: Cap! Verstehst du? Buenos dias, SPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

18.31

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen. – Rufe: Red weiter! – Abg. Edler: Wien ist wieder rot! – Weitere Zwischenrufe.) Es gäbe im Bereich des Sports natürlich eine Menge interessanter Themen zu bereden, aber ich bin von den Chefredakteuren zweier einschlägiger Magazine ausdrücklich darum gebeten worden, neuerlich zum Thema "Radfahren auf Forstwegen" Stellung zu nehmen, denn sie wollen weiter darüber berichten – sie haben mir das zugesagt –, und sie sind natürlich auch daran interessiert, welche Position von der ÖVP und von der FPÖ in dieser wichtigen Frage vertreten wird. (Der Redner hält das Bild einer Forststraße in die Höhe; drei Verkehrsschilder sind erkennbar: Fahrverbotszeichen Forststraße, darunter: "gilt auch für Radfahrer", darunter: "3,5 t". – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Fotomontage! Herr Kollege, das ist kein echtes Foto! – Weitere Zwischenrufe. – Unruhe im Saal.)

Meine Damen und Herren! Es ist ja tatsächlich absurd, dass auf Forstwegen zwar Jagdlimousinen und Lastwägen bis zu 3,5 Tonnen fahren dürfen, aber Radfahrern, die im Durchschnitt wahrscheinlich 80 Kilo wiegen, das nicht erlaubt ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Fotomontage! Ein getürktes Bild war das!)

Meine Damen und Herren! Natürlich interessieren sich die Medien sehr für den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion. Das ist ein Konzept, eine Handlungsgrundlage. Ja, meine Damen und Herren, die einschlägigen Freizeit-, Natur- und Sportmagazine, wie etwa das "Mountainbike Magazin" und die "Mountainbike Revue" wollen genau wissen, wie es diesbezüglich weitergeht. (Der Redner hält die genannten Magazine in die Höhe.)

Es tut Ihnen schon sehr weh, Herr Westenthaler, wenn es darin heißt: Der Druck wird so groß werden, das lassen sich die Leute nicht mehr gefallen. Außerdem müssen sich die Freiheitlichen irgendwann einmal entscheiden, auf welcher Seite sie stehen. Sie geben sich doch so gerne jugendlich und dynamisch. (Abg. Ing. Westenthaler: Warum zeigen Sie getürkte Bilder her? Sie trauen sich nicht, das noch einmal herzuzeigen!)

Oder, meine Damen und Herren, im Magazin "Der Naturfreund", einer sehr auflagenstarken Zeitung, stehen Berichte über das Radfahren auf Forstwegen. – Oder: Im Magazin "Land der


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Berge" findet sich unter dem Titel "Unlogisch und ungerecht" ein ganz großer Artikel, in dem es heißt, die Situation sei unlogisch und ungerecht.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie können sich heute ja artikulieren – das wird mit großem Interesse beobachtet – und zeigen, ob Sie ein Herz für die Jugend und für die gerne Rad fahrende Bevölkerung in unserem Land haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Grollitsch  – auf die Fotografen in der Journalistenloge weisend –: "Die Presse" bringt Ihr Bild!)

Die Frage des Radfahrens auf Forstwegen ist natürlich auch eine sehr wichtige wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Frage, die mit dem Budget sehr viel zu tun hat. Über einem großen Artikel im heutigen "Kurier", dessen Überschrift lautet: "Sport bringt auch das Geld zum Rollen", sind viele Radfahrer – keine Fotomontage, Herr Kollege Westenthaler – abgebildet. Ich weiß nicht, ob Ihnen so etwas überhaupt noch auffällt.

Da heißt es: "80 Mrd. S Wertschöpfung,100 000 Beschäftigte". Und jetzt kommt es: Wenn es also in Österreich heißt – und darüber gibt es Untersuchungen –, dass jeder Schilling, der in den Sport investiert wird, im Durchschnitt 1,48 S an Wertschöpfung im Land schafft (Abg. Miedl: Da kommen Sie spät drauf, Herr Dr. Kräuter!), dann gebe ich Folgendes zu bedenken, meine Damen und Herren:

Wir investieren in Österreich in den Schisport, in die Infrastruktur für den Schisport, Hunderte Millionen Schilling, Frau Vizekanzlerin. Da ist man sehr großzügig, was die Zerstörung der Natur, was Jagdinteressen oder forstliche Interessen betrifft. Das spielt alles keine Rolle. Man sagt: Für den Schisport, für den Tourismus, für den Sport, für die Jugend ist das notwendig.

Meine Damen und Herren! In Österreich ist doch noch eine andere Sportinfrastruktur vorhanden. Es gibt ein weit verzweigtes Forstwegenetz. Das kostet nichts! Das könnte man benützen. Warum geben Sie das nicht frei, Frau Vizekanzlerin? Dazu sind Sie uns nach wie vor eine Auskunft schuldig geblieben.

Unter dem Titel "Rad-Verbot im Wald kostet uns Milliarden" berichtete "Die Presse" am Mittwoch, dem 25. Oktober, dass ein Bikermagazin – und alle, die sich hier noch Wirtschaftskompetenz anmaßen, mögen herhören – im Salzburger Lungau einen großen Event planen wollte, der dann wegen des Verbotes des Radfahrens auf Forstwegen nicht über die Bühne gehen konnte. Eine halbe Milliarde Schilling an Wertschöpfung sei uns dabei entgangen. Es seien zu dieser Veranstaltung, die dann am Gardasee stattgefunden habe, 15 000 Leute gekommen. (Abg. Zweytick: Und wie habt ihr euch beim "Österreich-Ring" verhalten? Wie habt ihr euch beim "Ö-Ring" verhalten? Und dann jammern Sie wegen einem Event!)  – Meine Damen und Herren! So gut geht es unserem Tourismus auch wieder nicht, dass wir solche Chancen einfach vergeben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Kollege Zweytick! Es gibt einen konstruktiven Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion – dies auch zum Stichwort "Fundamental-Opposition", die uns so gerne vorgeworfen wird –, und es ist auf wissenschaftlicher Grundlage ein sehr bestechender Antrag ausgearbeitet worden. Damit wäre die entscheidende Frage der Haftung für alle Zeiten geklärt, denn der Forststraßenerhalter würde – nach unserem Vorschlag – nur so haften, wie er auch für einen Fußgänger haftet. Das wäre eine sehr einfache Lösung, die mit geringen gesetzlichen Änderungen in der Straßenverkehrsordnung und im Forstgesetz zu verwirklichen wäre. (Abg. Zweytick: Es gibt einen großen Unterschied! Eigentum!)

Meine Damen und Herren! Es wird oft sehr absurd argumentiert. Ich möchte Ihnen hier aus der ORF-Homepage von Salzburg etwas vorlesen: Die generelle Öffnung der Forststraßen im Bundesland Salzburg für Mountainbiker sei unvorstellbar, sagt Max Mayr-Melnhof, der Obmann des Vereins der Salzburger Waldbesitzer.

Und jetzt kommt die Begründung: Er begründet das mit den hohen Kosten zur Erhaltung der Wege und Straßen. Holzbringung und Schwerverkehr würden auf den Forststraßen nachhaltige Schäden anrichten.


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Meine Damen und Herren! Wer derartig argumentiert, verdient keine andere Antwort als die von einem Leser, der sich dazu gleich gemeldet hat. Er schreibt: Die Aussage von MM ist eine Frechheit. Wenn Schwerfahrzeuge für Holztransporte hohe Kosten bei den Forststraßen verursachen, dann sollen das gefälligst die Bundesforste selber bezahlen. Das ist eine klare Bereicherung, was die da treiben. Schämt euch und nehmt euch ein Beispiel an anderen Ländern. Dort kann man mit dem Bike überall fahren, ohne fürchten zu müssen, von einem präpotenten Förster erschossen zu werden. – Zitatende.

So schaut das aus! Und Sie, Frau Sportministerin, sind heute gefordert. Wenn Sie in "NEWS" über die Krise in der FPÖ sagen, dass Sie in einer emotional schwierigen Situation sind und nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können, dann ist das zu verstehen. Sie sagen: Parteiintern müssten organisatorische und personelle Konsequenzen gezogen werden.

Frau Vizekanzlerin! Frau Sportministerin! Ziehen Sie auch inhaltliche Konsequenzen! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Entweder behalten Sie den Vorsitz im Exekutivkomitee für die Weltmeisterschaft 2002 für die Mountainbiker in Österreich, oder Sie treten weiterhin für die Wegsperre für Hunderttausende Radsportbegeisterte ein. (Abg. Zweytick: Übertreib doch nicht so!) Alles andere ist doppelbödig, ist unglaubwürdig. Sie müssen sich entscheiden! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Noch ein Hinweis, was die Glaubwürdigkeit der FPÖ in der Sportpolitik betrifft. Bitte, Frau Vizekanzlerin, ersparen Sie uns und ersparen Sie sich selbst die Lippenbekenntnisse, dass Parteipolitik in Ihrer Sportpolitik nichts verloren habe. Wenn ich an das EM-Stadion in Kärnten denke, dann möchte ich Sie bitten: Seien Sie einfach ehrlich und sagen Sie: Was der Herr Dr. Haider mir anschaffen wird, das werde ich tun. – So ist doch die Situation mit dem Stadion in Kärnten! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen kein Stadion haben!)

Abschließend zwei sportpolitische Ratschläge: Vermeiden Sie ein peinliches Drängen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit bei der Mountainbike-WM, wenn Sie kein Herz für die Radfahrer haben (Abg. Zweytick: Das ist ein Eigentor, mein Freund!), und behaupten Sie nicht, dass bei Ihnen die Parteipolitik im Sport nichts verloren hat, solange Sie hier eine Marionettenpolitik für den Dr. Haider betreiben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zweytick: Das zweite Eigentor! Günther, bleib beim Fußball! Bleib aus der Politik draußen!)

Meine Damen und Herren! Die Regierung ist ein Tummelplatz unfähiger Experten, richtet Dr. Haider aus. Ich glaube, diese Feststellung wird sich wie ein roter Faden durch die gesamte Budgetdebatte ziehen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – eine Zeitung in die Höhe haltend –: Alle Klone haben Defekte! Aufpassen!)

18.39

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Kräuter wird mein steirischer Kollege Miedl antworten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Gott sei Dank bleibt mir das erspart.

Ich darf mich der öffentlichen Verwaltung zuwenden. Meine Damen und Herren! Es kann nicht oft genug gesagt werden: Dieses Budget ist nicht nur das erste Budget, das in Euro abgefasst ist, sondern es ist auch das erste seit Jahrzehnten, das einem ausgeglichenen Saldo zusteuert.

Das Ende der Schuldenpolitik sozialdemokratischer Prägung ist nämlich das Ziel dieser Regierung. Es ist aber zudem ein Budget, das den Weg in Richtung einer effizienten Verwaltungsreform einschlägt. Auch dieser Weg bedeutet das Ende eines sozialdemokratischen Dogmas, das da lautet: Der Staat ist der universelle Kümmerer für den Bürger, und der Bürger ist der Untertan.


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Diese Regierung will den Staat ausschließlich auf strategische Aufgaben reduzieren. Der Staat soll nicht mehr als universeller Kümmerer auftreten, sondern als Koordinator. Hätten die Sozialdemokraten schon in vorigen Regierungen eine Verwaltungsreform zugelassen, dann hätten wir uns sicher viele Sparpakete schenken können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist höchst an der Zeit, diese Reform, die wir phrasenhaft bereits seit beinahe 20 Jahren diskutieren, auch endlich Realität werden zu lassen. Verehrte Frau Vizekanzlerin! Sie sind Garant dafür, und es ist Ihnen auch wirklich hoch anzurechnen, dass Sie sich zielbewusst der Problematik stellen, die Aufgaben- und Leistungspalette der öffentlichen Hand gründlich auf die Notwendigkeit und Effizienz überprüfen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Experten schätzen die mittelfristigen Einsparungspotentiale in der öffentlichen Verwaltung auf rund 50 Milliarden Schilling. Wir müssen dieses Potential endlich nützen, schon im Hinblick auf den europäischen Vergleich in Bezug auf die Staatsquote, wo wir bedauerlicherweise ja nicht besonders optimal liegen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen einen Vergleich präsentieren. Bayern hat 12 Millionen Einwohner, und Österreich hat, wie wir wissen, 8 Millionen. Die Staatskanzlei in Bayern kommt mit 380 Beamten aus, während unser Bundeskanzleramt 675 Beamte benötigt. (Ruf bei der SPÖ: Das kann man nicht vergleichen!) Das Ministerium für Finanzen kommt in Bayern bei 12 Millionen Einwohnern mit 450 Beamten aus, während wir 910 benötigen.

Ich könnte Ihnen alle Vergleichszahlen präsentieren. Ich habe diese Vergleichszahlen aus der Homepage der Bayerischen Staatskanzlei und aus unserem Personalinformationssystem des Bundes. Das nur zur Vergegenwärtigung.

Wir müssen uns aber auch dessen bewusst sein, dass die Beamtinnen und Beamten nicht ursächlich die Schuld an diesem Dilemma in der öffentlichen Verwaltung tragen, sondern es ist letztlich auf uns zurückzuführen. Wir sind es, die die Beamten und die Bürger mit der vielzitierten, oft beschworenen Gesetzesflut schier "überschwappen".

Aber es liegt auch an der spezifisch österreichischen Mentalität des Beamten, der sich in etwa so verhält: Erstens: Er ist nur für diesen Job ausgebildet. Ein anderer Job kommt für ihn nicht in Frage. Zweitens: Er ist abgeneigt, einen Ortswechsel vorzunehmen. Drittens: Wenn ein Beamter in einem Ministerium arbeitet, dann blickt er auf einen Beamten, der in einer untergeordneten Dienststelle arbeitet, herab. Es ist ihm als Ministerialbeamter unvorstellbar, zum Beispiel in einer Landesregierung zu arbeiten. Oder, um das noch einmal eine Etage tiefer zu setzen: Ein Landesbeamter blickt auf einen Beamten eines Bezirksamtes herab. (Abg. Mag. Posch: Nur, wenn er im vierten Stock arbeitet, und der andere im dritten! Wenn sie beide im dritten Stock arbeiten, dann blickt er hinüber!)

Dort wird das alte Prinzip "der Ober sticht den Unter" nach wie vor praktiziert. (Abg. Dr. Cap: Woher wissen Sie das alles eigentlich? Spricht da der Beamte aus Ihnen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Da spricht der Beamte aus Ihnen!)  – Herr Cap, später! Später! – Frau Vizekanzlerin! Sie haben sich auch bereits der Einführung des New Public Management verschrieben. Das New Public Management bedeutet ein effektiveres Controlling und eine effektivere Kostenrechnung, eine Überprüfung der Aufgaben auf ihre Notwendigkeit, eine verpflichtende Gesetzesfolgekostenermittlung, was wir von Seiten der ÖVP uns schon seit vielen Jahren gewünscht haben, eine weitgehende Rechtsbereinigung und natürlich die Beseitigung von Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten im Bund beziehungsweise in den Ländern.

Meine Damen und Herren! Die universelle Kümmerei des Staates empfinden die Bürger nicht als Schutz, sondern als grobe Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit. Unsere Verantwortung liegt darin, die Bürger, aber natürlich auch die Wirtschaft von unsinnigen staatlichen Fesseln zu befreien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Diese Regierung – hier in Person der Frau Vizekanzlerin – ist der Garant dafür, dass wir diese Verantwortung wahrnehmen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Peinlich! Eine solche Anbiederung ist ja direkt peinlich! Unwahrscheinlich!)

18.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Uhr ist wunschgemäß auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.46

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Hohes Haus! Ich darf ganz kurz auf den Redebeitrag meiner Vorrednerin eingehen, die Beamte dadurch charakterisiert, dass sie durch besondere Ortsständigkeit gekennzeichnet wären. Wenn das so wäre, dann wäre der beste Beamte der Republik unser Herr Kanzler, denn auch er verlässt den Ballhausplatz freiwillig nicht gern. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte jetzt über etwas reden, was "Fair Play" heißt, und das hat diesmal nicht mit dem Sport zu tun, sondern ich möchte den Begriff "Fair Play" im Rahmen der Dienstrechtsreform und der Universitätsreformdebatte ansprechen.

Es wird Sie vielleicht nicht interessieren, aber ich gehe relativ spät schlafen, und wenn ich dann aus meinem Zimmer hinausschaue, dann kann ich direkt zur Universität Innsbruck hinüberblicken. Dort brennen um etwa ein Uhr oder halb zwei Uhr nachts in nicht wenigen Stockwerken immer noch Lichter. Das sind die Zimmer von jenen Universitätslehrerinnen und -lehrern, über die jetzt debattiert wird und über deren Zukunft zu entscheiden ist.

Da die Politik die Wirklichkeit beurteilen soll, bitte ich Sie, diese Wirklichkeit auch einmal zur Kenntnis zu nehmen und sich damit zu konfrontieren, wie die Wirklichkeit an den Universitäten ausschaut. Das möchte ich Ihnen mit Nachdruck sagen, denn über die Wirklichkeit an Universitäten weiß ich aus verschiedensten Blickwinkeln heraus relativ gründlich Bescheid.

Zunächst ein paar Zahlen: 1 600 Akademikerinnen und Akademiker arbeiten an Universitäten als Privatangestellte im Rahmen von zwei-, maximal dreijährigen drittmittelgeförderten Projekten – zumeist des FWF – und hanteln sich von zwei, drei Jahren auf die nächsten zwei, drei Jahre fort – so lange, bis die Gefahr von Kettenverträgen besteht und sie dann nicht mehr angestellt werden.

Von 5 100 Vertragsassistenten und Universitätsassistenten sind sage und schreibe nur 760 definitiv gestellt. Das ergibt eine Summe von knapp 6 000 nicht definitiv Gestellten, das entspricht 43 Prozent aller Akademikerinnen und Akademiker, die an Universitäten arbeiten. Von dem Rest der Pragmatisierten sind weit über 90 Prozent Professoren und Habilitierte. – Das ist nun einmal so.

Die jährliche Fluktuationsrate an den Universitäten beträgt – und da habe ich wirklich stichhaltigste aktuelle Zahlen der Universität Innsbruck, die auf alle Universitäten in etwa übertragbar sind – 14 Prozent. 14 Prozent Fluktuation per anno ist eine Ziffer, die sich auch in der Privatwirtschaft durchaus sehen lassen kann.

Jetzt kommen wir im Prinzip langsam der Wahrheit näher, und ich sage, es ist daher im höchsten Maß unrichtig und daher auch unseriös, zu behaupten, von der Wiege bis zur Bahre seien alle an der Universität definitiv gestellt, das seien die so genannten Hängematten-Schaukler, das seien Personen, die auf nichts dringlicher warten als auf ihre Pensionierung. Ich bitte Sie – und das werden Sie sicher verstehen –, das nicht mehr so zu kolportieren! (Beifall bei den Grünen.)

Bis zur Definitivstellung – und da kenne ich mich auch recht gut aus, ob Sie es glauben oder nicht – vergehen laut Universitäts-Dienstrecht zumindest zehn Jahre. Schon bei der Einstellung haben die Leute bereits mehrere Jahre in privatrechtlichen Dienstverhältnissen verbracht, und man kann aus einer relativ großen Gruppe und daher kritisch, mit hoher Latte auswählen. In


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diesen zehn Jahren bis zur Habilitation werden zwei Qualifikationsbeurteilungen vorgenommen, und das mit zum Teil auswärtigen oder ausländischen Gutachterinnen und Gutachtern.

Das heißt, es ist unrichtig, dass ohne leistungsorientierte Qualifikationsmaßstäbe und Evaluierungen die Dienstverhältnisse dieser Leute einfach verlängert, verlängert, verlängert, verlängert werden – das ist falsch. Über die Perfektion dieser Qualitätsbeurteilungen bin ich gerne bereit zu reden, auch über Verbesserungen bin ich gerne bereit zu reden.

Aber halten wir fest – und das verstehen alle, versteht jeder (Abg. Dr. Pumberger: Alle nicht! Sie schon!), auch Sie werden das jetzt verstehen –: Wenn über den Arbeitsplatz Universität geredet wird, hätte man zu beachten, dass sich das Dienstrecht an diesem Arbeitsplatz und an den Aufgaben der Universitäten zu orientieren hätte. – Das ist doch vernünftig, oder? Das ist vernünftig.

Ich erinnere mich an den großen Dialog über die Universitätsreform, zu dem der Herr Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin eingeladen haben – ich glaube, es war in den Redoutensälen. Was haben wir da an Antworten bekommen, wenn wir gefragt haben: Was soll durch ein neues Dienstrecht besser werden? Was soll die Ausgliederung an Universitäten besser machen und warum? – Die Antwort – und das ist jetzt keine Polemik, sondern ein sinngemäßes Zitat – lautete: Weil es im Regierungsprogramm steht! – Also das hält jedenfalls einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand, außer Sie bezeichnen das Regierungsprogramm als eine wissenschaftliche Arbeit. Dazu muss ich aber sagen: Sie ist nicht evaluiert worden. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen.)

Wenn Herr Bundeskanzler Schüssel heute in Bezug auf die Universitäten sagt – und letztlich hängt das auch mit dem Dienstrecht zusammen –, es gebe keine deutschsprachige Universität – und dazu dürfen wir auch die österreichischen rechnen, was die Freiheitlichen besonders freuen wird –, die sich mit den 50 weltbesten messen könnten, dann fordere ich Sie nochmals auf: Nennen Sie mir einen österreichischen Betrieb, ein österreichisches Unternehmen, das sich mit den 50 weltbesten messen kann! – Ich kenne keines; ich warte auf Ihre Antwort.

Aber gerade bei diesem Reformdialog kamen an und für sich die schärfsten und teilweise auch oberflächlichsten – ich sage: teilweise – Meldungen und Kritiken gegen die Universitäten aus dem Munde von Vertretern des Industriellenverbandes und der Wirtschaftskammer, die speziell in diesem Fall etwas bescheidener und etwas vorsichtiger argumentieren sollten.

Ich frage mich jetzt aber, wenn man ein neues Dienstrecht will: Was sind die Anforderungen, die man an diesen Arbeitsplatz stellt, und welchen Anforderungen sollen Forscherinnen und Forscher standhalten? Welche Zeiträume brauchen sie, um überhaupt den Stand der Wissenschaft zu erfassen? In welchen Zeiträumen können Konzepte entwickelt werden? In welchen Zeiträumen können Projekte bis zur Publikationsreife vorangetrieben werden? Und so weiter und so fort, bis zu der Frage: Welches Risiko ist für den Einzelnen damit verbunden, sich immer weiter zu spezialisieren, immer mehr von immer weniger zu wissen, um konkurrenzfähig zu bleiben, und dann von der Wirtschaft zu hören: Sie sind so spezialisiert, dass ich Sie nicht mehr brauchen kann!? – Solche Überlegungen müssen einfließen! Ich habe schon x-mal hier gesagt, dass die Wirtschaft und die Industrie in Summe klägliche Arbeitsplätze für Forscherinnen und Forscher mit hoher Qualifikation anbieten können. – Was reden Sie dann von Mobilität und Flexibilität, wenn dafür nichts getan wird? (Beifall bei den Grünen.)

Es ist, glaube ich, auch ungenügend, als Impuls einfach zu hören: Wir brauchen mehr NobelpreisträgerInnen! – Das ist wirklich zu dünn. Es ist auch zu dünn zu hören, dass Angst um den Arbeitsplatz und Unsicherheit sozusagen jene Kriterien sind, die sehr kreativitäts- und motivationsfördernd wirken. – Ich meine, man sollte zuerst nachdenken, dann reden und handeln. Das ist aber anscheinend nicht Ihre Sache. (Beifall bei den Grünen.)

Ich rate Ihnen aber: Versuchen Sie es einmal in dieser Reihenfolge! – Sie werden überrascht sein, was daraus entsteht, und Sie werden überrascht sein, dass wir dann vielleicht auch einmal ja sagen. (Beifall bei den Grünen.)


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Jetzt noch ganz kurz, bevor Sie sagen, wir machen keine neuen Vorschläge: Ich glaube, dass Investitionen in Forschung und Leistung Perspektiven haben müssen und Perspektiven für den Nachwuchs aufzuzeigen haben. Ich kann mir vorstellen, dass eine Laufbahn an der Universität durchaus mit dem Doktorat beginnen könnte, wenn den Leuten vorher garantiert wird, dass sie sich wirklich fair und mit guten Ressourcen qualifizieren und ausbilden können. Dann kann man darüber sprechen.

Ich glaube auch, dass dann eine weitere Qualifikation in einem Zeitraum von fünf bis sechs Jahren genügen könnte, um eine Habilitation oder habilitationsähnliche Eignung zu erreichen und damit sozusagen in den Stand, wenn man das so antiquiert ausdrücken will, der Professoren aufzurücken. Hier sollten aber dann schon Definitivstellungen erfolgen, auch wenn man dann noch differenzieren kann, dass leistungsabhängig Leitungsfunktionen verteilt und zugewiesen werden können, leistungsabhängig auch Ressourcen zugeteilt oder Ressourcen und Gehälter verknappt werden können. – Dafür bin ich zu haben.

Ich bin auch zu haben dafür, dass Definitivstellung nicht Unkündbarkeit heißen kann, egal, was passiert, Unkündbarkeit um jeden Preis, ob jemand etwas tut oder nicht. Aber die Perspektive der Definitivstellung muss vorhanden sein.

Wenn Sie diese Modelle mit den Universitäten diskutieren, werden Sie merken, dass dort keine Lobby der Zementierer existiert, sondern durchaus eine Lobby für vernünftige Vorschläge. Ich sage Ihnen nur, dass Reformen an den Universitäten, an ihren Strukturen, an Organisationsformen und an ihrem Dienstrecht, mit den Universitäten im Dialog geschaffen werden sollten und nicht gegen die Universitäten. Dann, glaube ich, wäre es möglich, irgendetwas zu erreichen. Davon – das ist der traurige Schluss – habe ich bislang nur wenig gemerkt.

Die Leute werden unruhig. Das sind keine Radau-Brüder, sondern das sind jene Menschen, die etwas von der Sache verstehen, zumindest zu einem sehr hohen Prozentsatz. Sie sollten sich dieses Wissens bedienen und dann vielleicht eine Reform angehen, die über längere Zeit hält als Ihre bisher beschlossenen Gesetze, die an und für sich unter Busek ihren Anfang genommen haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.57

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Herr Grünewald! Die Maßnahmen, die diese Bundesregierung an den Universitäten setzt, sollten nicht zum Nachteil der dort Lehrenden und Lernenden sein, sondern zu deren Vorteil. (Abg. Dr. Grünewald: Da sind wir gleicher Meinung!) Ich glaube, Sie sollten Ihre Perspektive korrigieren! Aber in Einrichtungen mit Drop-out-Raten von mehr als 50 Prozent, Herr Kollege, herrscht erheblicher Reformbedarf, das sollten auch Sie einsehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In ihrem Ressort, meine Damen und Herren, bearbeitet die Frau Vizekanzler auch die Verwaltungs- und im Rahmen der Bundesregierung über weite Strecken auch die gesamte Staatsreform. Diese Bundesregierung nimmt dieses Thema ernst, sie hat es auch in ihr Regierungsübereinkommen aufgenommen.

Die Einsparungen in Bezug auf die Verwaltungsreform werden sich, wie im Finanzausgleich vereinbart, bereits für 2002 mit 3,5 Milliarden niederschlagen. Diese Summe wird aber erst der erste Schritt sein können. Parallel dazu haben die Regierungsparteien schon wesentliche Maßnahmen gesetzt und mit Straffungen begonnen. Wir haben das Bundesimmobiliengesetz verabschiedet, die Bundesbeschaffungsgesellschaft installiert. Gestern haben wir über das Passgesetz debattiert, das wesentliche Verwaltungsvereinfachungen bringen wird. Die Regierung hat ein Objektivierungsgesetz beschlossen. – All diese Dinge sind parallel zur Verwaltungsreform als wesentliche Schritte zu sehen.


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Morgen wird die Frau Vizekanzlerin auch das Ergebnis der Aufgabenreformkommission präsentieren können. Wir werden dann sehen, über welche Bereiche der Staat weiterhin verfügen wird, welche Bereiche er weiter verwalten wird und welche auszugliedern sind.

Meine Damen und Herren! Die Hauptpunkte freiheitlicher Reformpolitik im Bereich der Verwaltung und der Verfassung werden sein, Einsparungen mit mehr Bürgernähe zu verbinden. Die Reformen und die Einsparungen müssen dabei an der Spitze beginnen, und dazu gehört auch, dass wir für das heurige Budget Einsparungen in der Höhe von 100 Millionen Schilling für die parlamentarische Ebene gegen den Widerstand der Oppositionsparteien durchgesetzt haben. Dazu gehört auch, dass wir beim Abschlanken mit den Ministerien beginnen (Beifall bei den Freiheitlichen), wie das zum Beispiel Landesverteidigungsminister Herbert Scheibner getan hat. Er hat Dienstposten in den Zentralstellen und auf der mittleren Verwaltungsebene zugunsten von Dienstposten draußen bei der Truppe eingespart und wird sie umgliedern.

Wir müssen auch über die Verkleinerung der parlamentarischen Gremien diskutieren. Die legistischen Kompetenzen, die sich seit dem Beitritt zur Europäischen Union klar verändert haben, müssen in die Debatte Eingang finden. Wir müssen auch die Aufwertung des Bundesrates wieder anpacken; für dieses Anliegen werden wir vielleicht hinkünftig auch die Grünen gewinnen können, da sie ja nun zum ersten Mal auch einen Bundesrat stellen. Die Integration der Landeshauptleutekonferenz und des Konsultationsmechanismus – nur um zwei wesentliche Bereiche zu nennen – in den Bundesrat muss dabei vordringliches Ziel sein.

Meine Damen und Herren! Ein klarer Kompetenzkatalog muss zwischen Bund und Ländern verhandelt werden. Die Straffung des Verfassungsrechtes muss klares Ziel der gesamten Debatte sein. Eine selbständige Landesvollziehung muss an die Stelle der mittelbaren Bundesverwaltung treten, und die Beseitigung aller Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung muss das Ziel der Bundesregierung sein, und zwar in allen Bereichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ob es sich dabei um die Sozialverwaltung oder um den Sicherheitsbereich handelt, ist unerheblich. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir müssen den Ausbau der direkten Demokratie anpacken und die Einrichtung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit beginnen, vor allem auch zur Entlastung der Verwaltungsgerichte auf Bundesebene. Und wir brauchen auch – und da kann ich an einige Wortmeldungen meiner Vorredner anknüpfen – ein modernes Dienstrecht für den öffentlichen Dienst, und dafür ist gerade die Frau Vizekanzlerin Garant. Eine Abschaffung der Pragmatisierung mit Ausnahme einiger Bereiche – es wurde heute schon darüber diskutiert: Justiz, Sicherheitsbereich, aber auch über den Kontrollbereich kann diskutiert werden – muss das Ziel sein. Wir müssen auch die Bezirkshauptmannschaften zu wesentlichen und zentralen Anlaufstellen für den Bürger machen, mit dem Prinzip: Der Akt soll sich bewegen und nicht der Bürger. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Umsetzung des One-stop-shop-Prinzips, von E-Government, New-Public-Management und wie diese modernen Worte alle heißen, die aber wunderbar in eine Verwaltungsreform hineinpassen, muss dabei oberstes Ziel sein. Hierzu wurden schon die ersten Schritte gesetzt.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, das alles ist eine umfassende Materie, die noch zu diskutieren sein wird. Die Bundesregierung wird aber auch diese schwierigen Bereiche Schritt für Schritt anpacken. Ziel unserer Politik, Ziel der Politik der Freiheitlichen wird dabei sein, die Einsparungen mit der Bürgernähe der Verwaltung zu verbinden. Viele dieser Punkte, vor allem, wenn es sich um organisatorische Straffungen handelt, können einfachgesetzlich beschlossen werden, und das wird diese Koalition auch tun, und sie hat es auch schon getan; ich habe einige Bereiche bereits erwähnt. Dennoch ist die Opposition eingeladen, bei der Staats- und Verwaltungsreform mitzuarbeiten, vor allem bei den Punkten, die nur mit Zweidrittelmehrheit zu verabschieden sind. Dort ist Ihre Zustimmung, meine Damen und Herren von der Opposition, notwendig.

Die Regierung und die Frau Vizekanzler haben zu dieser Zusammenarbeit bereits die ersten Schritte gesetzt. Die Staatsaufgabenreformkommission – ich habe sie schon erwähnt –, in der ja


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auch Leute von Ihnen mitarbeiten, wird morgen Ergebnisse vorlegen können. Aber auch Gespräche mit Ländern und Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleiches haben erste Ergebnisse gebracht, und da sind Sie ja mit Landeshauptleuten und anderen Funktionären auch vertreten.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich erinnere gerade Sie an die bereits in der verflossenen rot-schwarzen Koalition fertig paktierte Bundesstaatsreform und Ihre grundsätzliche Zustimmung dazu. Die jahrelang verschleppte Realisierung wird nun von dieser Bundesregierung angepackt werden. Eingeladen zu dieser Diskussion sind alle Parteien, Länder und Gemeinden, aber auch alle Sozialpartner und deren Präsidenten. Wir Freiheitlichen, allen voran die Frau Vizekanzler, werden in der Sache darüber leidenschaftlich diskutieren, aber auch mit der notwendigen Gelassenheit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Jetzt kommt wieder der steinerne Gast! Er erscheint wieder! Welchen Schneider haben Sie gehabt? – Abg. Dr. Wittmann  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Wieso? Wollen Sie sich gescheit anziehen? – Abg. Haigermoser: Das Sakko ist zu lang, Herr Kollege! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

19.05

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist der Vickerl?) Manche Zwischenrufe sind an Infantilität nicht mehr überbietbar. (Abg. Haigermoser: Wo ist Vickerl? Wo ist Ihr ehemaliger Chef? – Ruf bei der SPÖ: Wo ist Haider?) Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Wir hören von Ihnen seit einem Jahr nichts als Worthülsen, als Sprechblasen, nichts als Ankündigungen, und in Wirklichkeit ist in puncto Verwaltungsreform beziehungsweise Bundesstaatsreform nichts, aber schon gar nichts geschehen. (Abg. Haigermoser: Herr Kollege! Ich frage Sie: Wo ist Ludevik geblieben, genannt Vickerl?) Sie haben es nicht zustande gebracht, ein abschließendes Papier zu präsentieren beziehungsweise eine Ihrer Kommissionen dazu zu bewegen, dass sie ihre Tätigkeit auch mit irgendwelchen Aussagen abschließt. Sie haben drei Kommissionen eingesetzt und nicht eine Kommission, um diese Verwaltungsreform in Gang zu bringen.

Sie haben drei Kommissionen eingesetzt, eine davon ist die Aufgabenreformkommission. Das alles klingt immer so unheimlich umwerfend, nur passieren tut nichts! Sie machen permanent Ankündigungen, aber wenn man Sie dann um ein konkretes Ergebnis fragt, geben Sie schnoddrige Antworten, weil Sie nicht in der Lage sind, ein Ergebnis zu nennen. Liebe Frau Vizekanzlerin! Sie haben sich mit Ihrer Politik in eine Situation gebracht, dass Ihr Ministerium das einzige ist, das kein einziges Ergebnis hinsichtlich der Verwaltungsreform vorzuweisen hat, überhaupt kein Ergebnis. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Meister Wittmann! Wo ist Vickerl?)

Ich darf in diesem Zusammenhang den Präsidenten der Wirtschaftskammer zitieren. Er vermisst die Erfolge der blauen Riege wie die von ihm geforderte Bürokratiereform. – Null ist passiert, Sie haben überhaupt nichts gemacht! (Abg. Haigermoser: Meister Wittmann! Wo ist Ludevik?) Diese Kritik kommt ja nicht nur von uns, sie kommt mitten aus der Wirtschaft. (Abg. Dr. Mertel: Humpi-Dumpi!)

Ich glaube, Sie sollten sich einmal selbst ein Ziel setzen und festlegen, was Sie eigentlich erreichen wollen. Sie reden sich dauernd auf Kommissionen aus, Sie versuchen permanent, Zeit zu gewinnen. Ihr eigener Chef oder wie immer Sie ihn nennen wollen (Abg. Achatz: Wo ist denn Ihr ehemaliger Chef?), Ihr "einfaches Parteimitglied", dem Sie doch sehr viel Vertrauen schenken (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist denn Ihr einfaches Parteimitglied?), hat gesagt, die Regierung sei ein Tummelplatz unfähiger Experten geworden.

Sie beschäftigen drei Kommissionen, Sie bekommen aber kein Ergebnis dieser Kommissionen. Sie zahlen an Arthur Anderson 60 Millionen Schilling, haben aber noch kein Ergebnis. Sie sprechen von einer Unmenge an Ressortprojekten, haben aber noch kein Ergebnis. Ich betone: Sie haben noch kein einziges Ergebnis! (Abg. Haigermoser: Wo ist Ludevik geblieben?) Sie spre


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chen von Ergebnissen der Aufgabenreformkommission, haben aber noch kein Ergebnis und sagen, Sie werden erst im Juni ein Ergebnis haben. Sie haben uns voriges Jahr dasselbe erzählt! Welchen Juni meinen Sie: Juni 2001, 2005 oder 2010? (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer macht die so genannte Scheibenwischer-Geste. – Empörung bei der SPÖ. – Abg. Binder: Frau Vizekanzler!)

Sie haben kein Ergebnis im Bereich der Bundesstaatsreform. Sie haben keine Ergebnisse! Das sollte man von dieser Stelle aus einmal festhalten. (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. )

Ja, Sie sagen viel, aber Sie haben keine Ergebnisse. Sie versprechen, Sie kündigen an, aber Sie sind nicht in der Lage, irgendetwas umzusetzen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Vielleicht war es auch das, was Ihr "einfaches Parteimitglied" gemeint hat: Man sollte vielleicht mehr Ergebnisse erzielen, als Experten im Kreis reden lassen. (Abg. Haigermoser: Machen Sie keinen Wirbel!)

Sie haben einige Projekte in den Ministerien gestartet, diese sind aber hoffnungslos "verhungert", wie zum Beispiel das "tolle" Projekt der Einsparung der Bezirksgerichte: keine Realisierung! (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult aus!) Kaum haben Sie irgendetwas in Angriff genommen, bleiben Sie mitten in der Realisierung stecken.

Was ist mit der Lebensmittelagentur, die Sie angekündigt haben, geschehen? – Nichts! Sie sind Weltmeisterin im Ankündigen, aber Sie haben noch kein einziges Projekt realisiert. Das fällt schon Ihren eigenen Kollegen auf. (Abg. Haigermoser: Ich stelle fest, ein Schuhdoppler ist fällig, Herr Kollege!) Es steht auch schon in den Medien, dass das Ihren eigenen Kollegen auffällt. Sie sind eigentlich permanent nur damit beschäftigt, Ihre parteiinternen Probleme zu lösen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Hasta la vista! Hasta la vista!) Sie können keine sachliche Politik machen, weil Sie permanent nur damit beschäftigt sind, sich mit Ihren parteiinternen Problemen auseinander zu setzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Das ist eine wunderschöne argentinische Tracht, die Sie da anhaben!)

Sie versuchen permanent davon abzulenken, dass Sie mit Problemen in der FPÖ beschäftigt sind. (Abg. Ing. Westenthaler: Argentinien! – Abg. Haigermoser: Hasta la vista!) Das interessiert den österreichischen Staatsbürger nicht, ob Sie Ihre parteiinternen Probleme lösen können, es wäre aber sehr wohl von Bedeutung, wenn Sie endlich einmal irgendein Ergebnis zu einer Strukturreform vorlegen könnten. (Abg. Ing. Westenthaler: Hasta la vista!)

Ich glaube aber, dass, wenn Sie einmal ein Ergebnis der Kommissionen vorliegen haben werden, die Umsetzung nicht möglich sein wird, denn Sie sind ja schon nervös geworden beziehungsweise Ihnen gehen die schwarzen Landeshauptleute schon auf die Nerven, weil sie es gewagt haben, ein Vorpapier zu kritisieren. Ich weiß nicht, wie Sie jemals eine Bundesstaatsreform zusammenbringen wollen, wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, die Kritik der Landeshauptleute an Vorpapieren ernst zu nehmen beziehungsweise in Ihrer Arbeit zu berücksichtigen.

Sie verwenden Schlagworte wie "Abschlankung des Staates", wie "Ersparnis des Staates", Sie machen aber nichts! Sie haben jetzt ein Jahr Zeit gehabt, haben aber nichts gemacht.

Was Sie aber gemacht haben, ist, dass Sie für ein Ministerium mit 120 Leuten ein eigenes Präsidium in der Größenordnung von 25 Personen geschaffen haben. Das ist eine derartige Misswirtschaft – und das steht in keinem Verhältnis zur Leistung –, dass man ganz eindeutig eines sagen muss: Sie sparen nicht bei sich selbst, wie Sie es immer ankündigen, sondern Sie blähen Ihren Apparat auf!

Ich darf kurz darstellen, wie aufgebläht dieser Apparat ist: Früher ist man mit zwei Mitarbeitern zu sportlichen Großereignissen gefahren, jetzt sind von Ihrem Kabinett 20 Mitarbeiter nach St. Anton gefahren, weil es so groß ist, und das auf Staatskosten! Glauben Sie wirklich, dass das notwendig ist? (Zwischenruf des Abg. Dolinschek. )


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Eine Bemerkung auch noch zum Sozialministerium: Da zahlen Sie an Sekretäre Höchstgagen. 200 000 S zahlen Sie da an Sekretäre. (Abg. Haigermoser: Im Jahr!) Der "arme" Minister erhält nur 200 000 S! Seien Sie mir nicht böse, aber wie wollen Sie dem Staatsbürger erklären, dass Sie bei sich selbst sparen, wenn Sie die höchsten Gagen, die jemals in dieser Republik an Sekretäre bezahlt worden sind, auszahlen, zwar das kleinste Ministerium schaffen, aber dafür den größten Verwaltungsapparat?

Ich weiß schon, dass Ihnen das unangenehm ist. Sie haben ja auch die Rechnung dafür präsentiert bekommen. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult aus! – Abg. Dolinschek: Kennen Sie die Umfrage in Kärnten?)

Herr Westenthaler hat heute hier gesagt: Wir sprechen mit den Leuten! – Herr Westenthaler, die Leute hören Ihnen nicht mehr zu, weil Sie nur ankündigen! Beweis dafür ist das Ergebnis, das Sie in Simmering erzielt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich möchte Ihnen ganz einfach sagen: Das, was Sie unter Verwaltungsreform verstehen, ist reines Köpferollen. Sie versuchen ganz einfach, sich über diese Verwaltungsreform drüberzuschwindeln, hinzuschwindeln zu irgendwelchen Ergebnissen von irgendwelchen Kommissionen. Zunächst wird von Juni gesprochen, dann wird es August werden, dann September, und wir werden kein Ergebnis zu sehen bekommen. Das gesamte Budget beruht aber darauf, dass es auch strukturelle Ergebnisse gibt. (Abg. Dolinschek: Sie kommen mir vor wie ein Rumpelstilzchen!)

Ich muss festhalten: Bis jetzt ist nichts vorhanden, nicht einmal ein Papier, in welchem steht, was man will. Es ist gar nichts da. Und ich bin schon sehr interessiert, was da herauskommt.

Zwei Verwaltungsreformansätze Ihrer Prägung möchte ich noch ganz kurz erwähnen: Sie wollten die Verwaltungsakademie ausgliedern. Was ist geschehen? – Sie haben sie nicht ausgegliedert, Sie haben nur den Direktor abgeschafft. Jetzt hat die Verwaltungsakademie keinen Direktor. Vielleicht liegt es daran, dass Sie den Direktor nur deswegen ausgetauscht haben, weil er ein erklärter Sozialdemokrat ist. Jetzt haben Sie zwar nichts reformiert, weil Sie die Verwaltungsakademie doch noch haben, aber Sie schicken einen Direktor in Pension oder Frühpension.

Sie haben es wirklich geschafft, nur mit Worthülsen zu operieren und nichts dergleichen umzusetzen.

Ich darf Sie nur daran erinnern, was Sie bei der KommAustria gemacht haben: Sie haben zwei Behördenleiter eingesetzt, von denen jeder das Eineinhalbfache eines Sektionschefs verdient. Sie haben eigentlich nur Geld ausgegeben und nichts eingespart. Sie haben überhaupt nicht versucht, wirklich etwas umzusetzen.

Es wäre ein Leichtes gewesen, in manchen Bereichen sofort Maßnahmen zu setzen. Die Lehrer werden zweimal verwaltet: auf Landes- und auf Bundesebene. Warum sparen Sie die Bundesebene nicht ein? Das wäre sogar in Ihrem Bereich. Wenn Sie sich mit Frau Minister Gehrer zusammensetzten, könnten Sie das sofort machen.

Sie haben in einem Jahr die Frage des Grenzschutzes nicht gelöst. Sie haben ihn wieder verlängern müssen, weil Sie nicht wissen, was Sie mit der Zollwache machen sollen, wie Sie diese mit dem Bundesheer zusammenführen wollen. – Sie überlegen sich das gar nicht, Sie verlängern das lieber. In Wirklichkeit geschieht ganz einfach nichts.

Was wäre mit dem Aufbau einer Förderdatenbank gewesen? Das hätte man in einem Jahr doch wohl zustande bringen können. Sie haben es nicht gemacht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Gott, lass diesen Kelch einer Wittmann-Rede an mir vorübergehen!)

Warum haben Sie zum Beispiel die Presseabteilungen der Bundesministerien im Bundespressedienst nicht zusammengezogen? Ist es notwendig, dass man zehnmal einen Pressespiegel macht?


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Warum hat man nicht die Zusammenführung der Wetterdienste und die Zusammenführung der Bundeslabors in Angriff genommen? Glauben Sie wirklich, dass es notwendig ist, ein eigenes Heeresspital aufrechtzuerhalten?

Das waren jetzt zehn konkrete Vorschläge, die Sie alle schon hätten verwirklichen können. Sie kündigen nur an! Und ich weiß, jetzt kommt wieder, dass wir im Juni etwas hören werden und im Dezember irgendetwas geschehen wird. Dann sind die Papiere da, aber es ist noch keine einzige Umsetzung dieser Maßnahmen wirklich erfolgt.

In Wirklichkeit ist es, glaube ich, höchst an der Zeit, dass Sie damit aufhören, das Geld für "schwachsinnige Inserate" auszugeben. Ich zitiere Ihren eigenen Landeshauptmann aus Kärnten, der von "schwachsinnigen Inseraten" spricht. – Das sind sie auch! Dafür haben Sie Geld, aber umgesetzt haben Sie nichts. Und das muss an dieser Stelle einmal festgehalten werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben kein Geld für einen Anzug! – Abg. Haigermoser: Klima hat Wittmann – und "Grolli" zurückgelassen!)

19.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. – Bitte.

19.16

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wittmann, ich bedanke mich für Ihren Redebeitrag, denn besser, nachhaltiger und klarer, als Sie das getan haben, hätte niemand die katastrophale Bilanz von 30 Jahren sozialistischer Regierung in diesem Land darstellen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Wittmann! Zusammenfassend muss ich sagen: Ihr Vorwurf besteht einzig und allein darin, dass Sie dieser Bundesregierung vorwerfen, dass sie in 13 Monaten nicht alle Versäumnisse, die Sie in 30 Jahren in diesem Land begangen haben, bereinigt haben. In drei Jahren dieser Regierung werden wir, kann ich Ihnen sagen, in diesem Land Reformen geleistet haben, von denen Sie in den letzten 30 Jahren noch nicht einmal geträumt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Das liegt nicht nur an der Regierung!)

Sehr geehrter Herr Kollege Wittmann! Was die Qualität Ihrer Informationen und Ihrer Recherche betrifft, möchte ich nur an einem einzigen Beispiel darlegen: Herr Kollege Wittmann! Sie haben hier gesagt, ich sei mit 20 Mitarbeitern in St. Anton gewesen. Ich teile Ihnen mit: Ich habe gar keine 20 Mitarbeiter in meinem Büro. Von meinem Mitarbeiterstab war genau ein einziger Mitarbeiter in St. Anton. (Abg. Böhacker: Das ist peinlich!)  – So viel zur Qualität Ihrer Recherche und Ihrer Vorwürfe. Ein weiterer Kommentar zu Ihren Ausführungen erübrigt sich daher. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Er ist das von Klima gewohnt, da waren es noch 40!)

In Ihren Ausführungen ist das Wort "Bundesstaatsreform" gefallen. Ich bin sehr dankbar, dass Sie das erwähnen. Die Bundesstaatsreform wird in diesem Land seit nunmehr 20 Jahren diskutiert und ist – das weiß ich aus meiner eigenen Zeit als Mitglied des österreichischen Bundesrates – immer ausschließlich am Widerstand der SPÖ gescheitert. Sie haben jeden Vorstoß in Richtung Bundesstaatsreform, den es in den letzten zehn bis 20 Jahren gegeben hat, sei er von Seiten der Länder, des Bundes oder der Parteien gekommen, abgeschmettert. Sie haben ihn abgeschmettert, weil Sie gesagt haben: Wir wollen in diesem Bereich nichts ändern!

Ich weiß auch, warum Sie das immer gesagt haben. Der Standpunkt der Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang war immer der, dass man gesagt hat: Wir wollen gar nicht Kompetenzen nach Sachkriterien verteilen, weil wir in den Ländern nämlich gar nicht stark genug sind, dort noch Macht ausüben zu können. – Das war Ihr einziger Beweggrund. Deswegen hat es jahrzehntelang keine Bundesstaatsreform in diesem Land gegeben. Jetzt wird es sie geben. Das garantiere ich Ihnen!


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Wenn Sie gefragt haben, was in den letzten 13 Monaten passiert ist, dann möchte ich Ihnen sagen, dass eine ganze Reihe von Initiativen gesetzt worden sind. Herr Kollege Bösch hat viele davon schon angeführt.

Zur Aufgabenreformkommission – ich habe es Ihnen gestern viermal gesagt, wir sind jetzt beim fünften Mal, aber ich sage es gerne noch einmal, Herr Kollege Wittmann –: Morgen wird die Aufgabenreformkommission ihren Bericht vorlegen. Die Firma Arthur Anderson, die nicht ich, wie Sie gesagt haben, bezahle – auch das war ein peinlicher Recherchefehler Ihrerseits –, plant nicht und schreibt nicht an Papieren, sondern arbeitet schon ganz konkret in den Ressorts an der Umsetzung von Reformmaßnahmen.

Das, was zum Beispiel jetzt im Verteidigungsministerium passiert, nämlich eine Neustrukturierung des eigenen Ressorts, des dortigen Verwaltungsbereiches, ist geradezu vorbildlich. So etwas habe ich in 30 Jahren sozialistischer Regierung in diesem Land nicht gesehen. Damals ist die Zahl der Sektionen immer nur größer und nicht kleiner geworden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie behaupten immer wieder – auch Herr Kollege Grünewald hat das getan –, das, was an Reformmaßnahmen geplant sei, wie zum Beispiel die Universitätsreform, richte sich gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Herr Kollege Grünewald, nichts kann falscher sein als diese Behauptung. Die Universitätsreform hat in erster Linie zur Zielsetzung, den Universitäten die Autonomie zu garantieren, die Autonomie in Forschung und Lehre und damit auch die freie Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeit in Forschung und Lehre.

Ich glaube, dass es eigentlich im Interesse eines jeden Lehrenden, eines jeden Forschenden an der Universität sein muss, eben nicht mehr von der Verwaltung gegängelt zu werden, eben nicht mehr auf politische Einflussnahmen in diesem Bereich angewiesen zu sein, sondern frei entscheiden zu können. Das ist der Sinn dieser Universitätsreform. Deswegen ist sie richtig und notwendig, und wir werden sie auch umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was das Hochschullehrer-Dienstrecht betrifft, so haben Sie, Herr Kollege Grünewald, gesagt, ich hätte irgendetwas kolportiert, wonach die Definitivstellung dazu führe, dass sich die Leute wie in Hängematten befänden. Sie werden von mir keine einzige Stellungnahme zum Hochschullehrer-Dienstrecht finden, schon gar nicht eine, die in diese Richtung geht. Sie wissen, dass wir uns in Verhandlungen befinden, erst gestern hat eine Verhandlungsrunde stattgefunden. Sie wissen, dass wir das von Ihnen monierte Problem des Vertrauensschutzes auch entsprechend gelöst haben. Im Sinne des Vorschlages, der von Seiten der Universitätslehrer und Assistenten gekommen ist, haben wir dieses Problem gelöst, das heißt, es ist vom Tisch. Es besteht eigentlich kein weiterer Grund, hier zu mobilisieren und mit Streikdrohungen zu kommen, weil die Forderungen, die Sie gestellt haben, ohnehin erfüllt werden.

Was ist in den letzten Monaten, auch im Rahmen der Verwaltung, neben den Projekten in den einzelnen Ressorts, die ja auch hier schon ausführlich dargestellt wurden beziehungsweise von den einzelnen Ressortministern noch entsprechend hier dargestellt werden, passiert? – Wir haben das Projekt help.gv, das Ihnen ja nicht unbekannt sein dürfte, Herr Kollege Wittmann, weil es ja schon von der Vorgängerregierung stammt, im Übrigen ein gutes Projekt, weiter ausgebaut. Wir haben gesagt, das soll keine Initiative sein, die auf Leute, die einen Internet-Zugang oder einen PC zu Hause haben, beschränkt bleibt, sondern die gesamte Bevölkerung sollte dadurch die Möglichkeit bekommen, einen schnelleren und direkteren Zugang zur Verwaltung zu haben. Daher haben wir im Verbund mit den österreichischen Trafiken und in nächster Zeit auch mit den Postämtern in Österreich die Möglichkeit geschaffen, dass es dort einen direkten Zugang zur elektronischen Verwaltung in diesem Lande für jeden Bürger gibt. Wir haben allein im vergangenen Jahr 4 Millionen Zugriffe zu help.gv gehabt.

Wir haben erst vor wenigen Wochen zusätzlich zum Trafiknet und zum Postnet auch noch das help-business.gv.at gegründet, aber offensichtlich informieren Sie sich nicht besonders darüber, was so um Sie herum passiert. Help-business.gv ist ein Unternehmensratgeber für 30 unternehmensrelevante Lebens- und Berufssituationen. Es wird dabei Unternehmen gerade im Bereich


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der Meldeauskunft, Kommunalsteuererklärungen und ähnlichen Dingen ein direkter Internet-Zugang gewährt. Es erfolgt auch eine Erledigung von Anträgen in diesem Bereich. Das ist eine wesentliche Entlastung der Verwaltung und auch der Unternehmen in diesem Land. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Dienst- und Besoldungsrecht: Es ist meiner Meinung nach unbestritten und sollte auch unbestritten sein, dass "New Public Management", modernes Verwalten, auch Flexibilität im Bereich des Dienst- und Besoldungsrechtes erfordert, und zwar in dem Sinn, dass nach Leistungskriterien entlohnt wird und nicht etwa nach Kriterien des Alters oder der parteipolitischen Zugehörigkeit. Das ist die primäre Zielsetzung. Deswegen stellen wir auch die Frage der Pragmatisierung, des Beamtenstatus, in jenen Bereichen, in denen es vertragliche Alternativen gibt, zur Diskussion.

Ich komme noch einmal auf das Beispiel der Universitätslehrer zurück. Herr Professor Grünewald! Auf der ganzen Welt gibt es hervorragende Universitäten, Stanford zum Beispiel, Harvard, Princeton, die Sorbonne und viele, viele andere, wo es nicht notwendig ist, dass Professoren oder Universitätsmitarbeiter im Forschungs- und Lehrbereich einen pragmatisierten Status oder eine Lebensanstellung haben. Dort wird hervorragend geforscht, dort wird hervorragend gelehrt, weltweit führend. Da können Sie mir doch nicht erklären, dass ausgerechnet an österreichischen Universitäten die Qualität von Forschung und Lehre vom Beamtenstatus abhängig ist. Das ist es nicht, und zwar weder an den Universitäten noch an den Schulen noch anderswo. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dies besonders in einer Zeit, in der nicht mehr darauf abgestellt wird – das ist ein wesentlicher Bereich für mich, und das empfinde ich auch als wirklichen Fortschritt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst –, so wie dies in den vergangenen Jahren, in den Zeiten des Kollegen Wittmann und seiner Genossen war, dass die Voraussetzung für eine Karriere im öffentlichen Dienst – Sie lachen, Herr Kollege Wittmann, jeder weiß, dass das so ist – ist, dass man das richtige Parteibuch hat.

Wenn man sich die Personalpolitik der vergangenen Regierungsjahrzehnte unter sozialdemokratischer Führung in diesem Land anschaut, dann sieht man, dass es ja kein Zufall ist, dass führende Beamte in diesem Land alle gewissen Parteien zugehören, weil sie gar keine andere Chance gehabt haben. Diese sind nicht aus Überzeugung zu Ihrer Partei gegangen, Herr Kollege Wittmann, sondern unter Umständen nur deswegen, weil sie gewusst haben, dass sie sonst nie eine Chance haben, eine Karriere zu machen, die ihrer Leistung und ihrer Qualifikation entspricht. Damit muss endlich Schluss sein in diesem Land, und damit werden wir auch aufräumen. In Zukunft wird nach objektiven Kriterien eingestellt, befördert, und es ist auch ein Weiterkommen für Beamte in ihrer Laufbahn ohne Parteibuch möglich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Objektivierungsgesetz ist natürlich etwas, was Ihnen deswegen nicht gefällt, weil es eine Philosophie vertritt, die nie die Ihre war. Und ich möchte auch hinzufügen, dass das, was jetzt versucht wird, nämlich das Gesetz mit falschen Argumenten irgendwie krank zu reden, auch falsch ist. Das, was gestern Frau Kollegin Prammer moniert hat, nämlich dass das Gleichbehandlungsgesetz dadurch in irgendeiner Form beeinträchtigt oder in Frage gestellt wird, ist – ich sage es ihr noch einmal – schlicht und einfach unrichtig. Der Verfassungsdienst selbst hat das so festgestellt, und dem werden Sie ja hoffentlich glauben, wenn schon nicht mir.

Zum Bereich Sport habe ich, wie ich meine, schon gestern im Rahmen der Diskussion über den Sportbericht sehr ausführlich Stellung genommen. Ich habe unsere Schwerpunkte im Sportressort genannt, nämlich die Frage des Spitzensportes, der Heranführung von jungen Nachwuchstalenten an den Spitzensport, die Schwerpunktsetzungen im Nachwuchssportbereich im Rahmen von Kompetenzzentren und die Tatsache, dass der Behindertensportbereich endlich auf eine gesetzliche Basis gestellt werden soll. Die Autonomie im Sport – das ist meine Bitte auch an den autonomen Bereich des Sportes, auf den gerade Ihre Redner immer wieder so großen Wert legen – darf aber nicht dazu führen, dass im Bereich der BSO Verbände wie der Gehörlosenverband ausgeschlossen sind, auch von der Mittelverteilung der besonderen Sport


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förderungsmittel. Das kann nicht im Sinne der Autonomie des Sportes sein, und das bitte ich Sie, auch in den Verbandsbereichen, in denen Sie etwas zu tun haben, entsprechend zu berücksichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Wittmann ist immer so erpicht darauf, zu erfahren, was aus Papieren wird. Da frage ich, Herr Kollege Wittmann: Was ist aus Ihrem Weißbuch des Sportes geworden, das eigentlich gar nie so richtig das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat? Nachdem Sie nie auch nur eine einzige Konsequenz daraus abgeleitet haben, rate ich Ihnen: Fangen Sie einmal bei sich selbst an, Bilanz zu ziehen über die drei Jahre oder so, in denen Sie in dieser Funktion gewesen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend möchte ich zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Kräuter, der seine monatliche Mountainbike-Rede hier gehalten hat, noch sagen: Ich ehre dieses Eintreten für den Mountainbikesport in Österreich. Ich würde mir aber wünschen, dass Herr Kollege Kräuter nicht das, was er zu tun hat, auf mich abschiebt. Ich habe gestern schon gesagt, dass es einen Unterausschuss im Parlament gibt, also auf Ebene dieses Hauses, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt.

Zur Frage der Wegsperre: Da möchte ich Sie bitten, dass Sie dem Herrn Kollegen Kräuter etwas ausrichten, weil er gleich nach seiner Rede gegangen und seither nicht mehr in den Saal zurückgekommen ist. Herr Kollege Kräuter hat behauptet, dass ich für die Wegsperre in diesem Bereich eintrete. – Das ist unrichtig! Erstens einmal trete ich nicht dafür ein, sondern ich trete dafür ein, dass nach sachlichen Kriterien entschieden wird, welche Wege für den Mountainbikesport geöffnet werden sollen. Zweitens kann das nicht ich entscheiden, sondern der Herr Landwirtschaftsminister, der dafür zuständig ist.

Ich möchte Ihnen nur sagen, dass ich mit der Unterstützung der Mountainbike-WM in Kaprun die größte Initiative für den Mountainbikesport in Österreich gesetzt habe, die es je in diesem Land gegeben hat. Noch nie ist für den Mountainbike-Sport in Österreich so viel Geld ausgegeben worden wie bei dieser Weltmeisterschaft, von der wir erwarten, dass sie eine gute Weltmeisterschaft wird und viele interessierte Mountainbikesportler nach Österreich bringen wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Was ist jetzt wirklich geschehen?)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lexer. – Bitte.

19.30

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Die SPÖ und die Opposition insgesamt bekrittelt – wie ich meine, nicht ganz zu Unrecht – das Prinzip "speed kills" in der Politik. Es geht vielen zu schnell, es passieren Fehler. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich glaube, dass da ein Körnchen Wahrheit dabei ist, und ich bin froh über die Äußerung der Frau Vizekanzlerin, dass hier in Zukunft etwas langsamer vorgegangen wird.

Herr Dr. Wittmann! Ich verstehe Sie aber nicht, dass Sie gleichzeitig da herausgehen und bereits kurze Zeit nach Bildung der neuen Regierung kritisieren, dass Ihnen alles zu langsam geht (Abg. Dr. Wittmann: Das ist mehr als ein Jahr!) – und das im Bereich des öffentlichen Dienstes, von dem Sie genau wissen, dass das ein sehr sensibler Bereich ist (Abg. Böhacker: Sie wissen ja nicht, was Sie wollen, bei der SPÖ!) und dass man hier bei Änderungen mit den Betroffenen gemeinsam die Konzepte erarbeiten muss, damit es auch wirklich sinnvoll ist, sie umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie müssen sich eben für eines von beiden entscheiden, wenn Sie kritisieren. Schicken Sie zumindest immer zwei verschiedene Leute heraus (Abg. Böhacker: Eine Doppelconference vielleicht?), dann ist das vielleicht noch einigermaßen glaubhaft. – Jedenfalls lassen wir uns nicht unter Druck setzen. Ich glaube, fundierte Arbeit ist in allen Bereichen wichtig.


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Nun zu meinem Thema, zum Thema Sport: Die Dotierung des Sports ist im Budgetjahr 2002 in etwa gleich geblieben. Das bedeutet in Zeiten des Sparkurses und der Konsolidierung eigentlich eine Aufwertung dieses Bereiches. Diese positive Sichtweise möchte ich aber insofern wieder etwas zurücknehmen, als ich insgesamt glaube, dass wir in Österreich ein zu geringes Sportbudget haben. (Abg. Leikam  – in Richtung des Redners –: Reinhold, die hören dir nicht zu! Die hören dir gar nicht zu!) Freilich müssen wir auch die Aufwendungen der Länder und Gemeinden dazurechnen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es sich auszahlt, mehr in den Sport zu investieren, und zwar in allen Bereichen: in den Spitzensport, in den Breitensport, in klassische Sport- und in Trendsportarten ebenso wie in den Wellness-Bereich und die Gesundheitsvorsorge.

Sparen zahlt sich in diesem Bereich nicht immer aus, weil durch Einschränkungen die positiven Entwicklungen in weiterer Folge gebremst und sogar gestoppt werden können. Weil aber momentan zusätzliche Aufwendungen nicht möglich sind und wir aus dem derzeitigen Budget nicht mehr Geld für den Sport locker machen können, glaube ich, dass wir auch über eine sanfte Einnahmenerhöhung nachdenken können. Ich denke da besonders an den Bereich der Sportwettbüros und der Sportwetten im Internet. Ich glaube, da könnten wir, wenn wir gefühlvoll vorgehen und die Betriebe nicht überstrapazieren, zirka 100 bis 150 Millionen Schilling zusätzlich für den Sport lukrieren, um damit – das würde ich in erster Linie vorschlagen – die Sportfachverbände zu unterstützen und ihnen dieses Geld zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Wenn uns das nicht der Stronach wegnimmt!)

Die Fachverbände im Sport sind es, die die Qualität in diesen Bereich bringen, die zur Folge haben, dass wir Sportlerinnen und Sportler haben, die Höchstleistungen erbringen, die in der Welt große Erfolge erzielen können. Über die genaue Aufteilung dieser zusätzlichen Mittel könnte aus meiner Sicht durchaus auch ein unabhängiges Gremium entscheiden und beraten. Ich denke, dass hier die Betroffenen, also diejenigen, die in diesem Bereich tätig sind, durchaus auch beratende Funktion einnehmen können.

Vielfalt ist ein weiterer Begriff, der im Sport Geltung haben sollte. Es ist besonders positiv, wenn die Österreicher und Österreicherinnen aus einem möglichst großen und vielfältigen Sportangebot auswählen können. Daher ist die Gleichschaltung und die Vereinheitlichung unserer Sportverbände abzulehnen. Durch eine weit verzweigte Sportorganisation ist in erster Linie diese Vielfalt entstanden, und das ist sehr sinnvoll. Nicht jeder sollte im Sportbereich die gleiche Chance kriegen, sondern jeder sollte seine Chance bekommen, nach seiner Fähigkeit, nach seiner individuellen Möglichkeit. Daher ist eben ein vielfältiges Angebot sehr positiv. (Beifall bei der ÖVP.)

Insgesamt möchte ich politisch auch erreichen, dass sich die gesamte Bundesregierung und nicht nur die Sportministerin diesem Thema widmet. Es ist wichtig, dass der Sport in allen Bereichen Eingang findet und zu Zusatznutzen führt. Ich beginne mit dem Gesundheitsministerium: Es ist heute jedem klar, dass durch gezielte Investitionen in diesem Bereich Folgekosten vermieden werden können. Das heißt, Investitionen in den Sport verringern in hohem Ausmaß Aufwendungen. Präventivsport bewirkt nicht nur gesündere Menschen, sondern ermöglicht auch Kostensenkungen, wie uns eine Studie eindrucksvoll beweist.

Der ökonomische Nutzen von Sport beträgt rund 7,8 Milliarden Schilling jährlich. Dem gegenüber stehen die Folgekosten von Sportunfällen mit zirka 4,15 Milliarden Schilling. Somit beträgt der bereinigte ökonomische Gesamtnutzen zirka 3,65 Milliarden Schilling. Dieser Wert geht vom aktuellen Grad der Sportausübung aus. Wenn man sich vorstellt, dass das noch zu steigern ist, dann kommt diese Studie auf ein Einsparungspotential von zirka 11,5 Milliarden Schilling.

Ich glaube, diese Zahlen können unseren Finanzminister durchaus beeindrucken, denn es ist sicher nicht leicht, einen Bereich zu finden, in welchem man einen so großen Betrag tatsächlich und auch nachweislich einsparen kann. Die Devise "Gib dem Sport einen Schilling, und du ersparst dir zwei Schilling an sozialen Kosten" wird jedenfalls durch alle Studien belegt.


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Ein weiterer Faktor ist aus meiner Sicht auch im Bereich des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu finden. Für die Sportausübung braucht der Mensch in der heutigen Zeit Betreuung durch Fachleute. Ich denke, dass in diesem Dienstleistungsbereich sehr viele Chancen für zusätzliche Arbeitsplätze vorhanden sind und dass wir hier vor allem auch wertvolle Arbeitsplätze mit einer großen Wertschöpfung schaffen können.

Während wir wissen, dass wir im Zuge der Verwaltungsreform im öffentlichen Dienst oder im Bereich der Schulen personelle Einsparungen vornehmen müssen, wären im Bereich des Sportes, der Freizeit- und Fitnessgesellschaft zahlreiche zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Nach der Budgetkonsolidierung – die wir hoffentlich bald erreicht haben werden –, wenn wir auch wieder etwas Kraft und mehr Spielraum in die Politik bringen werden, wird es, glaube ich, notwendig sein, eine Neugewichtung vorzunehmen und mehr Geld in den Sport zu pumpen.

Mit der Bedeutung des Sports im Tourismus brauche ich mich wohl nicht näher zu befassen. Hier sind wir uns sicherlich im Klaren darüber, dass sportliche Angebote einen wesentlichen Teil unseres Tourismusangebotes ausmachen. An dieser Stelle möchte ich schon auch auf Kollegen Kräuter eingehen: Es ist natürlich legitim, dass er immer wieder dasselbe sagt. Das ist eben so in der Politik, dass man, egal, was der andere sagt, immer wieder Behauptungen aufstellt und diese wiederholt. Sie werden aber deswegen nicht richtiger.

Ich sage ganz deutlich, dass die ÖVP nicht dagegen ist, dass zusätzliche Wege und Straßen im Forstbereich für die Mountainbiker aufgeschlossen werden. Wir wollen nur nicht eine generelle Freigabe und eine generelle Öffnung. (Beifall bei der ÖVP.) Wir wollen eine kontrollierte Öffnung, bei der alle Beteiligten eingebunden sind.

Ich glaube, wenn Sie wirklich an einer Lösung interessiert sind, dann können wir uns insofern verständigen, als wir im Unterausschuss zunächst einmal sagen, dass all das, was den Bund betrifft – nämlich dass die freigegebenen Mountainbike-Straßen und -Wege bundesweit geregelt werden sollen –, im Bund gelöst werden sollte. Alles andere sollten wir aber sinnvollerweise an die Regionen delegieren, denn dort gibt es die Leute, die betroffen sind. Es hindert niemand eine Tourismusregion daran, sich einen besonderen Schwerpunkt zu schaffen, um international konkurrenzfähig zu sein. Ich denke, dass da weniger der Sport und die Radfahrer im Mittelpunkt stehen als vielmehr die eigentumsfeindliche Haltung der SPÖ, insbesondere jene des Herrn Kollegen Kräuter. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Ministerien für Inneres und für Landesverteidigung möchte ich auch extra erwähnen, weil sie im Sport eine besondere Stellung einnehmen. Einerseits kommen aus diesem Bereich viele Spitzensportler, die internationale Erfolge feiern. Andererseits leisten aber die Beamten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Ministerien wertvolle Arbeit auch für den Sport, und zwar bei der Durchführung von Großveranstaltungen. So habe ich zum Beispiel im vergangenen Sommer beim "Iron Man" in Klagenfurt gesehen, dass nicht weniger als 1 500 Soldaten des Bundesheeres im Einsatz waren, um diese Veranstaltung zu unterstützen, und ich habe auch in St. Anton den Einsatz der österreichischen Soldaten bei der Pistenpräparierung gesehen.

Ich glaube, dass in diesem Bereich auch einmal ein Dank ausgesprochen werden sollte. Wir können nicht oft genug diesen Leuten danken, die sich hier insgesamt für den Sport und die Sportveranstaltungen einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Reigen durch die Ministerien führt mich zu guter Letzt in ein Schlüsselministerium für den Sport und sein Gelingen. Ich meine das Bildungsministerium. Da beginnt eben die sportliche Aktivität, da werden die Grundsteine für die spätere sportliche Grundeinstellung gelegt. Ich denke, dass wir hier in Zukunft, wenn wir wieder die Möglichkeit haben, zu investieren, für die Aus- und Weiterbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer und für den Einsatz von zusätzlichen Sportfachleuten sorgen sollten.

Ich hoffe sehr, dass wir auch im Sport den so genannten Turnaround schaffen und zu dynamischen Konzepten kommen, die einerseits die öffentliche Hand entlasten und andererseits auch private Unternehmen beschäftigen.


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Ich denke, Sport ist für alle gut. Es ist sehr positiv, wenn eine Gesellschaft sich bewegt, wenn Vitalität herrscht, wenn insgesamt die Leistungsfähigkeit zur Schau gestellt wird. Daher ist Sport, so glaube ich, für alle wichtig, für unsere österreichische Bevölkerung und für das Wohl Österreichs. (Beifall bei der ÖVP.)

19.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte. (Abg. Schasching  – auf Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer deutend, die an der Regierungsbank ein Gespräch mit einem Mitarbeiter führt –: Ist jetzt dann der Sekretär wieder weg? Das ist ja lästig! – Ruf bei der SPÖ: Die Vizekanzlerin hört ja gar nicht zu! – Abg. Neudeck: Wieso wissen Sie, dass sie nicht zuhört? Sie hat nur nicht zugeschaut! – Abg. Leikam: Das ist ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe.)

19.40

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war zu erwarten, Frau Ministerin, dass speziell im Bereich barrierefreie Gestaltung von Sportanlagen auch in diesem Budget nichts enthalten ist. Wir haben uns nichts anderes erwartet – es wurde uns nur etwas anderes versprochen. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Vizekanzlerin! Wenn Sie schon immer davon reden, dass Sie den Behindertensport fördern werden und was Sie nicht alles für den Behindertensport tun werden, dann, glaube ich, wäre das, was Sie mit höchster Priorität zu erledigen hätten, die barrierefreie Gestaltung von Sportstätten, denn wenn Sportstätten nicht barrierefrei erreichbar sind, dann wird es auch nicht möglich sein, dass behinderte Menschen dort Sport betreiben. Die Schaffung dieser Voraussetzung sind Sie uns noch immer schuldig. Sie werden sich jetzt wahrscheinlich darauf beziehen, dass die Bundessportzentren ausgegliedert worden sind et cetera, aber das ist mir zu wenig! Sie haben es versprochen, und Sie haben das Versprechen, für die barrierefreie Gestaltung von Sportzentren zu sorgen, nicht eingelöst. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Es wäre auch bereits höchst an der Zeit – und Herr Grollitsch wird mir hoffentlich zustimmen –, dass es bei uns in Österreich endlich einmal Realität wird, dass bei Großveranstaltungen – egal, ob es sich um Landesmeisterschaften, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften et cetera handelt – nicht der so genannte Nichtbehinderten-Sport an erste Stelle und der Behindertensport erst an zweite Stelle gestellt wird. Es ist absolut nicht einzusehen, Frau Vizekanzlerin, warum zum Beispiel bei Großveranstaltungen der Behindertensport, bei dem in der Regel dieselben Leistungen erbracht werden, nicht parallel zum Nichtbehinderten-Sport stattfinden kann, sondern erst irgendwann Wochen später, wenn alle Kameras, das Fernsehen, die Medien wieder weg sind. Dann erst dürfen auch die Behindertensportler diese Anlagen benützen.

Frau Ministerin, das ist unhaltbar! Frau Ministerin, das hat nichts mit Integration zu tun, sondern das ist die weitere Form der Aussonderung von behinderten Menschen, und die gehört abgestellt. Und da, Frau Ministerin, können Sie etwas tun, denn Sie sind jene, die auch dafür zuständig ist, welche Mittel welcher Veranstalter erhält. Sie, Frau Vizekanzlerin, können sagen, unter welchen Bedingungen wer welche Förderung erhält, und ich hoffe, dass auch in diesem Bereich endlich etwas passiert. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben auch den Gehörlosensport angesprochen und waren ganz überrascht darüber, dass die gehörslosen Sportler noch immer nicht im Bundessportverein aufgenommen sind. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ich werde mich bemühen, das zu ändern!) Sie hätten nicht überrascht zu sein brauchen! (Abg. Böhacker: Kein Mensch war überrascht!) Auch das ist seit Jahren bekannt, dass sich die gehörlosen SportlerInnen darum bemühen, endlich in den entsprechenden Verbänden aufgenommen zu werden. Sie waren auch schon bei Ihnen, soviel ich weiß, und sie haben mit Ihnen Gespräche geführt. Ihnen wurde das eben zugesagt – aber nur zugesagt. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Die BSO ist das! Ich kann dort nichts machen!)

Sie können sehr wohl auch darauf einwirken (Abg. Dr. Riess-Passer: Nein, das ist ein autonomer Verband!), denn Sie wissen ganz genau, dass derjenige, der das Geld gibt, auch gewisse Entscheidungen oder gewisse Richtlinien mitvollziehen kann. Frau Vizekanzlerin, Sie sind auch


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in anderen Bereichen sehr durchsetzungskräftig, also warum nicht auch da? (Beifall bei den Grünen.)

Frau Vizekanzlerin! Die nächsten Meisterschaften kommen ganz bestimmt, und die nächsten Meisterschaften und Großveranstaltungen kommen auch im Bereich des Behindertensports. Ich weiß, was den SportlerInnen dann wieder blühen wird. Ihnen wird das blühen, womit sie sich seit Jahren abstrampeln: Sie müssen betteln gehen, damit sie zumindest eine einheitliche Sportbekleidung bekommen. – Das dürfte auch nicht mehr sein. In den Sportberichten, die wir jedes Jahr bekommen, steht dann immer drinnen, wie viele Medaillen für irgendetwas und wie viele Wimpeln und Fahnderln angekauft worden sind. Das kann ganz interessant sein für jene, die solche Trophäen sammeln, aber, Frau Vizekanzlerin, es gibt etwas Wichtigeres, und ich hoffe, dass wir dieses Wichtigere in Ihrem Sportbericht, den wir nächstes Jahr bekommen werden, auch finden werden und dass zum Behindertensport dort auch jenes Ausmaß an Informationen enthalten sein wird, das er ganz einfach verdient. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt komme ich noch auf einen Bereich zu sprechen, der mir persönlich ganz wichtig ist, und das ist der Jugendsport. Viele werden es vielleicht nicht wissen, aber ich finanziere seit Jahren verschiedene Sportgruppen und vor allem den Jugendsport. Den Jugendsport – die Jungs so bis zwölf, 13 Jahre und auch die Mädchen – deshalb, weil, Frau Vizekanzlerin, die einzelnen großen Organisationen, die Mittel vergeben, unter Umständen für alle eine Kleinigkeit übrig haben, aber nur nicht für die jungen SportlerInnen.

Ich glaube, wenn wir wollen, dass die Kinder auch in Zukunft gesund bleiben – und Sport trägt ja auch einen gut Teil zur Gesundheit bei –, dann müssen wir logischerweise auch den Handlungsbedarf sehen und den Jugendsport entsprechend fördern. Er kommt leider vielfach zu kurz.

Das gilt auch für den Behindertensport, Frau Vizekanzlerin. Sie werden ja wissen, es gibt im September wieder die Rollstuhl-Tennis-Open in Salzburg. Das ist eine internationale Veranstaltung, und die Veranstalter kämpfen heute schon um jeden Schilling, den sie für diese Großveranstaltung brauchen. Ich wünsche mir, dass Sie sich da auch großzügig zeigen und dementsprechend Mittel zur Verfügung stellen, denn es ist wirklich beschämend, wenn heute internationale Spitzensportler – und speziell im Rollstuhl-Tennis haben wir, wie Sie wissen, Spitzensportler; es ist sogar der Weltrang-Dritte ein Österreicher! – schnorren gehen müssen, damit sie in Österreich bei einer internationalen Tennis-Open-Veranstaltung 10 000 S für den Ersten als Prämie auszahlen können. Das ist verdammt wenig.

Gerade auch der Rollstuhlsport und generell der Behindertensport hätten es schon lange nötig, dass die Spitzensportler auch mit entsprechenden Prämien ausgestattet werden, so wie es bei Nichtbehinderten selbstverständlich der Fall ist. Es ist schon ganz nett, wenn das Ministerium eine Medaille für irgendwelche Veranstaltungen kauft, aber sparen Sie sich das Geld lieber zusammen, kaufen Sie keine Medaillen, statten Sie den Behindertensport mit Barmitteln aus, denn dann kann man sich dort wirklich ein Stück mehr rühren und dann wäre es auch möglich, dass der Behindertensport dem Nichtbehinderten-Sport endlich zumindest in einem kleineren Bereich gleichgestellt werden würde.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch sagen: Ich werde sehr genau mitverfolgen, wie groß und wie offen Ihre Ohren und vor allem Ihr Budget für die Großveranstaltung in Salzburg sind, und ich bin neugierig, ob es mehr als ein Lippenbekenntnis ist, dass Sie diese Veranstaltung großzügig unterstützen werden, oder ob wir uns – und mit "wir" meine ich: wir RollstuhlsportlerInnen – heute schon wieder auf den Weg machen müssen, überall 1000 S, 100 S et cetera zu sammeln und zu schnorren, um diese Großveranstaltung finanzieren zu können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)


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19.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

19.49

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Vizekanzler! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es Ihnen bei der Rede von Kollegen Wittmann auch so ergangen ist: Da ist mir das Märchen vom Rumpelstilzchen eingefallen. Die Rede ist es auch nicht wert, dass man sie näher kommentiert. Es war seine Abrechnung mit seiner Vergangenheit.

Aber Herr Kollege Wittmann hat zwei Stunden vorher etwas Interessantes gesagt, Frau Vizekanzlerin. Er hat nämlich gesagt, Sie – und damit hat er Herrn Staatssekretär Morak und die gesamte Regierung angesprochen – regieren in die Tagespolitik der Beamten hinein! – Das hat Herr Wittmann gesagt, und das Protokoll wird mein Zeuge sein.

Er hat gesagt: Sie regieren in die Tagespolitik der Beamten hinein! – Wieso – das fragt sich der aufmerksame Zuhörer – kommt der glücklose Ex-Staatssekretär zu diesen Aussagen? Was geht im Köpfchen des glücklosen Ex-Verantwortlichen für Kunst und Sport vor, wenn er die Regierung auffordert, die Beamten bei ihrer Tagespolitik in Ruhe zu lassen?

Ist der Schluss abwegig – das frage ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren –, dass sich der glücklose Herr Staatssekretär getreu seinen sozialistischen Vorgängern mit Beamten seiner Farbschattierung umgeben hat? Und drängt sich nicht als Folge die Vermutung auf, dass sich selbige Beamte mit selbiger Farbe und unveränderter politischer Ausrichtung ganz im Sinne des geschiedenen Staatssekretärs tagespolitisch einbringen?

Kurz gesagt, Frau Vizekanzler: Die sozialistische Sport-Nomenklatura hält Österreichs Sport weiterhin fest in ihrer Hand. Ob sie nun Spitzenbeamte oder Verbandspräsidenten sind, sie verhindern mit ihrer Laienhaftigkeit die Entwicklung des österreichischen Sports. Der Schatten-Sportminister ist eigentlich Herr BSO-Chef Löschnak, und seine Handlanger, die in den Höfen und als Herzöge über ihre einzelnen Bereiche ihrer eigenen Eitelkeit frönen, sind die eigentlichen Urheber dessen, dass es in Österreichs Sport nicht so recht weitergeht.

Die Eitelkeit, die sie umgibt, die Sicherheit, mit der sie auftreten, ist in einem Papier festgelegt. Das ist ein Vertrag zwischen dem damaligen Bundeskanzleramt und der Österreichischen Bundes-Sportorganisation, der festschreibt, wohin die besondere Bundessportförderung zu überweisen ist. Das steht dort konkret drinnen und ist seit 1970 unverändert fortgeschrieben worden, es sind nur die jeweiligen Ressorts ausgetauscht worden. Wir wissen ja, welchen unglückseligen Weg der Sport durch sieben verschiedene Ressorts genommen hat. Dort steht also: Das Bundeskanzleramt überweist ein Zwölftel pro Monat in folgender Aufteilung der Bundes-Sportorganisation, dem ASVÖ, dem ASKÖ und so weiter.

Bemerkenswert ist, dass ein Kontrollausschuss die Vergabe dieser Mittel kontrollieren soll. In diesem Kontrollausschuss gibt es zehn Stimmberechtigte, und diese zehn Stimmberechtigten decken sich genau mit jenen Organisationen, die die Zuweisungen bekommen. Es dürfen im Kontrollausschuss drei Personen als beratende Mitglieder zuhören, zwei vom Bundeskanzleramt und eine vom Finanzministerium.

Die BSO hat für die Erbringung dieser Tätigkeiten – das heißt, für die Erbringung der Geldverteilung – auch noch Anspruch darauf, dass ihr die Personalkosten ersetzt werden, dass Kosten für Fremdaufträge ersetzt werden, dass die Prüfungskosten der Kontrollkommission mit Reise- und Sitzungskosten bezahlt werden, et cetera.

Auf der Basis dieses Papiers hat man – über Jahre und Jahrzehnte fortgeschrieben – der Politik eigentlich vollkommen die Möglichkeit entzogen, sportpolitische Weichenstellungen vorzunehmen, Schwerpunkte zu bilden und so weiter. Statt dessen ist das Geld in der besonderen Sportförderung – so, wie es im Budget beschlossen wird – nach einem klar vorgegebenen Schlüssel weiterzuliefern.

Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich das linke Drittel bei der Abstimmung zu diesem Budget, die ja heute noch stattfinden wird, verhalten wird: ob Sie gegen genau das stimmen werden, was Sie selbst seinerzeit konstruiert haben und was noch fortzuschreiben ist; ob Sie das jetzt


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ablehnen oder ob Sie dafür sind. Wenn Sie ablehnen, dann mache ich Sie auf Folgendes aufmerksam: Herr Präsident Löschnak hat vor zwei Jahren einen Brief an alle Sportvereine ausgesendet, in welchem es hieß, die bösen Freiheitlichen hätten gegen das Sportbudget gestimmt, sie seien demnach gegen die Sportförderung, sie seien gegen den Sport, und sie seien gegen die Vereine.

Treiben Sie es mit einer Ablehnung dieses Budgets nicht so weit, dass auch wir genötigt sind, ähnliche Briefe auszusenden! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte.

19.55

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Der Unterschied zwischen Lexer und Grollitsch war, dass sich Lexer mit dem Sport und Grollitsch nur mit der Politik beschäftigt hat. Daher glaube ich, auch wenn wir nicht überall einer Meinung sind, kann man dazu ja sagen.

Frau Vizekanzler! Wir üben sehr oft Kritik, aber wir sagen auch danke schön, wenn es notwendig ist – vorerst. Sie sagen immer wieder, die sozialdemokratische Regierung habe in 30 Jahren viele Fehler gemacht. Ich stehe dafür ein, viele Fehler – aber so viele Fehler, wie diese Regierung in dem einen Jahr gemacht hat, hat die sozialdemokratische Regierung nicht gemacht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Sag ein paar!)

Meine Damen und Herren! Das Sportbudget verringert sich gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent, wobei dies vor allem im investiven Bereich Auswirkungen zeitigt. Die Frage ist, ob die Qualität im Sport damit gehalten werden kann. Ich bin auch Ihrer Meinung, dass wir versuchen sollen, recht viele Großveranstaltungen nach Österreich zu bekommen. In den nächsten Jahren wird es wieder viele Großveranstaltungen in Österreich geben. (Abg. Zweytick: Das parlamentarische Turnier in Vorarlberg!)

Für alle, die daran mitgewirkt haben, möchte ich im Namen des Sportes danke schön sagen dafür, dass die Werbeabgabe für die gemeinnützigen Sportvereine jetzt endlich erledigt wurde. Ich halte das für sehr, sehr wichtig. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.)

Bei der wichtigen Frage der Sportförderungen, ohne die ein leistungsfähiges System zur Ausbildung von Spitzenathleten nicht möglich wäre, liegen Prioritäten in den Bereichen des Spitzensportes, des Nachwuchssportes, im Basissport und auch im Behindertensport. Viele Tätigkeiten dafür werden von den Dachverbänden durchgeführt. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist aber die Rede von gestern! Das hast du gestern gesagt!)

Auch ein Dankeschön dafür, dass die Sporthilfe ausgezeichnete Arbeit geleistet hat! Es hat sich dort nichts geändert. Das Amt des Geschäftsführers hat Toni Schutti übernommen. Er versteht es, die erfolgreiche Arbeit fortzuführen, wie das positive Echo auf die Veranstaltung "Die Nacht des Sportes" bewiesen hat.

Sie haben immer wieder gesagt, gerade Ihre Fraktion: weniger Staat, mehr Freiheit! – Aber im Sport wird jetzt, glaube ich, immer wieder versucht, einen Staatssport zu machen. Ich zitiere dazu: Diese Vorgangsweise hat Anzeichen des alten Staatssportes. – Präsidentin der UNION und Landeshauptmann-Stellvertreterin Prokop. (Abg. Dr. Martin Graf hält eine "gelbe Karte" in Richtung des Redners.)

Oder: Prinzipiell möchte ich voranstellen, dass sowohl das Österreichische Olympische Comité als auch ich offen für jede Reform sind. Aber das hier vorliegende Konzept weist doch deutliche Einflussnahme des Staates auf und passt nicht in den Sport und hat ergo dessen dort auch nichts zu suchen. Die Selbstverwaltung (Ruf bei den Freiheitlichen: Wer sagt das?)  – kommt


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gleich! – soll im Sport auch weiterhin bestehen bleiben. – Präsident des Österreichischen Olympischen Comités Dr. Wallner. Kein Sozialdemokrat!

Oder: Prinzipiell bedauert der Allgemeine Sportverband die Nicht-Berücksichtigung der BSO in dieser Frage außerordentlich.

Das heißt, Basissport Austria, Top Sport Austria, Nachwuchssport Austria – da hätte heute eine Besprechung stattfinden sollen, sie ist aber abgesagt worden. Der Sport will noch mitreden – selbstverständlich, alle Vorschläge mit dem Sport gemeinsam! Aber dass einfach das Programm auf den Tisch gelegt wird und die Funktionäre es zur Kenntnis nehmen sollen, da können wir natürlich nicht mittun.

Auch der Präsident des Allgemeinen Sportverbandes, Dr. Wainig, ist kein Sozialdemokrat. Ich könnte auch den Vizepräsidenten Dr. Zeh zitieren, der auch der Vorsitzende des Sommer-Sportausschusses-Neu im Österreichischen Olympischen Comité ist.

Alle wehren sich! (Abg. Dr. Grollitsch: Wogegen?) Sie werden heute den Brief der Bundes-Sportorganisation bekommen haben, in welchem sich die Fachverbände gegen die Art wehren, wie das derzeit durchgeführt wird. Ich hoffe, dass wir uns damit noch auseinander setzen können. (Abg. Dr. Grollitsch  – in Richtung des Redners –: Wovon redest du, Noldi?) Von dem, wovon du anscheinend keine Ahnung hast! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sport und Gesetzgebung: Vielleicht können Sie hier auch sagen – weil die Vertreter der Bundesliga ja bei allen Sportsprechern waren –, wie es mit einem eigenen Sportgesetz ausschaut. Das ist für uns sehr wichtig.

Für das Anti-Doping-Komitee soll es weniger Geld geben. Warum? Wieso? Das ist gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig. Immerhin werden viele Sportler bei Wettkämpfen und auch im Training kontrolliert. Ich glaube, das ist sehr wichtig.

Meine Damen und Herren! Ich habe noch ein wichtiges Anliegen. (Abg. Zweytick hält ein Schriftstück in die Höhe, auf dem in großen Blockbuchstaben "WICHTIG" gedruckt steht.) Ich glaube, da sollten wir alle gemeinsam mitmachen. (Der Redner hält inne und blickt demonstrativ auf die leere Regierungsbank. – Rufe bei den Freiheitlichen: Wir hören eh zu! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer  – zu ihrem Platz zurückkehrend –: Es ist aber nicht verboten, dass ich mit meinen Beamten spreche und meine Frage für Sie stelle! – Abg. Dr. Petrovic: Es ist auch nicht verboten, zu warten! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Es ist seine Redezeit, nicht meine!)

In Deutschland hat das Sportministerium einen Forschungsauftrag vergeben: "Studie zur Klubgeschichte während der Nazizeit". Dort ist mit Borussia Dortmund der Beginn gemacht worden. Viele Funktionäre, die in den Sportvereinen gewählt worden waren – auch in Österreich –, wurden abgesetzt. Ich glaube, es wäre notwendig, dass, so wie in Deutschland, auch hier ein Forschungsauftrag vergeben wird. (Zwischenruf des Abg. Wenitsch. )

Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft – und wenn Sie es tausendmal nicht ernst nehmen! – im Interesse der Zehntausenden ehrenamtlichen Funktionäre für den Sport gemeinsam auftreten werden. (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben hier einiges gemeinsam gemacht, und ich hoffe, dass das auch in Zukunft so sein wird.

Weil Sie immer wieder auf die Dachverbände losgehen, möchte ich Ihnen heute wiederum sagen, dass die Dachverbände immer bereit sind, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. (Abg. Dr. Grollitsch: Das war ich!) Ich habe Ihnen letztes Mal den "Sportmanager" gegeben. Heute möchte ich Ihnen die für die heutige Zeit bereits überarbeitete Platte übergeben. (Der Redner überreicht der auf der Regierungsbank sitzenden Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer eine CD-ROM.) Ich hoffe, dass wir auch hier einiges erreichen.

Damit auch Grollitsch, obwohl er nicht Sportsprecher ist, ein bisschen Ahnung hat, darf ich jetzt jedem Sportsprecher und auch dem Obmann des Sportausschusses eine solche Platte geben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.03


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

20.03

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Grabner, zum Unterschied von einigen Ihrer Vorredner von Ihrer Fraktion sind Sie für mich eigentlich wirklich glaubwürdig. Sie sind ein Sportfunktionär. Ich nehme Ihnen ab, dass Sie mit Leib und Seele für die Funktionäre des Sports eintreten. Das klingt glaubwürdig, und auch Ihre Anliegen klingen glaubwürdig.

Nur möchte ich eines sagen, Herr Kollege Grabner: Kein Mensch hat etwas gegen die Dachverbände. Ich habe es weder aus dem Mund der Vizekanzlerin gehört – sie kann sich selbst verteidigen –, und auch ich selbst möchte mich dagegen verwahren, dass Sie uns unterstellen, wir hätten etwas gegen Dachverbände. Sie sind notwendig, und wir brauchen sie im Interesse des Sportes. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grabner:  ... habe ich ja gesagt von dir!) Weiß ich, Herr Kollege Grabner! Wir sollten uns aber auch überlegen, ob die Strukturen dort noch zeitgemäß sind.

Ich möchte jetzt zu zwei sozialdemokratischen Vorrednern etwas sagen, was mir ein hohes Anliegen ist. (Abg. Grabner:  ... bin ich deiner Meinung!) Ich habe dich auch gelobt, Herr Kollege Grabner, weil ich glaube, dass du in dem Bereich glaubwürdig bist.

Da geht der Herr Ex-Sportstaatssekretär her, brüllt als Umsetzungslöwe, verlangt Dinge, die er längst hätte selber tun müssen, und entschwindet dann sozusagen. In Wirklichkeit habe ich den Eindruck, es interessiert ihn überhaupt nicht, wie die Geschicke des Sportes gehen. Er hat eben einfach einmal herumgebrüllt. (Abg. Achatz: Er sitzt in der Cafeteria!) Wahrscheinlich, weil ihm der Sport in Wirklichkeit nie ein Anliegen war. (Abg. Mag. Schweitzer: Jawohl!) Das ist die Hauptsache, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe Herrn Kollegen Wittmann auch bei mehreren Veranstaltungen in der Steiermark beobachtet. Dort ist er aufgetaucht und wieder dahingeflogen wie eine Schwalbe im Sommer, und das war es dann im Wesentlichen. Bleibenden Eindruck hat er nicht hinterlassen, auch keine neuen Strukturen, im Sportbereich hat er auf weiter Strecke gefehlt. (Abg. Leikam: Nach Ihrer Meinung ist die Frau Vizekanzler jetzt am Arlberg oben!)

Die Berge erklimmen wir eher mit der Frau Vizekanzler als mit einem Staatssekretär Wittmann. Seien wir froh, dass diese Ära vorbei ist, meine Damen und Herren!

Jetzt zu Herrn Kollegen Kräuter, der auch nicht mehr anwesend ist. Er hält hier sozusagen seine Montagsrede – heute war es eine Donnerstagsrede –, seine allwöchentliche, sage ich (Abg. Dietachmayr: Können Sie zur Sache auch etwas sagen?), er bemüht das gesamte Parlament und ist dann entschwunden. Es ist ihm in Wirklichkeit egal, was die Funktionäre anderer Fraktionen dazu sagen.

Jetzt möchte ich in Richtung der Sozialdemokraten Folgendes feststellen (Abg. Dietachmayr: Können Sie zur Sache auch etwas sagen?), Kollege Lexer hat schon ein paar Dinge gesagt, die sehr richtig sind (Abg. Dietachmayr: Oder nur die Kollegen kritisieren?): Erstens, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, geben Sie bitte Acht, wir reden über das Eigentum Dritter! Wir als ÖVP lassen es ganz einfach nicht zu, dass über das Eigentum Dritter so hinweggefahren wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Lexer hat es erwähnt, und das ist die Position der ÖVP: Ja, wir sind für einen Ausbau der Mountainbike-Strecken, und wir können gar nicht genug davon kriegen. Nur sollten wir uns überlegen, meine Damen und Herren, was der Sportler und die Sportlerin überhaupt wollen. Was Herr Kräuter formuliert hat, das will der Sportler in Wirklichkeit gar nicht. Wer will denn querfeldein, kreuz und quer durch Wälder und auf Forststraßen fahren? – Das will doch kein Mensch!


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63. Sitzung / Seite 164

Sie brauchen dafür Infrastruktur, meine Damen und Herren! Sie brauchen ausgeschilderte Strecken, sie brauchen eine Hotellerie, sie brauchen eine Gastronomie, wie es das in Bundesländern wie Tirol, Steiermark oder Kärnten zum Teil schon längst gibt, und zwar im Einvernehmen mit den Land- und Forstwirten. Das ist gefragt, meine Damen und Herren! Nicht ganz einfach drüberfahren und feststellen, dass wir das machen sollten, egal, ob die Land- und Forstwirte dafür sind oder nicht!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion! Vergessen wir nicht: Der Forstweg ist die Werkstätte dieser Damen und Herren! Der Forstweg ist die Werkstätte der Forstwirte und Landwirte, und wir können hier nicht einfach so über das Eigentum Dritter verfügen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Kompetenz des Bundes in Sportsachen ist in Wirklichkeit enden wollend. Wir haben das schon einige Male diskutiert. Ich glaube, dass der Bund mit seiner Sportpolitik in Wirklichkeit alle Bestrebungen zu unternehmen hat, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen – das ist heute schon ein paar Mal angeschnitten worden, unter anderen auch von Kollegin Glawischnig –, sondern darüber hinaus auch deshalb, weil der Sport eine hohe soziale und integrative Funktion hat. Ich denke, der Spitzensport ist wirklich notwendig, um Vorbildfunktion zu übernehmen und die Jugend dazu anzuhalten, Sport auszuüben.

Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, dass ich davon überzeugt bin, dass Sport einen Gewalt mindernden Charakter auf unsere Jugend ausübt. Und weil wir gestern so intensiv über Drogen diskutiert haben, möchte ich sagen (Abg. Dr. Lichtenberger: Fußballstadion!): Sport hat auch einen der Sucht vorbeugenden Charakter, und zwar in jedweder Hinsicht, egal, ob das Alkohol ist ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Doping!) Natürlich, Frau Kollegin, Doping – auch da sollten wir uns bemühen, dass wir dem entgegenwirken. Die sportliche Aktivität eignet sich natürlich auch bestens für gesundheitsfördernde Maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Liebe Frau Vizekanzlerin! Wir haben mit dem Österreich-Ring als einer Spitzensport-Maßnahme ein weltweites Schaufenster, ein Schaufenster in die ganze Welt. Zwei Milliarden Menschen sehen diese Sportveranstaltung. Wir haben in dem Bereich eine immense Wertschöpfung. Nur ist das, was uns Kollege Wittmann und auch Herr Klima immer wieder versprochen haben, in Wirklichkeit nie in die Steiermark gekommen, nämlich die versprochenen 120 Millionen Schilling. (Abg. Gradwohl: Absolut unrichtig!)

Frau Vizekanzlerin! Ich danke Ihnen dafür, dass jetzt mit Ihnen die Gespräche ernst werden und dass wir in der Steiermark damit rechnen können (Abg. Gaál: 150 Millionen, die gekommen sind!), dass es auch einen Beitrag des Bundes zur wertschöpfenden Maßnahme des Formel-1-Sports in Österreich geben wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

20.09

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Zum Sportbudget könnte man jetzt das Gleiche sagen wie gestern zum Sportbericht – es gilt natürlich das Gleiche –, aber nur in ganz kurzer Form, weil das sonst wahrscheinlich etwas fad wäre. Aber das Argument, dass im Sportbudget die besondere Sportförderung nicht aufgeschlüsselt ist, gilt natürlich auch für dieses Budget.

Ich nehme zur Kenntnis, dass das nächste Budget jenes sein wird, an dem Sie dann wirklich gemessen werden. Wir werden einmal schauen – wenn es entsprechend gestaltet ist, können wir ihm ja zustimmen.

Zur Auseinandersetzung, die zwischen den Kollegen Grollitsch und Grabner stattfindet: Da muss ich Ihnen, Kollege Grabner, schon sagen: Sie haben mir im Ausschuss gesagt, das Problem sei, dass es angeblich nicht nur um die Mittel gehen soll, die es aus der besonderen Sportförderung gibt, sondern dass die Vereine, die Dachverbände generell ihre Gebarung offen legen sollen. Da


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gebe ich Ihnen Recht, das soll nicht geschehen. (Abg. Haigermoser: Da müssen Sie auch für die Doping-Geschichte sein! Wie ist das jetzt?)

Jetzt waren Sie gerade draußen, Kollege Haigermoser. Bevor Sie hinausgegangen sind, haben Sie bellende Gesten gesetzt. Jetzt machen Sie wieder mit Ihren völlig infantilen Zwischenrufen weiter. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Es ist die Frage offen!) Es ist nicht einfach mit solchen Kollegen in der Fraktion, Frau Vizekanzlerin, nicht wahr? Schwierig, nicht?

Aber, Kollege Grabner, ich denke schon, dass es gerechtfertigt ist, sich anzuschauen, wofür hier etliche Hunderte Millionen Schilling verwendet werden. Ich habe auch in Sachen Sportangelegenheiten die Abrechnung der letzten Jahre hinterfragt. Sie haben die Abrechnung nicht da, aber doch Zahlen vorgelegt – allein, auch das ist relativ dünn. 30 Millionen Schilling für Sportstätten beispielsweise sagt auch noch relativ wenig, wenn daraus nicht ablesbar ist, was damit gemacht wird. Ich glaube schon, dass es hier wirklich notwendig wäre, endlich zu einer Transparenz zu kommen. Wenn das der Fall ist, dann können wir über das Sportbudget und über eine Zustimmung unsererseits durchaus diskutieren. (Abg. Dr. Pumberger: Wir machen es ohnehin schon!)

Ich wollte aber noch auf einen Punkt zurückkommen, den ich gestern in der Fragestunde eingebracht habe, und ich möchte versuchen, es Ihnen noch einmal darzustellen, weil die Antwort etwas daran vorbeigegangen ist. Ich versuche also, das Problem noch einmal zu umreißen: Wir haben im Nachwuchsfußball die Situation, dass in den Ligen keine Beschränkung für nichtösterreichische Spieler gegeben ist. Dort können Nichtösterreicher bis zum Alter von 16 Jahren frei spielen. Und dann gibt es den Bruch in den Statuten: Alle, die vorher spielberechtigt waren, werden mit 16 Jahren, wenn sie nichtösterreichische Staatsbürger sind, auf einmal in eine besondere Kategorie eingeteilt: Sie sind nämlich nicht mehr normal spielberechtigt, sondern sie sind nur den Österreichern "gleichgestellt". Wenn sie wirklich gleichgestellt wären, dann könnte man noch sagen: Okay. Diese Gleichstellung ist allerdings mit einer Beschränkung verbunden. Und siehe da: Mannschaften, in denen viele Ausländer – Ausländer jetzt im Sinne von nichtösterreichischen Staatsbürgern – mitgespielt haben, werden auf einmal gezwungen, sich anders zu strukturieren. (Abg. Zweytick: Nichtösterreichische Staatsbürger muss man ganz korrekt dazu sagen!) Korrekt! Nichtösterreichische Staatsbürger! Sie werden gezwungen, sich einen anderen Verein zu suchen, bei dem sie dann spielberechtigt sind. Ab 16 Jahren sind nur mehr fünf solche Spieler pro Verein zulässig.

Jetzt kommt wieder die ÖFB-Geschichte. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Wie in der UEFA!)  – Das ist keine UEFA-Regelung! Wenn Sie sich anschauen, was hinsichtlich der Sportrichtlinien von der Europäischen Union kommt, dann stellen Sie fest, es ist genau dazu aufgefordert worden, diese Diskriminierungen gerade im Amateurbereich zu beseitigen. Eine UEFA-Regelung ist das überhaupt nicht. Sie wissen doch ganz genau, dass die Regelung in der Ersten Fußballdivision, die momentan gang und gäbe ist, EU-widrig ist. Die Erste Fußballdivision hat eine Beschränkung von EU-Ausländern – siehe "Lex Lustenau", die haben eineinhalb Millionen Schilling Abfertigung bekommen, damit sie bei dieser EU-widrigen Regelung mitspielen und keine Klage einbringen. – Also da ist einiges zu tun.

Es ist schon klar, dass wir nicht die Statuten des ÖFB machen, aber wir haben Förderungsstrukturen, und sowohl der ÖFB als auch die BSO und die anderen Dachverbände bekommen massive Förderungen. Die politische Verantwortung wäre es doch, wenigstens Rahmenbedingungen zu setzen, damit solche – und ich sage es jetzt wirklich – Missstände abgestellt werden können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Fangen wir einmal mit der Kunstförderung an!) Genau deshalb gibt es doch auch die Möglichkeit, zu fördern und damit Richtlinien vorzugeben. (Abg. Mag. Schweitzer: Das müsste man bei der Kunstförderung machen!)

Sie haben gestern noch gemeint: Man kann die Probleme des Nachwuchssports nicht durch Einbürgerungen lösen. Darüber könnte man wirklich diskutieren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Darüber ist wirklich zu diskutieren, aber das Problem ist: Amateurfußball hat doch wirklich nichts mit dem Profisportverein zu tun. Da geht es doch wirklich um eine ganz andere Kategorie. Was wir fordern, ist, dass es zumindest im Bereich des Amateurfuß


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balls – dieser ist beschränkt bis hin zur Regionalliga – zu einer völligen Gleichstellung kommt und dass hier niemand aus irgendwelchen dubiosen Regelungen irgendwelcher Verbände eingeschränkt und ausgegrenzt werden soll. Und darin sehe ich die Aufgabe, die Sie hierbei haben, nämlich das auch mittels Förderungspolitik sicherzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber Sie vertreten auch noch einen zweiten Bereich, nämlich den der öffentlichen Leistung. Das umfasst auch die Bildung, speziell die Lehrer. Grundsätzlich möchte ich sagen, dass wohl klar ist, dass wir sehr unterschiedlicher Auffassung über die Einsparungen speziell im Dienstrecht sind, aber ich möchte Sie gerne einmal fragen: Nach welchen Kriterien werden diese dienstrechtlichen Maßnahmen eigentlich gesetzt? Man hat den Eindruck, dass die Lehrer in Österreich eigentlich unheimlich viel verdienen, und das ist der Grund dafür, dass man hier jetzt massiv hineinschneiden muss.

Die OECD-Studien werden von Ihnen immer gern herangezogen, alles Mögliche wird zitiert, auch dann, wenn die Vergleichbarkeit zumindest zu hinterfragen ist, aber wenn man sich die Gehaltsentwicklung anschaut und wenn man sich anschaut, wie viel österreichische LehrerInnen im internationalen Vergleich verdienen, muss man feststellen, laut OECD-Studie sind die Lehrereinkommen, speziell bei den Einstiegsgehältern, im unteren Durchschnitt und keinesfalls irgendwo ganz oben angesiedelt. (Abg. Mag. Schweitzer: Sie steigen bei Stufe 4 ein!) Das ist aus der OECD-Studie. Sie haben sie mehrmals zitiert, vielleicht kann man sie auch einmal aufschlagen und nachlesen, Sie werden das dort finden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Wissen Sie schon, bei welcher Stufe man einsteigt? Gestern haben Sie es noch nicht gewusst!) Das wird ja wohl nicht allzu schwierig sein, Kollege Schweitzer. (Abg. Mag. Schweitzer: Gestern haben Sie es noch nicht gewusst!) Jetzt schreit wieder der Schweitzer – einmal der Haigermoser, dann der Schweitzer – das ist irgendwie wie bei der Muppets-Show. (Abg. Mag. Schweitzer: Weil Sie vieles da nicht sagen!) Aber bitte, lassen wir das so stehen. (Beifall bei den Grünen.)

Was ich von Ihnen gerne wissen würde, ist: Welchen konkreten Strukturmaßnahmen ... (Abg. Mag. Schweitzer: Kollege Brosz, bei welcher Gehaltsstufe steigt ein Lehrer ein? Wissen Sie das? – Abg. Dr. Petrovic: Das ist "Österreich neu regieren"!) Sagen Sie, lässt Ihre Fraktion Sie nicht reden, dass Sie dauernd zwischenrufen müssen? Vielleicht können wir irgendwie spenden und Redezeit übertragen? Das ist wirklich lästig, wenn Sie nicht im Geringsten versuchen, auf die aktuelle Diskussion einzugehen. Sie reden von etwas völlig anderem. Das ist aber meistens so, wahrscheinlich wissen Sie auch heute nicht, worum es geht. (Abg. Mag. Schweitzer: Das haben Sie gestern nicht gewusst und heute auch nicht! – Abg. Schasching: Ein NLP-Seminar zu viel erwischt!) Das kann man vielleicht irgendwie geistig ignorieren, ich werde es versuchen.

Wie schaut Ihr Modell eigentlich aus? Welche Strukturmodelle schlagen Sie vor? Was ist Verwaltungsreform? Wie schaut es damit aus, dass – das hat vorhin schon jemand aus der SPÖ-Fraktion angesprochen – die Verwaltungsstrukturen in der Lehrerverwaltung nach wie vor aufgegliedert sind, dass es massive Probleme gibt, wenn es darum geht, Räume auch wirklich effizient zu nutzen? Wenn es in ein und derselben Stadt eine Hauptschule und ein Gymnasium gibt, eine dieser Schulen aber keinen Turnsaal hat, dann wird es trotzdem wahrscheinlicher sein, dass es in der betreffenden Schule neue Zubauten gibt, anstatt hier effizient vorzugehen. Das wäre wohl auch Aufgabe von Verwaltung.

Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, Sie haben sich nicht deklariert – aber es galt einfach immer der Grundsatz: Hauptschule ist Hauptschule, dorthin sollen jene gehen, die aus Ihrer Sicht, aus Sicht der Regierungsparteien – Sie haben Ihre Sicht nicht deklariert, aber zumindest Ihre Kollegin Gehrer hat das immer wieder so gesagt – einfach nicht so begabt sind. Da machen wir die Hauptschule und dort drüben das Gymnasium – Kollege Amon betont das immer –: Eine klare Trennung ist ganz wichtig! Hier die Gescheiten, dort die weniger Gescheiten, nach Ihrer Diktion. Wenn es um Lernen, um soziales Lernen geht, dann sind diese Begriffe aus meiner Sicht überhaupt nicht gerechtfertigt.

Aber auf diesem Gebiet geschieht nichts, strukturell geschieht überhaupt nichts. Es gibt keinen Versuch, beispielsweise den "Schulversuch Mittelschule" in Wien fortzusetzen. Das wären An


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satzpunkte. (Abg. Mag. Schweitzer: Na warum? Weil die Ergebnisse katastrophal waren!) Das ist wieder einmal Schweitzer! Typisch! Schauen Sie sich die Studien an und Sie werden sehen, dass das nicht der Fall ist! Aber hier wäre es wirklich möglich, effizient Schulpolitik zu betreiben, ohne versuchen zu müssen, beim Dienstrecht der AHS-Lehrer reinzuschneiden.

Und damit bin ich wieder bei Ihnen, Frau Vizekanzlerin, denn genau das ist der Punkt. Sie können doch nicht so tun und sagen: Ich mache das Dienstrecht, aber sonst ist für die AHS Frau Ministerin Gehrer zuständig, und das alles hat miteinander nichts zu tun. Ich meine, so kann man Schulpolitik wohl nicht betreiben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Anstatt hier wirklich massiv – sagen wir es einmal so vorsichtig – eine Stimmung zu verbreiten, die den Lehrern in diesem Land äußerst abträglich ist, wäre es wirklich sinnvoller, sich die Strukturen anzuschauen und Möglichkeiten ausfindig zu machen, wie man das bereits zur Verfügung Stehende effektiv nutzen könnte. Sie haben das, nicht Sie persönlich, aber speziell ÖVP-Ministerin Gehrer hat das immer verweigert. Sie hat keinen Versuch gestartet, irgendwie aus dieser Situation eines getrennten Schulsystems herauszukommen. Das wäre aber wirklich notwendig! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Wir wollen keine Gesamtschule! – Abg. Mag. Schweitzer: Planlos, konzeptlos, vorschlaglos wie immer!)

20.19


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ortlieb. Ich erteile ihm das Wort.

20.19

Abgeordneter Patrick Ortlieb (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Vizekanzler! "Es lebe der Sport, denn für Österreich ist er eine Hauptsache", mit diesen Worten hat Claus Reitan, Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung, erst kürzlich einen Leitartikel betitelt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Man sollte aber auch weiter lesen als nur bis zum Titel!)

Ein Blick zurück auf die Schi-WM in St. Anton widerlegt das alte Sportwort: Sport – die wichtigste Nebensache der Welt! Ich sage, der Sport gehört für Österreich zu den Hauptsachen, insbesondere der Wintersport. Nahezu die Hälfte der Österreicher fährt Schi, jedes zweite Paar Schi, mit dem von irgendeinem Hügel dieser Welt talwärts gefahren wird, kommt aus Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auf dem globalen 15-Milliarden-Schilling-Markt der Ausrüstung liefern heimische Hersteller die Hälfte aller Snowboards und zwei Drittel aller Langlaufschi. Mit 53 Millionen Nächtigungen erzielt der Wintertourismus in Österreich mehr als 100 Milliarden Schilling Umsatz. Das ergibt in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweigen Tausende von Arbeitsplätzen und für den Fiskus Milliarden an Einnahmen.

Die heimischen Seilbahnen machen aus ihrem Wissen und Können einen weltweiten Exportschlager. Das alles kann keine Nebensache mehr sein. Sportliche Idole sind auch moralische Vorbilder, wobei deren Honorare die Kosten für Selbstüberwindung und Selbstdisziplin locker abdecken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Ins Mikro sprechen! – Abg. Schwemlein: Sie müssen zu allen Abgeordneten sprechen – und nicht nur zu Ihrer Fraktion!)

In und mit den Bergen zu leben ist für alle Österreicher eine Art Identität und ein Markenzeichen. Der Wintersport unter klaren Regeln der Konkurrenz und der Kontrolle ist gut für die Gesundheit und für das Geschäft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das sind die wahren Hauptsachen hinter der angeblichen Nebensache Sport. Unsere Frau Vizekanzler ist einfach ein Beweis und der Garant dafür, dass der Sport zu einer Hauptsache geworden ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei den Freiheitlichen: Bravo! Gut gemacht! – Abg. Dr. Cap: Ist das wirklich in Ordnung? – Abg. Schwemlein  – in Richtung des Abg. Böhacker –: Hermann, hilf ihm!)

20.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

20.21

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Schweitzer: Hast du was zu sagen?) Genau! Auch dir habe ich etwas zu sagen. – Erfreulich im internationalen Vergleich ist, dass die Österreicherinnen und Österreicher sehr viel Sport betreiben. Aber noch erfreulicher ist, dass in den Schulen die zusätzlichen Sportangebote immer größer werden, denn man weiß, dass Bewegung durch Sport sehr wichtig für die Gesundheit unserer Kinder ist. (Abg. Schwemlein: Jetzt nicht mehr!) Und wenn man bedenkt, dass fast 140 000 Kinder die unverbindlichen Leibesübungen in den Schulen besuchen, dann sieht man, dass dieses freiwillige zusätzliche Sportangebot von den Schülerinnen und Schülern sehr gerne angenommen wird. (Abg. Schwemlein: Das aber von der Regierung gekürzt wird!)

Der ORF hat in Zusammenarbeit mit der Bundessportorganisation und einer Versicherungsanstalt sowie den Dachverbänden die Aktion "leichter leben" gestartet, und mittlerweile ist diese Aktion sicher schon allen von uns bekannt. 170 000 Menschen haben sich in Österreich dieser Aktion bereits angeschlossen und einen "leichter leben"-Pass gelöst. Es geht um verstärktes Gesundheitsbewusstsein und darum, den Menschen die Scheu vor sportlichen Aktivitäten zu nehmen. Eine Gruppendynamik wurde ausgelöst, um Bewegung gemeinsam durchzuführen und vor allem, um einige Kilos zu verlieren, und dies motiviert alle, an dieser Aktion teilzunehmen. Darüber hinaus dient diese Aktion auch noch einem guten Zweck. (Abg. Böhacker: Wie heißt das?) "leichter leben" – haben Sie noch nichts davon gehört? Wir machen bereits alle mit, es würde Ihnen auch nicht schaden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sport ist aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Erzeugung und der Handel von Sportartikeln bringen eine Wertschöpfung von fast 80 Milliarden Schilling und sichern somit 100 000 Arbeitsplätze. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Politik muss raus aus dem Sport, konnten wir im letzten Jahr als Schlagzeile in den "Salzburger Nachrichten" lesen. (Abg. Mag. Schweitzer: Jawohl!) Unsere Vizekanzlerin, Frau Dr. Riess-Passer, erläuterte in einem Interview ihre Vorstellungen zur Sportförderung und zukünftigen Sportpolitik. Es war auch immer eine Forderung der Freiheitlichen, die drei Dachverbände auf einen zu reduzieren, und vor allem die parteinahen Dachverbände sollten nach ihren Vorstellungen aufgelöst werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Gescheit!)

Ich gebe aber zu bedenken, dass es hier Vereine und Vereinsangehörige gibt, die gerade aus ideologischen Gründen dem jeweiligen Dachverband angehören wollen. Frau Vizekanzlerin! Wenn Sie behaupten, gerade diese ideologischen Gesichtspunkte seien der Kern dieses Problems, so bin ich hier ganz anderer Meinung. (Abg. Mag. Schweitzer: Was unterscheidet sozialdemokratische Fußballer von anderen? – Abg. Neudeck: Ist Rudern schwarz oder rot?) Was stört Sie so daran, wenn sich die SPÖ dafür einsetzt, dass auch Menschen mit weniger Einkommen Sporteinrichtungen nützen können, weil sie sich eben keine noblen oder sündteuren Klubs leisten können? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Das wissen Sie ohnehin, wie verschieden die beiden sind. (Abg. Mag. Schweitzer: Was ist der Unterschied zwischen ASKÖ und Union Frauenkirchen?) Das sage ich dir später.

Speziell die Arbeiterbewegung ist nicht zufällig entstanden. Die Sozialdemokratie hat sich nicht nur für die Besserstellung der Arbeiterklasse eingesetzt (Abg. Mag. Schweitzer: Sondern auch 100 Jahre ASKÖ gefeiert!)  – lassen Sie mich ausreden! –, sondern auch dafür, dass auch Menschen mit geringen Mitteln Sport betreiben können. (Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Diese Sportdachverbände sind ein wichtiges Stück gewachsener sportlicher Organisation aber auch demokratischer Strukturen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: 100 Jahre ASKÖ!)

Im Sinne der Meinungsvielfalt kann gegen die Existenz von drei Dachverbänden einfach nichts einzuwenden sein. Eine gesunde Konkurrenz kann nur positive Auswirkungen haben. Die drei


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Dachverbände sind trotz ihrer recht unterschiedlichen Traditionen auch nicht als Gegner zu sehen, sondern als Partner bei der gemeinsamen Arbeit für den Sport.

Dass Sport mit jung und dynamisch verbunden wird, nutzen doch auch die Politiker gerne. Ich denke da an Marathonläufer, Bungeejumping (Abg. Böhacker: Zu gefährlich!) oder an eure Spitzenkandidatin, Frau Dr. Partik-Pablé, die bei den letzten Gemeinderatswahlen in Wien während des Wahlkampfes das Joggen entdeckt und ein "Laufen mit Helene" inszeniert hat. (Abg. Neudeck: Nein, sie läuft schon seit Jahren! – Abg. Böhacker: Das ist Ihre Meinung!) Ja, das ist meine Meinung. (Beifall bei der SPÖ.)

Genützt hat euch diese Aktion allerdings herzlich wenig, wenn man das Wahlergebnis ansieht. (Abg. Böhacker: Das ist Ihre Meinung!) Und unsere Bürger – das hat man gesehen, und das ist auch meine Meinung – können sehr wohl erkennen, wenn Sport für die Politik missbraucht wird, und reagieren dann auch dementsprechend. (Abg. Mag. Schweitzer: Im Rahmen von "leichter leben"!) Das ist keine politische Aktion. – Also unsere Mitbürger reagieren dann auch dementsprechend mit Ablehnung. Und genau dieser Meinung bin ich auch! (Beifall bei der SPÖ.)

20.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadler.

Darf ich vorher um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitten, der Lärmpegel steigt allmählich so an, dass sich der Redner extrem schwer tut. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Rednerin! )  – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.27

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Frau Pfeffer, ich finde es nicht nachteilig, wenn auch Politiker als Paten für den Sport fungieren. Ich würde das nicht kritisieren, ich kann das nur begrüßen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sport nährt nicht nur unseren Körper und unsere Seele, sondern erzeugt auch einen gewaltigen Umsatz und eine enorme Wertschöpfung, von der viele Branchen unserer Wirtschaft profitieren. (Ruf bei der SPÖ: Der Rubel rollt!) Jawohl, genau das! Immerhin liegt die gesamte vom Sport angeregte Wertschöpfung in Österreich bei rund 8 Milliarden Schilling pro Jahr. Diese Wertschöpfung wiederum sichert etwa 100 000 Arbeitsplätze und beträgt 3 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. (Abg. Schieder: Weit mehr!)

Bemerkenswert ist auch die starke Position unserer Vereine, vor allem der Sportvereine in unserem Land. Zu den Einnahmen- und Ausgabenstrukturen – und jetzt hören Sie mir gut zu! –: Das Gesamtvolumen beträgt 6,24 Milliarden Schilling, davon 15,8 Prozent Förderungsmittel, wobei dieser Pot nicht nur vom Bund gespeist wird, sondern vor allem von Gemeinden und von Ländern. Diese Zahlen und die vielen ehrenamtlichen Funktionäre im Sport belegen die hohe Wertigkeit des Sports, die Sie auch immer so hervorheben, eindrucksvoll. Frau Haidlmayr! Das heißt, die Nachwuchsarbeit, vor allem die auf Breitensport-Ebene, wird von diesen Vereinen durchgeführt und aus diesem Gesamtvolumen finanziert. Dafür können wir nur unsere Wertschätzung geben, weil auch das ein großer Beitrag zum Sportbudget in Österreich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber nicht nur die rein ökonomischen Effekte der sportlichen Aktivitäten der Österreicher, auch der immaterielle Nutzen sind herausragend; zum Beispiel die Verbesserung der Volksgesundheit und der erzieherische Nutzen für unsere Kinder und Jugendlichen. Es gibt einen Gesamtnutzen der sportlichen Aktivitäten der Österreicher zur Vermeidung sozialer Kosten im Gesundheitssystem. All diese Zahlen sind nicht meine Erfindung, sondern das Ergebnis einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts Wien.

Die Sport- und Großveranstaltungen in unserem Land und die Höchstleistungen unserer Sportler, wie unser Patrick Ortlieb einmal einer war, verschaffen dem Sport und Österreich ein äußerst positives Image. Sie bringen viele Sportbegeisterte und Urlauber in unser Land, sie


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motivieren Sportausübende und stimulieren unsere Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Um diesen ökonomischen Nutzen aber ziehen zu können, bedarf es auch der Attraktivität unserer Sportanlagen. Nicht umsonst ist ein Schwerpunkt im Sportbudget 2002 die Investitionsförderung für Sanierung, für Ausbau und Neuerrichtung von Sportstätten in Österreich. Als Tirolerin freue ich mich darüber, dass wir 2002 in einer neuen Berg-Isel-Arena springen werden. Auch die Sanierung der Olympia-Eishalle oder der Bob- und Rodelbahn Igls beispielsweise ist nur dann möglich, wenn es einen Investitionsschub auch vom Bund gibt. – Ja, es ist so! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sportliche Events in diesen Großanlagen sind absolut notwendig und sollten dort stattfinden – sie bringen Tausende Menschen in unser Land, die einen erheblichen Beitrag zu unserer Wirtschaftskraft leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sport berührt viele Bereiche, der Nutzen ist enorm. Geben wir deshalb auch weiterhin dem Sport den entsprechend hohen Stellenwert, und ich bitte Sie, stimmen Sie diesem Budget zu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

20.32

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Ich spreche Sie, Frau Vizekanzlerin, nicht in Ihrer Rolle als Ressortministerin an, sondern als Vizekanzlerin und damit als Mitverantwortliche der Gesamtpolitik dieser Bundesregierung. Ich denke mir, dass es gerade am Ende des Tages, an dem wir die Kapitel Oberste Organe und Bundeskanzleramt diskutiert haben, vielleicht doch ratsam ist, diesen Tag und das, was vorher war, ein wenig Revue passieren zu lassen.

Sie sind in dieser Koalitionsregierung mit dem Motto angetreten, Sie wollen neu regieren. Sie haben eine Zurückdrängung der Parteipolitik versprochen, Objektivierungen in jeder Hinsicht und neue Modelle. Dann kamen diese zahlreichen Einzelgesetze nach dem Motto: Es muss schnell zu Reformen kommen! Dabei sind etliche Pannen und Fehler passiert – ich brauche sie hier jetzt nicht wiederzugeben –, und der Satz "speed kills quality" hat auch bereits sehr allgemein die Runde gemacht.

Ich hätte dazu gerne einmal auch eine Einschätzung gehört, ob es nicht einige Materien gäbe, wo tatsächlich Eile angebracht wäre, die nämlich oftmals und kontroversiell diskutiert worden sind, wo alle Argumente auf dem Tisch liegen und wo es um Entscheidungen geht – in Bereichen beispielsweise, wo Österreich auch sehr, sehr oft von der Europäischen Union gerügt worden ist, etwa was das passive AusländerInnen-Wahlrecht in Betriebsvertretungen, in den diversen Kammern und in der Österreichischen HochschülerInnenschaft betrifft. Da sind alle Argumente ausgetauscht, hier sollte gehandelt werden – allein, da entspricht es nicht Ihrer ideologischen Ausrichtung! (Beifall bei den Grünen.)

Letztes Wochenende gab es eine Wiener Wahl, und ich muss sagen, dass mich persönlich Ihre Wahllinie eigentlich noch mehr empört hat als die international sehr heftig kritisierte im Wiener Wahlkampf zuvor, denn Sie haben da nicht selbst bestimmte, sehr aggressive Botschaften ausgesandt, sondern Sie haben an Ängste, an nicht sehr edle Gefühle appelliert. (Abg. Dr. Pumberger: Zur Sache!) Ich weiß, dass Sie das nicht sehr gerne hören, aber das ist genau zur Sache dieser Regierungspolitik, zu diesem Kanzleramt, zu dieser Vizekanzlerin.

Sie haben Plakate gehabt, auf denen Menschen als Gegenstand der Sorge dargestellt worden sind, und ich kann Ihnen sagen: Ich habe beispielsweise mit einigen ausländischen Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen, die das wirklich bitter getroffen hat und die gesagt haben: Bitte, wie komme ich dazu? Ich lebe seit vielen Jahren in diesem Land, ich führe erfolgreich mehrere Betriebe, ich beschäftige – und zwar in wunderbarer Harmonie – In- und


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AusländerInnen in meinem Betrieb, und auf einmal muss ich auf Plakaten lesen, dass ich irgendwie etwas anderes bin, dass sich die Menschen über mich Sorgen machen! Wie komme ich dazu? – Dieses Appellieren an diese Schattenseiten, das habe ich wirklich als etwas ganz Letztklassiges gefunden – und es gab kein Wort von Ihnen dazu! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Petrovic! Sie haben bewusst darauf hingewiesen, dass Sie die Frau Vizekanzlerin im Sinne der Generaldebatte ansprechen. Ich muss allerdings darauf aufmerksam machen, wir haben dieses Kapitel nicht nur erledigt, sondern wir haben darüber bereits abgestimmt und behandeln jetzt das Kapitel Öffentliche Leistung und Sport. (Abg. Mag. Kogler: Es gibt keine Generaldebatte! – Abg. Mag. Gaßner: Das ist absurd!)

Das heißt, wir legen das nie so engherzig aus, daher habe ich jetzt auch während ungefähr der Hälfte Ihrer Redezeit nichts dazu gesagt, aber ich bitte Sie, jetzt doch zu beachten, dass wir nunmehr das Kapitel "Öffentliche Leistung und Sport" verhandeln.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Herr Präsident! Sie dürfen mir durchaus die Eloquenz zutrauen, dass ich diesen Bogen schlagen kann. Ich erlaube mir, anzumerken, ohne Sie jetzt zu kritisieren – das tue ich nicht! –, ich fände es ratsam, das in der nächsten Präsidiale zu besprechen. Was bislang in manchen Redebeiträgen kam, das schien mir weiter von einer Budgetdebatte und von einer Debatte beispielsweise zum Kapitel Öffentliche Leistung und Sport entfernt zu sein, als das in meinen Ausführungen der Fall war.

Ich habe vorhin beispielsweise das UnternehmerInnentum in Österreich angesprochen. Es ist schon eine Frage, in welch wirtschaftspolitischem Klima, in welch politischem Geist, in welcher Geisteshaltung das alles stattfindet – und da gibt es einiges, und das wird von den Spitzen dieser Regierung verantwortet, was, so meine ich, sowohl die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte als auch die Einstellung der Bürgerinnen und Bürger, als auch die Einstellung der Unternehmerinnen und Unternehmer sehr stark beeinflusst. Das hat sehr wohl miteinander zu tun! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Der Sport ist am Wort!)

Ich habe – und wenn ich es jetzt nur daran messe, was im Rahmen dieser Budgetdebatte in den letzten paar Stunden geschehen ist – die Argumente, die hauptsächlich von Seiten der Abgeordneten der Regierungsfraktionen kamen, vielfach im Ohr: Die – so wird es immer wieder gesagt – frühere sozialistische, sozialdemokratische Regierung hätte Altlasten hinterlassen, hätte große Fehler gemacht. – Zum einen ist mir, muss ich sagen, in Erinnerung, dass das bisher keine Alleinregierung war, und zum anderen zieht sich auch das Schweigen des Bundeskanzlers und der Spitzen der ÖVP wie ein "schwarzer" Faden durch diese Budgetberatungen zu all diesen Kapiteln, wie etwa dem Kapitel der öffentlichen Leistung.

Zweitens war zu hören, es seien Gelder falsch ausgegeben worden und das sei schon in der Vergangenheit der Fall gewesen. Nun aber richtet sich dieselbe Kritik gegen Sie, was beispielsweise öffentliche Werbekampagnen betrifft; ich erspare es mir jetzt, jene Worte zu verwenden, die Ihr Ex-Parteiobmann den Medien in aller Breite kundgetan hat.

Und dann kam auch erneut – und das beeinflusst die Stimmung, das Wirtschaftsklima, sicher auch den Geist der öffentlichen Administration, Behörden und Dienststellen ganz maßgeblich – eine Polarisierung sondergleichen. Das, was auf den Wiener Wahlplakaten stand, zog sich auch in die Debatte: Es ging nicht darum, zu sagen, dass es vielleicht andere Argumente und eine andere Gewichtung in der Drogenpolitik und in anderen Bereichen gibt, sondern da war die unterste Schublade offen. Ich habe nichts von einem Klima gemerkt, dass man sich eingesteht, dass vielleicht Fehler gemacht wurden und auch die andere Seite vielleicht nicht in allen Punkten Recht hat. Vielmehr sind grobe Klötze und grobe Keile dahergekommen.

Da Sie, Frau Vizekanzlerin, in Ihren Ausführungen das Objektivierungsgesetz angesprochen haben, muss ich in aller Form die Frage stellen: Ist es dann wirklich so – und das betrifft einen Parteikollegen von Ihnen in der Regierung –, dass, wenn es um eine durchaus fragwürdige und


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von mir jetzt nicht näher thematisierte Männerabteilung geht, dort eine bestimmte Person von vornherein ohne Ausschreibung feststeht? Ist es dann wirklich so, dass ganze Aufsichtsräte ausgetauscht werden? Durch die Wirtschaftsmedien des Landes geht schon das Wort, dass jetzt auf einmal die "Friends of Prinzhorn" all diese Positionen besetzt haben und dies ein objektives Kriterium geworden zu sein scheint.

Frau Vizekanzlerin! Sie haben gesagt, dass Sie dies oder jenes nicht beeinflussen können, weil es sich um private Vereine handelt und Sie nichts tun können, und es rollt eine Welle der Ausgliederungen, daher halte ich Ihnen in aller Form entgegen: Selbstverständlich können Sie etwas tun! Soweit ich weiß, gibt es weder im Bundesrecht noch im Bereich der Rechte der Länder Rechtsansprüche auf Förderungen! Selbstverständlich könnte die öffentliche Hand etwa positive Ziele, die sie anstrebt, in Förderungsverträge einarbeiten, etwa die Integration von Menschen, die in irgendeiner Form benachteiligt sind, die Gleichstellung von Menschen mit verschiedenen Reisepässen, die bewusste Förderung und Ermutigung von Frauen, und insofern stärkere Anreize für jene, die das tun wollen, schaffen und entsprechende politische Signale setzen. Aber offenbar ist das nicht gewollt. Auf diese Ebene sollte man es einmal bringen, dann könnte die Debatte sehr an Sachlichkeit gewinnen! (Beifall bei den Grünen.)

Ein Letztes, und auch das zieht sich durch wie ein blauer oder ein schwarzer Faden: Immer wieder kam die Frage, betreffend die öffentlichen Leistungen oder sonstige Bereiche: Wo sind die Konzepte der Opposition? (Abg. Dr. Pumberger: Das frage ich mich auch!) Ja, ja! Verstärken Sie es nur! Sie haben ein ganz neues Team, Frau Vizekanzlerin, das merke ich schon!

Ich antworte darauf: Einerseits ist es nicht die primäre Aufgabe einer Opposition, Regierungspolitik zu machen, denn sie hat keine Mehrheit, und das weiß die Opposition. (Abg. Dr. Pumberger: Aber Sie dürfen denken!) Andererseits gibt es aber – und das wissen Sie sehr gut, Frau Vizekanzlerin! – selbstverständlich entsprechende Konzepte. Es gibt Konzepte von den Grünen im Bereich des Steuer- und Budgetwesens mit dem großen Konzept der aufkommensneutralen Ökosteuer. Es gibt ein soziales Grundsicherungsmodell, das finanzierbar und gerecht ist und das vor allem ein Modell ist, das den Anliegen der Frauen und der Jugend entgegenkäme. Es gibt eine Fülle von Vorschlägen in Sachen Demokratiereform auch betreffend die Reform der öffentlichen Leistungen. Es war aber bisher sinnlos, das einzubringen, denn wir stehen auf der Ebene, dass gerade an die Adresse der Grünen der Vorwurf der Kumpanei mit Drogendealern und Ähnliches dominiert hat.

Das ist ein Stil, in dem nicht sehr viel weitergehen wird. Da kommt es oft dazu, dass es so aus dem Wald zurücktönt, wie von Seiten der Regierung, die immerhin das Sagen im Land hat, hineingerufen wird. Oder, um es anders zu sagen: Jede Regierung hat die Opposition, die sie verdient. – Solange die Wahlergebnisse so ausfallen wie in Wien und im Burgenland, soll uns das jedenfalls recht sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. – Bitte.

20.44

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin, Madeleine Petrovic, die sich mit dem Ausländerwahlrecht, mit der Wiener Landtagswahl, mit Drogendealern et cetera befasst hat, werde ich zur Sache, nämlich zum Bundesvoranschlag 2002 sprechen. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, dass sozialdemokratische Bundeskanzler und sozialdemokratische Finanzminister in den letzten 30 Jahren täglich 144 Millionen Schilling Schulden gemacht haben! (Abg. Mag. Kogler: Jetzt geht es aber um 2002!) Herr Kogler! Meine Damen und Herren! Das sind rund 6 Millionen Schilling neue Schulden pro Stunde, und das ergibt einen hinterlassenen Schuldenberg von rund 2 200 Milliarden Schilling! Meine Damen und Herren! Das sind Zahlen, die man sich nur sehr schwer vorstellen kann!


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Hohes Haus! Die Sozialdemokraten haben in mehreren Sparpaketen die Lohn- und Einkommensteuer, die Tabaksteuer, die Versicherungssteuer, die Rezeptgebühren, und zwar sogar dreimal, und die Energieabgabe auf Strom und Gas erhöht. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. ) Herr Kollege Gradwohl! Die Sozialdemokraten haben das Pflegegeld gekürzt, die Absetzbarkeit für Sonderausgaben teilweise gestrichen, das Bausparen unattraktiver gemacht, die Urlaubs- und Weihnachtsgeldbesteuerung verschärft und so weiter. – Das ist nur eine demonstrative und keine taxaktive Aufzählung, meine Damen und Herren, denn für eine taxaktive Aufzählung würde meine Redezeit nicht ausreichen. (Abg. Brix: Betrifft das die Tagesordnung? – Abg. Gradwohl: Sie haben angekündigt, dass Sie zur Sache reden werden!)

Meine Damen und Herren! Trotz dieser unsozialen Belastungen ist es den Sozialdemokraten nicht gelungen, den gigantischen Schuldenberg abzubauen, ganz im Gegenteil. Unter einem roten Bundeskanzler und einem roten Finanzminister wäre dieser Schuldenberg Jahr für Jahr noch viel größer geworden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist ein wahrer Segen für unser Land, dass die Wählerinnen und Wähler am 3. Oktober 1999 die Schuldenmacher dieser Republik abgewählt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Schulden machen ist unsozial! Schulden machen belastet die nächsten Generationen. Damit es in Zukunft zu keiner Neuverschuldung kommt und das so genannte Nulldefizit erreicht wird, ist die neue Bundesregierung gezwungen, Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. (Abg. Schasching: Zum Thema!) Das ist Verantwortung für unser Land, das ist "Regieren neu". (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. ) Ich sehe dich eh, Herr Kummerer.

Meine Damen und Herren! Auch der öffentliche Dienst leistet seinen Beitrag zur notwendigen Sanierung des Staatshaushaltes. Herr Kollege Kummerer! Bis zum Jahre 2003 werden 11 000 Stellen im öffentlichen Dienst eingespart werden, weitere 4 000 werden durch Ausgliederungen eingespart. Dass dieses Ziel erreicht werden kann, wird durch die Tatsache bewiesen, dass bereits im Jahre 2000 3 860 Planstellen eingespart wurden, das heißt, dass die Beamtenschaft bereits um 3 Prozent reduziert wurde. (Abg. Gradwohl: Das ist ja "so gut" für die Exekutive!) Herr Kollege Gradwohl! Es ist ja auch nicht notwendig und keinem vernünftigen Menschen in diesem Land erklärbar, dass zum Beispiel ein Reiter der Hofreitschule oder ein Gärtner ein pragmatisierter Beamter sein muss. Diese Maßnahmen bewirken keinen Einmaleffekt, wie der große Vorsitzende der Sozialdemokraten, Genosse Gusenbauer, heute gesagt hat, sondern bringen einen Dauereffekt.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Von der Schuldenwirtschaft zur Parteibuchwirtschaft: Die Parteibuchwirtschaft dürfte den Sozialdemokraten auch nicht ganz unbekannt sein. Auch diesbezüglich haben sie in den letzten Jahrzehnten eine gewisse Professionalität entwickelt. In Zukunft wird es bei Postenbesetzungen und bei Aufnahmen im öffentlichen Dienst zu objektiven, leistungsorientierten und nachvollziehbaren Verfahren kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mit dem In-Kraft-Treten des Objektivierungsgesetzes wird im öffentlichen Dienst in unserer Republik ein völlig neues Zeitalter anbrechen. Die Günstlings- und Parteibuchwirtschaft wird ein für allemal der Vergangenheit angehören. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Grabner. ) – Herr Kollege Grabner! Hören Sie zu!

Leistung und Qualifikation werden endlich im Vordergrund stehen. Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Die öffentlich Bediensteten und die Anwärter auf einen öffentlichen Job, männlich oder weiblich – das sage ich für Frau Petrovic –, werden es Ihnen danken! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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63. Sitzung / Seite 174

20.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

20.50

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich knüpfe gleich an die Ausführungen meines unmittelbaren Vorredners an: Lieber Freund, das, was du da gesagt hast, glaubt nicht einmal der Landeshauptmann in Kärnten! Punkt. Mehr sage ich dazu gar nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Ich werde nun aber doch versuchen, mich zum Budgetkapitel Öffentliche Leistungen in einigen wenigen Sätzen zu äußern. Ich habe genau aufgepasst, und ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es interessant wäre, zu bedenken, dass es, wenn wir vom öffentlichen Dienst und von öffentlich Bediensteten sprechen, um Menschen, um Kolleginnen und Kollegen geht. Ich bin froh, dass wenigstens von Seiten der Wirtschaft, von Seiten zahlreicher Österreicherinnen und Österreicher, aber auch von internationalen Experten anerkannt wird, dass die öffentliche Verwaltung in Österreich gut ist. Ich möchte den öffentlich Bediensteten heute hier für ihre Leistungen für unsere Republik und deren Bürger sehr herzlich danken! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt sitzen wir tagelang hier, daher soll unser gemeinsamer Dank auch den Kolleginnen und Kollegen der Parlamentsdirektion gehören. Für uns ist all das immer eine Selbstverständlichkeit. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Vizekanzlerin! Ich werde mich jetzt hier nicht im Detail über einzelne Punkte der Verwaltungsreform oder der Bundesstaatsreform verbreitern. Ich habe im Budgetausschuss und gestern bei der Fragestunde genau aufgepasst, und ich habe auch sehr aufmerksam bei Ihren Ausführungen zugehört. – Ich freue mich schon, denn ich habe die Kommentare der ÖVP-Landeshauptleute zu diesem Themenbereich bereits alle gelesen, in der APA und in den Print- und elektronischen Medien. Das wird eine sehr interessante Diskussion werden! Und es ist sicher: Die Roten werden sicher nicht schuld sein! Das wird eine interessante Diskussion zwischen der Österreichischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie, vor allem Sie, Frau Vizekanzlerin, bitten: Wir dürfen, wenn wir in den nächsten Wochen und Monaten über zahlreiche Reformen diskutieren und verhandeln, nicht vergessen, dass wir nicht von abstrakten Planstellen sprechen, sondern von Menschen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man darf nicht über die Menschen hinweggehen und so tun, als handle es sich um tote Materie! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es bringt nichts, wenn hier ununterbrochen Ankündigungen stattfinden! Ich greife nur das Thema der Pragmatisierung auf: Der Herr Bundeskanzler sagt, welche Bereiche er sich vorstellen kann. Sie, gnädige Frau, sagen, welche Bereiche Sie sich vorstellen können. Decken tut sich das, was Sie beide als Regierungsspitze zum Ausdruck bringen, aber nicht! Versetzen Sie sich in die Lage der Tausenden Kolleginnen und Kollegen! Welchen Eindruck sollen diese gewinnen? – Ich möchte also doch bitten, dass wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen und die Verhandlungen auch im Interesse der Betroffenen führen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen von diesem Rednerpult aus vorgerechnet, was bei der Exekutive geschehen wird, wenn Sie die Regelung beschließen, dass nach sechs Monaten Krankenstand ein Drittel des Bezuges einbehalten wird.

In der gestrigen Fragestunde – Sie wurden ja bereits im Vorfeld gefragt – hat Kollege Miedl genau diese Frage gestellt. Ich bin darüber froh und sage heute: Repariert es! – Das war aber gar nicht notwendig! Ich habe die Freunde vom ÖAAB gefragt: Rührt ihr euch nicht? – Da wart ihr alle auf Tauchstation! Jetzt kommt ihr und sagt: Das müssen wir jetzt reparieren! Daher sage ich: Bitte, reparieren wir es jetzt wenigstens wirklich! Die Kolleginnen und Kollegen haben ein Anrecht darauf! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein kleines Beispiel noch, ebenfalls einen Bereich der Exekutive betreffend, ebenfalls bereits beschlossen: In einem Jahr kommen die Abschläge auch bei Dienstunfällen. Kollege Miedl! Vielleicht wirst du dann wieder fragen, und vielleicht können wir das dann auch reparieren, denn vorher hört sowieso keiner auf uns!

Ich glaube, wir sollten, wenn wir uns mit solch tief greifenden Maßnahmen parlamentarisch auseinander setzen, nie aus den Augen verlieren, dass man mit Menschen auch menschlich umgeht, lieber Freund vom ÖAAB! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

20.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

20.56

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es besteht tatsächlich ein bemerkenswerter Unterschied zwischen den Reden der Kollegen von unserer Fraktion und Kollegen und Kolleginnen von Ihrer Fraktion zu den Beamten! Ich glaube, das haben Sie selbst bemerkt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich komme in diesem Zusammenhang noch einmal auf den gestrigen Sportbericht zurück. Ich muss sagen, dass es da sehr bemerkenswerte Aussagen gegeben hat, etwa vom Kollegen Grollitsch, der jetzt nicht im Saal ist, als Sportsprecher der FPÖ. Allerdings waren es für mich sehr bemerkenswerte Negativaussagen, insbesondere zum Vereinssport, und dies im internationalen Jahr der Freiwilligkeit und der Ehrenamtlichkeit, welches Ihnen, lieber Kollege Grollitsch, die Möglichkeit gegeben hätte, ein bisschen positiv zu diesen 2,5 Millionen freiwilligen Helferinnen und Helfern im Sport zu sprechen und ihnen für ihre ehrenamtliche Tätigkeit zu danken!

Herr Kollege Grollitsch! Sie haben hier eine ganz veraltete Untersuchung, die außer Ihnen niemand kennt, hervorgezaubert und haben anhand dieser Untersuchung die Qualifikation dieser ehrenamtlichen Mitarbeiter in Frage gestellt. Sie scheuen nicht davor zurück, deren wohl unbestrittene Bedeutung für den Breitensport und vor allem für den Vereinssport in Österreich hier herunterzumachen! Das hat mich sehr getroffen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie negieren die Bedeutung der sportlichen Jugenderziehung für die Volksgesundheit, deren Grundstein bereits im Kindesalter gelegt wird. Sie verstehen überhaupt nicht den Wert des Sports, der die Jugendlichen von Alkohol und Nikotin fernhält! (Abg. Haigermoser: Sie wollen Herrn Präsidenten Fischer Konkurrenz machen!)

Sie haben auch die enorme Wertschöpfung negiert – Kollege Lexer hat es gesagt –, die durch diese ehrenamtliche Tätigkeit im Jahr erreicht wird. Es handelt sich hiebei um mehr als 8 Milliarden Schilling, wenn man nur 100 S pro Stunde ansetzt, abgesehen vom Wert für die Gesundheitsentwicklung der jungen Menschen und für den Wert für den Tourismus, was die heute genannte Untersuchung eindeutig gezeigt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Kollege Grollitsch! Ihre Ausführungen werden im negativen Sinne noch bedeutungsvoller, wenn man bedenkt, dass die Kosten für diese Leistungen für den Sport aus Ihrem Budget von der Vizekanzlerin niemals bedeckt werden könnten und man diese auch nicht bedecken will, obwohl man sich wünschen würde, dass Sie die arbeitslosen Lehrerinnen und Lehrer, die Sie durch Ihre Politik produzieren, in diese Jobs als Trainer übernehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Kollege Grollitsch! Ihre Ausführungen hatten auch Methode. Das kennen wir! Die gut organisierten Dachverbände stören Sie. Da nützen auch die kreideweichen Beteuerungen nichts! Frau Vizekanzlerin! Sie wollen gemeinsam mit den "Sport-Grollis" Ihrer Partei auf unsere Dachverbände losgehen! Mit dem Motto "Politik raus aus dem Sport!" meinen Sie: Wie bekomme ich die Dachverbände und die Fachverbände fest in den Griff? Wie gelange ich hier zu Einfluss, auch wenn es nur negativer Einfluss ist?

Ihr Koalitionspartner – liebe Freunde, ich muss euch das vorhalten! – merkt nicht, dass es auch der Union und ihm an den Kragen geht! Sie wollen in unsere Verbände Einschau halten und


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nach Ihrem Willen und Ihrer Vorstellung Einfluss nehmen. Das jüngste Beispiel aus Kärnten hat uns eindrucksvoll gezeigt, wie Sie den Sport zum Mittel nehmen, um Funktionäre und Angestellte des Sports politisch unter Druck zu setzen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Frau Vizekanzlerin! Wir werden uns wehren, hoffentlich gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner! Wir werden uns gegen Ihren politischen Würgegriff wehren, mit den Kräften unserer Mitglieder, der Sportler und Funktionäre, vor allem aber mit dem Druck der Öffentlichkeit, der auf Sie täglich größer wird. Wir wollen durchsetzen, dass wir uns wie bisher selbst verwalten und auch selbst kontrollieren können. Herr Kollege Grollitsch! Wir werden es nicht zulassen, dass veraltetes und vor allem nationales Gedankengut in den Sport einziehen darf. Ich bin sicher, dass auch in dieser Frage Ihr Koalitionspartner auf unserer Seite steht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Es gäbe viel anderes in Ihrem Sportministerium zu tun. Kümmern Sie sich um die Planung und den Bau der Sportstätten! Kümmern Sie sich um die Entwicklung der Leistungszentren, wie Sie es angekündigt haben! Kümmern Sie sich mehr um den Breitensport und den Behindertensport, kümmern Sie sich um den Schulsport und den Betriebssport! (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Machen Sie sich, Frau Vizekanzlerin, auch stark dafür, dass die Mittel aus dem Glücksspielgesetz auch nach 2002 noch dem Sport zur Verfügung stehen! Setzen Sie sich in dieser Frage gegen Ihren eigenen Finanzminister durch! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Im Unterschied zu vielen Kollegen hier in diesem Hause habe ich nichts gegen Ihre Reiselust. Fahren Sie von mir aus zu allen Sportveranstaltungen in Österreich – in dieser Zeit können Sie dem Sport in unserem Lande wenigstens nicht schaden! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

21.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: An mich wurde das Ersuchen gestellt, dass der Lautsprecher ein bisschen leiser gestellt wird. Jetzt gelangt aber eine Dame zu Wort, und vielleicht machen wir das Falsche, wenn wir ihr den Lautsprecher zu leise stellen. Ich meine, es sollten nicht nur die Lautsprecher, sondern auch die Zwischenrufe ein bisschen leiser sein!

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schasching. Danach wird voraussichtlich abgestimmt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.01

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich denke, dass wir das mit dem Lautsprecher schon hinkriegen werden. Ich kann durchaus auch stimmgewaltig sein.

Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar Gedanken zu den Beiträgen meiner Vorredner anbringen. Es war das doch eine sehr kontroversielle Debatte um Sportdachverbände, und es freut mich, zumindest aus den Reihen der ÖVP und aus dem Mund ihres Sportsprechers zu hören, dass er mit unserer grundsätzlichen Haltung sehr wohl konform geht. Das sollen aber keine Lippenbekenntnisse, sondern wirkliche Bekenntnisse sein, und ich bin schon sehr gespannt, Herr Kollege Lexer, ob Sie meinem Entschließungsantrag zustimmen werden. Ich bin gespannt, ob wir gemeinsam überlegen können und ob dann der sozioökonomische Wert des Sports auch gesetzlichen Ausdruck finden und zur Umsetzung kommen wird. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf Ihr Abstimmungsverhalten. Dass Sport eint, könnte das einmal verdeutlichen.

Frau Vizekanzlerin! Die Gesamtausgaben für das Kapitel Öffentliche Leistungen und Sport gehen gegenüber dem Jahr 2001 um zirka 2,2 Millionen j zurück. Ich möchte in diesem Zusammenhang bemerken, dass wir uns gerade im Bereich Sport ursprünglich hätten darauf einigen können, Ihrem Budgetvoranschlag zuzustimmen. Da dieses Budgetkapitel aber gemeinsam abgestimmt werden muss, kann ich für die Seite der Sozialdemokratie keine Zustimmung signalisieren. Die Fakten und Zahlen sprechen für sich.


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Der Bereich der Frauenförderung ist gleich dotiert wie im Budget 2001. Dazu muss man auch bemerken, dass Stillstand natürlich auch Rückschritt bedeuten kann und wird. Daher hoffe ich sehr, dass in diesem Zusammenhang von Ihrer Seite in Zukunft entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, sodass wieder mehr Mittel zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso möchte ich daran erinnern, dass auch dem Frauenförderplan die Zustimmung gegeben werden sollte, damit wir endlich auf das Niveau von Deutschland kommen. Dort gibt es einen solchen nämlich schon seit 1989.

Ein weiterer Aspekt in der Sportpolitik, der heute auch schon angesprochen wurde, betrifft die Jugendförderung und die Förderung der Schuljugend im Bereich des Sports. Sport ist ein wichtiger Motor im Bereich der Gesundheit, des Sozialverhaltens und der Teamfähigkeit, und in diesem Zusammenhang muss wieder einmal die wirklich positive Arbeit und Leistung der vielen Sportvereine, die auf diesem Gebiet wertvollste Arbeit leisten, betont werden.

Betreffend Schulsport habe ich eine Anfrage an Ihre Kollegin Bundesministerin Gehrer gerichtet, die sich auch dazu bekannt hat, dass die Gesundheit der Jugend unser wichtigstes Gut ist und dass in den Schulen auch sportliche Zusatzangebote gemacht werden sollen. Unverbindliche Übungen sind heute schon angesprochen worden. Die Zahl der durchgeführten Veranstaltungen in der Vergangenheit wurde in der Statistik positiv vermerkt, und ich frage jetzt, Frau Bundesministerin: Wird das auch in Zukunft so sein? – Sie sind diejenige, die dafür steht, dass Lehrerposten gestrichen werden. Sie sind diejenige, die verantworten muss, dass es in Zukunft wesentlich weniger unverbindliche Übungen in den Schulen geben wird. In Anbetracht dessen frage ich mich, ob Sie in diesem Verantwortungsbereich nicht auch ein bisschen mehr Herz für den Sport walten lassen sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Man kann sich doch nicht auf der einen Seite dazu bekennen, dass der Sport in der Schule mit seinen Zusatzangeboten wichtig ist, andererseits den Schulen dann aber die entsprechenden Lehrerinnen und Lehrer entziehen!

Somit komme ich zu einem weiteren Punkt: Ich muss feststellen, dass heute zu Beginn der Debatte wieder einmal, vor allem von Seiten der ÖVP und des Klubobmanns Khol, hier ein extremer Etikettenschwindel betrieben wurde. Khol sagt: Wir geben sehr viel beziehungsweise viel mehr Geld für Forschung und Bildung aus. – Verehrte Damen und Herren! Das ist ja nicht wahr! Das ist schlicht und einfach nicht wahr! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Etikettenschwindel wurde dann fortgesetzt. Es hat geheißen: Budgetkonsolidierung nur ausgabenseitig. – Jetzt erleben wir genau das Gegenteil! Es wird auch gesagt: Nur wenige Österreicherinnen und Österreicher sind davon betroffen. – Wir erleben genau das Gegenteil!

Wir erleben auch eine Kollegin, die im Wiener Wahlkampf an der Spitze agiert, sich dann aber nicht bereit erklärt, in den Wiener Gemeinderat einzuziehen. – Das ist noch ein Etikettenschwindel!

Ich denke, dass Ihnen Ihr Guru aus Kärnten, der die Regierungsmannschaft am Gängelband führt, zurzeit auch in dieser Hinsicht ganz schön in den Rücken fällt! Er droht Ihnen mit Liebesentzug. Und diesen Schwindel, den Sie hier auf dem Rücken unserer Bürgerinnen und Bürger durchgeführt haben, haben Ihnen die Wiener Wählerinnen und Wähler ja bereits entsprechend gelohnt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Was ist mit Klima? Wo ist er denn? Von wegen Etikettenschwindel! – Herr Präsident! Es ist von Schwindel die Rede!)

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam. Er hat das Wort.

21.07

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin und Sportministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Vizekanzlerin, in der gestrigen Fragestunde und bei der anschließenden Debatte zum Sportbericht konnten wir uns über einige Fragen nicht einigen. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich Ihnen in einer Presseaussendung


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ungerechte Vorwürfe gemacht habe. Heute liegt mir das Protokoll der gestrigen Fragestunde vor. Ich habe mich auf die Rednerliste setzen lassen, um hier klarzustellen, dass Sie das, worüber ich Ihnen laut der Presseaussendung Vorwürfe gemacht habe, tatsächlich in der Fragestunde gesagt haben.

Ich darf zitieren. Betreffend die beiden Projekte in Kärnten im Zusammenhang mit der Bewerbung für die Fußball-Europameisterschaft haben Sie gemeint, dass diese beiden Kärntner Projekte (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer ) erstens einmal in keinem Zusammenhang mit der Frage der Bewerbung um die Fußball-Europameisterschaft stehen. – Das, Frau Vizekanzlerin, habe ich in meiner Aussendung auch gesagt. Es heißt darin:

"Riess-Passer hat auch bestätigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Kärntner Stadionprojekten und der Bewerbung Österreichs für die Fußball-EM gibt." – Wo ist hier eine unterschiedliche Auffassung? (Zwischenrufe.)

Außerdem haben Sie betreffend das Klagenfurter Stadion gemeint, dass es hier "noch einer Konkretisierung der Projektunterlagen der Betreiber betreffend die Nachnutzung dieses Stadions und der Konkretisierung der Berechnungen der in Aussicht genommenen Baumaßnahmen" bedarf. "Sobald mir diese konkreten Unterlagen vorliegen, werden wir das Förderungsansuchen aus Kärnten prüfen und dann auch eine entsprechende Entscheidung treffen." – Ich habe in meiner Aussendung unter anderem gesagt, dass "für den Umbau des Klagenfurter Stadions nach wie vor keine konkreten Pläne vorliegen und daher auch keine konkrete finanzielle Zusage des Bundes möglich sei." – Frau Vizekanzlerin! Das ist fast wortidentisch mit dem, was Sie mir gestern hier gesagt haben. (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. )

Frau Vizekanzlerin! Ich habe gestern die Frage deswegen an Sie gerichtet, weil die Situation in Kärnten anders dargestellt wird, und ich wollte von Ihnen die Information haben, wer nun Recht hat: Sie oder der Kärntner Landeshauptmann und der scheidende Landessportreferent? Wer hat hier also Recht?

Sie waren voriges Jahr, meiner Erinnerung nach im Mai, in Kärnten, und als Sie abgereist sind, hat Herr Reichhold, der zurückgetretene Sportreferent, erklärt, dass Sie mit vollen Taschen nach Kärnten gekommen seien und dem Klagenfurter Stadion 80 Millionen Schilling zur Verfügung stellen werden. Kostenteilung: 40 Millionen Schilling Bund, 40 Millionen Schilling Land. – Presseaussendung des Herrn Reichhold. (Abg. Zweytick: Das kennen wir vom Klima beim "Ö-Ring"! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: So ist es ja auch!) So ist das auch, sagen Sie jetzt hier. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ja!)

Als ich dann auf Grund dieser Presseaussendung ... (Zwischenruf des Abg. Ing. Scheuch, der zwischen den Bankreihen nach vorne geht.) Geh, setz dich nieder, du blamierst ja deine eigene Fraktion! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Scheuch. )

Als ich wenige Tage danach eine schriftliche parlamentarische Anfrage an Sie gerichtet habe – genau zu diesem Thema, Frau Vizekanzlerin! –, haben Sie mir auf diese Frage geantwortet: Grundsätzlich möchte ich anmerken, dass Sporteinrichtungen vom Bund nur dann gefördert werden, wenn sie dem internationalen oder dem gesamtösterreichischen Sport dienen. – Und Klagenfurt betreffend: Es wurde vereinbart, ein Konzept mit wirtschaftlichen Plänen und sportpolitischen Zielsetzungen vorzulegen. Die weitere Vorgangsweise kann daher erst nach Vorliegen des vereinbarten Konzepts festgelegt werden.

Sie haben aber bereits vorher festgelegt, für das Klagenfurter Stadion 40 Millionen Schilling herzugeben. Was ist jetzt richtig: Ihre parlamentarische Anfragebeantwortung oder das, was Ihre Parteifreunde in Kärnten ausgesendet haben?

Meine Damen und Herren! Es geht dann noch weiter. Als die Olympia-Silbermedaillen-Gewinnerin Stefanie Graf – für uns alle ein Begriff – von der Olympiade nach Hause zurückgekehrt ist, hat Ihr Herr Mathias Reichhold gesagt: Morgen kommen schon die Beamten vom Bundesministerium für Sport und werden das Klagenfurter Stadion inspizieren. Es muss ausgebaut werden,


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63. Sitzung / Seite 179

weil es dort keine Trainingsmöglichkeiten mehr gibt. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir sind da nicht im Kärntner Landtag, wir sind im Parlament!) – Niemand ist gekommen! Bis heute gibt es keinen Schilling. Nur die Sportlerin ist weg, weil sie in Klagenfurt nicht mehr trainieren kann.

Aber: Was ist danach geschehen? – Es gibt eine weitere Aussendung von Herrn Mathias Reichhold: Das Klagenfurter Stadion wird saniert. Jetzt nicht mehr um 80 Millionen Schilling, sondern um 120 Millionen Schilling, Kostenteilung: 40 Millionen Schilling Bund, 40 Millionen Schilling Land, 40 Millionen Schilling Stadt Klagenfurt.

Vier Tage später sagt Herr Landeshauptmann Haider im Originalton: 500 Millionen Schilling werden in das Klagenfurter Stadion investiert.

Frau Vizekanzlerin! Ich frage Sie jetzt: Wer hat Recht? Ich habe in Ihrem Budgetentwurf nachgesehen, und wissen Sie, was ich für das Klagenfurter Stadion gefunden habe? (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer.  – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ganze 2 Millionen Schilling sind dafür im Budget enthalten. Ich frage hier wirklich – und deshalb habe ich mich auch zu Wort gemeldet –: Wer hält hier die Kärntner Sportöffentlichkeit mehr am Schmäh, Sie oder der Kärntner Landeshauptmann? Diese Information hätte ich von Ihnen noch gerne in dieser Sportdebatte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Wärst du doch Sicherheitssprecher geblieben! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

21.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.

21.13

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Leikam, es ist ganz einfach zu verstehen, wenn man will: Tatsache ist, dass das Stadion Klagenfurt zu sanieren ist, dass die Kärntner Landesregierung, vertreten durch den Sportreferenten Landeshauptmann-Stellvertreter Mathias Reichhold, an mich herangetreten ist und dieses Projekt der Sanierung des Klagenfurter Stadions vorgetragen hat. Wir haben zugesagt, die Sanierung des Klagenfurter Stadions von Bundesseite auch entsprechend der Drittelfinanzierung – wie das üblich ist – zu finanzieren.

Die Konkretisierung der Projektunterlagen erfolgt insofern  – und das wissen Sie auch genau –, als dass ein Projekt vorgelegt wird. Der Unterschied zwischen früheren Sportministern oder Sportstaatssekretären und mir besteht darin, dass wir eine genaue wirtschaftliche Überprüfung dieser Unterlagen vornehmen, dass wir ein Controlling dieser Dinge machen, und dass wir ein Nachnutzungskonzept haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir sind mit der Kärntner Landesregierung völlig einig: Das Stadion Klagenfurt wird umgebaut, und wir werden es finanzieren: Bund, Land und die Stadt Klagenfurt gemeinsam.

Herr Kollege Leikam! Jetzt sage ich Ihnen auch noch, was der Unterschied zur Vergangenheit ist. Als ich in dieses Ressort gekommen bin, als ich dieses Amt übernommen habe, habe ich quer durch Österreich eine Fülle von Versprechungen für Stadionbauten, Schwimmhallenbauten und Leichtathletikstadienbauten sowohl von Herrn Ex-Staatssekretär Wittmann als auch von Herrn Ex-Finanzminister Edlinger vorgefunden. Der Unterschied zur Vergangenheit, der Unterschied zwischen ihnen und mir ist, dass ich meine Versprechungen und Zusagen auch einhalten werde! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich die Debatte.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe XIII des Bundesvoranschlages für das Jahr 2002.

Diese umfasst das Kapitel 70 des Bundesvoranschlages in 500 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die dieser Beratungsgruppe ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Anfragen 2233/J bis 2247/J eingelangt sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Freitag, 30. März, 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (500 und Zu 500 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2002 samt Anlagen (540 der Beilagen).

Zur Beratung kommen die Beratungsgruppen: Militärische Angelegenheiten, Wirtschaft und Arbeit sowie Äußeres. – Eine Fragestunde ist nicht vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.16 Uhr