Stenographisches Protokoll

74. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 4. Juli 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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74. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 4. Juli 2001

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 4. Juli 2001: 9.02 – 23.43 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Familien-Volksbegehren

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden, sowie Bericht über den

Antrag 33/A (E) der Abgeordneten Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend Karenzgeld für alle – Ausweitung des Karenzgeldanspruches auf alle Mütter (Väter) sowie Umwandlung des Karenzgeldes zu einer Familienleistung

3. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 135/A (E) der Abgeordneten Gabriele Binder und Genossen betreffend SPÖ-Forderungen zum Familien-Volksbegehren

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 172/A (E) der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Kinderbetreuung

5. Punkt: Bericht über das Volksbegehren neue EU-Abstimmung

6. Punkt: Bericht über den Antrag 438/A der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbahngesetz 1992 geändert werden sowie das Bundesbahn-Pensionsgesetz geschaffen wird (Pensionsreformgesetz 2001)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits-


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und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau

11. Punkt: Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Seegerichtshofs

12. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft

13. Punkt: Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik

14. Punkt: Bericht über den


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Antrag 421/A der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft

15. Punkt: Bericht über den Antrag 422/A (E) der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend gesellschaftsrechtliche Bestimmungen zur Erleichterung von Ausgliederungen im Bereich der Länder und Gemeinden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Rosemarie Bauer, Dr. Peter Kostelka, Ing. Leopold Maderthaner und Mag. Johanna Mikl-Leitner 19

Angelobung der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Renate Csörgits und Maria Rauch-Kallat 19

Personalien

Verhinderung 19

Ordnungsrufe 64, 149, 160, 223

Geschäftsbehandlung

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Josef Cap betreffend "Anschlag gegen die politische Kultur im Haus" 33

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich Geldflüsse und Manipulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Vergabe des Lieferauftrages über Radaranlagen an das österreichische Bundesheer in den Jahren 1994 und 1995, zur Aufklärung einer möglichen Einflussnahme des damaligen Wirtschaftsministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel auf die Zuschlagserteilung an das Unternehmen Thomson, zur Aufklärung des Vorwurfes der Annahme von Provisionszahlungen durch an der Vergabe beteiligte Personen und zur Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 226

Bekanntgabe 38

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 38

Redner:

Mag. Kurt Gaßner 227

Mag. Gisela Wurm 229

Dr. Martin Graf 230

Dr. Andreas Khol 232

Mag. Werner Kogler 232

Ablehnung des Antrages 234

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 38

Mitteilung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6 175

Aktuelle Stunde (16.)

Thema: "Ergebnisse des Europäischen Rates von Göteborg"

Redner:

Dr. Michael Spindelegger 20

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 22, 33

Dr. Caspar Einem 24

Mag. Karl Schweitzer 26

Maria Rauch-Kallat 27

Mag. Ulrike Lunacek 28

Peter Schieder 29

Dr. Gerhard Kurzmann 30

Paul Kiss 31

Dr. Eva Glawischnig 34

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem Antrag 463/A betreffend Gebarungsüberprüfung 234

Ausschüsse

Zuweisungen 36

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reformen statt Säuberungen (2629/J) 107


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Begründung: Dr. Alexander Van der Bellen 110

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 115

Debatte:

Dr. Peter Pilz 123

Dr. Josef Cap 126

Reinhart Gaugg 128

Dr. Peter Pilz (tatsächliche Berichtigung) 130

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 131, 149

Karl Öllinger 132

Josef Edler 13


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4

Theresia Zierler 136

Mag. Walter Tancsits 138

Dr. Gabriela Moser 139

Doris Bures 141, 152

Mag. Gilbert Trattner 142

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 144

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 145

Karl Donabauer 146

Helmut Haigermoser 148

Mag. Werner Kogler 151

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Streichung des Vetorechtes – Ablehnung 134, 152

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend demokratische Wahlen für Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger – Ablehnung 134, 152

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Familienausschusses über das Familien-Volksbegehren (1/716 d. B.) 38

2. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (620 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden, sowie über den

Antrag 33/A (E) der Abgeordneten Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend Karenzgeld für alle – Ausweitung des Karenzgeldanspruches auf alle Mütter (Väter) sowie Umwandlung des Karenzgeldes zu einer Familienleistung (715 d. B.) 39

3. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Entschließungsantrag 135/A (E) der Abgeordneten Gabriele Binder und Genossen betreffend SPÖ-Forderungen zum Familien-Volksbegehren (717 d. B.) 39

4. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Entschließungsantrag 172/A (E) der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Kinderbetreuung (718 d. B.) 39

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 39

Ing. Peter Westenthaler 42

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 46

Dr. Andreas Khol 50

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 53, 77, 92

Dr. Ilse Mertel 57

Edith Haller 59

Karl Öllinger 61

Ridi Steibl 64

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 66

Mag. Barbara Prammer 69

Theresia Zierler 71

Mag. Ulrike Lunacek 73

Georg Schwarzenberger 75

Doris Bures 78

Sigisbert Dolinschek 79

Heidrun Silhavy 81

Edeltraud Gatterer 82

Franz Riepl 84

Ing. Wilhelm Weinmeier 86

Gabriele Binder 88

Matthias Ellmauer 89

Ludmilla Parfuss 91

Anton Knerzl 93

Mag. Christine Lapp 94

Karl Donabauer 95

Evelyn Freigaßner 97

Karl Freund 98

Franz Hornegger 100

Franz Kampichler 101

Ilse Burket 102

Nikolaus Prinz 102

Mag. Martina Pecher 103

Mag. Walter Tancsits 104

Dr. Caspar Einem 104

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend geschlechtergerechten Sprachgebrauch – Ablehnung 47, 106

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Änderung des Urlaubsrechtes – Ablehnung 75, 105

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Erhöhung der Familienbeihilfe um 5.000,- öS pro Jahr und Kind sowie jährliche Bereitstellung von 1 Mrd. öS zum Ausbau der Kinderbetreuungsplätze – Ablehnung 89, 106

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 716 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Fortführung der familienfreundlichen Politik der Bundesregierung (E 92) 105

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 716, 717 und 718 d. B. 105


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Annahme des Gesetzentwurfes in 715 d. B. 105

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 715 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Erhöhung der Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2003 (E 93) 106

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren neue EU-Abstimmung (445/683 und Zu 683 d. B.) 152

Redner:

Peter Schieder 152

Mag. Karl Schweitzer 153

Dr. Michael Spindelegger 155

Mag. Ulrike Lunacek 156

Dr. Michael Krüger 157

Dr. Gerhard Kurzmann 159

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 683 d. B. 160

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 438/A der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbahngesetz 1992 geändert werden sowie das Bundesbahn-Pensionsgesetz geschaffen wird (Pensionsreformgesetz 2001) (699 d. B.) 160

Redner:

Dr. Ilse Mertel 160

Hermann Reindl 162

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 166

Dr. Gottfried Feurstein 167

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 168

Heidrun Silhavy 170

Werner Miedl 171

Otto Pendl 172

Günter Kößl 174

Doris Bures 175

Karl Öllinger 177

Annahme 197

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (666 d. B.): Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden (737 d. B.) 178

8. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (484 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (736 d. B.) 179

Redner:

Helmut Dietachmayr 179

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 180


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74. Sitzung / Seite 7

Mag. Werner Kogler 182

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 183

Karl Dobnigg 185

Ing. Gerhard Bauer 186

Karl Öllinger 188

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 190

Karlheinz Kopf 191

Günter Kiermaier 192

Bernd Brugger 194

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 195

Mag. Werner Kogler 195

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 737 und 736 d. B. 196


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74. Sitzung / Seite 8

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (449 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage (672 d. B.) 199

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (488 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau (673 d. B.) 199

11. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (538 d. B.): Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Seegerichtshofs (674 d. B.) 199

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (563 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft (675 d. B.) 199

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (588 d. B.): Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik (676 d. B.) 200

Redner:

Inge Jäger 200

Dr. Gerhard Kurzmann 201

Dr. Michael Spindelegger 202

Mag. Ulrike Lunacek 202

Anton Heinzl 204

Wolfgang Großruck 205

Mag. Christine Muttonen 206

Karl Donabauer 207

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 209

Genehmigung der fünf Staatsverträge in 449, 488, 538, 563 und 588 d. B. 209

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 538 d. B. 210

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 421/A der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft (685 d. B.) 210

15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 422/A (E) der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend gesellschaftsrechtliche Bestimmungen zur Erleichterung von Ausgliederungen im Bereich der Länder und Gemeinden (686 d. B.) 210

Redner:

Otto Pendl 210

Mag. Reinhard Firlinger 211

Dr. Gabriela Moser 212

Günter Kößl 213

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 214

Anton Heinzl 215

Annahme des Gesetzentwurfes in 685 d. B. 216

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 686 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend gesellschaftsrechtliche Bestimmungen zur Erleichterung von Ausgliederungen im Bereich der Länder und Gemeinden (E 94) 216

16. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (525 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (687 d. B.) 216

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 217

Mag. Eduard Mainoni 218

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 220

Mag. Terezija Stoisits 220

Mag. Johann Maier 222

Dr. Sylvia Papházy, MBA 223

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 223

Dr. Elisabeth Hlavac 225

Annahme 226

Eingebracht wurden

Petition 36

Petition betreffend "Gegen die Schließung der Nebenbahnen im Bezirk Gänserndorf" (Ordnungsnummer 29) (überreicht vom Abgeordneten Dr. Robert Rada )

Bürgerinitiative 36

Bürgerinitiative zur Erhaltung des gemeinnützigen Wohnbaus (Ordnungsnummer 21)


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74. Sitzung / Seite 9

Regierungsvorlagen 37

598: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

695: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Berichte 36

III-98: Vierundzwanzigster Bericht (1. Jänner bis 31. Dezember 2000); Volksanwaltschaft

III-105: Wahrnehmungsbericht über die Lehrlingsoffensive, Euroteam-Gruppe; Rechnungshof

III-107: Bericht zur Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher 2000; BM f. Justiz

III-108: Bericht des Universitätenkuratoriums im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993 über seine Tätigkeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur

Zu III-76: Druckfehlerberichtigung zum Sonderbericht des Rechnungshofes über die Ministerbüros

Anträge der Abgeordneten

Dr. Josef Cap und Genossen auf Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof gem. § 99 Abs. 2 GOG (463/A und Zu 463/A)

Dr. Günther Kräuter und Genossen betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros der blau-schwarzen Bundesregierung (464/A) (E)

Beate Schasching und Genossen betreffend Umbenennung des Unterrichtsgegenstandes "Leibesübungen" in "Bewegung und Sport" (465/A) (E)

Heidrun Silhavy und Genossen betreffend Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmittelkosten (466/A) (E)

Manfred Lackner und Genossen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern (467/A) (E)

Manfred Lackner und Genossen betreffend umfassende Reform der Gesundheitsberufe (468/A) (E)

Manfred Lackner und Genossen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht (469/A) (E)

Manfred Lackner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereichsbeihilfengesetz 1996 geändert wird (470/A)

Dr. Gottfried Feurstein, Reinhart Gaugg und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (471/A)


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74. Sitzung / Seite 10

Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die ÖIAG von einer Privatisierungsholding in eine strategische Beteiligungsgesellschaft zur langfristigen Wahrnehmung der Interessen Österreichs umgewandelt werden soll (472/A)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend rasche Umsetzung des Ergebnisses der Mediation zum Schienenausbau im Gasteinertal (473/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Pfandsystem für Handys (474/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Zugang zu Umweltinformationen bei ausgegliederten Aufgaben (475/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Vergünstigung des öffentlichen Verkehrs für PendlerInnen, speziell in der Ostregion (476/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Aufhebung der Verordnung vom 10.11.2000 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufs der B 301 (Wiener Südrandstraße) (477/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Aufhebung der Verordnung vom 7.9.1990 über den Straßenverlauf der B 146 ("Ennsnahe Trasse") (478/A) (E)

Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend den Bericht über Rechtsextremismus in Österreich (479/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend 50%ige Kürzung der Förderungen für die Bergbauernvereinigung (ÖBV) und die "Arche Noah" (2582/J)

Sophie Bauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung von Gendarmerieposten im Bezirk Voitsberg (2583/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend fehlende Gebärdendolmetscher in Gehörlosenschulen (2584/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Die Frau, die der Welt misstraut" (2585/J)

Mag. Walter Posch und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erhaltung des Gendarmeriepostens Rattendorf/Gailtal (2586/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Millionenhonorar für Linzer Anwalt (2587/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Geldgeschenke durch den Finanzminister" (2588/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Verwendung von Klärschlamm als Düngemittel" (2589/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "4-Augen-Prinzip bei der Lebensmittelsicherheit auf EU-Ebene" (2590/J)


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74. Sitzung / Seite 11

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verurteilung (§ 178 StGB) trotz Befolgung der Safer-Sex-Regeln im Zusammenhang mit Hiv und Aids (2591/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die noch nicht erfolgte Rehabilitierung des letzten bekannten Opfers einer Verurteilung auf Grund behaupteten Ritualmords in Österreich, Leopold Hilsner (2592/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gerichtliche Kriminalstatistik 2001 und Gewissensgefangene in österreichischen Haftanstalten (§ 209 StGB) (2593/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Umfahrungen Mittersill und Saalfelden (2594/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Irreführung der "Format"-LeserInnen (2595/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Draken-Kunstflüge in Oberösterreich (2596/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend parteipolitisch motivierte Verschleuderung von Bundesvermögen am Beispiel des Flughafens Klagenfurt (2597/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend den Zustand der Wasserversorgung bäuerlicher Betriebe in Österreich (2598/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Nachbesetzung von Leiterstellen an Schulen im Bundesland Salzburg (2599/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend keine Genehmigung von generellen Grenzblockaden im Mühlviertel seit Jahresbeginn (2600/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Besetzung von BezirksschulinspektorInnenposten in Oberösterreich (2601/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vermeidung einer Transitlawine für Linz und das Mühlviertel (2602/J)


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74. Sitzung / Seite 12

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2603/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2604/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2605/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2606/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2607/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2608/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2609/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" (2610/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend einen "profil"-Artikel über die Zukunft der Staatspolizei (2611/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verkehrslösung im Ennstal (2612/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verkehrslösung im Ennstal durch Umweltmediation (2613/J)


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74. Sitzung / Seite 13

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Kampagne des Ministers zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und Kindern (2614/J)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die psychotherapeutische Versorgung in Österreich sowie die Etablierung und Ausbreitung von privaten Versorgungsvereinen nach dem Wiener Muster (2615/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Fördermittelzusagen aus dem Kunstbudget an Bundesländer zu deren Verwendung (2616/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Mietverträge der so genannten Drittnutzer im Museumsquartier (2617/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Fahrkartenchaos für VorteilscardbesitzerInnen (2618/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Wenn Menschen mit Behinderung reisen möchten" (2619/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Komplizierung der Vollziehung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (2620/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Komplizierung der Vollziehung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (2621/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Komplizierung der Vollziehung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (2622/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend österreichische Safari-Jäger in Südafrika (2623/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Eros- und sonstige Phantasien des Leiters der Männerabteilung seines Ministeriums (2624/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Subventionsstopp bei Zeitungsförderungen (2625/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Subventionsstopp bei Zeitungsförderungen (2626/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Einstellung des Strafverfahrens gegen die Sicherheitsbehörden nach einer angeblichen Knebelung eines Schubhäftlings (2627/J)

Mag. Walter Posch und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend antisemitische Äußerungen von LH Dr. Jörg Haider (2628/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reformen statt Säuberungen (2629/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Aussage Ing. Peter Westenthaler gegenüber Dr. Roland Adrowitzer (2630/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Strafverfahren beim LG Innsbruck 28 Vr 904/97, 28 Hv 109/99 (2631/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend entschädigungslose Enteignung des Grundstückes Gp 4594/7 KG St. Gallenkirch, LG für Zivilrechtssachen Wien 34 R 183/00i (2632/J)

Beate Schasching und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend verspätete Genehmigung von Sonderverträgen für LehrerInnen (2633/J)

Mag. Brunhilde Plank und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Situation hyperaktiver Jugendlicher (2634/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Beiratswesen (2635/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Neustrukturierung der österreichischen Gaswirtschaft (2636/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Auswirkungen der Liberalisierung des Energiesektors für die ArbeitnehmerInnen (2637/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Auswirkungen der Stromliberalisierung auf die KonsumentInnen (2638/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Auswirkungen der Stromliberalisierung (2639/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Neustrukturierung der österreichischen Stromwirtschaft (2640/J)

Ridi Steibl und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend leerstehende Wohnungen im "Sonnhof", Kurweg 7, im "Birkenhof", Kurweg 5, im "Quellenhof" Kurweg 3, im "Schöcklhof", Kurweg 9, im "Scher


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74. Sitzung / Seite 14

bauernhof", Schöcklstraße 21 und in der "Villa Elisabeth", Kurweg 2, alle in 8061 St. Radegund (2641/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verfahrensablauf beim Bau der 4. Linzer Donaubrücke (2642/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend verschiedene Fragen aus dem Arbeitsbereich seines Ministeriums (2643/J)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Fackel-Wörterbuch (2644/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend das Strafausmaß bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht (2645/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zunahme der Überflüge und damit vorhandenen Belastungen, insbesondere über Vorarlberg (2646/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend gesetzwidrige "Stillegung" des Zivilluftfahrtbeirats (2647/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Novellierung der Zivilflugplatz-Verordnung (2648/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend unvollständige und schleppende Umsetzung des Immissionsschutzgesetzes (Luft), insbesondere in Tirol (2649/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend unvollständige und schleppende Umsetzung des Immissionsschutzgesetzes (Luft), insbesondere in Tirol (2650/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personaleinsatz für die Aufarbeitung der Erhebungen im Schweinemast-Skandal (2651/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "Palliativmedizin in Österreich" (2652/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Schaden zum Nachteil der Republik wegen mangelnder Bestrafung von Verstößen gegen die LKW-Ökopunktepflicht" (2653/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Kosten der Kollegialorgane in der Schulverwaltung (2654/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Straffreiheit" für eine Gewalttat an einem homosexuellen Mann in Wels (2655/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gewissensgefangene nach § 209 StGB und diversionelle Erledigung von Verfahren nach § 209 StGB (2656/J)

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74. Sitzung / Seite 15

Ing. Peter Westenthaler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend missbräuchliche Verwendung von Budgetmitteln (18/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (2322/AB zu 2377/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen (2323/AB zu 2354/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2324/AB zu 2410/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Edlinger und Genossen (2325/AB zu 2517/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder und Genossen (2326/AB zu 2355/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (2327/AB zu 2346/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2328/AB zu 2362/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2329/AB zu 2359/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Robert Egghart und Genossen (2330/AB zu 2351/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen (2331/AB zu 2373/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen (2332/AB zu 2347/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2333/AB zu 2357/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (2334/AB zu 2366/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (2335/AB zu 2371/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2336/AB zu 2349/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (2337/AB zu 2350/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl und Genossen (2338/AB zu 2453/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2339/AB zu 2348/J)


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74. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2340/AB zu 2408/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2341/AB zu 2364/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (2342/AB zu 2387/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (2343/AB zu 2416/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2344/AB zu 2405/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (2345/AB zu 2352/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (2346/AB zu 2385/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen (2347/AB zu 2353/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (2348/AB zu 2380/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2349/AB zu 2395/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Hans Müller und Genossen (2350/AB zu 2356/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (2351/AB zu 2370/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2352/AB zu 2361/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2353/AB zu 2365/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2354/AB zu 2367/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2355/AB zu 2360/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Genossen (2356/AB zu 2439/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (2357/AB zu 2372/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (2358/AB zu 2418/J)


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74. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (2359/AB zu 2443/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen (2360/AB zu 2415/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2361/AB zu 2429/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (2362/AB zu 2368/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (2363/AB zu 2382/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2364/AB zu 2394/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2365/AB zu 2406/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2366/AB zu 2381/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (2367/AB zu 2388/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2368/AB zu 2404/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (2369/AB zu 2369/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2370/AB zu 2392/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (2371/AB zu 2374/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2372/AB zu 2407/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (2373/AB zu 2379/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2374/AB zu 2396/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2375/AB zu 2412/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Kurt Eder und Genossen (2376/AB zu 2553/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2377/AB zu 2409/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen (2378/AB zu 2452/J)


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74. Sitzung / Seite 18

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2379/AB zu 2472/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (17/ABPR zu 17/JPR)

 

 


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74. Sitzung / Seite 19

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie alle herzlich begrüßen, lade Sie ein, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 74. Sitzung des Nationalrates in dieser Legislaturperiode.

Ich gebe bekannt, dass die Amtlichen Protokolle der 71., der 72. und der 73. Sitzung vom Juni dieses Jahres in der Parlamentsdirektion aufgelegen sind, ohne Einspruch geblieben sind und daher als genehmigt gelten.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass die Abgeordneten Rosemarie Bauer, Dr. Peter Kostelka, Ing. Leopold Maderthaner und – kurzfristig – Mag. Johanna Mikl-Leitner auf ihre Mandate verzichtet haben.

Ferner ist die Mitteilung eingelangt, dass die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Renate Csörgits, Maria Rauch-Kallat sowie die Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner in den Nationalrat berufen wurden.

Die Wahlscheine aller vier Abgeordneten liegen vor.

Da die Abgeordneten Mag. Donnerbauer, Renate Csörgits und Maria Rauch-Kallat im Hause anwesend sind, werden wir sogleich die Angelobung vornehmen; Frau Abgeordnete Mikl-Leitner ist für heute und morgen entschuldigt, ihre Angelobung wird daher zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden.

Ich bitte Sie, sich von den Sitzen zu erheben, und bitte, dass der Schriftführer, Herr Abgeordneter Schweitzer, die Angelobungsformel verliest, worauf die neu anzugelobenden Damen und Herren mit den Worten "Ich gelobe" ihre Angelobung leisten werden. – Bitte, Herr Schriftführer.

Schriftführer Mag. Karl Schweitzer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Über Namensaufruf durch den Schriftführer Mag. Schweitzer leisten die nachstehend angeführten Abgeordneten die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe":

Renate Csörgits (SPÖ), Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP) und Maria Rauch-Kallat (ÖVP).

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße die neuen Mitglieder des Hauses herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr, um 9.04 Uhr, zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:


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74. Sitzung / Seite 20

"Ergebnisse des Europäischen Rates von Göteborg"

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Ihm steht eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

9.05

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Die ÖVP hat dieses Thema für die Aktuelle Stunde gewählt, weil sich nach dem Rat in Göteborg einmal mehr die Frage stellt: Wohin geht es in Europa, und wohin wollen wir als ÖVP, als Österreich, dass dieses Europa tatsächlich geht?

Ich darf gleich zu Beginn für meine Partei klar festhalten, dass unsere Antwort für dieses richtungweisende Europa ist, dass wir für die Erweiterung dieses Europas sind, weil wir glauben, dass man die Friedens- und Wohlstandsfunktion der Europäischen Union einem größeren Europa angedeihen lassen soll. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Ich darf das für meine Fraktion unterstreichen.

Wir wissen, dass es auch in Österreich Skeptiker gibt, dass es Ängste der Bevölkerung gibt, und damit wollen wir im richtigen Maße umgehen, und wir wollen auf diese Ängste und Befürchtungen auch reagieren – aber in der geeigneten Art und Weise. Wir glauben, dass diese Erweiterung eine große Chance für uns ist, dass sie aber natürlich auch mit Begleitmaßnahmen ausgestattet werden muss, denn ohne diese kann sie nicht funktionieren. Diese Begleitmaßnahmen sind, wie man generell über Bedingungen spricht, auch Hürden, die einfach genommen werden müssen und die man nicht einfach beiseite schieben kann. – Uns ist es auch sehr wesentlich, das zu formulieren, um klarzumachen, wie der Weg zu dieser Erweiterung führen kann.

Die erste Hürde, die alle Beitrittskandidaten nehmen müssen, ist, dass sie selbst die Voraussetzungen erfüllen müssen, damit sie beitreten können. Diese Voraussetzungen sind klar definiert: Es muss in allen Beitrittskandidatenländern das Gemeinschaftliche in den Rechtsbestand übernommen werden – ohne das geht es nicht.

Es gibt natürlich aber auch Voraussetzungen für diese Länder, die wir für Österreich in diesem Erweiterungsprozess ausverhandeln wollen, weil wir wissen, dass es für Österreicher, die in Grenznähe leben, sehr wesentlich ist, dass diese Bedingungen erfüllt werden. Ich nenne hier die Übergangsfristen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Übergangsfristen für Dienstleistungen, die Frage auch für die Beitrittskandidaten von Übergangsfristen beim freien Erwerb von Grund und Boden, den Umweltschutz – es können sicher nicht in allen Beitrittskandidatenländern alle erforderlichen Standards im Augenblick des Beitritts erfüllt werden.

Ich denke daher, wir müssen uns darauf einstellen, dass dieser Erweiterungsprozess mit Begleitmaßnahmen ausgestattet ist, die sowohl der österreichischen Bevölkerung als auch der Bevölkerung in den Beitrittskandidatenländern diesen Schritt erleichtern werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Während der schwedischen Präsidentschaft gab es dazu bemerkenswerte Fortschritte. Ich glaube, dass Schweden nicht nur eine Präsidentschaft vorgezeigt hat, wie es sich das selbst vorgestellt hat, sondern dass die schwedische Präsidentschaft bei einigen Fragen durchaus die Erwartungen übertroffen hat, zum Beispiel beim Fortschritt der Verhandlungen mit den Beitrittskandidatenländern: Es gab eine ganze Reihe von Kapiteln, die geschlossen werden konnten, es gab bei einigen Ländern bereits die Eröffnung aller Kapitel – das ist mehr, als man sich auch in Schweden erwartet hat. Ich denke, diesbezüglich müssen wir auch der schwedischen Präsidentschaft durchaus unsere Anerkennung zollen. Das war eine schwierige Aufgabe, gerade unter den Bedingungen, die in den letzten Wochen dazugekommen sind.

Für uns Österreicher war in diesem Zusammenhang wichtig, dass in den letzten sechs Monaten auch klar wurde, dass in der Frage der Übergangsfristen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ein Durchbruch erreicht werden konnte. Wir wollen, dass sich die unterschiedlichen Lohnniveaus über gewisse Jahre hinweg angleichen können, damit es nicht dazu kommt, dass wir in


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74. Sitzung / Seite 21

Österreich von einem Tagespendler-Volumen überrannt werden, das wir nicht verkraften können. Da möchte ich dem Bundeskanzler und der Außenministerin ausdrücklich unsere Anerkennung dafür zollen, dass sie es erreicht haben, dass mittlerweile die Kommission die Verhandlungsposition einer siebenjährigen Übergangsfrist für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer übernommen hat. Das ist das Verdienst dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mittlerweile ist das von Ungarn bereits akzeptiert, was ein sehr wichtiges Präjudiz für die nächsten Verhandlungen mit anderen Beitrittskandidaten darstellt. Ich denke, damit ist eine sehr wichtige Hürde auch für die österreichische Bevölkerung in einem sehr befriedigenden Ausmaß genommen worden.

Die schwedische Präsidentschaft hatte aber auch mit dem irischen Referendum, das ein knappes Nein zum Vertrag von Nizza gebracht hat, zu kämpfen – überraschenderweise und nicht durch die Schuld der schwedischen Präsidentschaft. Ich denke, die Gründe dafür müssen vor allem von den Iren auf den Tisch gelegt werden, aber entscheidend ist für uns, wie wir damit umgehen.

Ich möchte auch hier klare Worte dafür finden und namens meiner Fraktion sagen, dass es falsch wäre, würde man die 524 000-Nein-Stimmen der Iren einfach wegwischen und sagen: Sie können den Prozess in Europa nicht aufhalten! – Das wäre der völlig falsche Weg. Wir müssen es ernst nehmen, und das heißt, dass wir daraus lernen müssen und auch Konsequenzen ziehen müssen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf einige der Konsequenzen, die wir uns vorstellen, in die Diskussion dieser Aktuellen Stunde einbringen.

Erstens: Es hat sich an diesem Abstimmungsergebnis gezeigt, dass es nicht genügt, ein paar Wochen vor einem Referendum über den Vertragstext und die Formulierungen, die in Nizza geboren wurden, zu sprechen. Es bedarf einer sehr viel politischeren, auf das jeweilige Land zugeschnittenen Diskussion, damit der Bevölkerung bewusst wird, was eine Vertragsänderung für sie unmittelbar bedeutet. Das bedeutet für uns Österreicher: Wir sollten daraus lernen, dass wir damit beginnen, in diesem Erweiterungsprozess die Bevölkerung ständig darüber zu informieren, welche nächsten Schritte geplant sind, was es für sie konkret bedeutet, wenn diese Erweiterung stattfindet, und wie die Begleitmaßnahmen aussehen.

Ich bin daher wirklich davon angetan, dass die Bundesregierung jetzt unmittelbar beginnt, im Rahmen der Österreich-Plattform diesen Dialog mit der Bevölkerung aufzunehmen. Die erste Veranstaltung in Gmünd, bei der sich Politiker auch unmittelbar an der Grenze der Bevölkerung stellten, war ein Schritt auf dem Weg, den wir ganz konsequent gehen müssen. – Das ist die erste Schlussfolgerung, die auch wir in Österreich aus dem irischen Referendum ziehen müssen.

Zweitens: Wir kennen die Skepsis, die es auch in Österreich gibt, und wir müssen darauf reagieren. Diese Skepsis gegenüber Europa bezieht sich oft auf Institutionen, weil der Eindruck entsteht, dass man selbst ohnmächtig ist, keine Rechte hat, jemandem ausgeliefert ist. Bei näherer Betrachtung erscheint das als nicht richtig, aber wir müssen dennoch auf Grund dieser Empfindungen vieler Österreicher auch in einer Art mit Argumenten und mit zukünftigen Rechten reagieren, dass dieser Eindruck in Zukunft nicht mehr entstehen kann.

Ich glaube daher, wir alle sollten uns im Post-Nizza-Prozess bemühen, dass wir die Bürger der Europäischen Union mit Rechten ausstatten, die sie auch im Rahmen Europas geltend machen können. Ich denke dabei an verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, wie wir sie in Österreich kennen, die wir auf europäischer Ebene schaffen können und die den Bürgern auch das Bewusstsein vermitteln, dass sie Rechte in Europa haben, die auch einklagbar sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Drittens müssen wir auch ganz offen darüber reden, was derzeit zu viel an Europa auf dem Tisch ist. Wir, die ÖVP, treten dafür ein, dass wir im Post-Nizza-Prozess


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74. Sitzung / Seite 22

über die Kompetenzen der Europäischen Union und der Nationalstaaten nicht nur nachdenken, sondern auch die Kompetenzen der Europäischen Union, die heute oft sehr weit gefasst sind, die manchmal Generalklauseln zu Gunsten der EU enthalten, enger fassen und damit zu einer klaren Aufgabenteilung zwischen EU und Nationalstaaten kommen. Das ist ganz entscheidend, und ich glaube, wir alle sollten uns darum bemühen, dass wir das bei der nächsten Vertragsreform erreichen.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen: die Einbindung der nationalen Parlamente. Nationale Parlamentarier sind näher am Bürger als Europaparlamentarier, weil es weniger davon gibt. Nationale Parlamentarier haben auch ein besseres Feeling dafür, wo Bürger Ängste und Sorgen drücken, darum sollten wir ihnen auch eine Möglichkeit geben, im europäischen Prozess mitzubestimmen. Ich persönlich denke daran, dass wir auch eine Kommunikationsschiene zur Kommission legen müssen, etwa in Form eines Interpellationsrechts der nationalen Parlamentarier zur Kommission, damit Argumente, die vielleicht aus europäischer Sicht anders aussehen als aus österreichischer Sicht, unmittelbar vermittelt werden können.

Ich glaube, dass wir in Österreich auf einem guten Weg sind, denn dieser Dialog hat jetzt gut begonnen, und ich bin zuversichtlich, dass wir in dieser Art und Weise die Österreicher von diesem Erweiterungsprozess überzeugen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand der Aktuellen Stunde gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. Die Redezeit soll auch 10 Minuten nicht überschreiten. – Herr Bundeskanzler, Sie haben das Wort.

9.16

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Göteborg war aus österreichischer und auch aus europäischer Sicht ein guter, aber zugleich auch sehr beunruhigender Gipfel; beunruhigend deshalb, weil es zum ersten Mal, seit ich mit dabei bin – das sind jetzt auch schon 30 oder 35 europäische Gipfel –, in einem Ausmaß zu Ausschreitungen von EU-Gegnern, von Anti-Globalisierungs-Aktivisten gekommen ist, wie es sie in der jüngeren europäischen Geschichte noch nicht gegeben hat. Die Antwort darauf, meine Damen und Herren, kann nicht sein, dass sich Europa einbunkert, dass man sich in Sitzungssälen, hinter Stacheldraht und Polizeischildern verbirgt, sondern die Antwort darauf muss sein, dass man hinausgeht. Das erfordert aber auch einen Konsens derer, die für eine gute europäische Idee eintreten und auch klar zum Ausdruck bringen, dass Gewalt – in welcher Form auch immer, bei welchem Gipfel auch immer, ob in Göteborg, Salzburg oder Genua – nicht erwünscht ist, sondern von uns allen verurteilt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Gipfel war gut, denn er hat die Zukunftsdiskussion Europas zum ersten Mal im Konsens auf eine offene Plattform gestellt. Es war eine nachhaltige Forderung aller vier Parlamentsparteien im österreichischen National- und Bundesrat, dass man zunächst, bevor es zu einer Regierungskonferenz kommt, in einer breiten Öffentlichkeit, in einer europäischen und nationalen Öffentlichkeit, die Themen, die für Europa wichtig sind, diskutiert. Dies ist in den Schlussfolgerungen festgehalten, und das scheint mir auch ein ganz wesentlicher Erfolg dieses Gipfels in Göteborg zu sein. Da hat sich eine österreichische Position gemeinsam mit anderen letztlich durchgesetzt, und das finde ich gut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Göteborg war auch deshalb gut, weil das irische Referendum ernst genommen wurde. Es ist nicht angenehm, das habe ich auch hier schon einmal gesagt, aber den peinlichen Ausrutscher eines österreichischen Europaparlamentariers, der erklärt hat – wörtlich –: Dieser Volksentscheid Irlands ist das politisch wichtigste Ereignis seit dem Mauerfall 1989!, wollen wir am besten mit Schweigen übergehen. Gott sei Dank wurde dieser Ausrutscher in Europa nicht allzu sehr gehört. Ich hoffe, dass er in diesem Haus nicht auf Zustimmung stößt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Umso wichtiger wird die österreichische Antwort darauf sein: dass wir den Vertrag von Nizza – einem Konsens der österreichischen Parlamentarier folgend – zügig ratifizieren, denn dieser


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Vertrag ist die institutionelle Voraussetzung dafür, dass vieles in die richtige Richtung gelenkt wird, dass nationale Interessen gewahrt werden, dennoch europäischer Fortschritt möglich ist und die Erweiterung institutionell möglich wird.

Wichtig war auch das erste Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush und dem US-Außenminister Collin Powell. Am Vortag hat auch ein EU-US-Gipfel mit einer sehr offenen Aussprache auch über den Dissens in der Kyoto-Frage stattgefunden. Hier ist die Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union, die ja in Göteborg einstimmig beschlossen wurde, ganz wichtig. Sie schreibt ein Beharren auf den Kyoto-Zielen fest und definiert "Nachhaltigkeit" so, dass wir auch wirklich etwas damit anfangen können. Für Österreich ganz wichtig sind jene Teile, die sich mit dem Verkehr beschäftigen.

In den ersten Entwürfen der schwedischen Präsidentschaft war ja nur enthalten, dass Verkehrspolitik in der Nachhaltigkeitsstrategie nur vorkommt, wenn es um die Vermeidung von Verkehrsstau geht – das ist eine etwas eingeschränkte Sicht der Dinge, würde ich meinen. Im mit österreichischem Impuls versehenen, jetzt gemeinsam beschlossenen Text sind die vollständige Internalisierung der sozialen und der Umweltkosten enthalten sowie Maßnahmen, um den Anstieg des Verkehrsaufkommens vom Wachstum des Bruttoinlandsprodukts abzukoppeln, und eine österreichische Initiative zwingt die Kommission dazu, bis 2004 einen Rahmen vorzuschlagen, der sicherstellt, dass im Jahre 2004, also rechtzeitig nach Auslaufen des derzeitigen Transitprotokolls, die Preise für die Nutzung der verschiedenen Verkehrsträger die Kosten für die Gesellschaft besser widerspiegeln. Damit haben wir zum ersten Mal ein Datum verankert – das ist noch nicht die Lösung, aber zum ersten Mal haben wir einen Schuhlöffel, der eine europäische Verkehrslösung im österreichischen Sinn ermöglicht.

Die Frau Vizekanzler, die Außen- und die Verkehrsministerin fahren nach Brüssel, um auf Grund dieser Basiskonklusionen des Rates von Göteborg nachhaltig auch österreichische Lösungen einzufordern. Ich hoffe sehr, dass ihnen dabei mit Hilfe und Unterstützung des Parlaments Erfolg beschieden sein wird, denn dies ist wichtig für uns. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was die Erweiterung betrifft, hat Michael Spindelegger ja schon darauf hingewiesen, dass eigentlich sehr überraschend und zügig ganz konkrete schwerwiegende Lösungen angeboten wurden, die am Beginn der schwedischen Präsidentschaft in weiter Ferne lagen. Er hat das Thema der Freizügigkeit der Arbeitskräfte, also wie der Arbeitsmarkt geöffnet wird, angesprochen. Wir haben eine siebenjährige Übergangsfrist, die wir allein kontrollieren können, durchgesetzt.

Dazu kam, dass im Bereich der Dienstleistungen – ein Thema, das vor allem die Klein- und Mittelbetriebe betrifft – Deutschland und Österreich – und nur diese Staaten – das Recht haben, ebenfalls eine siebenjährige Übergangsfrist für sich in Anspruch zu nehmen. Und wieder: Es ist in unserer Hand, diesen Rahmen auszuschöpfen oder, wenn wir das Gefühl haben, die Zeit ist reif, diese Frist zu verkürzen. Das ist ein großer Erfolg und eine konkrete Antwort auf ebenso konkrete Ängste der Bevölkerung. – So kann die Erweiterung funktionieren, und auf diesem Weg wollen wir auch bei anderen schwierigen Kapiteln weitergehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Über Verkehr und Umwelt habe ich schon gesprochen – das ist natürlich eine ganz zentrale Frage im Erweiterungsprozess. Vor allem ist es aber auch wichtig, sich der Grenzregionen anzunehmen. In der früheren Finanzperiode ist es uns gelungen, 6 Milliarden Schilling ausschließlich für die Grenzregionen Österreichs zur Verfügung zu stellen, jetzt, für diese Finanzperiode, haben wir zusätzlich 10 bis 11 Milliarden Schilling zur Verfügung. Das ist das größte Vorbereitungsprogramm in der Geschichte der Europäischen Union, um Grenzregionen fit zu machen für den Wettbewerb, der natürlich durchaus unangenehme Risken, aber zugleich auch Chancen beinhaltet.

Ich appelliere wirklich an die Kommission, dass sie auch den Zeitplan einhält, ihr Programm zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Regionen so rasch wie möglich vorzulegen, denn damit


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haben wir etwas in der Hand, mit dem wir den Menschen in der Grenzregion die Sicherheit geben können, dass ihre Bedürfnisse gehört und verwirklicht werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In bilateraler Hinsicht hat dieses Treffen in Göteborg auch für uns einige sehr erfreuliche Kontakte gebracht. Es ist bemerkenswert, dass es jetzt in dichter Folge bilaterale Besuche in Österreich gegeben hat oder Einladungen in die jeweiligen Mitgliedstaaten. Unmittelbar nach dem Rat von Göteborg hat ein erstklassiger Staatsbesuch des luxemburgischen Premierministers Jean-Claude Juncker stattgefunden, der hervorragende Ergebnisse gebracht hat.

Sehr interessant ist – ich möchte das hier ausdrücklich anerkennen –, dass eine Woche vor Beginn des belgischen Ratsvorsitzes in der EU der belgische Ministerpräsident Verhofstadt die Grundsatzrede in Österreich beim Europa-Forum im Stift Göttweig gehalten hat, und das ist natürlich ein ganz bewusstes Signal der belgischen Regierung an Österreich gewesen, um auch zu zeigen: Normalität ist erwünscht, und sie ist möglich! Ich möchte das hier ausdrücklich respektieren und anerkennen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist interessant, zu vermerken, dass dies nicht auf ungeteilten Beifall aller Fraktionen stößt. Ich hätte eigentlich gedacht, dass wir alle uns über solch positive Signale von anderen für das rot-weiß-rote Österreich freuen. Aber sei es, wie es sei, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es war der Ministerpräsident Serbiens Zoran Djindjic, ein langjähriger Freund von mir, hier in Wien – wir haben ihn schon in Zeiten unterstützt, als er in der Opposition war –, der jetzt die Auslieferung von Milošević durchgesetzt hat. Der Mann verdient Respekt, denn das ist eine unglaubliche Leistung, die in den Geschichtsbüchern deswegen vermerkt werden wird, weil damit Diktatoren ein für alle Mal ein objektives und faires Gerichtsurteil fürchten müssen, und das ist auch für die Zukunft Europas gut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Albaner-Präsident Ibrahim Rugova war in Wien. Wir haben das höchst erfolgreiche Salzburger World Economic Forum abgewickelt. Es sind in Göteborg eine Reihe von anderen Besuchen in Wien und Besuche von mir in anderen Ländern der Europäischen Union vereinbart worden. Kurz und gut: ein sehr erfolgreicher Zwischenschritt auf dem Weg in die Zukunft Europas. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein. Alle Redner haben eine Redezeit von jeweils 5 Minuten.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Einem. – Bitte.

9.26

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, ich darf auf eine Frage, die Sie in Ihrer Rede aufgeworfen haben, an dieser Stelle schon eine Antwort geben: Als Herr Abgeordneter Spindelegger mit Recht darauf hingewiesen hat, dass die schwedische Präsidentschaft mit ihrem Engagement und mit ihrem Einsatz wesentliche Fortschritte in den Verhandlungen zum Erweiterungsprozess zustande gebracht hat, hat niemand applaudiert – die schwedische Präsidentschaft ist nicht anwesend, sie wird nicht darunter leiden. Als Sie, Herr Bundeskanzler, darauf hingewiesen haben, dass der belgische Ministerpräsident Verhofstadt hier in Österreich eine Erklärung abgegeben hat, haben die Regierungsfraktionen applaudiert. Wir, Herr Bundeskanzler, haben aber deshalb nicht applaudiert, weil das nicht Ihr Verdienst ist, sondern das des belgischen Ministerpräsidenten. – Das ist die Antwort! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Das ist sehr kleinkariert! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube auch, dass es nach Göteborg und nach der irischen Volksabstimmung wichtig ist, sehr klar zu sein hinsichtlich der Fragen, was das Problem Europas ist und welche Probleme wir im so genannten Post-Nizza-Prozess zu lösen haben.


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Die irische Bevölkerung hat ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht. Sie hat zwar nur in geringem Umfang an der Abstimmung teilgenommen, aber davon hat die Mehrheit gegen den Vertrag von Nizza entschieden. Die Sorgen der Iren haben zum Teil mit Fragen zu tun, die nicht unmittelbar im Vertrag von Nizza geregelt sind, sondern mit Sicherheitsbedenken. So ist die irische Bevölkerung überwiegend skeptisch etwa gegenüber einer Entwicklung, in der die EU allenfalls zu einem Militärbündnis werden könnte; dies lehnt die Mehrheit der Iren ab. Die Iren hatten darüber hinaus das Gefühl, dass ihre Freiheit allenfalls bedroht oder eingeschränkt werden könnte und ähnliche Dinge mehr. Ich denke, wenn wir wollen, dass die Bevölkerung – auch die österreichische Bevölkerung – der EU und den Prozessen der Weiterentwicklung der Union und der Erweiterung der Union positiv gegenübersteht, dann muss sie im Alltag spüren können, dass ihr diese Union Vorteile bringt, dann muss sie im Alltag spüren können, dass Entscheidungen der Union nicht zu ihrem Nachteil sind. Ich denke, das ist der wesentliche Punkt. Lassen Sie mich das an ein paar Dingen aufzeigen.

Es ist hier von der Erweiterung gesprochen worden und davon, dass in der schwedischen Präsidentschaft wesentliche Fortschritte erzielt worden sind. Unter anderem ist es auch möglich gewesen, gemeinsam mit Deutschland zu erreichen, dass die Union auf eine siebenjährige Übergangsfrist, was die Personenfreizügigkeit anlangt, eingegangen ist. Auch ich halte das für einen Erfolg, aber dieser Erfolg allein bringt es noch nicht. Das, was notwendig ist, um diesen Erfolg auch im Inland zu einem Erfolg zu machen, ist, dass deutlich wird, dass die sieben Jahre nur dann einen Nutzen haben, wenn im Inland kontrolliert wird, ob das, was in dieser Zeit gilt, nämlich keine Personenfreizügigkeit, auch eingehalten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu brauchen wir sowohl eine entsprechende klare gesetzliche Grundlage im Inland als auch eine Behörde, die die Vollziehung übernimmt, aber auch Personal, das das macht.

Herr Bundeskanzler! Wir von der sozialdemokratischen Fraktion haben bereits im Februar ein Angebot an die Regierung gemacht, indem wir gesagt haben: Wir sind gerne bereit, den Prozess der Erweiterung gemeinsam mit den Regierungsfraktionen mitzutragen, weil wir der Überzeugung sind, dass das auch ein ganz entscheidender Prozess zur Stabilisierung des Friedens in Europa ist, aber wir sehen bestimmte Notwendigkeiten, im Inland Vorkehrungen zu treffen, damit die Menschen sehen, dass ihre Sorgen ernst genommen werden. Doch dazu reicht es nicht aus, wenn einige Mitglieder der ÖVP und der Freiheitlichen in Grenzregionen Podiumsdiskussionen machen, sondern dazu ist es notwendig, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden, und dazu müssen diese Behördenvoraussetzungen geschaffen werden. Wir sehen aber keine Handlungen und Maßnahmen der Regierung.

Wir müssen verlangen, dass beispielsweise für jene Arbeitnehmergruppen, die durch die Erweiterung allenfalls unter Druck kommen, die fürchten müssen, allenfalls ihren Arbeitsplatz zu verlieren, entsprechende Qualifikationsprogramme vorgesehen werden.

Wenn wir wollen, dass nicht allzu viele Pendler nach Österreich kommen, dann müssen grenzüberschreitende Wachstumsräume geschaffen werden, und dazu braucht es österreichischer und europäischer Investitionen, und zwar nicht nur bei uns, sondern auch in den Nachbarländern. Das ist die Voraussetzung dafür, dass man sich hier keine allzu großen Sorgen machen muss.

Wir haben Ihnen dazu Vorschläge gemacht, aber wir haben bis jetzt keine Antwort, die darauf hindeutet, dass Sie sehr daran interessiert sind, diese Kooperation anzunehmen. Das ist okay, Sie haben die Regierungsmehrheit, Sie können auch alleine regieren. Wir wollen Ihnen nur sagen: Uns sind die Sorgen der Menschen in diesem Lande wichtig, und deswegen machen wir konkrete Vorschläge und verlangen von Ihnen, dass Sie konkrete Maßnahmen setzen und nicht nur reden. (Beifall bei der SPÖ.)


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9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.32

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Einem überrascht mich immer wieder. Herr Kollege Einem! Wir haben gestern in einem sehr ausführlichen Gespräch gemeinsam festgehalten, dass wir genau das, was Sie als notwendig erachten und hier gerade gesagt haben, gemeinsam angehen werden.

Dass wir über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam versuchen werden, unsere Grenzregionen auf diesen Beitritt vorzubereiten, das haben wir doch außer Streit gestellt. Also tun Sie doch nicht so, als hätten wir nicht die gemeinsame Absicht, nur weil heute die Diskussion von mehreren Leuten gehört wird! Sagen Sie doch: Wir haben da Übereinstimmung erzielt, wir machen das miteinander, weil das von übergeordnetem Interesse ist und alle Parteien das gleiche Interesse daran haben, dass die Grenzregionen entsprechend vorbereitet in diese Erweiterung gehen können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem die Vorredner schon die positiven Ergebnisse des Gipfels von Göteborg herausgestrichen haben und ich Wiederholungen nicht liebe, werde ich mich mit einem anderen Aspekt beschäftigen.

Es sind diese positiven Ergebnisse, aber auch andere Ergebnisse, Herr Bundeskanzler, nicht richtig herübergekommen, wie zum Beispiel die Strategie für die nachhaltige Entwicklung oder die Zusammenarbeit im Interesse des Friedens und der Sicherheit, die dort breiten Raum eingenommen hat. Diese wesentlichen Themen sind völlig untergegangen, obwohl sie gerade für den EU-Bürger von besonderer Bedeutung sind, weil dieser Gipfel – darüber müsste man auch reden – von Pflastersteine werfenden Demonstranten auf der einen Seite und von verstörten EU-Granden auf der anderen Seite geprägt war.

Wir sollten uns einmal darüber Gedanken machen, ob die Kluft zwischen den Mächtigen und den vielen EU-Bürgern nicht etwas ist, womit wir uns in nächster Zeit mehr beschäftigen müssen. Es sind nicht die Pflastersteine werfenden Demonstranten, die mir besondere Sorge bereiten – dazu gehört auch Peter Kreisky, das haben wir jetzt in Salzburg gesehen, aber mit denen werden wir schon noch fertig werden –, sondern es sind vielmehr die vielen Millionen Bürger, die sich von der Europäischen Union abwenden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Weigerung, an dem, was auf europäischer Ebene stattfindet, teilzunehmen, die Teilnahmslosigkeit, die immer mehr wächst, macht mir Sorge. Es wurde auch mit dem Votum in Irland zum Ausdruck gebracht, dass ein Großteil der Bevölkerung zum Beispiel die Teilnahme am europäischen Integrationsprozess verweigert. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber müssten wir auch diskutieren, wie wir damit fertig werden.

Hinter diesem Ergebnis von Irland steht Unverständnis, steht Misstrauen. Zwischen der europäischen Verwaltung in Brüssel und den Bürgern gibt es eine Kluft, die rasch größer wird, meine sehr geehrten Damen und Herren! Weder Chirac noch Schröder, noch Prodi und viele andere, die sich zu Wort gemeldet haben, waren mit ihren Kommentaren gut beraten, wenn sie sinngemäß gemeint haben, das Volk möge halt so lange abstimmen, bis das Ergebnis den Granden der EU passt. So kann es nicht gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Erwin Zankel, ein Journalist der "Kleinen Zeitung", trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er all jene, die sich so geäußert haben, als Nötigungsdemokraten bezeichnet. Nötigungsdemokraten werden nicht das Vertrauen der Bürger gewinnen können.

Damit ist, so glaube ich, die Vertrauenskrise in der EU nicht nur prolongiert, sondern sogar verschärft. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es jemals ein gemeinsames Europa geben soll, das die große Mehrheit der Bürger mitträgt, dann muss diese Europäische Union viel transparenter gestaltet werden. Darüber gilt es zu diskutieren: wie wir diese Europäische Union für den Bürger transparenter und verständlicher gestalten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Es müssen dann die Bürger auch über die Mittel verfügen, um in den wesentlichen Fragen mitentscheiden zu können, wie etwa in der Frage der Europäischen Integration, der Erweiterung. Diese muss unter Einbeziehung der Bürger stattfinden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben mit der Österreich-Plattform einen ersten Schritt getan, um die Bürger mit einzubeziehen. Aber das wird noch zu wenig sein. Die Bürger müssen auch über die künftige Konfiguration dieser EU mitentscheiden können, meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle, die das irische Votum richtig deuten, müssen erkennen, dass die direkte Demokratie ein wichtiges Instrument bei künftigen Entscheidungen auf der europäischen Ebene zu sein hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Sie hat das Wort. (Abg. Ing. Westenthaler: Jungfernrede!)

9.38

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Der Europäische Rat in Göteborg hat sich neben den wichtigen Fragen der Erweiterung der Europäischen Union vor allem auch mit einer nachhaltigen Entwicklung und mit diesbezüglichen Strategien der Europäischen Union auseinander gesetzt.

Als ehemalige Umweltministerin, die von 1992 bis 1994 im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union das Kapitel Umwelt verhandeln durfte, und als Generalsekretärin einer Partei, die schon vor zwölf Jahren unter der damaligen Obmannschaft von Josef Riegler die ökosoziale Marktwirtschaft zu ihrem Prinzip erhoben hat, ist es für mich eine Befriedigung zu hören, dass nunmehr auch auf europäischer Ebene dieses Prinzip greifen soll und sich die europäische Ebene diesem Prinzip verpflichtet.

Das Wichtigste bei diesen Gesprächen allerdings war, dass es Österreich auf Grund einer Initiative unseres Bundeskanzlers gelungen ist, einen wesentlichen Durchbruch im Verkehrskapitel zu erreichen. Das Kapitel, das in der nachhaltigen Entwicklung ursprünglich gar nicht vorgesehen war, der Bereich, der aber innerhalb der Umweltverschmutzung einer der stärksten ist, und zwar nicht nur was den CO2-Ausstoß anlangt, sondern auch was die Umweltbelästigung Lärm anlangt, ist nunmehr fest verankert, und es konnte erreicht werden, dass eine vollständige Internalisierung der sozialen Kosten und der Umweltkosten gefördert wird.

Es sind auch ganz konkrete Maßnahmen notwendig, die den Anstieg des Verkehrsaufkommens vom BIP-Wachstum abkoppeln sollen, weshalb insbesondere eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf umweltfreundliche Verkehrsträger gefordert wird.

Es war auch ein österreichischer Erfolg, eine Anregung unseres Bundeskanzlers, dass den Kapiteln Energie, Verkehr und Umwelt im 6. Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung gebührend Rechnung getragen werden wird. Die Umwelt wurde damit neben der wirtschaftlichen und sozialen Dimension als dritte und gleichrangige Dimension des Lissabon-Prozesses verankert und hat damit das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft um diese dritte Dimension der ökosozialen Marktwirtschaft bereichert.

Die Europäische Union hat sich auch verpflichtet, in Zukunft jeweils bei den Frühjahrstagungen politische Leitlinien zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung festzulegen, und vor allem die Mitgliedstaaten ersucht, eigene nationale Nachhaltigkeitsstrategien zu erarbeiten und umfassende nationale Konsultationsprozesse in diesem Bereich zu schaffen, was insbesondere auch im Hinblick auf die Beitrittsländer bei der Erweiterung ganz besondere Bedeutung hat.

Österreich ist dem im Übrigen schon durch die Erstellung eines Grünbuchs für eine österreichische Strategie nachgekommen.

Der Europäische Rat unterstützte auch – dies auf ausdrücklichem Wunsch Belgiens, das damit auch ganz klar seine Prioritäten für seine Präsidentschaft gesetzt hat – die Arbeiten der


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Kommission an einem Entwurf über die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen.

Ganz wichtig war auch, dass sich dieser Rat mit dem Kyoto-Protokoll auseinander gesetzt hat, dass der Europäische Rat noch einmal bekräftigt hat, dieses 2002 in Kraft zu setzen und besondere hochrangige Kontakte mit Japan aufzunehmen, um dieses Land trotz der US-Widerstände auf eine klare Pro-Kyoto-Linie zu bringen.

Ebenfalls wichtig ist, dass sich zum Beispiel der Rat verpflichtet hat, bis 2010 22 Prozent des gemeinschaftlichen Gesamtstromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen zu decken – etwas, was Österreich bereits übererfüllt –, und dass vor allem in den Schlussfolgerungen die noch in den Kommissionsmitteilungen aufgelistete Nuklearenergie nicht mehr vorkommt.

Auch die nachhaltige Landwirtschaft war ein wesentliches Thema. Österreich kann stolz sein, dass es immerhin geschafft hat ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit beachten, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend): ..., bei mehr als 100 000 Tests keinen BSE-Fall und den höchsten Anteil an ökologischer Landwirtschaft in Europa zu haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

9.44

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, lassen Sie mich zuerst kurz auf Ihre Stellungnahme eingehen. Wenn Sie jetzt quasi die Nachhaltigkeitsstrategie als Verdienst der ÖVP in der Europäischen Union verkaufen, dann scheint mir das doch in großem Maße eigenartig und in gewisser Form sogar lächerlich zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Rauch-Kallat, wo wäre denn Österreich, wenn bei uns tatsächlich eine ökosoziale Marktwirtschaft Platz gegriffen hätte? – Dann hätten wir nicht nur 10 Prozent Bio-Bauern, sondern sehr viele mehr. Wo wäre Österreich, wenn verkehrspolitisch tatsächlich eine Wende von der Straße zur Schiene stattgefunden hätte? – Dann gäbe es zum Beispiel eine rasche und direkte Eisenbahnverbindung zwischen den europäischen Hauptstädten, die einander am nächsten sind, nämlich zwischen Wien und Bratislava. Diese gibt es aber nicht, und es ist auch nicht vorgesehen, dass es diese in nächster Zeit geben soll. Diese Eisenbahnverbindung gibt es noch nicht.

Lassen Sie mich auch noch einige Anmerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schweitzer machen. Herr Abgeordneter Schweitzer! Sie haben hier einem Österreicher, der in Salzburg für ökologische und soziale Verantwortung von Unternehmen demonstriert hat, Herrn Peter Kreisky, vorgeworfen, er habe Steine geworfen. Das ist typische FPÖ-Strategie: Menschen öffentlich kriminalisieren, die sich nicht wehren können (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), Menschen kriminalisieren, die gegen etwas auftreten, was doch auch Ihnen ein Anliegen sein sollte, nämlich gegen die ungezügelte Globalisierung und für die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen. – Das ist die Politik der Freiheitlichen: Sie kriminalisieren Menschen ohne Grund! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Aber sicher nicht Steine werfen! – Abg. Mag. Kukacka: Warum distanzieren Sie sich nicht?)

Lassen Sie mich nun zum Rat von Göteborg kommen. Ich begrüße es sehr – das ist auch ein Verdienst der schwedischen Präsidentschaft –, dass endlich den Beitrittswerbern ein Datum für einen möglichen Beitritt genannt wurde, auf das sie sich verlassen können – ein Datum, das heißt, Abschluss der Verhandlungen bis Ende 2002, ein Datum, das auch heißt, Teilnahme an den Europawahlen 2004. Das ist auch von Seite der Grünen zu begrüßen. Das hätte es schon sehr viel früher geben sollen.


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Zu begrüßen ist auch, dass eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet wurde, wobei ich sage, dass das ein erster Schritt ist, denn eine tatsächliche Wende in der Energiepolitik, eine Wende in der Verkehrspolitik, eine Wende in der Atompolitik ist nicht sichtbar.

Nun kommen wir zu den einzelnen Punkten. Herr Kollege Spindelegger und auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben wieder einmal die Regelung der sieben Jahre Freizügigkeit verteidigt. Sie haben das, Herr Bundeskanzler, in Ihren Reaktionen auf Göteborg als eine vernünftige Lösung angepriesen. Herr Spindelegger hat es hier als Verdienst der Bundesregierung präsentiert. (Abg. Dr. Puttinger: Das stimmt auch!)

Herr Bundeskanzler! Sie wissen ganz genau, dass das keine vernünftige Lösung ist. Es haben vor einigen Monaten auch von Seiten der SPÖ noch Herr Kollege Einem und Herr Kollege Gusenbauer in einer Erklärung gesagt, dass sie eigentlich mit den sieben Jahren nicht einverstanden wären. Mittlerweile sind auch Sie von der SPÖ leider auf der Linie, dass Sie sagen, diese sieben Jahre seien in Ordnung.

Für uns Grüne sind diese sieben Jahre keine vernünftige Lösung (Beifall bei den Grünen), und zwar sowohl wirtschaftlich betrachtet als auch als Signal gegenüber den Beitrittsländern. Sie wissen ganz genau, dass diese siebenjährigen Übergangsfristen etwa gegenüber Slowenien nicht nötig sind.

Ein Zweites: Die Freiheitlichen fordern eine Volksabstimmung über die Erweiterung. Der Herr Bundeskanzler sagt, mit ihm werde das nicht stattfinden. Herr Bundeskanzler! "Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!", hat schon Goethes Gretchen gesagt. Herr Bundeskanzler! Sie haben schon einmal etwas gesagt, was sich nachher nicht bewahrheitet hat. Sie haben einmal gesagt – und das ist noch nicht so lange her –: Wenn die ÖVP bei der Nationalratswahl Dritter wird, dann gehen Sie in die Opposition. Wir wissen, dass Ihnen das viele Menschen geglaubt haben, aber dass sich nachher herausgestellt hat, dass Sie nicht die Wahrheit gesagt und anders gehandelt haben.

Herr Bundeskanzler! Wie soll Ihnen die Bevölkerung jetzt glauben, dass es mit Ihnen solch eine Volksabstimmung nicht geben wird? (Abg. Schwemlein: Tut sie eh nicht!) Wie wird sich der kleine Regierungspartner in dieser Regierung durchsetzen, wenn es ständig Querschüsse gibt, wenn ständig Sonderwege der Erweiterungspolitik gefordert werden, wenn zum Beispiel ein Veto zum Beitritt Tschechiens wegen der Beneš-Dekrete verlangt wird? – Der niederösterreichische Neo-Landesrat, Herr Windholz, der sich sehr wohl mit anderen Worten unrühmlich ausgezeichnet hat, fordert ein Veto zu den Beneš-Dekreten. Auf die Veto-Kampagne zu Temelin wird meine Kollegin Glawischnig noch eingehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): Vetokampagnen, Volksabstimmungskampagnen: Herr Bundeskanzler! Wo ist Ihre Erweiterungspolitik? Wo ist Ihre Zusage in einer gemeinsamen Erklärung mit der FPÖ, dass es all das nicht geben wird? – Das erwarten wir von Ihnen! Das erwarten wir in Richtung einer positiven und konstruktiven Erweiterungspolitik! (Beifall bei den Grünen.)

9.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Gleiche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

9.50

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme mit allen überein, die der Meinung sind, das Hauptergebnis von Göteborg bestehe darin, dass der Erweiterungsprozess in der EU unumkehrbar ist. Dass es in der Schlusserklärung dazu gekommen ist, dass es möglich sein soll, die Verhandlungen mit den am weitesten fortgeschrittenen Ländern Ende 2002 zu beenden, mit dem Ziel, dass sie an den Europawahlen 2004 teilnehmen können, ist ein klares Signal zur Erweiterung. Es ist vielleicht mehr, als sich manche erhofft haben, es ist aber vor allem mehr, als manche befürchtet


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haben, denn nach dem Ergebnis von Irland haben viele dieser Länder gemeint, die EU würde in Fragen der Erweiterung nun zögernder werden.

Ich bin froh, wir Sozialdemokraten sind froh, dass es zu dieser Haltung in Göteborg gekommen ist. Wir bekennen uns dazu, dass der Erweiterungsprozess unumkehrbar sein soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Hauptfrage betraf die Entwicklung der EU, die Demokratisierung der EU, also das Eingehen auf den Volksentscheid in Irland. Die Kommentare sind auch in dieser Richtung sehr klar: "Die Zeit" hat es so getitelt: Das Nein der Iren zwingt zur Demokratisierung der EU! Die NZZ spricht davon, dass nur mehr Bürgernähe in der EU hier wirklich eine Lösung schaffen wird, und auch der Herr Bundeskanzler hat in seinem Beitrag darauf verwiesen.

Es ist klar, dass es angesichts dieses zweiten Hauptpunktes notwendig sein wird, in Zukunft eine klare Kompetenzaufteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten zu finden und die nationalen Parlamente besser einzubinden. Kollege Jung und ich waren erst vor wenigen Tagen bei einer Sitzung des Europäischen Parlamentes. Vielleicht wäre in diesem Zusammenhang auch anzumerken, dass es wünschenswert wäre, dass das Europäische Parlament die nationalen Parlamente stärker als Partner betrachtet und diese nicht bevormundet. Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang auch die Vereinfachung der völlig unübersichtlichen europäischen Verträge und natürlich die Grundrechtscharta. Es wird also auf Grund dieses Ergebnisses und der Debatte auch zu einer Demokratisierung der Europäischen Union kommen, und das wird ihr gut tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Der dritte Punkt, der für mich große Bedeutung hat, ist, dass in Göteborg klar zu Tage getreten ist, dass die EU auch ihre Kontakte mit den Vereinten Nationen ausbauen muss, dass es klar ist, dass es zu einer besseren Zusammenarbeit kommen muss, und dass die Europäische Union anerkennt, dass dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit in der Welt zukommt.

In diesem Zusammenhang ist natürlich auch sehr viel über die neue amerikanische Haltung – Aufkündigung des ABM-Vertrages – gesprochen worden. Ich bin über die klaren und deutlichen Worte unseres Bundespräsidenten sehr froh, der bei seinem Besuch in Moskau Putin beigepflichtet hat, dass die Aufkündigung des Vertrages die Stabilität gefährden könnte. Dieser Besuch war wichtig und hat sicherlich auch dazu beigetragen, eine bessere Gesprächsbasis zu finden.

Abschließend noch eine Bemerkung zu Kollegen Spindelegger, der die Veranstaltung in Gmünd als einen Beitrag zur Bürgernähe und auch zur Zusammenarbeit bezeichnet hat. Ich frage mich, ob es wirklich ein Beitrag zur Zusammenarbeit ist, meine Damen und Herren, wenn es bei der Auftaktveranstaltung, bei der man Gemeinsamkeit signalisieren will, folgende Redner gibt: die Frau Außenministerin – das ist klar –, den Herrn Landeshauptmann von Niederösterreich – das ist auch klar – und dann noch zusätzlich drei Personen, nämlich einen ÖVP-Landesrat und zwei Abgeordnete der Freiheitlichen Partei. Das ist kein Signal dafür, dass hier zusammengearbeitet wird, sondern das ist eher ein Signal dafür, dass diese Plattform als schwarz-blaue Initiative verwertet wird! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: So ist es! Pfui! Pfui! Pfui!)

9.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.


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(Abg. Parnigoni  – in Richtung ÖVP und Freiheitliche –: Scheinheilig seid ihr!)

9.55

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wenn man die Tagung des Europäischen Rates in Göteborg aus der Sicht der österreichischen Medienberichterstattung betrachtet, dann fallen einem zunächst einmal zwei Umstände ins Auge: erstens der militante Widerstand Tausender EU-Gegner, der sich von Gipfel zu Gipfel massiv verstärkt. Unter den Demonstranten – das war deutlich zu sehen – gab es einen harten Kern vermummter und autonomer Linksextremisten, die für die Ausschreitungen in Göteborg und die Krawalle, die wir gesehen haben, hauptverantwortlich waren. (Abg. Parnigoni: Glauben Sie, dass es Linksextremisten waren? Vielleicht waren es Rechtsextremisten!)

Zweitens: die Schlussfolgerung, die am Ende der Tagung zum Ausdruck gebracht und auch schon zitiert worden ist, die in etwa lautet: Die Osterweiterung ist unumkehrbar. Das Nein der Iren zum Vertrag von Nizza ist ein irisches Problem und hält uns in der Erweiterungsfrage nicht auf.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung handelt nicht so abgehoben und nicht so volksfern wie manche Politiker in manchen Nachbarstaaten der Europäischen Union. Wie rasch diese Regierung in der Lage ist, die richtigen Schlüsse zu ziehen, haben wir schon am vergangenen Wochenende in Salzburg gesehen. Wir waren Zeugen dessen, dass es den österreichischen Sicherheitskräften beim Weltwirtschaftsforum in Salzburg von Anfang an gelungen ist, für die Sicherheit der Konferenzteilnehmer zu sorgen. Man hat also im Innenministerium durchaus die richtigen Schlüsse und die richtigen Lehren aus den Straßenschlachten von Göteborg gezogen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch anhand der Informationspolitik dieser Regierung zeigt sich, dass sie besser ist als andere Regierungen.

Die heutige Aktuelle Stunde in diesem Parlament beweist, dass der Herr Bundeskanzler das Parlament und die Öffentlichkeit umfassend über das Gipfeltreffen in Göteborg unterrichtet und dadurch verhindert, dass auf Grund etwaiger Informationsmängel eine Kluft zwischen der Regierung und der Bevölkerung entstehen kann, so wie wir das in Irland gesehen haben.

Das, was an der Brüsseler Politik so viele Österreicherinnen und Österreicher stört, ist, dass durch die Arroganz der Mächtigen, die immer wieder zum Ausdruck gebracht wird, unser gemeinsames Projekt Europa Schaden leidet und gefährdet wird. Diese Missachtung, die von bestimmten EU-Politikern dem irischen Volksentscheid, diesem irischen Nein zum Vertrag von Nizza entgegengebracht wird, schadet in Wirklichkeit ganz massiv dem Europa-Gedanken. Es schadet Europa deshalb, weil es viele Unschlüssige direkt in das Lager der EU-Gegner treibt. Wenn der einzelne Bürger einmal das Gefühl bekommen sollte, nicht mehr gehört, sondern immer nur zwangsbeglückt, und zwar von oben her zwangsbeglückt zu werden, dann wird er sich abwenden, und das Projekt der europäischen Einigung wird dann scheitern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dabei muss es jedem vernünftig Denkenden doch klar sein: Ohne Irland kann der Vertrag von Nizza gar nicht in Kraft treten, auch dann nicht, wenn, wie in Göteborg in Aussicht gestellt worden ist, die Verhandlungen mit den fortschrittlichsten Beitrittskandidaten schon Ende des Jahres 2002 abgeschlossen sein sollten. Der Vertrag von Nizza regelt die Institutionenreform in der EU und ist somit die Vorbedingung für die Erweiterung. Dabei hätte Europa mit einer wohl durchdachten und gut geplanten Erweiterung die große Chance, endlich eine Großmacht, und das nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet, zu werden.

Nach Jahrzehnten der Teilung durch den Eisernen Vorhang könnten Hauptstädte wie Budapest, Prag, Preßburg und Warschau wieder mitteleuropäische Metropolen werden und näher in das geographische Zentrum unseres Kontinents rücken.

West- und Mitteleuropa haben, so meine ich, auch eine gewisse moralische Verpflichtung jenen Völkern gegenüber, die jahrzehntelang unter dem realen Sozialismus, wie der Kommunismus auch genannt worden ist, zu leiden hatten. Dass gerade Österreich aus historischen Gründen besonderes Interesse daran hat, versteht sich von selbst, dass wir aber keine überhastete, keine schlecht vorbereitete Erweiterung wollen, die für alle nur Nachteile hätte, ist aber ebenso klar. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

10.01

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes eine Replik an Kollegen Schieder.


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Herr Kollege Schieder, das, was Sie über die Auftaktveranstaltung zur Österreich-Plattform in Gmünd gesagt haben, vor allem, dass Sie monierten, die Opposition wäre nicht eingeladen gewesen, stimmt nicht. Am 29. Juni erging die Einladung zu dieser Auftaktveranstaltung mit dem Ersuchen um Teilnahme an Klubobmann Kostelka und an Klubobmann Van der Bellen. (Abg. Schieder: Zu einem Gespräch mit Herrn Newald! Zu einem Gespräch mit Herrn Newald! Zu einem Gespräch mit Herrn Newald am zweiten!) Ich habe hier die Briefe im Original. Sie können sie einsehen. Herr Kollege Schieder! Ich weise Ihre Behauptungen entschieden zurück. (Beifall bei der ÖVP.)

Beginnend mit dem Herrn Bundeskanzler hat dann eine Reihe von Kollegen zu einem Aspekt im Zusammenhang mit großen Kongressen, mit internationalen Tagungen Stellung bezogen, auf den ich im Speziellen eingehen möchte, nämlich die Frage der Sicherheit in diesem Zusammenhang. Ob Nizza, Göteborg oder auch Salzburg im Besonderen – wir alle haben die Bilder über das Fernsehen ins Haus geliefert bekommen. Wir alle waren betroffen. Salzburg im Speziellen – das möchte ich gleich eingangs erwähnen – war aber die große Ausnahme. Ich möchte dem Innenminister, den 3 000 Beamten, die für die Bevölkerung Salzburgs und für mehr Sicherheit Garantie gebracht haben, ein ausdrückliches Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Position der ÖVP in diesem Zusammenhang, was Demonstrationen und das Demonstrationsrecht selbst betrifft, war immer eindeutig: ja zu friedlichen Demonstrationen. Das Demonstrationsrecht wurde hier im Parlament erkämpft und beschlossen. Dazu stehen wir! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber ein entschiedenes, ein klares, ein dezidiertes Nein gegen Gewalt, gegen Randale, gegen Aggression, wie wir sie beispielsweise auch in Salzburg durch einen kleinen Kern erkennen mussten. Die Forderung, dass es eine umfassende EU-weite Koordination gegen Gewalttäter geben soll, bringe ich hiemit ein, und wir ersuchen unseren Innenminister dringend, im Rahmen seiner Konferenzen mit den anderen Innenministern der EU die entsprechenden Vorsorgen zu treffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich frage: Wer aber waren die Gewalttäter in Österreich? Wer sind sie in Salzburg im Speziellen gewesen? (Abg. Mag. Schweitzer: Kreisky habe ich gesehen!) – Kolleginnen und Kollegen! Dass das auch hier im Hohen Haus gesagt werden muss, ist klar: Es war eine Aktionsgemeinschaft bestehend aus SPÖ, Kommunisten und Grünen. (Pfui-Rufe bei den Freiheitlichen.) Der linke Block dieses Hauses war es, der in Salzburg Randale gemacht hat. Das lehnen wir entschieden ab! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das, was sich in der Österreichischen Hochschülerschaft dokumentiert – sozialistische Studenten, kommunistische Studenten, grüne Studenten –, was sich bei den Anti-Temelin-Demos manifestiert – Sozialisten, Kommunisten, Grüne (Abg. Dr. Lichtenberger: Und schwarze Landeshauptleute! Und schwarze Landeshauptleute!)  –, war in Salzburg einmal mehr zu beobachten. Das ist jener Block, der in Österreich für Gewalt und nicht für Gewaltfreiheit steht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt könnte ich an den Vorsitzenden der SPÖ die Frage stellen, ob er den guten burgenländischen Sinnspruch kennt: Wie der Herr, so das Gscher! – Ich nehme an, er kennt ihn. Immerhin ist es er, der das große Vorbild gewesen ist, als er anno dazumal in Moskau den Boden geküsst und "Heimat" gerufen hat, und jetzt tun es ihm die linken jungen Sozialisten nach. Was lernen denn beispielsweise die Wiener Jungsozialisten? – DDR-Kampflieder! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Gusenbauer! Die jungen Sozialisten in Wien, in Niederösterreich, im Burgenland lernen DDR-Kampflieder mit folgenden Texten:

"Gruß dem Freund, dem Kommunisten, der uns treu zur Seite steht! Gruß dem fernen Freiheitskämpfer! Gruß und Solidarität!"


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Oder: "Nun wird die Kraft von uns erkannt, die starke Waffe unserer Hand! Schlag zu, du junge Garde des Proletariats." (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Oder: "Kämpfende Jugend erschreckt nicht der Tod! Auf denn, erhebt euch, Brüder, Genossen, ergreift die Waffen und schließt die Reihen!"

Das lernen junge Sozialisten in Österreich, DDR-Kampflieder aus einer Zeit, die wir schon lange überwunden glaubten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was kümmert also die jetzige Garde der SPÖ, einen Gusenbauer und einen Cap, die vormalige Eisenstädter Erklärung der SPÖ, in der sie sich klar und eindeutig gegen die Kommunisten abgegrenzt hat? – Das schert sie keinen Deut. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich sage: Cap und Gusenbauer stehen für eine andere, für eine klare Linie, und diese lautet: Vorwärts, Genossen, zurück in die Vergangenheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Cap. – Bitte.

10.06

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es ist ein Anschlag gegen die politische Kultur in diesem Haus, wenn diese Unwahrheiten verbreitet werden, und ich möchte mit Nachdruck dagegen protestieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist keine Geschäftsordnungsdebatte!)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, ich stelle klar fest, dass das keine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung war. (Abg. Ing. Westenthaler: Er muss erst lernen!)

Zu Wort gemeldet im Zuge der Debatte hat sich der Herr Bundeskanzler. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

10.07

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Meine Damen und Herren! In der Debatte sind einige Punkte aufgetaucht, zu denen ich gerne Stellung nehmen möchte.

Zunächst einmal zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Lunacek: Es ist vielleicht falsch herausgekommen, aber in Göteborg ist kein Datum beschlossen worden. Die Texte sind mit dem wortidentisch, was in Nizza hinsichtlich der Erweiterung beschlossen wurde, nämlich dass wir hoffen, dass die mit den Verhandlungen am weitesten fortgeschrittenen Länder an der Europaparlamentswahl im Jahre 2004 teilnehmen können.

Ehrlich gesagt, halte ich das übrigens so wie Joschka Fischer, der das im Deutschen Bundestag genauso gesagt hat, für gut, dass wir endlich von diesem Datum-Fetischismus weggekommen sind. Jetzt sind wir auf einem sehr interessanten, konstruktiven Ansatz. Es wird Kapitel für Kapitel abgearbeitet, und es werden endlich Lösungen angeboten, statt nur über ein abstraktes Datum zu diskutieren, das sowieso nicht für 13 Kandidaten gleich sein kann. Das ist meiner Meinung nach ein großer Fortschritt.

Zweitens zu den Übergangsfristen: Ich halte das zum Unterschied von manchen von Ihnen für eine sehr gute Lösung, und ich glaube auch, dass wir Grund dazu haben, auf diese Lösung ein bisschen stolz zu sein. Immerhin ist sie nicht nur die gemeinsame Position der 15, sondern es haben bisher auch drei Beitrittskandidaten bereits offiziell zugestimmt, nämlich Ungarn, die Slowakei und Lettland. Damit bewährt sich auch die von der Außenministerin ins Leben gerufene regionale Partnerschaft mit unseren Nachbarländern.

Ich weiß, dass zwei weitere Beitrittskandidaten unmittelbar vor der Zustimmung zu dieser gemeinsamen EU-Position stehen. Die Position der Grünen ist vielleicht subjektiv berechtigt, aber ich glaube, sie ist weitab vom Mainstream dessen, wie sich die Verhandlungen tatsächlich ent


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wickeln, und es ist, so glaube ich, schon gut, dass man das weiß, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Einem: Ich wollte jetzt nicht für mich die Lorbeeren für Guy Verhofstadt einheimsen. Ich habe ihn eingeladen, das ist schon richtig, und ohne Einladung wäre er nicht gekommen. Ich wollte eigentlich auch ein sichtbares Zeichen von Österreich setzen, dass wir gemeinsam diese Geste respektieren. Dieses Lob an Guy Verhofstadt, den jetzigen EU-Ratsvorsitzenden, könnte doch eine positive rot-weiß-rote Geste sein, die in Wahrheit niemandem wehtut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt, zur Volksabstimmung: Frau Abgeordnete Lunacek! Sie kennen meine Position. Sie wissen, dass wir am Ende dem Nationalrat individuelle Beitrittsverträge vorlegen. Jeder Vertrag wird individuell ratifiziert – wenn notwendig, wo Verfassungsbestimmungen, sogar mit Zweidrittelmehrheit, wo nicht, mit einfacher Mehrheit.

Ich halte es auch für rechtlich höchst problematisch und fragwürdig, wenn wir schon über Verfassung und Völkerrecht reden, denn man kann über Staatsverträge nicht Volksabstimmungen abhalten. Aber bitte, wenn Sie jetzt in eine Richtung schauen, dann bitte ich, den Blick ein wenig zu heben: Der erste Vorschlag zu einer Volksabstimmung kam vom sozialdemokratischen Erweiterungskommissar Günter Verheugen. Er hat dafür, so würde ich es einmal sagen, zu Recht nicht nur Lob geerntet.

Der zweite Vorschlag kam vom SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer, der in einem Exklusiv-Interview mit der "Kronen Zeitung" eine Volksabstimmung auf europäischer Ebene verlangt hat. In anderen Medien wurde das dann als unrealistisch dargestellt.

Ihr eigener Vorsitzender, Professor Van der Bellen, hat sehr ambivalent in der "Zeit im Bild" – das habe ich selbst gesehen – erklärt: Man kann dem Volk jede Frage vorlegen, und er würde nichts davon fürchten. – Da ist meine Linie vergleichsweise noch die klarste und eindeutigste, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Lunacek: Aber die Freiheitlichen wollen dezidiert eine Volksabstimmung!)

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

10.11

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich muss jetzt eingangs – ich wollte eigentlich über etwas ganz anderes reden – ein paar Worte zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kiss sagen.

Es ist aus meiner Sicht eine unglaubliche Diffamierung, wenn man Grundrechte, bürgerliche Freiheiten immer wieder in Frage stellt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Wer stellt das in Frage?)

Ich finde es bemerkenswert, dass Sie das Demonstrationsrecht, das Recht auf freie Meinungsäußerung immer wieder auf eine solch widerwärtige Art und Weise diffamieren, dass es fast schon unerträglich ist. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie immer wieder Gewaltbereitschaft unterstellen und das betonen (Abg. Haigermoser: Ihre Gesinnungsgenossen prügeln auf die Polizisten ein!), dann ist das unglaublich. Ich möchte Ihnen jetzt noch eines dazu sagen: Es gibt auch schwarze Landeshauptleute, die das Recht auf Demonstrationsfreiheit in Anspruch nehmen. Es gibt auch freiheitliche Landeshauptleute, die mit Helikoptern zu Demonstrationen fliegen. Ist das alles der linke, gewaltbereite, rot-grüne Mob in Österreich? – Das ist lächerlich! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber ich möchte Ihnen sagen, das gefährdet einen ganz wichtigen Grundsatz in Österreich, und ich denke, diesen Boden sollte niemand von uns verlassen: nämlich dass wir in Österreich seit


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einigen Jahrzehnten ein Recht auf freie Meinungsäußerung, ein Recht auf Demonstrationsfreiheit haben, und diese Rechte sind unantastbar. Ich bitte Sie, das endlich einmal zu akzeptieren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Nur ein paar Kleinigkeiten, ich möchte jetzt nicht Details ausbreiten. Bei der Göteborg-Nachfolgegeschichte gab es schon Ungereimtheiten, die nach wie vor auf dem Tisch liegen, und dazu hätte ich mir von Ihnen heute eigentlich eine Klarstellung erwartet. Es ist bemerkenswert, dass in all den Reden von Seiten der Regierungsfraktion eines der brennendsten Themen, was die EU-Erweiterung und unser Verhältnis zu den Nachbarstaaten, die um Beitritt bei der Europäischen Union angesucht haben, betrifft, nicht angesprochen worden ist, nämlich unser Verhältnis zur Tschechischen Republik und das Problem Temelin.

Herr Bundeskanzler! Sie haben in Göteborg augenzwinkernd sichtlich zu verstehen gegeben, es wäre kein Problem und es werde das Energiekapitel abgeschlossen werden. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) Sie haben dann im Nachhinein gesagt: Das war ein Missverständnis. Premier Zeman hat es anders ausgedrückt. Also ich frage mich: Was ist diesbezüglich die Linie der österreichischen ÖVP im Ausland? Ist das eine andere als im Inland? (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Nein!) Ist eine Kluft zwischen diesen Aussagen? (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Nein!) Was ist die österreichische Position in dieser Frage?

Wenn ich mir die Regierungslinie anschaue, dann muss ich sagen, bei dieser EU-Erweiterungsfrage im Hinblick auf Temelin ist ein Zickzackkurs im Vergleich dazu eine gerade Linie. Zu nennen ist da die Freiheitliche Partei, die ein Volksbegehren gegen sich selbst in der Regierung initiiert – was nicht mehr nachvollziehbar ist –, die sichtlich vergessen hat, dass sie genauso für Umweltpolitik (Abg. Mag. Schweitzer: Wie viele Milliarden soll man nach Tschechien schicken? Wie viele Milliarden soll man nach Tschechien schicken?), für Außenpolitik, für EU-Politik verantwortlich ist, dass sie in der Regierung sitzt, Verantwortung für die Antiatompolitik trägt, die das völlig vergessen hat und den Eindruck erweckt, sie wäre eine Bürgerinitiative, die das demokratische Mittel eines Volksbegehrens für xenophobische Äußerungen in Richtung Tschechien missbraucht. Mir liegt das sehr am Herzen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Es ist eine wesentliche, missverständliche und missbräuchliche Verwendung eines demokratischen Instrumentes, wenn eine Regierungspartei ein Volksbegehren sozusagen gegen sich selbst initiiert – und all das auf dem Rücken von Umwelt- und Außenpolitik. (Beifall bei den Grünen.)

Ich orte eine völlige Orientierungslosigkeit und ein völliges Chaos, was diese außenpolitisch wichtige Frage betrifft. Es ist heute keine einzige Klarstellung in diesem Zusammenhang gefallen, weder von den Freiheitlichen auf der einen Seite noch von der ÖVP auf der anderen Seite. Also es ist in keiner Weise nachvollziehbar, wie unsere Position gegenüber Tschechien ist, und das ist außen- und umweltpolitisch katastrophal. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Wie viele Milliarden nach Temelin? Wie viele Milliarden sollen wir nach Temelin schicken?)

Liebe Kollegen von den Freiheitlichen! Das ist eine sehr ernste Sache. Sie missbrauchen ein sehr wesentliches, wichtiges Anliegen der österreichischen Bevölkerung. Sie missbrauchen Umweltpolitik für eine ausländerfeindliche, xenophobe Stimmung, und das muss in aller Deutlichkeit auch einmal gesagt werden. Ihnen geht es nicht um Temelin, in keiner Weise! (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Temelin ist Ihnen in dieser Frage ziemlich Wurscht, weil in anderen Zusammenhängen sehr klar zum Ausdruck kommt, worum es Ihnen bei dieser ganzen Frage tatsächlich geht.

Wir haben eine ganz klare Linie: Wir wollen möglichst rasch den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäische Union. Das ist aus vielen Gründen ein historisches Projekt: wirtschaftspolitisch, friedenspolitisch, und es ist auch umweltpolitisch extrem wichtig und notwendig, dass das möglichst rasch über die Bühne geht. Wir wollen aber auch, dass Temelin abgeschaltet wird. Wir wollen einen Ausstieg, und deswegen war auch unser Vorschlag der einzig konsistente: eine Geste, eine vertrauensbildende Maßnahme, ein Ausstiegsangebot, Verhand


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lungen über ein Ausstiegsangebot (Abg. Mag. Schweitzer: 24 Milliarden? 24 Milliarden?) und nicht Drohungen, die in keiner Weise zu irgendetwas führen, außer zu einer Aufschaukelung der Stimmung und zu einer xenophoben Ausnützung eines umweltpolitischen Problems.

Ich möchte, dass Sie einmal eingestehen, was Ihnen tatsächlich wichtig ist. Sie wollen den Beitritt Tschechiens zur Europäische Union verhindern und ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): ... nicht Temelin verhindern. Das ist Ihre wahre Intention! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit erkläre ich – nach 75 Minuten – die Aktuelle Stunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftlich Mitteilung nach § 23 der Geschäftsordnung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2582/J bis 2628/J.

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 18/JPR.

2. Anfragebeantwortungen: 2322/AB bis 2379/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 17/ABPR.

3. Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:

Druckfehlerberichtigung zum Sonderbericht des Rechnungshofes über die Ministerbüros (Zu III-76 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 29 betreffend "Gegen die Schließung der Nebenbahnen im Bezirk Gänserndorf", überreicht vom Abgeordneten Dr. Robert Rada,

Bürgerinitiative Nr. 21 zur Erhaltung des gemeinnützigen Wohnbaus;

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Gesundheitsausschuss:

Bürgerinitiative Nr. 4 betreffend Verbesserung der Diabetiker-Betreuung in Österreich,

Bürgerinitiative Nr. 10 betreffend "die gesetzlichen Grundlagen so zu gestalten, dass naturheilkundliche Methoden von qualifizierten TherapeutInnen angeboten werden können";


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Justizausschuss:

Bürgerinitiative Nr. 20 betreffend "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe";

Verkehrsausschuss:

Petition Nr. 14 betreffend "Erhöhung der Verkehrssicherheit am Beispiel von optisch verzerrten Zebrastreifen", überreicht vom Abgeordneten Emmerich Schwemlein.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (598 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (695 der Beilagen);

Rechnungshofausschuss:

Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Lehrlingsoffensive, Euroteam-Gruppe (III-105 der Beilagen);

Verfassungsausschuss:

Vierundzwanzigster Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2000) (III-98 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Bericht des Bundesministers für Justiz zur Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher 2000 (III-107 der Beilagen);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Bericht des Universitätenkuratoriums im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993 über seine Tätigkeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000, vorgelegt von der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-108 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass Herr Abgeordneter Van der Bellen das Verlangen gestellt hat, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage der grünen Fraktion 2629/J an den Herrn Bundeskanzler betreffend Reformen statt Säuberungen dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen.


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Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, dass Herr Abgeordneter Dr. Cap beantragt hat, nach § 33 der Geschäftsordnung einen Untersuchungsausschuss einzusetzen zur Aufklärung der Vorwürfe betreffend Geldflüsse und Manipulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Vergabe des Lieferauftrages über Radaranlagen an das österreichische Bundesheer in den Jahren 1994 und 1995, zur Aufklärung einer möglichen Einflussnahme des damaligen Wirtschaftsministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel auf die Zuschlagserteilung an das Unternehmen Thomson, zur Aufklärung des Vorwurfes der Annahme von Provisionen durch an Vergabe beteiligte Personen und zur Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt.

Es liegt in diesem Zusammenhang auch das von fünf Abgeordneten gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Da wir für 15 Uhr die Verhandlung der Dringlichen Anfrage vorgesehen haben, werden die Debatte über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und die Abstimmung am Schluss der Sitzung, das heißt, genauer gesagt, nach Erledigung der Tagesordnung, stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 7 und 8, 9 bis 13 sowie 14 und 15 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen. Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall, daher werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nun gehen wir in die Tagesordnung der heutigen Sitzung ein

Ich gebe bekannt, dass in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer der Gesamtdebatte erzielt wurde, und zwar wie folgt: Es ist eine Tagesblockzeit von 10 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 195 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 145 Minuten, Grüne 115 Minuten.

Im Hinblick auf die Direktfernsehübertragung des ORF, die bis 13 Uhr laufen wird, besteht darüber hinaus eine freiwillige Übereinkunft zwischen den Fraktionen, in folgender Weise vorzugehen: Wir beginnen mit einer Rednerrunde, das heißt mit je einer Wortmeldung pro Fraktion, von maximal je 15 Minuten, an die sich, falls gewünscht, die Wortmeldung eines Regierungsmitgliedes mit ebenfalls maximal 15 Minuten anschließt.

Dann folgt eine weitere Rednerrunde mit je einer Wortmeldung pro Fraktion von 10 Minuten und, falls gewünscht, eine weitere Wortmeldung von der Regierungsbank mit maximal 15 Minuten.

Danach folgt eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten und, falls gewünscht, eine Wortmeldung von der Regierungsbank mit 5 Minuten. Die weitere Debatte würde dann nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung ablaufen.

Über die Festlegung der Redezeiten hat das Hohe Haus zu befinden. Ich frage daher, ob es gegen diesen Vorschlag eine Einwendung gibt? – Dies ist nicht der Fall. Damit ist das einstimmig so beschlossen und wird auch so angewendet werden.

1. Punkt

Bericht des Familienausschusses über das Familien-Volksbegehren (1/716 der Beilagen)


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2. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (620 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden, sowie

über den Antrag 33/A (E) der Abgeordneten Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend Karenzgeld für alle – Ausweitung des Karenzgeldanspruches auf alle Mütter (Väter) sowie Umwandlung des Karenzgeldes zu einer Familienleistung (715 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Entschließungsantrag 135/A (E) der Abgeordneten Gabriele Binder und Genossen betreffend SPÖ-Forderungen zum Familien-Volksbegehren (717 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Entschließungsantrag 172/A (E) der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Kinderbetreuung (718 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Debatte über die Punkte 1 bis 4 der heutigen Tagesordnung wird unter einem durchgeführt.

Gibt es von Seiten der Berichterstatter einen Wunsch nach mündlicher Berichterstattung? – Das ist bei keiner der Vorlagen der Fall.

Daher gehen wir sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.22

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist dringend an der Zeit, dass wir im Hohen Haus eine Debatte über die Situation der österreichischen Familien durchführen, denn nach 16 Monaten der Politik dieser Bundesregierung hat sich die Situation der österreichischen Familien ganz massiv verschlechtert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Von welchem Land sprechen Sie? Von welchem Land sprechen Sie?)

Die Bilanz der Bundesregierung – Herr Kollege Westenthaler, Sie können es überall nachlesen – mit der Belastungslawine gegen die Familien ist endlos. Wenn wir darüber sprechen, wie sich die Einkommen der Familien entwickelt haben, dann müssen wir feststellen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Zwei Edlinger-Belastungspakete! Zwei Edlinger-Belastungspakete! – Abg. Edlinger: Die gab es nicht!) – das können Sie nachlesen; Frau Abgeordnete, Sie sind des Lesens, so hoffe ich, mächtig –, dass Österreich hinsichtlich der Einkommensentwicklung in der Europäischen Union inzwischen das absolute Schlusslicht darstellt. Das trifft die Familien am allermeisten, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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In den vergangenen eineinhalb Jahren wurden die Mieten erhöht, wurden die Energiepreise massiv erhöht, die Bundesregierung hat Selbstbehalte eingeführt. Es wurden die Ambulanzgebühren und die Studiengebühren eingeführt – alles massive Belastungen in Milliardenhöhe für die österreichischen Familien. So schaut es aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich die letzten Daten, was die Teuerungsentwicklung in Österreich betrifft, ansieht, stellt man fest: Das Leben für die österreichischen Familien ist enorm teuer geworden. Herr Kollege Westenthaler! Ist es Ihnen egal, dass die Preise für Nahrungsmittel für die österreichischen Familien in den letzten Monaten massiv gestiegen sind? Ist es Ihnen völlig egal, dass die Heizkosten diesen Winter höher waren als jemals zuvor? (Abg. Ing. Westenthaler: Die Stromkosten sinken!) Ist es Ihnen völlig egal, dass die Gesundheitsausgaben der österreichischen Familien höher sind als jemals zuvor? – Uns Sozialdemokraten ist es nicht egal, denn uns geht es um das Schicksal der Familien und nicht um Ihre Machtpolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn heute eine familienpolitische Maßnahme beschlossen werden soll, muss man sich die Frage stellen: Was haben die österreichischen Familien bereits an Vorleistungen erbracht? – Wenn heute eine Maßnahme beschlossen wird, bei der in der ersten Phase 10 Milliarden Schilling und in der Schlussphase bis zu 17 Milliarden Schilling zusätzlich ausgegeben werden, dann muss man sagen: Das ist nur ein Teil dessen, was die österreichischen Familien bereits in den letzten Monaten an den Finanzminister und an diese Bundesregierung durch Ihre Belastungspolitik einzahlen mussten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich daher die Frage, ob denn alle Familien, die in den letzten 16 Monaten so massiv belastet wurden, durch diese familienpolitische Maßnahme auch etwas bekommen.

Wenn man sich die Details Ihres Vorschlages ansieht, dann wird man feststellen, dass es eine Teilgruppe, nämlich die künftigen österreichischen Familien sein werden. Sie werden sich darüber freuen, zumindest ein Teil davon, dass sie mehr Geld bekommen, aber die große Mehrheit der österreichischen Familien – jene Familien, die heute schon Kinder haben – wird durch Ihre Maßnahmen nichts dazubekommen. Daher wird sich an der materiellen Situation der heute bereits lebenden 1,8 Millionen Kinder nichts ändern, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ungerecht, denn wenn man schon Geld in die Hand nimmt, soll man denen helfen, die Sie in den letzten 16 Monaten ganz massiv belastet haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie führen das Kinderbetreuungsgeld ein und schaffen das Karenzgeld ab. Das macht für viele einen Unterschied. (Abg. Haller: Wir ersetzen es durch etwas Besseres! – Abg. Ing. Westenthaler: Das bekommen jetzt mehr! Das stimmt!) In diesem Modell – ich würde um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten! – sind einige Fallen enthalten, die man der österreichischen Öffentlichkeit nicht vorenthalten sollte.

Durch das Wegfallen der Familienzuschläge bedeutet das in Zukunft, dass fast die Hälfte aller bisherigen Karenzgeldbezieherinnen durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes und die Abschaffung des Karenzgeldes weniger Geld bekommen werden als bisher, meine Damen und Herren!

Der zweite Punkt, der gerade für berufstätige Frauen von ganz entscheidender Bedeutung ist, ist doch der, dass einerseits in Aussicht gestellt ist, dass eine Frau oder ein Mann dieses Kinderbetreuungsgeld 30 Monate in Anspruch nehmen kann, aber es den Kündigungsschutz nur für 24 Monate gibt. Das heißt: Entweder muss der Mann oder die Frau nach 24 Monaten zurück in den Beruf, und damit ist die Dauer nicht mehr drei Jahre, sondern zwei Jahre, oder der oder die Betroffene riskieren, dass der Kündigungsschutz wegfällt, dass man nach diesen drei Jahren nicht mehr die Möglichkeit zur Rückkehr hat. Das ist keine gute Maßnahme für die berufstätigen Frauen in unserem Land, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie haben sich auch überhaupt nicht die Frage gestellt, welche Art von Unterstützung Frauen oder Männer brauchen, die dieses Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehmen, wenn sie dann


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wieder in den Beruf zurückkehren wollen. Bei der Schnelllebigkeit unserer Zeit geht es aber darum, dass Qualifikationen erhalten und erneuert werden müssen und daher Hilfen für den Wiedereinstieg in den Beruf dringend notwendig sind. Wenn man sich die heutige Arbeitsmarktsituation ansieht, merkt man, dass das ein ganz sensibler Bereich ist, denn von den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird jedes Jahr mehr verlangt – mehr an Leistung, mehr an Qualifikation.

Das heißt aber, dass alle, die wieder in den Beruf zurückkommen wollen, Wiedereinstiegshilfen brauchen. Genau diese Wiedereinstiegshilfen finden sich jedoch in Ihrer Gesetzesvorlage nicht. Daher ist das eine arbeitsmarktpolitische Falle, meine Damen und Herren! Sie sollten an die Frauen denken und nicht an Ihre Ideologie! (Beifall bei der SPÖ.)

Durch die neuen Regelungen, die Sie nun mit dem Kindergeld vorsehen, wird die eigentlich sehr gute Teilzeitkarenz, die auch in Anspruch genommen wurde (Abg. Zierler: Von wie viel Prozent?), de facto unmöglich gemacht. Und für allein erziehende Frauen bringt das Kinderbetreuungsgeld anstelle des Karenzgeldes nur noch zusätzliche Hürden.

Meine Damen und Herren! Sie haben sich von einer Ideologie leiten lassen und sind nun letztendlich in einer Auseinandersetzung innerhalb der Regierung gefangen, wer die Patenschaft über dieses Kinderbetreuungsgeld übernehmen darf. Die Lösung, die Sie uns vorschlagen, ist eine schlechte Lösung für die österreichischen Frauen und für die österreichischen Familien. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit Recht können Sie die Frage stellen: Was wäre besser? – Wir haben Ihnen diesbezüglich Vorschläge gemacht (Abg. Haller: Ein bisschen spät!): Wir sind der Meinung, dass die Vereinbarkeit von Familie beziehungsweise Kind und Beruf am allerwichtigsten ist! Und wenn das möglich sein soll, dann braucht man in Österreich die geeignete Anzahl von Kinderbetreuungsplätzen. Derzeit gibt es in Österreich 270 000, wir brauchen aber 370 000. (Abg. Böhacker: Was haben Sie 30 Jahre lang gemacht? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn man fünf Jahre lang eine Milliarde Schilling in den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen investiert, ist in fünf Jahren der Lückenschluss möglich. (Abg. Dr. Ofner: Na hättet ihr es gemacht!)

Meine Damen und Herren! Fünf Jahre lang 1 Milliarde Schilling – und wir haben kein Problem mehr mit der Kinderbetreuung. Ist Ihnen das die Betreuung der Kinder nicht wert? (Beifall bei der SPÖ.)

Für diejenigen, die auf Grund des Lärms den durchaus guten Zwischenruf des Herrn Abgeordneten Ofner nicht gehört haben, möchte ich ihn wiederholen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Mag. Kukacka und Böhacker. ) Er hat gesagt: Wieso habt ihr denn das nicht gemacht? – Die Wahrheit ist, dass die vorherige Regierung eine Kindergartenmilliarde eingeführt hat, und die schwarz-blaue Regierung diese Kindergartenmilliarde wieder abgeschafft hat! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum zweiten Vorschlag. Angesichts dessen, dass jene 1,8 Millionen Kinder, die in österreichischen Familien leben, durch die Belastungspolitik dieser Regierung, von der Erhöhung der Mieten über die höheren Energiepreise, die allgemeine Preissteigerung, die Ambulanzgebühren bis zu den Studiengebühren, in der gesamten Breite getroffen wurden, wäre es doch am allerfairsten, nun, da 10 Milliarden Schilling bereitgestellt werden, all diesen Familien, die durch die österreichische Bundesregierung derartig belastet wurden, zu helfen. Unser Vorschlag lautet daher, die Familienbeihilfe pro Jahr und pro Kind um 5 000 S zu erhöhen. Das wäre eine wirkliche Hilfe für alle österreichischen Familien! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben sich zu entscheiden, ob Sie Ihren ideologischen Irrwegen folgen wollen oder ob Sie den Familien in Österreich helfen wollen! In den letzten 16 Monaten haben Sie den Familien jedenfalls nicht geholfen, Sie haben die Familien vielmehr belastet. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Mit dem heutigen Tag haben Sie die Chance zur Umkehr.


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Aber offensichtlich sind Sie an einer Debatte darüber nicht wirklich interessiert, denn bereits seit Monaten haben ÖVP und FPÖ Plakatflächen reserviert, auf denen sie nun einen kindischen Plakatwettbewerb darüber führen, wer denn die Patenschaft über das Kindergeld hat: die FPÖ oder die ÖVP. Überall sieht man jetzt diese beiden Plakate nebeneinander. Sie haben aber weder mit den Wahlversprechen der FPÖ aus dem Nationalratswahlkampf noch mit einer Verbesserung der Situation der österreichischen Familien etwas zu tun.

Meine Damen und Herren! Plakatieren Sie nicht, machen Sie gute Politik für die Familien! (Beifall bei der SPÖ.)

Was dadurch jedoch zum Ausdruck kommt, ist, dass man an einer Debatte darüber nicht interessiert ist. Bereits Wochen, bevor der Nationalrat das Gesetz beschließt, bevor eine Erörterung im Familienausschuss und hier im Plenum stattfinden, werden die vermeintlichen Ergebnisse plakatiert. – Herr Abgeordneter Khol, Sie sagen doch ständig, die Opposition wolle mit Ihnen nicht diskutieren, es werde nur Fundamentalopposition betrieben. Die Wahrheit aber ist: Die Regierung will gar nicht diskutieren, sie plakatiert die Ergebnisse bereits, bevor das Hohe Haus die Chance hatte, darüber zu entscheiden. Das ist Ihr Demokratieverständnis, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

In der Tat stellt sich die Frage: Wie wird es für jene 1,8 Millionen Kinder, die heute schon in Österreich leben, nach dieser Beschlussfassung weitergehen? Es gibt nicht mehr Geld, und die Belastungspolitik der Regierung wird fortgesetzt. Wie wird es für jene Frauen weitergehen, die Beruf und Familie verbinden wollen (Ruf bei den Freiheitlichen: Besser!), aber weiterhin nicht jene Kinderbetreuungseinrichtungen vorfinden werden, die sie dringend brauchen?

Herr Bundeskanzler! Wie schaut es denn mit der Erfüllung Ihrer Zielsetzung, dass Sie die Frauenerwerbsquote in Österreich massiv steigern wollen, damit unter anderem auch das Pensionssystem gesichert ist, aus? – Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss, der von der Ausgabenseite her einer der teuersten ist, bewirken Sie weder bessere Chancen für die Frauen im Beruf noch eine bessere Situation für die Familien noch Gerechtigkeit für all jene, die belastet wurden. (Abg. Dr. Ofner: ... letzten 30 Jahre!)

Meine Damen und Herren! Heute ist Ihre letzte Chance umzukehren. Stimmen Sie unserem Antrag zu, Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen! Stimmen Sie unserem Antrag betreffend 5 000 S mehr Familienbeihilfe pro Jahr und Kind zu! Das würde wirklich helfen! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

10.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. (Ruf: Oje! Der Anschütter!) Gleiche Redezeit, nämlich 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.37

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Ministerkollegen! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! (Abg. Schieder: "Ministerkollegen"!?) Es ist schon interessant, Herr Abgeordneter Gusenbauer: Versuchen wir es einmal mit der Wahrheit! Da Sie die vergangenen Jahre nachrechnen und Jahresrechnungen durchführen, Herr Kollege Gusenbauer: Unbestritten ist, dass, wenn wir nicht jahrzehntelang Ihre Schuldenpolitik Ihrer Finanzminister gehabt hätten (Abg. Edlinger: Na endlich ...!), jeder Österreicher und jede Österreicherin im Monat 7 000 S mehr im Geldbörsel haben könnten. Das ist die Wahrheit, das ist Ihre Politik der letzten Jahre gewesen, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Angesichts dessen stellen Sie sich hier her und beschweren sich über Plakate der Regierungsparteien! (Abg. Dr. Gusenbauer: Überhaupt nicht!) Aber ich verstehe gut, dass er sich darüber beschwert, denn wer nichts zu plakatieren hat, der kann auch nichts plakatieren, wie das bei der SPÖ der Fall ist! Man kann nicht keine Konzepte plakatieren, das verstehe ich schon. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Auch dass Ihnen leere Plakatflächen zu teuer sind, verstehe ich. Wo aber Ihre Unglaubwürdigkeit und Ihre Argumentation hinführen, konnte man heute schon sehen – das ist hochinteressant! Es kam ganz aktuell eine Meldung über die Austria Presse Agentur, die man auf der Zunge zergehen lassen muss. Die SPÖ hat heute einen Protest gegen das Kindergeld angekündigt, einen mächtigen Protest vor dem Parlament. Die entsprechende APA-Meldung ist genau zwei Absätzlein lang und lautet folgendermaßen – hören Sie gut zu! –:

"Kindergeld: Mini-Protest der SPÖ vor Parlamentsbeschluss" – Untertitel: "Nach drei Minuten rollten die Mühlsteine davon". – Jetzt der Text: "Kein spektakulärer Kontrapunkt zum heutigen Parlamentsbeschluss des Kindergelds ist der SPÖ am frühen Morgen geglückt. Für 8.30 Uhr hatte man sich am Mittwoch vor dem Parlament zur Protestkundgebung ,Aktion Mühlstein‘" – wie sich das nennt – "versammelt." (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Jetzt geht es los: "Exakt drei Minuten später" – das muss dann also exakt um 8.33 Uhr gewesen sein – "wurden mangels Publikums- und Medieninteresse die ,Mühlsteine‘ bei Nieselregen wieder weggerollt und abtransportiert." (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gratuliere, das ist schiefgegangen, meine Damen und Herren von der SPÖ, ordentlich in die Hose gegangen, das muss man Ihnen einmal sagen! (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das sind die Aktionen der SPÖ, die auf Grund Ihrer Unglaubwürdigkeit niemand mehr ernst nimmt. Kollege Cap, der heute erstmals als geschäftsführender Klubobmann hier sitzt, hat damit einen blendenden Fehlstart hingelegt – nicht nur diese Aktion ist fehlgeschlagen, sondern auch seine erste, seine allererste Meldung zur Geschäftsordnung musste der Präsident korrigieren, weil sie überhaupt keine Meldung zur Geschäftsordnung war! – Herr Kollege Cap, ich sage Ihnen: Sie knüpfen nahtlos an die Politik Ihres Vorgängers an, unter dem Titel: Pleiten, Pech und Pannen hier in diesem Haus. Das haben wir heute gesehen.

Ich sage Ihnen noch etwas: Das ist heute geradezu der Beginn einer – unter Gänsefüßchen – "Erfolgsstory" des Kollegen Cap: falsche Geschäftsordnungsmeldung, "Aktion Mühlstein" – SPÖ zwischen und unter die Mühlsteine gekommen! (Abg. Grabner: ORF, Westenthaler-Klage!)

Herr Kollege Cap, Sie müssen sich überhaupt nicht bemühen, sozusagen die Rekordzeit Ihrer Pleiten-, Pech- und Pannenpolitik ins "Guinness-Buch der Rekorde" zu bringen, diese Seite ist heute für Sie im "Guinness-Buch der Rekorde" bereits von den Redakteuren aufgeschlagen worden, unter dem Titel "Pleiten, Pech und Pannen". Das haben Sie Ihrer Fraktion zu verdanken! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Aber jetzt zur wohl wesentlichsten Entscheidung von heute, nämlich zum Kindergeld. In Amerika wird der 4. Juli als Independence Day, als Unabhängigkeitstag, gefeiert. Es ist sehr schön, dass wir heute hier in diesem Haus ein Stückchen mehr Unabhängigkeit und Wahlfreiheit für Österreichs Frauen und Familien schaffen. (Abg. Schieder: Bescheiden ist das!) Wir stehen damit am Ende einer langen Reise nach jahre- und jahrzehntelanger Diskussion um die Familienpolitik. Jetzt hat es diese Regierung – die Wenderegierung, die Sie nur immer schwarz sehen, die Sie nur immer schlecht machen – endlich geschafft! (Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann. ) Jawohl, 6 000 S für die Familien pro Kind pro Monat drei Jahre lang, und das für alle  – für alle, was Sie nicht so geregelt haben wollten –, also auch für Hausfrauen, auch für Studentinnen, auch für selbständig Erwerbstätige, auch für geringfügig Beschäftigte, auch für Bäuerinnen.

Meine Damen und Herren! Die Familien in Österreich bekommen auf Grund dieser Regierung wesentlich mehr und wesentlich länger Kindergeld als unter jeder SPÖ-Regierung zuvor – das ist ein großer Erfolg, den wir heute hier feiern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist dies ein großer Wurf und auch ein Beweis für die Familienfreundlichkeit dieser Regierung: Österreich ist mit dieser Regierung von ÖVP und FPÖ das Vorzeigeland in der Familienpolitik geworden!


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Noch etwas leistet dieses Kindergeld – und das ist ebenfalls wesentlich, weil es einer der schlimmsten Teile des Erbes ist, das wir von der SPÖ übernommen haben –, nämlich in Bezug auf die Armut in diesem Land: Die SPÖ hat uns eine Million Menschen, die in Österreich an der Armutsgrenze leben müssen, hinterlassen, darunter sehr, sehr viele junge Familien. Dieses Kindergeld ist eine Kampfansage an die Armut in Österreich und wird aktiv zur Armutsbekämpfung beitragen, weil sich die Familien in Hinkunft ihre Kinder leisten werden können, im Gegensatz zur Zeit Ihrer Regierungstätigkeit, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt, knapp vor Ladenschluss, ein paar Tage vor dem Nationalratsbeschluss, kommen Herr Gusenbauer und Herr Cap mit einem angeblich so neuen Vorschlag, nämlich: weg mit dem Kindergeld, stattdessen eine Familienbeihilfe, die wieder nicht alle bekommen, sondern wieder nur Ausgewählte – das kennen wir schon, Ihr Modell! Aber wenn man knapp vor Ladenschluss in den Laden hineingeht, ist es eben so: Es befinden sich nur mehr Ladenhüter dort!

Die SPÖ hat diese Ladenhüter-Politik in den letzten Wochen sehr stark und prononciert betrieben. Sie sagte immer nur: Weg mit dem Kindergeld! Kein Nulldefizit, dafür mehr Schulden! Sie sagt – das ist auch ein solch nebuloses Modell –: 8 500 S für jeden – also auch für jene, die nicht arbeiten. Ich bin schon gespannt, wie Sie das Ihren Arbeitnehmern erklären wollen, die überhaupt nicht verstehen, dass Sie jedem 8 000 S, von welchem Geld auch immer, zur Verfügung stellen wollen! Das ist unverständlich!

Sie wollen eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge – Herr Edlinger fordert das immer! Sie wollen, wie Herr Einem in seinem Buch geschrieben hat, das Weihnachts- und Urlaubsgeld, das 13. und 14. Gehalt besteuern. – Das ist nicht unser Weg! Ich kann nur sagen: Wir können froh sein – und es ist gut für dieses Land –, dass die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zurück in die Vergangenheit – Sie haben es ja heute mehrmals gesagt: Kehren Sie um!, haben Sie hier flehentlich in den Saal gerufen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Nein!)  – Wir kehren nicht um, denn das wäre genau der Weg zurück in die Vergangenheit, zu Ihrer Politik, zu Ihrer Politik auch der Belastung. Man kann nicht oft genug sagen, wie Sie im Jahr 1996 und 1997 die Familien geschröpft haben – Sie, mit Ihrem Finanzminister!

Ich werde Ihnen das noch einmal vorlesen, denn Sie merken es sich nicht: Sie haben die Lohn- und Einkommensteuer erhöht, die Tabaksteuer erhöht, die Umsatzsteuer erhöht, die Versicherungssteuer erhöht, Sie haben die Rezeptgebühr dreimal angehoben, die Normverbrauchsabgabe, Sie haben eine Energieabgabe auf Strom und Gas eingeführt, und Sie – Ihr sozialistischer Finanzminister – haben natürlich Familienleistungen extrem gekürzt! Sie haben Dauer und Höhe des Karenzgeldes gekürzt, das Pflegegeld, das Bausparen, den allgemeinen Absetzbetrag, die Absetzbarkeit von Sonderausgaben, die Steuerfreiheit für Überstunden, und auch beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben Sie zum Nachteil der Österreicherinnen und Österreicher "herumgedoktert".

Noch etwas: Selbstbehalte, Herr Kollege Gusenbauer, können Sie uns nicht vorwerfen, denn Ihre Regierung war es, Ihre SPÖ, die in den vergangenen Jahren 2 Millionen Österreichern Selbstbehalte oktroyiert hat. Das war Ihr Fehler und nicht der der jetzigen Regierung, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben die Geburtenbeihilfe gestrichen, Sie haben die Studentenfreifahrten gestrichen, und Sie waren es, die die Autobahn-Vignette eingeführt haben, meine Damen und Herren von der SPÖ. Das ist Ihre Belastungspolitik: insgesamt ein Paket von 100 Milliarden Schilling für die Österreicher! Die sozialistischen Finanzminister haben den Familien in einem Jahr im Schnitt 5 000 S pro Monat weggenommen. Das ist Ihre Bilanz, und daher besitzen Sie keine Glaubwürdigkeit!

Es wird nicht dadurch besser, dass Sie heute ständig dieses Kindergeld kritisieren und sagen: Weg damit, wir wollen das nicht! – Sie haben Ihre Chance gehabt, Sie haben sie nicht wahrgenommen. Sie werden – das ist zu beobachten – jetzt immer stärker zu einer so genannten Nein-


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Sager-Partei: Sie sagen zu allem, zu jedem Vorschlag nein – das wird ja auch von den Medien schon kritisiert. Sie sagen zu allem nein: Nein zum Kindergeld! Nein zum Nulldefizit! Nein zur ORF-Reform! Nein zur Sozialversicherungsreform! Nein zur Abfertigung-neu! Nein zum Integrationsvertrag! Nein zur Behindertenmilliarde! Und – zum Schluss – nein zum Schulgesetz (der Redner hält eine Ausgabe des "Kurier" in die Höhe), wo Ihnen dann der "Kurier" ausrichtet: Nicht genügend, SPÖ! Setzen! (Abg. Parnigoni: Zu so einem Schwachsinn kann man ja nur nein sagen!)

Das ist Ihre Bilanz: Zu allem nur nein sagen – und das wird eben nicht gehen. Sie sind als konstruktive Partei bereits längst abgetreten – Sie wissen es nur noch nicht –, Sie haben sich von politischen Inhalten verabschiedet, stattdessen wollen Sie nur blockieren, demonstrieren und Teile von Ihnen, wie Ihre Jugend-Organisationen, auch randalieren, wie man in Salzburg gesehen hat. Doch dann schreien Sie: SOS – "save our souls", hat Herr Cap in der "Pressestunde" gerufen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das passt! Schützen Sie Ihre Seelen und werden Sie konstruktiv!

Ich appelliere an Sie: Kehren Sie doch endlich zurück, nehmen Sie teil an einer gestaltenden Politik, und betreiben Sie nicht ständig nur Destruktion, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben in diesem Land einmal den Führungsanspruch gestellt, und Sie wollen ihn ja auch wieder stellen, nur: Sie waren noch nie so weit weg von diesem Führungsanspruch wie jetzt mit dieser destruktiven Politik. (Zwischenruf des Abg. Dr. Einem. )

Es ist daher schon auch interessant, dass Sie die positiven Auswirkungen dieses Kindergeldes – nicht nur, dass wir es auf 6 000 S erhöht haben, nicht nur, dass wir es auf bis zu drei Jahre verlängert haben, sondern auch alle anderen Punkte – gar nicht sehen wollen, etwa die Erhöhung der Familienbeihilfe, die wir selbstverständlich auch durchführen, und zwar um 1 200 S im Jahr. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) All das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen!

Oder: Wir haben die Zuverdienstgrenze auf 200 000 S pro Jahr angehoben, während in Ihrer Regierungszeit die Frauen nur 4 076 S im Monat dazuverdienen durften. – Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir damit für Österreichs Frauen echte Wahlfreiheit zwischen Beruf und Kindererziehung schaffen! Das ist, glaube ich, ein wesentlicher Punkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Oder: Sie wollen nicht wahrhaben, dass wir mit diesem Kindergeld ab sofort 18 Monate echte Beitragszeiten – das heißt pensionsbegründende Beitragszeiten – schaffen. Auch wollen Sie nicht wahrhaben, dass wir eine pensionsrechtliche Besserstellung für Österreichs Mütter schaffen und auch Verbesserungen für Alleinerzieherinnen, die ja 30 Monate in den Genuss dieses Kindergeldes kommen werden. Das ist eine wesentliche Verbesserung auch für jene, die es besonders schwer haben, nämlich für Alleinerzieherinnen. All das ist sehr gut, das ist ein wirklicher Fortschritt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Kind soll nicht mehr ausschließlich als Kostenfaktor gesehen werden, wie das während Ihrer Regierungszeit der Fall war, als man oft und immer wieder, wenn man mit Menschen gesprochen hat, bei unterschiedlichsten Veranstaltungen vor allem von jungen Müttern gehört hat: Ich kann mir heute Kinder nicht leisten, es ist nicht möglich, weil ich die finanziellen Mittel dafür nicht habe! (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )  – Das ist mit diesem Kindergeld vorbei! Es ist dies sozusagen das Plädoyer für Familie mit Kind, für Wahlfreiheit in einer Gesellschaft mit finanzieller Absicherung.

Dass Sie von der SPÖ keine Visionen in der Familienpolitik haben, wissen wir ja auch auf Grund Ihrer Aussagen. Wo ist denn Ihre Vision, Frau Kollegin Prammer, wenn Sie Mütter in einer öffentlichen Veranstaltung als Frauen, die irgendwann einmal "geworfen" haben, bezeichnen? Wo ist denn da Ihre Vision? (Abg. Mag. Prammer: Mein Gott! Mein Gott!)


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Oder: Wo ist Ihre Vision angesichts dessen, dass die sozialistische Landesrätin von Kärnten, Schaunig-Kandut, am 7. März sagte, dass das Kindergeld nichts anderes als ein Schmerzensgeld für erlittene Dauerschäden für die Familien sei? Ist das Ihre familienpolitische Vision? Oder ist Ihre familienpolitische Vision etwa Ihr Vorschlag betreffend Karenzgeld PLUS? Ich habe mir das auch angeschaut, das ist ja hochinteressant: Darin schreibt die SPÖ nämlich, dass es Karenzgeld nur für ausreichend Erwerbstätige und noch dazu einkommensabhängig geben soll. Das heißt, je mehr man vorher verdient hat, desto mehr Karenzgeld bekommt man, das heißt, je reicher eine Familie ist, desto mehr Unterstützung soll sie bekommen. (Abg. Dr. Pumberger: Wer? Die SPÖ?) Das heißt, die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. – Nein danke, dieses Modell brauchen wir nicht! Dieses sozialistische Modell sollte der Vergangenheit angehören! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herrn Kollegen Edlinger, der fluchtartig den Saal verlassen hat, weil er natürlich Probleme mit seiner politischen Vergangenheit als gescheiterter Finanzminister hat, frage ich: Ist das die familienpolitische Vision, dass Sie jahrelang – jahrelang! – die Mittel für das Kindergeld letztlich aus den Fonds herausgenommen haben, diese für die Budgetsanierung und für andere Zwecke, aber nicht für die österreichischen Familien und die österreichischen Kinder verwendet haben? – Ich glaube, das ist keine Vision, und daher ist dieses Kindergeld auch so wichtig.

Es hat zwei Parteien in diesem Haus gegeben, die seit Jahren – ich sage: seit Jahrzehnten – eine familienpolitische Vision der Erneuerung verfolgt haben: die ÖVP unter dem Motto "Karenzgeld für alle", die FPÖ unter dem Titel "Kinderscheck". Für beide staatstragenden Parteien (ironische Heiterkeit der Abgeordneten Bures und Dr. Einem ) wird mit dem heutigen Beschluss ihr Kernanliegen Realität!

Ich möchte an dieser Stelle selbstverständlich auch danke sagen – an die Familienpolitikerin Edith Haller, an die Familienpolitikerin Ridi Steibl, an Generalsekretärin Zierler und an Generalsekretärin Rauch-Kallat, die sich jahrelang dafür eingesetzt haben. Wir haben es geschafft! Das, was jahrelang mit dieser SPÖ nicht gegangen ist, haben wir umgesetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Parnigoni: ... nichts zusammengebracht!)

Ich bin sehr, sehr dankbar dafür – auch als Familienvater und selbstverständlich auch als Familienpolitiker. Jeder weiß, dass dieses Kindergeldmodell Beispiel für ganz Europa ist. Länder in ganz Europa schauen nach Österreich und wollen dieses Modell übernehmen. Letztlich weiß mit dem heutigen Beschluss und mit der Politik dieser Bundesregierung, dieser Wenderegierung jeder, dass es mit dieser Regierung den Familien in Österreich gut geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die Uhr ist ebenfalls auf 15 Minuten gestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.52

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es mag bezeichnend sein, dass heute ausschließlich männliche Regierungsmitglieder auf der Regierungsbank Platz genommen haben (Abg. Haller: Das ist doch schön!) und bisher ausschließlich Männer zu diesem Gesetz gesprochen haben – die Herren Experten in Sachen Kinderbetreuung! (Abg. Ing. Westenthaler: Was haben Sie gegen Männer?) –, und deswegen schicke ich meinen inhaltlichen Ausführungen eine Vorbemerkung zur Sprache des Gesetzes voraus – gerade mein Vorredner hat immer von den Müttern, den Frauen und den Alleinerzieherinnen gesprochen – und stelle fest:

Wenn ich mir das Gesetz anschaue, dann finde ich die weiblichen Bezeichnungen in diesem Gesetz nicht (Abg. Mag. Mainoni: Ihre Sorgen möchte ich haben!), und das, obwohl der Herr Sozialminister einen eigenen Erlass, einen Vortrag der Bundesregierung über den geschlechtergerechten Sprachgebrauch erwirkt hat! (Abg. Kiss: Das sind die Sorgen der Mütter? – Abg. Dr. Partik-Pablé: ... 6 000 S!) Man sollte gerade in einem Gesetz, das für Eltern, für Mütter und für Väter, glaube ich, wichtig ist ... Ich weiß nicht, warum Sie so gegen die Väter auftreten, Frau


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Abgeordnete Partik-Pablé! Wir sind für die partnerschaftliche Betreuung von Kindern in den Familien! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe gesagt: Wichtig sind die 6 000 S!)

Ich denke, Frauen und Männer in Österreich haben ein Recht, von der Gesetzgebung beachtet zu werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wichtig sind die 6 000 S!) Daher stelle ich, ganz im Sinne des Ministerratsvortrags von Herrn Bundesminister Haupt, folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petrovic, Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend geschlechtergerechten Sprachgebrauch

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat in Hinkunft alle Gesetzesvorlagen ausschließlich in geschlechtergerechter Formulierung vorzulegen und ab sofort von der Praxis eines eigenen Paragraphen zur "Sprachlichen Gleichbehandlung" Abstand zu nehmen.

*****

Es wird interessant sein (Abg. Neudeck: Das machen wir wieder im Sozialausschuss durch!), ob Sie sich wenigstens der Vorstellung der sprachlichen Gleichstellung (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben Sorgen!), die nichts kosten würde, annähern können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihre Sorgen sind sicher nicht die der Familien!)

Es ist traurig, dass vor allem die Frauen in Österreich die Zwischenrufe von den FPÖ-Bänken nicht hören können, denn es ist bezeichnend, wie despektierlich, wie herabwürdigend Sie über Frauen sprechen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), die ein Recht haben, von der Gesetzgebung auch wahrgenommen zu werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass Sie sich nicht um die Frauen sorgen, haben die Österreicherinnen schon bemerkt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihre Sorgen möchte ich haben!) Aber auch das, was bisher inhaltlich zum Gesetz gesagt wurde, stimmt leider nicht mit der Wahrheit und den Tatsachen überein.

Ich habe vor allem an die Mitglieder der Bundesregierung eine Frage, ein Rechenbeispiel, das ich gerne Ihnen allen zeigen möchte. (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Überschrift: "FPÖ-ÖVP Kinderbetreuungsgeld nicht für alle!" und zwei Familien-Beispiele auf das Rednerpult.) Ihre Aussagen von Plakaten hier im Plenum ... (Abg. Böhacker: Ein Taferl hat die Frau Petrovic!)  – Ja, ich habe ein Taferl, das Sie einlädt, mit mir gemeinsam eine Rechnung anzustellen. Es ist eine einfache und traurige Rechnung, die beweist, dass das Karenzgeld – oder jetzt: Kinderbetreuungsgeld – nicht für alle zur Verfügung stehen wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Es kann nur niemand lesen!) Ich hätte gern eine Erklärung dafür, warum das so ist!

Es ist dies an einem sehr einfachen Beispiel dargestellt. (Abg. Wenitsch: Wie fülle ich die Redezeit!?) Wenn angeblich alle Parteien in diesem Hause wollen, dass sich Väter und Mütter – das haben Sie ja gerade in Ihren Zwischenrufen getan (Abg. Ing. Westenthaler: Wie komme ich über die Redezeit!?)  – um die Betreuung der Kinder kümmern, dass Väter und Mütter diese Aufgaben partnerschaftlich wahrnehmen sollen, wenn es möglich ist, dann frage ich wirklich, warum Sie gerade einen derartigen Fall bestrafen. Karenzgeld, Kinderbetreuungsgeld wird es in Zukunft nicht für alle geben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bringen Sie uns das Taferl! – Abg. Ing. Westenthaler: Es ist zu klein geschrieben!) Ihre Ankündigungen sind die glatte Unwahrheit! (Abg. Dr. Khol erhebt sich von seinem Sitz und liest die Tafel.)

Herr Abgeordneter Khol! Für den Fall, dass Sie es nicht lesen können: Zwei Personen, eine Frau und ein Mann, die beide vor der Geburt eines Kindes ein Monatseinkommen von 35 000 S haben, mittlere Angestellte beispielsweise (Abg. Böhacker: Wo sind die mittleren Angestellten


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mit 35 000 S?), entscheiden sich dafür, das Kind partnerschaftlich, gemeinsam zu betreuen. (Abg. Böhacker: Sie sind so weit von der Realität entfernt!) Wenn diese beiden Leute das tun, was angeblich den Intentionen aller in diesem Hause entspricht – ich weiß nicht, warum Sie die partnerschaftliche Betreuung so aufregt –, nämlich ihre Arbeitszeit und das Gehalt um 50 Prozent reduzieren, das heißt dann unter 20 000 S brutto verdienen, ja was bekommen sie dann an Kinderbetreuungsgeld? Vielleicht sagt uns das der Herr Bundesminister? – Gar nichts! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Weil beide über der Zuverdienstgrenze liegen! – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Wenn beide über der Zuverdienstgrenze liegen – ich danke, Herr Bundesminister –, bekommen sie gar nichts! Gar nichts. (Abg. Kiss: Na und?)  – "Na und?", sagt Herr Abgeordneter Kiss! Ich überlasse das Ihrer Beurteilung.

Eine Familie, in der die Aufgaben wirklich partnerschaftlich geteilt werden, eine Mutter, ein Vater, die beide zu ihrem Kind stehen, die beide ihre Arbeitszeit reduzieren – warum bekommen die nichts? Aber Abgeordneter Kiss sagt: Na und? – Ich denke, die österreichischen Frauen werden "Na danke!" zu dieser Aussage sagen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im anderen Fall, bei einem Alleinverdiener – es wird in der Regel ein Mann sein –, der mehr verdient als diese beiden Menschen zusammen, die das Kind partnerschaftlich betreuen (Abg. Kiss: Erklären Sie den österreichischen Familien, wie es bisher war!), einem Alleinverdiener, der, sagen wir, 150 000 S brutto verdient, der zum Beispiel in der Politik tätig ist, bekommt die betreuende Frau die 6 000 S!

Das heißt, ein Haushalt, der das doppelte Einkommen hat, bekommt auf einmal etwas dazu, aber die beiden Leute, die ihr Einkommen und ihre Arbeitszeit reduzieren, um ein Kind partnerschaftlich zu betreuen, bekommen null? Ganz und gar nichts? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) In Anbetracht dessen stellen Sie sich hier her und sagen: Kinderbetreuungsgeld für alle!? – Na das ist ja toll, das ist ja super, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich merke, das regt die Herren, vor allem von der ÖVP, furchtbar auf. (Abg. Kiss: Überhaupt nicht!) Was haben Sie denn gegen die partnerschaftliche Betreuung von Kindern? Warum gibt es denn kein Kinderbetreuungsgeld für alle? (Abg. Kiss: Sagen Sie, was sie bisher kriegen!) Warum schwindeln Sie denn auf Ihren Plakaten? Glauben Sie wirklich, dass die Bevölkerung so dumm ist, dass sie sich ein X für ein U verkaufen lässt? Das ist doch ein Trick, um eigentlich die bestehenden Verhältnisse, die nicht partnerschaftliche Teilung von Aufgaben einzuzementieren. Darum geht es! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Deswegen auch die Teilung 30 Monate zu 6 Monaten. Ist das gleich? Ist das partnerschaftlich? Was soll denn das im dritten Jahrtausend? (Widerspruch der Abg. Rauch-Kallat. )

Frau Abgeordnete! Wieso haben Sie denn einem derartigen Entwurf zugestimmt? (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Aber die ÖVP-Frauen überraschen mich ja jeden Tag mehr. Ich war beispielsweise mit der ehemaligen Abgeordneten Bauer in Berlin. Dort hat sie vor den versammelten EU-Parlamentarierinnen und den nationalen Parlamentarierinnen gesagt: Keine Zuverdienstgrenze, nie und nimmer! (Beifall bei den Grünen.) Weiters sagte sie: Wir wollen die partnerschaftliche Aufteilung, wir wollen Mütter und Väter, die Kinder betreuen! – Was ist denn da inzwischen passiert?

Oder: Ich war mit Frau Abgeordneter Papházy in Salzburg. Dort hat auch sie gesagt: keine Zuverdienstgrenze! Wir wollen auch die Väter in die Familien bekommen, wir wollen die partnerschaftliche Aufteilung! – Was ist denn mit den FPÖ-Frauen in dieser Frage geworden? Warum sind sie denn alle miteinander bei diesem Vorhaben umgefallen?

Oder: In einem Gespräch hat die Frau Abgeordnete Zierler gesagt, dass es zumindest eine Einschleifregelung geben sollte. – Ja, wo ist diese denn?


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Es haben sich nur die gut verdienenden Männer durchgesetzt, die haben ihr Modell hier verankert; und das soll genau so bleiben. Keine Partnerschaft, weil das von Blau und Schwarz nicht gewollt wird! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nun zum Einkommensbegriff: Jetzt nenne ich Ihnen Kritikpunkte – das kommt gar nicht von den Grünen –, etwa vom Rechnungshof. Es ist ja nicht nur so, dass das ungerecht ist, das ist genau das, was die FPÖ angeblich nicht will, nämlich dass die Reichen noch reicher werden und man den Armen etwas wegnimmt. Das passiert aber hier, weil es diesen beiden Leuten, diesem Vater, dieser Mutter (die Rednerin weist auf die vor ihr am Rednerpult stehende Tafel), nicht so gut geht wie dem Alleinverdiener mit seinem Supereinkommen. Doch der bekommt nichts. Aber noch dazu gibt es einen Einkommensbegriff, bei dem die Betroffenen erst im Nachhinein wissen, ob sie überhaupt etwas bekommen.

Der Rechnungshof sagt: Die vorgeschlagene Schaffung eines neuen Einkommensbegriffes ist nach Auffassung des Rechnungshofes entbehrlich. – Dann wird diese Regelung zerpflückt, weil sich die Leute, die dieses Gesetz lesen werden, wundern werden. Sie werden erst im Nachhinein wissen – vor allem die Selbständigen –, ob sie überhaupt einen Anspruch haben.

Dann kann es sein – und das halte ich für glatt verfassungswidrig; ich habe im Ausschuss leider keine Auskunft dazu bekommen –, dass beispielsweise eine Künstlerin, ein Künstler, eine selbständig tätige Person, am Ende des Jahres mehr zurückzahlen muss, als sie oder er vorher bekommen hat. – Na, das ist "super"!

Wenn beispielsweise das Einkommen am Ende des Jahres ermittelt wird und es über den vorgesehenen 200 000 S liegt, dann müssen diese Personen unter Umständen das Kinderbetreuungsgeld – 6 000 S, auf ein ganzes Jahr gerechnet sind es 72 000 S – zurückzahlen. – Das ist glatt verfassungswidrig, und Sie wissen das!

Sie haben im Ausschuss nicht einmal zugelassen, dass darüber ernsthaft diskutiert wird. Das ist eigentlich eine Schande! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Rechnungshof – nicht die Grünen –, unser Kontrollorgan, sagt weiters: Die finanziellen Erläuterungen sind nicht nachvollziehbar und teilweise widersprüchlich. – Bravo! So widersprüchlich das Ganze ist, so klar ist eines: Die Reichen werden reicher, und die in der Partnerschaft werden bestraft. – Das ist das Arge an diesem Gesetz! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass das Kinderbetreuungsgeld nicht allen zustehen wird, vor allem nicht den partnerschaftlich betreuenden Paaren, ist eine traurige Tatsache. Dass ausgerechnet diese Regierung außerdem eine dramatisch ungleiche Regelung für Ausländerinnen und Ausländer schafft, ist etwas, von dem ich eigentlich gehofft hätte, dass das nicht mehr möglich ist, aber Sie schaffen auch das. Dass eine – angeblich – christliche Partei gerade das tut, finde ich eigentlich schockierend, denn gerade diese Familien sind es, die oft kein wirklich allzu hohes Einkommen haben. Da ginge es wirklich um Armutsbekämpfung, aber da sind die Spielregeln anders.

Sie wollen zwar eine Familienleistung, eine Sozialleistung – und keine Versicherungsleistung –, aber nur bei den Inländerinnen und Inländern. Für Ausländerinnen und Ausländer gilt – natürlich, möchte ich fast traurigerweise sagen – etwas anderes. Diese brauchen teilweise Versicherungszeiten oder eine lange Aufenthaltsdauer, was auch wieder zu einer Verfassungswidrigkeit führt, denn Sie sind an sich dazu verpflichtet, zumindest unter den ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern Gleichheit walten zu lassen. Sie sind verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, aber Sie verletzen auch das! (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Abgeordneter Khol! Wo bleibt da Ihr Verfassungsbogen? (Abg. Dr. Khol: Wieso?)  – Ich zitiere Ihnen auch dazu jemanden, dem Sie vielleicht mehr vertrauen oder mehr glauben sollten als den Grünen, nämlich den ehemaligen Volksanwalt Schender, der dazu sagt:

Die im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeldgesetz vorgenommene Differenzierung zwischen unterschiedlichen Gruppen von Ausländern mit einer unter fünf Jahre liegenden Auf


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enthaltsdauer erscheint nicht sachgerecht. Warum etwa soll eine seit zwei Jahren in Österreich wohnende Person ausländischer Staatsangehörigkeit kein Kinderbetreuungsgeld erhalten, wenn sie in dieser Zeit durchlaufend selbständig erwerbstätig war, dieselbe Person aber einen Anspruch hat, wenn sie für dieselbe Zeit eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat? – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das Gesetz ist inkonsequent, es ist an sehr vielen Stellen verfassungswidrig – mit Sicherheit verfassungswidrig! Sie riskieren das, um Ihr konservatives Weltbild noch weiter aufrechterhalten zu können und Ihre Ideologie einzubetonieren. Ich finde es traurig, dass wir über diese Punkte nicht wirklich reden konnten, denn die Grünen hätten gerne ein Modell unterstützt, das den Kreis der Bezugsberechtigten erweitert. Natürlich hätten auch die Studentinnen, die Schülerinnen und andere erwerbstätige Personen in den Kreis der geschützten Personen hineingehört, gerne hätten wir so etwas mitbeschlossen, aber Ihnen ist es nicht um das Kinderbetreuungsgeld für alle gegangen, sondern Ihnen ist es darum gegangen, die bestehende Aufgabenteilung "die Männer im Beruf, die Frauen daheim" einzuzementieren.

Dieses Gesetz ist es Ihnen wert, dass Sie mehr Geld dafür ausgeben, dass die Ungleichheiten in Österreich größer werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben es noch immer nicht verstanden!) Daher können wir natürlich dieser Regelung, dieser unserer Meinung nach ungerechten Regelung nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

11.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic, Öllinger, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

11.07

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ab dem 1. Jänner 2002 wird jede Frau das Recht haben, Kinderbetreuungsgeld in Anspruch zu nehmen. (Abg. Dr. Petrovic: Wieso nur Frauen? Ist das verfassungskonform?) Ab dem 1. Jänner 2002 wird für jedes Kind Kinderbetreuungsgeld möglich werden. (Abg. Öllinger: Nicht für jedes! – Abg. Dr. Petrovic: Nein! Falsch!) Ab dem 1. Jänner 2002 wird jede Familie drei Jahre lang 6 000 S pro Monat für jedes Kind bekommen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir setzen damit die wichtigste familienpolitische Maßnahme unserer familienfesten Regierung um. Wir wollen den Familien ein Fest bereiten. (Abg. Mag. Kogler:  ... Propaganda!) Wir nehmen hohe Beträge in die Hand, um diese wichtigste Priorität unserer Politik Realität werden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich verstehe Ihre Aufregung und Ihre Ablehnung nicht. Auf die abstrusen Modelle der Kollegin Petrovic, die völlig lebensfremd sind, will ich gar nicht eingehen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das glaube ich!) Ich verstehe aber auch nicht, warum die Frauenvorsitzende der SPÖ, Frau Barbara Prammer, das Karenzgeld für alle als "eine besondere Schrecklichkeit" bezeichnet hat.

Ich verstehe weiters nicht, warum die Frauenvorsitzende außer Dienst der Sozialdemokratischen Gewerkschafterinnen, Frau Schmidleithner, das Karenzgeld für alle "ein soziales Verbrechen" genannt hat.

Ich verstehe auch Frau Mertel nicht (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist aber Ihr Problem!), wenn sie sagt, wie sie es im Fernsehen in einer Diskussion mit unserer Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat getan hat: Ich gönne das Karenzgeld nicht jeder Frau. (Abg. Kiss: Das ist schlicht Dummheit! – Abg. Ing. Westenthaler: Ungeheuerlich!) Ich verstehe das nicht!


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Es ist eine so einfache Sache, es ist doch für jeden sonnenklar: Es kommen jetzt mehr Frauen – vor allem die bisher unterprivilegierten, die geringfügig beschäftigten Frauen, die Hausfrauen, die Bäuerinnen, die Gewerbetreibenden, die Studentinnen und die Schülerinnen – in den Genuss des Kinderbetreuungsgeldes. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für jedes Kind werden mindestens 6 000 S pro Monat zur Verfügung stehen. Das sind um 300 S mehr als bisher. (Abg. Mag. Wurm: Wie lange denn?) Für jedes Kind! Wir werden auch noch die Kinderbeihilfe für jedes Kind um mindestens 100 S pro Monat anheben.

Es ist doch sonnenklar, dass das eine großartige Verbesserung ist. Es ist auch sonnenklar, dass die Familien früher nur mit 24 Monaten an Geldleistung rechnen konnten, jetzt können sie mit einer Geldleistung in der Dauer von 36 Monaten rechnen. Das ist doch eine Verbesserung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Außerdem ist ein höherer Zuverdienst möglich. Bisher hat Karenzgeld das Ende der Berufstätigkeit bedeutet. Man konnte geringfügig beschäftigt sein, in manchen Ausnahmefällen etwas mehr als das. Jetzt kann man die Arbeit im Haus, die Arbeit für das Kind, die Arbeit für die Familie mit der Arbeit außer Haus verbinden. Man kann es sich einteilen, man ist flexibel. Die Mütter haben Optionen, die Väter haben Optionen – das ist doch eine eindeutige Verbesserung! Aber gerade diese Optionsfreiheit ist es ja, die die linke Seite dieses Hohen Hauses den Frauen absprechen will. Sie wollen Ihr Rollenbild per Gesetz durchsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Hausarbeit, Familienarbeit ist Ihrer Ansicht nach minderwertig, lohnabhängige Arbeit, Erwerbsarbeit, das ist es, was alle machen müssen; wer Hausfrauenarbeit leistet, wer Kinder großzieht, der ist Ihrer Auffassung nach in Wirklichkeit – unter Anführungszeichen – "ein Dummerl".

Wie sind denn Aussagen wie "besondere Schrecklichkeit", "soziales Verbrechen an werktätigen Frauen" und "Ich gönne das Karenzgeld nicht jeder Frau" zu verstehen? – Diese Divergenz ist nur mit den Grundsatzpositionen zu erklären, wo Grün und Rot die gleichen linken Grundsatzpositionen gesellschaftlicher Natur haben, wo die Rolle der Familie anders gesehen wird als bei uns und wo die Familienarbeit anders gesehen wird als bei uns. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )

Nur das erklärt es, warum man eine Maßnahme, die für alle ganz klar eine großartige Leistung ist (Abg. Dr. Petrovic: Nein! Das stimmt ja nicht!), verteufelt und sagt: Wir lehnen das ab! – Ich verstehe das überhaupt nicht, das kann man niemandem vermitteln. Warum gönnen Sie den Frauen nicht dieses Kindergeld? (Abg. Dr. Petrovic: Warum gönnen Sie es nicht ...?) Warum gönnen Sie es den Familien nicht, dass sie nun besser planen können? Warum gönnen Sie es den Frauen nicht, dass sie einer Arbeit außer Haus ebenso nachgehen können wie einer Arbeit im Haus? Warum? – Für Sie ist Familienarbeit Leid, für Sie ist Familienarbeit Unterdrückung, für Sie bedeutet das Motto "weg von der Familie" Emanzipation, für Sie ist Hausarbeit minderwertig.

Frau Prammer! Sie haben in einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" gesagt, Hausfrauen, die noch nie gearbeitet haben, leisten keine Arbeit. – Ich muss sagen: Ich anerkenne die großartige Leistung unserer Frauen und Mütter und unserer Väter (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), die das Wichtigste, was wir haben, betreuen, die unsere Kinder sozialisieren, die unsere Kinder aufziehen, die den Kindern Lebenschancen geben, die den Kindern Mütterlichkeit und Väterlichkeit vermitteln, die damit das Kostbarste, was wir überhaupt in unserer Republik haben, heranbilden, heranziehen und damit eine öffentlich relevante, gesellschaftspolitisch wichtige Arbeit leisten. Das sollten wir alle anerkennen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir von den Regierungsparteien – und da ist die ÖVP auf der gleichen Linie wie die Freiheitlichen – wollen keinen Rollenzwang für die Frau. Die Frauen sollen sich selber entscheiden können: Wollen sie beim Kind bleiben, dann können sie es. Wollen die Väter beim Kind bleiben, dann können sie es in Zukunft. (Abg. Dr. Petrovic: Nein, das stimmt nicht!) Wollen sie dazuverdienen, wollen sie flexibel einer Teilzeitarbeit nachgehen, dann können sie es. (Abg.


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Mag. Prammer: Nein, das ist nicht wahr!) Wollen sie Kinderbetreuung dazukaufen, dann können sie es.

Für uns sind Familienarbeit, Kindererziehung und Altenpflege wichtig, für uns sind sie Teil der Solidarität – der Solidarität, die in der Familie gelebt wird.

Was wir nicht wollen, ist, dass dieser zynische Satz Realität wird, wenn das groß gewordene Kind zum alt gewordenen Elternteil sagt: Du hast mich in die Kinderkrippe gesteckt, ich stecke dich jetzt in das Altersheim! – Das ist ein zynischer Satz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen, dass die Familien gestärkt werden, dass die Familien ihre natürlichen Aufgaben wahrnehmen können. Wir wollen die Großfamilie, wir wollen, dass die Familien auf die älteren Menschen genauso schauen, wie die Eltern auf ihre Kinder schauen. Das ist Solidarität, das ist Partnerschaft! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Frauen selber, die Familien selber, sollen ihre Prioritäten setzen und dementsprechend entscheiden können. Das ist es, Frau Prammer, darauf müssen Sie mir eine Antwort geben: Warum wollen Sie die Frauen dazu zwingen, außer Haus zu arbeiten, sonst bekommen sie kein Karenzgeld? (Abg. Mag. Prammer: Sie haben von Wahlfreiheit gesprochen!)

Frau Csörgits! Sie sind heute den ersten Tag im Nationalrat. Sie haben ein Gegenmodell vorgelegt, das ich als Gewerkschafter überhaupt nicht verstehe. Als Christgewerkschafter verstehe ich nicht, warum Sie ein Modell ausgearbeitet haben, nach dem geringfügig Beschäftigte kein Kindergeld bekommen sollen, Studentinnen kein Kindergeld bekommen sollen, Schülerinnen kein Kindergeld bekommen sollen und Bäuerinnen sowie Wirtschaftstreibende nur das halbe Kindergeld bekommen sollen. Warum wollen Sie das?

Warum schlagen Sie vor, dass die gut Verdienenden nicht 6 000 S, sondern bis zu 15 000 S bekommen sollen? – Da drehen sich doch die Gründer der Gewerkschaftsbewegung, auch Ihre, im Grabe um, wenn jene, von denen Sie gesungen haben, nämlich die "Entrechteten", nichts bekommen. – Wir sagen: Das Kindergeld ist für alle da! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie, Frau Csörgits: Wer ist da solidarisch? Wer ist mit den geringfügig Beschäftigten solidarisch? Wer ist mit den Hausfrauen solidarisch? – Sie sicherlich nicht! Ich möchte gerne, dass Sie hierher zum Rednerpult kommen und Ihren Vorschlag erklären, dass den Armen nichts gegeben wird und den Reichen das Doppelte. Wir sind jedenfalls dagegen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Kindergeld ist ein Schwerpunkt unserer Politik mit weit reichenden Zielen. (Abg. Mag. Wurm: Folgen!) Wir anerkennen dadurch erstens die gesellschaftspolitisch unersetzliche, großartige Rolle der Familien, der Väter und der Mütter.

Zweites Ziel. Die Frau hat in Zukunft die Möglichkeit, zwischen der Arbeit im Haus und der Arbeit außer Haus, die wir als gleichberechtigt und gleich wertvoll ansehen, zu wählen.

Drittes Ziel. Wir haben durch die Flexibilität dieser ganzen Regelung – Zuverdienstgrenze; Möglichkeit, die Karenzzeit zwischen Vater und Mutter zu teilen; Teilzeitkarenz – sehr viele Modelle der elterlichen Arbeit ermöglicht. Ich hoffe, dass sehr viele Väter und Mütter von dieser Flexibilität profitieren werden. (Abg. Schwemlein: Das ist so flexibel, dass ...!)

Wir haben viertens etwas ganz Wichtiges getan – da wundere ich mich, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie und von den Grünen, darüber, warum Sie das nicht anerkennen –: Das erste Mal wird nun die Kindererziehungszeit auch mit pensionsbegründenden Monaten abgegolten. (Abg. Dr. Mertel: Wer zahlt?)

Das zahlen wir alle, Frau Mertel! Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Unser Vorschlag kostet weniger als Ihr Gießkannenmodell, das keine wie immer gearteten gesellschaftspolitischen Auswir


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kungen hat. Ihr Modell kostet eine Milliarde mehr. Das Gusenbauer-Modell kostet eine Milliarde mehr als das Modell, das wir hier vorlegen und von dem Sie sagen, Frau Mertel: Wir können uns das alles nicht leisten! (Abg. Mag. Prammer: Das sind die Kinderbetreuungseinrichtungen, die Sie gestrichen haben!) Sie haben das ganze Jahr gegen dieses Kindergeld polemisiert, weil Sie gesagt haben: Das kostet zu viel! – Unserer Meinung nach kostet das nicht zu viel, wir wollen das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen die Pensionsbegründung. Jeder Elternteil, der die Kindererziehung wahrnimmt und nicht im Berufsleben steht, bekommt 18 Monate Pensionsbegründung. Es ist unser Ziel, dass immer mehr Frauen eigene Pensionsrechte erwerben können. Wir wollen nicht, dass eine Abhängigkeit von Unterhaltsansprüchen für den Fall gegeben ist, dass eine Ehe schief geht, sondern wir wollen, dass jede Frau ihre eigenen pensionsrechtlichen Ansprüche hat und wir wollen die Quote der Frauen im Erwerbsleben auf 75 Prozent anheben. Das ist wichtig und ein ganz großes Ziel unserer Politik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben auch die besondere Förderung der Alleinerzieher beibehalten. Peter Westenthaler hat auch darauf hingewiesen. Ich wundere mich schon und möchte das auch Herrn Küberl von der Caritas sagen: Dieses Kinderbetreuungsgeld ist das wichtigste Mittel zur Armutsbekämpfung in diesem Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch etwas, meine Damen und Herren: Es gibt im Augenblick international einen konjunkturellen Abschwung, in anderen Ländern bricht der Konsum zusammen. Damit gehen die Konjunktur und das Wirtschaftswachstum zurück. Diese 9 Milliarden Schilling, die wir den Eltern für ihre Kinder zur Verfügung stellen, gehen in den Konsum. Damit wird der Konsum gestützt. Das ist ein beschäftigungspolitischer Nebeneffekt von großer Bedeutung für alle, die in diesem Land leben und arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch an eines erinnern. Wir haben seinerzeit das Karenzgeld als flankierende Maßnahme zur Fristenlösung eingeführt mit dem Gedanken, dass keine Frau aus finanziellen Gründen zur Abtreibung gezwungen werden soll. Wenn wir jetzt den Bezug des Karenzgeldes auf Hausfrauen, geringfügig Beschäftigte und Studentinnen ausdehnen, dann ist das auch eine Maßnahme, die in vielen Fällen Leben sichert. Genau das ist für uns als Lebenspartei wichtig! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Prammer und Silhavy. )

Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich bei Ridi Steibl, Frau Haller, Frau Zierler und Frau Rauch-Kallat bedanken, die all das für uns verhandelt haben. Was die Volkspartei betrifft, sage ich: Wir haben als familienfeste Partei eines unserer Wahlversprechen erfüllt und können stolz den Familien sagen: Wir sorgen für euch! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

11.23

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem heutigen Tag geht die Debatte über die Einführung einer besseren Fürsorge dieses Staates für die Familien und für die Kinder in die Endrunde.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ist für mich als zuständigen Bundesminister für Soziales und Generationen ein Meilenstein in der österreichischen Familienpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte nicht anstehen, in dieser Stunde auch jenen zu danken, die den Stein ins Rollen gebracht haben, um die Lage der Familien in Österreich zu verbessern, nämlich den Initiatoren des Familien-Volksbegehrens, die damit die Diskussion und – schlussendlich mit der heutigen


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Beschlussfassung – die wichtigsten Vorhaben ihres Volksbegehrens nunmehr in der Umsetzungsphase sehen. Ein Dankeschön auch an jene, die sich in der Öffentlichkeit für die Familien nicht nur stark gemacht haben, sondern auch die Anliegen der Familien konsequent vertreten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Kinderbetreuungsgeld ist ein Meilenstein, weil ab dem 1. Jänner 2002 für alle nach diesem Zeitpunkt geborenen Kinder in Österreich das Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt wird.

Darüber hinaus ist es auch möglich, dass jene, die Karenzgeldanspruch haben, ab diesem Zeitpunkt das niedrigere Karenzgeld in das höhere Familien- und Kinderbetreuungsgeld überführen können, eine Differenz von ungefähr 400 S zu Gunsten des Kinderbetreuungsgeldes im Verhältnis zum heutigen Karenzgeld. Das sei einmal klargestellt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade Sie von Seiten der Sozialdemokratie, aber auch Frau Kollegin Petrovic, haben sich in der Debatte über die Situation der Frauen und den Wiedereinstieg von Frauen in das Berufsleben den Kopf zerbrochen. Als zuständiger Frauenminister (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ) bin ich davon überzeugt, dass das Kinderbetreuungsgeld in der Form, wie es heute verabschiedet wird, ein bedeutend besseres Instrument für die Frauen in dieser Republik sein wird, mit höheren Qualifikationen wieder auf dem Arbeitsmarkt in die Beschäftigung zu kommen, als es in der Vergangenheit mit dem Karenzgeld der Fall war. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass beim Karenzgeld derzeit ein Einkommensverbot oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze besteht. Dieses Einkommensverbot, das derzeit 48 912 S im Jahr beträgt, wird in Zukunft 200 000 S betragen. Das wird bedeuten, dass Frauen auch in der Zeit, in der die Kinder bereits in Kinderkrippen oder in anderen günstigen Betreuungsmöglichkeiten auch im Kreise der Familie betreut werden, bis zu 200 000 S durch Teilzeitarbeit, durch Wochenendvertretungen, durch Urlaubsvertretungen und durch andere Berufstätigkeiten in ihrem angestammten Beruf verdienen dürfen. Das wird bedeuten, dass Frauen in der Zeit des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes Fort- und Weiterbildung bekommen.

Sehr geehrter Herr Kollege Gusenbauer! Ich darf Sie und Sie, Frau Kollegin Prammer, schon darauf aufmerksam machen, dass die Wiedereinstiegshilfen in das Berufsleben zumindest aus der Sicht der Frauen, die sich über ihr berufliches Weiterkommen den Kopf zerbrochen haben, nicht effizient waren. Sie haben zwar im Arbeitsmarktservice diese Wiedereinstiegshilfen bekommen, aber wie haben diese ausgesehen? – Selbstfindungskurs 1, Selbstfindungskurs 2, im Extremfall Selbstfindungskurs 3. Weihnachtstisch, Ostertisch und sonstige rein auf den hausfraulichen Bereich ausgerichtete Tätigkeiten. Ich glaube nicht, dass dieses Instrument geeignet war, die Berufsqualifikationen der Frauen in entsprechender Form zu verbessern.

Ich meine, dass die jetzigen Maßnahmen, die Kollege Bartenstein mit dem AMS gemeinsam gesetzt hat, und zwar berufsspezifische Ausbildung, EDV-Kurse, berufsspezifische Schulungen, Nachschulungen, Teilnahme an Berufsausbildungen und Weiterbildungen in den Betrieben, das sinnvollere Instrument sind, um den Frauen nach der Kinderpause eine bessere Einkommenssituation für ihren weiteren Lebensweg zu eröffnen, als das, was in der Vergangenheit für diesen Sektor da war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was den pekuniären Bereich betrifft, darf ich Sie darauf hinweisen, dass das Kinderbetreuungsgeld 6 000 S betragen wird und das bisherige Karenzgeld für Berufstätige 5 643 S betragen hat. Das ist also eine deutliche Verbesserung.

Es freut mich, Herr Kollege Gusenbauer, dass Sie sich nunmehr über die Mehrkinderstaffel endlich auch von Seiten der Sozialdemokratie den Kopf zerbrechen, denn die historische Tatsache ist, dass in der sozialdemokratischen Alleinregierung die Mehrkinderstaffel abgeschafft worden ist. Erst auf Grund des Familien-Volksbegehrens und auf Grund einer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof im Jahre 1997 ist sie wieder eingeführt worden. Es freut mich, dass Sie nun


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mehr endlich Ihr Herz für die Mehrkindfamilien entdeckt haben. In der Vergangenheit war das nicht immer der Fall bei der Sozialdemokratie.

Ich habe mir eigens aus dem damaligen Zeitraum 1995/96 einige Stellungnahmen der Damen und Herren von den heutigen Oppositionsparteien herausgesucht. Die Diskussionen um die Mehrkinderstaffel liefen damals unter dem Schlagwort "vom Stahlhelm bis zum Mutterkreuz". Das war Ihre damalige Einstellung. Heute ist es Gott sei Dank so, dass Sie Ihre Meinung geändert haben, und zwar in der Richtung, wie sie die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ immer konsequent vertreten haben, dass nämlich über den Rahmen der Familienbeihilfe auch die Mehrkindfamilien entsprechend durch Mehrleistungen – auch für behinderte Kinder – versorgt werden und nicht nur sachgerecht versorgt sind, sondern dass nur das das einzig faire Instrument ist, dabei auch die Mehrbelastungen der Familien zu berücksichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf darauf hinweisen, dass es in diesem Bereich ab 2002 auch entsprechende Erhöhungen geben wird: 1 200 S mehr Familienbeihilfe, nämlich 100 S pro Monat mehr, für ein behindertes Kinder nochmals zusätzlich 100 S pro Monat mehr. Ich glaube, diese Bundesregierung hat tatsächlich an die Familien gedacht und nicht an die Ideologie, wie Sie, Herr Kollege Gusenbauer, das darzustellen versucht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie sieht es beim Beruf aus? Wie sieht es mit der von Ihnen so bejammerten Teilzeitkarenz aus, Frau Kollegin Petrovic? – Tatsache ist, dass die Teilzeitkarenz, die im Jahre 1992 eingeführt worden ist, nie von mehr als 1 Prozent des jeweiligen Geburtsjahrganges in Anspruch genommen wurde; der Höchststand wurde erreicht im Jahre 1998 mit 3 599 in Teilzeit Befindlichen, davon 3 402 Frauen und 197 Männer. Da sich die Teilzeitkarenz ja bekanntlich über einen Zeitraum von vier Jahren erstreckt, war das etwa 1 Prozent aller seinerzeit Karenzgeld Beziehenden. Wenn man jene berücksichtigt, die vom Karenzgeld ausgeschlossen waren, so waren es etwa 0,8 Prozent jener, die in dem jeweiligen Jahr Kinder bekommen haben.

Wenn man aber die öffentliche Diskussion jetzt verfolgt, so könnte man meinen, dass die Teilzeitkarenz das attraktivste familienpolitische Instrumentarium war. Ich glaube, dass diese Zahlen der Öffentlichkeit beweisen, dass dem nicht so ist.

Hinzuzufügen ist, dass nach der heutigen Regelung mit der 200 000-S-Zuverdienstgrenze noch immer 71 Prozent der Männer und 92 Prozent der Frauen das gleiche Einkommen haben werden, wenn sie ihre Arbeitszeit auf das für die 200 000-S-Zuverdienstgrenze notwendige Ausmaß reduzieren. Das ist wichtig.

Wir hatten insgesamt noch nie mehr als etwa 4 Prozent Männer in Teilzeitkarenz, 9,8 Prozent in einem Jahr war der höchste Anteil. Insgesamt lag der höchste Anteil von Männern, die sich um die Erziehung ihrer Kinder auch tatsächlich gekümmert haben, bei maximal 2 Prozent im Jahr 2000. Die Bundesregierung erwartet sich auf Grund der Rahmenbedingungen auch trotz der 200 000-S-Zuverdienstgrenze hier eine deutliche Verbesserung. Wir glauben, dass das Kinderbetreuungsgeld auch für diesen Bereich eindeutig besser vorgesorgt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie sich einige Beispiele ansehen, so wird Ihnen auffallen, dass das Modell, das Sie, Herr Kollege Gusenbauer, vor einigen Tagen präsentiert haben, Tausende österreichische Frauen und deren Kinder vom Kindergeldbezug ausschließen würde. Es ist auch evident, Herr Kollege Gusenbauer, dass das von Ihnen vorgelegte Modell den österreichischen Familien dort, wo hohe Einkommen sind, mehr und dort, wo geringe Einkommen sind, weniger geben wird. – Auch der sozialpolitische Effekt wird mit Ihrem Modell klar verfehlt!

Ich glaube daher, dass die österreichische Bundesregierung und das österreichische Parlament, das heute das Kinderbetreuungsgeld mit Mehrheit verabschieden wird, sich mehr Sorgfalt und ein besseres Konzept für die Zukunft und für die österreichischen Familien zugrunde gelegt haben als Sie mit Ihrem Schnellschussmodell von letzter Woche, Herr Kollege Gusenbauer. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Der ist leider nicht da!)


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Heftigen Diskussionen darüber, dass es zu einer Entklammerung gekommen ist zwischen dem Rückkehrrecht in den Betrieb und dem Arbeitnehmerschutz auf der einen Seite und der Geldleistung auf der anderen Seite, meine Damen und Herren von den Grünen und von den Sozialdemokraten, darf ich entgegenhalten, dass auch das bundesdeutsche Kinderbetreuungsgeld-Modell eine deutliche Entzerrung zwischen Arbeitsrecht und Geldleistung vorsieht und vorsehen wird. Ich denke, dass so manche Darstellungen, wie sie in der österreichischen Öffentlichkeit gegeben werden, dass nämlich in Deutschland beide Elternteile Geld beziehen, schlicht und einfach aus den vorliegenden Texten in Deutschland nicht abgelesen werden können. Einer kann Geld beziehen, beide können sich in entsprechender Form – ohne parallelen Arbeitnehmerschutz! – der Kinderbetreuung widmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man eine faire, korrekte und saubere Diskussion führt, muss man einfach zur Überzeugung gelangen, dass das österreichische Kinderbetreuungsgeld, so wie es auf dem Tisch liegt, ausgereift ist und für die Familien in Österreich mit Sicherheit die beste Leistungsverbreitung in Geldwert darstellt, die in der Geschichte der Zweiten Republik für die österreichischen Familien in einem Zug beschlossen worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer! Ich möchte auch klarstellen, dass nicht diese Bundesregierung die Kindergartenmilliarde abgeschafft hat, sondern dass die Kindergartenmilliarde als einzelne Maßnahme für zwei Jahre mit Zuzahlung der Länder konzipiert war und daher bereits vor Amtsantritt dieser Bundesregierung budgetär nicht mehr vorgesehen war. (Abg. Mag. Prammer: Das ist überhaupt nicht wahr!)  – Man kann etwas, das pro futuro nicht vorgesehen ist, nicht abschaffen, sehr geehrte Damen und Herren!

Außerdem, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie – Sie wissen es ganz genau –: Die Bereitstellung von Kindergartenplätzen und Kinderkrippen und anderen Einrichtungen im Kleinkind-Bereich ist verfassungsmäßig eindeutig und klar Angelegenheit der Länder! Ich darf Sie schon darum ersuchen, in all jenen Landesregierungen, in denen Sie vertreten sind, endlich das umzusetzen und zu vertreten – es ist Landesaufgabe! –, was Sie hier auf die Bundesregierung abschieben wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schaffen Sie bessere Rahmenbedingungen für die österreichischen Familien vor Ort, dort, wo Sie in den Landesregierungen das Sagen haben! Machen Sie es nicht nach der Methode: "Haltet den Dieb! Ihr oben seid schuld, dass wir herunten säumig sind!" – So wird das in der österreichischen Öffentlichkeit nicht zu verkaufen sein, sehr geehrter Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird hier oft über die finanzielle Situation der Familien gesprochen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, wie die Gestaltung der Kindergartenplätze, der Horte und der sonstigen Einrichtungen im pekuniären Bereich geregelt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich ersuche Sie, im Interesse der österreichischen Familien dort, wo Sie in den Landesregierungen verantwortlich sind, endlich dafür zu sorgen, dass die Kindergartenplätze deutlich billiger werden, denn sehr viele sozial schwache Familien können sich leider das Angebot nicht leisten, das Sie als Verantwortliche in den Landesregierungen anbieten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

4 000 S bis 5 000 S in privaten Kindergärten in Wien, weil die öffentlichen Kindergärten nicht in der Lage sind, den Bedarf abzudecken, sind leider keine Seltenheit. Das steht in Schreiben, die ich von Familien an mein Ministerbüro bekomme, die sich über die Zustände gerade in der Bundeshauptstadt Wien in entsprechender Form aufregen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Selbst tätig werden, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, und nicht die Last der Verantwortung auf jene abschieben, die verfassungsmäßig nicht zuständig sind! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.38


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol  – in Richtung SPÖ –: Warum gönnen Sie den Frauen das Kindergeld nicht?)

11.38

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Herren und meine Dame auf der Regierungsbank! Herr Präsident! Herr Andreas Khol, seines Zeichens Klubobmann der ÖVP, hat bewiesen, dass Andreas Khol das Synonym für Torquemada ist. Er hat sich als Generalinquisitor des Nationalrates erwiesen: Er beurteilt, wer etwas versteht und nicht versteht. Er beurteilt, was richtig und was falsch ist. Es gilt nur eine Meinung, nämlich seine, und wenn ein anderer sachlich bezogen eine andere Meinung vertritt, dann meint er, er polemisiere. Herr Khol! Nicht Andreas Khol, sondern Torquemada ist treffender! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Generalinquisitor! Sie haben nicht Recht! Nicht jedes Kind bekommt 6 000 S, auch wenn Sie als Generalinquisitor das hier herinnen behaupten. Nicht jedes Kind bekommt 6 000 S, nur ein Kind in der Familie bekommt diese 6 000 S.

Sie behaupten, ich gönne nicht jeder Frau das Karenzgeld, und wenn Sie diese Information von Frau Rauch-Kallat haben, dann muss ich sagen: Ich habe eigentlich Frau Rauch-Kallat höhere intellektuelle Fähigkeiten zugetraut als nur die, einen Halbsatz zu verstehen und einen Halbsatz weiterzugeben. Ich hätte mir eigentlich gedacht, dass Sie, Herr Dr. Khol, von einer so böswilligen Unterstellung Abstand nehmen.

Selbstverständlich wollen wir auch Hausfrauen und Studentinnen einbeziehen, aber wir stellen uns die Frage: Woher kommt das Geld, und wohin fließt das Geld? – Das Geld kommt aus dem Familienlastenausgleichsfonds, es wird zu 83 Prozent von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen erbracht. Bereits im Jahr 1998 habe ich in einem Fernsehinterview festgehalten: Selbstverständlich wollen wir etwas für die Studentinnen tun, und selbstverständlich wollen wir auch die Hausfrauen berücksichtigen! (Abg. Dr. Ofner: Aber gemacht habt ihr es nicht!) Unsere Politik, die Politik der SPÖ, war von Hochachtung gegenüber den Frauen geprägt. So war unsere SPÖ-Frauenpolitik ausgerichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben die Doppelbelastung der Frauen respektiert. Alle Familienleistungen in Österreich – und Österreich liegt an der Spitze, das können Sie in internationalen Studien und OECD-Studien nachlesen – stammen von der SPÖ (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), wurden unter, wie Sie es sagen, roten Bundeskanzlern und roten Finanzministern geschaffen. Dass der FLAF defizitär geworden ist, das haben ÖVP-Familienminister zu verantworten. (Abg. Zierler: Wer hat den FLAF ausgeräumt?)

Wenn Herr Khol hier laut verkündet, er verstehe das ÖGB-Modell nicht, und die Frau Csörgits zur Begründung aufruft, dann kann ich dem nur ... (Die Rednerin räuspert sich. – Abg. Zierler: Da verschlägt es sogar Ihnen die Sprache! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Herr Khol meint, er verstehe das ÖGB-Modell nicht. Dann soll er es sich doch von seinen christlichen Gewerkschaftskollegen erklären lassen! Herr Khol! Fragen Sie doch die Frau Gubitzer und die männlichen Kollegen vom ÖGB! Es gibt einen einstimmigen Bundesvorstandsbeschluss, aber das ist Ihnen anscheinend bis heute entgangen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Die ÖVP-Gewerkschafter sind lauter "Zwerge"!)

Wenn Sie in Ihrer Rede, Herr Dr. Khol, davon sprechen, dass "jede" Elternteil etwas erhält, dann dürfte mit Ihnen der gute Freud durchgegangen sein, denn bei "jede" Elternteil haben Sie wieder an die Frauen gedacht. – So ist das!

Herr Haupt spricht von einer Mehrkinderstaffel und meint den Mehrkindzuschlag; er bringt da als Familienminister Bedeutendes durcheinander: Den Mehrkindzuschlag erhöhen Sie um 100 S, aber dennoch werden die Mehrkinderfamilien fast um 9 000 S weniger haben. Für die Bereiche Kindergartenmilliarde, Kinderbetreuungseinrichtungen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie


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haben Sie in Ihrem Budget nichts vorgesehen. Sie haben von den Familien in den letzten eineinhalb Jahren 40 Milliarden Schilling abkassiert – 40 Milliarden Schilling abkassiert! –, und Ihr Sündenregister wird von Tag zu Tag, von Monat zu Monat länger. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zierler: Wie viele Schulden hat die SPÖ hinterlassen?)

Sie, FPÖ und ÖVP, haben den Familien versprochen, dass sie mehr bekommen, Sie haben es aber zustande gebracht, dass Familien mit drei Kindern weniger haben werden, nämlich um über 5 000 S weniger. (Abg. Zierler hält einen Abakus in die Höhe.) Rechnen Sie nach! Nehmen Sie nicht diese Kugeln, sondern nehmen Sie einen modernen Computer, dann werden Sie draufkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

50 Prozent aller KarenzgeldbezieherInnen werden 5 000 S weniger haben, und Sie mit Ihrer üppigen Rhetorik – na ja, ich würde sagen, beim Herrn Westenthaler ist es mehr eine ruppige Rhetorik – erwecken die Illusion, dass es Familien, Müttern, Kindern, Vätern besser gehen wird. Sie erwecken die Illusion, dass es ihnen besser gehen wird! – So Unrecht haben Sie allerdings nicht, denn in den letzten eineinhalb Jahren haben Sie die Familien belastet, haben abkassiert, haben gekürzt, und daher kann es eigentlich nur besser werden, da gebe ich Ihnen schon Recht. (Abg. Haigermoser: Ammenmärchen!) Selbst wenn Sie – ich habe es schon gesagt – den Mehrkindzuschlag um 100 S erhöhen, haben einkommensschwache Mehrkinderfamilien noch immer um 9 000 S weniger.

So sieht Ihr Armutsbekämpfungsprogramm aus, so Ihre Familienpolitik: Die Armut wird größer, die Familien werden extrem belastet! Wenn Sie das Ganze auf zwei oder drei Jahre hochrechnen, Herr Minister – das tun Sie ja immer, Sie sagen, sie bekämen ja länger etwas –, dann muss ich Ihnen sagen: Das stimmt nicht. Die Armutsgefährdung einer Familie ist gerade im ersten Jahr des Kindes besonders groß, denn mit einem Kleinkind kann man nicht dazuverdienen.

Sie haben so viele Hürden eingebaut. Auf der einen Seite 30 oder 36 Monate mögliche Geldleistung, auf der anderen Seite aber nur 24 Monate Karenzanspruch und Karenzgeldbezug – das geht nicht zusammen! Daher haben Sie schon den Riegel vorgeschoben, denn in diesem Ausmaß wird das Karenzgeld gar nicht in Anspruch genommen werden. Aber die Eltern werden bereits ab dem zweiten Jahr in die Zwangslage kommen, sich zwischen Beruf und Familie beziehungsweise Kind entscheiden zu müssen.

Zuverdienstgrenze in Höhe von 200 000 S – was heißt denn das in Wirklichkeit? Wer versorgt denn die Kinder in der Realität, Herr Minister? Wo bleibt die Betreuung des Kindes im Sinne des Kindeswohls, meine selbst ernannten Familienparteien? Vielleicht kann mir das jemand erklären. Wer wird die Väter motivieren, im dritten Jahr die Karenzzeit in Anspruch zu nehmen, die Kindererziehung in die Hand zu nehmen, wenn sie nicht einmal arbeitsrechtlich geschützt sind?

Sie sprechen ständig von Wahlfreiheit. "Wahl" bedeutet aber, sich zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten entscheiden zu können. Sie schaffen aber nur eine Möglichkeit, nämlich den Bezug des Kindergeldes, denn Sie selbst haben gesagt, Sie würden in Ihrem Budget nichts vorsehen, keinen Schilling für eine Kinderbetreuungseinrichtung. – Sie fördern den Berufsausstieg der Frauen, lange Berufsunterbrechungen, und Ihr Modell ist so angelegt, dass Familien und insbesondere bestimmte Gruppen von Frauen zu Versorgungsfällen werden sollen!

Es gibt krasse Ungleichheiten in diesem Gesetz: Es gibt Frauen, die Wochengeld beziehen, aber während dieser Zeit kein Kindergeld beziehen dürfen. Es gibt aber auch Frauen, nämlich Selbständige und Bäuerinnen, die Betriebshilfe und Kindergeld beziehen können. Ist das gleich?

Sie bevorzugen Alleinverdiener-Haushalte – die einzigen Gewinner dieser Regelung –, Alleinverdiener-Haushalte profitieren vom Kindergeld gegenüber jenen Familien, wo beide Partner berufstätig sind und beide ihre Beiträge leisten.

Sie benachteiligen AlleinerzieherInnen ganz eklatant. In Ihrem Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut sprechen Sie davon, dass eine Alleinerzieherin einem überproportionalen Armutsrisiko ausgesetzt ist. Sie verpulvern 10 Milliarden Schilling mehr und haben es aber nicht geschafft, im


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gesamten Paket auch nur eine einzige Regelung zu treffen, wie die Lebenssituation der AlleinerzieherInnen verbessert werden kann.

In Ihrem Aktionspaket haben Sie auch gesagt, das Kindergeld könnte Anreiz sein, dass auch Männer, Väter sich in die Kinderbetreuung einbeziehen lassen. – Vielleicht, wenn Sie eine arbeitsrechtliche Absicherung geschaffen hätten, wenn Sie das Teilzeitkarenz-Modell nicht durch eine Zuverdienstgrenze ausgehöhlt hätten und wenn Sie die flexiblen Karenzgeld-Kontoregelungen übernommen hätten!

Bei Ihnen hört die Familienförderung einfach ab dem dritten Lebensjahr des Kindes auf. Diese Mängelliste, die ich aufgezählt habe, könnte man noch fortsetzen. Die Kritikpunkte im Begutachtungsverfahren haben Sie ignoriert, beim Hearing im Familienausschuss alle Argumente beiseite geschoben, kühl lächelnd, würde ich sogar sagen, einfach ignoriert.

Was tun Sie heute? – Heute fahren Sie drüber! Es ist ja schon auf den Plakaten angekündigt, wie Sie es haben wollen. Sie haben – um es noch einmal festzuhalten – einkommensschwachen Menschen in Österreich mit gelassener Hand – die gelassene Hand des Herrn Bundeskanzlers! – 40 Milliarden Schilling aus der Tasche gezogen. Ihr familienpolitischer Meilenstein ist ein schwerer Mühlstein um den Hals der Väter und der Mütter. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schlusssatz: Weitere Mühlsteine kündigen sich an, denn Ihr Finanzierungskonzept zum Kindergeld gerät ordentlich ins Wanken, das Kindergeld wird auf Dauer nicht finanzierbar sein! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

11.49

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Mertel, Sie haben sich gleich zu Beginn Ihrer Ausführungen eine unglaubliche Entgleisung geleistet. Sie haben Klubobmann Khol mit Torquemada verglichen, der, wie Sie, aber vielleicht nicht alle Zuhörer wissen, ein Großinquisitor und für tausend Blutgerichte zuständig war. – Das zeigt einmal mehr Ihre tief verachtende Einstellung dem politischen Gegner gegenüber und reiht sich nahtlos an andere Ihrer Aussagen an. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist dermaßen tief, dass ich auf andere Äußerungen Ihrerseits gar nicht eingehen will. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nun zur Sache: Die Freiheitliche Partei ist schon vor vielen Jahren unter Jörg Haider angetreten, Österreich zu verändern. Wir haben unsere Ideen propagiert, unter anderem den Kinderbetreuungsscheck, und es ist gut, dass die neue Führung unserer Partei in der ÖVP einen Regierungspartner gefunden hat, der diesen Reformwillen genauso vehement verfolgt wie wir. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin besonders froh darüber, dass sich dieser Reformwille auch auf die Gesellschaftspolitik und die Familienpolitik – das wichtigste Standbein der Gesellschaftspolitik – ausdehnt, denn mit dem heutigen Beschluss zum Kinderbetreuungsgeld werden wirklich neue, großartige Maßstäbe in der österreichischen Familienpolitik gesetzt. Es ist heute wahrlich ein guter Tag für die österreichischen Familien, für die österreichischen Frauen und für die österreichischen Kinder, denn es ist das erste Mal, dass die Betreuungsleistung am Kind und somit das Kind tatsächlich in den Mittelpunkt einer Familienleistung gestellt werden.

Ab 1. Jänner 2002 werden alle Familien, alle Frauen, alle Kinder davon profitieren; Eltern, die versicherungsrechtliche Ansprüche oder ähnliche Ansprüche haben, bereits jetzt. Die Verbesserungen sind wirklich so enorm, dass man nicht oft genug davon sprechen kann: die Erhöhung des Kindergeldes von annähernd 10 Prozent auf 6 000 S, die Verlängerung von 18 plus 6 Monate auf 30 plus 6 Monate, das Dazuverdienen in nicht unbeträchtlicher Höhe, zum ersten Mal


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eine echte Anrechnung von Pensionsversicherungszeiten für Frauen, die Ausdehnung des Personenkreises; AlleinerzieherInnen, Bäuerinnen, Studentinnen, Schülerinnen, geringfügig Beschäftigte, Hausfrauen werden ganz besonders davon profitieren.

Es bleiben auch alle Familienleistungen erhalten – entgegen Ihren Aussagen! Wir erhöhen auch die Familienbeihilfe. Das ist Ihnen wohl entgangen, Herr Kollege Gusenbauer?

Somit bedeutet dieses Kinderbetreuungsgeld eine echte Revolution in der Familienpolitik. Es bedeutet einen Paradigmenwechsel, wie es Professor Schattowitz so schön gesagt hat, der von der österreichischen Bevölkerung sehnlichst erwartet wird. Das sagen jedenfalls die Rückmeldungen, die ich aus der Bevölkerung bekomme. Es wird in Zukunft nicht mehr so sein, dass Mütter von eineinhalbjährigen Kindern gänzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen, was früher Frau Kollegin Petrovic gleich vehement wie wir Freiheitlichen angekreidet hat.

Die Grünen haben schon ein bisschen erkannt, dass die Bevölkerung hinter dieser neuen Maßnahme stehen wird. Frau Kollegin Petrovic hat Anfang des Jahres noch von haarsträubendem Zynismus und Chaos und von makabrer Frauen- und Familienpolitik gesprochen – heute, hier am Rednerpult, hat Sie sich auf Randschauplätze begeben. Sie hat den fehlenden geschlechtsspezifischen Sprachgebrauch in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen gestellt und anhand von haarsträubenden Beispielen nur versucht, sich über die 15 Minuten Redezeit zu retten.

Die sozialdemokratische Emanzenriege unter Frau Prammer und Ihrem Chef Gusenbauer (Zwischenrufe bei der SPÖ) hat hier aber wirklich den Vogel abgeschossen. Nicht nur, dass Herr Kollege Gusenbauer falsche Rechenbeispiele von sich gibt, auch die Argumente aus der Mottenkiste – es sind ja immer wieder dieselben – werden nicht wahrer. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sogar die Expertin im Hearing des Familienausschusses hat eindeutig mit Unwahrheiten agiert. Sie hat behauptet, dass die Wiedereinstiegshilfe gestrichen wird. (Abg. Dr. Mertel: Ist ja gestrichen!) Sie hat behauptet, dass die Teilzeitkarenz gestrichen wird. (Weiterer Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Nein, da haben Sie etwas verwechselt, Frau Kollegin! Es wurde angekreidet, dass jetzt das Arbeitslosengeld gewährt wird und die Notstandshilfe dafür gestrichen wird. Das sind einfach Unwahrheiten!

Frau Kollegin Prammer! Sie und Ihre Partei setzen halt nach wie vor auf verstaubte, überholte Familienpolitik. Sie wollen nach wie vor eine frühestmögliche Trennung der Kinder von den Müttern. Das propagieren Sie ständig. Sie sehen die Frauen irgendwo noch immer als Heldinnen der Arbeit, die ihre Selbstverwirklichung darin sehen, dass sie den ganzen Tag hinter einer "Billa"-Kassa für 8 000 S monatlich sitzen, wovon die Hälfte dann für einen Kindergartenplatz und für Fahrtspesen aufgeht. (Abg. Mag. Prammer: Das ist Ihre Zuverdienstgrenze!)  – Das ist Geschichte! Das wird in Zukunft Schnee von gestern sein, Frau Kollegin Prammer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist keine "Frauenfalle", wie Sie immer sagen. Wo ist denn eine "Frauenfalle" (Abg. Dr. Lichtenberger: Die gesamte FPÖ ist eine Frauenfalle!), wenn Frauen in Zukunft statt eineinhalb Jahre 5 643 S zweieinhalb Jahre und der Vater dann noch dazu ein halbes Jahr 6 000 S pro Monat bekommen?! Und: Man wird ja nicht gezwungen, die gesamte Zeit in Karenz zu gehen. Das muss man voneinander trennen. Im Gegenteil: Durch die Erhöhung der Zuverdienstgrenze können Frauen – und das geht besonders in die sozialdemokratische Richtung – ja animiert werden, Teilzeitbeschäftigungen anzunehmen. Das wird in Zukunft auch der Fall sein. Es gibt diverse Gestaltungsmöglichkeiten, deshalb ist auch eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes von 24 Monaten nicht notwendig, wenn Frauen Teilzeitbeschäftigungen annehmen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. ) Aber vielleicht wissen Sie das nicht, Frau Kollegin Wurm.

Es ist doch wichtig – und das haben gerade Sie immer propagiert –, dass Frauen den Anschluss an das Berufsleben nicht verlieren. Gerade das wird durch die Annahme einer Teilzeitbeschäftigung möglich. Der Grundgedanke war aber überhaupt jener, dass es in Zukunft insge


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samt eine bessere Wahlfreiheit und eben eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben muss.

Es wird auch Impulse für zusätzliche Kinderbetreuungsplätze geben – im privaten Bereich, im ländlichen Bereich durch Tagesmütter –, weil jetzt die Mütter 6 000 S haben werden, um diese Kinderbetreuungseinrichtungen zu bezahlen, und dadurch wird das von Ihnen immer geforderte Recht auf einen Kinderbetreuungsplatz obsolet werden, weil sich das von selber regeln wird. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wie bitte?)

Frau Kollegin Prammer, Sie haben moniert: Wo nimmt man denn Väter in die Verantwortung? Auch da gibt es eine gewaltige Verbesserung: 40 Prozent der Väter werden in Zukunft die Chance beziehungsweise die Möglichkeit haben, bei Reduzierung der Arbeitszeit plus Bezug des Kinderbetreuungsgeldes das gleiche Einkommen zu erreichen, das sie bis dahin hatten. 40 Prozent der österreichischen Väter! Wenn das nicht auch eine Chance für die österreichischen Väter ist, dann weiß ich nicht. Daher verstehe ich auch Ihre Argumentation überhaupt nicht mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eines ist ganz klar: Durch die Erhöhung des Betrages, durch die Verlängerung des Bezuges wird natürlich das Kinderbetreuungsgeld gerade verteilungspolitisch sehr wirksam werden. Es ist ein zusätzliches Einkommen, und es wird auf die Armutsgefährdung der Familien einen positiven Einfluss haben, und zwar deshalb, weil mehr als die Hälfte des Kinderbetreuungsgeldes in das untere Einkommensdrittel fließen wird. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Das sind Fakten!

Ich komme schon zum Schluss und schlage Ihnen vor: Machen wir Österreichs Frauen nicht zu Befehlsempfängern! Lassen wir Österreichs Frauen und Familien selber urteilen, wie sie diese Maßnahme sehen: positiv oder negativ!

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte den Schlusssatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Edith Haller (fortsetzend): Ich bin beim Schlusssatz, Herr Präsident: Ich merke immer wieder und von Tag zu Tag mehr, dass sich die österreichischen Frauen und Familien bereits für diese Maßnahme entschieden haben, und das wird dann letztlich unseren österreichischen Kindern zugute kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

12.00

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Dr. Khol hat sich zwar fleißig mit dem Weihrauchfass betätigt und es über und neben sich geschwenkt, aber die euphorisierende Wirkung auf Ihre eigene Fraktion, Herr Dr. Khol, fehlt, weil die Fraktion fehlt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Vielleicht gelingt es Ihnen, in dieser Debatte auch noch Ihre Fraktion etwas mehr zu euphorisieren, Herr Dr. Khol. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich verstehe es ja, Herr Dr. Khol, dass für ÖVP und FPÖ das Kindergeld – und die Debatte darüber zeigt es deutlich – ein Anlass für einen Freudentag ist. Es passiert bei dieser Regierung sehr selten, ja eigentlich zum ersten Mal, dass sie den Menschen in diesem Land Geld in einer nennenswerten Höhe gibt und ihnen nicht nimmt. Bisher war es so, dass Sie den Menschen in diesem Land Geld weggenommen haben. Jetzt geben Sie ihnen etwas.

Aber um welchen Preis? Das ist die Frage! – Um den Preis, dass die Pensionen, und zwar auch für Frauen, denen Sie das jetzt versprechen, in 20 Jahren nicht mehr gesichert sind. Um den Preis einer Umverteilung zwischen den einzelnen Gesellschaftsgruppen (Abg. Dr. Khol: Das ist ja skurril!), und um den Preis, dass zwar für die ersten drei Lebensjahre des Kindes mehr Geld vorhanden ist, dass aber nach diesen drei Jahren, dann, wenn es um Kinderbetreuungsplätze geht, wenn es um Kinderbetreuung geht, wenn es darum geht, in der Schule und neben der


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Schule Betreuung zu erhalten, gespart wird. Damit schweige ich schon und schneide das Thema Studiengebühren gar nicht mehr an.

Also die Botschaft an die Österreicherinnen und Österreicher durch diese Bundesregierung lautet: In den ersten drei Jahren wird das Kinderhaben billiger beziehungsweise mit Geld abgegolten, aber danach, müsst ihr, liebe Österreicherinnen und Österreicher, liebe Bürgerinnen und Bürger, leider mehr zahlen! – Das ist die einzige Botschaft, die von Ihrer bisherigen Regierungstätigkeit übrig bleibt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Da hilft es nicht viel, wenn Sie, Herr Dr. Khol, das Weihrauchfass zur Beweihräucherung der ÖVP- und FPÖ-Koalition und zur Beweihräucherung der Familienpolitik schwenken. Das hilft den Familien nicht viel. Es hilft den Familien auch nicht viel, wenn Sie ihnen jetzt vermeintlich ein bisschen mehr Geld geben – für manche ist es ja weniger als vorher; aber vielleicht kommen wir darauf noch zu sprechen –, und es hilft den Familien auch nicht viel, weil alle anderen Fragen, die Familien mit Kindern betreffen, die Beziehungen zu Kindern betreffen, völlig ungeklärt sind.

Völlig ungeklärt ist nach wie vor die Frage: Was passiert mit jenen Menschen, die tatsächlich die ersten Jahre mit ihren Kindern verbringen wollen, das aber nicht können, weil sie – beispielsweise als Mann – vom Arbeitgeber her kein Recht haben, diese Betreuung neben der Frau in Anspruch zu nehmen? Da sage ich Ihnen, Herr Sozialminister, auch wenn Sie das abgetan haben, dass das deutsche Modell – dieses war dem österreichischen, das Sie jetzt einführen, noch vor Jahren sehr ähnlich –, das die rot-grüne Koalition eingeführt hat und in welchem vorgesehen ist, dass beide Partner nebeneinander auf bezahlte Karenz gehen können, ein wesentlicher Fortschritt ist, weil es partnerschaftliche Kinderbetreuung ermöglicht.

Wenigstens in diese Richtung hätten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, eine Anstrengung unternehmen können, damit es beiden Partnern möglich ist, bei ihren Kindern zu sein. Vielleicht nicht drei Jahre lang, aber zumindest ein Jahr oder eineinhalb Jahre lang sollten sich beide Partner gemeinsam um ihre Kinder kümmern können. Aber so sind alle Reden, die Sie in den vergangenen Debatten gehalten haben, in denen Sie beklagt haben, dass die Väter in den Familien fehlen, vergebens. Ja, die Väter fehlen wirklich in den Familien!

Aber was tun Sie, damit es jetzt einfacher und besser wird? – Nichts tun Sie, aber auch gar nichts, um partnerschaftliche Kinderbetreuung zu ermöglichen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Dr. Khol stellt sich her und sagt: Das Kinderbetreuungsgeld ist ein wunderbares Mittel und das einzige Mittel, um Familienarmut zu bekämpfen. (Abg. Dr. Khol: Ein Mittel! Ein wichtiges Mittel!) Jetzt sage ich Ihnen etwas: Wissen Sie nicht, Herr Dr. Khol, was sich momentan in Kärnten abspielt? – Dort gibt es einen Entwurf für ein Sozialhilfegesetz, bei dem Ihr Regierungspartner auf Landesebene angekündigt hat, dass alle Landesfamilienleistungen beim Bezug von Sozialhilfe angerechnet werden – also um diesen Betrag wird die Sozialhilfe gekürzt. In diesem Entwurf steht aber noch Folgendes: Alle bundesfamilienpolitischen Leistungen werden angerechnet.

Wissen Sie, was das heißt, Herr Dr. Khol? – Das heißt: Ich erhalte in Kärnten als armer Mensch in Zukunft zwar Kinderbetreuungsgeld, ich erhalte aber, wenn ich wirklich so arm bin, dass ich Sozialhilfe brauche, kein Geld, um meine Kinder und mich ernähren zu können. Das ist die brutale Realität, wie sie in manchen Ländern ausschaut (Beifall bei den Grünen) und die zeigt, in welche Richtung manche Gruppen denken; ob das jetzt die FPÖ in Kärnten ist oder die ÖVP in anderen Bundesländern, wo zwar nicht die Sozialhilfe gestrichen wird, wo aber die Gelder für die Kinderbetreuung gekürzt werden oder wo es gar nicht, wie in Tirol und in Vorarlberg und in einigen anderen westlichen Bundesländern, möglich ist, sein Kind in eine ganztägige Betreuungseinrichtung zu schicken, weil es fast keine Betreuungseinrichtungen gibt, die den ganzen Tag offen haben. Die Kindergärten sind in vielen westlichen Bundesländern nach wie vor über Mittag geschlossen.


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Aber nun zurück zum Argument des Dr. Khol, zu dem ich noch sagen möchte: Im Bundesland Kärnten zumindest ist das Kinderbetreuungsgeld kein Mittel zur Armutsvermeidung, sondern im Gegenteil: Wenn das Kinderbetreuungsgeld kommt, dann werden in Zukunft in Kärnten durch die Streichung der Sozialhilfe oder durch die Kürzung der Sozialhilfe ausgerechnet die Armen bestraft. – Das ist Ihr Konzept! Sie sollten sich für derartige schlimme Entwicklungen, auch wenn Sie sie nur andenken, schämen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist nicht meine Erfindung. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ein zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Schauen wir uns an, was bei den Übergangsbestimmungen los ist! Frau Abgeordnete Zierler ist ja meine Nachfolgerin als Rednerin. Hat sie im Jahre 2000 nicht angekündigt, dass es für alle Eltern, deren Kind nach dem 1. Juli 2000 geboren wird, das neue Kindergeld geben wird?! Hat sie das nicht angekündigt?! Natürlich hat sie das angekündigt, und zwar in der Ausgabe von "NEWS" vom 11. Mai 2000 – damals standen die Wahlen in der Steiermark bevor – hat sie gesagt, am 1. Juli 2000 werde das Kindergeld kommen.

Der Herr Sozialminister, der damals noch als Abgeordneter im Ausschuss mehrmals gesagt hat, dass das Kinderbetreuungsgeld schon ab 1. Juli 2000 kommen werde, hat das auch öffentlich erklärt. Er hat gesagt, für alle Kinder, die nach dem 1. Juli 2000 geboren werden, würden 6 000 S monatlich ausbezahlt. – Jetzt erhalten wir die Briefe, die eigentlich Sie erhalten sollten, und zwar von Eltern, die uns fragen: Es ist doch damals angekündigt worden, dass wir das Kinderbetreuungsgeld erhalten werden. Warum stimmt das jetzt nicht? Warum will die Regierung all jenen, deren Kinder nach dem 1. Juli 2000 geboren wurden, zumindest die Verlängerung nicht zahlen? Warum will sie all jene, die das "Pech" hatten, ihre Kinder "zu früh" zu gebären, ausschließen?

Doch der Herr Sozialminister sagt dazu: Dafür haben wir leider nicht das nötige Geld, das tut uns Leid! Wir hätten das gerne gemacht, aber so traurig ist nun einmal die Realität. Dafür können wir nichts. Egal, ob wir es versprochen haben oder nicht, Übergangsfristen gibt es für diese Gruppen nicht, sie werden von der Bezugsberechtigung ausgeschlossen. – Das ist die Realität!

Aus diesem Grunde bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Dr. Madeleine Petrovic betreffend die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz 1977, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden (620 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes (715 der Beilagen)

Der Nationalrat möge beschließen:

Artikel 1 der Regierungsvorlage (620 d.B.) wird geändert wie folgt:

§ 49 Abs. 1 lautet:

"Dieses Bundesgesetz tritt – mit Ausnahme der §§ 24 Abs. 4 und 38 Abs. 3 – am 1. Jänner 2002 in Kraft und ist für Kinder, die nach diesem Zeitpunkt geboren wurden, in vollem Umfang anzuwenden. Für Kinder, die vor dem 1. Jänner 2002 geboren wurden, bestehen die Restansprüche auf Kinderbetreuungsgeld bis maximal zur Vollendung des 36. Lebensmonats, soweit die sonstigen Voraussetzungen nach diesem Bundesgesetz erfüllt sind."

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Meine Damen und Herren! Für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für die schwierige Situation von Menschen, die tatsächlich partnerschaftlich Kinder betreuen wollen, haben Sie nichts getan – und für Menschen im Übergang ebenfalls nicht. Das ist auch eine Realität! Da können Sie noch so viel Weihrauch um sich verstreuen, Herr Dr. Khol! (Beifall bei den Grünen.)

12.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Mertel, Sie haben Herrn Abgeordneten Khol während Ihrer Ausführungen als "Synonym für Torquemada" hingestellt. – Torquemada ist für die Vernichtung von religiösen Minderheiten im 15. Jahrhundert verantwortlich, und zwar in einer besonders grausamen Art. Daher erteile ich Ihnen für diesen Vergleich einen Ordnungsruf. (Abg. Böhacker: "Das ist auch eine Möglichkeit", Frau Mertel! – Abg. Neudeck: Sie hat das nicht gewusst, wer das ist!)

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

12.11

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze hat die Familienpolitik zu einem Herzstück ihrer Regierungsarbeit gemacht. Federführend ist da die ÖVP familienfest vorgegangen. Weil wir fest zu unseren Familien stehen, weil wir die Wünsche unserer Familien verstehen und weil wir die Sorgen der Familien ernst nehmen, haben wir die Inhalte des Familien-Volksbegehrens erfolgreich umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle, den Verantwortlichen des Österreichischen Familienbundes und auch allen, die mit ihrer Unterschrift eine Unterstützungserklärung abgegeben haben, meinen Dank auszusprechen. Das Familien-Volksbegehren ist somit eines, das erfolgreich abgeschlossen wurde, und wir sagen ein Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Trattner. )

Ich möchte an dieser Stelle aber auch ein Danke allen Beamten und Experten sagen, die am Zustandekommen dieses Kinderbetreuungsgeldgesetzes mitgearbeitet haben. Ich glaube, es war ein hartes Stück Arbeit. Eine zentrale gesellschaftspolitische Weichenstellung ist damit gelungen. Ein Dankeschön auch an Minister Bartenstein und natürlich an Minister Haupt. Sie beide haben gezeigt, wie man kooperative Regierungsarbeit machen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit Jänner 2002 werden – man kann es nicht oft genug wiederholen – 9 Milliarden Schilling direkt an die Familien fließen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagte dazu: Diese Milliarden für das Kinderbetreuungsgeld sind ein goldrichtiger Impuls.

Das Geld kommt Familien zugute, und zwar gerade jenen, die es in der Anfangsphase benötigen. Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes (Zwischenruf des Abg. Schwemlein )  – ihr versteht es noch immer nicht (Abg. Mag. Kogler: Sie sind Opfer Ihrer eigenen Propaganda!)  – in der Höhe von 6 000 S monatlich wird eine jahre-, wenn nicht jahrzehntelange Forderung der ÖVP, die mit der SPÖ nicht umsetzbar war, umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zusätzlich dazu, dass das Familien-Volksbegehren positiv abgeschlossen worden ist, haben wir zum Beispiel auch Maßnahmen im Bereich "Gewalt in den Medien" und auch betreffend Drogen und Sekten gesetzt. All das konnte positiv abgeschlossen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe es schon erwähnt: Ab Jänner 2002 werden jährlich 9 Milliarden Schilling direkt an die Familien fließen. Das Geld kommt allen Familien zugute. Mit diesem Meilenstein zeigen wir von der ÖVP, mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der


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Spitze, dass uns alle Kinder und alle jungen Menschen am Herzen liegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Erstmals werden nicht nur die Betreuungsleistungen der Eltern anerkannt, sondern wird auch die Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung vergrößert. Jungfamilien, die dieses Kinderbetreuungsgeld notwendig brauchen, werden damit eine massive positive Unterstützung erhalten.

Aber wie reagierte die SPÖ darauf? – In einer Pressekonferenz am 21. November 2000 verlangte die SPÖ, die Herren Abgeordneten Gusenbauer und Edlinger, einen Verzicht auf das Karenzgeld für alle. Dies würde einen Spielraum von mindestens 6 Milliarden Schilling in den Jahren 2002 und 2003 bringen.

Das ist ein gravierendes Fehldenken der SPÖ. Parteivorsitzender Gusenbauer versteht nicht, dass das Kinderbetreuungsgeld mit dem Budget an sich nichts zu tun hat, dass dadurch das Budget keineswegs in irgendeiner Form belastet wird. (Abg. Edlinger: Das stimmt überhaupt nicht!) Ich werde Ihnen gleich sagen, warum nicht. Finanziert wird nämlich diese familienpolitische Leistung über den Familienlastenausgleichsfonds (Abg. Edlinger: Der wird zum Teil vom Budget finanziert! Der hat 15 Milliarden Schilling vom Budget!), der mittlerweile im Gegensatz zu fast allen anderen Fonds in Österreich strukturell kein Defizitbringer mehr ist. Dieser Fonds wurde – das wissen Sie auch – in den fünfziger Jahren als zweckgebundener Fonds zur Gebarung im Bundesbudget eingerichtet (Abg. Edlinger: 15 Milliarden vom Budget! Sie wissen es nicht!) Diese Gelder müssen den Kindern gewidmet werden und verursachen kein Budgetdefizit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die SPÖ-Frauenvorsitzende Prammer bezeichnet das Kinderbetreuungsgeld als "frauenfeindliche Maßnahme, die Frauen hinter den Herd zwänge und zu Nur-Hausfrauen mache", heißt es im "FORMAT" 17/01.

Dazu möchte ich anmerken, dass sogar Bundeskanzler Schröder – und ich glaube, er ist SPÖ-nahe – im März dieses Jahres in einem großen Artikel in der "Welt" die Familie beschwor und sagte – ich zitiere exakt –:

"Die vielleicht wichtigste und großartigste Aufgabe jeder Gesellschaft ist es, Kinder großzuziehen." (Beifall bei der ÖVP.)

Und weiters: "Es ist überhaupt kein Verrat an Emanzipation und Frauenbewegung, wenn sich Frauen dafür entscheiden, eine Zeit lang nicht erwerbstätig sein zu wollen, sondern sich auf unbezahlte Arbeit im Haus und Familie konzentrieren." – Nachzulesen in der "Welt".

Die Neo-Abgeordnete Renate Csörgits ist als ÖGB-Frauenvorsitzende für eine Informationsbroschüre verantwortlich, die schlichtweg falsche Informationen und Antworten auf das Kinderbetreuungsgeld gibt. Die Kosten für diese Broschüre tragen Arbeitnehmer beziehungsweise die Mitglieder des ÖGB (Abg. Dr. Khol: Was? Ich zahle das?!), Väter und Mütter, und ich stelle deshalb ab heute meine Beiträge ein. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Vorgangsweise beweist einmal mehr, dass sich die SPÖ und der ÖGB wechselseitig in Geiselhaft halten. Die Überparteilichkeit ist also nicht gegeben.

Das scheint aber noch nicht genug zu sein. SPÖ-Abgeordnete, statt sich hier im Hohen Haus, hier im Parlament der Diskussion zu stellen – das ist schon erwähnt worden, aber das muss man auch jetzt noch einmal erwähnen –, demonstrieren vor dem Parlament mit einer "Mühlsteine-Aktion". Vor einiger Zeit machten Sie eine "Aktion Hürdenabbau".

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie hatten zwanzig Jahre Zeit und noch mehr, etwas zu verändern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir machen Familienpolitik zum Wohle des Kindes! Sie tragen nichts dazu bei, außer dass Sie Entschließungsanträge einbringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Sehr geehrte Mütter und Väter vor den Bildschirmen beziehungsweise in Österreich! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Das Nein der SPÖ zum Kinderbetreuungsgeld würde bedeuten, dass 15 000 Mütter oder Väter nicht oder nicht ganz in den Genuss dieses Kinderbetreuungsgeldes kommen würden. (Abg. Schwemlein: Lassen Sie die Oma grüßen!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sind gegen mehr Geld für die Familien, nämlich 6 000 S im Monat, und damit gegen ein Plus von 80 000 S im Jahr. Ich betone: 80 000 S im Jahr! (Abg. Dr. Cap: Grüße an die Oma!)

Die SPÖ ist auch gegen die Erhöhung der Familienbeihilfe um 100 S. Sie machen lieber ein Modell, das nicht nachvollziehbar ist. Sie sind gegen die Anhebung des Mehrkindzuschlages. Wir wollen, dass die Familien einen um 500 S höheren Mehrkindzuschlag erhalten. (Abg. Dr. Cap: Grüße an die Oma!) Wir wollen mehr Gestaltungs- und Wahlfreiheit durch die viermal so hohe Zuverdienstgrenze. Wir wollen eine Planbarkeit bei der Zuverdienstgrenze, und wir von der Regierungspartei ÖVP treten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. Wir sind für die Förderung des Wiedereinstiegs in den Beruf, wir wollen beides vereinbar machen, weil wir wissen, dass eine Gesellschaft, die auf Kinder verzichtet, grauer, härter und egoistischer wird.

Untersuchungen beweisen, dass sich besonders in den ersten Lebensjahren des Kindes Mütter, aber auch Väter mehr Zeit für ihre Kinder wünschen, jedoch gleichzeitig nicht den Anschluss an das Berufsleben verlieren wollen. Familien brauchen daher nicht nur gute Worte, sie brauchen vor allem gute Taten.

Glück in der Familie ist nicht allein eine Frage des Geldes, und auch Familienpolitik ist nicht allein eine Frage des Geldes, sondern sie ist auch eine Gesellschaftspolitik und eine Lebenspolitik. Wir würden uns freuen, wenn Sie, werte SPÖ und Grüne, Ihre Meinung noch ändern, zustimmen würden und den Familien in Österreich diese soziale Leistung gönnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

12.21

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Familienleistungen, die heute vom Nationalrat beschlossen werden – Kindergeld und Erhöhung der Familienbeihilfe –, sind das zentrale familienpolitische Versprechen dieser Bundesregierung. Damit sind wir angetreten, Österreich neu zu regieren, und wir verwirklichen das heute. Auf diese Leistung bin ich wirklich stolz, denn wir haben sie in Sparzeiten erbracht und in vollem Konsens mit der Wirtschaft und mit den Familienverbänden erzielen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mein Dank geht natürlich an die Initiatoren des Familien-Volksbegehrens, denn ihr Engagement, das von vielen belächelt, ja verlacht worden ist – das muss man auch sagen, wenn man die Wahrheit aussprechen will –, hat gezeigt, dass man in Österreich etwas bewegen kann, wenn man Ideen hat, wenn man Wege aufzeigt, wie man etwas verwirklichen kann, und wenn man auch die Hartnäckigkeit hat, diese Ideen auch gegen politischen Widerstand konkret und mit allem Nachdruck zu vertreten. Daher ein Dankeschön an alle Mütter, Väter, Experten und Wissenschafter, die dieses Familien-Volksbegehren so nachhaltig und erfolgreich unterstützt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein wenig musste ich schmunzeln, Frau Abgeordnete Mertel, als ich gehört habe, dass Sie alles Gute dieser Welt, was Familienleistungen betrifft, roten Kanzlern und roten Familienministern zugeschrieben haben. (Abg. Dr. Mertel: Sie waren doch nicht in der Regierung! Sie waren doch nie dabei! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Aber ich habe es gehört! Darf ich trotzdem sagen: Der Familienlastenausgleichsfonds ist nicht von einem roten Kanzler oder von einem roten Finanzminister, sondern von Julius Raab und von Reinhard Kamitz eingeführt worden (Beifall bei der ÖVP)  – von knallharten Marktwirtschaftern, die ein Herz für die Familien hatten. Da war weit und breit nichts von einem roten Kanzler zu sehen.


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Übrigens: Auch nur der zeitgeschichtlichen Erinnerung nachhelfend, weise ich darauf hin, dass die Volkspartei immerhin 13 Jahre lang die Familienminister dieser Republik gestellt hat (Abg. Huber: Aber nein!)  – zwei sitzen hier im Saal: eine ist Maria Rauch-Kallat, einer ist Martin Bartenstein –, und auch sie haben an diesen Erfolgen einen nicht unerheblichen Anteil; dafür ist auch ihnen zu danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Damit wir uns richtig verstehen und damit ich nicht in Ihr Extrem verfalle: Auch in der Vergangenheit hat es natürlich mit der Hilfe und der Unterstützung von sozialdemokratischen Kanzlern und Finanzministern Verbesserungen für die Familien gegeben – das steht außer Streit –, aber dieser Quantensprung, den wir uns vorgenommen haben, nämlich Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas zu machen, der heute erreicht wird, ist deswegen möglich geworden, weil zwei politische Parteien, die Freiheitlichen und die ÖVP, die hinsichtlich dieser Ziele sehr viel Gemeinsames haben, die Ärmel aufgekrempelt und gemeinsam etwas erarbeitet haben.

Wir haben keinen Wettbewerb der Plakate: Wer ist schöner, wer ist besser? Wir sind gemeinsam stolz darauf, in Österreich etwas Wichtiges bewegt zu haben. Und da brauchen wir uns nicht zu verstecken, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der heutige Beschluss ist ein zentrales Signal, dass der Bundesregierung, dem Nationalrat, der Gesellschaft, den Medien Familien und Kinder wichtig sind. Ich weiß, dass es viele Formen des Zusammenlebens gibt – das ist klar, und das muss in einer offenen, toleranten Gesellschaft auch nachdrücklich anerkannt werden –, aber die Familie verdient und braucht den besonderen Schutz, sie braucht materielle, aber auch geistige, immaterielle Unterstützung. Deswegen ist dieser heutige Beschluss natürlich auch ein Stück Gesellschaftspolitik. Sie nennen das Ideologie. Ich sage: Es ist Gesellschaftspolitik – und darüber lohnt es sich zu reden, vielleicht auch unterschiedliche Auffassungen auszustreiten. (Abg. Huber: Das ist falsche Ideologie!)

Ich stehe zu meinen gesellschaftspolitischen Auffassungen, dass Familien und Kinder zentrale Werte und Institutionen – auch in der heutigen modernen Gesellschaft – sind und bleiben. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist mein und unser gesellschaftspolitisches Credo, dass eine Familie am Anfang, dann, wenn die Familie gegründet wird, wenn die ersten Kinder kommen, besondere Unterstützung braucht. Sie alle sind doch in Familien aufgewachsen und haben vielfach auch selbst Kinder. Sie wissen genau, dass das richtig ist. Wer braucht denn die Unterstützung? – Nicht alle – wir wollen keine Gießkannenpolitik –, sondern einige in ganz bestimmten, zentralen Lebensphasen, in denen sie besondere Zuwendung brauchen. Bei der Gründung einer Familie, dann, wenn das erste Kind kommt, ist man materiell ziemlich schutzlos, da hat man Probleme auf dem Arbeitsmarkt, oft auch mit der eigenen Familie – nicht alle Kinder sind Wunschkinder; wir wissen das –, manche Lebensumstände sind bitter und schmerzlich, und wir wollen da einfach Lasten wegnehmen – auch im Wissen, dass in der heutigen Zeit mehr denn je die Mehrgenerationen-Solidarität erforderlich ist.

Das, was Andreas Khol gesagt hat, war nicht zynisch gemeint, er hat das eher schmerzlich berührt gemeint. Und ich muss sagen: Wenn wir wollen, dass die Älteren nicht ausgegrenzt werden, dann müssen wir doch auch alles dazu tun, dass sich Mütter und Väter in Freiheit für ihre Familien entscheiden können und dass die Wirtschaft, aber auch der Familienfonds dafür die materiellen Grundlagen geben. Das ist wichtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel und Silhavy. )

Sie tun sich ja redlich schwer mit der Argumentation – das anerkenne ich auch durchaus –, denn immerhin sagen sogar Redner der Opposition schmerzlich bewegt: Das sind eben 9 Milliarden Schilling mehr Cash für die Familien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist doch großartig, das muss man doch anerkennen!

Es gibt nicht "die Bundesregierung" – um das auch hier klar zu sagen –, sondern überwiegend wird der Familienfonds solidarisch von der Wirtschaft gespeist. Es kommen auch Budgetbei


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träge dazu, aber überwiegend kommt dieses Geld von der Wirtschaft. Wo in der Welt gibt es das: dass die Klein- und Mittelbetriebe und die Industrie so solidarisch für ein zentrales Anliegen unserer Welt, unserer Gesellschaft eintreten?! – Danke daher der Wirtschaft, dass sie hier mittut und nicht herumkritisiert wie Sie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe mittlerweile – und ich verstehe ja, dass Sie sich da schwer tun (Abg. Schwemlein: Wir tun uns nicht schwer!)  – das vierte SPÖ-Modell im Ohr. Zuerst hieß es, man soll doch das Karenzgeld streichen und dafür ein Grundeinkommen ohne Arbeitsleistung geben. Da muss ich sagen: Eine "großartige" Idee! Was sagen dann – das haben wir heute in der Debatte noch nicht gehört – eigentlich jene Arbeitnehmervertreter dazu, die überwiegend die Beiträge dafür aufbringen müssen? Ist das ein gemeinsam erarbeitetes Konzept? Stehen Sie dazu? – Ich persönlich halte das für höchst problematisch.

Die zweite Idee, die vor allem aus dem ÖGB gekommen ist, und zwar von der Frauen-Gruppe, lautete: Machen wir doch ein einkommensabhängiges Karenzgeld. – Schönheitsfehler: Die Bezieher niedriger Einkommen bekommen weniger, die Bezieher höherer Einkommen bekommen mehr (Abg. Dr. Mertel: Wie beim Arbeitslosengeld!), und die, die es eigentlich brauchen – die Hausfrauen, die Studentinnen, die geringfügig Erwerbstätigen –, bekommen gar nichts. Daher ist dieses Modell zu Recht, muss ich ehrlich sagen, in der Schublade verschwunden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dann war eine Zeit lang davon die Rede, dass man die Überschüsse im Familienfonds – das waren SPÖ-Ideen; ich weise darauf hin! – nicht den Familien geben soll, sondern dass man sie zur Senkung der Lohnnebenkosten verwenden soll. – Das verstehe ich überhaupt nicht, muss ich ehrlich sagen, denn ich will den Familien helfen. Dazu stehen wir, und das setzen wir auch um. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit, der Fairness und auch der gesellschaftspolitischen Grundauffassung.

Sie haben in einem Punkt Recht – das will ich durchaus zugeben –, nämlich dass es auch der Sorge um Kinderbetreuungseinrichtungen bedarf, wenn wir es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ehrlich meinen. Sie kennen aber sehr genau die Kompetenzlage, meine Damen und Herren, und Frau Ex-Minister Prammer weiß es auch: Dafür sind primär die Länder und die Gemeinden zuständig, die sich ja durch die Einführung dieses Kindergeldes Hunderte Millionen, um nicht zu sagen Milliarden, ersparen.

Unter dem Vorsitz von Frau Landeshauptmann Klasnic haben die Bundesländer in der Grazer Burg beschlossen, dass sie genau dieses Thema – Kinderbetreuungseinrichtungen – zu einem Schwerpunkt machen wollen. Die machen das viel realistischer! Unter dem klugen und menschlichen Vorsitz der Frau Landeshauptmann wird dort nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. – Sie können nur kritisieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und überdies – vergessen Sie das nicht; das sei hier erwähnt, denn da sind Sie dann zuständig –: In sechs Ländern ist die SPÖ für Familien und Kinderbetreuungsarbeit zuständig. (Abg. Schwemlein: Und woher kommt das Geld? – Letztklassig!) Nehmen Sie daher diese offen ausgesprochenen Punkte ernst! Das Geld, das erspart wird, kann und soll man ruhig in Kinderbetreuungseinrichtungen investieren. Dann hätten wir alles: mehr Geld für die Familien, die Wahlfreiheit für die Frauen, vor allem für die allein erziehenden Mütter wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten und dazu die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Kinderbetreuungseinrichtungen.

Stimmen Sie mit, dann bekommen Sie alles, was wir gemeinsam wollen sollten! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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12.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Die Redezeit für die nächste Runde wurde einvernehmlich mit 8 Minuten festgelegt. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommen die Mühlsteine!)

12.31

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Haller, wissen Sie, das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Ich persönlich bin stolz darauf, eine emanzipierte Frau zu sein, und die SPÖ ist gemeinsam mit mir sehr stolz darauf, emanzipatorische Politik machen zu können. Das ist der Unterschied! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es reicht Ihnen offensichtlich nicht, was Sie in den ersten 16 Monaten Ihrer Amtszeit für die österreichischen Familien gemacht haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ein paar Stichworte: Streichung der beitragsfreien Mitversicherung in der Krankenversicherung, Studentensteuer, Pensionskürzungen, Ambulanzgebühren. – Die Liste ist so lang; ich habe gar nicht so viel Zeit, all das aufzuzählen, was Sie angeblich im Interesse der österreichischen Familien in diesen letzten 16 Monaten gemacht haben.

Sie sprechen von einem Paradigmenwechsel; das ist auch heute bereits mehrfach angeklungen. Ja, der findet tatsächlich statt! Sie schaffen nämlich das Karenzgeld ersatzlos ab. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso "ersatzlos"?) Sagen Sie die Wahrheit! Machen Sie nicht Bocksprünge, sondern sagen Sie den Menschen die Wahrheit darüber, was hier heute tatsächlich beschlossen werden soll. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit des Abg. Mag. Schweitzer.  – Zwischenrufe der Abgeordneten Haller und Achatz. )

Sie machen es sich sehr, sehr leicht. Sie stellen sich her und sprechen von Wahlfreiheit. (Abg. Mag. Schweitzer: ... Ihre Gedanken! Das ist ja unglaublich!) Die einen sagen: Familie oder Beruf! Das höre ich immer häufiger: Familie oder Beruf. Das ist nicht das, was die Menschen, was die jungen Frauen in Österreich wollen. Sie wollen Familie und Beruf. Sie wollen beides unter einen Hut bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Ihnen heute hinsichtlich dieses Kindergeldes noch vorgeworfen werden muss, bezieht sich ja nicht nur auf die Maßnahme als solche, sondern auch auf das Wie. Und wenn Sie schon uns, den Oppositionsparteien, nicht glauben, dann würde ich Ihnen empfehlen, die Begutachtungsunterlagen noch einmal genau anzuschauen. (Abg. Mag. Schweitzer: ..., sind Sie sehr schwach geworden!) Da heißt es unter anderem – ich zitiere –:

Durch die Begrenzung des Zuverdienstes auf 200 000 S und den Wegfall der Teilzeitkarenz werden besser qualifizierte Frauen aber benachteiligt und Väter nicht mehr gefördert, auch den Karenzurlaub in Anspruch zu nehmen. – Zitatende.

Wissen Sie, wer das geschrieben hat? – Das Finanzministerium! Ihr Finanzministerium hat das im Rahmen der Begutachtung zum Kindergeldgesetz gesagt. Aber nicht einmal dem Finanzministerium wird von Seiten der Regierungsparteien Gehör geschenkt.

Ich habe da einen ganzen Stoß an Papieren mitgebracht; Sie brauchen das nur in Ihren Büros auszugraben. Da sind von Dutzenden von Rechtsanwälten, von der Kammer der Rechtsanwälte und vielen anderen mehr sehr gute, qualifizierte Gutachten gemacht worden, die Sie alle in den Wind geschlagen haben.

Aber kommen wir noch einmal zu den Fakten. Es ist ganz einfach nicht wahr, auch wenn Sie es hundertmal hier sagen: Für den Großteil, für ungefähr die Hälfte der bisherigen Karenzgeldbezieherinnen gibt es nicht mehr Geld, sondern weniger! So weit müssten eigentlich in diesem Haus alle rechnen können, um zu wissen, dass 6 100 S – und 6 100 S haben jetzt immerhin rund 50 Prozent der Karenzgeldbezieherinnen – mehr sind als 6 000 S. Aber Sie stellen die Rechnung auf den Kopf und sagen: 10 Prozent Erhöhung! Sie streichen den Familienzuschlag, und dadurch kürzen Sie für sehr viele Menschen die Leistung.

Sie sprechen von Armutsvermeidung. Ich frage mich wirklich: Ist das Ihre einzige Antwort auf Armutsvermeidung? Was ist mit der schwangeren Studentin? Da gibt es noch keinen Kindergeldanspruch. Was ist nach dem dritten Geburtstag des Kindes – oder eigentlich müsste man sagen: zweieinhalbjährigen Geburtstag des Kindes – einer Studentin? (Abg. Haller: ... einen anderen Stichtag!) Ist die Studentin dann plötzlich nicht mehr arm? Was


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macht sie dann? Was macht sie dann? Welche Überlegungen stellen Sie in dieser Frage an? (Abg. Ing. Westenthaler: Bisher hat sie gar nichts bekommen! Was haben Sie den Studentinnen gegeben? – Null!)  – Wir haben ein Konzept einer bedarfsorientierten Mindestsicherung vorgelegt. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung würde das Problem lösen.

Ich sage Ihnen noch etwas: Nicht jede Studentin ist arm. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist gut so!) Wer glaubt, dass jede Studentin arm ist, der irrt. Und auch nicht jede Hausfrau ist arm. Auch da irren Sie, meine Damen und Herren.

Wenn es um Armutsvermeidung geht, braucht es ein klares Konzept, ein Konzept einer wirklichen Mindestsicherung, das erwerbsorientiert ist. Und dieses Modell haben wir vorgelegt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zierler: Wir sind froh, dass wir einen Frauenminister haben!)

Sie drängen – und das ist ja schon gesagt worden – Frauen aus der Berufstätigkeit mit dieser Auseinanderteilung: hier Geld, da Arbeitsrecht. Eine junge Frau wird sich wundern, wenn sie nach den zweieinhalb Jahren, in denen sie beim Kind ist – und es ist heute schon überall durchgeklungen, dass das eigentlich das ist, was Sie wollen: dass das beides nicht unter einen Hut zu bringen ist –, an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt und plötzlich feststellen muss, dass der Arbeitsplatz weg ist. Das sind die Wahrheiten betreffend Ihren Vorschlag! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist die Wahrheit, nicht: Das sind die Wahrheiten!)

Und ich frage mich auch, was Frau Papházy in der Zwischenzeit getan hat. Ich war auch bei dieser Veranstaltung, die Frau Abgeordnete Petrovic heute schon zitiert hat. Dort hat Frau Papházy gesagt, ja, die freiheitlichen Frauen haben einen sehr, sehr starken Einfluss auf den Sozialminister, und dieser Einfluss wird so stark sein, dass diese Auseinanderteilung – Kündigungsschutz, Zuverdienstgrenze und so weiter – ganz sicher noch fallen wird. Wer hat sich jetzt wirklich durchgesetzt, meine Damen und Herren?

Gerechte Familienförderung sieht anders aus, und ein modernes Karenzrecht sieht ebenfalls anders aus. Das kann ich Ihnen wirklich ins Stammbuch schreiben!

Von wegen Urheberstreit: Ich kann als Kronzeugin auftreten. Nicht die Freiheitlichen haben gewonnen, die ÖVP hat gewonnen. Die ÖVP in Oberösterreich und Landesrat Hiesl waren die Ersten, die mit dieser ominösen Idee gekommen sind. (Demonstrativer Beifall des Abg. Großruck. ) Er hat eine zweite im "Busch": die Familienbesteuerung. Damit geht er schon wieder überall durchs Land. (Abg. Neudeck: Haben Sie einen Vorschlag?)

Das, was andere Länder, wie zum Beispiel Deutschland, tun, um jetzt wieder auf einen vernünftigen, modernen Weg zu kommen, ist: erstens: ein einkommensabhängiges Karenzgeld, zweitens: weg von der Familienbesteuerung. Genau da fangen Sie zu drehen an – zurück in die Vergangenheit! Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, gehen zurück in die Vergangenheit, niemand anderer! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie reden so oft über Norwegen. Ja, in Norwegen hat die konservative Regierung Kindergeld über zweieinhalb Jahre eingeführt. Nur, Sie verschweigen die Hälfte: Dort hat man das einkommensabhängige Karenzgeld nicht außer Kraft gesetzt. In Norwegen können sich Mütter und Väter entscheiden: die ersten 42 Wochen 100 Prozent Einkommensersatz oder die ersten 52 Wochen 80 Prozent Einkommensersatz. Auch Norwegen, das Sie immer als Beispiel bringen, ist einen ganz anderen Weg gegangen.

Nur: Was hat das Kindergeld dort bewirkt?; das befürchten wir nämlich auch für Österreich. Die Kommunen haben sich zurückgelehnt und gemeint: Jetzt gibt es ohnehin dieses Geld, ihr könnt es euch abholen. Bleibt zu Hause und betreut eure Kinder selber! – Und damit sind die Kinderbetreuungseinrichtungen preislich enorm gestiegen. Die jungen Familien dort können sich die Kinderbetreuungsplätze fast nicht mehr leisten. Ich prophezeie Ihnen, dass das auch in Österreich so sein wird. Jene Menschen, jene Mütter, jene Väter, die die Kinderbetreuung brauchen, werden sich diese nicht mehr leisten können.


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Unser Weg ist ein anderer: ein modernes Karenzrecht, ein Miteinander der Geschlechter. Gemeinsam das Beste für das Kind – das ist ein Konzept für die Zukunft, und nicht, die Mütter an den Herd zurückzudrängen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Ein Konzept haben Sie aber nicht vorgestellt!)

12.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zierler. – Bitte.

12.40

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Verehrte Bundesminister! Hohes Haus! Erlauben Sie mir, dass ich mit einem Zitat von Oscar Wilde beginne, das mir nach den letzten Reden sehr passend erscheint: Der Welt größter Rebell ist die Frau in ständigem Aufruhr gegen sich selbst. – Das, meine sehr geehrte Damen von der SPÖ, haben Sie hier klar und deutlich bewiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist manchmal auch etwas peinlich, wenn man immer Kolleginnen anderer Parteien korrigieren, ja vielleicht sogar belehren muss. Aber wenn Frau Kollegin Prammer davon spricht, dass das Karenzgeld ersatzlos gestrichen wird, dann muss ich dem entgegnen: Ja, das Karenzgeld wird gestrichen, aber nicht ersatzlos. Es wird durch ein sehr viel besseres Modell ersetzt, also kann man nicht von gestrichen reden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Mertel, der es ja gelungen ist, in einer Rede gleich zwei geschichtliche Fauxpas zu produzieren, hat gesagt: Die Freiheitliche Partei spricht von Wahlfreiheit. – Frau Kollegin, Ihnen sei gesagt: Wir sprechen nicht von Wahlfreiheit, sondern wir schaffen Wahlfreiheit! Und das ist uns gelungen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege – oder: Herr Genosse  – Gusenbauer, der ja leider immer nur dann anwesend ist, wenn er einen Auftritt hat, und nachher nicht mehr, hat gemeint: Sie sollten an die Frauen denken und nicht an die Ideologie. – Ihm sei ins Stammbuch geschrieben – um Sie zu zitieren, Frau Kollegin Prammer –: Wir denken an die Frauen, und das ist die neue Familienpolitik in Österreich!

Die SPÖ ist sehr aufgeregt und hat jetzt plötzlich einen chaotischen Fleiß entwickelt. Sie präsentiert ein Modell nach dem anderen, nach dem Motto: Die Menge macht’s! Aber das ist es nicht. Die SPÖ hat 30 Jahre lang Zeit gehabt, hat alle familienpolitischen Maßnahmen versäumt, hat bei den Familien eingespart, hat Familienleistungen gekürzt, und der neue Vorschlag, auch von Herrn Klubobmann Cap in der "Pressestunde", lautet: Alles Geld in die Kinderbetreuungseinrichtungen!

Also wieder einmal die rote Ideologie, der Gedanke: Wie ermögliche ich es den Frauen, ihre Kinder so schnell wie möglich abzugeben?

Herr Kollege Cap, da hilft auch das Taferl nichts, das Sie in der "Pressestunde" mithatten. Sie haben da eine sehr gute Idee unseres Kärntner Landeshauptmannes aufgegriffen, aber eine Kopie ist eben immer schlechter als das Original. Und so ist es auch mit Ihrem Modell des "Karenzgeldes plus". (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Modell der ÖGB-Frauen wurde heute schon mehrmals angesprochen: einkommensabhängig, Arme werden ärmer, Reiche werden reicher, und jene, die nicht gearbeitet haben – und das steht auch so drinnen –, bekommen nichts. Da möchte ich Sie schon fragen: Wie definieren Sie eigentlich "Arbeit"? Wie definieren Sie die Arbeit von Frauen, wie definieren Sie die Arbeit von Hausfrauen, von Müttern? – Das ist für Sie keine Arbeit. Daher hatten diese Frauen nach Ihren Modellen und nach der Politik der letzten Jahre keinen Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung. Sie hatten keinen Anspruch auf Karenzgeld, Frau Kollegin Prammer; das ist gestrichen worden. Es gibt jetzt das Kindergeld, und alle Frauen in Österreich haben einen Anspruch auf dieses Kindergeld! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Herr Genosse Gusenbauer hat zum Beispiel auch wegen der Teilzeitkarenz gejammert. Da frage ich mich schon: Ist er diesbezüglich ausreichend informiert? Kennt er überhaupt die entsprechenden Zahlen? Es waren nicht einmal 4 Prozent der Frauen, die Teilzeitkarenz in Anspruch genommen haben – und außerdem sei ihm gesagt, dass es diese Möglichkeit auch jetzt noch gibt.

Oder die Väterkarenz: Sämtliche Maßnahmen der SPÖ waren umsonst. Verzeihen Sie, das Wort "umsonst" ist hier nicht richtig: Sie waren vergeblich. Millionen und Abermillionen haben Sie in Kampagnen investiert. Jeder erinnert sich an die Aktion Halbe/Halbe. Das hat ein Vermögen gekostet, und das Ergebnis war: 1,6 bis 1,8 Prozent der Väter gingen in Karenz.

Es wurde heute auch immer wieder der Armutsbericht angesprochen. Ich nehme an, Sie wissen, welchen Zeitraum dieser Armutsbericht betrifft und wer für diese Situation in Österreich verantwortlich ist. Und ich hoffe, Sie wissen auch, wer am meisten davon betroffen ist: kinderreiche Familien, AlleinerzieherInnen. Und dem werden wir entgegenwirken! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Petrovic hat kritisiert, dass die weiblichen Bezeichnungen im Gesetzentwurf fehlen. (Abg. Kiss: Das war ihre erste Sorge!)  – Sie ist leider auch nicht mehr da. Das Interesse an der Diskussion hält sich bei den Oppositionsparteien wahrlich in Grenzen. – Ich möchte der Kollegin Petrovic Recht geben, aber ich weise darauf hin, dass eine Bezeichnung auf einem Blatt Papier keine Unterstützung für die österreichischen Familien darstellt. Ich glaube, darüber eine monatelange Diskussion zu führen, wird den Österreichern nicht wirklich helfen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die SPÖ in der Regierung hat die Familienpolitik vernachlässigt, Frauen in zwei Klassen eingeteilt, und sie versucht jetzt – allerdings sehr erfolglos –, das Kindergeld madig zu machen. Ich kenne keine SPÖ-Frau in Kärnten – wo das Kindergeld jetzt schon ausbezahlt wird –, ich kenne keine SPÖ-Frau in Öblarn, wo das Kindergeld jetzt schon ausbezahlt wird, übrigens auch keine Grüne, die das Kindergeld nicht in Anspruch nehmen würde, die das Kindergeld als Nachteil empfindet. (Abg. Jäger: Eine!) Ich kenne keine, es gibt keine Frau, die dieses Kindergeld ablehnt!

Hätten Sie mehr Bürgernähe, würden Sie die Stimmung in Österreich kennen, dann wüssten Sie, wie die Familienpolitik dieser neuen Regierung aufgenommen wird – Sie können dazu auch eine Studie im "FORMAT" nachlesen –, dann wüssten Sie, dass es eine breite Rückendeckung quer durch alle Parteien gibt. Aber da Sie die Bürgernähe nicht haben, möchte ich Ihnen einen Brief einer jungen Frau aus Wien vorlesen – Name und Adresse sind bekannt –, die schreibt:

Anliegen einer allein erziehenden Mutter und vieler anderer Mütter. Ich bin 33 Jahre alt, Mutter einer achtjährigen Tochter, eines zweijährigen Sohnes. Ich begrüße die Einführung des Kindergeldes, denn da habe ich die Möglichkeit, bei meinen Kindern zu bleiben, was ich gerne möchte. Ich kenne Dutzende Mütter, die dasselbe wollen. Es sollte nur noch länger dauern als drei Jahre. – Zitatende. (Abg. Silhavy: Aber die Dame bekommt nicht mehr!)

Sie hatte große Probleme. Ihr Kind musste mit eineinhalb Jahren in die Kinderkrippe. Ihre Karenzzeit war aus. Dem Kind ging es schlecht, es hatte große Probleme, sich einzugewöhnen. Betreuerinnen wurden abgezogen, neue kamen. Jeder hat versucht, dem Kind seine Art von Erziehung zu vermitteln, schreibt sie. Anders wäre es, könnte ich mein Kind zu Hause haben.

Das ist stellvertretend für sehr, sehr viele Frauen in Österreich, für viele Mütter, und das ist ein Wunsch dieser Frau gewesen.

Unterstützen Sie uns, tun Sie etwas dafür! Wir tun es. Wir haben die finanziellen Zuwendungen um 357 S monatlich erhöht. Wir haben die Bezugsdauer erhöht, und vor allen Dingen bekommen alle Frauen in Österreich ab Jänner des nächsten Jahres das Kinderbetreuungsgeld. Wir machen keine Zwei-Klassen-Politik! Alle Frauen: Bäuerinnen, Hausfrauen, selbständig Erwerbstätige, geringfügig Beschäftigte, Studentinnen; alle Frauen bekommen dieses Kindergeld.


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Die FPÖ hat zehn Jahre lang dafür gekämpft – und hat ihr Versprechen gehalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

12.48

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Zierler, es wird einfach nicht wahrer, auch wenn Sie es noch hundertmal wiederholen, dass alle Frauen in Österreich dieses Kinderbetreuungsgeld erhalten. Einige von uns haben heute schon versucht, Ihnen klarzumachen, dass Sie hier die Unwahrheit sagen. Es stimmt einfach nicht!

Es stimmt zum Beispiel nicht – das hat meine Kollegin Petrovic schon ausgeführt –, dass jede Frau das bekommt. Wenn sie zu viel verdient, dann bekommt sie es nicht. Wenn sie es noch dazu partnerschaftlich aufteilen will und zu viel verdient, dann bekommt sie schon gar nichts. (Abg. Kiss: Was kriegt sie jetzt? Beantworten Sie die Frage! Was kriegt sie jetzt? Antworten, nicht immer nur Worthülsen!)

Sie behaupten außerdem immer, jedes Kind bekommt dieses Kinderbetreuungsgeld. Das stimmt doch auch nicht. Das wissen Sie, wenn Sie den Gesetzentwurf genau gelesen haben. Jedes Kind bekommt das Geld nicht! Wenn es zum Beispiel Zwillinge oder Drillinge gibt, dann bekommt diese Familie nur einmal 6 000 S und nicht zwei- oder dreimal.

Und was ist, wenn eine Familie innerhalb dieser drei Jahre zuerst das eine Kind bekommt, durch welches der Anspruch begründet wird, und dann ein zweites Kind? Bekommt diese Familie dann zweimal 6 000 S? – Nein, Frau Kollegin Zierler! Nein, Frau Kollegin Steibl! Nein, Herr Bundeskanzler! (Abg. Dr. Martin Graf: Ist das ein Zusatzantrag?) Sie bekommt nur einmal 6 000 S. Das heißt doch nicht, dass alle Frauen das Kindergeld bekommen. Sagen Sie doch endlich die Wahrheit! Sagen Sie, dass das nicht stimmt! Sagen Sie doch endlich, dass das, was Sie ständig sagen, einfach nicht stimmt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mir scheint, Sie sind da sozusagen Opfer Ihrer eigenen Propaganda geworden. Auch Klubobmann Khol hat gesagt, dass das jedes Kind bekommt, jede Frau bekommt. Herr Klubobmann! Die eigene Propaganda ist gut und schön, aber dass Sie in die Fußstapfen der Freiheitlichen treten und hier sagen: Das stimmt alles, was die sagen!, das wundert mich schon. Geben Sie doch zu, dass es nicht stimmt! Geben Sie zu, dass nicht jedes Kind und nicht jede Familie das bekommt! (Abg. Dr. Khol: Jede Familie!)

Herr Klubobmann Khol! Sie haben gesagt, jeder kann es bekommen. Ich habe Ihnen genau zugehört. Die Kann-Bestimmung heißt, da gibt es zahlreiche Ausnahmen: zum Beispiel, wenn beide zu viel verdienen. Oder wenn – und das muss doch gerade Ihnen ein Anliegen sein – Selbständige, die zu Jahresanfang noch nicht genau wissen, wie hoch ihr Einkommen zu Jahresende sein wird, zufällig noch vor Jahresende einen großen Auftrag haben. Die müssen dann alles zurückzahlen? Das ist wirklich sehr "sozial" und sehr "förderlich" für die Familien!

Der Herr Bundeskanzler hat außerdem gesagt, dass Österreich damit zum familienfreundlichsten Land Europas gemacht werde. Herr Bundeskanzler! Sie haben weiters gesagt, Sie wissen, dass es viele Formen des Zusammenlebens gebe, das müsse man in einer offenen Gesellschaft anerkennen, und dass die Familie Schutz brauche. Sie haben nicht genau gesagt, welche Familien Sie meinen. Ich nehme aber an, Sie meinen ein gewisses Familienbild, das auch in den Köpfen der ÖVP und der FPÖ so verankert ist, dass Sie es gar nicht wagen, öffentlich auch ein anderes Familienbild zu propagieren. (Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Heutzutage sind nämlich Familien viel mehr als Vater, Mutter und einige Kinder. Mittlerweile sagen Sie, Alleinerzieherinnen sind vielleicht auch schon Familien. Mir ist nicht ganz klar, ob Sie


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das wirklich so sehen, aber diese Richtung erkennen Sie vielleicht an. In Ihren Köpfen aber sind Familien immer noch vorrangig verheiratete Paare mit Kindern.

Sie sollten moderne Familien anerkennen, so breit, wie sie auch in dieser Gesellschaft vertreten sind (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), so breit, wie es zum Beispiel auch im Bericht des Europaparlaments, der heute dort diskutiert wird, über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union steht. Dort heißt es zum Beispiel, dass die Zahl der nicht traditionellen Familien und Alleinerziehenden in den Mitgliedstaaten ständig ansteigt. Sie sollten das anerkennen und sollten nicht nur das traditionelle Familienbild anerkennen, sondern zum Beispiel auch Familien, in denen es lesbische und schwule Eltern gibt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da fragen Sie: Wie soll denn das gehen? – Sie wissen das ganz genau, und Sie kennen wahrscheinlich selber lesbische Paare und schwule Paare, die mit Kindern zusammenleben, die eigene Kinder haben. Wie schaut es denn mit denen aus? Hat die Partnerin einer lesbischen Mutter auch das Recht auf das Kinderbetreuungsgeld, oder ist das für Sie keine Familie? Sagen Sie dann: Nein, Familien sind nur Verschiedengeschlechtliche, sind, wenn überhaupt, nur Verheiratete!? Kann diese Frau die sechs Monate in Anspruch nehmen oder nicht? – Diese Antwort würde ich gerne noch von Ihnen hören. (Abg. Achatz: Ganz klar und bewusst: Nein! Ganz klar: Nein!)

Ganz klar: Nein. – Das heißt, Sie diskriminieren Familien. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das heißt, Sie diskriminieren Familien, und Sie verstoßen damit ganz eindeutig gegen die Grundrechtscharta der Europäischen Union, die auch Sie, Herr Bundeskanzler, zumindest zur Kenntnis genommen haben. (Widerspruch bei dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundeskanzler Dr. Schüssel. )

Dort heißt es nämlich in Art. 21 – ich darf es Ihnen vorlesen –: Diskriminierungen, insbesondere – und dann werden viele aufgezählt – Diskriminierungen auf Grund der sexuellen Ausrichtung, sind verboten. (Abg. Dr. Khol: Dann ist es keine Familie! – Abg. Mag. Schweitzer: Dann sind es keine Familien! Es geht ja um Familien!)

Wenn Sie das ernst nehmen, meine Damen und Herren, dann gibt es Familien, in denen eben zwei Frauen Eltern sind, Familien, in denen zwei Männer Eltern sind, weil sie Kinder haben. Die gibt es. Die gibt es auch in diesem Land, auch wenn Sie es vielleicht nicht glauben wollen. Ich kenne einige davon, und die haben genauso das Recht, als Familie anerkannt zu werden, und die haben das Recht, Kinderbetreuungsgeld zu erhalten. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit bei der ÖVP.) Deswegen gilt auch hier: Sie diskriminieren, und es gibt dieses Kinderbetreuungsgeld nicht für alle. (Abg. Mag. Kukacka: Zwei Frauen können keine Kinder haben! Eine lächerliche Argumentation! Zwei Frauen als Eltern gibt es nicht!)

Vielleicht sollte ich Ihnen noch einen Passus vorlesen. Dass in dieser Grundrechtscharta steht, dass diese Diskriminierung verboten wird, das habe ich schon zitiert. In dem


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Entschließungsantrag, der ebenfalls heute im Europaparlament diskutiert wird und bezüglich dessen es interessant sein wird, wie die Europäische Volkspartei, die Christdemokraten sich verhalten – im Ausschuss haben sie sich der Stimme enthalten; ich bin neugierig, ob die Christdemokraten morgen bei der Abstimmung zustimmen werden –, in diesem Antrag steht nämlich auch drinnen, dass Diskriminierung auf Grund der sexuellen Ausrichtung im Straf- oder Zivilgesetzbuch zu verbieten und zu verurteilen ist, und zwar in jedem Mitgliedstaat.

Das heißt, wenn die Europäische Volkspartei, wenn das Europaparlament dem zustimmen wird, dann ist es wieder einmal so, dass Österreich als Mitgliedsland der Europäischen Union diese Grundrechte nicht einhält.

Meine Damen und Herren! Um Ihnen die Chance zu geben, ein Signal zu setzen, dass Sie dennoch bereit sind, die Grundrechte in der Europäischen Union einzuhalten, bringe ich hiermit einen Entschließungsantrag ein, in dem es darum geht, das Urlaubsrecht abzuändern. Etwas ganz Einfaches: das Urlaubsrecht, das Pflegeurlaub für erkrankte Familienangehörige regelt.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Dr. Petrovic, Mag. Lunacek, Freundinnen und Freunde betreffend Änderung des Urlaubsrechtes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine gesetzliche Neuregelung des Urlaubsrechtes wie folgt vorzulegen:

In § 16 Abs. 1 letzter Satz ist vor dem Wort "Lebensgemeinschaft" der Ausdruck "verschieden- oder gleichgeschlechtliche" einzusetzen.

*****

Ich hoffe, Sie stimmen dem zu. (Beifall bei den Grünen.)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

12.57

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Lunacek, einen Irrtum muss ich aufklären: Nicht das Kind bekommt das Kindergeld, sondern – es heißt ja "Kinderbetreuungsgeld" – die Mutter oder der Vater bekommt das Kinderbetreuungsgeld. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Jede Familie oder jede Mutter oder jeder Vater hat die Möglichkeit, das Einkommen so zu gestalten, dass das Jahreseinkommen unter der Grenze von 200 000 S bleibt. Bisher lag die Einkommensgrenze bei unter 50 000 S pro Jahr oder 4 000 S im Monat. Die jetzige Regelung stellt eine beträchtliche Ausweitung dar.

Sie dürfen auch nicht vergessen, dass bisher 11 Prozent der Mütter oder Väter bei der Geburt eines Kindes kein Karenzgeld bezogen haben. Der Prozentsatz wird sehr klein sein, ja es wird ein Promillesatz von Fällen sein, in denen ein entsprechendes Einkommen vorhanden ist, das nicht aufgegeben wird und wo daher kein Bezug von Kinderbetreuungsgeld möglich sein wird.

Anspruch auf Karenzgeld ist bisher an ein unselbständiges Beschäftigungsverhältnis gebunden gewesen. Das war die große soziale Ungerechtigkeit. Studentinnen, Schülerinnen, Hausfrauen – und in der Regel waren es Hausfrauen mit mehreren Kindern –, die zwei oder drei Kinder haben, sind nicht mehr in der Lage, nebenbei noch eine Beschäftigung aufzunehmen, auch keine Teilzeitbeschäftigung. Diese Frauen haben für kein weiteres Kind Karenzgeld bezogen, obwohl sie vielleicht auch vor dem ersten Kind in einem Arbeitsverhältnis standen.

Ich muss wirklich sagen, dieser heutige Gesetzesbeschluss ist ein großer Schritt, ein Meilenstein in Richtung mehr Gerechtigkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Ein Mühlstein!)

Die Karenzgeldfinanzierung wurde im Jahre 1979, damals mit 25 Prozent aus dem Familienlastenausgleich, begonnen, ist später auf 50 Prozent und dann auf 70 Prozent erhöht worden. Beim Kinderbetreuungsgeld werden 100 Prozent aus dem Familienlastenausgleichsfonds bezahlt. Damit ist es keine Versicherungsleistung mehr, sondern eine Leistung der Gesellschaft. Es heißt ja Familienlastenausgleichsfonds!

Ich habe schon erwähnt, die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung ist jetzt viel besser, denn bisher musste man, wollte man Karenzgeld beziehen, unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Wir haben sehr viele solcher Fälle. Eine junge Bäuerin etwa, die vorher in einem Arbeits


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verhältnis stand und dann geheiratet hat, hat, wenn der Einheitswert höher als 54 000 S war, wenn das Einkommen also als über der Geringfügigkeitsgrenze liegend angesehen worden ist, kein Karenzgeld bekommen. Sie hat alle ihre Beiträge vorher bezahlt, aber dann kein Karenzgeld bekommen. Und das war bisher wirklich eine große Ungerechtigkeit.

Aus budgetärer Sicht hat sich das Karenzgeld schon längst von der Versicherungsleistung verabschiedet. Aus diesen Gründen ist das auch ein Beitrag für armutsgefährdete Personen.

Im Armutsbericht wird immer wieder, jährlich, erwähnt, dass kinderreiche Familien sehr oft unter die Armutsgrenze fallen. Das kann doch nicht das Ziel einer Gesetzgebung sein! Kinder sind ein so wertvoller Bestandteil unserer Gesellschaft! Wir haben in den letzten zehn, 20, 30 Jahren leider einen sehr starken Rückgang bei der Kinderzahl zu verzeichnen. Im Durchschnitt gibt es pro Familie nur noch 1,2 Kinder. Gott sei Dank gibt es eine Berufsgruppe, die ich hier besonders erwähnen möchte, und zwar die Bäuerinnen und Bauern, die im Durchschnitt noch drei Kinder pro Familie haben. Kein sterbender Staat zu sein, davon lebt Österreich.

Wir haben aus diesen Gründen in den letzten Jahren wirklich gezielt in diese Richtung gearbeitet. Ich erinnere an die Steuerreform 1999. Es war damals ein harter Kampf gegen den vormaligen Koalitionspartner SPÖ darum, die Kinder im Steuerrecht besser berücksichtigen zu können. Es kam uns der Verfassungsgerichtshof zu Hilfe, der auch festgestellt hat, dass die Kinder im Steuerrecht eine entsprechende Berücksichtigung finden müssen.

Wir haben im Jahre 1999 Leistungen für die Kinder im Ausmaß von 12,6 Milliarden Schilling beschlossen. Und wenn jetzt noch 9 Milliarden Schilling dazukommen, so sind es innerhalb von drei Jahren immerhin mehr als 20 Milliarden Schilling, die wir für die Familien, für die Kinder aus dem Familienlastenausgleichsfonds und aus dem Budget bezahlen.

Eine Familie – und das merken Sie sich bitte – mit drei Kindern wird im Jahre 2003 um rund 28 000 S jährlich mehr bekommen, als sie noch 1998 bekommen hat (Abg. Dr. Mertel: Mit drei Kindern 5 300 S weniger!), weil wir neben dem Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 6 000 S den Mehrkindzuschlag ab dem dritten Kind in der Familie von 400 S auf 500 S angehoben haben. Und im Jahre 2003 wird es für Kinder ab drei Jahren einen weiteren Zuschlag von 100 S pro Monat oder 1 200 S im Jahr geben.

Der Vorschlag des SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer: kein Karenzgeld für Schülerinnen, keines für Studentinnen, keines für kinderreiche Hausfrauen, keines für Bäuerinnen, keines für Selbständige, dafür aber die Familienbeihilfe um 5 000 S im Jahr zu erhöhen, ist wirklich kein Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit. Aber dieser Vorschlag dürfte selbst in der SPÖ nicht abgesprochen sein, denn ich habe hier eine Aussendung des Gewerkschaftsbundes, wonach Sie ein gestaffeltes Karenzgeld verlangen: Wer viel verdient, soll viel Karenzgeld bekommen. Also wer etwa 36 000 S verdient, soll 15 087 S Karenzgeld bekommen. Wer wenig verdient, soll ein wesentlich geringeres Karenzgeld, und wer nichts verdient, soll überhaupt kein Karenzgeld bekommen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben uns aber auch Gedanken darüber gemacht, wie wir die Kinderbetreuung vor allem auf dem Land verbessern können. Wir haben eine gemeinsame Aktion mit den Bäuerinnen und dem Österreichischen Hilfswerk geplant. Wir wollen, dass Bäuerinnen einem Nebenerwerb nachgehen können, indem sie sich pädagogisch schulen lassen und Schulkinder oder auch kleinere Kinder am Bauernhof aufnehmen können, also sozusagen eine Tagesmütterregelung. Wir werden versuchen, flächendeckend in Österreich zusätzliche Kleinkinderbetreuungsplätze zu schaffen, damit die Frau neben dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes zumindest in Form einer Teilzeitbeschäftigung berufstätig sein kann. Wir haben in Österreich eine sehr positive Entwicklung bei den Tagesmüttern: Fast jedes Jahr verdoppelt sich die Anzahl der Tagesmütter in Österreich.

Ich glaube, dieser Gesetzesbeschluss, den wir heute in diesem Haus fassen, ist ein sehr großer Meilenstein in Bezug auf mehr Gerechtigkeit für die Familien und auch ein großer Meilenstein insofern, als alle Frauen – oder Männer – in Österreich im Falle der Geburt eines Kindes in Zukunft das Kinderbetreuungsgeld bekommen können.


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Wir freuen uns – da wir für die Bäuerinnen seit Jahrzehnten dafür gekämpft und 1990 als ersten Schritt die Teilzeitbeihilfe erreicht haben –, dass nun in diesem Bereich volle soziale Gerechtigkeit und soziale Gleichheit hergestellt werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

13.06

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch einige Dinge ergänzen. Es ist sehr viel über die Kinderbetreuungseinrichtungen gesprochen worden und von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion an die Adresse der Bundesregierung der Vorwurf gekommen, dass für diesen Bereich von Seiten der Bundesregierung nicht mehr vorgesorgt wird.

Ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren, vor allem Frau Kollegin Prammer, darauf aufmerksam machen, dass es im Rahmen des AMS ein eigenes Programm für Wiedereinsteigerinnen gibt, das eine umfangreiche Liste von besonderen Maßnahmen für Frauen umfasst, damit sie im Berufsleben wieder besser Fuß fassen können als in der Vergangenheit, und dass im Rahmen dieses Programms eine Kinderbetreuungsbeihilfe für 16 000 Förderungsfälle im Jahre 2000 und nach den heutigen Schätzungen auch für das heurige Jahr etwa in diesem Ausmaß vorgesehen ist. Das sind etwa 115,8 Millionen Schilling im vorigen Jahr und im heurigen Jahr etwa 120 Millionen Schilling an Bundesmitteln, die für die Ausweitung der Öffnungszeiten und für die Verbesserungen bei Kinderbetreuungseinrichtungen aufgewendet werden.

Darüber hinaus will ich Ihnen sagen, dass das Arbeitsmarktservice im Jahre 2000 120 Millionen Schilling für die Verbesserung der Situation von Kinderbetreuungseinrichtungen aufgewendet hat und im Jahre 2001 150 Millionen Schilling aufwenden wird, um zusätzliche Förderungsmaßnahmen für Wiedereinsteigerinnen in das Berufsleben zu setzen.

Man kann also sagen, dass beide Maßnahmen zusammen etwa ein Drittel des Volumens der Kindergartenmilliarde ausmachen werden, die in der Vergangenheit für diese Zwecke vorhanden war, weil im ersten Jahr bekanntermaßen die Kindergartenmilliarde keine Milliarde an Bundesmitteln bedurfte, sondern nur 586 Millionen, und im zweiten Jahr auch nur annähernd 600 Millionen. Ich kann also feststellen, dass der Bund zwar nicht mehr Mittel in der gleichen Höhe aufwendet, aber durchaus auch Maßnahmen in seinem Bereich setzt, die auf Grund der Verfassungslage und des Föderalismus eigentlich den Ländern und den Gemeinden zukommen würden.

Zum Zweiten, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich noch darauf hinweisen, dass mit dem Kinderbetreuungsgeld auch eine wichtige gesundheitspolitische Maßnahme getroffen wird, nämlich die verpflichtende Teilnahme am Mutter-Kind-Pass und eine zusätzliche Untersuchung im Rahmen des Mutter-Kind-Passes im fünften Lebensjahr des Kindes, die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und aus dem Familienlastenausgleichsfonds bezahlt wird.

Die Philosophie dahinter ist klar: Die Impfmüdigkeit in der österreichischen Bevölkerung muss wieder beseitigt werden. Es gibt in wichtigen Bereichen, etwa bei Poliomyelitis, also bei der Kinderlähmung, eine unzureichende Durchimpfungsrate unserer Bevölkerung. Weiters ist festzustellen, dass die Eingangsuntersuchungen im Rahmen des Schuleintrittes oftmals zu spät kommen und im fünften Lebensjahr des Kindes wichtige, notwendige Korrekturen im Gesundheitsbereich rechtzeitig erkannt und damit umfassender und für das gesamte Leben besser getätigt werden können.

Ich glaube daher, wenn man das gesamte Paket betrachtet, dass der Vorwurf, diese Bundesregierung denke zu kurz, eindeutig falsch ist.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Da hier das bundesdeutsche Modell angesprochen worden ist, muss auch klar gesagt werden: Nur wenn Sie ein Jahr lang in der Bundesrepublik Deutschland das Kindergeld in Anspruch nehmen, bekommen Sie 900 D-Mark pro Monat, also knapp mehr als 6 000 S. Wenn Sie das Kindergeld in Deutschland zwei Jahre lang in Anspruch nehmen wollen, bekommen Sie nur noch 600 D-Mark für die gesamte Zeit, also deutlich weniger als in Österreich.

Außerdem muss auch gesagt werden, dass es in Deutschland klare und deutliche Einkommensgrenzen gibt, die sich in nichts von unseren unterscheiden, also in vergleichbarer Höhe sind.

Auch in Deutschland ist es so, dass, wenn sich beide Partner der Kinderbetreuung widmen, nur an einen der beiden Partner Kinderbetreuungsgeld ausgezahlt werden kann. Es ist also nicht so, dass, wenn Mann und Frau zu Hause bleiben, um für ihr Kind zu sorgen, beide das Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 600 oder 900 D-Mark erhalten würden.

Ich glaube daher, sehr geehrte Damen und Herren, dass das österreichische Kinderbetreuungsgeld auch im Vergleich mit Deutschland durchaus positiv abschneidet, noch dazu, da es für die vollen drei Jahre, wenn sich beide Partner für die Kinderbetreuung entschließen, in voller Höhe, nämlich 6 000 S, ausbezahlt wird, während das Kinderbetreuungsgeld in Deutschland bei einem Jahr Inanspruchnahme mit 900 D-Mark und bei zwei Jahren Inanspruchnahme mit 600 D-Mark deutlich geringer ausfällt als das österreichische Kinderbetreuungsgeld. Beides probiert – kein Vergleich! Wir liegen hier in Österreich deutlich besser. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

13.11

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben eine eigenartige Betrachtung eines Gesamtpakets von familienpolitischen Maßnahmen: All das, wo es tatsächlich konkrete Hilfestellungen für Familien in der Vergangenheit gegeben hat, Maßnahmen, die Sie so wie viele andere noch nicht abgeschafft haben – etwa die 1999 beschlossene Steuerreform oder die Erhöhung der Familienbeihilfe, die mit 1. Jänner 2000 in Kraft getreten ist –, all das holen Sie heute hervor, um den Versuch zu starten, Ihr Paket der Belastungen ein bisschen abzuschwächen. Das ist nur ein Versuch, der allerdings von der österreichischen Bevölkerung durchschaut wird. In den letzten 16 Monaten Ihrer Politik hat es ausschließlich Belastungen für die Familien gegeben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Schade, dass Sie jetzt nicht mehr ins Fernsehen kommen!)

Der Herr Bundeskanzler stellt sich heute hin und sagt: Mehr Cash für die Familien. – Der Herr Bundeskanzler weiß genau: 40 Milliarden Schilling haben Sie in den letzten 16 Monaten den Familien weggenommen. Das Wohnen – es ist etwas Wichtiges für Familien, für Kinder, ein Dach über dem Kopf zu haben – haben Sie massiv verteuert. Sie haben eigentlich keinen Bereich ausgelassen, weder das Autofahren, weder das Kranksein noch die Ausbildung und damit die Zukunftschancen. Da haben Sie überall massiv die Familien belastet, und darüber können Sie sich nicht hinwegschwindeln. Ich denke, dass Sie bei den Wahlen in Wien und bei den Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft ohnedies die Rechnung dafür präsentiert bekommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eine höchst fragwürdige Ausgabe, die Sie heute hier zu argumentieren versuchen, eine Ausgabe von Geld, das Sie sich vorher von den Familien in dreifacher Weise geholt haben. Es gibt damit für einen ganz kleinen Teil, vielleicht für kurze Zeit befristet, einen Vorteil. Darüber hätte man ja sprechen können, denn in Wien hat es auch in der Vergangenheit keine Studentin gegeben, die, wenn sie ein Kind bekommen hat, keine Unterstützung bekommen hätte – im Übrigen mehr als 6 000 S Kinderbetreuungsgeld von Ihnen. Die Wiener Studentin, die ein Kind bekommen hat, hat in der Vergangenheit 6 500 S erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)


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Für diesen kleinen Bereich schaffen Sie diese Regelung, damit aber gleichzeitig auch wahnsinnig viele Nachteile für Frauen – wahnsinnig viele Nachteile, was vor allem den Wunsch der Frauen betrifft, Kind und Beruf vereinbaren zu können. Ich weiß, dass Ihr Bild der Familie keines ist, in dem Frauen die Möglichkeit haben sollen, wenn sie gut qualifiziert sind, wenn sie auch ihre Frau im Beruf stellen wollen, Beruf und Kind vereinbaren zu können. Ich weiß es, ich kenne ja Ihre Publikationen, da gibt es eben den dienenden Teil und den herrschenden Teil. Das ist Ihre Ideologie von Arbeitsteilung. Ich bin für halbe/halbe. Das halte ich auch für zeitgemäßer und dem Wunsch der Menschen entsprechender. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Fast 650 000 Österreicherinnen und Österreicher, die das Frauen-Volksbegehren unterschrieben haben, unterstützten als zentrale Forderung den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, aber diese Wünsche und Anliegen negieren Sie. (Abg. Wenitsch: Sie haben nichts gemacht!) Die Menschen wollen nicht von Ihnen irgendein ideologisches Modell aufgepfropft bekommen, sie wollen so leben, wie sie es für sich richtig halten, und daher brauchen sie Wahlmöglichkeit. Und Wahlmöglichkeit haben sie nur dann, wenn sie auch Kinderbetreuungseinrichtungen vorfinden.

Die Live-Übertragung im Fernsehen ist vorbei, und der Herr Bundesminister – das gilt auch für den Herrn Bundeskanzler – verlässt natürlich den Saal, weil das ein Thema ist, das Ihnen überhaupt nicht am Herzen liegt. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Wo ist Gusenbauer? Wo ist Gusenbauer?)

650 000 Menschen wollen Kinder und Job vereinbaren, wollen entsprechende Maßnahmen in diese Richtung, und Sie streichen die Kindergartenmilliarde, Sie arbeiten in die Gegenrichtung. Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, dass Sie dieses Geld nicht zur Verfügung stellen. Sie schöpfen die Mittel aus dem Arbeitsmarktservice ab, und hiebei geht es um Mittel, die Frauen beim Wiedereinstieg helfen sollen. Sie bauen die Kurse nicht aus, die Frauen die Möglichkeit bieten sollen, sich umschulen zu lassen und wieder eine qualifizierte Tätigkeit aufnehmen zu können. Hier streichen Sie, hier kürzen Sie, das ist Ihr ideologisches Modell von Familie. Das wollen junge Frauen in diesem Land nicht, das versichere ich Ihnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Und Sie haben mit Ihrer Maßnahme einen sehr wesentlichen Punkt, nämlich arbeitsrechtliche Verschlechterungen für Frauen, in Kauf genommen: Es wird keinen Kündigungsschutz für Frauen geben. Da wird hier immer groß gesprochen: Schutz für Familien, Schutz für die Anliegen der Familien. (Abg. Wenitsch: Wo ist da die Verschlechterung, bitte? Was war bis jetzt, Frau Kollegin? Darum wurden Sie abgewählt, weil Sie nichts gemacht haben!) Das ist kein Schutz, das ist ein Kahlschlag, so wie in allen Bereichen. Sie haben in den letzten 16 Monaten einen sozialen Kahlschlag, einen demokratiepolitischen Kahlschlag eingeleitet – die Rechnung dafür werden Sie präsentiert bekommen.

Die Sozialdemokratie steht für ein positives Modell der Familie, für ein offenes Modell, für ein Modell, das ein partnerschaftliches Zusammenleben ermöglicht und auch ermöglicht, dass Frauen Beruf und Familie so vereinbaren können, wie sie es für richtig halten, aber nicht für Ihr Modell, das einen herrschenden Teil, das sind die Männer, und einen dienenden Teil vorsieht. Das lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

13.17

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerin und auch alle anderen Redner und Rednerinnen der Opposition haben dieses Kinderbetreuungsgeld, das ein Meilenstein (Abg. Dr. Mertel: Mühlenstein!) in der österreichischen Familienpolitik ist, herabgewürdigt und kritisiert. Nur, von der Kritik bleibt nicht viel übrig.

Es wird kritisiert, dass gewisse Familienleistungen gekürzt werden. Ich erinnere Sie nur daran, Frau Kollegin Bures, was im Rahmen der Sparpakete 1996 und 1997 alles gekürzt worden ist, in


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einer Zeit, in der Sie von der SPÖ den Finanzminister, den Bundeskanzler und den Sozialminister gestellt haben: Die Kapitalertragsteuer ist erhöht worden, die Umsatzsteuer ist erhöht worden, die Versicherungssteuer ist erhöht worden, die Lohn- und Einkommensteuer ist erhöht worden, und das Karenzgeld ist in seiner Bezugsdauer und Höhe gekürzt worden, nur um einiges aufzuzählen.

Der Hauptkritikpunkt der Opposition ist die Zuverdienstgrenze. Ich muss Ihnen sagen, mir wäre es lieber gewesen, es gäbe keine Zuverdienstgrenze. Dann hätten wir den Administrationsaufwand nicht, das wäre wesentlich einfacher, aber es ist nicht möglich, weil in der Vergangenheit in Österreich zu viel Geld verschustert, ausgegeben worden ist und ein beträchtlicher Schuldenstand aufgebaut worden ist. Und die sozialistischen Finanzminister von Lacina bis Edlinger und so weiter, die in der Vergangenheit hier gewerkt haben, haben den Familienlastenausgleichsfonds ausgeräumt, aber nicht für familienpolitische Zwecke, sondern zum Stopfen von Budgetlöchern. Das ist eine Tatsache! (Beifall des Abg. Dr. Pumberger. ) Jetzt haben wir eben nicht so viel Geld und müssen anders arbeiten.

Ich bin aber froh, dass diese Zuverdienstgrenze wesentlich höher ist als jene beim Karenzgeld, denn es sind 200 000 S pro Jahr, also 16 666 S im Monat. Früher waren es pro Monat nur 4 076 S, die jemand in der Karenz dazuverdienen durfte. Diese Situation ist jetzt wesentlich verbessert worden, und ich muss sagen, ich bin damit einverstanden.

Es ist hier eine gewisse Berufsgruppe angesprochen worden, nämlich die Lehrer. Sie können jetzt auch die Lehrverpflichtung unter 50 Prozent abschließen. Es wird eine neue Definition der Arbeitszeit geben, nämlich weg von der wöchentlichen hin zur jährlichen Arbeitszeit. Dann hat auch dieser Berufsstand die Möglichkeit, dieses neue Kinderbetreuungsgeld in Anspruch zu nehmen.

Tatsache ist aber auch, dass es in Deutschland eine rot-grüne Regierung gibt, die ebenfalls ein Kindergeld, wie es dort heißt, diskutiert. Und Herr Schröder kopiert das von unserer Bundesregierung durchgesetzte Kinderbetreuungsgeld. (Abg. Dr. Mertel: Das stimmt nicht! Sie können leider nicht lesen, obwohl Sie Kärntner sind!)

Frau Kollegin Mertel! Das Kindergeld als Leistungsabgeltung der Gesellschaft für Kindeseltern ist der richtige Ansatz. – So hat es Ihr Parteifreund, Kanzler Schröder definiert. So ist es. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

In Deutschland wird jetzt ganz ernsthaft, Frau Silhavy, darüber diskutiert, ob Kinderlosen im Hinblick auf die ihnen zustehenden Pensionsansprüche nicht schon heute mehr an Beiträgen zur Pensionsversicherung abverlangt werden soll als Vätern und Müttern. Das diskutieren Ihre Parteikollegen in Deutschland!

Sie, Frau Kollegin Mertel, wissen, wie wohlwollend das Kinderbetreuungsgeld von der Bevölkerung in Kärnten angenommen wird. Und jetzt wird es österreichweit umgesetzt. Ich bin froh darüber, dass es dazu gekommen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt jetzt diese Broschüre (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) der ÖGB-Frauen; mir wurde sie auch zugesandt. Wenn jetzt diese Zuverdienstgrenze so kritisiert wird, so muss ich Ihnen eines sagen: Jene, die die Zuverdienstgrenze kritisieren, würden, wenn es diese nicht gäbe, Kritik am Fehlen einer Obergrenze üben, davon bin ich überzeugt. In diesem Büchlein der ÖGB-Frauen wird das "Karenzgeld PLUS" als Alternative zum Kinderbetreuungsgeld dargestellt. Auf der zweiten Seite dieser Broschüre "Karenzgeld PLUS" steht: Wenn jemand 10 000 S brutto verdient, bekommt er nach diesem Modell 2 794 S pro Monat mehr an "Karenzgeld PLUS". Und wenn jemand 36 000 S verdient, dann würde er 9 444 S mehr bekommen. – Das ist ja eine Verteilung von unten nach oben! Das ist ja ein Wahnsinn, was Sie hier vorhaben! Das ist doch unvereinbar!

Und die Studentinnen, für die Sie sich gerade so eingesetzt haben, würden nichts bekommen, und die Hausfrauen würden auch nichts bekommen. Die Versicherungsleistung würde zwar aufrecht bleiben, aber eine ausgleichende Gerechtigkeit für jene Personen in Österreich, die Kinder


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haben und erziehen, würde nicht hergestellt werden, eine Abgeltung dieser Leistung würde nicht stattfinden.

Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes in Österreich ist es dieser Bundesregierung gelungen, eine stabile Grundlage zu schaffen, auf der weitere Verbesserungen für die Familien aufgebaut werden können, und unsere Gesellschaft familienfreundlicher zu gestalten.

Dazu gehört, dass die Bedürfnisse der Familien und die Anforderungen an die ArbeitnehmerInnen mit den Erfordernissen der Wirtschaft in Einklang zu bringen sind. Projekte des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen, wie zum Beispiel das Audit "Familie und Beruf" oder die Kür von frauen- und familienfreundlichen Betrieben unterstützen dieses Vorhaben, ebenso die flexiblen Angebote an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die jetzt vom AMS im Zuge der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes gemacht werden. All das sind Vorteile für junge Mütter, das fördert ihre Aus- und Weiterbildung, erhöht ihre Beschäftigungschancen und erleichtert ihnen den Wiedereinstieg in das Berufsleben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

13.24

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Bedeutung, die diese Bundesregierung der Familienpolitik beimisst, erkennt man an der derzeitigen Präsenz der Regierungsmitglieder hier in diesem Haus. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Fallent: Und der SPÖ!)  – Ich habe von den Regierungsmitgliedern gesprochen. Sie sind noch etwas zu früh dran. Aber nach den nächsten Wahlen wird sich herausstellen, wer da oben sitzt. Dann werden wir dort oben sein und auch wieder eine gute Familienpolitik machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber die Richtung ist ohnehin an Ihren Maßnahmen erkennbar, Herr Staatssekretär: Die ÖVP/FPÖ-Regierung hat es geschafft, den Menschen binnen kürzester Zeit 43 Milliarden Schilling wegzunehmen: Besteuerung der Unfallrenten, Gebührenerhöhungen, Verschlechterungen bei der Urlaubsrechtsregelung, Einführung von Ambulanzgebühren und so weiter und so fort. Die Redezeit reicht gar nicht, um all diese Maßnahmen und Belastungen aufzuzeigen.

Herr Kollege Tancsits! Ich weiß nicht, was daran so komisch ist, wenn man den Menschen Geld wegnimmt, wenn man sie belastet. Was Sie daran komisch finden, weiß ich nicht, aber ich weiß jetzt, warum Frau Kollegin Frieser gemeint hat, man sollte einen Intelligenztest machen, bevor man hier hereingewählt wird. Ich verstehe das jetzt, wenn ich Sie anschaue. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ich bitte darum, bei den Ausführungen ein bisschen sachlicher zu sein!

Abgeordnete Heidrun Silhavy (fortsetzend): Herr Präsident! Das war nicht meine Idee, das hat Frau Abgeordnete Frieser bereits vor Jahren über die Medien verkündet. Ich möchte das nur sagen. Und es war mir die ganze Zeit nicht klar, was sie damit gemeint hat. Ich versuche nur nachzuvollziehen, was Frau Abgeordnete Frieser damals meinte. (Abg. Schwemlein: Aber sie hat auch keinen abgelegt!)

Auf jeden Fall haben Sie, meine Damen und Herren, es auch noch geschafft, die Inflationsrate in die Höhe zu treiben. Das heißt, den Menschen bleibt weniger Geld, aber dafür wird das Leben teurer. 43 Milliarden Schilling haben sie ihnen weggenommen, 9 Milliarden umgeschichtet – das ist Ihre Familienpolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Fallent: Im europäischen Vergleich liegen wir sehr gut, was die Inflationsrate anlangt!)

Es reduziert sich schlicht und einfach darauf, dass den Familien netto rund 34 Milliarden Schilling weggenommen werden, und Sie verkaufen hier eine Mogelpackung! Die Betroffenen erkennen heute schon, dass es sich bei Ihrem "großen Wurf" nur um Seifenblasen handelt, die sehr schnell zerplatzen.


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Es gibt zwei Möglichkeiten, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ: Entweder haben Sie dieses Gesetz, das Sie heute hier beschließen wollen, nicht gelesen, oder Sie sagen schlicht und einfach die Unwahrheit: Kinderbetreuungsgeld bekommen weder alle Frauen noch alle Kinder. Ich möchte Sie, wenn Sie schon uns als Opposition nicht glauben, auf ein paar Stellungnahmen verweisen.

Amt der Vorarlberger Landesregierung: "Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht für Geburten nach dem 31. 12. 2001. Eltern, deren Kinder nach dem 30. 6. 2000, jedoch vor dem 1 .1. 2002 geboren sind und Karenzgeld beziehen, erhalten das volle Karenzgeld in gleicher Höhe wie das Kinderbetreuungsgeld weiter. Es erfolgt somit eine Besserstellung von jenen Eltern, die Karenzgeld beziehen, gegenüber jenen Eltern, die kein Karenzgeld beziehen. Diese Ungleichbehandlung wird abgelehnt." – Stellungnahme des Amtes der Vorarlberger Landesregierung. (Abg. Dr. Mertel: Katholischer Familienverband!)

Wir haben in der Steiermark, wie Sie ja alle wissen, eine Frau Landeshauptmann. Die Steiermärkische Landesregierung hat auch eine Stellungnahme dazu abgegeben:

"Nach der bisherigen Rechtslage ... wird der Familienzuschlag beim Karenzgeldbezug ausbezahlt ... Durch das Kinderbetreuungsgeldmodell entfällt der Familienzuschlag. Dies führt bei Mehrkindfamilien zu Einkommensverlusten."

So viel zu Ihrer Armutsbekämpfung, meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP! Frau Landeshauptmann Klasnic wird man auch nicht uns zuordnen wollen, nehme ich an.

Meine Damen und Herren! Da gibt es auch noch eine interessante Stellungnahme des Amtes der Kärntner Landesregierung – diese wird man wahrscheinlich auch nicht unbedingt uns zuordnen wollen. Die Kärntner Landesregierung stellt fest, dass das Karenzgeldkonto-Modell, nämlich die Möglichkeit, drei Monate Karenzzeit bis zum siebenten Geburtstag des Kindes aufschieben zu können, im Kinderbetreuungsgeldgesetz nicht berücksichtigt worden ist. Das heißt: Eltern, die drei Monate aufsparen wollen, haben gegenüber der derzeitigen Regelung eine Verschlechterung zu gewärtigen. – Soweit das Amt der Kärntner Landesregierung.

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag nimmt darauf Bezug, dass Sie die Arbeitszeitregelungen und die Kündigungsschutzregelungen nicht angepasst haben und welche Verschlechterungen darauf zurückzuführen sind.

Der Rechnungshof kritisiert Sie gleich in vier Punkten ganz massiv, nämlich in der unterschiedlichen Behandlung der Eltern, in der neuen Formulierung des Einkommensbegriffes, in der Finanzierung der Pensionszeiten und in der Sonderregelung der Krankenversicherung.

Entweder haben Sie die Stellungnahmen alle nicht gelesen, das mag durchaus sein, oder Sie negieren sie. Auf jeden Fall wird auch aus diesen Stellungnahmen ganz eindeutig klar: Es geht Ihnen nur um eines: Es geht um eine ideologisch, politisch motivierte Umschichtung und nicht um eine Familienmaßnahme. Das muss man klar und deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Würden Sie unseren Vorschlägen folgen, gäbe es eine moderne, offene, partnerschaftliche und vor allem mit fairen Chancen verbundene Familienpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

13.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

13.29

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das Kinderbetreuungsgeld – das können, wie ich meine, alle sehr müden Versuche der Opposition nicht in Abrede stellen – bringt erstmals wirkliche Wahlfreiheit für die Familien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es gibt erstmals keine Zwei- oder sogar Drei-Klassen-Mütter-Gesellschaft mehr in diesem Land. Erstmals wird Kindererziehung als Arbeit gewertet, somit als Arbeitszeit angerechnet und ist auch pensionsbegründend.

Erstmals – Frau Kollegin Mertel ist nicht da – wird das Geld aus dem Familienlastenausgleichsfonds den Familien auch voll zur Verfügung gestellt und nicht zweckentfremdet. Ich glaube, das muss man in diesem Zusammenhang auch sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Erstmals wird den Vätern ein wirklich gutes Angebot gemacht, sich partnerschaftlich in die Familie einzubringen, und erstmals steht Österreich mit dieser Regelung ganz vorne, an erster Stelle in Europa, was Familienpolitik anlangt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang gibt es viele Mütter und Väter, die dazu beigetragen haben, dass es zu diesem Gesetz kommen konnte. Ridi Steibl möchte ich erwähnen, aber ich möchte heute auch gerade die Vorreiterin für diese Idee erwähnen, und das ist Frau Dr. Romana Widhalm. Sie ist leider allzu früh gestorben. Sie ist durch alle Bundesländer gefahren und hat mit uns ÖVP-Frauen und mit Vertretern anderer Organisationen gesprochen, sodass es zur Verwirklichung dieser Idee gekommen ist. Sie hat alle wertvollen Vorarbeiten geleistet. Ich glaube, es steht uns gut an, hier und heute an sie zu denken und zu sagen: Sie war wirklich diejenige, die dafür gekämpft und den ersten Schritt gesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Idee haben dann viele aufgegriffen, wie die ÖVP-Frauen und die FPÖ, und auch unser Minister Martin Bartenstein – damals noch in einer anderen Koalition – hat sehr zum Missfallen der SPÖ den Vorschlag gemacht: Karenzgeld für alle. Wir sind damit damals als Koalitionspartner nicht nur an Ihrer Partnerschaft gescheitert (Abg. Schwemlein: Sondern bei den Wahlen!), sondern wir mussten damals auch als Koalitionspartner zum Beispiel auf Ihren Wahlplakaten als einzigen Kommentar zu diesem Vorschlag lesen: Frauen zurück an den Herd! Es war nicht fair, wie man in dieser Partnerschaft mit uns umgegangen ist. Jetzt haben wir jedenfalls den richtigen Partner, und ich glaube, gemeinsam ist uns wirklich ein Meilenstein in der Familienpolitik gelungen. (Beifall bei der ÖVP.) Minister Haupt hat ja in vielen Verhandlungen all unsere Fragen und auch noch viele Wünsche erfüllt. Danke vielmals dafür!

Ich muss auch sagen, die Sozialistische Partei tut sich sehr schwer. Es gibt nichts, was schlechter wird. Wenn Sie jetzt erklären: Alles ist schlecht!, dann müssen Sie mir sagen, warum. Es gibt 9 Milliarden Schilling mehr, es gibt mehr Bezieher, und zwar sowohl Männer als auch Frauen, der Zeitraum, in dem sie das in Anspruch nehmen können, ist länger, und es gibt mehr Zeit für Kinder. Und dann kommen Sie heraus und sagen: Alles ist schlecht! Das ist das Einzige, was Sie dagegenhalten können. Das müssen Sie uns einmal erklären: Wie kann es jedem schlechter als jetzt gehen, wenn es 9 Milliarden mehr für diesen Bezieherkreis gibt? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dann möchte ich schon auch fragen – vielleicht kann mir das jemand beantworten –: Ich habe von den ÖGB-Frauen dankenswerterweise diesen Vorschlag "Karenzgeld PLUS" bekommen. (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) In dieser Broschüre heißt es: "Ein Muss Karenzgeld PLUS, dann ist mit den Diskussionen Schluss."

Ich nehme einmal an, das Bild zeigt eine schwangere Frau, ein SPÖ-Mitglied, weil es steht dann auch – gut, dass Sie da sind, Frau Kollegin Silhavy –: Ich möchte der Gewerkschaft beitreten. Ich möchte mehr über die ÖGB-Frauenabteilung wissen. Ich unterstütze das.

Frau Silhavy! Das ist eine schwanger Frau, oder? Sie kennen Ihre Broschüre schon? (Abg. Silhavy: Ja, ich kenne unsere Broschüren!)  – Ja, also es ist eine schwangere Frau.

Und auf der nächsten Seite sagt dieselbe Figur dann: Wow!, mindestens 8 427 S für Mami! Mami, welcher Karenzgeldtyp bist du? – Also ich muss sagen, Sie sollten sich dafür entscheiden, dass Frauen in dieser Broschüre sprechen, denn ich finde das als Frau eigentlich nicht gut,


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dass eine Frau und ein Kind dieselbe Figur in einer Broschüre sind. Wenn Sie heute schon so viel über "ernst nehmen" gesprochen haben, dann sollten Sie, so meine ich, vielleicht auch solche Broschüren überdenken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ernst nehmen wir die Wünsche von Frauen, und wir nehmen auch ernst, dass es erstmals so sein soll, dass Frauen wirklich nicht von Vornherein von Familienleistungen ausgeschlossen sind; und ich meine, wir stehen dazu. Wir sind auch schon vor den Wahlen immer wieder hier an das Rednerpult gekommen – auch Rosemarie Bauer, die heute ja nicht mehr da ist (Abg. Schwemlein: Leider!)  – und haben immer wieder eingefordert, dass es auch für Hausfrauen, für Studentinnen und Schülerinnen Karenzgeld geben muss.

Ich möchte hier noch ein Beispiel von einer Hausfrau mit drei Kindern im Alter von einem Jahr, vier und sechs Jahren – der Vater verdient knapp 450 000 S jährlich – bringen. – Nach der alten Karenzgeldregelung erhält diese Frau für die Kinderbetreuung null Schilling! (Abg. Silhavy: Sie bekommt keinen Groschen nach dieser Regelung auf Grund der Übergangsregelung!)

Nach der neuen Karenzgeldregelung erhält diese Frau 180 000 S, und wenn man noch die Familienförderung für die Kinder dazurechnet, dann sind es 392 000 S. Ich glaube, das ist schon etwas. Wenn Sie uns da einreden wollen, dass es eine Schlechterstellung gibt, dann sind Sie meiner Ansicht nach nicht richtig informiert.

Das Gleiche gilt eben für Studentinnen. (Abg. Schwemlein: Sie brauchen das Geld, damit sie die Studiengebühren bezahlen können!) Sie kennen viele Beispiele von Studentinnen, die in eine ganz schlimme Situation gekommen sind und die auf Grund dieser Regelung erstmals wirklich ja zum Kind sagen können, ohne dass sie auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sind. Sie können sich in Zukunft selbständig entscheiden.

Wer sind die Hausfrauen, die heute in den Genuss des Karenzgeldes kommen? – Das sind nicht die Frauen, die das erste Kind bekommen, denn die sind meistens Gott sei Dank gut ausgebildet und vorher berufstätig. Es sind die Frauen, die meistens schon zwei oder drei Kinder haben. Wenn Sie immer wieder auf die Armutsgefährdung hinweisen, dann muss ich dem entgegenhalten, dass Sie sicher aus allen Berichten wissen, dass gerade die Mehrkinderfamilien und die allein Erziehenden heute armutsgefährdet sind. (Abg. Silhavy: Das war die Stellungnahme des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung!) Dass das ein wesentlicher Schritt dazu ist, zu vermeiden, dass diese Familien armutsgefährdet sind, das können Sie hier nicht in Abrede stellen. (Abg. Dr. Mertel: 5 000 S weniger bei drei Kindern!)

Wir wissen, dass es bei den Jungfamilien so ist, dass die Kinder am Anfang nicht am teuersten sind. Kinder kosten umso mehr Geld, je größer sie werden. Wir wissen das. Nur muss man auch sagen: In den ersten drei Jahren sind die Betreuungspflichten gegenüber diesen Kindern am größten. Dieses Problem wollen und können wir mit diesem Kinderbetreuungsgeld lösen. Das ist unser wichtigstes politisches Ziel.

Ich hoffe auch, dass die Gemeinden das Geld, das sie sich jetzt ersparen, in die Kinderbetreuungseinrichtungen investieren, dass wirklich auf die flexiblen Arbeitsmöglichkeiten, die es heute gibt, also auf die Situation der Eltern Rücksicht genommen wird.

Wir von der ÖVP haben gemeinsam mit der FPÖ wirklich einen ganz großen Schritt gesetzt und ein wichtiges politisches Ziel erreicht. Wir wissen alle, dass es nicht nur ein Schlagwort ist, sondern der Realität entspricht, wenn man sagt: Kindergeschrei ist Zukunftsmusik. Die Zukunftsmusik ist in diesem Zusammenhang meiner Ansicht nach eine sehr gute. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

13.38

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Frau Abgeordnete Gatterer! Sie haben behauptet, es gebe bei diesem Kinderbetreuungsgeldgesetz nichts, was schlechter werde. Ich denke, das ist nicht richtig.


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Wahr ist vielmehr (Abg. Steibl: Dass ihr es nicht versteht!), dass dieses Kinderbetreuungsgeld Frauen künftig zum beruflichen Ausstieg drängen wird. Wahr ist vielmehr, dass dieses Kinderbetreuungsgeld einen mangelnden Kündigungsschutz beinhaltet – wir haben das im Ausschuss ja diskutiert – und die Arbeitgeber sehr gute Möglichkeiten haben, bei voller Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes den Arbeitsplatz nicht zu garantieren. (Abg. Gatterer: Was ist jetzt schlechter?)

Wahr ist vielmehr, dass dieses Kinderbetreuungsgeld die Pensions- und Krankenversicherung sehr stark belasten wird, und wahr ist auch, sehr verehrte Damen und Herren, dass dieses Kinderbetreuungsgeld enorme Geldmittel bindet und ausschließlich auf Familien mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr zentriert ist. Das ist eine Kritik, die wir ausdrücklich festhalten wollen. (Abg. Dr. Spindelegger: Was ist das für eine Wortmeldung? – Abg. Steibl: Herr Präsident! Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Für Familien mit Kindern, die älter als drei Jahre sind, wird also auf lange Zeit kein einziger Schilling übrig bleiben, um notwendige Unterstützungen zu leisten. Das muss klar und deutlich hervorgehoben und ausgesprochen werden.

Die Kritik der Oppositionsparteien an Ihrem Modell ist in vielen Redebeiträgen schon artikuliert worden, aber nicht nur wir von den Sozialdemokraten und Grünen kritisieren das eine oder andere, sondern auch andere sind nicht zufrieden mit diesem Modell. Wenn beispielsweise in der Stellungnahme der Wirtschaftskammer auf die massive Belastung des Familienlastenausgleichsfonds hingewiesen wird, die durch das Kindergeld entsteht, und vor Beitragserhöhungen für die Arbeitgeber gewarnt wird, so sollte man Folgendes hinzufügen:

Die Dienstgeberbeiträge zum FLAF sind eigentlich Beiträge der Arbeitnehmer, denn nur die Arbeitnehmer erwirtschaften und verdienen im wahrsten Sinne des Wortes diese Lohnnebenkosten, daher sind diese Beiträge eigentlich Arbeitnehmerbeiträge. So gesehen finanzieren künftig in Wirklichkeit die Arbeitnehmer zu einem überwiegenden Teil über ihre Arbeitgeber dieses Kindergeld, dies aber nun auch für jene, die von keinem Einkommensausfall durch die Geburt eines Kindes betroffen sind. Das ist unserer Auffassung, meiner Auffassung nach eben nicht sozial und gerecht, das ist eine reine Umverteilung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Fallent: Aber Sie wollen 8 000 S für jemanden, der gar nicht arbeitet!)

Danke für diesen Hinweis. Herr Abgeordneter, ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel, und ich bitte Sie, mich ausreden zu lassen und sich selbst dann eine Meinung zu bilden.

Ich kenne eine Familie, in der er 20 000 S verdient und sie 15 000 S. Jetzt kommt ein Kind, künftig fällt das Einkommen der Frau weg, sie bekommt stattdessen 6 000 S Kindergeld. Insgesamt hatten sie vorher 35 000 S Familieneinkommen, nunmehr haben sie 26 000 S, das sind 9 000 S oder 25 Prozent weniger. Das ist die Situation, die Sie zustande bringen. (Abg. Ing. Fallent: Teilzeitkarenz! Was sagen Sie zur Teilzeitkarenz?)

Eine andere Familie: Da verdient nur er, und zwar 35 000 S, sie nichts – soll auch so sein. Die bekommen jetzt 6 000 S dazu. Sie haben dann 41 000 S, also um 6 000 S und somit um 17 Prozent mehr.

Ich meine, das kann doch wohl nicht gerecht sein, dass die einen weniger bekommen und einen größeren Verlust haben, während andere, die es eigentlich gar nicht brauchen, noch etwas dazu bekommen. Aber hier scheiden sich eben die Ansichten. (Abg. Ing. Fallent: Er hat es nicht verstanden!) Wenn Sie es nicht verstanden haben, dann muss ich sagen, ich kann es Ihnen auch schriftlich geben, damit Sie es nachlesen können.

Aus sozialdemokratischer Sicht wäre es sozialer und gerechter, jene zu stärken, also jenen mehr zu geben, die einen Einkommensausfall haben.

Der Herr Bundeskanzler hat heute, konkret um 12.20 Uhr, gesagt: Diese Leistung des Kinderbetreuungsgeldes ist in vollem Konsens mit den Familienverbänden erzielt worden.


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74. Sitzung / Seite 86

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf ein Schreiben des Katholischen Familienverbandes vom 20. Juni dieses Jahres, also vor wenigen Tagen, das an alle Abgeordneten ergangen ist und worin starke Kritik geäußert wurde: Anspruchsberechtigung nicht für jedes Kind. – Hier wurde behauptet, jedes Kind bekomme es. Anspruchsdauer: Alleinerzieher werden benachteiligt. – Das ist unsere Kritik, aufgenommen und auch festgehalten vom Katholischen Familienverband.

Stichtagsregelung: Es gibt zwei Klassen von Müttern. – Dies ist ein starker Kritikpunkt. Der Kündigungsschutz von nur zwei Jahren sei ein Nachteil. – Unsere Kritik. Ihr eigener Katholischer Familienverband, liebe Damen und Herren von der ÖVP, sagt und schreibt das. Da schaut der Herr Tancsits weg, das will der Herr christliche Gewerkschafter nicht hören, das will er alles nicht hören! (Zwischenrufe der Abgeordneten Nürnberger und Mag. Tancsits. )

Aber es geht noch weiter: keine Valorisierung, also keine Erhöhung. Wegfall der Familienzuschüsse. – Ein vernichtendes Urteil. Und hier stellt sich der Bundeskanzler dieser Republik her und sagt: Alles ist mit den Familienverbänden akkordiert und ausgemacht.

Sehr verehrte Damen und Herren! Das Kinderbetreuungsgeldgesetz entspricht nicht den sozialdemokratischen Vorstellungen. (Abg. Ing. Fallent: Gott sei Dank! Wir wollen nicht eine Million Menschen am Rande der Armut lassen!) Deshalb findet diese Gesetzesvorlage auch nicht unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

13.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

13.44

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir werden dann dem SPÖ-Klub die Nummer der Hotline des Familienministeriums zur Verfügung stellen, damit Sie von der SPÖ dort alle anrufen können und es vielleicht doch irgendwann schaffen, sich beim Kinderbetreuungsgeld auszukennen und es zu verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war eines der wesentlichsten neuen Ziele dieser Koalitionsregierung, der österreichischen Familienpolitik eine neue Qualität zu geben, den Stillstand in der Familienpolitik zu überwinden und die Rückschritte zu beenden. Die Umsetzung unserer langjährigen Forderung nach einer Abgeltung der Familienleistungen ist, wie die Diskussion der letzten Tage auch zeigt, nur mit einer Partei, nämlich mit der ÖVP, möglich gewesen. Daher ist diese Koalition familienpolitisch sehr wichtig, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

30 Jahre rote Sozial- und Finanzpolitik brachten andauernd Kürzungen von Familienleistungen mit sich; es wurde heute schon alles aufgezählt, ich kann es mir daher sparen. (Zwischenruf der Abg. Binder. ) Aber eines wurde noch nicht zur Genüge erwähnt, nämlich dass permanent auch der Familienlastenausgleichsfonds von den roten Finanzministern zum Stopfen von Budgetlöchern ausgeräumt wurde. Es handelte sich dabei um Gelder, die den Familien zugestanden wären.

Das Ergebnis war ein dramatisches Absinken der Geburtenrate. Ich habe den Eindruck, dass den meisten überhaupt noch nicht bewusst ist, was dieses dramatische Absinken der Geburtenrate bedeutet. Wir liegen weit unter dem EU-Schnitt, weit unter dem Schnitt der westeuropäischen Länder. Ein weiteres Ergebnis war, dass viele Familien an die Armutsgrenze oder darunter gerutscht sind.

Besonders schlimm ist – das am Rande dazu –: Junge Mütter, die nach 18 Monaten aus der Karenzzeit herausgefallen sind, wurden zu Sondernotstandsfällen. Das ist eine Schande unserer Gesellschaft gewesen, dass junge Mütter, die glücklich mit ihrem Kind waren, plötzlich nach 18 Monaten ein Sondernotstandsfall dieser Gesellschaft geworden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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74. Sitzung / Seite 87

Damit ist jetzt Schluss. Unsere Antwort darauf sind 9 Milliarden Schilling mehr für die Familien. Familien und Kinder sind das Fundament unserer Zukunft, und daher ist diese Investition eine gute Investition in die Zukunft.

Die Opposition hat es natürlich schwer, angesichts dieses positiven Projektes Kinderbetreuungsgeld Argumente zu finden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Argumente der Opposition gegen dieses Kinderbetreuungsgeld immer absurder werden und dass man auch vor Falschmeldungen nicht zurückschreckt.

Da ist plötzlich eine Erhöhung von 18 plus 6 auf 30 plus 6 Monate eine Schlechterstellung – das müssen Sie einmal jemandem schlüssig erklären. Oder eine Vervierfachung der Zuverdienstgrenze, ein Quantensprung in der Familienpolitik – bisher gab es nämlich ein Berufsverbot –, ist für Sie plötzlich auch eine Schlechterstellung.

Der Antrag der SPÖ auf plus 5 000 S Familienbeihilfe pro Jahr geht wieder ins Leere, weil wieder ein Teil, nämlich 11 Prozent der Mütter und Familien, weiterhin vom Karenzgeldbezug ausgegrenzt bliebe.

Meine Damen und Herren! Man muss die Politik der SPÖ einmal an einem Bild festmachen: Sie haben es geschafft, dass ein Kind wie dieses (der Redner stellt das Bild eines Säuglings auf das Rednerpult) zum Beispiel von Familienleistungen ausgegrenzt wurde. Sagen Sie bitte einmal den österreichischen Bürgern, sagen Sie dieser Familie, warum Sie dieses Kind oder diese Familie vom Bezug von Familienleistungen ausgegrenzt haben!

Die Grünen wollen jetzt auch noch schnell am Ende der Diskussion mit einem populistischen Antrag bezüglich der Stichtagsregelung aufspringen, der aber, wie wir alle wissen, nicht finanzierbar ist.

Die Qualität der Familienpolitik der Grünen hat ja Frau Petrovic mit ihrer Wortklauberei auf den Punkt gebracht, indem sie nämlich gemeint hat, ihr fehlen einige "Innen" im Gesetzestext. Frau Petrovic – sagen Sie es ihr, wenn sie wieder einmal im Plenum ist –, Ihre "Innen" helfen keiner Familie und keinem Kind. Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt also bis heute keine ernst zu nehmenden Alternativvorschläge. Sie rufen immer nach mehr Kinderbetreuungsplätzen. Die sinkende Geburtenrate ist Ihnen in Wirklichkeit egal. Sie wollen Kinderlosigkeit verstaatlichen. Das ist eine Familienideologie der Vergangenheit, das ist Klassenkampf in der Familienpolitik. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Das ist veraltet und out, meine Damen und Herren. Die österreichischen Familien wissen sehr wohl zu schätzen, wie wichtig diese neue Familienpolitik ist.

Ich möchte daher noch einen der zahlreichen Briefe, die uns erreicht haben und in dem das sehr treffend formuliert ist, zum Abschluss vortragen. Es schreibt hier Herr Alois W.:

Wir kinderreichen Familien danken Ihnen dafür, ebenso danken alle jungen Mütter, die bisher leer ausgegangen wären. Auch die bisherigen Karenzgeldbezieherinnen werden danken, denn auch sie bekommen mehr. Wenn sie schon könnten, würden auch die kleinen Kinder danken, denn sie haben jetzt größere Chancen, dass ihre Mami bei ihnen bleiben kann. Schließlich wird das ganze Land danken, wenn wieder mehr Kinder zur Welt kommen und ein etwas ruhigeres Aufwachsen wenigstens in den ersten drei Jahren haben. Bravo! Das haben Sie gut gemacht, nur weiter so. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Der 4. Juli 2001 ist ein guter Tag für Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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74. Sitzung / Seite 88

13.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder. – Bitte.

13.50

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Weinmeier, zum Thema Entwicklung der Familienpolitik würde ich sagen, ein prominenter Politiker hat einmal gemeint: "Lernen Sie Geschichte!" – Das zum Ersten.

Zum Zweiten: Wenn Sie behaupten, das Kind, das Sie da gezeigt haben, werde von Familienleistungen ausgeschlossen, dann muss ich dem entgegenhalten: Wer bezieht jetzt das Kinderbetreuungsgeld – Erwachsene oder Kinder? Soweit ich weiß, ist die Familienbeihilfe eine Unterstützung für Kinder, und alle Kinder in Österreich sind von diesen Leistungen nicht ausgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Kinderbetreuungsgeld, Kindergeld, Familien-Volksbegehren, das wir unter anderem heute auch behandeln, Maßnahmen, die, so dargestellt, Familien, Menschen mit Kindern unterstützen sollten und sollen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei allen Vorschlägen der Aspekt der Partnerschaft, der Gleichberechtigung und Chancengleichheit gegeben ist und auch berücksichtigt wird. (Abg. Ing. Fallent: Besser als beim Karenzgeld!)

Mein Eindruck, Kollege Fallent, ist ein ganz anderer. Festzuhalten ist nämlich, dass das Kindergeld ein bestimmtes Gesellschaftsmodell vor Augen hat und festgeschriebene Rollen fixiert. Einerseits fällt bei dieser Form der finanziellen Unterstützung die Voraussetzung der überwiegenden Betreuung weg, somit ist es auch kein Kinderbetreuungsgeld. Andererseits wird nicht für jedes Kind Geld ausbezahlt, und somit ist auch die Bezeichnung "Kindergeld" falsch.

Zum Zwischenruf des Kollegen Kiss, der "Na und?" lautete, im Zusammenhang mit einer Aussage von Frau Petrovic, würde ich meinen, Professor Marin hat diese Geldleistung einmal "Paschaprämie" genannt, und ich glaube, das bringt es auf den Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der so genannte Meilenstein dieser Regierung entpuppt sich mehr denn je als Mühlstein, meine Damen und Herren. (Abg. Ing. Fallent: Den haben Sie heute weggeräumt?) Es bedeutet für viele ein Weniger als ein Mehr, als es beim Karenzgeld der Fall war. Frauen werden aus der Berufstätigkeit und somit aus der Eigenständigkeit gedrängt, es bedeutet ein Aus für die Väterkarenz, und es ist ein zusätzlicher Mühlstein für Alleinerzieherinnen.

Ich behaupte und stelle fest: Kindergeld oder arbeitsrechtliche Absicherung – das ist die Frage, denn beides miteinander wird schwierig, kompliziert und undurchschaubar. Kindergeld und Arbeitsrecht sind nicht harmonisiert. (Abg. Steibl: Weil Sie es nicht verstehen!)  – Frau Kollegin Steibl, vielleicht verstehe ich es nicht, aber warum steht Gleiches in vielen Stellungnahmen? Zum Beispiel die Kommission für Gleichbehandlungsfragen im Finanzministerium, die Apothekerkammer, die Rechtsanwaltskammer – sie alle irren?! (Abg. Ing. Fallent: Wie haben sie das Karenzgeld beurteilt?) Alle finden, dass dieses Gesetz nicht nachvollziehbar ist, dass es schwierig und kompliziert ist. Sie irren wahrscheinlich alle.

Insgesamt wird auch die Frage der gesamten Finanzierung in Frage gestellt. Ich erinnere an die Stellungnahme der Wirtschaftstreuhänder.

Die so genannte Wahlfreiheit wird meiner Meinung nach zur Farce. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird erschwert, und von Chancengleichheit kann keine Rede mehr sein. Die BetreiberInnen des Familien-Volksbegehrens sind zufrieden, wobei, wie Sie gemeint haben, Kollegin Steibl, nicht alle Forderungen dieses Begehrens erfüllt worden sind.

Wir sind nicht zufrieden, meine Damen und Herren. Wir haben auch in einem Entschließungsantrag darauf hingewiesen, welche Maßnahmen wir SozialdemokratInnen fordern.

Ein Wort zum Kollegen Khol, um endlich eine Mär auszuräumen, auch wenn er nicht da ist: Auch berufstätige Frauen sind Mütter und auch Hausfrauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Uns geht es um alle Kinder, denn Kinder und Eltern brauchen Infrastruktur, Service- und Dienstleistungseinrichtungen sowie Geldleistungen.


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In diesem Zusammenhang bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und GenossInnen betreffend Erhöhung der Familienbeihilfe um 5 000 S pro Jahr und Kind sowie jährliche Bereitstellung von 1 Milliarde Schilling zum Ausbau der Kinderbetreuungsplätze

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (620 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden und

über den Antrag 33/A (E) der Abgeordneten Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend Karenzgeld für alle – Ausweitung des Karenzgeldanspruches auf alle Mütter (Väter) sowie Umwandlung des Karenzgeldes zu einer Familienleistung (715 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. "Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage betreffend eine Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes vorzulegen, die eine Erhöhung der Familienbeihilfe um 5 000 S pro Kind und Jahr vorsieht.

2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den nächsten 5 Jahren jährlich 1 Milliarde Schilling zum weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen bereitzustellen."

*****

Es geht in diesem Antrag also im Wesentlichen um die Erhöhung der Familienbeihilfe um 5 000 S und um eine wichtige Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nämlich eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung. Es wird in diesem Antrag die Bereitstellung von einer Milliarde Schilling in den nächsten fünf Jahren gefordert, denn, meine Damen und Herren, Kinder brauchen Liebe, was Sie betonen, was wir betonen, und Zeit. Kinder brauchen Eltern, die über ausreichend Zeit, Geld und qualifizierte Kinderbetreuungseinrichtungen verfügen. Das Kindergeld ist kein familienpolitischer Fortschritt und verspricht Effekte, die nicht erfüllt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der eben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichen Zusammenhang mit dem Verhandlungsgegenstand, damit mit zur Verhandlung und in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

13.56

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Kinderbetreuungsgeld, eine langjährige Forderung der Österreichischen Volkspartei und auch des Familien-Volksbegehrens, wird allen Familien mit Kleinkindern in ganz Österreich zugute kommen. Es stellt die vorläufige Krönung der


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familienfreundlichen Politik der Österreichischen Volkspartei dar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die ÖVP ist familienfest, weil wir fest zu unseren Familien stehen. Die intakte Familie war und ist die Grundlage unserer Gesellschaft. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja nicht wahr! – Abg. Ing. Fallent: Ihre Vorstellung!) Diese Regierung hat mit dem Kinderbetreuungsgeld einen Meilenstein in der Familienpolitik gesetzt. Mit dieser familienpolitischen Leistung werden die Betreuung und die Erziehung von Kindern als unverzichtbare Leistung der Eltern im Interesse der gesamten Gesellschaft anerkannt. Mit dem Kinderbetreuungsgeld haben die Familien erstmals wirklich Wahlfreiheit, ob sie sich selbst um ihren Nachwuchs kümmern wollen oder ob sie eine Betreuungseinrichtung in Anspruch nehmen wollen. Es ist somit auch ein wesentlicher Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Gerade aus der Sicht der jüngeren Familien ist das Kinderbetreuungsgeld ein großer Erfolg. Besonders wichtig ist, dass erstmals Schülerinnen und Studentinnen, eine Gruppe, die bisher keinen Anspruch hatte und diese finanziellen Leistungen besonders nötig hat, einen Anspruch auf diese Familienleistung bekommen. Jetzt haben auch sie die Wahlfreiheit, ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten, und die Sicherheit, ihr Leben und ihre Karriere leichter zu planen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen wir einige Zahlen für sich sprechen! Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger wurde im Vormonat an 76 887 Karenzgeldbezieher Karenzgeld ausbezahlt. Das ist der bisherige Höchstwert im heurigen Jahr. Insgesamt ist die Zahl der Karenzgeldbezieher von Jänner 1997 mit 111 698 bis Mai 2001 auf 76 887 Bezieher gesunken. Also höchste Zeit, dem stetigen Rückgang der Geburtenrate mit einer effizienten und echten Förderung der Familien entgegenzuwirken und die Leistung der Familien für unsere Gesellschaft endlich verstärkt anzuerkennen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Anspruchsberechtigung für das Kinderbetreuungsgeld wird im Jahr 2002 auf Selbständige, Studentinnen und Bäuerinnen ausgedehnt, was den Bezieherkreis um rund 50 000 ansteigen lassen wird. Insgesamt werden nach einer Hochrechnung der Statistik Austria im nächsten Jahr fast 127 000 Personen das neue Kinderbetreuungsgeld beziehen. Das Karenzgeld, meine sehr geehrten Damen und Herren, beträgt zurzeit 5 643 S und wird Alleinerzieherinnen eineinhalb Jahre lang und bei Inanspruchnahme durch beide Elternteile zwei Jahre lang gewährt. Das Kinderbetreuungsgeld hingegen wird 6 000 S betragen und, wenn beide Elternteile die Betreuung übernehmen, drei Jahre lang ausbezahlt.

Das heißt, das alte Karenzgeld hat maximal 137 000 S für beide Partner betragen, während das neue Kinderbetreuungsgeld 216 000 S betragen und damit ein Plus von zirka 80 000 S bringen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Povysil. )   – So viel, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Linken, zur angeblichen sozialen Ungerechtigkeit, die Sie immer prognostizieren und anprangern.

Wir haben eine echte Erweiterung des Bezieherkreises vorgenommen, nämlich um jene Personen, die die finanzielle Sicherheit brauchen, wie Schülerinnen, Studentinnen und Hausfrauen, wir haben eine Verlängerung des Anspruches um mindestens ein Jahr beziehungsweise bis eineinhalb Jahre eingeführt, und es gibt eine wesentlich höhere Leistung.

Darüber hinaus werden 18 Monate pensionsbegründende Beitragszeiten für mehr Sicherheit sorgen und eine eigenständige Altersversorgung erleichtern.

Durch die deutlich erhöhte Zuverdienstgrenze von 200 000 S pro Jahr statt bisher 4 076 S pro Monat oder 48 912 S pro Jahr – dies wurde mehr als vervierfacht! – wird eine weit größere Gestaltungs- und Wahlfreiheit ermöglicht, ganz abgesehen von der individuellen Betreuung des Kindes.


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Wer angesichts dieser Fakten noch immer von einer Schlechterstellung der Frauen und der Familien spricht, wer in letzter Minute mit unausgegorenen Konzepten kommt, wie Kollege Gusenbauer und seine Genossinnen und Genossen, und nicht einmal weiß – er hat heute in seiner Rede nicht darauf hingewiesen –, dass die Familienbeihilfe ab 2003 um 1 200 S erhöht wird, will offensichtlich eine gute Sache für alle Familien in diesem Land mit Gewalt schlechtreden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Ab wann?)  – Ab 2003.

Aber die SPÖ kann ja in Wien ruhig zeigen, was sie alles für die Familien tut! Wenn ich mir allerdings den Vergleich mit den von der ÖVP regierten Ländern anschaue, dann stelle ich fest, die Situation in Wien sieht eher traurig aus. Nur ein Beispiel: Die Eltern in Niederösterreich zahlen keinen Kindergartenbeitrag – im Gegensatz zu den Eltern im sozialistischen Wien. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine gute Familienpolitik muss darauf abzielen, dass die Eltern nicht durch ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern im eigenen Lebensstandard nachhaltig absinken. Zirka 150 000 Kinder leben derzeit in Österreich an der Armutsgrenze. Es muss gelingen, diese Kinder und ihre Familien aus dieser Situation herauszuführen. Das Kinderbetreuungsgeld ist ein wichtiger Schritt dazu. Österreich wird damit zum familienfreundlichsten Land in Europa. (Ruf: Der Welt!)

Die Familie ist die Keimzelle des Staates, das zentrale Element unserer Gesellschaft. Ihr Wohlergehen sollte uns allen ein Anliegen sein – fernab von jeder kleinkarierten Parteipolitik und Schlechtrederei, wie die Linke sie derzeit so oft betreibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Prinz: Ein wirklich wahrer Schlusssatz!)

14.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

14.03

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Da ich schon die achte Rednerin meiner Fraktion zu diesem Thema bin, liegt unsere Position natürlich bereits klar auf dem Tisch. Ich fasse daher zusammen: Ich denke, dass jeder in diesem Haus der Meinung ist, dass Kinder zu bekommen und Kinder zu erziehen eine schöne, erfüllende Aufgabe ist.

Ich möchte zu dieser Diskussion meine ganz persönlichen Erfahrungen beitragen. Ich habe das Glück, zwei Söhne zu haben. Es ist sehr wichtig, auch ihr Alter zu erwähnen: Der eine ist 31, der andere ist 26, das heißt, sie sind wirklich aus dem Gröbsten heraus. Ich habe gemeinsam mit meinem Mann die Kinder auf dem Weg ins Erwachsenenalter begleitet, geführt (Abg. Gaugg: Und das trotz SPÖ!), und ich kann sie auch jetzt noch unterstützen und beraten. Ich bin stolz auf sie, sie sind für mich ganz wichtige Partner geworden, und wir nehmen gegenseitig sehr starken Anteil am Leben des jeweils anderen.

Aber so schön es war und ist, meine Damen und Herren, über weite Strecken war die Aufgabe der Kinderbetreuung und der Erziehung eine sehr schwierige Aufgabe (Abg. Gaugg: Trotz SPÖ!)  – schwierig, obwohl ich Unterstützung durch meinen Mann und meine Familie erhalten habe. Und die Schwierigkeiten – das weiß ich aus eigener Erfahrung – haben sich potenziert, je mehr ich mich auf meine Weiterbildung und auf meine Berufstätigkeit konzentriert habe.

Es hat vor ein paar Jahrzehnten sehr wenig Hilfestellung für Mütter gegeben, die wieder berufstätig werden oder sich weiterbilden wollten. Ich hatte das Glück, dass es in spezifischen Bereichen bereits erste Möglichkeiten gab, und ich habe sie gerne in Anspruch genommen.

Die Kinderbetreuung habe ich allerdings in meinem Bekanntenkreis einholen müssen, und zwar auf Grund des mangelnden Angebotes von der öffentlichen Seite. (Abg. Gaugg: Jetzt bekommen sie dafür Geld und können das bezahlen!) Und ich erinnere mich, dass es oft sehr unangenehm war (Abg. Gaugg: Ich habe gedacht, es war alles so super! Wer war damals Sozialminister?!)  – hören Sie mir zu! –, es war oft sehr unangenehm, diese Hilfe in Anspruch nehmen zu


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müssen, denn in einem privaten Beziehungsgeflecht ist es sehr schwer, ganz klare, professionelle Gegebenheiten zu schaffen. Da werden Sie mir zustimmen. (Abg. Gaugg: Stimmt!)

Meine Damen und Herren! Es hat sich Gott sei Dank in den letzten Jahren im Bereich Familienförderung, im Bereich Frauenförderung sehr viel verändert, und zwar zum Guten verändert. (Abg. Gaugg: Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ist ein weiterer Schritt, gebt es doch zu!) Und die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen hat sich unter den Sozialdemokraten, aber auch unter der ÖVP durch den Druck auf die Länder wesentlich verbessert.

Herr Bundesminister Haupt! Ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Die Zuständigkeit in diesem Bereich liegt bei den Ländern; da gebe ich Ihnen völlig Recht. Aber, Herr Bundesminister, es kommt auf den politischen Willen an, und Ihr politischer Wille geht in eine völlig andere Richtung, nämlich in Richtung konservative Familienpolitik. Sie können ja dazu stehen, das ist ja Ihre Linie, das Herz sozusagen. (Abg. Ing. Fallent: Ihrer geht in Richtung keine Familienförderung!)  – Reden Sie nicht einen solchen Blödsinn zusammen! Entschuldigen Sie, aber das ist wirklich ein Blödsinn! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ich bitte, bei der Ausdrucksweise auf einen ordentlichen Ton zu achten! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Meine Befürchtung ist – deswegen habe ich das so genau ausgeführt –, es geht wieder zurück in die Richtung, die ich vorhin bereits aus eigener Erfahrung mit meinen Kindern angesprochen habe, nämlich dass ich sozusagen eine Kinderbetreuung vermisst habe.

Weil Sie sagen, das alles stimmt nicht, möchte ich ein Beispiel bringen. Ich möchte das Beispiel Kärnten ansprechen. Seit es in Kärnten den Kinderscheck gibt, sind die Kinderbetreuungsplätze teurer geworden. Das hat folgende zwei Auswirkungen: Wenn der Kinderbetreuungsplatz teurer ist, dann wird er weniger in Anspruch genommen, und wenn er weniger in Anspruch genommen wird, dann wird er noch teurer. Das ist sozusagen eine Spirale, und irgendwann schließt sich der Kreis.

Meine Damen und Herren! Ich möchte für unsere jungen Frauen, für unsere jungen Mütter eine andere Situation der Kindererziehung, als ich sie seinerzeit vorgefunden habe. Aber mit Ihrem Kinderbetreuungsscheck werden Sie die Probleme der Familien nicht lösen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Haupt. – Bitte.

14.08

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Parfuss, ich möchte Sie nur auf einige Tatsachen aufmerksam machen, die im Rahmen der Diskussion von Ihnen offensichtlich nicht berücksichtigt worden sind.

Ich darf Sie zum Beispiel darauf aufmerksam machen, dass diese Bundesregierung einer großen Sorge sehr vieler Frauen und sehr vieler Familien Rechnung trägt, indem sie die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen deutlich erweitert und verbessert.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass in Studien, die noch unter Frau Kollegin Prammer erstellt worden sind, die mangelnden Öffnungszeiten als das wichtigere Argument für Kinderbetreuungseinrichtungen gegolten haben. Es ist nämlich so, dass in vielen Regionen Österreichs auf Grund der gesunkenen Kinderzahl die Kindergärten wieder geschlossen werden, weil weniger Kinder vorhanden sind und die Gemeinden es sich daher nicht mehr leisten können, für die nunmehr vorhandene geringe Anzahl von Kindern die Kinderbetreuungseinrichtungen offen zu halten.


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Ich darf Sie ferner darauf hinweisen, dass ich ausgeführt habe, dass das Arbeitsmarktservice über 280 Millionen Schilling – im Jahre 2000; im nächsten Jahr noch einige Millionen mehr: fast 300 Millionen – für diesen Öffnungskomplex der Kinderbetreuungseinrichtungen ausgibt. Das ist ein wichtiges Argument, weil die Öffnungszeiten es sehr vielen Frauen überhaupt erst ermöglichen, in die Arbeit, in die Teilzeitarbeit zurückzukehren. – Ich bitte Sie, Frau Abgeordnete Parfuss, das zur Kenntnis zu nehmen, ehe Sie mit Ihren diesbezüglichen Ausführungen in der Öffentlichkeit für mehr Unmut sorgen, als das gerechtfertigt wäre.

Zum Zweiten möchte ich dem Rechenbeispiel des Herrn Abgeordneten Riepl klar entgegnen. – Herr Kollege, Sie haben vorgerechnet: Familieneinkommen: 35 000 S der Mann, 15 000 S die Frau, und wenn sie das Kinderbetreuungsgeld bekommt, hat die Familie um 9 000 S weniger.

Wie schaut die Situation jetzt aus, nämlich die Situation, die Sie von der SPÖ zu verantworten haben? – Mann: 35 000 S, Frau: 15 000 S, Frau in Karenz: um 4 000 S weniger als heute; und keine Zuverdienstgrenze, nämlich nur eine Zuverdienstgrenze von 4 000 S pro Monat oder knapp darüber. – Bei uns gibt es eine Zuverdienstgrenze von 200 000 S pro Jahr, um das Einkommen auf dem Niveau zu stabilisieren, auf dem es früher war.

Herr Kollege Riepl! Wenn Sie vergleichen, dann vergleichen Sie Gleiches mit Gleichem und nicht Gleiches mit Ungleichem, um nicht zu sagen Äpfel mit Birnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Darum bitte ich Sie, wenn die politische Fairness noch irgendeinen Stellenwert in diesem Haus hat. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Wo ist denn das Kind in der Zeit? Wie soll sie denn 200 000 S verdienen, wenn sie das Kind betreut?! Das ist doch fern jeder Realität! Alles Theorie! Nur für die Unternehmersgattin!)

14.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Knerzl. – Bitte.

14.11

Abgeordneter Anton Knerzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, dass dieser 4. Juli wirklich ein großer gesellschafts- und familienpolitischer Tag werden wird. Ich glaube auch, dass wir Freiheitlichen durch unsere Regierungsbeteiligung heute ein großes Wahlversprechen umsetzen können.

Ich hätte mir von der früheren SPÖ-Regierung wirklich mehr erwartet. Wenn ich bedenke, dass in der Zeit der SPÖ-Regierungsbeteiligung fast 1 Million Menschen der Armutsgrenze nahegekommen sind, muss ich schon bemerken, dass 10 Milliarden Schilling Zuwendung an die österreichischen Familien nicht mit Worten wie "Falle" und "Grauslichkeit" bezeichnet werden können. Ich finde, da haben Sie sich in Ihrer Wortwahl wirklich vergriffen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Mit Polemisieren und Nicht-Helfen haben Sie sich hier ja schon "bestens" qualifiziert. Wir denken darüber anders und haben jetzt auch die Möglichkeit genutzt, um hier wirklich den Hebel anzusetzen und das zu vollziehen, was viele österreichische Familien sich schon lange wünschen.

Ich weiß, wovon ich rede. Seit sechs Monaten darf ich mein Pilotprojekt hier vorstellen. Von diesem Rednerpult aus habe ich Ihnen schon öfters berichtet, dass sich keine der 63 betroffenen Familien meiner Heimatgemeinde Öblarn darüber empört, dass dieses Projekt nicht gerechtfertigt wäre, oder sich sonstwie negativ äußert. Wieder einmal kann ich Ihnen berichten, dass diese Maßnahme der 6 000 S Zuwendung an unsere Familien der richtige Weg ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Ich weiß auch, geschätzte Frau Dr. Mertel, dass es Ihnen sehr weh tut, dass wir die Situation richtig erkannt haben, und dass Sie dadurch, obwohl alle geglaubt haben, die SPÖ stehe für soziale Aspekte in Österreich, ins Hintertreffen geraten sind. Das tut weh! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: ... Familienleistung! Sozialleistung! Fragen Sie Frau Haller!)


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Hätten Sie auf Ihre Basisfunktionäre gehört, dann hätten Sie doch mitbekommen müssen, dass diese immer gedacht haben, die SPÖ sei der Garant für die Familie, für familienpolitische Entscheidungen in Österreich. Aber Sie hatten vermutlich Ihre Gedanken woanders, und jetzt setzen Sie sich mit uns als politischem Gegner auseinander, ohne etwas hinzufügen oder an Positivem einbringen zu können. Das tut mir eigentlich Leid!

Sie hätten heute noch die Gelegenheit, unserem Modell des Kinderbetreuungsgeldes zuzustimmen. Das wäre eine nette Geste, und viele Ihrer Basisfunktionäre würden sich das auch wünschen. Ich gebe Ihnen diese Empfehlung daher noch einmal mit: Wenn Sie etwas für die österreichischen Familien tun möchten, dann haben Sie heute noch die Gelegenheit, hier mit den Regierungsparteien mitzustimmen.

Ich finde, man muss auch den Verantwortlichen einmal Dank aussprechen. Einer davon ist unser Sozialminister Mag. Herbert Haupt. Ich glaube, er hat sich hier bestens eingebracht. Lieber Herr Bundesminister! Ich möchte dir noch einmal danken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Genauso gilt mein Dank dem Herrn Finanzminister, der Frau Generalsekretärin sowie allen, die sich hier positiv einbringen konnten. Diese Familienpolitik ist zukunftsweisend für unser Land! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. )

14.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

14.15

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Seit vier Stunden diskutieren wir hier eine Maßnahme, die in unserem Land die Kinderbetreuung sichern soll. Mein Vorredner hat sich hier sehr wortreich bei allen Beteiligten bedankt. Meiner Meinung nach sollte man dieses Gesetz, das wir heute verhandeln, "Windelgeld-Gesetz" nennen. (Abg. Zellot: Es gibt keine Windeln mehr! Pampers!)

Ich denke – das zeigt die Familienpolitik der Bundesregierung –, dass Kinder für Sie nur bis zum dritten Lebensjahr zählen und danach nicht mehr im Blickfeld der politischen Diskussion stehen. Ich frage Sie: Wo bleiben ältere Kinder in Ihrem Familienmodell? Was ist mit jenen Kindern, die später in die Schule, in die Ausbildung kommen? – Die werden von Ihnen negiert, deren Familien werden mit Gebühren und Abgaben belastet!

Einzelne Vertreter von ÖVP und FPÖ argumentieren immer dann, wenn ältere Kinder auftreten und ihre Rechte in unserer Gesellschaft einfordern, eher gegen diese Kinder. In diesem Sinne, denke ich, ist auch die Maßnahme, die wir heute beschließen, eine sehr eng begrenzte Maßnahme. Sie wird wahrscheinlich – so wie das auch mit Wegwerfwindeln gemacht wird – von den Familien unseres Landes entsorgt werden.

Die ÖVP schreibt auf ihrer Homepage, dass sie die Familie als Selbsthilfegruppe sieht. Mir sind Selbsthilfegruppen nur in dem Zusammenhang bekannt, dass sie von Menschen gegründet werden, die besondere Krankheiten, besondere Makel, besondere Behinderungen haben. Daher muss ich diesem Vergleich eine klare Absage erteilen. Die Familien unserer Gesellschaft sind weder aussätzig noch krank noch behindert, sondern sie wollen als gleichberechtigte Partner in der Gesellschaft anerkannt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie dieser Geist, dieses Denken in der Familienpolitik zum Tragen kommt und wie das von Seiten der Regierungsparteien auch plakatiert wird, kommt mir so vor: Die eine Partei feiert ein Fest, ein "Familien-Fest", bei dem sie sich krampfhaft an den Familien festklammert, ein Fest, auf dem Tortenstücke nur an einige verteilt werden, während die Tortenstücke für den Rest der Kinder – mehr als 1,8 Millionen Kinder – weggeworfen werden. Diese Kinder können sozusagen durch die Finger schauen!

Die andere Regierungspartei klebt sich gerade ein blaues Herz an die Brust. Einer der Vorredner hatte diese Plakette ebenfalls. – Ich möchte Sie warnen! Soweit ich das medizinisch beurteilen kann, ist ein blaues Herz ohne Sauerstoff und kann daher nicht mehr schlagen. Mir scheint,


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dass auch der FPÖ-Familienpolitik sozusagen der Sauerstoff ausgegangen ist, und auch diese Maßnahme, die Sie von den Regierungsparteien heute beschließen werden, nimmt den Familien den Sauerstoff weg. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zellot: Ungeheuerlich!)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für eine eigenständige Versorgung der Frauen, und zwar auch dann, wenn sie Familienpflichten haben. Wir sind für eine eigenständige Versorgung der Männer, auch dann, wenn sie Familienpflichten haben. Durch diese Maßnahme, die wir heute diskutieren und die von Ihnen beschlossen wird, findet aber eine Abkoppelung der Frauen vom Erwerbsleben statt. Obwohl von den Unselbständigen 70 Prozent in den Familienlastenausgleichsfonds eingezahlt werden und sie sich diese Leistung quasi selber finanzieren, können sie die Tortenstücke für die Mehrheit sozusagen abschreiben.

Diese Wahlfreiheit, von der Sie immer sprechen, ist realitätsfern, denn die Frauen können sich aussuchen, was sie wollen: Die Torte oder das Herz ohne Sauerstoff. Ich denke, die Frauen wollen beides, Familie und Beruf. Für Frauen und Familien ist es wichtig, dass Infrastruktur und Kinderbetreuung vorhanden sind.

Ich möchte auch Herrn Klubobmann Khol darum bitten, dass er sein Wissen ein bisschen auffrischt. Kinderstuben und Kinderbetreuungseinrichtungen sind keine Strafanstalten, keine Anstalten, in denen Kinder "eingesperrt" werden, sondern die Kinder werden dort sehr wesentlich unterstützt und auf das Leben vorbereitet – zusätzlich zur Vorbereitung durch die Eltern.

Auch die Infrastruktur ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Zum Beispiel sollten die Kosten für Zahnspangen für Kinder in unserem Land ausgeglichen werden, damit die Familien in diesem Bereich keine hohen Kosten haben. (Abg. Gaugg: Das ist ja das Beste! – Abg. Ing. Fallent: Das haben Sie abgelehnt! Das ist Ihre Regelung!)

Sie haben es im Familienausschuss abgelehnt, den Familien hiefür eine Unterstützung zukommen zu lassen. Da sieht man es wieder: Der Sauerstoff geht Ihnen aus!

Was die Unterstützung der Familien bei den Zahnspangen betrifft, so hat Frau Abgeordnete Steibl im Ausschuss dahin gehend argumentiert, dass das nicht notwendig sei, und dass dann viel mehr Leute Zahnspangen in Anspruch nehmen würden, als wirklich notwendig sei. Ich finde, das ist sehr wohl notwendig! (Abg. Ing. Fallent: Das ist Ihre Regelung!)

Zum Schluss möchte ich den Herrn Minister korrigieren, damit er die Briefe besser beantworten kann, wenn Familien aus Wien schreiben. Es ist so, dass jemand, der in einem städtischen Kindertagesheim keinen Platz bekommt und zu jemand Privatem gehen soll, dann im Rahmen des Leistungszukaufs eine soziale Unterstützung bekommt, und das ist auch unsere Verantwortung und unsere Sichtweise von sozialer Treffsicherheit. Wir wollen die Tortenstücke gleichmäßig auf alle Familien aufteilen.

Herrn Kollegen Westenthaler möchte ich nur sagen, dass auch das Simmeringer Wahlergebnis gezeigt hat, dass die Simmeringer Familien im Zuge der Wiener Landtagswahl Ihrer Familienpolitik ohne Sauerstoff eine klare Absage erteilt haben.

In diesem Sinne glaube ich, dass dieser Tortenstück-Politik eine klare Absage erteilt werden muss. Wir werden dieser Vorlage daher nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: So eine Überraschung!)

14.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. (Abg. Schwemlein  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Donabauer –: Bitte sprich herzerfrischend!)

14.21

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Kinderbetreuungsgeld, Zahnspangen, Sauerstoffmangel, Tortenstücke – ich weiß nicht, Frau Kollegin, wie Sie zu dieser wichtigen Frage


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überhaupt stehen, denn ich finde da keinen Zusammenhang. Mich freut ganz besonders die Tatsache, dass der Bundeskanzler der Republik Österreich heute bei der gesamten Diskussion um das Kinderbetreuungsgeld überwiegend anwesend ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das zeigt sehr deutlich, wo letzten Endes die Familienpartei ist und wer sie ist! (Abg. Schwemlein: Am dritten Platz ist sie!)

Meine Damen und Herren! Kinder bereiten Freude. Das Kinderbetreuungsgeld bereitet uns große Freude, sehr große Freude (Ruf bei der SPÖ: Aber nur euch!), und zwar deshalb, weil endlich – Sie brauchen nur zuzuhören! – niemand mehr ausgegrenzt wird, weil endlich all jene, die ein Einkommen von bis zu 200 000 S brutto pro Jahr beziehen, wirklich mit drinnen sind, egal, welche Aufgabe sie ausführen.

Wenn Sie mit dem Begreifen ein Problem haben: 200 000 S, das ist viermal so hoch wie die derzeit geltende Einkommensgrenze beim Karenzgeld. Deshalb ist dieses Modell und dieses Gesetz ein gutes! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bei uns steht endlich das Kind im Mittelpunkt der Leistung, und nicht irgendwelche andere Dinge, weil das Kind es sich verdient, unterstützt zu werden. Wir haben mit diesem Kinderbetreuungsgeld, so glaube ich, all die wichtigen Fragen in diesem Zusammenhang optimal gelöst. (Beifall bei der ÖVP.)

Fragen Sie einmal die Familien mit Kindern, wo ihre Probleme liegen! Sie erhalten als Antwort: Zum Ersten ist es die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zum Zweiten ist es die Einkommenssituation.

Ich meine, dass es uns wirklich gut gelungen ist, diese Probleme zu lösen, sonst hätten Sie uns heute schon 17-mal das ewig gleiche Lied von den "Frauen zurück an den Herd" vorgesungen. Mit diesem Kinderbetreuungsgeld haben wir endlich den Frauen durch eine offensive Maßnahme einerseits die Gewissheit eines sicheren Einkommens gegeben, andererseits aber auch die Chance, sich in ihrem Beruf entsprechend ihren Möglichkeiten freier zu bewegen als bisher. Sie brauchen nicht mit ihrer Arbeit aufzuhören, sondern sie können sich in dieser Zeit maßvoll einbringen. Das ist es! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Ihr habt den Sparherd durch den E-Herd ersetzt!)

Darüber hinaus gewährleistet das Kinderbetreuungsgeld – Herr Schwemlein, das werden Sie nie begreifen! – nun auch eine bessere Einbeziehung in das Pensionssystem. – Es war bisher schon gut. Sie finden kein Land, wo es bisher schon die Anrechnung von 48 Monaten als Ersatzzeiten gab. Das war korrekt. Aber das wird jetzt noch besser: Wir anerkennen jetzt 18 Monate von diesen 48 Monaten als Beitragszeiten für die Pflichtversicherung!

Und da sind Sie als Sozialdemokraten dagegen?! Ich frage mich: Wo ist denn Ihre soziale Kompetenz, meine Damen und Herren? Diese ist ja gar nicht mehr vorhanden! Sie reden nur mehr in den Tag hinein, ohne eigentlich zu wissen, worum es letztendlich geht. Sehen Sie das alles einmal sehr, sehr konkret – Sie werden sich dann auf alle Fälle leichter tun! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und wenn Sie hundertmal sagen, dass das alles nichts ist: Ich sage Ihnen (Abg. Schwemlein: Genau!), wenn wir 9 Milliarden Schilling mehr Geld den Familien zur Verfügung stellen, dann kann das doch kein Fehler sein! (Abg. Schwemlein: Wenn du vorher 40 Milliarden wegnimmst!) Wenn wir das Geld aus dem Familienlastenausgleichsfonds nehmen – endlich von dort heraus! –, dann ist das doch wirklich keine Fehlentscheidung! Der Finanzminister dieser Bundesregierung nimmt das Geld für die Familien. In vergangenen Zeiten hingegen wurde der Familienlastenausgleichsfonds zur Schuldenabdeckung der Staatsfinanzen in Anspruch genommen. Das war nicht der richtige Weg! – Dieser unser Weg ist nicht nur richtiger, sondern er ist auch unvergleichlich besser (ironische Heiterkeit des Abg. Schwemlein ), und deshalb stehen wir dazu!


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Wenn Sie noch immer ein Problem damit haben, sage ich Ihnen noch etwas: Lesen Sie den Einkommensbericht der Bundesregierung der vergangenen Zeit, wo Sie dabei waren! (Abg. Schwemlein: Ja, Österreich ist an letzter Stelle in Europa!) Da steht drinnen: Armutsgefährdet sind die Familien und die allein erziehenden Elternteile, überwiegend Mütter. – Das ist doch bitte Anlass genug, um hier endlich zu handeln, eine gesetzgeberische Maßnahme zu treffen! (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Wir haben das getan. Sie können sich darüber freuen, dass Sie als Österreicher in diesem Land wissen, dass es eine Regierung gibt, die ein Sensorium, ein Herz für die Leute hat, die wirklich die Hilfe aller brauchen. Das sind wir, das ist diese Regierung, und das werden Sie uns in keiner Weise absprechen können! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Merken Sie sich: Das Bessere ist immer die Konkurrenz des Guten. Wenn Ihr Karenzgeld noch so gut war: Das Kinderbetreuungsgeld ist jedenfalls (Abg. Schwarzenberger: Besser!) entschieden besser! Das ist auch der Grund, warum Sie sich hier so sehr bemühen, das alles in Frage zu stellen.

Ich könnte Ihnen noch sehr viel sagen (Abg. Schwemlein: Zu viel!), aber die Zeit erlaubt es mir nicht mehr. Nur eines noch: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass wir mit dem Kinderbetreuungsgeld auch wieder auf den gesundheitspolitischen Aspekt von Mutter, Kind, Familie Wert legen? Wir verlangen nämlich jetzt wieder die Untersuchung im Rahmen des Mutter-Kind-Pass-Programmes, weil es wichtig ist, dass wir die Vorsorgemedizin gerade in diesem Bereich ausbauen. – Sehen Sie, das ist eine Politik, die sich auch herzeigen lässt! Das können Sie uns unter keinen Umständen absprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schlussendlich: Ich glaube, das ist heute eine interessante Debatte zu einem ganz wichtigen Thema. Die Entscheidung, die wir heute treffen, ist eine grundsätzliche, eine ganz, ganz wichtige, eine zukunftsweisende für die österreichischen Familien! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Donabauer, das war jetzt eine Pflichtrede! – Abg. Schwemlein: Aber eine unterhaltsame!)

14.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Freigaßner. – Bitte.

14.28

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich habe den Ausführungen von Frau Parfuss sehr genau zugehört, und ich muss sagen, auch ich habe in einer Zeit der sozialistischen Regierung drei Kinder großgezogen. Mir ist es bei weitem nicht so gut gegangen, ich habe nicht solche Familienleistungen in Anspruch nehmen können, wie das den Frauen heute möglich ist. Aber ich muss Ihnen sagen, ich gönne es diesen Frauen! Ich gönne den Frauen, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Müttern mehr gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich gönne es ihnen, dass sie zu Hause bleiben können, wenn sie wollen, und ich freue mich darüber, dass es uns gelungen ist, diese ureigene Forderung der Freiheitlichen mit dem Regierungspartner ÖVP in die Tat umzusetzen.

Mütter und Väter können nun selbst entscheiden, wie die Betreuung ihres Kindes aussehen soll. Das heißt, sie können selbst entscheiden, ob sie sich ausschließlich der Kinderbetreuung widmen oder eine Tagesmutter oder andere Kinderbetreuungseinrichtungen in Anspruch nehmen wollen.

Mit der Zuverdienstgrenze von 200 000 S geben wir den Frauen die Möglichkeit, im Arbeitsprozess zu verbleiben, und sie sind in der Folge somit auch als eingearbeitete Arbeitskraft für den Arbeitgeber interessant. Für Frauen, die sich ausschließlich der Kinderbetreuung widmen, werden selbstverständlich Wiedereinstiegsmöglichkeiten geboten, denn Familienarbeit darf nicht zum Ausschluss aus dem Berufsleben führen.


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Dieses Kinderbetreuungsgeld ist gerade für Alleinerzieherinnen und junge Familien mit geringem Einkommen eine wichtige familienfördernde Maßnahme, die aus dem Familienlastenausgleichsfonds finanzierbar ist.

Da unser Kinderbetreuungsgeld von der Bevölkerung sehr begrüßt wird, haben sich nun auch die SPÖ-Spitze und die ÖGB-Frauen zu Wort gemeldet. Die Herren Gusenbauer und Cap fordern neuerdings 8 400 S für alle. Hier weiß scheinbar die SPÖ-Spitze nicht, was die ÖGB-Frauen wollen. Die haben sich nämlich bemüßigt gefühlt, ein eigenes Modell auf die Beine zu stellen.

Wie schaut nun dieses Modell aus? – Mütter, die nicht berufstätig sind, fallen durch den Rost – nach dem Motto: Wer nichts hat, braucht auch nichts. Anscheinend brauchen die Kinder dieser Mütter keine gute Betreuung. (Demonstrativer Beifall der Abg. Burket. ) Nach dem Modell der ÖGB-Frauen würden Frauen mit einem Bruttoeinkommen von 10 000 bis 15 000 S um 6 650 S – lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: 6 650 S! – weniger "Karenzgeld plus" bekommen als Frauen mit einem Einkommen von 36 000 S. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieser Differenzbetrag wird nicht sozial Schwachen zur Verfügung gestellt, sondern Frauen mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen. Darüber müssen Sie einmal nachdenken: Frauen mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen wollen Sie fördern?! (Abg. Edler: Was sagen Sie dazu?) Ich finde das einfach furchtbar! – Das sage ich dazu.

Ich sehe die Sozialpolitik der Sozialdemokraten so: Wer nichts hat, der braucht nichts. Sozial Schwache bekommen ein bisschen etwas, und die Gutverdiener müssen wir unbedingt noch fördern. (Ironische Heiterkeit des Abg. Schwemlein. )  – So sehen das die Sozialdemokraten. Wie Peter Westenthaler heute schon gesagt hat: Nach Ihrer Politik würden die Reichen reicher und die Armen ärmer werden!

In diesem Zusammenhang frage ich mich auch: Wie wollen Sie eigentlich dieses Kindergeldmodell fördern? Wie wollen Sie das finanzieren? Es ist ja gar kein Geld vorhanden im Topf! (Ironische Heiterkeit des Abg. Edler. ) Wollen Sie es genauso machen, wie Sie es früher gemacht haben? (Abg. Leikam: Kein Geld im Fonds? – Das ist eine neue Erkenntnis!) Wollen Sie den Österreicherinnen und Österreichern wieder einen Scherbenhaufen hinterlassen, den wir nachher aufräumen müssen?

Eines kann ich Ihnen getrost sagen: Ihr "Karenzgeld plus"-Modell zeigt, dass Sie für die Zukunft überhaupt nichts dazugelernt haben. Sie verschleudern Gelder, die Sie nicht haben. Wir hingegen haben ein Kindergeldmodell geschaffen, das wir auch finanzieren können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir finanzieren es aus dem Familienlastenausgleichsfonds. Wir als Freiheitliche ... (Ruf bei der SPÖ: "Super"!) – Ja, das ist auch super! Endlich sehen Sie es ein! Es wundert mich: Stundenlang sitzen wir hier und hören uns Ihre Ausführungen an, aber es hat so lange gedauert, bis Sie das endlich einsehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Reinhart Gaugg, hast du mein Schweigen vernommen? – Abg. Gaugg: Weil du nichts zu sagen weißt!)

14.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte.

14.34

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Laut Rednerliste sind es noch eine Reihe von Rednern, die zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen werden. (Abg. Schwemlein: Dann lass du dich eben streichen!) Ich habe unter diesen aber keine SPÖ-Abgeordneten gefunden. Anscheinend gibt es auf Seiten der SPÖ keine Argumente mehr, oder Sie sind mit Ihrem Latein am Ende – oder Sie haben es endlich begriffen, worum es hier geht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Das Kinderbetreuungsgeld ist für mich ein Meilenstein in der familienfreundlichen Politik dieses Landes. Es ist noch mehr als das: Es ist eine gesellschaftspolitische Weichenstellung für die Zukunft. Ich freue mich als Abgeordneter dieses Hauses, dass es der ÖVP als Familienpartei gelungen ist, das Kinderbetreuungsgeld für die österreichischen Familien Wirklichkeit werden zu lassen!

Das Kinderbetreuungsgeld ist europaweit einzigartig und vorbildhaft. Es ist keine Versicherungsleistung mehr, die hier erbracht wird, sondern es wird die Kinderbetreuung als solche bezahlt, denn die Erziehung von Kindern ist eine unverzichtbare Leistung der Eltern, die im Interesse der ganzen Gesellschaft anerkannt werden muss.

Was bringt das Kinderbetreuungsgeld nun genau für die Familien? – Es wurde zwar schon des Öfteren hier darauf Bezug genommen, aber ich möchte es trotzdem noch einmal sagen (Abg. Schwemlein: Dann sag es halt noch einmal!):

Erstens: Mehr Geld, nämlich 6 000 S pro Monat oder in Summe 216 000 S – also ein Plus von 80 000 S gegenüber dem alten Karenzgeld!

Zweitens: Mehr Zeit für die Kinder. Bis zu 36 Monaten oder mindestens 30 Monate können in Anspruch genommen werden – im Gegensatz zu 18 beziehungsweise 24 Monaten bisher. Dies ist ein wichtiger Aspekt gerade auch für Alleinerzieherinnen.

Drittens: Mehr Mütter kommen in den Genuss des Kinderbetreuungsgeldes, denn jetzt haben alle Anspruch darauf, also auch Bäuerinnen, Schülerinnen, Studentinnen, Hausfrauen, Selbständige. (Zwischenrufe der Abgeordneten Binder und Heinisch-Hosek. ) Die ÖVP ist die Erste (Abg. Schwemlein: Nein, die ÖVP ist Dritte!), die diese Gruppen berücksichtigt. Jede vierte Frau über 30 Jahren in Österreich ist Hausfrau. Diese Frauen, die unter der bisherigen Gesetzeslage kein Karenzgeld beziehen hätten können, haben jetzt Anspruch darauf. (Abg. Schwemlein: Dritter Platz!)

Mit der SPÖ war das nicht möglich. Jetzt haben wir es geschafft, gemeinsam mit der FPÖ und mit Bundesminister Haupt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Viertens: Mehr Eigenständigkeit und Sicherheit für die Frauen. 18 Monate werden pensionsbegründende Beitragszeiten sein und erleichtern somit eine eigenständige Altersversorgung.

Fünftens: Mehr Zuverdienstmöglichkeiten. Eine deutlich erhöhte Zuverdienstgrenze von 200 000 S im Jahr bietet mehr Wahlfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Lebensplanung. (Abg. Silhavy: Da hat jetzt der Herr Minister Haupt sein Haupt geschüttelt! Warum?) Das alte Karenzgeld hat lediglich einen Zuverdienst von 4 000 S im Monat gestattet.

Sechstens: Auch die Familienbeihilfe wird ab dem Jahre 2003 um 100 S pro Monat für jedes Kind erhöht.

Meine Damen und Herren! Unser Bundeskanzler Dr. Schüssel hat die Familienpolitik zum Herzstück seiner Regierungsarbeit gemacht. (Abg. Silhavy: Jetzt wissen wir, warum das Rote Kreuz heute da ist: wegen Herzversagen!) Das ist auch wichtig, wenn man bedenkt, dass die Geburtenzahlen in Österreich drastisch zurückgegangen sind. In allen Bundesländern sind Rückgänge zu verzeichnen! In Oberösterreich zum Beispiel hat sich die Zahl der Geburten seit 1996 um 14 Prozent reduziert. Ich danke allen, die zum Gelingen der Einführung dieses Kinderbetreuungsgeldes beigetragen haben, in der Regierung und auch hier im Parlament! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte hier noch auf das Familien-Volksbegehren eingehen, und ich darf in diesem Zusammenhang den Präsidenten des Österreichischen Familienbundes, Mag. Otto Gumpinger, zitieren:

"Die Hauptforderung des Familien-Volksbegehrens wurde durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes erfüllt. Damit hat das Familien-Volksbegehren 100% seinen Zweck erfüllt ... Die


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Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ist ein historischer Meilenstein in der Familienpolitik, und der Familienbund ist stolz darauf, dazu beigetragen zu haben."

Ich freue mich in diesem Zusammenhang als oberösterreichischer Abgeordneter ganz besonders, da in Oberösterreich das Familien-Volksbegehren mit Abstand am meisten Unterstützungserklärungen erhalten hat, insgesamt um die 64 000.

Ich kann hier nochmals hervorheben: Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes wird ein völlig neuer Grundsatz in der Familienpolitik verankert: Das Kind und sein Bedarf an Betreuung stehen erstmals im Mittelpunkt, nicht wie bisher die Frage nach einem Ausgleich von Einkommensverlusten durch die Beitragspflicht. Damit ist das Kinderbetreuungsgeld eine Familienleistung und nicht wie bisher eine Versicherungsleistung.

Abschließend möchte ich dazu unseren Bundeskanzler zitieren: "Eine Welt mit Kindern ist bunter und lebenswerter." Die Familien sind "das zentrale Element unserer Gesellschaft."

Daher muss unsere Gesellschaft noch familienfreundlicher werden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein  – in Richtung des das Rednerpult verlassenden Abg. Freund –: Karl, du musst aus dem Parlament ausscheiden und ... werden! Dann wird es da herinnen bunter!  Die alten Männer reden von der Buntheit!)

14.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornegger. – Bitte.

14.39

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zehn Jahre lang haben wir Freiheitlichen auf eine Wende in der Familienpolitik hingearbeitet, allen voran unser Landeshauptmann Haider und unsere Familiensprecherin Edith Haller. Jetzt endlich, meine Damen und Herren, kommt das Kinderbetreuungsgeld!

Es wird eine Wahlfreiheit bringen, die bis dato für die Mütter noch nie möglich war. Meine Damen und Herren! Allen politischen Widrigkeiten zum Trotz und mit Unterstützung namhafter Experten wurde dieses Modell erarbeitet und gemeinsam mit unserem Regierungspartner, der ÖVP, umgesetzt.

Herr Schwemlein! Setz dich nieder! (Abg. Schwemlein: So könnt ihr in Salzburg reden, aber nicht du mit mir! – Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni. ) – ÖGB: "Stopp!" – Euer Büchlein habt ihr euch selbst so drucken lassen!

Meine Damen und Herren! So gehören neben den unselbständig erwerbstätigen Eltern künftig auch Selbständige, Bäuerinnen – was auch Herr Schwemlein im Pinzgau gerne vertreten möchte –, geringfügig Beschäftigte, freie Dienstnehmer, Studierende und Hausfrauen zu den Anspruchsberechtigten.

Für mich erfreulich ist die Tatsache, dass dieses Kinderbetreuungsgeld ausschließlich aus den Mitteln des FLAF finanziert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Jeder arbeitende Österreicher zahlt 4,5 Prozent seiner Bruttolohnsumme in den FLAF ein, Ärmere weniger als Reiche. Frau Petrovic wird ja jetzt nicht anwesend sein – nein, sie hat ja ihren Beitrag schon geleistet –, daher richte ich die Frage an die Adresse der grünen Fraktion insgesamt: Meine Damen und Herren! Was wäre, wenn diese Zuverdienstgrenze nicht eingezogen worden wäre? Was wäre dann? Was hätten Sie da heraußen heute gemacht? – Sie hätten genau das Gegenteil von dem gesagt, was Sie bis jetzt hier vorgebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Kollege Donabauer hat es erwähnt: Dieses Kinderbetreuungsgeld ist eine sehr gute Maßnahme. Das zeigt sich ja daran, mit welchem Donnerwetter Sie, die Opposition, hier dagegen vorgehen. Das ist für uns der Beweis dafür, dass das eine Maßnahme ist,


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die geglückt ist und die für die ganze Familie ausgezeichnete Ergebnisse bringen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht mehr länger reden, denn es ist mittlerweile alles gesagt worden – ich glaube, ich bin der 30. oder 32. Redner, und es werden nach mir noch einige an das Rednerpult treten.

Lassen Sie mich abschließend nur noch feststellen: Mit diesem familienpolitischen Meilenstein wird heute eine mutige Idee für die Familien beschlossen. Stimmen Sie mit! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. – Bitte.

14.43

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Beschluss des Kinderbetreuungsgeldes beweist uns die Regierung, dass sie nicht nur, oder vor allem nicht, an Wahltermine denkt, sondern in Generationen denkt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Schwemlein: Jetzt hast du dich in was hineingeredet!) Die Regierung nimmt damit Weichenstellungen für die Zukunft vor. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutige Beschluss bestätigt jedenfalls (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen), dass wir an die nächste Generation denken und daher wesentliche Weichenstellungen für kommende Generationen vornehmen.

Es ist dies ein Beweis für mich, dass die Regierung, wenn es notwendig ist und wenn es für das Land gut ist, auch bereit ist, gegen den Zeitgeist aufzutreten.

Die Regierung steht mit diesem Beschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, eindeutig auf der Seite der Schwächeren. Das Handeln, das damit an den Tag gelegt wird, ist von hohem sozialem Verantwortungsbewusstsein geprägt.

Die Einführung dieses Kinderbetreuungsgeldes beseitigt auch Ungerechtigkeit: Ungerechtigkeit vor allem gegenüber jenen, die bisher bereit waren und auch in Zukunft bereit sein werden, Kinder zu erziehen. Diese Erziehungstätigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, erhält nun einen Wert.

Endlich werden aber auch – und das haben sehr viele Vorredner bereits erwähnt – jene, die Kinder erziehen, in den Genuss einer eigenen Pension kommen. Jene, die mit der Erziehung ihrer Kinder den Generationenvertrag absichern, erhalten jetzt auch Anspruch auf eine eigene Pension.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist bereits erwähnt worden, dass die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes auch einen wesentlichen Wirtschafts- und konjunkturpolitischen Faktor aufweist. Sie kommt zum goldrichtigen Zeitpunkt, denn durch das Kinderbetreuungsgeld fließen zusätzliche 9 Milliarden Schilling auf den Markt, was angesichts der prognostizierten Abflachung der Konjunktur einen sehr positiven Einfluss ausüben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fachleute bestätigen uns, dass Familien eine relativ geringe Einkommenselastizität aufweisen, also wenig Spielraum beim Familienbudget haben. Daher werden sie jeden Schilling, den sie durch diese Maßnahme zusätzlich bekommen, für Dinge des täglichen Bedarfs ausgeben. Das heißt, dieses Geld fließt nicht auf Sparbücher, es wird nicht für Auslandsurlaube ausgegeben, sondern es wird für Dinge des täglichen Bedarfs verwendet und fließt damit direkt in den Markt. Da erfreulicherweise gerade im ländlichen Bereich die Kinderanzahl noch höher ist, wird mit diesem Geld vor allem auch der ländliche Raum in ganz besonderer Weise gestärkt.


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Geschätzte Damen und Herren! Dadurch profitiert aber auch der Staatshaushalt, denn 2 Milliarden Schilling von diesen zusätzlichen 9 Milliarden Schilling werden nachgewiesenermaßen direkt in das Budget zurückfließen. Hier fließt auf reguläre Weise Geld aus dem Familienlastenausgleichsfonds in das Budget. Früher wurden diese Gelder oft zweckentfremdet, indem sie immer wieder für Budgetsanierungen herangezogen wurden. Heute wird durch wirtschaftliche Impulse Geld in den Staatshaushalt zurückgeleitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung gibt den Familien das, was ihnen zusteht, und löst damit wesentliche Impulse aus. Die Regierung investiert in die Familien mit Kindern, und diese Investition ist die beste Investition auch in die eigene Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Burket. – Bitte.

14.47

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Über das Kinderbetreuungsgeld wurde heute wirklich schon alles gesagt: Gutes, Schlechtes, Wahres, Unwahres. Lassen Sie mich daher meine Ausführungen an ideologischen Unterschieden festmachen:

Für uns ist dieses Kinderbetreuungsgeld-Modell ein wesentlicher Schritt im Kontext zu einer Familienpolitik, in deren Mittelpunkt der Faktor Mensch steht. Dies beginnt bei der Kinderbetreuung und endet in der Begleitung sterbender Familienangehöriger, was ja ein weiterer wichtiger Schritt in unserer Familienpolitik sein wird.

Dass wir den Menschen in das Zentrum unserer Politik stellen, ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen der bisherigen Regierung und dem jetzigen Regierungsstil. Den Familien Sicherheit zu geben, den Kindern anstatt erster Karriereschritte bei den Roten Falken die Geborgenheit der Familie zu geben, den Frauen eine tatsächliche persönliche Entscheidungsmöglichkeit zwischen Voll- oder Teilzeit oder Kinderbetreuung zu geben, anstatt ihnen einzureden, dass sie zurück an den Herd geschickt werden, und – in logischer Ergänzung einer familien- und menschenfreundlichen Politik – auch die Integration der älteren Generation anstatt der Abschiebung in Altersheime und in letzter Konsequenz die Möglichkeit der Begleitung bei sterbenden nahen Angehörigen – das sind neben all den notwendigen Reformen die Hauptaspekte unserer Familienpolitik.

Wenn junge Paare sich heute wieder entschließen können, Kinder zu bekommen, dann sollen sie wissen, dass neben dieser Verantwortung, neben Verzicht und Opferbereitschaft – was Elternschaft immer bedeutet – auch unsere Familienpolitik ihren Beitrag leistet, um ihnen dieses Ja zur Familie zu erleichtern.

Die bisherigen familienpolitischen Maßnahmen haben sich in staatlicher Abhängigkeit erschöpft. Die Zielsetzung war, die kleinen Kinder möglichst bald in die Kinderkrippen, Kinderbetreuungsstätten, in den Hort, später dann die Menschen in die Gemeindewohnung und in letzter Konsequenz natürlich ins Altersheim zu stecken. Die staatliche Kontrolle des privaten Lebens in Form all dieser Benefizien – bei Wohlverhalten, versteht sich – war Ihr Modell, und auch dies noch zu Lasten der Jugend und deren Zukunft durch verantwortungsloses Schuldenmachen. Wohlstandsverwahrlosung, Verhaltensauffälligkeit – Sie nennen das "verhaltensoriginell" –, Drogenabhängigkeit – Tendenz steigend –, so sieht Ihre Familienbilanz aus!

Sie verstehen, dass wir unserem Modell den Vorzug geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja unglaublich!)

14.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

14.50

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Mit dem heutigen Beschluss gelingt Regierung und Parlament ein wirklich


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74. Sitzung / Seite 103

historischer Meilenstein für die Familien: Ab 1. Jänner 2002 haben alle Mütter und Väter Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. Als Obmann der oberösterreichischen Nebenerwerbsbauern freut es mich besonders, dass, was Familienleistungen betrifft, Bäuerinnen und Bauern endlich allen anderen Bevölkerungsgruppen gleichgestellt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir von der ÖVP haben immer die intakte Familie in den Vordergrund gestellt – und die bäuerliche Familie kann da durchaus als Vorbild dienen. Mit diesem heutigen Beschluss werden auch jene Bevölkerungsgruppen, die bisher davon ausgeschlossen waren, Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld haben.

Meine Damen und Herren! Da ja heute schon sehr viele Zahlen genannt wurden: Wer trotz dieser für sich sprechenden Zahlen nicht einsehen will, dass das Kinderbetreuungsgeld eine wesentliche Verbesserung darstellt, den muss man doch direkt als einen vom Kleingeist Getriebenen bezeichnen, ansonsten ist das Verhalten von einigen hier wirklich nicht zu verstehen. Sie von der SPÖ wollen ja in Wirklichkeit die Kinder sofort nach der Geburt in staatlichen Betreuungseinrichtungen, in Horten, in Ganztagskindergärten oder Ganztagsschulen, also möglichst weit weg von den Eltern sehen – dann ist Ihre sozialistische Welt in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen Frauen und Männern Mut machen, sich zum Kind zu bekennen, denn Kinder sind die beste Investition in unsere Zukunft. Mit dem heutigen Beschluss gewinnen die Familien. Beschließen wir das daher gemeinsam! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.52


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74. Sitzung / Seite 104

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. – Bitte.

14.52

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Hohes Haus! Gesellschaftliche Entwicklungen schreiten voran – trotz aller Staatssekretärinnen und Frauenministerinnen. Wir von der Politik müssen diese Trends nur zulassen, müssen sie möglich machen. Und die neue Regelung in Bezug auf das Kindergeld macht mehr für die Frauen möglich, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Ich zitiere eine aktuelle SPECTRA-Studie: Frauen drängen auf den Arbeitsmarkt. Über zwei Drittel unserer Landsleute sehen in der zunehmenden weiblichen Berufstätigkeit eine positive Entwicklung. Das sind um 7 Prozentpunkte mehr als 1995.

Bisher jedoch musste sich die Frau entscheiden: entweder dazuzuverdienen – oder auf das Karenzgeld zu verzichten, und zwar entweder ganz oder zur Hälfte zu verzichten. Und da braucht man sich nicht zu wundern: Nur 2 400 Teilzeitbeschäftigte hat es bisher gegeben; das sind nicht mehr als 3 Prozent (Zwischenruf bei der SPÖ) – und das ist lächerlich wenig, Frau Kollegin.

Die neue Regelung mit 200 000 S Hinzuverdienstbeitrag bei vollem Karenzgeldbezug ist viel klarer und viel flexibler, und es wird viel mehr Frauen geben, die das in Anspruch nehmen werden. Diese Hinzuverdienstgrenze begünstigt auch Frauen mit geringerem Einkommen, denn Frauen mit geringem Einkommen – nach dem Einkommensbericht sind das 50 Prozent – können voll weiter verdienen; die nächsten 25 Prozent müssten weniger reduzieren als mit der alten Teilzeitregelung, und nur bestverdienende Frauen müssten sozusagen auf das Karenzgeld verzichten oder noch mehr reduzieren.

Diese neue Kindergeldregelung empfinde ich daher als gerecht, als sozial – und es wird auch die Kombination Kind und Karriere ermöglicht. (Beifall bei der ÖVP.)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

14.54

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Familien! Das ist ein Meilenstein in der Familienpolitik unseres Landes – aber die Zusammenfassung der Debattenbeiträge der Oppositionsabgeordneten ist relativ schwer zu deuten. Auf der einen Seite ist für Sie das Kinderbetreuungsgeld "schlecht", in allem schlecht, andererseits aber ist für Sie von allem "viel zu wenig" da.

Wenn also etwas nicht gut ist für die Familien, für die Kinder, dann frage ich mich schon, wie es "zu wenig" sein kann. Herr Kollege Gusenbauer etwa meinte, dass es jetzt in dem einen oder anderen Fall "weniger" gebe, sagte jedoch nicht dazu, dass es bisher maximal 135 432 S zu beziehen gab, in Zukunft der Maximalbezug aber 216 000 S betragen wird.

Frau Kollegin Prammer wiederum behauptete, das Karenzgeld würde ersatzlos gestrichen werden. – Das stimmt nicht! Wir haben in diese Regelung die volle Karenzzeit integriert, einschließlich der Möglichkeit, über die Karenzzeit hinaus Kinderbetreuungsgeld zu beziehen.

Kurz und gut – und Sie von der Opposition können das drehen und wenden, wie immer Sie wollen –: Ab 1. Jänner 2002 wird es mehr Geld für mehr Kinder, und das über eine längere Bezugszeit und zusätzlich mit 200 000 S an Zuverdienstgrenze und zusätzlich 18 Monaten Pensionsbegründungszeit für jene Frauen geben, die Kinder erziehen und aus diesem Grund zu Hause bleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit, meine Damen und Herren, werden die Familien in der ganz wichtigen Betreuungsphase von Kindern wesentlich besser als bisher unterstützt. Damit wird aber auch in der Armutsbekämpfung Wesentliches getan, zeigen uns doch alle Sozialberichte der letzten Jahrzehnte, dass Kinderreichtum der Hauptgrund ist, warum Menschen in Armut geraten. Und diese Gefährdungsmöglichkeit wird nun wirklich von der Wurzel her bekämpft.

Wir haben ja auch das andere Modell kennengelernt, nämlich: mehr Geld für jene, die mehr verdienen. – Das kann doch nicht wirklich die Antwort von Sozialdemokraten auf ein brennendes familien- und sozialpolitisches Problem sein!

Wir von den Regierungsparteien stehen für ein Gegenmodell, wir stehen für Umverteilung: Umverteilung von jenen, die verdienen, zu jenen, die es für Kinderbetreuung brauchen (Zwischenrufe bei der SPÖ), Umverteilung von den Etablierten zu den Jungen und zu den Familien.

Ich fordere Sie von der Opposition auf: Gehen Sie diesen Weg mit uns mit – für die Kinder, für unsere Zukunft, für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen: Macht der wieder eine tatsächliche Berichtigung?)

14.58

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Was jetzt tatsächlich bemerkenswert war, ist, mit welcher Offenheit sich Herr Abgeordneter Tancsits – für den ÖAAB und für seine Partei – zur Umverteilung von den Arbeitnehmern zu den Gewerbetreibenden und zu den Landwirten bekannt hat. Herr Abgeordneter, das war eine reife Leistung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiss: Gehörlosen-Zuschuss für Einem! Er hat nicht einmal gehört, was Tancsits gesagt hat! Ich werde einen solchen Zuschuss für Einem beantragen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist tatsächlich heute schon einiges gesagt worden zu diesem Kindergeld, das Sie einführen werden, aber lassen Sie mich trotzdem noch folgende Feststellung treffen: Sie von ÖVP und Freiheitlichen gehen offenbar davon aus, dass Kindsein mit


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drei Jahren und einem Tag aufhört. – Wir hingegen von der Sozialdemokratie gehen davon nicht aus! Und das ist auch die Grundlage dafür, warum wir der Überzeugung sind, dass es eine andere Antwort braucht.

Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, der Auffassung sind, dass das Kinderbetreuungsgeld eine Maßnahme zur Armutsbekämpfung sein soll – was jedoch ohnehin geradezu absurd ist, denn Armutsbekämpfung kann man lediglich über eine entsprechende Einkommenspolitik beziehungsweise Sozialpolitik betreiben –, dann sorgen Sie doch bitte, wenn es darum geht, Familien und Kindern eine entsprechende Entwicklung zu geben, dafür, dass Kinder die ganze Zeit über, in der sie von den Eltern finanziell abhängig sind, entsprechend gefördert werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie nehmen mit der Politik, die Sie betrieben haben, insbesondere auch im Bereich der Bildungspolitik – denken Sie etwa nur an die Studiengebühren! –, den Familien Geld weg, statt es ihnen zu geben, und Sie geben einigen Familien, nämlich jenen, die gerade null- bis dreijährige Kinder haben, 6 000 S Kindergeld. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist deutlich genug gesagt worden: Kindsein hört nicht mit drei Jahren auf, und daher braucht es Maßnahmen bis zum Ende dieser Bedürftigkeit von Familien. Und das haben wir vorgeschlagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie sollten auch ehrlich genug sein, erstens zu sagen, von wem Sie das Geld nehmen und wem Sie es geben, und zweitens auch offen zuzugestehen, dass Ihnen nicht alle Kinder 6 000 S wert sind und dass die Hälfte der Bezieher dieses Kindergeldes künftig weniger bekommen, als das mit dem Karenzgeld der Fall war! (Ruf bei der ÖVP: Das ist doch Blödsinn!) Ehrlichkeit ist das Mindeste, was man von Ihnen verlangen könnte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Ich setze das Einvernehmen des Hohen Hauses voraus, jetzt, da wir am Ende der Debatte angelangt sind, auch gleich die Abstimmungen darüber durchzuführen – und dann die Behandlung der Dringlichen Anfrage durchzuführen sowie mit dem 5. Punkt der Tagesordnung nach Schluss der Dringlichen Anfrage zu beginnen.

Da ich keinen Widerspruch sehe, werde ich so vorgehen und über die einzelnen Ausschussanträge getrennt abstimmen.

Als Erstes kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 716 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 92.)

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht 716 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Bericht des Familienausschusses zur Kenntnis nehmen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Beschlussfassung erfolgt mit Mehrheit.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Kollegen betreffend Änderung des Urlaubsrechtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag Öllinger zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist nicht die erforderliche Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf in 715 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Öllinger und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.


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Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und dann über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Herr Abgeordneter Öllinger hat beantragt, den Artikel I § 49 Abs. 1 zu ändern, und ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag Öllinger zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist nicht die erforderliche Mehrheit.

Daher lasse ich über diesen Teil des Gesetzes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Teil des Gesetzes in der Fassung des Ausschussberichtes zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass dies mit Mehrheit so angenommen ist.

Damit stimmen wir, wie angekündigt, über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes ab.

Für den Fall der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass die restlichen Teile des Gesetzentwurfes mit Mehrheit angenommen sind.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass die Vorlage in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist.

(Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundeskanzler Dr. Schüssel reicht dem gleichfalls auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Haupt die Hand. – Abg. Edlinger: Ein Beifall wie in der Sowjetunion! Die Chinesen haben das auch gemacht! – Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung des Abg. Edlinger –: Was haben Sie gegen die Chinesen?)

Ferner kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht in 715 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben wollen, um ein Zeichen. – Diese Entschließung ist mit Stimmenmehrheit angenommen. (E 93.)

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic und Kollegen betreffend geschlechtergerechten Sprachgebrauch.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag Petrovic hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Kollegen betreffend die Erhöhung der Familienbeihilfe um 5 000 S pro Jahr und Kind sowie jährliche Bereitstellung von 1 Milliarde Schilling zum Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer soll das bezahlen?)

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist nicht die erforderliche Mehrheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen weiters ab über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht in 717 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, die Kenntnisnahme erfolgt mit Stimmenmehrheit.


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht in 718 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall der Zustimmung darf ich um ein entsprechendes Zeichen ersuchen. – Ich stelle fest, dass dieser Antrag mit Stimmenmehrheit angenommen ist.

Damit haben wir die Tagesordnungspunkte 1 bis 4 erledigt.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reformen statt Säuberungen (2629/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 2629/J.

Diese Anfrage ist an alle Abgeordneten verteilt worden, so dass sich eine Verlesung erübrigt.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Bundesregierung ist unter Ihrer Führung angetreten, um "Österreich neu zu regieren". Sie hat diese Drohung wahr gemacht.

Ein Schlüsselsatz der Regierungserklärung lautet: "Wir wollen die Wirtschaft von bürokratischen Fesseln befreien, Proporz und Parteibuchwirtschaft abschaffen und den Menschen mehr Mitentscheidungsrechte geben." Wie keines seiner Vorgänger hat das Kabinett "Schüssel" bewiesen, dass die Parteibuchwirtschaft der SPÖ schon nach einem Jahr übertroffen werden kann. ORF, ÖIAG, Sozialversicherung, Kultur, Justiz – überall werden "Widerstandsnester", wie die Arbeitsplätze politisch Unzuverlässiger im neuen Regierungsdeutsch genannt werden, ausgehoben. Statt auf "Headhunting", mit dem für Unternehmen die besten Köpfe gesucht werden, setzt das Kabinett "Schüssel" auf Kopfjagd. Parteibuch und Beziehungen sind wieder alles, Qualifikation und Unbestechlichkeit ein zufälliges Nebenprodukt.

Die Regierung hat Reformen versprochen und Säuberungen gebracht. Der Bundeskanzler trägt dafür die Verantwortung.

Weil keine Regierung das Recht hat, erfolgreiche Unternehmen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und vor allem ein bewährtes System sozialer Sicherheit aus parteilichen Gründen zu schädigen, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage:

"Reform" der Sozialversicherung

Vor mehr als einem Jahr wurde das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz von Ihrer Regierungsmehrheit so beschlossen, dass eine regierungsnahe Mehrheit im Hauptverband nach den folgenden AK-Wahlen sicher schien. Die Wähler haben anders entschieden und die blau-schwarze Machtübernahme in der Sozialversicherung verhindert. Jetzt soll das AK-Wahlergebnis mit Parlamentsmehrheit korrigiert werden. Das Ziel, so heißt es, sei aber ein ganz anderes: die Senkung des Defizits der Sozialversicherung.

Die folgenden Fragen beziehen sich unmittelbar auf den Zuständigkeitsbereich des Sozial- bzw. Justizministers. Aus Sicht der Anfragesteller stehen die Vorgänge rund um die "Reform des Hauptverbandes" jedoch im eklatanten Widerspruch zur Regierungserklärung. Angesprochen wird daher der Kompetenztatbestand "Wahrung der Einheitlichkeit der Regierungspolitik" bzw. "Hinwirken auf das einheitliche Zusammenarbeiten der Bundesministerien in allen politischen Belangen".


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1. In der bisherigen Verbandskonferenz gehörten von den 27 Mitgliedern 16 der SPÖ und 11 der ÖVP an. Mit der Novelle zum ASVG planen Sie, in der neuen 38-köpfigen Hauptversammlung 22 ÖVP-Mitgliedern nur noch 15 der SPÖ und dafür eines der FPÖ zur Seite zu stellen. Der Verlierer der AK-Wahlen verdoppelt so seine Sitze. Um wieviel wird durch die Verdopplung der Sitze für Ihre Partei das Defizit der Sozialversicherung gesenkt werden?

2. ÖVP und FPÖ haben erklärt, dass HV-Präsident Hans Sallmutter abgesetzt werden muss, damit er nicht weiter Reformen im Gesundheitssystem blockieren könne. Welche dieser von Sallmutter blockierten Reformen sollen mit der vorliegenden ASVG-Novelle beschlossen werden?

3. Die wichtigsten Sozialversicherungsträger stehen noch nicht unter der politischen Kontrolle der Regierungsparteien. Sollen die Strukturen dieser Träger dem Vorbild des Hauptverbandes entsprechend ebenfalls "reformiert" werden?

4. Sie planen, im Verwaltungsrat das Prinzip der jährlichen Rotation einzuführen. Im Aufsichtsrat welcher Unternehmen hat sich das Rotationsprinzip bewährt?

5. Die Selbstverwaltung ermöglicht auch bei erfolgreicher Umfärbung des Hauptverbands noch keine totale Kontrolle von der Regierungsbank aus. Mit Ihrem geplanten Vetorecht für Sozialminister und Finanzminister ermächtigen Sie Regierungsmitglieder zum direkten Eingriff in die Selbstverwaltung. Die Verfassungsjuristen Prof. Funk und Prof. Öhlinger sehen darin Verstöße gegen Verfassung und Rechtsstaatlichkeit. Warum nehmen Sie bei diesem Versuch der politischen Kontrolle einen Verfassungsbruch ihres Sozial- bzw. Finanzministers in Kauf?

6. In einem Gutachten für die Wirtschaftskammer ist Univ.-Prof. Dr. Bernd Christian Funk zu folgendem Schluß gekommen: "Das rechtliche Verhältnis von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung wird in willkürlicher Weise verzerrt und durch Machtstrukturen ersetzt: dem Verwaltungsrat des Hauptverbandes bleiben Aufgaben und Verantwortung bei gestörter – weil durch Einsprüche aufhebbarer – Kompetenz, die ministerielle Ebene gewinnt Kompetenz und Aufgabe, jedoch – mangels rechtlicher Überprüfbarkeit – ohne entsprechende Verantwortung." Warum setzen Sie sich über diese schwerwiegenden Einwände hinweg?

7. Im Gespräch für einen Posten als Hauptverbandsgeschäftsführer ist Wolfgang Huber, früherer Geschäftsführer des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern, in dem auch Staatssekretär Waneck tätig war. Huber war "Leiter der von der Regierung eingesetzten Reformkommission" und somit führend an der Entwicklung des neuen Konzepts für den Hauptverband beteiligt. Im Wirtschaftsblatt vom 16. Juni 2000 wird Huber als Chefverhandler der Regierung bezeichnet. Kann angesichts der umfassenden Unvereinbarkeitsregelungen im Gesetzesentwurf eine Person, die Auftragsnehmer der Regierung ist, im Rahmen der Selbstverwaltung eine Funktion einnehmen?

"Reform" des ORF

Am 27. Juni stellte die Redakteursversammlung des ORF einstimmig fest: "Die Redakteure der Zeit im Bild-Sendungen müssen sich wieder einmal gegen politischen Druck wehren. Mit dem Näherrücken der Beschlussfassung des ORF-Gesetzes haben Zahl und Vehemenz der Interventionen der Regierungsparteien stark zugenommen." Nach vier Fällen von Interventions- und Einschüchterungsversuchen durch den FPÖ-Klubobmann faßt die Redakteursversammlung unter "B. Bundeskanzler Schüssel, ÖVP" die Vorwürfe gegen Sie zusammen: "Im April und im Mai hat der Bundeskanzler (oder seine Sprecher) ORF-Redakteuren in drei Fällen Manipulation vorgeworfen..."

8. Um welche Fälle handelt es sich?

9. Haben die Interventionen mit Ihrem Wissen stattgefunden?

10. Wenn nein, welche Konsequenzen haben Sie gegenüber diesen "Mitarbeitern" gezogen?


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11. In welchen Fällen hat BM Wilhelm Molterer an Ihrer Stelle interveniert?

12. Welcher Ihrer Mitarbeiter hat interveniert, weil anläßlich Ihres Besuches beim AMS nicht darüber, sondern zu einer anderen Frage berichtet worden ist?

13. Am Rande eines Staatsbesuchs haben Sie in aller Öffentlichkeit einem ORF-Reporter im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die "Beistandspflicht" lautstark "Manipulation" vorgeworfen. Warum haben Sie diesen Vorwurf erhoben?

14. Halten Sie den Vorwurf aufrecht?

15. Wenn nein, haben Sie sich für diesen Vorwurf entschuldigt?

16. Als der ORF am 1. Mai über Ihren Vorschlag zur Erhöhung des Pensionsalters berichtete, löste auch das Interventionen aus. Warum ist in diesem Fall interveniert worden?

17. Über die Interventionen des FPÖ-Klubobmanns berichtet die ORF-Redakteursversammlung:

"A. FPÖ-Klubobmann und ORF-Kurator Westenthaler

1. Versuchte Einschüchterung und Beeinflussung der Berichterstattung am FPÖ-Konvent

Der FPÖ-Klubobmann attackierte den ZIB-Redakteur in herabwürdigender Weise in Hörweite anderer Journalisten wegen seines Berichtes in der 13 Uhr-ZIB. Es fielen folgende Ausdrücke: "Weis sagt Ihnen offenbar, was Sie berichten müssen", "Sie haben die Veranstaltung nicht verstanden", "Abfangjäger sind kein Thema", "so kann die ZIB-Geschichte nicht aussehen" etc.

2. Versuch, die Pressekonferenz "Plakataktion Kindergeld" in die ZiB 1 zu bringen

Nachdem die ZIB-Sendungsverantwortlichen entschieden hatten, daß die Vorstellung dieser Plakataktion nicht relevant für die ZIB 1 sei (ein Bericht darüber wurde in der 12 Uhr ZIB gesendet), setzte Westenthaler vom Generalintendanten abwärts eine Woche lang Entscheidungsträger (vergeblich) unter Druck, um einen weiteren Bericht zu erreichen.

3. Bestelltes Interview zum Kindergeld

Der FPÖ-Klubchef verlangte, am Tag nach der Präsentation der SPÖ-Vorschläge zum Kindergeld in einem ZIB 1-Interview Stellung nehmen zu dürfen. Als er das nicht erreichte, weil die übliche Form eine Kurzmeldung oder eine Sammelreaktion ist, gab er vor, in einer Pressekonferenz Stellung nehmen zu wollen. Die "Einladung" entpuppte sich als Fax an Generalintendant Weis persönlich, in dem Westenthaler in sein Büro lud. Wie Recherchen ergaben, war kein anderes Medium eingeladen. Der "Einladung" wurde nicht gefolgt.

4. Versuch, ZiB 2-Chefredakteur Adrowitzer unter Druck zu setzen

Am Rande der Live-Diskussion über das ORF-Gesetz flüsterte Westenthaler Diskussionsleiter Adrowitzer zu, er besitze dessen Dienstvertrag und werde den später auch noch veröffentlichen."

Was werden Sie tun, um Journalisten vor derartigen Einschüchterungsversuchen und Belästigungen durch Regierungspolitiker zu schützen?

18. Wie im alten Kuratorium besteht auch im neuen Stiftungsrat die Möglichkeit, dass Vertrauensleute von ÖVP und FPÖ in geheimen Abstimmungen in Einzelfällen das Interesse des Unternehmens über das der Parteien stellen. Warum sollen geheime Abstimmungen im neuen ORF-Gesetz verboten werden?

19. Das Gesetz sieht einen "unabhängigen Bundeskommunikationssenat" vor. In der alten HSV konnten Richter mit Mehrheit beschließen. Im neuen Fünfer-Gremium brauchen sie für die notwendige Zweidrittelmehrheit immer einen Vertreter der Bundesregierung. Bei der Ausschreibung


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hat sich in der gesetzlichen Frist ein einziger Richter beworben. Da er nicht als regierungstreu gilt, wurde seine Bewerbung ignoriert. Nach dem Gesetz hätte nun eine neue Ausschreibung erfolgen müssen.

Gestern haben Sie nun ohne neue Ausschreibung fünf Richter und Regierungsvertreter nominiert. Warum haben Sie diese Vorgangsweise, die bereits öffentlich als gesetzwidrig kritisiert worden ist (APA, 3.7.01), gewählt ?

"Reform" der ÖIAG und ihrer Tochterfirmen

In ihrem ersten Jahr hat die Bundesregierung auch in der ÖIAG gezeigt, dass ihr neue Parteibücher und alte Freundschaften wichtiger als neue Konzepte und Strategien sind. Von der ÖIAG bis zu Telekom und AUA ist kaum ein Versuch, politische Vertrauensleute zu installieren, ausgelassen worden. Wirtschaftlicher Schaden ist dabei bewußt in Kauf genommen worden.

20. Am 22. Juni 2001 forderte Finanzminister Grasser ÖIAG-Vorstandssprecher Ditz auf, Personalentscheidungen in der AUA "durchzuziehen". Der Finanzminister versuchte damit, die FPÖ-Forderung nach Ablösung des noch im alten Proporzsystem bestellten AUA-Vorstands durchzudrücken. In Ihrer Regierungserklärung haben Sie noch angekündigt, die ÖIAG müsse "professionell und politikfern" agieren. Steht die Einmischung des Finanzministers in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats einer Firma, an der die ÖIAG Beteiligungen hält, im Einklang mit Ihrer Ankündigung in der Regierungserklärung?

21. Für den Fall, dass Ditz die Ablöse des AUA-Vorstands nicht schaffte, drohte ihm Grasser "mit seiner eigenen Ablöse" (profil, 2.7.01). Ist Ihnen eine Bestimmung des ÖIAG-Gesetzes bekannt, wonach dem Finanzminister ein direktes Eingreifen in die Tätigkeit des Vorstands zusteht?

22. Steht diese Drohung mit Ihrer Ankündigung in der Regierungserklärung in Einklang?

23. Werden Sie in Zukunft dafür sorgen, dass sich der Finanzminister an das ÖIAG-Gesetz und die Ankündigungen in Regierungserklärung und Koalitionsübereinkommen hält?

Zusammenfassung und Würdigung

24. Warum war der alte Proporz, der von Viktor Klima und Ihnen repräsentiert wurde, schlechter als der neue?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 (1) GOG verlangt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erster Redner erhält Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen das Wort zur Begründung der Dringlichen Anfrage. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte.

15.07

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! "Neu regieren", hat es geheißen. "Wir wollen Proporz und Parteibuchwirtschaft abschaffen", hat es seitens ÖVP und FPÖ geheißen. "Wir wollen die Entpolitisierung von öffentlichen Institutionen", hat es von FPÖ und ÖVP geheißen.

Das alles hat es geheißen vor einem Jahr, vor anderthalb Jahren, als Sie angetreten sind. Und jetzt? – Jetzt wissen wir, wie das gemeint war: Kopfjagd haben Sie gemeint, Kopfjagd in den öffentlichen Institutionen, in den öffentlichen Unternehmen. Kopfjagd, das ist Ihre Devise von "neu regieren". (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Alles, was in diesen Institutionen nicht blau-schwarz ist, muss entfernt, muss gesäubert und ausgeräuchert werden. (Abg. Böhacker: Ungeheuerlich sind solche Worte! – Weitere Zwi


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schenrufe bei den Freiheitlichen.) Alles, was im Verdacht steht, den blau-schwarzen Machthabern nicht automatisch zu parieren, muss ausgeräuchert und gesäubert werden. Alles, was im Verdacht steht, blau-schwarze Wünsche nicht schon in vorauseilendem Gehorsam zu erfüllen, muss entfernt, gesäubert und ausgeräuchert werden. (Abg. Böhacker: "Ausgeräuchert", das sind die Worte eines Professors? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Folge, meine Damen und Herren, ist nicht die versprochene Entpolitisierung, sondern – ganz im Gegenteil! –: die totale Politisierung öffentlicher Institutionen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Das erreichen Sie mit Ihrer Politik, und dafür tragen Sie, Herr Bundeskanzler, die Verantwortung – und nicht allein Ihr Koalitionspartner FPÖ!

Schauen wir uns doch zum Beispiel einmal an, was in einer der wichtigsten Institutionen unseres Landes, nämlich im ORF, vor sich geht, und fragen wir uns zuerst einmal, wie das Verhältnis zwischen Politikern, Herr Gaugg, wie Ihnen oder mir, und Journalistinnen und Journalisten normalerweise ausschauen sollte. (Abg. Gaugg: Korrekt, Herr Professor!) – Korrekt sollte es ausschauen, ja.

Politiker und Journalisten sollten nun einmal akzeptieren, dass sie aufeinander angewiesen sind – und das in einem merkwürdigen, nicht unkomplizierten Verhältnis. Politiker wollen ihre so genannte Botschaft loswerden. Das, was sie vertreten, soll vom Volk registriert werden – und dafür brauchen sie eben Transportmittel: Zeitungen, Printmedien und so weiter.

JournalistInnen auf der anderen Seite müssen bewerten, prüfen, einschätzen, auswählen, kürzen, nicht zuletzt kürzen – im Printmedium aus Platzmangel, im ORF aus Zeitmangel. Das sind wichtige und wesentliche Aufgaben, und naturgemäß stoßen diese Bewertungen, Kürzungen, Einschätzungen nicht immer auf die Zustimmung des betroffenen Politikers – das ist klar –, aber in einer normalen, stabilen, gefestigten Demokratie kann man davon ausgehen, dass die Politikerinnen und Politiker diese komplizierte, etwas widersprüchliche Situation verstehen und den JournalistInnen mit Respekt und Verständnis für ihre Tätigkeit begegnen (Beifall bei den Grünen), dass ein automatisches Verständnis für die Bedeutung von Meinungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit in einem Land besteht und dass man versteht, dass nur dann der Wähler oder die Wählerin, der so genannte Souverän, bei einer Wahl seine oder ihre Entscheidung entsprechend treffen kann, wenn vorher diese Informationsfreiheit gegeben ist. So ist das in einer normalen, stabilen, gefestigten Demokratie.

Autoritäre Politiker halten diesen Widerspruch der Interessen, diesen möglichen Konflikt zwischen JournalistInnen und Politikern natürlich nicht aus. Autoritäre Politiker halten das nicht aus, autoritäre Politiker wollen vom Objekt der Berichterstattung zum Subjekt der Berichterstattung werden. Sie wollen das selbst bestimmen, was in der Zeitung steht, was in "ZiB 1" berichtet wird, was in "ZiB 2" oder in "ZiB 3" berichtet wird. Was wann wo wie berichtet wird, das will der autoritäre Politiker selbst bestimmen. Und einen Musterfall dieser Spezies haben wir hier im Haus. (Abg. Brosz: Jetzt gerade nicht!) Jetzt gerade nicht, das ist richtig. (Abg. Mag. Kogler: Der Westenthaler ist getürmt! Wahrscheinlich interveniert er gerade!) Irgendwo im Haus wird er vielleicht sein, der Herr Kollege Westenthaler, Klubobmann der FPÖ. Er ist der Prototyp eines Politikers, der dieses autoritäre Verständnis vom Umgang mit Medien, mit Journalisten und Journalistinnen hat. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das Ideal des Herrn Westenthaler ist offensichtlich Folgendes: Der ORF-Reporter kommt, die Tontechniker sind da, das Mikrophon wird aufgedreht, und die Reporterin sagt: Sprechen Sie jetzt! Und das Ganze wird eins zu eins gesendet, egal, wozu geredet wird, egal, in welcher Länge. Völlig gleichgültig! Westenthaler bestimmt, was wichtig ist und was nicht. Das ist seine Idealvorstellung. Und dafür kämpft er ganz offen – das ist ihm ja in gewisser Weise sogar positiv zuzurechnen –, ganz offen, mit allen Mitteln.

Deswegen die täglichen Interventionen, deswegen die Beschimpfungen von Journalisten und Journalistinnen, deswegen das Nichtzurückschrecken vor dem Versuch der persönlichen Diffamierung, vor dem Versuch, persönliche Daten in die Öffentlichkeit zu tragen. Das hat es, meine Damen und Herren, in der Vergangenheit in dieser Form nicht gegeben. Das ist tatsächlich "neu


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regieren", aber in einem ganz anderen Sinn, als Sie es ursprünglich angekündigt haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was hier vorgeht, das sind flächendeckende Einschüchterungsversuche gegenüber Journalistinnen und Journalisten des ORF. Flächendeckende Einschüchterungsversuche! Das nenne ich Kopfjagd. Zuerst kommen die freien Mitarbeiter dran, die sich am allerwenigsten gegen Druck von außen wehren können, dann kommen die Redakteure dran, und dann kommt die Leitung des ORF dran. (Abg. Dr. Pumberger: Glauben Sie, was Sie da sagen?) Wenn jemand die Botschaft des Herrn Westenthaler immer noch nicht verstanden haben sollte, dann wird auf eine Milliarde geklagt. Auf eine Milliarde wird geklagt! Wissen Sie, welche Gerichtskosten das bedeutet, wer sich das leisten kann? – Ich glaube, nicht einmal die FPÖ kann sich das leisten, aber wir werden ja sehen. (Abg. Dr. Pumberger: Glauben Sie das selber, was Sie da sagen, Herr Professor?)

Amüsant am Rande ist ja, wie die Meinungsbildung innerhalb der FPÖ zu diesem Thema erfolgt. Gestern, 3. Juli, 20.11 Uhr, Haider sagt: Keine Klage der FPÖ gegen den ORF. Eine Stunde später, 21.21 Uhr, APA: Westenthaler korrigiert Haider. Es gibt doch eine Klage gegen den ORF. (Abg. Haigermoser: Eine sehr liberale Partei!) Sehr liberale Partei, sagt der Herr Kollege aus der FPÖ. – Heute, 4. Juli, 12.09 Uhr, Westenthaler: Kein Abweichen bei Klagen gegen die ORF-Spitze. Um 12.58 Uhr – die Reaktionsgeschwindigkeit steigt – sagt Riess-Passer: Es geht gar nicht um Klagen. Und Haider sieht den Sinn der Klagen nicht. (Abg. Öllinger: Oh!)

Ich sehe ihn schon. Es ist der Versuch der brutalen Einschüchterung, der Beeinflussung der Meinungsfreiheit, der Meinungsäußerungsfreiheit und damit der Informationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie, Herr Bundeskanzler, Sie schauen zu, Sie schweigen dazu. (Abg. Gaál: Er schweigt wie immer! – Abg. Dr. Pilz: Er macht nichts! – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Jetzt!) Noch. (Abg. Dr. Khol: Er wird gleich antworten! – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Ich werde dann antworten!)

Der Herr Bundespräsident ist Ihnen zuvorgekommen. Der Herr Bundespräsident hat sich heute – das entnehme ich wiederum der APA – durchaus geäußert und zeigt sich entsetzt über die Interventionen der FPÖ im ORF. Er spricht "seinen höchsten Respekt" – ich zitiere wörtlich – "für die Resolution" der "ZiB 1"-, "ZiB 2"-, "ZiB 3"-Redakteure "aus", die diese vor wenigen Tagen einstimmig beschlossen haben, und zwar nicht ein paar, sondern 45. (Abg. Nürnberger: Lauter "Linke"!) Sie wollen uns im Ernst einreden, dass das dort alles "rot-grüner Mob" ist?! Das ist ja sonst Ihre Diktion, wenn es um Demonstrationen und Demonstrationsfreiheit geht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Herr Bundeskanzler! Ich bin gespannt, was Sie heute zumindest hier in diesem Haus zu dieser Einschränkung der Informations- und der Meinungsfreiheit in Österreich sagen werden. Bis jetzt jedenfalls haben Sie Westenthaler und die FPÖ bei ihrer Kopfjägerei im Bereich des Journalismus nicht behindert. (Abg. Dr. Khol: Kopfjägerei?) Sie haben ihnen freien Raum gelassen. (Abg. Dr. Khol: Was ist das für ein Ausdruck, Kopfjägerei?) Und im Hintergrund wird morgen in diesem Haus ein Gesetz beschlossen – ich weiß nicht, ob die FPÖ das überhaupt mitgekriegt hat –, das nichts anderes beabsichtigt, als einen ÖVP-treuen, regierungstreuen Rundfunk zu installieren. Ob das Ihren Interessen so besonders dienen wird, das lassen wir dahingestellt, aber ich bin der Letzte, der Ihre Interessen wahrnimmt. (Beifall bei den Grünen.)

Das stört mich auch an dieser Sache: Bei Westenthaler – bei aller politischen Gegnerschaft, die man sich nur denken kann – weiß man, woran man ist. Er ist offen in seinen Attacken, wenigstens in gewisser Weise. Man weiß, was die FPÖ wollte, wenn sie nur könnte. Gott sei Dank sind die Verfassungsinstitutionen immer noch stark in diesem Land. Aber das zeichnet sich deutlich ab.

Bei der ÖVP ist das nicht so deutlich. Die ÖVP betreibt nach meiner Auffassung und Überzeugung das gleiche Geschäft, aber viel stiller, verstohlener, heimlicher (Abg. Mag. Posch: Christlicher!), nämlich die Untergrabung des freien Journalismus und die Demoralisierung der unabhängigen Berichterstattung in diesem Land. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Sie werden, Herr Bundeskanzler, aber damit nicht durchkommen. (Abg. Murauer: Das ist ja wirklich interessant, dass Sie das beurteilen wollen!) Sie werden nicht durchkommen. Die Wählerin und der Wähler sind klüger, als Sie von der ÖVP glauben, sei es in den vorderen oder in den hinteren Bänken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Sie können Ihre Zwischenrufe gerne fortsetzen. Das Problem ist, ich verstehe sie hier vorne nicht. (Abg. Murauer: Das ist bei euch das Problem, dass ihr nicht verstehen wollt!) Das ist vielleicht auch besser so, aber ich werde sie dann im Protokoll mit dem größten Interesse lesen, Herr Kollege von den hinteren Bänken.

Schauen wir uns den zweiten Fall an, den ich hier thematisieren wollte: die ASVG-Novelle, die am Freitag beschlossen werden soll, und die Ablöse von Sallmutter. Es gibt hier ein Gutachten von jemandem, der zumindest meines Wissens nicht im Verdacht steht, Mitglied des "rot-grünen Mobs" zu sein, nämlich Professor Bernd Christian Funk, ordentlicher Professor der Universität Wien, zuständig für Staats- und Verwaltungsrecht, insbesondere Verfassungsrecht. Er hat dieses Gutachten nicht etwa für den ÖGB oder für die Grünen oder für die Arbeiterkammer oder für sonst eine "verdächtige" Institution gemacht, sondern für die Wirtschaftskammer.

Dieses Gutachten ist auch für Laien lesbar – ich bin ja selbst nicht Jurist – und jedem Mitglied dieses Hauses intellektuell zugänglich. Ich möchte daraus kurz zitieren, weil es wirklich für sich spricht:

"Durch das Einspruchsrecht" – das sind die künftigen Vetorechte von Finanzminister und Sozialminister – "wird ein wesentlicher Teil der sozialen Selbstverwaltung außer Kraft gesetzt und der Hauptverband in zentralen Funktionen seiner Eigenständigkeit beraubt und unter die Vormundschaft des Bundes gestellt.

Eine Rechtfertigung für diesen schwerwiegenden Eingriff in die gesetzlich eingerichtete Autonomie der Sozialversicherung ist – abgesehen von einem Machtkalkül – nicht ausfindig zu machen."

Gegen Ende kommt es in voller Schärfe:

"In verfassungsrechtlicher Hinsicht" – ich zitiere weiter – "ist die in Aussicht genommene Regelung aus mehreren Gründen zu kritisieren:

1. Sie stellt einen unverhältnismäßigen und sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Autonomie der Sozialversicherung dar.

2. Es fehlt an der verfassungsrechtlich gebotenen Determinierung der Ausübung des Einspruchsrechts durch den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen beziehungsweise durch den Bundesminister für Finanzen.

3. Die Vorenthaltung eines Überprüfungs- und Rechtsschutzverfahrens verstößt gegen elementare Grundsätze des Rechtsstaates." – Klammer auf: Ich hoffe, Sie hören zu, Herr Kollege Khol, neben Ihrem Blättern in einer Zeitung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

"4. Das rechtliche Verhältnis von Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung wird in willkürlicher Weise verzerrt und durch Machtstrukturen ersetzt: dem Verwaltungsrat des Hauptverbandes bleiben Aufgaben und Verantwortung bei gestörter – weil durch Einsprüche aufhebbarer – Kompetenz, die ministerielle Ebene gewinnt Kompetenz und Aufgabe, jedoch – mangels rechtlicher Überprüfbarkeit – ohne entsprechende Verantwortung."

Das heißt etwas klarer ausgedrückt: Willkür! Willkür wird hier beschlossen am kommenden Freitag mit den Stimmen der ÖVP und der FPÖ. Und das alles wollen Sie uns als "neu regieren" verkaufen?!

Jetzt schaue ich zur Abwechslung wieder einmal den Kollegen Gaugg von der FPÖ an, den ich früher einmal zumindest für einen energischen Vertreter von Arbeitnehmerinteressen gehalten habe. (Abg. Böhacker: Und jetzt?) Was passiert jetzt im Hauptverband, Herr Kollege Gaugg?


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Das vertreten Sie mit? – Die Arbeitnehmerinteressen werden mit Sicherheit dort nicht deutlicher vertreten werden können. Ganz im Gegenteil! (Abg. Gaugg: Wer sagt Ihnen das?) Das Einzige, was passiert, ist, dass gegen die ÖVP nichts mehr beschlossen werden kann. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und das nehmen Sie in Kauf für den einen oder anderen verlorenen Sitz für einen Freiheitlichen oder eine Freiheitliche? Das ist mir wirklich unverständlich. Haben Sie überhaupt gemerkt, dass Sie die Sozialversicherung in die Hände der ÖVP geben? Was haben Sie dafür bekommen? (Abg. Nürnberger: Die ÖIAG! – Abg. Öllinger: Den Vizekanzler!) Was ist das wert, dass Sie die Interessen der Arbeitnehmervertreter hier sinnlos aufs Spiel setzen? (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Für diese Novelle, die einzig und allein im parteipolitischen Interesse der ÖVP steht, nehmen Sie erstens schwerwiegende Verfassungsbrüche in Kauf, Herr Bundeskanzler, und zweitens – und das wundert mich schon ganz besonders – nehmen Sie schwerste Beschädigungen der Sozialpartnerschaft als Institution in Kauf. Ich habe noch gut im Ohr, wie der Herr Khol hier am Rednerpult die Vorzüge der Sozialpartnerschaft beschworen hat (Abg. Dr. Khol: Ja! – Abg. Gaál: Jetzt tritt er sie mit Füßen!)  – damals etwas zur Kritik der Grünen. (Abg. Haigermoser: "Sozialpartnerschaft neu" heißt das Ganze jetzt!) "Sozialpartnerschaft neu" heißt das bei Ihnen? (Abg. Haigermoser: Das ist eine neue Qualität!) Alles, was Sie machen, ist, dass Sie eine Lawine in Gang gesetzt haben, eine Lawine, deren Stillstand in keiner Weise abzusehen ist. Das haben Sie in Gang gesetzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Niemand weiß, wo diese Lawine stehen bleiben wird, und die morgige Demonstration des ÖGB, die wir Grünen voll unterstützen, ist nur ein kleines Symptom für das, was Sie hier ausgelöst haben. Die Brüche des Vertrauens innerhalb der Sozialpartnerschaft als Institution werden Sie so leicht nicht wieder kitten können. Da sollte ich weniger den Herrn Graf von der FPÖ anschauen als vielmehr die Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP. (Abg. Haigermoser: Wen Sie anschauen, ist Wurscht! – Abg. Dr. Khol: Es wird dadurch nicht wahrer!) Es wird nicht wahrer, weil es wahr ist , Herr Kollege Khol. Etwas, was wahr ist, kann nicht wahrer werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich beschränke mich in diesem mündlichen Vortrag unserer Dringlichen Anfrage im Wesentlichen auf diese zwei Bereiche, den ORF und die Sozialversicherung beziehungsweise die Institutionen der Sozialversicherung, weil ich glaube, dass sie die krassesten Fälle darstellen von dem, was wir hier sehen: Kopfjägerei. Aber allen von uns ist noch im Kopf, was sich in den letzten Wochen und Monaten im Bereich der ÖIAG abgespielt hat. Da muss ich schon fragen: Das wollen Sie uns im Ernst als neues Regieren verkaufen? (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Sicher! – Abg. Dr. Khol: Natürlich!) Das ist ja Uralt -Regieren!

Ich nehme nur den Fall Grasser und AUA und Ditz. Der Finanzminister lässt dem Vorstandsvorsitzenden der ÖIAG und Aufsichtsratsvorsitzenden der AUA über die Medien ausrichten, dass er den Vorstand der AUA zu entfernen hat. – Herr Kollege Khol, kommt Ihnen das nicht bekannt vor aus den sechziger, siebziger und noch aus den achtziger Jahren, wo SPÖ-Minister, sei es der Bundeskanzler, sei es ein anderer zuständiger Minister, immer wieder jenseits des Aktienrechts interveniert haben, versucht haben, ihre Wünsche durchzusetzen? Und jetzt rühren Sie kein Ohrwaschel, wenn Ihr Koalitionspartner, die FPÖ – in diesem Fall der Herr Finanzminister Grasser –, genau das Gleiche macht? Er kennt das Aktienrecht offenbar nicht, und wenn er es kennt, ist es ihm ganz Wurscht.

Der Finanzminister hat überhaupt keine formalrechtlichen Möglichkeiten, hier einzugreifen, und das muss er auch wissen. (Abg. Dr. Khol: Ja, das weiß er!) Nichtsdestoweniger macht er genau das. Das nennen Sie "neu regieren", das nennen Sie Entpolitisierung? Was hier in Wirklichkeit geschieht, ist exakt das Gegenteil: die totale Politisierung öffentlicher Institutionen und öffentlicher Unternehmen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.27


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung gelangt nunmehr der Herr Bundeskanzler zu Wort. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.27

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin nur nicht sicher, ob ich angesichts der Zahl der Fragen – es sind immerhin 24 Fragen und dazu die Begründungsrede des Oppositionsführers Professor Van der Bellen zu beantworten – mit 20 Minuten auskomme. Ich nehme mir daher das Recht auf eine ausführliche Beantwortung heraus, und ich bin sicher, dass Sie das verstehen, denn Sie haben mir ja an sich fast schon ironischerweise vorgehalten, ich schweige, was eigentlich selbstverständlich ist, wenn Sie Ihre Begründungsrede halten. Ich werde Ihnen jetzt umso ausführlicher und, wie ich hoffe, auch zufrieden stellend Antwort geben. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Van der Bellen! Ja, ich stehe dazu, ich bin verantwortlich für diese Bundesregierung, ich bin verantwortlich für eine Fülle von Reformen. Ich stehe dazu, und ich begründe es hier auch gerne. Wir haben jetzt in einem Jahr drei Budgets gemacht, wir sind in diesem Jahr mit Siebenmeilenschritten in Richtung Nulldefizit unterwegs, wir haben soeben das Kindergeld beschlossen und die ÖIAG entpolitisiert. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Die Nabelschnur zur Politik ist, wie Sie selbst korrekt berichtet haben, völlig durchtrennt. Weder der Finanzminister noch ich oder sonst jemand kann aktienrechtlich und nach den Bestimmungen des Gesetzes etwas anderes tun als bestenfalls seine persönliche Meinung sagen. Ein größeres Kompliment als mit dieser Bemerkung konnten Sie uns gar nicht machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich stehe dazu, dass wir in mühsamen Verhandlungen einen Finanzausgleich für vier Jahre mit Bund, Ländern und Gemeinden parteienübergreifend verhandelt haben, dass wir die Spitalsfinanzierung mit allen Ländern und Gebietskörperschaften, auch mit den Privatkrankenanstaltenbetreibern, außer Streit gestellt haben, für manche private Betreiber übrigens besser als in früheren Jahren – auch das sei hier fairnesshalber festgestellt.

Ich stehe nicht an, allen dafür zu danken, die jetzt an der zügig vorangetriebenen Staatsreform mitarbeiten. Aber ich sage auch dazu, es kann die Reformen nicht nur im Bereich des Staates und der Politik geben, das muss auch andere Themenbereiche betreffen. Sie haben genau die drei wunden Punkte erwähnt, wo wir am Anfang sehr große Schwierigkeiten gehabt haben:

Das ist der ORF, weil es keine ausreichende Medienvielfalt, kein Privatfernsehen, keine Stiftungskonstruktion, die den Zugriff von Medien-Tycoons auf den ORF beschränkt haben, zu wenig Abgrenzungen über journalistische Freiheit und Unabhängigkeit, aber auch die Verpflichtung zu derselben gegeben hat.

Es hat zu wenig Reformwillen in den Sozialversicherungsanstalten gegeben, und ich stehe dazu, dass ich "Kopfjagd" so verstehe, dass wir auf die Jagd nach den besten Köpfen gehen müssen, um dieses Land zu verändern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Gegen die besten Köpfe machen Sie Jagd! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich weise, Herr Abgeordneter Van der Bellen, mit Entschiedenheit jene Unterstellungen zurück, die sonst eigentlich gar nicht Ihrem persönlichen Stil entsprechen. Wenn Sie von autoritären Politikern sprechen, wenn Sie von der Unterminierung oder Untergrabung freier und unabhängiger Journalisten sprechen, dann müssen Sie von einem anderen Land reden, Herr Abgeordneter. Österreich ist das nicht, was Sie hier beschrieben haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Dann reden Sie einmal mit den Journalisten! Reden Sie doch einmal mit den Journalisten!)

Ich würde Ihnen auch sehr empfehlen, mit Vorwürfen wie "schwerwiegende Verfassungsbrüche" eine Spur vorsichtiger umzugehen, Sie sind sonst sehr schnell das Image eines ausgewogen formulierenden und sehr balancierten Oppositionspolitikers los. Mir persönlich würde das Leid


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tun, Herr Professor. (Rufe ironischen Staunens bei den Grünen.) Ich stehe dazu! (Beifall bei der ÖVP.) Wer jemandem schwerwiegende Verfassungsbrüche vorwirft, meine Damen und Herren, der muss wissen, was er sagt.

Und jetzt sage ich auch eines ganz offen dazu: Sie haben Grenzlinien besprochen und auch analysiert, die ich durchaus teilen kann. Ja, es ist wahr, dass natürlich jeder Politiker eine Message, eine Botschaft placieren will, und es ist wahr, dass es die Aufgabe eines unabhängigen Journalisten ist, wo immer er steht, welche Gesinnung immer er hat, zu prüfen, zu wägen, auszuwählen. Und das muss nicht immer angenehm sein für den Politiker, der glaubt, eine etwas anders gewichtete Botschaft placiert zu haben.

Aber ich sage Ihnen auch, wo die Probleme liegen: in der extremen, ja unerträglichen Verkürzung, die gerade heute im öffentlich-rechtlichen ORF stattfindet. In der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes, in der "Zeit im Bild 1", ist verkürzt, verkürzt, verkürzt worden, sodass heute ein unglaublicher Kampf um Sekundenbruchteile stattfindet, bei dem jede differenzierende Auseinandersetzung und objektive Information für die Journalisten viel schwieriger geworden ist. (Abg. Dr. Petrovic: Und jetzt bestimmt die Regierung, wie lange berichtet werden soll!) Daran ist bei Gott nicht die Bundesregierung schuld, Frau Abgeordnete Petrovic, da putzen Sie sich lieber nicht bei uns ab! Wir wollen hier mehr Freiräume schaffen, eine tiefer gehende und breitere Information, sicher nicht weniger. Das ist jedenfalls meine Absicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Genau das Gleiche gilt bei der ÖIAG. Ich sage Ihnen, früher war es doch auch so, dass privatisiert worden ist. Nur: Wohin sind die Privatisierungserlöse gegangen? Sie sind dazu verwendet worden, die Zinsen für die Altschulden der uraltverstaatlichten Industrie, für Fehlspekulationen und so weiter zu bezahlen. Das war eine ganz dramatische Situation. Aber wir haben jetzt innerhalb weniger Monate – und dafür ist doch bitte dem neuen Management und dem neuen Aufsichtsrat Dank der Republik zu zollen –, innerhalb eines Jahres den Schuldenstand zum ersten Mal von sage und schreibe 86 Milliarden auf jetzt 28 Milliarden Schilling gedrückt. Zwei Drittel der Schulden sind weg. Das ist ein riesiger Erfolg dieser ÖIAG-Strategie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Früher hat es das in dieser Form nie gegeben. Es sind in dieser Zeit – ich habe mich in der Vorbereitung dieser Anfragebeantwortung genau erkundigt – in den zuständigen Institutionen – Sie haben es auch in der Begründung nachgefragt – Headhunter, Personalberatungsbüros eingeschaltet worden, es sind 250 Personen geprüft, bewertet, in objektiven Hearings vorgestellt worden. (Abg. Dr. Petrovic: Nach Parteizugehörigkeit!) Wenn Sie heute den Aufsichtsrat der ÖIAG sehen, dann ist das eine Gruppe von Führungskräften in Österreich und außerhalb Österreichs (Zwischenrufe bei der SPÖ), die für 120 000 Menschen Verantwortung trägt, ihnen Arbeit und Brot gibt und für ein Umsatzvolumen von sage und schreibe 400 Milliarden Schilling steht. Das hat es nie gegeben. (Abg. Gradwohl: Wer waren die Headhunters?) Da sind keine Ministersekretäre mehr drinnen, keine politischen Günstlinge, das sind Profis, die ihr Geschäft verstehen. Und wir sind stolz auf sie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein zweites objektives Kriterium, Herr Wirtschaftsprofessor. Sie sind kein Jurist, Sie sind aber ein guter Ökonom und wissen daher, ein sehr objektives Kriterium ist immer die Bewertung durch den Markt. Wie schaut heute die ÖIAG auf dem Markt, auf dem Kapitalmarkt aus? Verglichen mit dem Februar 2000, als diese Bundesregierung ihr Amt angetreten hat, ist der Börsenwert der damaligen Firmen um sage und schreibe 54 Milliarden gestiegen, von 94 Milliarden auf 148 Milliarden Schilling! Ein Zuwachs von 54 Milliarden Schilling. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt können Sie sagen, da sind natürlich jetzt zum Teil auch Verkäufe drinnen. Okay, rechnen wir ... (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hören Sie doch zu! Lachen Sie nicht so komisch! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie glauben, Sie können dem Parlament jeden Schmäh erzählen!)


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Rechnen Sie diese Verkäufe heraus, dann kommen Sie immer noch, Herr Abgeordneter Gusenbauer, auf ein Plus von 15 Milliarden Schilling. Das ist mehr, als Ihre Vorgänger je zusammengebracht haben! Daher danke denen, die die ÖIAG in Schuss gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das sind nicht Propagandadaten dieser Bundesregierung. Das ist der unbestechliche Markt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wer entscheidet das?) Der Markt! Der Markt entscheidet das! Der Börsenwert der Firmen mit den Altbeteiligungen und ohne die Altbeteiligungen (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie kennen nicht einmal die Börsenkurse!), suchen Sie es sich aus: entweder plus 54 Milliarden oder plus 15 Milliarden, jedenfalls ein großartiger Erfolg dieser ÖIAG-neu-Politik! Und das sei anerkannt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Diesen Schmäh können Sie zu Hause erzählen, aber nicht im Parlament! Das ist doch nicht nachvollziehbar! Da werden die Betriebe ruiniert, und Sie erzählen uns diesen Schmäh! Das ist eine fahrlässige Bewertung des Wirtschaftsstandortes Österreich!)

Ich stehe zu den Reformen auch in anderen Bereichen, ob es jetzt die Bildung ist, ob es die Verwaltungsreform ist. Einer, der ganz unabhängig ist, einer, der dieser Bundesregierung gar nicht besonders geneigt gegenübersteht, Professor Wimmer, Professor für öffentliches Recht, früherer sozialdemokratischer Spitzenkandidat in Innsbruck, hat anlässlich des Verwaltungsreform-Dialogs das letzte Mal wörtlich gesagt – einige Zeugen sind hier unter uns –:

Es hat in der Geschichte der Zweiten Republik noch nie einen solch vernetzten Ansatz gegeben, dass Bund, Länder und Gemeinden inklusive der Sozialpartner an einem solchen gemeinsamen Impuls arbeiten. – Zitatende.

Und zum ersten Mal hat er Hoffnung, dass dies im Herbst auch wirklich gelingen könnte. – Ein schöneres Kompliment zum Reformwillen, dieses Österreich neu zu regieren, kann es nicht geben. Und wir haben es gar nicht bestellt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Am Ende wird es beim Hauptverband – ich gehe dort noch ein wenig stärker ins Detail ein – so sein wie bei der Pensionsreform: Am Anfang gibt es eine große Diskussion, oft sehr emotional, und am Ende werden es alle akzeptieren, weil es ein richtiger Weg ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt sage ich Ihnen auch ganz offen, wir haben uns lange bemüht, zu einem Gesamtkonsens mit den Sozialpartnern zu kommen, und ich zolle auch wirklich allen tiefen Respekt, die hier mitgearbeitet haben, denn so einfach ist das nicht. Ich weiß ja auch, dass all jene, die mit uns verhandeln oder mit uns reden, sich gelegentlich auch bei den eigenen Leuten Vorwürfe machen lassen müssen: Warum redet ihr überhaupt mit dieser Bundesregierung?

Aber ich sage Ihnen, die Reformen, die im Gesundheits- und Sozialbereich jetzt angedacht sind – und vieles davon im Konsens; bewerten Sie selbst, was davon im Konsens ist, ich gebe meine Sicht der Dinge wieder –, bringen zunächst einmal eine Reduktion der Ebenen. Sie haben heute im Hauptverband fünf verschiedene Ebenen. Das macht keinen Sinn. Sie haben das Präsidium, Sie haben den Vorstand, Sie haben die Kontrollversammlung, Sie haben die Hauptversammlung, und Sie haben natürlich ... (Abg. Dr. Petrovic: Und jetzt bestimmt der Bund über die Selbstverwaltung! Toll!) Nein, darf ich nur sagen, Sie haben heute fünf konkrete Ebenen. Wir reduzieren zunächst einmal auf drei Ebenen, von fünf auf drei.

Und weil die Parität kritisiert wurde, sage ich Ihnen, dass wir in Wahrheit drei Organe zusammenlegen: das alte Präsidium, den Kontrollausschuss und den Vorstand. Wir kommen damit in Wirklichkeit genau auf eine Parität. Es haben die Dienstgeber heute im Kontrollausschuss die Mehrheit und die Dienstnehmer im Vorstand. Legen Sie es zusammen, kommen Sie auf eine Parität! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas dazu: Dieses System ist ja überhaupt nicht österreich-spezifisch. Sie haben heute im Rahmen der Kindergeld-Diskussion über Deutschland geredet. Nun, wie ist denn in Deutschland die Sozialversicherung organisiert? Ich habe mich in der Vorbereitung auf diese Anfrage natürlich auch darüber kundig gemacht, habe selber angerufen: Die


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Allgemeine Ortskrankenkasse in Deutschland hat seit dem Jahr 1949 eine Parität der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, eine sechsjährige Funktionsperiode, und – hören Sie! – der Vorsitz wechselt jährlich. Überhaupt kein Problem. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

Heute gibt es dort Rot-Grün, früher gab es eine große Koalition, dann CDU/FDP. Das hat sich bewährt. (Abg. Öllinger: Hat sich nicht bewährt! Das hat sich nicht bewährt!) Wörtliches Zitat von Herrn Knieps, das ist der Bundesgeschäftsführer des Hauptverbandes der AOK (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic )  – Frau Abgeordnete, ich habe ein Mikrophon, ich bin lauter –:

Das ist eine Friedensordnung. Parteipolitik spielt hier im täglichen Geschäft keine Rolle. – Zitatende.

Genau das wollen wir: Sozialpartnerschaft, Parität, Gleichberechtigung zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern, aber nicht, dass der eine den anderen übervorteilen kann. Das schlagen wir vor – bewerten Sie es! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben hier eine Liste; Herbert Haupt und ich haben ja über all diese Fragen noch stundenlang mit den Sozialpartnern verhandelt. Wir haben überall die Listen über Konsens und Dissens. Worüber haben wir am Schluss gestritten? – Ich bekenne das hier ganz offen: Die Parität des Präsidenten war umstritten, also die Frage, ob der Präsident zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern wechseln soll. Das war umstritten. Wir haben uns für das deutsche Modell entschieden; dort machen sie das so, und es funktioniert. Das füge ich hinzu, weil Sie auch gefragt haben: Wo gibt es ein solches System? – Es gibt dafür gute Beispiele. (Abg. Silhavy: ... Wahlen bei uns!)

Das zweite Umstrittene waren Unvereinbarkeitsregeln; auch das sage ich hier offen. Wir haben uns im Wesentlichen auf zwei von drei Unvereinbarkeitsregeln geeinigt, soweit ich es verstanden habe. Vielleicht habe ich das "überverstanden", aber ich sage das jetzt aus meiner subjektiven Empfindung heraus. Demnach soll kein Träger-Obmann – ob aus der Gebietskrankenkasse oder sonst wo in der SV – im Verwaltungsrat sitzen – darüber gab es eigentlich Konsens –, und das schaltet natürlich heutige Spitzenfunktionäre aus.

Wir waren der Meinung, dass auch kein politischer Mandatar auf der Spitzenebene im Verwaltungsrat – und nur dort – vertreten sein soll. Das ist unvereinbar – weder National- noch Bundesrat noch Europaparlamentarier. Ich habe es so verstanden, dass das ein möglicher Konsens wäre.

Die dritte Unvereinbarkeit, die strittig war, bestand darin, dass dies für die leitenden Organe von kollektivvertragsfähigen Organen – also Präsidenten von Landeskammern, Fachgewerkschafter, Generalsekretäre, leitende Angestellte – unvereinbar ist. Das war strittig.

Das waren im Wesentlichen die strittigen Punkte, über die wir geredet haben. Dann kam man dazu: Wie formuliert man das bestehende Vetorecht? – Ich werde im Laufe der Detailbeantwortung noch darauf zurückkommen.

Was wir erreichen wollen, ist im Wesentlichen: mehr Selbstverwaltung und weniger politischer Einfluss. Vergessen Sie nicht, es war zwischen den Sozialpartnern und den Spitzen der Regierung akkordiert, dass die Minister auf wesentliche Rechte, die sie heute haben, verzichten. Der heutige Generaldirektor des Hauptverbandes ist nicht im Konsens der Sozialpartner bestellt worden – ich möchte das hier nachdrücklich festhalten! Niemand hat gesagt, dass es illegitim war, aber er ist


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nicht im Konsens der Sozialpartner bestellt worden. Es war eine ministerielle Alleinentscheidung, denn der Kontrollausschuss hat keine Mehrheit dazu abgegeben. Das Ganze geschah noch dazu ohne Ausschreibung, ohne öffentliche Ausschreibung, ohne Dienstprüfungen, und gleich auch noch pragmatisiert und unkündbar. (Abg. Murauer: Das waren andere Zeiten!) Ist das ein System, das im 21. Jahrhundert Sinn macht?

Die heutigen Präsidialmitglieder werden vom Sozialminister ernannt. In der Neukonstruktion hat der Sozialminister gar nichts mehr zu reden. (Abg. Verzetnitsch: Herr Bundeskanzler! Das ist ja nicht wahr!) Er ernennt weder den Präsidenten oder den Vizepräsidenten noch die Geschäftsführung; das ist ausschließlich Sache des Verwaltungsrates. (Abg. Verzetnitsch: Ich habe ein Vetorecht! Jederzeit Vetorecht! – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Haupt. ) Ich werde dann noch darauf eingehen.

Meine Damen und Herren! Ich halte das für eine hochinteressante Lösung, eine Brücke, die hin zu einer modernen Gesundheitsverwaltung und Sozialversicherung führt, und nicht für eine Entmachtung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Jetzt zu den einzelnen Fragen, die Sie mir gestellt haben.

Die erste Frage bezieht sich auf die Konstruktion. Wie schon erwähnt, geht es mir darum, dass wir von fünf Ebenen auf drei Ebenen kommen. Neu – darüber hat auch Konsens bestanden – soll ein langfristiges strategisches Gremium bestehen, in dem viele vertreten sind, viele NGOs oder Bürgergesellschaftsverbände, aber natürlich auch die Handlungsträger der Politik und der Sozialpartner. Diese sollen Leistungen und Finanzierungsgrundlagen aus dem tagespolitischen Streit herausheben. Das halte ich für einen der ganz großen Durchbrüche in den bisherigen Gesprächen.

Meiner Meinung nach sollten Sie, Herr Professor, sich auch einmal davon befreien, dass jeder Einzelne in der Hauptversammlung oder sonst wo parteipolitisch zugeordnet wird. Die politischen Parteien – die Bundesparteien – entsenden keinen einzigen Vertreter irgendwohin. Gesichert ist im neuen Verwaltungsrat, dass innerhalb der Selbstverwaltung auch Minderheitengruppen zum Zug kommen.

Folgendes möchte ich hier schon dazusagen: Wenn man Demokratie ernst nimmt – und ich bin sehr dafür –, dann sollte man auch das eine oder andere Demokratiedefizit der Vergangenheit nachdrücklich hinterfragen. Oder halten Sie es, Herr Abgeordneter Gusenbauer – weil Sie schon wieder den Kopf schütteln –, wirklich für demokratisch, dass etwa der ÖGB der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ein Mandat in der PVAng vorenthalten hat (Abg. Bures: Bei dem, was Sie sagen, kann man nur den Kopf schütteln!), obwohl die GÖD für Vertragsbedienstete ein Entsendungsrecht hat; nur damit die politische Arithmetik stimmt? – Meine Damen und Herren, ich halte das nicht für fair, das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen ganz offen: Es darf hier kein Monopol geben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso erzählen Sie uns bewusst die Unwahrheit?) Es steht nirgends im Grundgesetz oder in der Verfassung, dass etwa die Dienstgeberinteressen ausschließlich vom Wirtschaftsbund oder die Arbeitnehmerinteressen ausschließlich von der sozialistischen Fraktion vertreten werden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso erzählen Sie uns bewusst die Unwahrheit?) Es gibt eine Pluralität auf allen Ebenen, und die soll auch sichtbar sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die zweite Frage war: Welche bisher blockierten Reformen sollen mit der bisher vorliegenden Novelle durchgesetzt werden? – Darf ich da einige ganz interessante ... (Abg. Edlinger: Das führt dazu, dass wir mit ... Mehrheit haben! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Darf ich da vielleicht einige ganz interessante Punkte nennen? (Abg. Edlinger: ... Sozialversicherungen! – Abg. Mag. Kukacka: Die Wahrheit ist unangenehm, aber zumutbar! – Abg. Dr. Gusenbauer: Wahlen auch!)

Zum Beispiel gibt es noch immer kein einheitliches EDV-System für alle Träger. Jetzt wird erreicht, dass wir endlich ein trägerübergreifendes Controlling bekommen. Es wird nicht mehr beim Minister angesiedelt sein, sondern es wird dem Verwaltungsrat, also der Selbstverwaltung, zuarbeiten müssen. Das ist eine Stärkung und nicht eine Schwächung der Selbstverwaltung!

Oder halten Sie es wirklich für optimal, dass wir heute noch immer eine händische Krankenschein-Zettelwirtschaft haben? Wird nicht mit der – jetzt endlich mit Druck eingeführten – Chipkarte für alle eine moderne elektronische Verrechnung und Bearbeitung möglich sein? –


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Das sind doch Dinge, die Gesundheitspolitiker aus allen politischen Lagern seit Jahren verlangt haben. Wir machen es eben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen aber auch offen, was ich verhindern will. Ich will verhindern, dass die Ideen Wirklichkeit werden, die von manchen geäußert wurden. Ich werde hier keine Namen nennen, aber immer wieder geäußert wurde Folgendes: Einmal war es etwa eine Steuer zur Finanzierung, nämlich ein Zuschlag von 5 Prozent zur Kapitalertragsteuer, dann war es eine Steuer auf Alkohol, Tabak oder Verkehr, dann war es überhaupt eine Beitragserhöhung um 0,3 Prozentpunkte, und mehrere Male ist sogar eine Erhöhung um 1 Prozentpunkt verlangt worden. (Abg. Nürnberger: ... nicht mehr hören!)

Wissen Sie, was das heißt, Herr Abgeordneter? (Abg. Nürnberger: Ambulanzgebühr ...!)  – Das heißt: 15 Milliarden Schilling an Beitragserhöhung. Mit uns nicht, Herr Abgeordneter! Mit uns nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass es überhaupt nicht um eine politische Kontrolle geht. Im Gegenteil, es geht darum, dass die Selbstverwaltung – aber pluralistisch und breit gestreut – jene Funktionäre nominieren kann, die tatsächlich dieses Reformkonzept umsetzen, von dem wir auch erwarten, dass substantielle Einsparungen bei der Verwaltung möglich sind. Das heißt, man muss dann auch offen – wenn es objektiv begründbar ist – über die Zusammenlegung von Trägern reden.

Wo steht geschrieben, dass etwa im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung von Dienstrechten der Angestellten und Arbeiter, wie wir sie ja großteils schon umgesetzt haben, nicht auch irgendwann einmal PVAng und PVArb zusammengelegt werden können? – Das macht Sinn und ist durchaus im Interesse der Versicherten gelegen, meine Damen und Herren. (Abg. Verzetnitsch: Wo steht geschrieben, dass wir Bauern und Selbständige trennen müssen?) Auch das ist selbstverständlich objektiv zu prüfen, Herr Präsident, und da darf es kein Tabu geben, weder in dem einen noch in dem anderen Bereich. Das erwarte ich von den neuen Vertretern – auch Sozialpartnerschaft- und Sozialversicherung-neu –, dass sie das umsetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Frage nach der jährlichen Rotation habe ich beantwortet. Sie wird in Deutschland seit über 50 Jahren mit großem Erfolg praktiziert. Wir orientieren uns hier eindeutig an diesem Fall.

Nun zu dem so genannten Vetorecht: Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen, ich habe mir das ASVG hergenommen und möchte Sie gerne auf § 448 Abs. 4 und 5 hinweisen. (Abg. Öllinger: Wir kennen es! Wir haben es im Ausschuss ...!) Dort sehen Sie heute ganz klar Folgendes festgelegt: Zwei Aufsichtsvertreter jetzt – in Hinkunft ebenfalls zwei Aufsichtsvertreter; der Vertreter des Sozialministeriums kann Einspruch erheben, wenn gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen wird; der Vertreter des Finanzministeriums kann gegen Beschlüsse Einspruch erheben, die die finanziellen Interessen des Bundes betreffen.

Zusätzlich steht im § 449: Die Aufsichtsbehörden "können ihre Aufsicht auf Fragen der Zweckmäßigkeit erstrecken; sie sollen sich in diesem Falle auf wichtige Fragen beschränken und" nicht unnötig in die Selbstverwaltung eingreifen. "Die Aufsichtsbehörden können in Ausübung des Aufsichtsrechtes Beschlüsse der Verwaltungskörper aufheben." – Das ist geltendes Recht!

Was wir gemacht haben, ist im Wesentlichen eine ähnliche Formulierung. (Abg. Dr. Petrovic: Nein!) Ja, natürlich. Wir werden sie aber noch ... (Abg. Nürnberger: Gibt es ein Rechtsmittel gegen das?)  – Warum schreien Sie denn so? Ich will es ja gerade beantworten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Wir wollen das gerade im Sinne der Diskussion, die in den letzten Tagen stattgefunden hat, noch einmal so präzisieren, dass dies im Wesentlichen erhalten bleibt: dass bei Rechtswidrigkeit das Sozialministerium Einspruch erhebt, bei finanziellen Interessen des Bundes und in der Frage der Zweckmäßigkeit das Finanzministerium, und da muss es selbstverständlich auch ein Rechtsmittel geben. Das werden wir machen. Das wird völlig undramatisch ablaufen, weil es gescheit ist und weil wir das so machen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Zur Frage 7; wer jetzt in der neuen Geschäftsführung – Sie wissen, dass diese drei bis fünf Mitglieder umfassen wird – drinnen sein wird: Da wird ein Name genannt, den ich gar nicht kenne. Ich kann auch nicht vorgreifen. Es wird hier kein Regierungsmitglied irgendeine Möglichkeit haben, auch nicht der Sozialminister, der diese bisher gehabt hat. Es wird der Verwaltungsrat – erstmals in der Geschichte! – öffentlich ausschreiben. Jeder kann sich bewerben. Kopfjagd heißt hier: Jagd auf die besten Köpfe – die es können, sollen in diesen Bereich kommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Bures. )

Zur Frage 8; Reform des ORF und Interventionen: Ich kann wirklich nur über jene Dinge sprechen, die mich selbst betreffen. Ich selbst war ehrlich betroffen von der Kritik der "ZiB"-Redakteure in zwei Fällen, die mich betreffen; es gibt da nur zwei Fälle. Ich habe daher die beiden Repräsentanten der "Zeit im Bild" eingeladen; es waren dies Frau Danielle Spera und Herr Wolfgang Wagner. Es gab ein ausgezeichnetes, sachliches, gutes Gespräch. Ich habe auch meine Gründe dargelegt, worum es mir in zwei konkreten Fällen gegangen ist. Selbstverständlich ging es um Verkürzung – wie Sie es gesagt haben –, Verkürzung und Reduktion, und da gibt es Unterschiede.

In der Frage 1 – da ging es um den so genannten SPD-Leitantrag zu Europa – wurde ich am Rande einer anderen Veranstaltung zu diesem Antrag befragt, den ich gar nicht gekannt hatte. Sie kennen ja diese neue Übung: Bevor man noch irgendetwas gesehen hat, muss man es schon kommentieren. Ich war daher in einem langen Interview extrem vorsichtig, und ich habe gesagt: Nach Kenntnis dessen, was ich bisher über die Agenturen gehört habe, entsprechen einige Vorstellungen der SPD – Subsidiarität, Kompetenzkatalog – durchaus österreichischen Prioritäten und Interessen. In anderen Bereichen – wie etwa, den Europäischen Rat zu einer zweiten Kammer zu machen – sind wir nicht dieser Ansicht; hier droht die Gefahr eines europäischen Superstaats.

Gesendet wurde nur dieser letzte Halbsatz: die Gefahr des europäischen Superstaats. – Es war nicht falsch, ich habe das gesagt. Ich glaube aber, dass ich das Recht habe, in einer heiklen Frage, die europaweit Beachtung findet, auch darauf Wert zu legen – und mehr war es nicht –, dass ich in der gesamten Differenzierung meiner Argumentation gehört werden will. Oder man lässt es – ich muss ja in diesem Zusammenhang nicht vorkommen. Aber wenn man eine Stellungnahme von mir will, dann muss ich auch das Recht haben, meine Akzente so zu setzen, und dann muss das mehr sein dürfen als ein Halbsatz, den man zielgerichtet einspielen will. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da ging es nicht um Parteiintervention. Ob ich ein paar Sekunden mehr oder weniger vorkomme – glauben Sie mir, das ist völlig uninteressant! (Abg. Öllinger: Aber Sie kommen um viele Sekunden mehr vor!) Es war kein parteipolitischer Vorteil, sondern mir ging es da um eine staatspolitisch wichtige Frage, um eine österreichische Position, die ich ausgewogener formuliert hatte, als ich sie danach erkannt habe.

Das Zweite: Wir haben einen Europa-Dialog über die Frage "Zukunft der Europäischen Union" veranstaltet; viele von Ihnen waren ja dabei. Ich habe dort eine Frage gestellt: Wie ist das unter anderem mit einer Beistandsverpflichtung im Verteidigungsfall? – Das Interessante war, dass in der Diskussion eine bemerkenswerte Stellungnahme – die erste, von Nationalratspräsident Heinz Fischer – gekommen ist, in der sehr präzis differenziert worden ist: Wenn es rein um die Verteidigung geht, könnte er sich das vorstellen. Ich interpretiere das als eine persönliche Meinung; mehr kann es in einem solchen Dialog auch nicht sein. Andere haben dazu überhaupt nicht Stellung genommen.

Am Ende habe ich noch einmal zusammengefasst und es begrüßt, dass wir zu einer solchen Versachlichung der Diskussion gekommen sind. Ich habe das auch in einem Interview zur Kenntnis gebracht. Auf Grund dessen wurde dann ein Eindruck erweckt, als ob da von mir ein massiver Vorstoß gekommen wäre. Es war nicht falsch, es war vom Österreichischen Rundfunk ganz korrekt wiedergegeben; ich habe nur darauf aufmerksam gemacht: Das eigentlich Interessante war nicht meine Frage, sondern die Antwort, die manche gegeben haben. Das hätte


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meiner Ansicht nach auch manches versachlicht. Vielleicht könnten wir dieses Mehr an Sachlichkeit gelegentlich brauchen.

Mir ging es dabei nicht um ein paar Sendesekunden mehr für mich oder für meine Partei. Ich glaube, eine solche sachliche Auseinandersetzung wird auch mit den "ZiB"-Redakteuren durchaus möglich sein. Sie muss sich aber in einer Form abspielen – da nehme ich auch mich bei der Nase –, die das Wort "Manipulation" nicht rechtfertigt, die es aber auf der anderen Seite auch nicht rechtfertigt, dass man jetzt eine Unterminierung der freien journalistischen Tätigkeit im ORF wittert. So will ich es auch in Zukunft halten: Freiheit für die Journalisten, aber ein ehrlicher Dialog, weil wir tatsächlich auf zwei Seiten arbeiten und jeder mit besten Kräften etwas Gutes für das Land erreichen möchte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 17 muss ich sagen, dass sie wirklich nicht meinen Vollzugsbereich betrifft. Ich kann auch hier nur sagen, dass ich der Meinung bin, dass wir den Journalisten gegenüber besonders vorsichtig sein sollen, weil sie auch sensibel sein müssen und weil sie oft dieses Gefühl bekommen: Wenn einer von uns Politikern etwas in der – vielleicht sogar verständlichen – Emotion sagt, wird das sofort ganz anders interpretiert und bekommt eine ganz andere Konnotation.

Daher ist dies unsere gemeinsame Antwort – von beiden Fraktionen der Regierungsparteien – morgen beim ORF-Gesetz: eine explizite Verankerung der journalistischen Unabhängigkeit, des Rechtes auf Unabhängigkeit und der Pflicht zur Unabhängigkeit, die Stiftungskonstruktion und die Haftungskonstruktion für die Aufsichts- oder Stiftungsräte – was klarerweise auch bedingt, dass weniger politischer Einfluss im kommenden ORF vorhanden sein kann.

Dem ORF-Kuratorium des Jahres 1996 gehörten sage und schreibe 16  Politiker an, 16 Politiker, Pressereferenten oder Parteiangestellte. Die müssen alle heraus! Das wird den ORF freier machen, es wird die Journalisten unabhängiger machen, und es wird hoffentlich das Programm besser machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 18; warum nicht mehr geheime Abstimmungen, sondern offene abgehalten werden: Das ist eine Frage dessen, was wir wollen. Wollen wir wie in einem Aufsichtsrat ein Gremium, das Haftung übernimmt – es war eigentlich außer Streit, und das war auch in früheren Diskussionen um das ORF-Gesetz bereits außer Streit –, dann entspricht es dieser Haftungsbestimmung, dass tatsächlich auch offen abgestimmt wird. Auf Grund der Haftungsbestimmungen sind geheime Abstimmungen unzulässig.

Ich zitiere den Kommentar zum Aktienrecht von Schummer/Jabornegg/Strasser: "Im Aktienrecht sind geheime Abstimmungen auf Grund der die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder treffenden Haftung für ihr Stimmverhalten mit Sicherheit unzulässig."

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass gerade das geheime Abstimmungsverhalten in der Öffentlichkeit sehr oft Anlass zur Kritik gegeben hat. (Abg. Dr. Petrovic: Ist das jetzt eine Stiftung oder eine AG? – Abg. Dr. Cap: Ist das eine AG? Stiftung oder AG?) Ich glaube, dass Transparenz im ORF ein Kriterium sein muss, das absolut Sinn macht. (Abg. Dr. Petrovic: Wo ist Westenthaler? – Abg. Dr. Cap: Stiftung, AG oder Westenthaler? – Abg. Dr. Petrovic: Wo ist Kurator Westenthaler?)

Meine Damen und Herren! Die nächste Frage bezieht sich auf den unabhängigen Bundeskommunikationssenat. Mir ist klar, dass hier vor allem der frühere grüne Kurator Schennach, der ja wegen der Unabhängigkeitsbestimmungen aus dem ORF-Kuratorium heraus muss, besonders kampagnisiert hat.

Wahr ist, dass wir jetzt, genau dem Gesetz entsprechend, drei Richter und drei Nicht-Richter nominiert haben, und zwar höchst qualifizierte Leute. Sie haben in der Begründung damit Recht, dass sich innerhalb der Frist ein Bewerber gemeldet hat, damit ist eine ordnungsgemäße Nominierung durch Oberlandesgericht und OGH nicht möglich gewesen. Die beiden Präsidenten haben daher ohne mein Zutun die Frist verlängert, und sie haben innerhalb dieser verlängerten Frist eine ausreichende Anzahl von unabhängigen Richtern gewinnen können.


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Der Präsident des Oberlandesgerichts hat in der Bewerbung auch den in Ihrer Begründung genannten Richter berücksichtigt, ihn aber in der Folge nicht für diese Tätigkeit empfohlen. In diese autonomen Vorgangsweisen der Präsidenten hat sich das Bundeskanzleramt in keiner Weise eingemischt. Der Vorschlag der Präsidenten wurde – wie durch das Gesetz vorgegeben – von der Bundesregierung verbindlich aufgegriffen und dem Bundespräsidenten vorgelegt.

Zur ÖIAG; Sie haben hiezu die Fragen 20 bis 22 gestellt. Sie zitieren da allerdings Dinge, die so nicht ganz stimmen. Wenn Sie den Gesamttext der Interviews und der Aussagen kennen – ich habe selbst nochmals mit Vorstandssprecher Ditz und Finanzminister Grasser Kontakt aufgenommen –, so kann ich Ihnen auf Grund dieser Informationen Folgendes mitteilen:

Der Bundesminister für Finanzen hat an der Hauptversammlung der ÖIAG am 22. Juni 2001 teilgenommen. Er hat die hervorragende wirtschaftliche Leistungsbilanz positiv gewürdigt und hervorgehoben. Er hat als oberster Eigentümervertreter in der ÖIAG dem Aufsichtsrat das völlige Vertrauen ausgesprochen. Ich möchte an dieser Stelle nachdrücklich festhalten, dass sich die Bundesregierung ausschließlich dem Aktienrecht und dem ÖIAG-Gesetz entsprechend verhält. (Abg. Öllinger: Haben wir bei der Telekom-Privatisierung gemerkt!) Ich gehe davon aus, dass die wirtschaftlichen und personellen Entscheidungen der ÖIAG ausschließlich im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und Verpflichtungen vorgenommen werden.

Der Bundesminister für Finanzen hat eindeutig mitgeteilt, dass nicht er den ÖIAG-Vorstand bestellt oder abberuft; dies ist ausschließlich Kompetenz des ÖIAG-Aufsichtsrats. Es werden übrigens auch die neuen Aufsichtsräte nicht mehr durch Minister oder durch die Regierung bestellt, sondern sie werden selbst berufen und abberufen. Durch diesen neuen Modus wird die Entpolitisierung des Aufsichtsrats absolut sichergestellt. Früher war das anders, da lagen Berufung und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der ÖIAG direkt beim Finanzminister, und damit war natürlich auch eine entsprechende politische Einflussnahme möglich.

Im Übrigen möchte ich Ihnen noch einmal sagen, dass bei jeder Neubesetzung, die gemacht wurde, pro Vorstands- und Aufsichtsratsposten fünf bis zehn allgemein anerkannte Unternehmer aus dem Bereich der Wirtschaft – Geschäftsführungsmitglieder des Handelsrechts und Persönlichkeiten mit langjährigen Erfahrungen im Wirtschaftsleben – von Headhuntern "gescreent" wurden. Jede Behauptung ist daher absolut unzutreffend ... (Abg. Öllinger: Alle aus der Papierindustrie!) Aber überhaupt nicht, schauen Sie doch einmal nach! Glauben Sie, dass Herr Hubbert oder Herr Achleitner aus der Papierindustrie kommt? – Weiten Sie Ihren Blick, Herr Öllinger, dann werden Sie auch andere Branchen und andere Firmen entdecken! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Er kennt sie gar nicht!)

"Zusammenfassung und Würdigung: Warum war der alte Proporz, der von Viktor Klima und Ihnen repräsentiert wurde, schlechter als der neue?" – Der einzige Proporz, den es jetzt gibt, ist der in der Bundesregierung. Wir haben je sechs Minister und je zwei Staatssekretäre; Vizekanzler und Bundeskanzler sind wie bekannt ausgewiesen und aufgeteilt. Ich bin der Gleiche geblieben; mit Susanne Riess-Passer geht mehr weiter als mit Viktor Klima. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Jede Fraktion hat eine Redezeit von 25 Minuten. Einzelne Redebeiträge dürfen 10 Minuten nicht überschreiten.

Erster Redner dazu ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Dr. Petrovic: Wo ist der Herr Westenthaler? – Abg. Mag. Kukacka: Herr Pilz, distanzieren Sie sich von den Steinewerfern!)

16.04

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Ersten eine Meldung zur allgemeinen Beruhigung: Ein Mitarbeiter des grünen Parlamentsklubs hat mir vor etwa 10 Minuten mitgeteilt, dass Ing. Westenthaler im Heizungskeller des Hauses gesichtet


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worden ist. Er ist unversehrt, bei bester Gesundheit (Abg. Ing. Westenthaler steht neben den hinteren Sitzreihen der Freiheitlichen und erhebt die Arme zu einer fragenden Geste)  – und ist schon wieder zurückgekehrt! Westenthaler ist aufgetaucht, ich begrüße den Herrn Klubobmann der Freiheitlichen Partei mit etwas Verspätung zu dieser Debatte, muss ihm aber schon jetzt sagen, dass er weder Hauptgegenstand noch Hauptperson dieser Debatte sein wird. (Abg. Neudeck: Er sitzt die ganze Zeit hinten!)

Es geht um etwas anderes. Es geht um die einzige richtige Fragebeantwortung oder die einzige richtige, sachlich wirklich ordentliche Antwort, die der Bundeskanzler jetzt gegeben hat. Diese hat gelautet: Ich, Dr. Wolfgang Schüssel, bin der Alte geblieben, ich habe mich nicht geändert. (Abg. Donabauer: Gott sei Dank!)  – Ja, Herr Bundeskanzler, wir haben Sie das zwar nicht gefragt, aber das stimmt: Sie sind der Alte geblieben! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Und es tut mir Leid, dass wir beide gemeinsam hier nichts Besseres über Sie sagen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Aber er schaut jünger aus als Sie!)

Was heißt "Regieren neu"? – Das heißt erstens: Am Rande eines Staatsbesuches weist der Bundeskanzler in aller Öffentlichkeit lautstark einen Journalisten des ORF zurecht und bezichtigt ihn vor internationalen Gästen und der gesamten Öffentlichkeit der Manipulation. (Abg. Neudeck: Das war der Kreisky, das ist schon lang her!) Bis heute hat sich der Bundeskanzler bei dem betroffenen Journalisten nicht entschuldigt. (Abg. Neudeck: Der lebt ja gar nicht mehr, der Kreisky!)

"Regieren neu" heißt, dass nicht irgendein Mitarbeiter – diesbezüglich gibt es einen kleinen Fehler in der Stellungnahme der ORF-Redakteursversammlung –, sondern der Landwirtschaftsminister selbst das eine ums andere Mal bei der ORF-Spitze angerufen hat, um für den Bundeskanzler, sich selbst und seine Partei zu intervenieren. Das heißt "Regieren neu": in Zeiten der BSE-Krise ein Landwirtschaftsminister mit dem heißen Draht mitten hinein in den ORF! Der Bundeskanzler muss es nicht selbst machen, dazu gibt es andere Regierungsmitglieder. (Abg. Großruck: Woher wissen Sie das?)

"Regieren neu" heißt offensichtlich auch: Der Finanzminister fordert den Chef der ÖIAG auf, ihm die Köpfe der AUA-Vorstände zu liefern, und sagt auch gleich, was passiert, wenn das der Sprecher des ÖIAG-Vorstandes nicht schafft; dann ist er selbst an der Reihe. So klar wird interveniert, so klar sind die neuen Regeln an der Spitze dieser Bundesregierung und in der noch verstaatlichten Industrie!

"Regieren neu" heißt, dass der Klubobmann der prozentmäßig stärkeren Partei am Rande einer Diskussion dem Leiter der "ZiB 2"-Redaktion sagt, er habe sich seinen Dienstvertrag beschafft und wisse ganz genau, was man mit diesem Dienstvertrag machen könne. (Abg. Nürnberger: Unerhört!)  – Wenn das nicht eine persönliche Drohung allerhöchster Qualität ist (Abg. Nürnberger  – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundeskanzlers Dr. Schüssel –: Da schweigt er!), dann sollen mir die Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei erklären, was sie unter einer Drohung, was sie unter Einschüchterung und was sie unter Belästigung verstehen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bundeskanzler Schüssel ist politisch schon lange auf der Welt und hat in Österreich noch keinen Proporz gefunden. Er hat keinen Proporz gefunden und beantwortet einige Fragen, die wir gestellt haben, in einer Art und Weise, die es möglich erscheinen lässt, dass er wirklich in einer etwas anderen Welt lebt. Auf die Frage, warum Sallmutter gehen muss und warum seit einem Dreivierteljahr der Kopf des Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsanstalten gefordert wird, kommt die Antwort: weil wir Reformen durchsetzen wollen (Abg. Kiss: Weil er nichts weiterbringt!); und auf die Frage nach den Reformen gibt es den Hinweis: Wir könnten die EDV-Systeme miteinander vernetzen.

Wenn ich die EDV-Systeme miteinander vernetzen will, muss ich dazu natürlich den Präsidenten des Hauptverbandes entfernen. Ohne die Entfernung des Präsidenten des Hauptverbandes kann man ja bekanntlich keine EDV-Systeme miteinander vernetzen. (Abg. Neudeck: Sie waren ja dagegen ...!) Herr Bundeskanzler! Lernen Sie Stark- und Schwachstrom-Technik, und lassen


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Sie sich vom Ing. Westenthaler das Geheimnis elektrischer Drähte erklären! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Ich bleibe kurz beim Punkt Sozialversicherungssysteme. Ich entnehme dem "Standard" und anderen Medien, dass die Finanzierungskrise in den Sozialversicherungsträgern – und nicht nur im Hauptverband – vielleicht sogar ernster ist, als viele Expertinnen und Experten befürchten. (Abg. Gaugg: Dann kann der Sallmutter nicht so ein Experte sein! Entweder gibt es Verantwortliche, oder nicht!) Möglicherweise – und da gibt es auch eine Verantwortung sozialdemokratischer Funktionäre, na selbstverständlich! (Abg. Gaugg: Na also! Talente dort lassen, so wie beim "Konsum"! Wie hat der geheißen, der Aufsichtsratspräsident?)  – müssen einschneidende Maßnahmen getroffen werden, um ein an sich im Kern sachlich gutes und erhaltenswertes System auch über dieses Jahr hinaus im vollen Umfang erhalten zu können.

Wenn wir bei dem Bild eines voll besetzten Autobusses bleiben, der außer Kontrolle gerät und auf einen Abgrund zufährt, dann verstehe ich den Regierungsvorschlag nicht, nach welchem ausschließlich der Lenker entfernt und gesagt wird: Dann wird es schon gut gehen! (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Meine Damen und Herren! Diesen Fahrkünsten möchte ich das wertvolle System der österreichischen Sozialversicherung mit Sicherheit nicht überlassen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kommen wir zurück zum ORF. – Meine Damen und Herren! Es stimmt, dass es Kampf um Minuten und Sekunden gibt. Das ist unser Problem. Aber gute Politik lebt davon, dass sie öffentlich ankommt und dass sie auch öffentlich verstanden und manchmal gewürdigt wird. Wenn man aber mit politischen Ladenhütern hausieren geht, dann muss man auf Journalistinnen und Journalisten Druck ausüben, dass sie darüber positiv berichten. Nur wenn man nicht in der Lage ist, die eigene Politik in aller Öffentlichkeit zu erklären und zu verteidigen, dann muss man bei Diskussionen – etwa im ORF – Ultimaten stellen, die da lauten: Ich diskutiere nur, wenn niemand von der Opposition dabei ist. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Bundeskanzler! Haben Sie es wirklich notwendig gehabt, etwa im Zusammenhang mit der Sendung "Betrifft" zur Diskussion "Ein Jahr Bundesregierung" ein Ultimatum dieser Art zu stellen: Riess-Passer und ich kommen nur, wenn wir nicht mit der Opposition diskutieren müssen!? Ebenso verhielt sich auch der Justizminister, indem er sagte: Ich komme nur, wenn keine Oppositionsabgeordneten dabei sind! (Abg. Neudeck: Es geht um eine sachliche Diskussion – und nicht um Polemik!)

Es steht auf einem anderen Blatt, dass sich der ORF manchmal derartigen Erpressungsversuchen fügt. Das ist schlimm genug! Sie aber, Herr Bundeskanzler, sollten Abstand davon nehmen, diesem Land eine derartige Diskussionsverweigerungskultur aufzuzwingen!

Natürlich hat es einen alten Proporz gegeben, und die Verteidiger des neuen Proporzes werden heute noch lang und breit auf den alten Proporz schimpfen. Wenn Sie mich fragen, wer zeitmäßig am meisten beim ORF interveniert hat, dann meine ich gar nicht, dass es Peter Westenthaler war. Wahrscheinlich liegt Andreas Rudas nach wie vor in Führung. Vieles spricht rein von der Quantität dafür. Aber niemand hat sich bis zum Antritt dieser Regierung die Qualität der jetzigen Interventionen vorstellen können. Der alte Proporz bestand in einem System der filzartigen Einbindung möglichst aller. Jeder hat etwas bekommen, damit er oder sie stillgehalten hat. Der neue Proporz ist hingegen die Machtübernahme durch die Hälfte der Parteien dieser Republik, um die andere Hälfte von möglichst allen Gestaltungs-, Bestimmungs- und Kontrollprozessen auszuschließen. (Abg. Gaugg: Das ist gut so!)

Der alte Proporz war schlimm genug, der neue ist jedoch wesentlich schlimmer! Ja, Herr Bundeskanzler, Sie haben aus dem alten Proporz gelernt! Sie haben den "Rasierpinselproporz" und den Filzproporz durch den Proporz der Bleirohre ersetzt! Es wird nicht eingebunden, es wird aufgehängt! Widerstandsnester werden gesäubert, die Leute werden hinausgedrängt, es wird schlicht und einfach politisch liquidiert. So schaut es aus in dieser Republik! Laden Sie nicht zu Dialoggipfeln ein! Reden Sie nicht immer vom Dialog, wenn Sie nicht in der Lage sind, gleichberechtigt mit Journalistinnen und Journalisten, mit ArbeitnehmervertreterInnen und mit Kollegin


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nen und Kollegen anderer Parteien umzugehen! Ersparen Sie sich alle Dialogangebote, wenn Sie selbst nicht dialogfähig sind! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ein Letztes: Natürlich haben Sie Probleme! Natürlich gibt es ein Problem für einen Bundeskanzler, bei dem immer mehr Menschen spüren, dass ihn eigentlich nur interessiert, wie er am Sessel kleben bleibt.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um den Schlusssatz, denn jetzt ist nicht nur die freiwillige, sondern auch die gesetzliche Redezeit abgelaufen! (Abg. Dr. Pumberger: Unsere Geduld ist auch am Ende!)

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Gerne, Herr Präsident. – Herr Bundeskanzler! Ihr persönliches Interesse kann nicht über den Interessen der österreichischen Demokratie stehen! Wir sind heute eine Minderheit, aber wir machen Sie als Minderheit in diesem Hause darauf aufmerksam: Die Institutionen des österreichischen Rechtsstaates und der österreichischen Demokratie werden immer noch stärker sein als Ihre Versuche der autoritären Wende. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Ich stelle die Uhr auf 10 Minuten. Das ist zugleich auch die geschäftsordnungsmäßige Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Pumberger: Auf dem Abzeichen, das Sie tragen, steht "SOS"! Das heißt "Save Our Souls!")

16.15

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Ich verstehe, dass Sie, nachdem Sie lange Zeit das politische Trappistengelübde eingehalten haben und schweigend in Ihrem Arbeitszimmer geblieben sind, heute das Bedürfnis hatten, sich ein wenig auszusprechen. Sie haben uns 35 Minuten lang hier etwas gesagt. Aber haben Sie uns wirklich etwas gesagt? Diese Frage stellt sich, denn die "Oma-Beruhigungsrhetorik", die Sie verwendet haben, um uns hier die ungeheuerlichsten Vorgänge von Demokratieabbau und die wirtschaftspolitisch zweifelhaften Methoden dieser Regierung erklären zu können, genügt nicht. Eine derartige Beruhigungsrhetorik, dass wir nicht wissen, was hier in diesem Land wirklich geschehen ist, können Sie gar nicht entwickeln! Und es ist unsere Aufgabe, heute darauf hinzuweisen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe Sie heute zum x-ten Mal sagen hören: Wir reinigen die ÖIAG und den ORF von diesen Sekretärskarrieren. – Einen Moment lang war ich nachdenklich und habe mir gedacht: Spricht hier ein Professor der Wirtschaftswissenschaften zu mir? Oder ist der ehemalige Generaldirektor einer Bank, der sich jetzt zum Bundeskanzler entwickelt hat, der Sprecher dieser Sätze? Dann habe ich mich irgendwie erinnert: Waren Sie nicht auch Sekretär im Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei? Waren Sie nicht Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes? Sie haben sich doch eigentlich auch über eine klassische Sekretärskarriere in dieses Amt hineingearbeitet! Aber wie auch immer: Sie haben jedenfalls eine begabte Taktik entwickelt, dass Sie mit 27 Prozent der Wählerstimmen heute Bundeskanzler sind!

Wenn ich das, was Sie uns sagten, und die Abschätzigkeit Ihrer Worte vergleiche – und sämtliche Sekretäre, die hier herinnen sitzen, bis zu den reichen Freiberuflern bei der FPÖ, sollten jetzt überhaupt Sendepause haben! –, dann möchte ich vorschlagen: Sie sollten einmal überdenken, was das bedeutet! – Hinter den Ausschließungsgründen laut ORF-Gesetz und den Ausschließungsgründen, mit denen in puncto Sozialversicherung gearbeitet wird, im Zusammenhang mit welchen sich Einzelne zu bestimmen anmaßen, wer in diesem Land keine Kompetenz hat und keine Verantwortung tragen darf, steckt in Wirklichkeit politische Willkür und nicht wirtschaftspolitische Kompetenz; und 27 Prozent sind auch kein wirklich betörender Wählerauftrag! Das ist unerhört, und darauf sollte man einmal hinweisen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie sind der Erfinder des Schlagwortes "weniger Staat, mehr privat", das Sie immer wieder anführen, und Sie sagen immer wieder, dass privatwirtschaftliche Überlegungen zunehmend Leitfaden der Politik sein sollen. – Wenn ich mir dann den Börsegang der Telekom und dessen Er


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gebnis anschaue, dann muss ich sagen: In einem Privatbetrieb wären Sie als Verantwortlicher nicht mehr dort, wo Sie heute sind! Da wäre die Sache schon erledigt! Auch in Anbetracht des Absinkens der ÖIAG-Anteile im vergangenen Jahr, welches ein Minus von mehr als 38 Milliarden Schilling bedeutet, ist festzustellen, dass Sie nicht mehr dort wären, wo Sie heute sind. (Abg. Neudeck: Waren Sie "Konsum"-Genossenschafter?) Daher frage ich: Mit welcher privatwirtschaftlichen Logik agieren Sie hier?

Herr Bundeskanzler! Sie und Ihr wichtigster wirtschaftspolitischer Berater Prinzhorn, der nach Aussage des Finanzministers Androsch seinerzeit im wirtschaftlichen Sterbezimmer gelegen ist, weil er in seiner Branche so erfolglos war, und der erst mit einer Papiermaschine wiederbelebt wurde, damit er mit seinen Unternehmen überhaupt wirtschaftlich weiterexistieren konnte – wahrhaft ein "Duo infernal"! –, wollen uns etwas über Wirtschaftspolitik erzählen! Ich meine, es ist ganz schön dreist, wie Sie in Anbetracht dieser Datenentwicklung – ich rede jetzt gar nicht von der Inflationsrate und vom Wirtschaftswachstum und davon, dass wir im EU-Durchschnitt bereits Schlusslicht bei der Einkommensentwicklung und beim Wachstum sind – dieses Land in schlechte Zeiten führen! Das muss man sehen! Und dann stellen Sie sich her und reden hier über diverse Sekretäre, die inkompetent seien, und reden über die 30 Jahre Kanzlerschaft der Sozialdemokraten, von denen Sie ja 14 Jahre lang mit dabei waren, als wäre all das nichts, als wäre nichts geleistet worden. Vielleicht ist das aber auch eine Beurteilung Ihrer Arbeit, denn Sie waren ja Mitglied dieser Regierung und haben die meiste Verschuldung mit zu verantworten!

Was mich jedoch so stört, ist, dass Sie auch Sand in die Augen der Österreicher streuen wollen. Deswegen heißt unsere jetzige Kampagne "SOS Demokratie"! Es soll nämlich auf Samtpfoten in diesem Land die Demokratie reduziert und abgebaut werden, und unsere Aufgabe wird es sein, darauf hinzuweisen, dass wir dagegen Widerstand leisten werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das, was Sie mit der Sozialversicherung vorhaben, bedeutet, dass ein Wahlergebnis der Arbeiterkammerwahlen durch ein Gesetz so umgedeutet werden soll, dass dann eine Mehrheit vorhanden ist, die Ihnen und Ihrem Koalitionspartner genehm ist. Das Geschrei in den Medien und von Seiten Ihrer Partei, das begonnen hätte, wenn so etwas unter der Konstellation einer anderen Regierung in einem anderen Bereich versucht worden wäre, das hätte ich mir dann gerne angehört!

Jetzt setzen Sie einen unverzeihlichen Schritt gegen die demokratische Kultur und auch gegen unsere Demokratie. Und wenn dagegen, und zwar zu Recht, eine Demonstration angesagt wird, bei welcher besorgte Österreicherinnen und Österreicher gegen diesen Demokratieabbau auftreten wollen, dann wird hier eine Kampagne losgelöst, die in Wirklichkeit sogar das Demonstrationsrecht diskreditiert. (Abg. Wochesländer: Sie haben die Leute aufgehetzt!)

Im Hinblick darauf frage ich mich: Wo soll in diesem Land Demokratie noch stattfinden? In der Art und Weise, wie Sie mit uns hier im Parlament umgehen, dass Sie wenige Stunden vorher mit irgendwelchen Abänderungsanträgen oder Vorlagen hier auftreten? Oder indem das Demonstrationsrecht diskreditiert wird oder ein ORF-Gesetz gemacht wird, nach welchem Sie dann bestimmen, welche Sendungen zu welchen Themen mit welchen Diskutanten an welchem Ort und zu welcher Sendezeit ausgestrahlt werden dürfen? (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Damit starten Sie faktisch den Versuch, den Handlungsspielraum der Opposition, der Andersdenkenden und der besorgten Österreicher einzuengen, und das würde nur mehr darin seinen Gipfelpunkt finden, wenn Sie überhaupt beschließen, dass die nächsten Parlamentswahlen ausgesetzt werden und erst dann gewählt wird, wann es Ihnen genehm ist und Sie eine sichere FPÖ- und ÖVP-Mehrheit haben! Deswegen tragen wir die Plakette mit der Aufschrift "SOS Demokratie", weil wir hier Gefahr im Verzug sehen und weil es notwendig ist, dass die Österreicherinnen und Österreicher dagegen einen legitimen politischen Widerstand im Rahmen unserer Demokratie entwickeln! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Wo ist Ihr wichtigster Bündnispartner, Klubobmann Westenthaler, heute? Ich frage Sie das nicht, weil er mir abgeht, sondern weil ich meine, dass er in dieser Debatte


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heute ausnahmsweise doch ganz besonders richtig am Platz wäre! (Abg. Dr. Pumberger: Morgen ist noch früh genug!) Nein! Er ist nämlich einer derjenigen, der versucht, die Auseinandersetzung mit der ORF-Geschäftsführung in der Form zu führen, dass er in den Medien eine Kriminalisierungsstrategie in Gang setzt, etwa mit Vorverurteilungselementen, wie es halt üblich ist.

Ich meine, es spricht für die FPÖ, dass einmal Haider sagt, dass nicht geklagt wird, dass dann Westenthaler sagt, dass sehr wohl geklagt wird, und dass dann wiederum Riess-Passer sagt, dass doch weniger geklagt wird. – Ich weiß nicht, was da herauskommen wird, aber allein zur Tatsache, dass versucht wird, eine missliebige Geschäftsführung zu kriminalisieren, und zwar in einem der sensibelsten Bereiche, nämlich im wichtigsten Medienunternehmen Österreichs, würde ich von Ihnen eine Aussage erwarten, bei der Sie sich damit kritisch auseinander setzen und das letztlich verurteilen.

Der gute Westenthaler hat an insgesamt fünf Sitzung teilgenommen, in welchen über diesen Vertrag VÖZ – ORF berichtet wurde, bei welchen er anscheinend vor sich hingedöst hat und nicht imstande war, die Frage zu stellen, wie dieser Vertrag aussieht und was er bestimmt, und dagegen auch aufzustehen. Das ist jetzt eine Retourkutsche, denn beim ORF versteht man nicht mehr, wieso in letzter Zeit nicht mehr nur Westenthaler grundsätzlich interveniert, sondern sogar schon Westenthaler für Westenthaler interveniert, um weniger Riess-Passer und weniger Haider, sondern mehr Westenthaler zu haben! Das ist seine politische und geistige Gesinnung, die dahinter steckt!

Daher erwarte ich mir von einem Bundeskanzler dieser Republik und Parteivorsitzenden einer Partei, die mit dieser Partei in einer Koalition ist, dass es klare Worte gegen diesen Versuch der Einschüchterung der Journalisten und der Einflussnahme auf eines der wichtigsten Medien, nämlich den ORF, gibt. Sie sagen hier zwar etwas, aber in Wirklichkeit schweigen Sie! Die 35 Minuten Redezeit waren zwar quantitativ beachtlich, aber sie haben uns in diesem Punkt nicht wirklich weitergeholfen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Es wäre an der Zeit, dass Sie überdenken, ob der Weg, den Sie eingeschlagen haben, für Österreich wirklich noch verantwortbar ist! Es ist deswegen an der Zeit, weil ich mir, wenn man sich all diese Bereiche wie etwa ÖIAG, ORF, Sozialversicherung, Universitäten und Justiz ansieht und nur etwa bedenkt, wie die Justiz mit dem Spitzelskandal der FPÖ umgegangen ist (Abg. Dr. Pumberger: Alles eingeschlafen!), Sorgen um die Demokratie in Österreich mache. Ich mache mir Sorgen um die demokratische Kultur in Österreich, ich mache mir aber auch Sorgen um die politische Entwicklung in Österreich. Ich mache mir Sorgen, wenn Sie das Demonstrationsrecht weiterhin so diskreditieren, dass es auch zu einer Polarisierung kommt, die niemand haben will!

Wir lieben unsere Demokratie! Generationen haben dafür gekämpft, und auch wir werden darum weiterkämpfen! "SOS Demokratie"! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. (Abg. Dr. Niederwieser: Nazi-Buchstabierer!) Die Uhr ist auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.26

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Neoklubobmann der SPÖ hat sich sehr ausführlich mit den Karriereschritten unseres Bundeskanzlers auseinander gesetzt. – Mich persönlich würde nur interessieren, ob Cap als Zentralsekretär abgesetzt wurde, weil er zu wenig oder zu viel für seinen damaligen Herrn und Gönner, Herrn Bundeskanzler Vranitzky, beim ORF interveniert hat! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist ja bekannt, dass Sie, Herr Cap, unter Vranitzky einen politischen Totalabsturz erlitten haben. Seitdem jedoch die Moskautreuen in der SPÖ wieder das Sagen haben, geht es mit Ihnen wieder ein wenig aufwärts. Ich muss sagen: Wenn Cap Klubobmann der SPÖ wird, dann ist die Personaldecke verdammt dünn!


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Das "SOS", das einige von Ihnen tragen, interpretiere ich so: Schützt Österreich vor diesen Sozialisten! – Das assoziiere ich mit diesem "SOS"! Ich darf Ihnen sagen: Sie haben Ihre Aufgabe nicht verstanden! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie haben Ihre Aufgabe in der Vergangenheit nicht verstanden! Ihre Wortmeldungen gipfeln immer darin, dass alle Gesetzesbeschlüsse dieser Regierung zum Ärger der Grünen und der Roten sind. – Sie dürfen sich nicht so wichtig nehmen! Die Gesetze, die wir hier beschließen, dienen zum Wohle der Bevölkerung Österreichs. Nehmen Sie das einmal in aller Deutlichkeit zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin froh, dass ein ehemaliger ÖVP-Vizekanzler nicht mehr eingeladen wird, die Sozialistische Internationale in Österreich zu singen. Diese Zeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Gott sei Dank vorbei! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich denke jetzt an den Einfluss, den Sie genommen haben, und an den Machtmissbrauch, den Sie in Ihrer Zeit der Regierungsbeteiligung als größerer Regierungspartner in diesem Land begangen haben: Sie haben alles in Geiselhaft genommen, was nur möglich war, bis hin zur ORF-Spitze, wobei es natürlich seinerzeit nur "beratende Einflussnahmen" waren, wenn ein Sekretär der SPÖ angerufen hat. Wenn das nunmehr jemand macht, der nicht der SPÖ angehört, dann wird das als "verbotene Intervention" bezeichnet. – Die Interpretation ist wenig zulässig!

Ich sage Ihnen jetzt – und gerade Kollege Cap, der ja schon sehr viele Jahre in der SPÖ ist, wird es am allerbesten wissen –, dass Sie eine Demonstration organisieren, weil der arme Herr Sallmutter jetzt nicht mehr Präsident sein soll. Das ist der Grund! Und ich frage Sie: Wo waren denn Ihre Demonstrationen seinerzeit, als mit den Sparpaketen etwa im Jahr 1997 Belastungen der Bevölkerung in Form von Selbstbehalten in vielen Bereichen des Sozialversicherungswesens und Ähnliches mehr eingeführt wurden? (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Ich darf Ihnen weiters sagen: Dieser Hauptverband wurde von Ihnen missbraucht! Er diente nicht den Arbeitnehmern und auch nicht den Arbeitgebern, sondern nur der Selbstversorgung der Funktionäre. Und Sie haben die Wähler bei der Arbeiterkammerwahl nicht gefragt, ob sie Herrn Sallmutter als Präsidenten haben möchten! Gestehen Sie doch endlich ein, dass das mit Herrn Sallmutter ein lupenreiner Postenschacher war! Warum hat man denn nicht den Obmann der Gewerkschaft der Eisenbahner oder den Obmann eines Bienenzüchtervereins oder von sonst irgendwo genommen? – Ich sage: Herr Sallmutter wurde deshalb genommen, damit er Herrn Verzetnitsch bei seiner Wiederwahl als ÖGB-Präsident nicht im Wege steht! Das ist der Grund, warum Sie ihn dorthin entsendet haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher finden morgen eigenartigerweise in vielen Kassen Versammlungen statt. Diese wurden express einberufen. Mitglieder des Hauptverbandes wurden von anderen Trägern per Expressbrief eingeladen, weil angeblich am 5. Juli eine ganz dringende Sitzung stattfindet. Wissen Sie, was das ist? – Das ist Missbrauch von Beitragsgeldern! Auf diese Weise können die Fahrtkosten jener Funktionäre bezahlt werden, die morgen um 17 Uhr vor dem Parlament stehen sollen. Das ist Ihr Verständnis von Demokratie. Schämen Sie sich! Das ist ja wirklich abenteuerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sage Ihnen: Genau das ist es! Das ist Ihr Missbrauch der Demokratie! Da werden Sitzungen einberufen, damit Ihr Häufchen da draußen vielleicht ein bisschen größer wird!

Die Frage der Funktionärsauswahl im Hauptverband wird immer wieder kritisiert. (Abg. Dr. Gusenbauer: Leiden Sie unter Bluthochdruck?) Nein, überhaupt nicht! Aber wenn ich Sie sehe, dann sehe ich rot, und zwar dunkelrot! Moskau-rot sehe ich da! (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Schalmeienklänge, die Sie als Parteivorsitzender und Klubobmann – Sie sind ja beides, er ist ja nur geschäftsführender – von sich geben, führen dazu, dass man etwas heftiger werden muss, damit Sie es auch verstehen, Herr Gusenbauer! Sonst verstehen Sie es ja nicht! Sie leben in einer Scheinwelt, die sich in Moskau schon aufgelöst hat, nur bei Ihnen sammelt sich


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noch alles, was früher zum Kommunismus gehörte. Sie machen mit dem Kommunismus gemeinsame Sache!

Sie machen Randale in Salzburg mit den Kommunisten und mit den Anarchisten. – Herr Kogler ist anderer Meinung, aber so ist es! – Und dann kommt der Vorwurf von einem – wie er sich nennt – bürgerlichen Vertreter, der den Grünen nahe steht, der sagt, dass er die Polizei nicht versteht, warum sie nicht jene 20 Randalierer unter den 919 Demonstranten herausfischt, die mit dabei sind. Gleichzeitig betont er, wie böse die Polizei zu diesen Demonstranten ist.

Und Herr Pilz wird sich ja noch gut daran erinnern, wie er bei den Opernball-Demonstrationen spuckend und randalierend durch Wien gelaufen ist. Das waren Sie! Sie wissen genau, mit welchem Polizisten Sie Ihren Auftritt gehabt haben! – Das ist die Sicht der Grünen bei diesen Dingen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Tun Sie nicht so, als ob Sie jener wären, der die Einhaltung der demokratischen Regeln einfordert!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Gaugg! Ich habe aus Ihrer Rede schon eine ganze Liste von Ausdrücken, bei denen ich mich gefragt habe, ob das noch geht oder nicht mehr geht. Wenn Sie aber einem Mitglied des Hauses vorwerfen, dass es "spuckend und randalierend" durch Wien läuft (Abg. Gaugg: Vorher! Das war vorher!), dann möchte ich bitten, doch zu einer anderen Sprache zu finden!

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Gut. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Freiheitlichen und Grünen.)

Es geht da vielfach um Interventionen unseres Klubobmannes. – Ich sage Ihnen: Es hat eine "Euroteam"-Berichterstattung im ORF gegeben, im Zusammenhang mit welcher von Seiten des Bundeskanzleramtes beziehungsweise durch den Bundeskanzler selbst interveniert wurde, dass der Beitrag um 8 Sekunden gekürzt wird, weil darin etwas enthalten war, was Herrn Klima nicht gepasst hat. Vielleicht war das vorauseilender Gehorsam von Ihnen, Herr Cap, oder auch vom ORF. Jedenfalls wurde es nicht gesendet. Das ist das Problem, das Sie haben! (Abg. Dr. Cap: Ihr Chef ist jetzt da!)

Zum Vorwurf im Zusammenhang mit der Frage der ÖIAG, der wirklich erstaunlich ist: Natürlich trauern gerade Sie Altsozialisten den heiligen Zeiten nach, als bei der VOEST und beim "Konsum" alles mit einem einzigen Anruf erledigt war! Die einzige Qualifikation, die ein Bewerber mitbringen musste, war das rote Parteibuch. – Das ist jetzt vorbei! Das ist zum Wohle dieses Landes endgültig vorbei! Einem Schuldenabbau um zwei Drittel in einem Jahr gebührt Anerkennung und nicht die Kritik, die Sie immer wieder anbringen! (Abg. Dr. Cap: Aufhören! Der Chef ist da!)

Zum Schluss habe ich einen Wunsch: Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, dass im ÖIAG-Aufsichtsrat Profis sitzen. Dagegen können nicht einmal Sie etwas haben! Im Aufsichtsrat sitzen Profis, die wirtschaftlich bewiesen haben, dass sie etwas können. – Ich wünsche mir, dass dieselben Profis auch in der Frage des Hauptverbandes tätig werden, damit auch diejenigen eine gute Zukunft haben, die dort sozialversichert sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet. Ihnen stehen dafür 2 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

16.34

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaugg hat festgestellt, dass ich "spuckend und randalierend" durch Wien gezogen sei. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich glaube fast, dass das stimmt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich stelle dem gegenüber tatsächlich fest: In keiner Sekunde meines Lebens bin ich "spuckend und randalierend" durch Wien gezogen. Als Beweis dafür führe ich an, dass ich mich in keiner


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Sekunde meines Lebens wie ein Kärntner Freiheitlicher benommen habe. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

16.35

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, da in der heutigen Debatte schon so viel vom ORF die Rede war, eine Vorbemerkung: Ich halte es für einen Glücksfall für die Opposition, dass diese Dringliche vom ORF im Fernsehen nicht direkt übertragen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das wäre ein klarer, deutlicher Punktesieg für den Bundeskanzler und für die beiden Regierungsfraktionen. Sie haben Glück, dass der ORF das heute nicht direkt überträgt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Herr Kollege Van der Bellen! Jeder, der das neutral betrachtet, sieht, dass zwischen Ihrer Begründung und der Antwort des Bundeskanzlers Welten an Sachkompetenz, Argumentationskraft und Detailwissen liegen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Van der Bellen! Sie sind Ökonomieprofessor, und Sie haben viele Jahre hindurch meine größte Wertschätzung gehabt. Jetzt muss ich Ihnen aber sagen: Bei der heutigen Dringlichen hatte ich stark den Eindruck, dass die Methode vorherrscht, dass, auch wenn etwas nicht wahr ist, wenn man es oft genug sagt, irgendwas schon hängen bleiben wird.

Herr Kollege Van der Bellen! Ich sage immer: Die Politik hat zwei Gesichter: ein faszinierendes Gesicht im Sinne von Politik als Zukunftsgestaltung und ein sehr hässliches Gesicht in Form des Tages-Hickhacks und der pauschalen Diffamierung. Sie stehen heute mit dieser Dringlichen durch pauschale Diffamierung für die hässliche Seite der Politik, Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie haben in Ihrer Begründung der Dringlichen gleich zu Beginn einen Schlüsselsatz gebraucht, nämlich dass die Politik der beiden Regierungsparteien die Parteibuchwirtschaft der SPÖ noch übertrifft. Dieser Schlüsselsatz hat zwei interessante Komponenten: Erstens – darin stimmen wir überein, Herr Kollege Van der Bellen! – gab es in den letzten 30 Jahren der SPÖ-Dominanz eine SPÖ-Parteibuchwirtschaft. Da haben Sie Recht, in diesem Punkt stimmen wir überein. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Dieser Schlüsselsatz hatte aber noch eine zweite Komponente, nämlich dass die Politik dieser Bundesregierung Letzteres noch übertrifft, und dafür führen Sie viele Beispiele an. Zum Beispiel ÖIAG: Herr Kollege Van der Bellen! Der Finanzminister dieser Regierung hat einen neuen ÖIAG-Aufsichtsrat bestellt. Und wenn Sie ehrlich sind und es sich bei Ihren Behauptungen nicht nur um Pauschalvorwürfe und Diffamierungen handelt, dann kommen Sie jetzt heraus und sagen Sie mir, welche Mitglieder des ÖIAG-Aufsichtsrates auf Grund des Parteibuchs und nicht auf Grund ihrer Kompetenz berufen wurden! Kommen Sie heraus und nennen Sie die Namen, wenn Sie nicht nur pauschal diffamieren, Herr Kollege Van der Bellen! Kommen Sie heraus, trauen Sie sich, das zu tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sage bewusst, dass der Vorwurf lautet: statt Qualifikation Parteibuch. – Wer qualifiziert ist, der kann auch ein Parteibuch besitzen, aber wenn jemand nicht qualifiziert ist und gewisse Posten innehat, so wie es zu Ihrer Zeit der Fall war, Herr Kollege Edlinger, dann ist das Parteibuchwirtschaft im Negativen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher fordere ich Sie auf: Kommen Sie hierher und nennen Sie mir die Namen jener, die ein Parteibuch haben, aber keine Qualifikation! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Andernfalls betrachten wir Ihre Behauptungen als pauschale Diffamierung.


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Meine Damen und Herren! Ich muss ehrlich sagen: Ich bin froh und dankbar, dass industrielle Kaliber und Unternehmerpersönlichkeiten wie Cornelius Grupp, Veit Schalle, Veit Sorger oder Alfred Heinzel bereit waren, in den ÖIAG-Aufsichtsrat zu gehen, und dass sie bereit waren, Verantwortung für die industrielle Zukunft dieses Landes zu tragen. Dafür gebührt ihnen der Dank und die Anerkennung dieser Republik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Herr Bundeskanzler hat bereits ausgeführt, wie die Bilanz ausschaut: Von 87 Milliarden Schulden anlässlich der Amtsübernahme erfolgte eine Reduktion auf nunmehr 28 Milliarden. Das heißt, wir haben um 60 Milliarden weniger Schulden. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Herr Kollege Edlinger! Ihre "Alternative" kenne ich! Ihre "Alternative" wäre gewesen, dass der Steuerzahler die Schulden zurückzahlen soll! Wer soll es denn zurückzahlen? – Haben Sie einen reichen Onkel aus Amerika? Ihre Philosophie lautet: Nicht die ÖIAG soll verkaufen, sondern der Steuerzahler soll das zahlen! Das würde eine Steuererhöhung um 60 Milliarden Schilling bedeuten, Herr Kollege! Das wäre Ihre Politik gewesen! (Beifall bei der ÖVP.)

Kommen wir nun zum Hauptverband. Ich habe bei der Rede des Herrn Bundeskanzlers mehrmals aus den Reihen der SPÖ die Zwischenrufe gehört: "Unfassbar!" Auch Herr Kollege Edlinger hat "Unfassbar!" gerufen. Ich frage: Was ist unfassbar? – Natürlich ist es unfassbar, wenn in Zukunft beim Hauptverband, wo 99 Prozent der Österreicher sozialversichert sind, auf Grund einer Gesetzesreform erstmals nicht unbedingt ein sozialistischer Gewerkschaftsfunktionär Präsident sein muss. Das ist für Sie unfassbar, Herr Kollege Edlinger, denn Ihre Mentalität lautet: Mir san mir! Wir sind die Partei, die Partei ist der Staat, und der Staat gehört uns! Deshalb ist es für Sie unfassbar, Herr Kollege Edlinger! (Beifall bei der ÖVP.)

Das, was hier geschieht, ist politisch hygienisch und für diese Republik unglaublich wichtig – unglaublich wichtig!

Ich sage Ihnen noch etwas: Es wird hier vom Gesetzgeber ein neues Führungsmodell eingeführt, das folgenden fünf Kriterien entspricht. (Abg. Dr. Cap: Blau, Schwarz, Blau, Schwarz!)

Erstens: mehr Professionalität. – Herr Kollege Cap, es hört sich die Doppelgleisigkeit auf zwischen Obmann, Obmann-Stellvertreter und noch einem Obmann-Stellvertreter, daneben ein Generaldirektor, ein Generaldirektor-Stellvertreter, noch drei Direktoren. Das hört sich auf. Es gibt eine klare Kompetenzentrennung.

Zweitens: mehr Selbstverwaltung. (Abg. Dr. Cap: Blau, Schwarz!)  – Der Minister ernennt nicht mehr das Präsidium. Die Selbstverwaltung selbst ernennt das Präsidium.

Drittens: mehr Fairness. – Da Sie so oft von Partnerschaft sprechen: Es ist fair, zu sagen: Zwei Partner: fifty-fifty!, dass nicht von vornherein gesetzlich einer immer in der Minderheit ist.

Viertens: mehr Transparenz auf Grund der Unvereinbarkeitsbestimmungen. – Man braucht, wenn Sallmutter spricht, nicht mehr zu fragen: Hat er jetzt den Hut als Gewerkschafter oder als Hauptverbandspräsident auf? (Abg. Öllinger: Was haben Sie für einen Hut auf?)

Fünftens: keine pragmatisierten Generaldirektoren mehr, Herr Kollege Öllinger, sondern mehr Leistungsgesinnung und mehr Motivation; Vierjahresverträge als Anreiz für professionelle Manager anstelle von Politfunktionären. – Das ist "neu regieren"! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

16.41

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! "Regieren neu" heißt offensichtlich, dass der Bundeskanzler bei der Anfragebeantwortung die Fragen nur mehr kursorisch beantwortet und nicht mehr detailliert darauf eingeht.


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Herr Bundeskanzler! Ich lese Ihnen gerne die erste Frage vor – Sie kennen sie, Sie haben sie aber nicht beantwortet. Ich lese Ihnen auch gerne die dritte Frage vor, habe aber wenig Zeit (Abg. Mag. Kukacka: Lesen tun Sie gerne, das haben Sie im Sozialausschuss bewiesen!), sie lautet: "... Sollen die Strukturen" der sonstigen Sozialversicherungsträger "dem Vorbild des Hauptverbandes entsprechend ebenfalls ,reformiert‘ werden?" – Beantworten Sie bitte diese Fragen! Wir haben Sie etwas gefragt und haben auch das Recht, die Antwort darauf zu erhalten.

"Regieren neu" heißt offensichtlich – und das ist aus Ihrer Rede sehr klar hervorgegangen –, dass in der Prinzhorn-Sauna oder beim gemeinsamen Baumfällen über die wichtigsten industriepolitischen Belange dieser Republik im Freundeskreis entschieden werden kann und dass dieser Freundeskreis sozusagen ein selbstreferenzielles System errichtet hat, in dem sich der eine dahin lobt und der andere dorthin. Das hat natürlich nichts mehr mit Parteibuchwirtschaft zu tun, sondern das ist schlicht und einfach Freunderlwirtschaft. Wenn Ihnen dieser Begriff besser gefällt, dann verwende ich ihn gern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

"Regieren neu", Herr Bundeskanzler, beschreibt die "Neue Zürcher Zeitung" – die ist sicher kein Organ, das von Rot-Grün gesteuert wird – so:

"Das Vorgehen riecht nach ,Österreich alt‘, dem Gegenteil dessen, was die Regierung verheißen hat: ,Österreich neu‘." – "Neue Zürcher Zeitung" vom 3. Juli, also ganz neu.

"Regieren neu" – erklären Sie, Herr Bundeskanzler, wie Sie das Defizit der Sozialversicherung – das ist die erste Frage – senken wollen dadurch, dass Sie den Präsidenten des Hauptverbandes beseitigen und dass Sie, was ja nicht zufällig ist, obwohl die ÖVP die Nationalratswahlen und die Arbeiterkammerwahlen verloren hat, in diesem neuen Gremium der Selbstverwaltung, das vorher "Verbändekonferenz" geheißen hat und 27 Leute umfasst hat und in Zukunft 38 Leute umfasst – ein Beispiel für eine "schlanke" Struktur, wie sie offensichtlich diese neue Bundesregierung anstrebt –, Ihre personelle Anzahl von 11 auf 22 verdoppeln. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) Die Zahl der der ÖVP oder Ihnen zugeordneten Menschen verdoppelt sich von 11 auf 22. Das ist "regieren neu".

Meine Damen und Herren! "Regieren neu" betreffend komme ich noch einmal auf das Defizit zurück und lese Ihnen gerne noch einen kurzen Abschnitt aus der "Neuen Zürcher Zeitung" vor, das lautet:

"Der mäßig interessierte Laie hätte lange Zeit den Eindruck erhalten können, bestehende und absehbare Finanzierungslücken ließen sich mit einer schlankeren Verwaltung stopfen. Angesichts dessen, was ein zukünftiges Gesundheitssystem kosten wird, sind die Verwaltungskosten jedoch geradezu lächerlich gering."

Das ist nicht unsere Meinung, sondern sie stammt aus der "Neuen Zürcher Zeitung" und wird im Übrigen auch von einem Gesundheitsökonomen, den Sie gerne beschäftigen, nämlich dem ehemaligen liberalen Aushängeschild Christian Köck, bestätigt – und trotzdem gehen Sie diesen Weg?

Da kann man ja nur das sagen, was der "Kurier" getitelt hat: "Sallmutter bald weg, Defizit bleibt". – Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Und man könnte weiter fragen wie im "Standard": "Und wer ist der Nächste?"

Das ist das, was Sie kennzeichnet: keine inhaltliche Reform, zumindest keine, die nach außen zu erkennen ist; und das, was Sie hinter den Kulissen beabsichtigen, nämlich weitere Strukturen parteipolitisch zu verändern, das erfahren wir ja nicht einmal in der Anfragebeantwortung von Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Weil Sie sich so elegant um die Frage des Vetos herumgerudert haben: Es ist nicht das Maßgebliche, das weiß ich schon, aber ich hätte gerne auch von Seiten der ÖVP-Wirtschaftsvertreter gewusst, ob sie auch ihre eigenen Versprechungen noch einigermaßen ernst nehmen.


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Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Streichung des Vetorechtes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem NR bis zum September 2001 eine Novelle zur Strukturreform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger vorzulegen, in der dem Prinzip "Selbstverantwortung bei Selbstverwaltung" (Wolfgang Schüssel) dadurch Rechnung getragen wird, dass das Veto-Recht von Finanz- und Sozialminister zurückgenommen wird.

*****

Herr Bundeskanzler! Da wir auch Interesse daran haben, dass Sie dem, was Sie ursprünglich angekündigt haben, nämlich einer Demokratisierung der Selbstverwaltung beziehungsweise der Sozialversicherung, Rechnung tragen, und da das, was Sie jetzt machen, das Gegenteil davon ist, bringen wir auch noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend demokratische Wahlen für Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem NR bis zum September 2001 eine Novelle zur Demokratisierung der Sozialversicherungsträger vorzulegen, in der

a) die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger gestärkt und nicht geschwächt wird;

b) die Versicherten der einzelnen Sozialversicherungsträger durch Versichertenwahlen über die Besetzung der Selbstverwaltungs-Gremien entscheiden (und nicht die Bundesregierung bzw. die Sozialpartner);

c) die Sozialpartner innerhalb der Selbstverwaltung proportional die Kontrollgremien besetzen.

*****

Dann, wenn Sie das ernst nehmen, könnten wir immerhin einen Hoffnungsschimmer erkennen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Wir setzen die Debatte fort. Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Edler. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Herr Kollege Stummvoll, Herr Kollege Gaugg: Eigenlob stinkt, Hochmut kommt vor dem Fall! (Abg. Dolinschek: Sie sind tief gefallen!)

Sie haben es so dargestellt, als wäre im Land alles in Ordnung, als hätten nur Sie in den letzten Monaten das Land aufgewirtschaftet. – Das stimmt nicht, meine Damen und Herren! Sie haben eine im Aufschwung befindliche österreichische Wirtschaft auf Grund dessen, dass die Regie


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rung Klima das eingeleitet hat, übernommen, Sie haben die Früchte geerntet. Sie stehen heute aber hinsichtlich des Nulldefizits an, Sie wissen nicht weiter und wissen ganz genau, welche Schwierigkeiten auf Sie zukommen.

Kollege Gaugg als frustrierter Anti-Gewerkschafts-Gründer hat hier gesprochen, es geht ja immer um den eigenen Frust, er verdreht immer alles. Er hat auch das Demonstrationsrecht, das Versammlungsrecht grundsätzlich in Frage gestellt, aber wir, die Sozialdemokratie und die österreichische Gewerkschaftsbewegung, lassen uns nicht beirren: Wir treten für die sozial Schwachen ein, wir treten für die Kolleginnen und Kollegen in der Arbeitswelt ein! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die heutige Dringliche der Grünen hat hohe Aktualität, es ist ja vieles schon angesprochen worden. Die österreichische Bevölkerung ist jetzt schon auf die Ferienzeit, die sie friedlich genießen möchte, eingestellt und hat kein Interesse daran, was Sie von der Regierungsseite hier "aufführen". Sie machen in Wirklichkeit keine Reformen, sondern betreiben eine Kopfjagd. Sie wollen einen regierungskritischen Menschen, Herrn Sallmutter, weghaben. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, darum geht es Ihnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Reformen sind Pfuschwerke, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Sie haben fast keine essentiellen Gesetze geschafft. Sie haben manche Gesetze wieder einbringen müssen. Der Verfassungsgerichtshof hat Gesetze wegen Formalmängeln aufgehoben; wir haben das wiederholt erlebt. Darauf brauchen Sie überhaupt nicht stolz zu sein.

Was verstehen Sie eigentlich unter Reformen in der Sozialversicherung, im ORF, bei der ÖBB, bei der Post, bei der Telekom oder bei der AUA? – Das ist eine rein politische Umfärbung und keine Reform, meine Damen und Herren!

Sagen Sie die Wahrheit, was Sie mit der guten österreichischen Sozialversicherung vorhaben! Der Herr Bundeskanzler hat sich auch auf die Bundesrepublik Deutschland bezogen, wo ganz andere Verhältnisse der Versicherungspflicht vorhanden sind, die mit uns, mit der Solidarversicherung, der Pflichtversicherung, nicht vergleichbar sind. Sie wollen eine private Versicherungspflicht einführen, und dazu, meine Damen und Herren, sagen wir nein! Das kommt für uns nicht in Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehen wir uns nur die Kosten an! Ich möchte dazu ein Beispiel bringen: Ein Alleinverdiener mit einem Einkommen in der Höhe von rund 44 000 S, seine Frau ist zu Hause, mit zwei Kindern, zahlt für die Sozialversicherung einen monatlichen Beitrag in der Höhe von rund 1 500 S. In der Schweiz müsste er auf Grund der Versicherungspflicht, meist im Rahmen einer privaten Versicherung, rund 4 000 S mehr aufbringen. Diesen Weg werden wir nicht gehen, meine Damen und Herren!

Sie wollen da mittels Anlassgesetzgebung eingreifen, meine Damen und Herren. Mir hat gestern einer meiner Lehrmeister, ein Mann, ein Österreicher, der schon 1933/34 für die Demokratie eingetreten ist, eingesperrt war, 1950 beim Widerstand, bei der Verteidigung Österreichs, bei der österreichischen Gewerkschaftsbewegung dabei war, in einer Aussprache gesagt, dass wir aufpassen sollen, denn beim Austrofaschismus hat es genauso angefangen. Daher mein Appell an die Bundesregierung: Passen Sie mit Ihrer Anlassgesetzgebung auf! (Abg. Böhacker: Kein Applaus!)

Meine Damen und Herren! Der ÖGB ruft am 5. Juli um 17 Uhr zu einer Großdemonstration am Ballhausplatz auf. Es werden sicherlich Hunderttausende Menschen kommen, und wir haben das seitens des ÖGB immer friedlich organisiert. Wir haben auch schon die Lichterkette organisiert, von der Herr Westenthaler damals gemeint hat: Das ist der rote Mob. – Es ist bedauerlich, Herr Klubvorsitzender, wenn Sie das so sehen. Sie werden keinen Gewerkschafter, keinen Funktionär erleben, der seine Kolleginnen und Kollegen nicht zu einer friedlichen Demonstration bringt. Uns geht es um die Sache. Aber es muss der Gewerkschaftsbewegung zugestanden werden (Abg. Zierler: Aber nicht unter Zwang!) – das ist auch ausgesprochen worden  –, dass sie auch nach dieser Demonstration Überlegungen anstellt, welche gewerkschaftlichen Maßnahmen gesetzt werden können.


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Kollege Tancsits! Du lachst! Hier spielst du den Paradeabgeordneten, den Vertreter der Wirtschaft. Als Arbeiterkammerrat bist du der Paradegewerkschafter. Du solltest endlich einmal wissen, wofür du eintrittst. Trittst du für die Arbeitnehmer ein, oder trittst du für die Wirtschaft ein? – Frag einmal deinen Kollegen Dinkhauser, der wird dir das sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir diesen Sticker "SOS Demokratie" heute tragen – Kollege Cap hat das ausgeführt –, dann muss gesagt werden, dass das auch gewachsen ist. Es ist legitim, zum Ausdruck zu bringen, dass nicht nur wir als Sozialdemokratische Partei Angst vor dieser Entwicklung haben, sondern dass auch viele andere Menschen in Österreich Angst haben. Überlegen Sie bitte, was Sie hier machen!

Herr Bundeskanzler! Sie haben die Sozialpartner erwähnt. Die Sozialpartner hätten sich in weiteren Verhandlungen um die Reform der Sozialversicherung wahrscheinlich gefunden. Dazu sind viele Gespräche notwendig. Es ist – das hat auch Präsident Leitl ausgesprochen – zuerst um die Reform gegangen und nicht um Köpfe. Ihnen geht es aber um Köpfe und nicht um die Reform. So ist die Situation. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zusammengefasst ist zu sagen: Die FPÖ hat sich davon verabschiedet, den "kleinen Mann" zu vertreten. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie haben bei der Wiener Wahl dafür die Rechnung erhalten. Für Sie ist das nur mehr ein Wahlkampfthema, denn in Wirklichkeit vertreten Sie die "kleinen Menschen" in Österreich nicht mehr.

Herr Bundeskanzler! Die Schüssel-ÖVP hat eine Ablaufbewegung eingeleitet. Ihr Landeshauptmann Pröll greift Ihnen ständig in die Räder, das ist feststellbar. Ich glaube, Sie sind verunsichert. Sie moderieren zwar ganz eloquent, aber wenn es um eine Entscheidung geht, sind Sie abgetreten.

Die folgenden Worte richte ich an Sie, Herr Bundeskanzler: Ihre Politik ist gescheitert. Sie werden von einer sehr dubiosen Waffenvergangenheit eingeholt. Sie kommen davon nicht weg. Nehmen Sie den Hut, bevor es für Österreich zu spät ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Zierler. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

16.56

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Edler hat offensichtlich wirklich philosophische Tendenzen, weil er jetzt, nach knapp eineinhalb Jahren, bereits erkennt, dass unsere Politik und die Politik des Herrn Bundeskanzlers gescheitert ist. Ihre Philosophie, die Sie hier an den Tag legen, ist also sehr bemerkenswert. Das ist ein Wunschdenken, das verstehe ich schon, aber es ist glücklicherweise von jeglicher Realität weit entfernt.

Herr Edler! Sie haben auch von den Streiks, die organisiert wurden und wieder organisiert werden – denken wir an morgen! –, gesprochen und davon geschwärmt, wie friedlich diese Demonstrationen abgingen und dass das auch der Sinn sei. Ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, was alles bei diesen Streiks schon passiert ist und wie unfriedlich diese Streiks zum Teil waren, aber das ist nicht der Punkt. (Zwischenruf der Abg. Mag.  Wurm. ) Der Punkt ist: Sie haben vergessen zu sagen, wie Sie die Leute mobilisieren. Teilweise werden nämlich die Leute dafür bezahlt, dass sie morgen zu diesem Streik kommen, oder es wird Zwang ausgeübt.

Zwei Beispiele dazu: Die PVA hat diese Woche eine außerordentliche Betriebsversammlung abgehalten und Folgendes beschlossen: Wer streiken geht, kann zur Dienstzeit noch eine halbe Stunde dazurechnen. Das sind 2 000 Mitarbeiter, sprich, es werden 1 000 Arbeitsstunden verrechnet. Wer finanziert das? – Dieses Streikgeld wird von den Versicherten bezahlt. Das ist Ihre Politik, die Sie auf der Straße austragen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Zweites Beispiel: Die Lehrlinge bei der ÖBB werden dazu vergattert, zur morgigen Demonstration zu gehen. Es gibt eine Standeskontrolle. Es wird abgezählt – vorher und nachher. – Danke, liebe SPÖ, liebe Gewerkschaft, für die Organisation dieser friedlichen Demonstrationen, die Sie durchführen, wo Sie die Leute dazu zwingen zu kommen und wo Sie dafür bezahlen zu kommen. (Abg. Edler: Beweise!) Das verstehen wir nicht unter Demokratie! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Geprägt ist die heutige Diskussion, also all das, was wir bisher gehört haben, natürlich wieder einmal von einer Inhaltslosigkeit, von einer Polemik und nicht von Fakten, und daher möchte ich Ihnen einige Fakten nennen.

Sie sprechen immer vom großen Köpferollen, vom Köpferollen, das diese neue Bundesregierung an den Tag legt. Es geht nicht um das Köpferollen, aber letztendlich natürlich um Köpfe, und zwar dann, wenn diejenigen, die in Funktionen sind (Abg. Mag. Wurm: Um Posten!), diesen Funktionen nicht entsprechen, wenn keine Reformen durchgeführt werden, wenn Verweigerung stattfindet.

Ich möchte Sie daran erinnern – das ist jetzt nicht mehr aktuell und vielleicht von Herrn Sallmutter bereits vergessen –, dass Herr Sallmutter im Jahr 1997 Folgendes gesagt hat: Parteien haben, insbesondere wenn sie Regierungsverantwortung tragen, darauf zu achten, dass bei der Verfolgung und Erreichung grundsätzlicher Ziele das Gesamtinteresse nicht aus den Augen verloren geht. Sie müssen übergeordnete Ziele oft auch auf Kosten von Einzelinteressen verfolgen und durchsetzen. – Das war am 18. Dezember 1997. Herr Sallmutter sieht das heute anders, weil es ihm eigentlich nur um seine eigene Position geht.

Gewerkschaften können keine Transmissionsriemen von Parteiinteressen sein, wie dies etwa in der kommunistischen Gewerkschaftstheorie festgelegt war und hier ihr politisches Scheitern besonders deutlich gemacht hat. – Sie tun es gerade! Das war übrigens auch ein Zitat von Herrn Sallmutter.

Da ich gesagt habe, es ist bisher um keine inhaltliche Auseinandersetzung gegangen, sondern um reine Polemik, möchte ich Ihnen die Fakten nennen, warum der Hauptverband der Sozialversicherungsträger dringend reformiert werden muss. Die Kritik durch den Rechnungshof vom 7. November 2000 lautet: In der Verwaltung des Hauptverbandes ist nur wenig Einsparungswille erkennbar. Statt dessen gibt es eine Erhöhung des Personalstandes, eine steigende Zahl an Vorrückungen, vermehrt Belohnungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine Zunahme der freiwilligen sozialen Zuwendungen an die Dienstnehmer.

Was gibt es hingegen nicht? – Eine EDV-Vernetzung zwischen den einzelnen Sozialversicherungsträgern. Das kostet den Hauptverband und somit natürlich den Steuerzahler 60 Millionen Schilling pro Jahr. Was gibt es noch nicht? – Gegensteuerungsmaßnahmen in den einzelnen Gebietskrankenkassen, obwohl sich seit 1998 die finanzielle Situation deutlich verschlechtert hat.

Was sind seit zehn Jahren die wichtigsten Kritikpunkte? – Wir sprechen nicht von einem Zeitraum von wenigen Monaten oder von einem Jahr, sondern wir sprechen von einem Zeitraum von zehn Jahren, in dem man erkannt hat, dass dringend etwas passieren muss, aber es ist nichts passiert. Es geht um die mangelnde Koordination und Koordinierbarkeit der einzelnen Kassen, um Gremien ohne Entscheidungskompetenz, um fehlende Führungsqualitäten, um Interessenkonflikte bei den Mitgliedern der Selbstverwaltung, um unzureichendes Denken und Agieren für das Gesamtsystem, um mangelnde Strategie, fehlendes Krisenmanagement, mangelhafte Ausschöpfung der vorhandenen Potentiale, um unzureichende Nähe zu den Versicherungen und so weiter und so fort. Diese Liste ließe sich fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Das sind die wirklichen Fakten! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Einen Satz möchte ich noch zu einem anderen Thema der heutigen Dringlichen sagen, nämlich zum ORF. Wir haben glücklicherweise morgen Vormittag sehr viel Zeit dafür. Heute wurde


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immer wieder davon gesprochen, dass derzeit so viel interveniert werde, dass die FPÖ interveniere. – Erstens ist das Wort "Intervention" in diesem Zusammenhang der falsche Begriff. Uns geht es um eine objektive Berichterstattung, und das Recht, das einzufordern, haben wir. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Lichtenberger: Da lachen ja die Hühner!)

Zweitens, meine sehr geehrten Damen und Herren, musste die SPÖ früher beim "Staatsfunk" ORF erst gar nicht intervenieren, denn da gab es selbstverständlich einen vorauseilenden Gehorsam, sodass eine Intervention letztendlich nur in ganz seltenen Fällen notwendig war. Sie von der SPÖ haben ja dafür gesorgt, dass die Posten entsprechend besetzt wurden.

Meine Damen und Herren! Ich denke, jemandem, der 15 Jahre lang in diesem Unternehmen gearbeitet hat, können Sie nichts vormachen. Ihre Glaubwürdigkeit hingegen ist diesbezüglich nicht sehr groß.

Was Ihr "SOS" betrifft, so sehe ich das als ein letztes, verzweifeltes Signal: Die SPÖ kurz vor dem Untergang. "SOS" steht für: Die SPÖ steht kurz vor dem Untergang! – Aber der Signalruf wird nicht ankommen. Die SPÖ geht unter. Was wir dem entgegenzuhalten haben, ist ein pulsierendes, ein strahlendes, ein politisches Herz, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Mag. Tancsits zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.02

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage des Herrn Kollegen Van der Bellen betreffend Säuberungen und Kopfjagden ließe eher vermuten, es handelt sich um die Behandlung ethnologischer Phänomene, aber siehe da, wenn man es genau durchliest, kommt man darauf, es geht um den ORF, die ÖIAG, die Sozialversicherung und so weiter.

Ich möchte zu zwei Punkten Stellung nehmen, denn wie es sich so ergibt, ist morgen in diesem Haus die ORF-Reform und am Freitag die ASVG-Reform zu behandeln (Abg. Mag. Kogler: So ein "Zufall", Herr Kollege!), und so lässt sich diese an sich missglückte Anfrage doch dazu nutzen, vielleicht einige zweckdienliche Hinweise für die Behandlung dieser wichtigen Reformvorhaben zu liefern.

Erstens zum ORF: Ich glaube, trotz aller unterschiedlicher Einstellungen zum Rundfunk beziehungsweise öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollte eines unbestritten sein: Ein Österreichischer Rundfunk, der kraft Gesetzes Gebühren einhebt, muss objektiv, unabhängig und mit hoher Qualität senden, ansonsten verliert er die Legitimation, mit Gesetzeszwang Gebühren einzuheben. – Darum und um nichts anderes geht es bei der anstehenden ORF-Reform! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sie, vor allem Sie von der Opposition, haben morgen die Möglichkeit, auch die vom Zentralbetriebsrat gewünschte verfassungsrechtliche und verfassungsmäßige Absicherung der unabhängigen Stiftung zu beschließen. Wir werden sehen, wie weit Ihnen tatsächlich an der Unabhängigkeit gelegen ist oder wie weit es Ihnen um Posten, Macht und Einfluss geht.

Ich glaube auch, dass die Legitimationsfrage in einem engen Zusammenhang mit der Sozialversicherung steht. Wir haben ein exzellentes System der solidarischen Pflichtversicherung mit dem Organisationsprinzip Selbstverwaltung. Das heißt aber auch, dass jeder, der pflichtversichert ist und pflichtversichert wird, die Chance haben muss, in der Selbstverwaltung eine entsprechende Vertretung zu finden.

"No taxation without representation", stand am Anfang der Republikanischen Revolution in Nordamerika vor über 200 Jahren. Das gilt auch für die Sozialversicherung, und daher werden


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im neuen Führungsorgan, im Verwaltungsrat der Selbstverwaltung, Dienstnehmer und Dienstgeber paritätisch vertreten sein, und zwar im Verhältnis 6 : 6. (Der Redner stellt eine Tafel mit folgender Überschrift auf das Rednerpult "DN : DG 6 : 6". ) Meinem Gefühl nach ist es schade, dass die Senioren, die eine wichtige Gruppe sind, hier nicht vertreten sind. Die Dienstnehmervertreter werden die Parteienlandschaft der bei den Arbeiterkammerwahlen kandidierenden Fraktionen widerspiegeln.

Wie sieht es jetzt aus? – Nimmt man Verbandsvorstand und Kontrollversammlung her – 6 : 4 und 4 : 7, was die Dienstnehmer und Dienstgeber betrifft –, dann haben wir in Wahrheit auch da Parität. (Der Redner stellt ein weiteres Taferl mit folgender Überschrift auf das Rednerpult "DN : DG 6 : 4, 4 : 7". )

Meine Damen und Herren! Warum, glauben Sie – Sie dürfen mitraten –, habe ich alle Dienstnehmervertreter in roten Zahlen auf diese Tafel geschrieben? – Ich kann Ihnen die Antwort geben: Weil bisher sämtliche Dienstnehmervertreter von Seiten der FSG, der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter, gestellt wurden, meine Damen und Herren! Angesichts dessen wagen Sie zu behaupten und zu schreiben, es würden Wahlergebnisse umgefärbt werden?!

Was ist denn der jetzige Zustand? – Sagen Sie uns doch, wo jemals Wahlen stattgefunden haben, bei denen die SPÖ und ihre Fraktionen 100 Prozent erreicht haben? – Kollege Edler! Ich glaube, das ist nicht einmal bei den Eisenbahnern der Fall. Nennen Sie uns die Wahlen, auf Grund deren Ergebnis sich diese Zusammensetzung ergibt, schon allein deshalb, damit man das nächste Mal zu diesen Wahlen OSZE- oder UNO-Beobachter einladen kann!

Meine Damen und Herren! Ich glaube, nur die Vertretungschance für jeden Arbeitnehmer, aber auch für jeden Selbständigen in den Organen der Selbstverwaltung legitimiert uns, ein exzellentes Solidarversicherungssystem aufrechtzuerhalten und auszubauen. Das ist nicht Kopfjagd, meine Damen und Herren, das ist Demokratie! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.08

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Demokratiebelehrungen meines Vorredners müssten eigentlich in einem Satz münden: Sowohl beim ORF als auch im Hauptverband muss es eine Widerspiegelung der Regierungsmehrheit geben, und das ist Demokratie. Sagen Sie doch ehrlich, wie es ist, Herr Kollege Tancsits! Ihr Demokratiespiel heißt, alle Körperschaften müssen praktisch die Machtverhältnisse auf der Regierungsbank widerspiegeln. So ist es de facto unter dem Strich – Taferl hin oder Taferl her. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte aber doch zum Kernthema zurückkommen, und das lautet: Diese Regierung versprach Reform, aber diese Regierung bot praktisch nur das Ablösen von Proporzsystemen mittels neuer Clansysteme, mittels neuer Seilschaften.

Herr Bundeskanzler! – Er ist jetzt leider nicht anwesend, deshalb wiederhole ich seine Worte. (Abg. Schwarzenberger: Er ist schon hier!) – Entschuldigung! Ich habe Sie leider übersehen. (Abg. Haigermoser: Das politische Gewicht des Bundeskanzlers ist nicht zu übersehen!) Ich wiederhole deshalb besonders ausführlich Ihre Worte: Sie wiesen im Zusammenhang mit der ÖIAG besonders darauf hin, dass die Nabelschnur durchtrennt sei. – Jawohl, sie ist durchtrennt, das ist keine Frage. Das Aktienrecht gilt. Aber wie wurde der Aufsichtsrat bestellt? Braucht ein "klein Prinzhorn" überhaupt eine Nabelschnur? – Ich glaube nicht. Ich glaube, auch eine Seilschaft braucht keine Nabelschnur, sie funktioniert auch ohne. Sie brauchen sich dazu nur die Terminologie der bürgerlichen Zeitung "Die Presse" anzusehen.

Nun komme ich zur anfangs gestellten Frage, wie denn dieser Aufsichtsrat der ÖIAG bestellt wurde, sodass jetzt das Aktienrecht schaltet und waltet und sich der Herr Finanzminister bei


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dieser Konstruktion und bei diesem Aufsichtsrat eventuell nur am Rande einmal quasi als Gast einfindet.

Nun, der Aufsichtsrat wurde nicht durch eine internationale Ausschreibung, wie es vielleicht am besten gewesen wäre, bestellt, sondern der Aufsichtsrat wurde von einem Personalbüro vorgeschlagen. Die Ausschreibung für dieses Personalbüro war auch recht interessant zu beobachten. Vier Stunden, nachdem die Ausschreibung vorlag, bereits vier Stunden später war die Entscheidung gefallen, dass das Schweizer Büro Zehnder den Zuschlag erhielt. Der Geschäftsführer in Österreich ist Herr Joachim Kappel, seine Gattin war Mitarbeiterin des Herrn Präsidenten Prinzhorn, und auch Trauzeugen-Connections existieren. Vier Stunden hat es gedauert, bis das Personalbüro für den Aufsichtsrat klar war.

Weitere zehn Stunden hat es gedauert, bis eine Liste von 44 Personen aus der internationalen Managerwelt vorlag. Es dauerte nicht lange – vielleicht nur eine halbe Stunde –, und der Finanzminister hatte diese Liste auf 14 Namen zusammengestrichen. Und dann ging es ruck, zuck, und die Regierung wählte zehn Aufsichtsräte für die ÖIAG aus. Es gibt sicherlich Freunde des Herrn Prinzhorn aus der Papierindustrie, es gibt auch andere, aber sie alle haben eine große Gemeinsamkeit: Sie haben persönliche Beziehungen.

Es ist ein Clan, eine Seilschaft, die sich jetzt – das ist das Interessante laut ÖIAG-Gesetz – selbst immer wieder erneuern kann. Es gibt kein Hineinregieren mehr, es ist auch gar nicht notwendig. Wir brauchen keine Nabelschnur, wir brauchen keine Parteibücher, es funktioniert der Clan, die Seilschaft ist perfekt, bis es keine ÖIAG mehr gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe gar nichts dagegen, dass dort sehr fähige Menschen – vielleicht sind sie es wirklich – sitzen, wenn sie diese Fähigkeiten auch unter Beweis stellen. Aber derzeit, meine Damen und Herren – lesen Sie die Wirtschaftsseiten des "Standard", der "Presse", der "Salzburger Nachrichten"! –, stellen diese tollen Kapazunder ihre Fähigkeiten, ihr Licht wirklich sehr unter den Scheffel.

Wie kann denn das sonst passieren? – Ich meine, sie müssen sich ständig verkleiden oder kostümieren, oder sie müssen sich anders verhalten, andere Fähigkeiten haben, als ihnen die internationale Managerwelt zuschreibt. Wir lesen ja immer wieder, es werden Aufsichtsräte umgefärbt und abgelöst, obwohl es noch gar keine Nachfolger gibt. Wir lesen etwa im "Trend", die Telekom wird an die Börse geschickt, obwohl der Zeitpunkt sehr ungünstig ist. Auch das Finanzministerium will die Telekom nicht zum Termin November an der Börse haben. Aber nein, da gibt es neue, ehrgeizige, fähige Aufsichtsräte, die sagen: An die Börse, auf Teufel komm raus! – Sie wollen das, sie haben den Ehrgeiz, und sie machen es. Der Kurs liegt jetzt bei 7,5 j , glaube ich. Gekauft hat man um 9, und ursprünglich hat man gemeint, 12 werden es schon werden.

Das ist das Resultat der Abnabelung, das Resultat der fähigen Köpfe. Das ist das Resultat des Regierens neu und Ihrer Reformpolitik. Lesen Sie selbst, Sie brauchen nur nachzuschlagen, zum Beispiel im "FORMAT", in dem Klaus Woltron, sicherlich kein Unbedarfter in Wirtschaftskreisen, deutlich erklärt: "Doch statt mit bombastischem Getöse und ohne jede Demut aufzutreten, täte ihnen" – den Aufsichtsräten – "etwas Ruhe und Besonnenheit gut. Sie sollten ihren neuen Managern in der staatsnahen Wirtschaft lieber ein Umfeld bieten, in dem sie arbeiten können." – Vorschlag aus der Wirtschaft an die Wirtschaft.

Warum verhalten sich diese Aufsichtsräte so eigenartig? – Da gibt es irgendwo im Hintergrund eine Ideologie oder einen wesentlichen Freund, sozusagen einen Patron über diesem ganzen System, und diese Ideologie und dieser Patron drängen darauf, etwas Bestimmtes zu tun – ganz egal, ob es sinnvoll ist oder nicht. Auslöffeln muss das dann wahrscheinlich auch Herr Ditz, der auf Druck des Herrn Heinzel herumgeschickt wird, der vielleicht wiederum auf Druck des Herrn Prinzhorn agiert, um ein Köpferollen zu veranstalten, das betriebsschädlich ist.

Das ist der Punkt, auf den ich zum Schluss noch zu sprechen kommen will. Herbert Krejci, der ehemalige Generalsekretär der Industriellenvereinigung, betonte mehrfach: Diese Politik in der ÖIAG ist wirklich äußerst wirtschaftsgefährlich. – Ein Zitat aus dem "Falter": Das Spiel ist für die


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Wirtschaft äußerst gefährlich. – Das ist das Urteil eines ÖVP-lers über die eigene Regierungsform neu, über die eigene Reformansage, über das Resultat dieses Regierens neu, in einem Kernbereich der ÖVP, der der FPÖ und Prinzhorn überlassen wurde.

Den Schaden hat konkret nicht nur der einzelne Betrieb – viele Abfertigungen sind notwendig, eine Summe in dreistelliger Millionenhöhe –, hat nicht nur die ÖIAG, hat nicht nur die Republik, den Schaden haben auch die kleinen Aktionäre, den Schaden trägt auch die Wiener Börse, und vor allem haben den Schaden womöglich auch die ArbeitnehmerInnen, die ihn bitter und ernst dann am eigenen Leib verspüren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

17.16

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass bei der Debatte in den letzten eineinhalb Stunden klar zum Ausdruck gekommen ist, was in diesem Land passiert, nämlich dass diese Regierung, vor allem unter Ihrer Federführung, Herr Bundeskanzler, dieses Land mit einem Selbstbedienungsladen verwechselt, dass Regieren neu bei Ihnen bedeutet, dass es beim Verscherbeln von staatlichen Unternehmen auf der einen Seite einige Profiteure gibt und auf der anderen Seite eine große Gruppe von verunsicherten Beschäftigten, von geschädigten Kleinaktionären zurückgelassen wird. Das ist Ihre Politik in der ÖIAG. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht Ihnen in diesem Bereich der Wirtschafts- und Industriepolitik nie um eine wirtschaftspolitische Zielsetzung, um eine Standortbestimmung. Es geht Ihnen nicht um arbeitsplatzsichernde Maßnahmen, sondern es geht Ihnen bloß darum, über eine entsprechende Personalpolitik, die Sie betreiben, Macht und Einfluss zu gewinnen.

Sie haben zwar angekündigt, Entpolitisierung betreiben zu wollen, aber das nimmt Ihnen heute ohnedies niemand mehr ab, denn das Einzige, was innerhalb der ÖIAG passiert ist, ist, dass Sie willfährigen Günstlingen des Vereins "Friends of Prinzhorn" – er sitzt über Ihnen – ermöglicht haben, Einfluss auf die Industriepolitik zu nehmen – allerdings zum Schaden dieser Industriepolitik und zum Schaden der Beschäftigten in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie sind hier aufgestanden und haben gesagt: Ja, wir betreiben eine Kopfjagd, ja, es findet eine Kopfjagd statt, aber eine Kopfjagd – so haben Sie gesagt – nach den besten Köpfen, und darum haben wir uns auch einer Headhunter-Firma bedient.

Herr Bundeskanzler! Kennen Sie die Headhunter-Firma, derer Sie sich bedient haben und von der Sie heute behaupten, das sind jene Leute, die die besten Köpfe, die wirtschaftspolitisch Fundiertesten und Besten zur Auswahl bringen? – Diese Firma ist eine FPÖ-nahe Headhunter-Firma des Herrn Egon Zehnder. Der österreichische Geschäftsführer dieser Firma heißt Joachim Kappel. Der Herr Präsident über Ihnen kennt Herrn Joachim Kappel sehr genau, denn die Frau des Herrn Joachim Kappel war die Pressesprecherin des Herrn Prinzhorn. Frau Kappel war auch Kurzzeit-Pressereferentin des Herrn Grasser. Und Herr Prinzhorn war Trauzeuge des Herrn Kappel. – Das sind Ihre "unabhängigen" Headhunter! Sie sind in dieser Frage unglaubwürdig, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Verfilzung!)

Sie tun nichts anderes, als gute österreichische Unternehmen ins öffentliche Gerede zu bringen. Sie schrecken nicht davor zurück, diese Unternehmen in Misskredit zu bringen. Sie scheuen nicht davor zurück, diese Unternehmen ins Gerede zu bringen und damit auch den Beschäftigten große Probleme zu bereiten.

Sie machen das so, dass Sie zuerst den Aufsichtsrat, die Vorstände, das Management ins Gerede bringen und dann gegen FPÖ-nahe "Friends of Prinzhorn" austauschen. Hunderttausende Beschäftigte sind davon betroffen!


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Herr Bundeskanzler! Es gibt einen Brief an Sie. Dieser Brief ist vom 13.6., und darin wenden sich die Arbeitnehmervertreter der ÖIAG an Sie und ersuchen Sie, dafür zu sorgen, dass diese Unternehmen nicht ins öffentliche Gerede kommen. Es ist ein drei Seiten langer Brief, in dem Ihnen die Beschäftigten ihre Sorgen mitteilen. Und was haben Sie geantwortet, Herr Bundeskanzler? – Sie haben bis heute geschwiegen! Nicht einmal eine Zeile haben Sie den Beschäftigten zurückgeschrieben und damit Antwort auf ihr Schreiben gegeben! Das ist unverschämt, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Vermutlich wissen Sie auch nicht, was Sie zurückschreiben sollen! Sollen Sie etwa die Namen der von den FPÖ-Headhunters genannten Leute zurückschreiben? – Das ist zum Beispiel Herr Heinzel, er ist Vorstand der Prinzhorn-Stiftung, es ist Herr Cornelius Grupp, er ist Vorstands-Vorsitzender der Prinzhorn-Stiftung, es ist Herr Dr. Veit Schalle, er ist Stiftungsrat der Prinzhorn-Stiftung, es ist Dr. Veit Sorger, er ist Stiftungsrat der Prinzhorn-Stiftung. – Da gibt es Profiteure, und der Profiteur sitzt über Ihnen. (Abg. Nürnberger  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Herr Präsident! Stimmt das? Stimmt das?)

Das ist eine Aufteilung in Besatzungszonen, Herr Bundeskanzler! Sie sind offensichtlich einen Deal mit der FPÖ eingegangen, die Industriepolitik Herrn Prinzhorn über Ihnen zu überlassen und den ORF Herrn Schüssel, also Ihnen persönlich. Das scheint Ihre Politik zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Da heute viel davon gesprochen wurde: Welche Unvereinbarkeiten gibt es denn im Hauptverband, im ORF? Welche Unvereinbarkeitsbestimmungen sollen wir einführen? – Herr Bundeskanzler! Halten Sie es für richtig, dass einer der größten Immobilienhaie, Herr Plech, Aufsichtsratsvorsitzender des sozialen Wohnbaus ist? Oder ist das unvereinbar? – Das ist unvereinbar! Aber Sie schweigen, wenn es darum geht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Aber dass Muzicant Mitgesellschafter ist, stört Sie nicht?)

Herr Bundeskanzler! Was halten Sie davon, wenn der ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzende der Generaldirektor einer der größten Autokonzerne ist und wenn im Aufsichtsrat die größten Frächter des Landes vertreten sind? Glauben Sie, dass es da Initiativen geben wird, die Fracht von der Straße auf die Schiene zu verlagern? – Herr Bundeskanzler! Machen Sie sich darüber Sorgen! Auch das ist unvereinbar, aber auch dazu schweigen Sie! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden uns natürlich genau anschauen, wer beim Verscherbeln von österreichischem Vermögen die Profiteure in diesem Land sein werden. Wir werden uns das sehr genau und penibel anschauen. Wir werden uns auch ansehen, zu welchen Preisen bestimmte Leute etwas bekommen werden. All das wird sich nämlich fortsetzen, wenn die Herren der Papierindustrie den österreichischen Wald kaufen wollen und wenn die Sozialwohnungen in Wahrheit an Immobilien-Spekulanten verscherbelt werden.

Daher hat die SPÖ eine Sonderprüfung der ÖIAG durch den Rechnungshof beantragt, um Klarheit darüber zu bekommen, welche Geldflüsse stattgefunden haben und wer die Profiteure sind. Da Ihr Regieren-neu Machtrausch bedeutet, Ihr Regieren-neu Sozialabbau bedeutet und Ihr Regieren-neu Demokratieabbau bedeutet, bin ich froh, dass es eine Initiative "SOS Demokratie" gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

17.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.23

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist sagenhaft, welche Sorgen sich die SPÖ macht, und zwar im Hinblick auf die Privatisierung der ÖIAG. Und es ist sagenhaft, welche Erinnerungslücken Herr Ex-Finanzminister Edlinger hat. Dabei bräuchte er sich nur den Rechnungshofbericht zur ÖIAG anzuschauen! Kollege Stummvoll hat zu ihm gesagt: Ihre Philosophie besteht darin, dass die Schulden der ÖIAG aus dem Budget bezahlt werden. – Kollege Edlinger, Sie sitzen da und sagen darauf: All das stimmt nicht. – Ich frage Sie:


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Lesen Sie die Berichte nicht, oder können Sie sich nicht daran erinnern? – Ich darf Sie erinnern: Es gibt einen Bericht des Rechnungshofes. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Der Bericht des Rechnungshofes schaut folgendermaßen aus: Von 1995 bis 1999 hätten laut Kreditvertrag aus der ÖIAG 18,3 Milliarden Schilling für Tilgungen und 13,1 Milliarden Schilling für Zinsen, das heißt, insgesamt 31,4 Milliarden Schilling zurückbezahlt werden sollen. Wie hat man dieses Geld aufgebracht? – Aus Dividenden und Privatisierungen lediglich 7,8 Milliarden Schilling, aus dem Bundesbudget, Herr Kollege Edlinger, 8,4 Milliarden – ich betone: 8,4 Milliarden aus dem Bundesbudget! –, und aus sonstigen Umschuldungen 15,2 Milliarden. Es ist im Grunde genommen nichts, null passiert. Man hat nur Zinsen bezahlt und sonst nichts. Der Schuldenstand ist der gleiche geblieben.

Herr Kollege Edlinger, Sie sind auch derjenige, der damals mit der Österreichischen Volkspartei ausverhandelt hat, die Privatisierung der ÖIAG voranzutreiben und innerhalb von vier Jahren die Schulden auf null zu drücken. Es steht in dieser Vereinbarung, die Sie mit der ÖVP abgeschlossen haben, auch dezidiert, welche Unternehmen gemeint sind. Diese Bundesregierung hat diesen Auftrag ernst genommen. Diese Bundesregierung hat diesen Auftrag insofern ernst genommen, als sie mit der Freunderlwirtschaft, die Sie vor allem bei den Aufsichtsräten betrieben haben – gerade auch in der ÖIAG –, aufgehört hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Wenn Sie ein gewisses Ehrgefühl hätten, Herr Kollege Edlinger, dann würden Sie bei einer Gesamtdiffamierung des Aufsichtsrates der ÖIAG seitens der grünen Fraktion nicht mitspielen! Sonst hätte ich von Ihnen annehmen müssen, dass Sie bei einem Gespräch, das Sie mit dem Vorstandsvorsitzenden Heinzel geführt haben, gesagt hätten: Passen Sie auf: Der bestimmte Aufsichtsrat ist ein Blauer, der kann nichts, der gehört weg! – Man hat nichts gehört. Die Qualifikation dieser Aufsichtsräte ist in Ordnung, sonst hätten Sie das damals bei der Unterredung dem Vorsitzenden auch sagen und ihn darauf aufmerksam machen müssen, damit er reagieren kann. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) – Das wissen wir nicht, aber bei diesem Gespräch haben Sie das offensichtlich nicht angesprochen. Sie wollen einfach mit polemisieren, so wie es die grüne Fraktion hier im Hohen Haus macht.

Wie weit sind denn die Privatisierungen vorangeschritten? Was ist denn der Unterschied zwischen der Privatisierung der SPÖ und der Privatisierung der ÖVP und der FPÖ? – Wir haben im letzten Jahr bis April 2001 ein Volumen von 33 Milliarden Schilling privatisiert. Darin ist die ATW noch gar nicht enthalten. Das heißt, das ist in Summe ein Privatisierungserlös von rund 50 Milliarden Schilling, der zur Entschuldung beiträgt.

Sie sagen nun, es besteht die Möglichkeit, dass da etwas unter dem Wert verkauft worden ist. – Ich werde Ihnen zwei Beispiele nennen, wo unter dem Wert verkauft worden ist, Herr Kollege Edlinger!

Unter dem Wert verkauft worden ist zum Beispiel die AMAG. Die AMAG hat von 1991 bis 1993 11,2 Milliarden aus dem Budget bekommen, im Jahre 1994 noch einmal 1,4 Milliarden aus dem Budget und 1996 anlässlich des Verkaufs noch einmal 1,2 Milliarden als Mitgift. Ich wiederhole: 1,2 Milliarden als Mitgift! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Sie brauchen sich nicht zu distanzieren, das können Sie nicht! Sie gehören zu dem Verein, und bei dem bleiben Sie auch! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das werde ich mir merken, was Sie jetzt gesagt haben! Das werde ich mir merken! Ich habe immer geglaubt, Sie gehören zu den Intellektuellen!)

Herr Kollege Edlinger! Zwei Jahre darauf hat diese AMAG, der Sie noch eine Mitgift in der Größenordnung von 1,2 Milliarden Schilling mitgegeben haben, einen Gewinn in der Höhe von 412 Millionen erwirtschaftet.

Und wie schaut es denn bei AT&S aus? Wie hat die Situation bei AT&S ausgeschaut, als das Unternehmen damals bewertet worden ist, als man verkauft hat? – AT&S hat damals, im Jahr 1989, einen Umsatz von 350 Millionen und einen Verlust von 370 Millionen gehabt. Man hat dieses Unternehmen um 90 Millionen Schilling an die Bietergruppe um Hannes Androsch


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verkauft, und mittlerweile hat es einen Börsenwert von 7 Milliarden Schilling. Das ist eben der Unterschied!

Ich glaube, dass die Bewertungen, die damals vorgenommen worden sind, als Sie die Verantwortung getragen haben, nicht den Tatsachen entsprochen haben, sonst hätte man dieses Silber nicht so günstig verschleudert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung holt vorher ein Gutachten ein und lässt das Ganze anständig bewerten, damit der österreichische Steuerzahler nicht zum Handkuss kommt. Wenn die Privatisierung weiter so gut fortschreitet, dann wird die ÖIAG spätestens in vier Jahren praktisch schuldenfrei sein, und das kommt dem Wohle der österreichischen Steuerzahler zugute. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

17.29

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Danke vielmals. – Ganz kurz, da doch einige Punkte erwähnt wurden, bei denen ich noch zur Aufklärung beitragen möchte.

Was ist denn tatsächlich privatisiert worden? – Das sollte man sachlich diskutieren und dann fragen: War das richtig, oder ist es falsch? – Im Prinzip sind drei Firmen privatisiert worden, also zwei sind privatisiert worden, eine Firma ist teilweise privatisiert worden, und eine soll jetzt privatisiert werden.

Privatisiert wurde höchst erfolgreich die Postsparkasse. Da gebietet es schon die Ehrlichkeit, zu sagen: Das war immer geplant und war eigentlich außerhalb des Parteienstreits, hat ein Super-Ergebnis gebracht, und man kann, so glaube ich, der ÖIAG dazu gratulieren, dass das höchst professionell abgewickelt worden ist. Darüber sollte man nicht streiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Zweite: Es war immer geplant, dass die Austria Tabak privatisiert wird, und zwar voll privatisiert wird. Das war früher außer Streit (Abg. Edlinger: Nie! Nein!)  – doch, selbstverständlich! –, und das hat diese Bundesregierung gemeinsam auf die Privatisierungsliste gesetzt. (Abg. Edlinger: 25 Prozent!) Es hat eine sehr professionelle Vorgangsweise gegeben: gemeinsam mit dem Vorstand der ATW und gemeinsam mit den Mitarbeitern.

Man sollte auch einmal die Zahlen nennen: Vor einigen Jahren, im Jahr 1997, wurden 50 Prozent um 5 Milliarden Schilling verkauft. Jetzt sind 41 Prozent um 10,5 Milliarden verkauft worden – also ein super Vorgang, für den der ÖIAG zu danken ist. Ich glaube, dass das auch für die Arbeitsplätze in diesem Bereich ein gutes Ergebnis gewesen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Reden wir in drei Jahren weiter, Herr Bundeskanzler!)  – Ja, gut.

Herr Kollege Edlinger! Der einzige Fall, den Sie jedenfalls sehr genau aus der Nähe kennen, ist die so genannte Privatisierung der CA, nämlich der Verkauf an die Bank Austria. Das Ergebnis kennen wir: Das ist kein Ruhmesblatt (Abg. Edlinger: Die Arbeitsplätze bleiben gesichert!), für das Sie jetzt besonders laut argumentieren müssten! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Weiters ist das Dorotheum – jetzt, nach der Lösung der Restitutionsfrage – zum Verkauf vorgesehen. Ich glaube, dass auch das kein wirklich strittiger Punkt ist. Und die Telekom ist bereits teilweise auf den Markt gebracht worden – zugegeben: in einer sehr schwierigen Zeit. Insgesamt sind diese Vorhaben meiner Meinung nach in keiner Weise besonders aufregend oder dramatisch gewesen. Sie waren richtig und sind, finde ich, von der ÖIAG gut gemacht worden.

Das Zweite ist: Machen Sie doch nicht immer jene Leute, die sich als Aufsichtsräte für die ÖIAG, für die ÖBB oder für andere zur Verfügung stellen, schlecht! Und recherchieren Sie doch auch ein wenig besser, zum Beispiel, wer aller Mitglied im Stiftungsrat einer bestimmten Person, die


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hinter mir sitzt, ist! Da werden Sie einige Überraschungen erleben, denn vieles, was hier behauptet wurde, stimmt einfach nicht.

Ich habe Herrn Rottmeyer, den Generaldirektor von General Motors, selbst besucht. Bis dahin kannte ich ihn nicht. Er ist jetzt Generaldirektor von General Motors in Aspern – ein sensationeller Betrieb, der beste Opel- und General-Motors-Betrieb auf der ganzen Welt! Das ist ein Mann, der zeigt, wie man Sozialpartnerschaft im Betrieb lebt  – in der Information, in der Motivation, mit den niedrigsten Krankenständen, mit der besten Mitarbeiterschulung! Und er hat sich jetzt – der erste Termin war schon – mit den Betriebsräten der Eisenbahnergewerkschaft zusammengesetzt und mit ihnen darüber diskutiert, wie man das Unternehmen gemeinsam in eine positive Richtung reformieren könnte.

So muss es gehen! Hören Sie doch auf, parteipolitisch jeden in Frage zu stellen, der mit dieser Bundesregierung, nein, für dieses Land eine Aufgabe übernimmt! Dafür sind diese Leute bei Gott zu schade! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Gleiches gilt übrigens für die Spediteure. Es hat immer höchst erfolgreiche Spediteure im Aufsichtsrat der ÖBB gegeben, die ihr Know-how eingebracht haben, damit auch die ÖBB davon profitieren. Ein Spediteur lebt – wie Sie ja vielleicht wissen – nicht davon, dass er gegen die ÖBB arbeitet, sondern davon, dass er mit der Eisenbahn ein super Angebot an die Wirtschaft stellen kann.

Wiederum: Wenn Sie parteipolitisch etwas zu kritisieren haben, dann adressieren Sie das an uns! Wir halten das schon aus, überhaupt dann, wenn die Kritik so "sachlich" ist, wie sie heute Nachmittag gewesen ist. (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. ) Das halten wir bei Gott aus! Aber lassen Sie jene Menschen, die sich für das Land einsetzen, aus dem Spiel, denn die verdienen das nicht.

Zum letzten Punkt, zur politischen Vertretung: Wenn man bei sechs Vertretern, sowohl bei Dienstnehmern als auch bei Dienstgebern, d’Hondt anwendet, dann sage ich Ihnen: Nach jeder Rechnung kommt auf Grund der Arbeiterkammerwahl heraus, dass etwa der ÖAAB zwei Vertreter hat und dass es auf der Dienstgeberseite eine andere Vertretung gibt. (Abg. Edler: Na eh, schwarze Mehrheit!)

Das Einzige, was man jetzt sagen kann – und das kann man kritisieren, wenn man will; vielleicht diskutieren wir auch noch über diesen Punkt –, ist: Es ist wahr, dass bei den Dienstgebern der Wirtschaftsbund dem Freien Wirtschaftsverband mit dieser Lösung, die wir hier finden, ein Mandat freiwillig abtritt. Und es ist wahr, dass die sozialistische Fraktion den freiheitlichen Arbeitnehmern mit dieser Lösung ein Mandat abtritt.

Aber eines muss ich sagen: Eine besondere Aufregung, Worte wie "Generalstreik" oder "Untergang der Demokratie" rechtfertigt das nicht! (Abg. Edler: Sie schaffen Mehrheiten ab!) Daher: Bringen wir die Dinge doch wieder auf den Boden, wo sie hingehören! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter Dr. Einem! § 58 GOG kennen Sie. Beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie dieser den berichtigten Sachverhalt gegenüber! – Bitte. (Abg. Neudeck: Vielleicht kann er es endlich! – Abg. Kiss: Jetzt müssten Sie es schon können!)

17.34

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herrschaften auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat soeben behauptet – und er war ja um eine sachliche Auseinandersetzung bemüht –, im Aufsichtsrat der ÖBB hätte es immer Spediteure gegeben. – Diese Tatsachenbehauptung ist falsch. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. )


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Im vorangegangenen Aufsichtsrat der ÖBB hat es keinen Spediteur gegeben, weil ich damals außerordentlichen Wert darauf gelegt habe (Abg. Mag. Kukacka: ... der Dr. Schachinger!), auch den sehr qualifizierten Herrn Schachinger nicht im Aufsichtsrat zu belassen. Er ist daher nicht mehr im Aufsichtsrat gewesen (Abg. Mag. Kukacka: Aber der ist von Ihnen noch bestellt worden!), weil er ein Konkurrent der ÖBB ist und als solcher dort nichts verloren hatte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte. (Ruf: Da hat er Parteipolitik gemacht, der Herr Minister Einem! – Abg. Schwarzenberger: Das war eine Weisung!)

17.35

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es kann einfach nicht sein, dass alles, was bisher geschehen ist beziehungsweise erledigt wurde, also alles, was alt ist, ausnahmslos richtig ist und dass alles Neue ausnahmslos schlecht ist! (Abg. Schieder: Und umgekehrt geht es?) Das glaubt Ihnen niemand! Das glaubt Ihnen kein Mensch. Fragen Sie die Bürger! Hören Sie bitte hin!

Das wird auch nicht anders, wenn Sie nun plötzlich mit Aktionen beginnen (der Redner hält ein Zeitungsinserat in die Höhe)  – egal, ob es diese Inserate sind (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), die vom Geld der Mitglieder der Gewerkschaft bezahlt werden, oder andere Aktionen. Sie werden es ihnen ohnedies sagen müssen.

Herr Abgeordneter Verzetnitsch sagt, morgen würden mit Sonderzügen Tausende Leute herbeigekarrt, und er schließe nichts aus. – Dazu muss ich schon sagen, Herr Präsident: Was Sie machen, das werden Sie zu verantworten haben! (Abg. Silhavy: ... einstimmiger Beschluss!) Ich meine, dass Sie auch in der Opposition Verantwortung für dieses Land tragen. Seien Sie sich bitte dieser Aufgabe bewusst! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Für mich ist der Urheber der Taferln, der erste Taferlheber hier (der Redner blickt nach rechts) gesessen. Dass auch Sie mit Aktionen anfangen, ist Ihr gutes Recht. Aber wie soll man nun Ihr SOS-Signal deuten? Das ist das Signal eines untergehenden Schiffes. Man könnte auch sagen: Sozialisten ohne Sensibilität für Bürgerfragen! Auch das könnte man sagen. Wie immer Sie es wollen, man könnte das mit sehr vielem kommentieren. (Zwischenruf der Abg. Bures. )

Ich möchte jedenfalls Herrn Klubobmann Van der Bellen für diese Dringliche Anfrage, die er in seiner typischen Art vorgetragen hat, danken. Er hat dem Herrn Bundeskanzler dadurch die Chance gegeben, wieder einmal ganz klar und deutlich zu sagen, wie in diesem Land Politik gemacht und dass eine gute Politik gemacht wird.

Herr Klubobmann Van der Bellen! Wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass sich die Regierung vorgenommen hat, Österreich neu zu regieren, dann muss ich sagen: Sie hat ihr Ziel auch erreicht. Ich bitte Sie, denken Sie an die Budgetpolitik: Keine neuen Schulden! Die Jugend, die Zukunft wird nicht mehr belastet. Ist das nicht toll? (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Oder: 50 Jahre keine Antwort, keine Lösung in der Entschädigungsfrage. Diese Regierung hat es gemacht! Die USA haben uns gedankt. Hören Sie sich das bitte an! Das ist doch eine einmalige Sache!

Oder: Pensionsreform. Wir haben etwas für unsere Jugend gemacht, aber unter Wahrung der Interessen und der Rechte der jetzigen Generation. Das braucht man doch nicht zu verstecken! Das kann man doch klar und offen aufzeigen!

Wenn Sie in dieser Anfrage schreiben: "Die Regierung hat Reformen versprochen", dann kann ich Ihnen nur sagen, dass sie im Großen und Ganzen dieses Versprechen auch einhält. Nur: Sie müssen es endlich auch einmal mitverfolgen, vielleicht auch mit annehmen und vielleicht auch,


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fallweise, wenn es um die Zukunft dieses Landes, dieser Bürger geht, mittragen – auch als Opposition! Das steht Ihnen vielleicht auch ganz gut an.

Sie haben hier und heute mehrmals den ORF angesprochen. Ich frage Sie: Was stört Sie, wenn es in Zukunft Medienvielfalt gibt? Was stört Sie, wenn wir endlich dorthin kommen, wo fast alle Länder Europas heute schon sind? Was stört Sie bitte, wenn es mehr journalistische Freiheit gibt? Wenn Sie das nicht glauben, dann lesen Sie es! Ich habe ein ganzes Bündel von Presse-Zitaten. (Der Redner hält verschiedene Schriftstücke in die Höhe.) Darin können Sie nachblättern und lesen, wie sehr sich alle danach sehnen, dass es nun diese journalistische Freiheit auch in Österreich tatsächlich gibt.

Hören Sie nicht, was die Bürger sagen? – "Zeit im Bild 1" und "Zeit im Bild 2" werden immer kürzer. Die interessanten Sendungen werden immer später in der Nacht gesendet. Es wird auf die Bedürfnisse der Leute nicht Rücksicht genommen. All das sind eklatante Schwachpunkte, die wir jetzt besser machen wollen! Ebenso wird es Sie ja nicht stören, dass es nun auch Privatanbieter geben wird. (Abg. Öllinger: Kollege Donabauer, bitte bewerben Sie sich!) Das wird Sie doch nicht stören?! Sie haben mehr Möglichkeiten, mehr Auswahl. Freuen Sie sich darüber, denn auch Sie haben ein Recht auf Unabhängigkeit, und ich glaube, der ORF hat die Pflicht, diese zu üben.

Nun zum ASVG und zum Hauptverband. Es ist dies eine vorgezogene Debatte. Ich weiß nicht, ob Herr Präsident Sallmutter das wirklich will oder ob Sie wirklich Sallmutter wollen. Das weiß ich nicht, das ist Ihr Thema. Faktum ist, dass in der Sozialpolitik Österreichs bis heute nicht nur schlecht gearbeitet wurde, nein! Ich bin einer, der zu dieser Entwicklung steht. Aber eines ist klar: Es sind dort Beiträge von allen Bürgern zu verwalten, daher haben auch alle Bürgergruppen das Recht, dort vertreten zu sein. Das können auch Sie niemandem absprechen, das wäre undemokratisch! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eines ist klar: Es sind Antworten gefragt. Vielleicht hat die Sozialpolitik, die Sozialverwaltung die Fragen bis heute nicht deutlich genug beantwortet oder zum Teil verdrängt. Ich persönlich glaube, dass man einiges klarstellen soll.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Der Hauptverband ist nicht Ihre Welt alleine, sondern der Hauptverband ist eine Sache von uns allen. Das ist der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Und im Hauptverband ist nicht alles schlecht, aber vieles könnte besser sein. Persönlich glaube ich, dass wir hier nicht über die Selbstverwaltung leiern sollen, sondern die Selbstverwaltung besteht für mich dann, wenn der Präsident und der Vizepräsident gewählt und nicht bestellt werden. (Abg. Gaál: Sie haben kein Recht, das so zu verändern!) Und eine Selbstverwaltung besteht für mich dann, wenn die Geschäftsführung und der Generaldirektor gewählt und nicht bestellt werden.

Sie müssen doch zugeben: Als Sie Minister Geppert von der Regierungsbank fortgeholt und in den Hauptverband geschickt haben, war es Minister Hums, der ihn dort zum Generaldirektor ernannt hat. Meine Damen und Herren, das sind doch Schwachstellen! Gestehen Sie es doch ein! Das kann doch so nicht weitergehen! (Abg. Silhavy: Kollege Donabauer, Sie haben es nicht gelesen!) Das muss nun besser werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Wissen Sie nicht, was Sie beschließen in der ASVG-Novelle?)  – Frau Silhavy, es wird nicht gescheiter, wenn Sie Ihre Meinung hier sagen. Sie müssen es anders machen.

Sie wissen genau, dass wir im EDV-Bereich in einer wirklichen Notsituation sind. Wir haben dort akuten Handlungsbedarf. (Abg. Kiss: Ein echter Skandal!) Das sagen doch alle, auch Ihre Leute! Dann machen wir es doch endlich besser!

Wir müssen die Leistungsrechte harmonisieren. Dort gibt es sehr viel zu tun, aber leider wurde bisher wenig erledigt. Warum hat man die Chipkarte so lange ritualisiert oder zeremonisiert? (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Das hätte doch schon besser und schneller umgesetzt werden können!


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Oder: Als das Parlament die Anhebung der Rezeptgebühren beschlossen hat, und zwar aus gutem Grund, nämlich damit das System finanzierungsfähig bleibt, hat der Hauptverband – und das muss ich hier und heute ankreiden – angeordnet, dass in allen Apotheken eine Tafel aufgestellt wird, aber nicht mit "Die Rezeptgebühr wurde angehoben", wie in alten Zeiten, sondern "Die Regierung hat das gemacht"!

Meine Damen und Herren! Solche Schuldzuweisungen muss man sich nicht bieten lassen, das muss einmal sehr deutlich gesagt werden! Und ich meine, über diese Situation ist zu reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie heute das Aufsichtsrecht beweinen und bejammern, dann tun Sie es! Der Herr Bundeskanzler hat Ihnen die Paragraphen 448 und 449 des ASVG vorgelesen. Wir haben vor einigen Tagen von 10 Uhr vormittags bis 1 Uhr nachts von den Grünen eine ASVG-Lesung hören können. Herr Öllinger, die Stimme ist Ihnen verloren gegangen, weil Sie ohnehin nichts anderes rübergebracht haben als nur, das herunterzulesen. Darin steht es: Das ist bis heute geltendes Recht, und das soll in Zukunft im Interesse der Sache weiterhin geltendes Recht bleiben. (Abg. Öllinger: Nein! Das nächste Mal besser aufpassen!) Das sind die Botschaften, die wir Ihnen auf diese Dringliche Anfrage geben.

Auf diese Dringliche Anfrage bekommen Sie von uns eine ganz klare Antwort (Abg. Öllinger: Setzen! Nicht genügend!): Wer Gutes bewahren will, muss vieles verändern. – Wir machen es, im Interesse dieses Landes und seiner Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist eine gefährliche Drohung!)

17.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.43

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz mit den Ausführungen von Frau Kollegin Bures beschäftigen. Frau Kollegin Bures, Sie haben die Stirn, herzugehen und von einem Selbstbedienungsladen, dessen sich die Regierung bedient, zu sprechen? (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift: "Buenos Dias – SPÖ, Viktor Klima, 27 Millionen öS" vor sich auf das Rednerpult.)

Gerade Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Sie mit Ihrem Minister, Ihrem Herrn Bundeskanzler Klima abgezockt haben? Sie sind an der Kassa des Selbstbedienungsladens gesessen und haben die Losung nicht abgeliefert, sondern haben sie in die eigene Tasche gesteckt, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll. )

Und wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten (Abg. Gradwohl: Unerhört!), in den letzten Tagen und Stunden den Rechnungshofbericht ... – Ja, das ist unerhört, Herr Kollege! Wenn Sie sich den Rechnungshofbericht über "Euroteam" und die Machinationen rund um "Euroteam" angeschaut hätten, dann hätten Sie heute (Abg. Öllinger: Sie kommen aber spät drauf! Das hätten Sie vorher schon wissen können!) bezüglich Inkasso und Selbstbedienung geschwiegen.

Meine Damen und Herren! Einen Halbsatz zu Ihrer Anschuldigung, bei Herrn Plech handle es sich um einen "Immobilienhai". Ich stelle nur die Frage in den Raum: Was würden Sie sagen, wenn man Herrn Muzicant als "Immobilienhai" bezeichnen würde? (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das ist nur eine Fragestellung, den Kommentar überlasse ich jemand anderem. (Zwischenruf der Abg. Bures. )

Meine Damen und Herren! Die tatsächliche Berichtigung des Herrn Kollegen Einem hat auch über sein Wirtschaftsverständnis etwas ausgesagt und darüber, welche Feindbilder er hat. Er sieht in der Wirtschaft nur Feinde! Ein Spediteur hat in einem Aufsichtsrat der ÖBB nichts verloren (Abg. Dr. Lichtenberger: Weil er die ÖBB konkurriert!), denn er ist der Konkurrent. (Abg. Mag. Mühlbachler: Umgekehrt war es!)


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Würden Sie wissen – aber das wissen Sie ohnehin, Herr Einem –, dass die ÖBB der größte Spediteur des Landes sind (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja, eben!), nämlich der subventionierte, dann würde ich mich gerne einmal darüber unterhalten, wie es zu diesem Ungleichgewicht auf der Konkurrenzebene gekommen ist, Herr Kollege Einem! Ihr alt-stalinistisches Wirtschaftsverständnis hat sich einmal mehr entlarvt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Von Mehrheitsverhältnissen und Demokratie wurde gesprochen. Herr Vizepräsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich! Ich bekenne mich dazu, dass zum Beispiel der Freie Wirtschaftsverband in Hinkunft mit einem Mandat im Hauptverband vertreten sein wird, wiewohl es ihm das Wahlergebnis nicht zugestehen würde. Das heißt also, es kommen mehr Minderheitenrechte dazu, als es bis dato der Fall war. (Abg. Edler: Geh hör auf, Haigermoser!)  – So viel zur Wahrheit und bezüglich "SOS Demokratie"!

Nun zu Herrn Kollegen Van der Bellen. Da würde einem fast das Sprichwort einfallen: Wie der Schelm denkt, so ist er! – Die sprachlichen Ausrutscher der Van der Bellen’schen Anfrage waren heute, in Stichworten: "Säuberungen", "Kopfjagd", "Widerstandsnester", "Umfärbung", "Interventionen", "Drohung" und zuletzt (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Ausräuchern!)  – damit hat er dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen aufgesetzt – "Ausräuchern".

Meine Damen und Herren! Diese Gewalt der Sprache lehnen wir ab! (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Es ist Ihnen, Herr Biedermann Van der Bellen, damit einmal mehr die Maske vom Gesicht gefallen. (Abg. Mag. Kogler: Hör doch auf mit dem Holler!) Sie spielen vorne den feinen Maxi, und hinter Ihnen warten die Alt-Stalinisten vom Schlag eines Herrn Öllinger und eines Herrn Peter Pilz. Aber die österreichischen Wähler kommen schön langsam drauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jawohl, wir verteidigen ein System nicht, meine Damen und Herren ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihre Redezeit ist beendet, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Petrovic: Ja!) Den Schlusssatz, bitte! (Abg. Dr. Petrovic: Nein! – Abg. Mag. Kogler: Abgang!)

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident: Wir verteidigen kein System, das bis dato auf Kosten der Versicherten gelebt hat, sondern wir sind drauf und dran, dieses System zu reformieren, damit die Gesundheitspolitik eine bessere wird, als sie es bis dato war. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Haigermoser! Für den Ausdruck "Alt-Stalinisten" erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Darüber hinaus werde ich mir das Protokoll Ihrer Rede bringen lassen, da Sie in einer Passage jemanden beschuldigt haben, in die eigene Tasche gearbeitet zu haben, und dafür könnten Sie möglicherweise noch einen zweiten Ordnungsruf bekommen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: ...! Kein alter Stalinist! Ein Jung-Stalinist! Ein Neo-Stalinist!)

17.48

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt fast drei Stunden lang politisch sehr sensible Themen diskutiert. Ich glaube, es zeugt von Anstand, von politischer Kultur, zu sagen, dass es eigentlich gut war, dass die grüne Fraktion diese Dringliche Anfrage eingebracht hat. Diese hat dem Bundeskanzler und den Regierungsfraktionen die Möglichkeit geboten, viele Argumente, die darin vorgebracht wurden, zu entkräften. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Viele rot-grüne Luftballons, Herr Präsident Fischer, sind zerplatzt wie eine Seifenblase! (Abg. Schieder: ... reden Sie dasselbe! Platzt wie ein Luftballon, nicht wie eine Seifenblase!)


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Ich darf das ganz kurz zusammenfassen: Betreffend den ersten Vorwurf, Parteibuchwirtschaft, habe ich vor zwei Stunden von diesem Rednerpult aus eindringlich an Herrn Kollegen Van der Bellen appelliert, herauszukommen und konkrete Fälle von Parteibuchwirtschaft zu nennen. – Kein einziger Fall konnte genannt werden, meine Damen und Herren! Dieser Vorwurf ist hiemit widerlegt worden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Van der Bellen hat zweitens behauptet, die Regierung würde hier ein Köpferollen veranstalten, statt Headhunters und Personalberatungsunternehmen einzusetzen, die die besten Leute suchen. – Der Herr Bundeskanzler hat sehr detailliert nachgewiesen, wie viele Personalberatungsunternehmen wie viele Kandidaten durchleuchtet haben. (Abg. Bures: Das sind die Freunde von Herrn Prinzhorn!)  – Auch dieser Vorwurf ist entkräftet, Herr Kollege Van der Bellen! Danke vielmals für die Dringliche Anfrage! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Bures: Wer ist denn die Personalberatungsfirma, Herr Stummvoll?)

Der dritte Vorwurf, der auch in den teuren Zeitungsinseraten steht, in denen zur morgigen Demonstration aufgerufen wird, lautet: Massive Gefährdung der Demokratie. – Sowohl der Herr Bundeskanzler als auch Kollege Walter Tancsits haben mit konkreten Zahlen sehr genau nachgewiesen (Abg. Öllinger: Das ist der "richtige" Kronzeuge!), dass nicht nur keine massive Gefährdung der Demokratie vorliegt, sondern dass hier demokratische Wahlergebnisse berücksichtigt werden (Abg. Öllinger: Ja! Wie in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst!)  – mit zwei Ergänzungen: dass einmal ein aus der sozialdemokratischen Fraktion stammender Arbeitgebervertreter die Chance hat, zu Lasten jener Arbeitgebervertreter, die der Wirtschaftsbund entsendet, im Verwaltungsrat zu sein, und dass umgekehrt ein freiheitlicher Arbeitnehmervertreter die Chance hat, ebenfalls im Verwaltungsrat teilzunehmen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Das sind die einzigen zwei Ergänzungen im Sinne des Minderheitenschutzes im Vergleich zum rein d’hondtschen System.

Der Vorwurf der massiven Demokratiegefährdung ist gerade von jener Seite absurd, die ganz offensichtlich demokratische Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus nicht anerkennen will. Was bedeutet denn die morgige Demonstration, über die es in den Inseraten schon heißt, dass die Menschen mit Autobussen und Zügen herbeigekarrt werden? (Unruhe bei der SPÖ.) Das ist eine politische Demonstration gegen das Parlament und gegen demokratische Mehrheiten in diesem Haus, meine Damen und Herren! Und das ist nicht gut für die politische Kultur in diesem Land! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Der vierte Vorwurf, im Inserat an erster Stelle: Zerschlagung des Sozialversicherungssystems. – Kein Oppositionsredner konnte nachweisen, welche Leistung durch diesen Reformentwurf abgebaut werden soll, was hier zerschlagen werden soll. (Abg. Dr. Mertel: Diesen Blödsinn ...!) Der Vorwurf hat sich in Luft aufgelöst, meine Damen und Herren. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Agieren Sie doch anhand konkreter Fakten wie der Bundeskanzler und nicht auf Grund billiger Pauschalvorwürfe! Das ist aber Ihre Fundamentalopposition, und das lehnen wir ab. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es konnte auch kein Oppositionsredner die Vorzüge dieser Reform widerlegen (Abg. Sophie Bauer: Es gibt auch keine!), etwa den Vorzug, dass Doppelgleisigkeiten beseitigt werden, dass die Geschäftsführung nun öffentlich ausgeschrieben wird, dass professionelle Manager bestellt werden sollen, dass Motivation und Leistungsgesinnung gegeben sein sollen, sodass ein Fall nicht mehr vorkommen kann, wie er genannt wurde, dass nämlich auf Grund einer Entscheidung im SPÖ- oder ÖGB-Präsidium gesagt wird: Derjenige soll nicht mehr Sozialminister sein! Wie versorgen wir ihn? Machen wir ihn zum pragmatisierten Direktor im Hauptverband!

Auch das wird es in Zukunft nicht mehr geben! Das ist ein ganz wichtiger Beitrag zur politischen Hygiene in diesem Land, meine Damen und Herren!

Niemand von den Oppositionsrednern konnte auch die Erfolge der ÖIAG-Führung widerlegen. Ein Schuldenabbau von 60 Milliarden Schilling innerhalb von eineinhalb Jahren als Schutz für


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den Steuerzahler (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), der das sonst hätte zahlen müssen, ist eine unglaublich starke Erfolgsbilanz der neuen ÖIAG-Führung.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich namens der beiden Regierungsfraktionen für diese Dringliche Anfrage. Sie war ein 3 : 0-Sieg für die Regierungsparteien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das sagt er bei jeder Anfrage! – Abg. Ing. Westenthaler: Stimmt auch bei jeder!)

17.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

17.53

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Der Vorredner zwingt mich zu einer Replik. Kollege Stummvoll, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich sehe – bei aller Wertschätzung! – nicht ein (Abg. Dr. Mertel: Was? "Wertschätzung"?), wieso Sie mit der Begrifflichkeit "in Bussen und Zügen herbeikarren" das Demonstrationsrecht schlecht machen wollen. Wie sollen die Menschen denn sonst kommen als mit Bussen oder in Zügen? (Abg. Dr. Stummvoll: Sie sollen freiwillig kommen!) Hören Sie doch auf mit dem Holler! Wir weisen das zurück! Das ist eine erniedrigende Polemik. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Petrovic: Sie haben ja keine Traktoren!) Aber das passt ja ins Bild!

Jetzt kommen wir zum tatsächlichen Resümee. Der Herr Bundeskanzler hat in Wahrheit auf wenig bis gar nichts geantwortet, obwohl er viel Redezeit verbraucht hat. Er hat kaum eine Frage beantwortet.

Kommen wir zur Sozialpartnerschaft! Das Ende der Konkordanzdemokratie, das ja mit dieser Regierung eingeleitet wurde, ist die eine Sache. Dazu mag man stehen, wie man will. Aber wenn man, was die Sozialpartnerschaft betrifft, bloß eine Seite schwächt, dann ist das eine reaktionäre Vorgangsweise. Das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Betreffend Journalisteneinschüchterung war ein wenig glaubwürdiges Dementi vernehmbar, zumindest, was weite Teile der Versuche betrifft. Dazu passt auch der Versuch dieser Regierung, was den leidigen Einsperrparagraphen anlangt. Also spätestens an dieser Stelle: 2 : 2, Kollege Stummvoll! (Abg. Kiss: In der Steiermark wird anders gezählt!)

Was die ÖIAG betrifft: Von der Nabelschnur muss man hier niemanden trennen. Das glaube ich auch. Es geht überhaupt nicht mehr um Parteibuchwirtschaft. Noch nie zuvor hat in dieser Republik der Begriff "Freunderlwirtschaft" eine derart greifbare Aufladung erfahren wie jetzt in der ÖIAG. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann lassen wir doch Ditz selbst zu Wort kommen.

Am 2. Juli sagte Ditz in einem Interview: Die ÖIAG muss endlich aus der Geiselhaft der Politik freigelassen werden. – Und weiters sagte er: Seit dem Regierungswechsel hat sich das Verhalten der Politik gegenüber der ÖIAG total verändert. (Rufe bei den Freiheitlichen: Redezeit!) Und jetzt kommt es: Obwohl er selbst in der Politik war, war er erschüttert. Früher ist man wenigstens nicht ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend):  ... eines Unternehmens aufs Spiel zu setzen. – Ditz muss als Kronzeuge ja wohl noch zugelassen werden.

17.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme an, das war der Schlusssatz. (Abg. Mag. Kogler: Sie nehmen falsch an! – Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Kogler. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war ein schlechtes Ende! Das war ein ziemlicher Absturz!)


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Zu einer zweiten Wortmeldung gelangt Frau Abgeordnete Bures zu Wort. Verbleibende Redezeit: 1 Minute. – Bitte.

17.56

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Ich möchte festhalten, dass im Zusammenhang mit der professionellen Besetzung der ÖIAG-Posten offensichtlich einiges schief läuft – abgesehen davon, dass professionelle Manager wie Herr Draxler, der eine der besten ÖBB-Bilanzen gelegt hat, offenbar nur aus Lust und Laune von Ihnen beseitigt werden.

Um es noch einmal zu sagen: Diese Headhunter-Firma ist eine FPÖ-nahe Firma. Ihr Geschäftsführer ist der Freund von Herrn Prinzhorn. (Abg. Neudeck: Das haben wir heute schon gehört!) Herr Prinzhorn ist sein Trauzeuge, und seine Frau war die Kurzzeitsprecherin von Bundesminister Grasser. Reden Sie also nicht von Unabhängigkeit! Es ist der Verein "Friends of Prinzhorn", der sich an der ÖIAG bedient. Das ist das eine. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite – auch wegen der Initiative "SOS Demokratie" – scheint mir auch sehr wichtig zu sein. Ich finde, es ist schlimm genug, dass Sie seit Tagen versuchen, eine Wahl, nämlich die Arbeiterkammerwahl ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte den Schlusssatz, Frau Abgeordnete! (Abg. Ing. Westenthaler: Wieder ein Absturz!)

Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend):  ... das Arbeiterkammerwahlergebnis umzukehren.

Aber ich sage Ihnen Folgendes: Die Demonstrationsfreiheit in diesem Land werden sich die Österreicherinnen und Österreicher von Ihnen nicht nehmen lassen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Streichung des Vetorechts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend demokratische Wahlen für die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Oje!)

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren neue EU-Abstimmung (445/683 und Zu 683 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. Die Uhr ist wunschgemäß auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.58

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten bekennen uns zur Europäischen


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Union. Wir bekennen uns zu ihrer Erweiterung. Wir bekennen uns zu ihrer Weiterentwicklung. Wir sehen in ihr nicht bloß ein Wirtschafts-, sondern auch ein Friedensprojekt. Wir glauben, dass es für unser Land gut und richtig war, der EU beizutreten und auch in der Europäischen Union zu verbleiben.

Meine Damen und Herren! Dennoch haben wir im Ausschuss dieses Volksbegehren und seine Vertreter sehr ernst genommen, denn es ist – auch wenn man mit einem solchen Begehren im Ergebnis nicht übereinstimmt – hoch zu schätzen, dass Menschen in diesem Land ein Instrument unserer Demokratie auf ihre Kosten, mit ihren Mühen nutzen, um das, was sie subjektiv für den Staat für richtig halten, an die Gesetzgebung heranzubringen.

Ich war beeindruckt vom Engagement dieser Personen. Ich war auch davon beeindruckt, dass sie sich in vielen verwandten Fragen sehr eingesetzt haben, wie zum Beispiel für die Erhaltung unserer Neutralität, für den Tierschutz und auch für andere Bereiche.

Ihr Bemühen war von dem Wunsch getragen, erneut über den EU-Beitritt abzustimmen. Sie sind dabei von zwei Richtungen ausgegangen: erstens von der Richtung, dass der EU-Beitritt außer Kraft gesetzt werden soll, weil ihrer Meinung nach nicht alles so dargestellt worden ist, wie es hätte werden sollen. Zweitens haben sie gemeint, es solle die Erfahrung seit unserem EU-Beitritt dazu genutzt werden, um noch einmal darüber zu urteilen, ob dieser Schritt richtig gewesen sei oder nicht.

Wir kommen in beiden Fragen zu der Ansicht, dass es richtig war, der EU beizutreten, und dass es richtig ist, in der EU zu verbleiben. Das ist eine Chance für unser Land, das ist eine Chance für Europa, das dient diesem Kontinent und seinen Menschen, und wir sollen aktiv mitarbeiten. Natürlich gibt es Dinge – heute sind schon welche angesprochen worden –, bei denen wir Schwächen und Fehler in diesem Projekt sehen, aber diese gilt es zu ändern, um das Projekt Europa zu stärken. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Vertreter des Volksbegehrens haben natürlich auch gewollt oder die Ansicht vertreten, dass jedes Begehren dieser Art dazu führt, dass eine Abstimmung über diese Frage abgehalten wird. Das ist ja der Sinn ihres Begehrens. Diesbezüglich ist die Frage zu beurteilen, wie ein Parlament tatsächlich vorzugehen hat. Wie oft hat es so etwas als Möglichkeit zu sehen, eine Abstimmung durchzuführen? Kann eine solche Abstimmung durchgeführt werden? Und: Ist ein Austritt theoretisch möglich oder nicht?

Diesbezüglich wurden unterschiedliche Meinungen geäußert. Ich habe mich eher jener Ansicht angeschlossen, dass es natürlich – zwar nicht mir nichts, dir nichts, aber dennoch – auch möglich sein muss, aus der EU auszutreten, nicht sofort und nicht ohne Übergangsbestimmung, aber es muss möglich sein, obwohl wir es natürlich nicht empfehlen würden.

Wir glauben auch nicht, dass jedes Volksbegehren zu einer Volksabstimmung führen soll. Aber jedes Volksbegehren sollte für ein Parlament immer ein Anlass sein, zu prüfen, ob nicht eine Entscheidung, die man dem Volk einmal vorgelegt hat, unter bestimmten Bedingungen wieder dem Volk vorgelegt werden muss.

Ich glaube, diese Prüfung hat sehr ernsthaft stattgefunden. Wir kommen zu dem Ergebnis: Diesem Volksbegehren ist nicht zu folgen. Es ist gut, in der EU zu sein. Es ist nicht der Zeitpunkt, den Beitritt in Frage zu stellen, aber es ist dennoch als positiv zu werten, dass sich Menschen engagiert für etwas eingesetzt haben, von dem sie glaubten, dass es für unsere Republik notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.03

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Volksbegehren sollte auch Anlass für uns sein,


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darüber nachzudenken, wie stark die Zeit vor dem 12. Juni 1994, dem Tag der Volksabstimmung, durch eine "Ohne Wenn und Aber"-Beitrittspropaganda geprägt war.

Wenn wir heute in die Archive schauen und uns noch einmal vergegenwärtigen, wie damals über alle Medien, von vielen Parteien, von vielen öffentlichen Stellen, alles, was es durch den Beitritt an Vorteilen geben wird, in den Vordergrund gestellt wurde und nur sehr wenig, Herr Kollege Schieder, wenn wir das jetzt sieben Jahre später betrachten, über die Probleme, die auch auf uns zukommen könnten, informiert wurde, dann muss man, im Nachhinein betrachtet, sagen, dass dieses hervorragende Ergebnis für die Befürworter eines Beitritts – es waren ja an die zwei Drittel, die dafür gestimmt haben, und das ist auch zu respektieren – auch deshalb erzielt werden konnte, weil die Information nicht umfassend war.

Es hat eine "Ohne Wenn und Aber"-Beitrittskampagne gegeben, bei der sehr viele Mittel, auch öffentliche Mittel, aufgewendet wurden, um eben diese Kampagne zu unterstützen. Es hat aber wenig öffentliche Mittel gegeben, um auch über die Probleme, die es geben wird, informieren zu können.

Ich bin überzeugt davon – und nenne nur ein Beispiel –, dass kaum ein Österreicher, der damals für den Beitritt gestimmt hat, gewusst hat, dass er mit dieser Zustimmung auch schon seine Zustimmung zur Teilnahme Österreichs an der europäischen Gemeinschaftswährung gegeben hat. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Ich nenne dieses Beispiel deshalb, weil die Entwicklung des Euro heute zeigt, dass vieles von dem, was später auch von der Freiheitlichen Partei im Rahmen eines eigenen Volksbegehrens angeführt wurde, tatsächlich so eingetreten ist. Aber auch damals wurden wir, die immer versucht haben, den Beitritt kritisch zu hinterfragen ... (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Niemand, keine andere Partei hat sich so intensiv mit der Entscheidungsfindung befasst, wie es die Freiheitliche Partei getan hat, lieber Kollege! Wir haben drei Parteitage öffentlich abgehalten, zu denen wir Befürworter, Gegner und Experten eingeladen haben, gemeinsam mit uns zu diskutieren. Und am dritten Parteitag in Villach wurde in einer geheimen Abstimmung der Kurs der Freiheitlichen festgelegt, Herr Kollege. Das hat keine andere in diesem Haus vertretene Partei so gemacht!

Wir stehen heute vor der Situation, dass immerhin 200 000 Österreicher schriftlich kundgetan haben, dass sie für einen Austritt aus der Europäischen Union sind. Und das ist ernst zu nehmen, denn ich bin davon überzeugt, dass es viele weitere Österreicher und Österreicherinnen gibt, die zwar genauso denken, aber dieses Volksbegehren nicht unterschrieben haben. (Abg. Mag. Lunacek: Was wollen Sie?)

Wir sind für eine Europäische Union, für Politiker in der Europäischen Union, die es endlich schaffen, diese Europäische Union bürgernäher und transparenter zu gestalten, damit die Leute das Gefühl los werden, dass über sie drübergefahren wird. Mit dem Post-Nizza-Prozess haben wir eine Chance, weil es darum geht, einen Kompetenzkatalog zu erarbeiten, der einmal klar und deutlich festhalten soll, was Sache der Europäischen Union und was Sache der Nationalstaaten ist. Wir werden uns massiv dafür einsetzen, dass nur das Sache der Europäischen Union ist, was dort wirklich am besten aufgehoben ist.

Es wird darüber diskutiert werden müssen, ob es nicht bestimmte Politikbereiche gibt, die man wieder auf die nationale Ebene zurückverlagern sollte, weil sie dort weitaus besser aufgehoben sind. Wir werden auch über die Einbindung der nationalen Parlamente in den Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene diskutieren müssen. Und wir werden uns sehr dafür einsetzen, dass die Einbindung der nationalen Parlamente eine gute ist und dass der Wille der nationalen Parlamente dort auch zum Tragen kommt. Das ist das, was wir in Zukunft tun werden.

Wir werden uns intensiv mit den Proponenten des Volksbegehrens auseinander setzen, ihre Vorschläge anhören und so weit wie möglich auch in unsere Überlegungen einbeziehen. Das kann ich den Proponenten des Volksbegehrens von dieser Stelle aus versprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.09


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.09

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! 194 000 Unterschriften, das ist eine Zahl, die es notwendig macht, sich ernsthaft mit einem Volksbegehren auseinander zu setzen. Ich halte es ganz mit dem Kollegen Schieder, dass es richtig war, dass sich der Verfassungsausschuss in drei Sitzungen so ausführlich mit diesem Volksbegehren auseinander gesetzt hat, wie kaum noch ein Volksbegehren in diesem Hause Behandlung gefunden hat. Wir haben ja bei der letzten Sitzung in einem Hearing auch im Detail Argumente von Experten gehört, die die Betreiber dieses Volksbegehrens namhaft gemacht haben, aber auch von Experten, die die Fraktionen namhaft gemacht haben.

Die inhaltliche Auseinandersetzung war damit gegeben. Was ich zu den vorgebrachten Argumenten im Namen meiner Fraktion sagen möchte, ist, dass in der Begründung für das Volksbegehren Argumente angeführt werden, die man nicht ganz so stehen lassen kann. Da wird zum Ersten behauptet, dass damals, vor der Volksabstimmung, in Österreich Aussagen und Versprechungen von Seiten der meisten offiziellen Organe gemacht wurden, die sich später als unzutreffend herausgestellt haben. Insbesondere wird darauf verwiesen, dass man versprochen hätte, der Schilling werde beibehalten.

Nach meiner Erinnerung – ich war damals selbst als Experte bei vielen Veranstaltungen unterwegs – habe ich das Versprechen, dass der Schilling beibehalten wird, nie gehört, weder von einem offiziellen Organ noch von irgendeinem so genannten Experten. Natürlich wurde immer wieder überzeichnet, in der einen und anderen Richtung, wie das bei Diskussionen durchaus üblich ist, aber Versprechungen dieser Art gab es nicht. Da möchte ich wirklich alle Experten, die damals aufgetreten sind, in Schutz nehmen. Das kann man nicht so stehen lassen, dass damals Unzutreffendes versprochen wurde.

Zum Zweiten wird von den Betreibern des Volksbegehrens auch als Argument angeführt, dass der Souveränitätsverlust Österreichs der Bevölkerung damals nicht klar vor Augen geführt wurde. – Auch das ist nicht richtig. Wir haben ja gerade deshalb eine Volksabstimmung in Österreich durchgeführt, weil es ein Souveränitätsverlust Österreichs war und eine Gesamtänderung der Bundesverfassung damit einhergegangen ist. Ich halte es daher für nicht stichhaltig, dass man dieses Argument hier anführt.

Zum Dritten wird auch gesagt, dass die geplante Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in der Europäischen Union den Bürgern nicht mitgeteilt wurde. – Auch das ist nicht zutreffend. Schon im Vertrag von Maastricht und davor in der Einheitlichen Europäischen Akte ist das Mehrheitsprinzip verankert. Es ist daher auch fachlich nicht richtig, was hier gesagt wird.

Ich möchte daher aus unserer Sicht resümieren: Die Argumente, die hier angeführt wurden, waren Bestandteil der Diskussion vor der Abstimmung im Jahre 1994. Da ist nichts Neues dabei, daher gibt es auch keinen Anlass, jetzt neuerlich darüber abzustimmen. Wir haben uns, wie ich meine, im Ausschuss sehr ordentlich damit auseinander gesetzt, zum Teil auch außerhalb des Ausschusses, in den Fraktionen.

Wir können daher durchaus den Schluss ziehen, dass man die Skepsis der 194 000 Österreicher zur Kenntnis nehmen muss, die betreffend die Europäische Union da und dort besteht. Ich halte unseren Weg, den wir jetzt zu gehen versuchen, nämlich bei allen Fortentwicklungen der Europäischen Union, in einer sehr engen Verknüpfung mit der Aufklärung der Bevölkerung, die Bevölkerung in diesen Prozess miteinzubeziehen, für den richtigen Weg – auch als Antwort auf die Skepsis, die die 194 000 Unterzeichnenden durch ihre Unterschrift zum Ausdruck gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.13


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 156

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.13

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zweifellos drücken diese knapp 194 000 Unterschriften unter dieses Volksbegehren aus, dass es Unbehagen darüber gibt, wie die Entscheidungen in dieser Union gefällt werden, dass sie nicht transparent sind, dass es zum Teil absurde Vorschriften gibt. Beispiele: Gurkenlänge, Traktorsitzgrößen und Ähnliches. (Abg. Dr. Krüger: Gurkenkrümmung!)  – Gurkenkrümmung, wie auch immer.

Es gibt Unbehagen darüber, dass viele Dinge in der Bevölkerung zu wenig bekannt gemacht werden und dass es zu wenig Tendenzen gibt, ein Mehr an Nähe, Erklärung und Transparenz zu zeigen und auch ein Mehr an Demokratie in dieser EU zu schaffen. Das geht zu langsam, und deswegen gibt es dieses Unbehagen. Das ist auch einer jener Gründe dafür, dass die Abstimmung in Irland so ausgegangen ist, wie sie eben ausgegangen ist.

Es sind Ängste da, die zum Teil durchaus auch von den Grünen mitgetragen werden. Auch die Tatsache, dass die österreichische Neutralität – auch von diesem Hause; von den Bundesregierungen, die wir hatten – ausgehöhlt wurde, ist etwas, was einfach Ängste erzeugt, weshalb die Leute sagen: So wollen wir das nicht haben! – Auch im Bereich des Umweltschutzes, des Tierschutzes gibt es sehr wohl Dinge, die nicht so sind, wie auch wir von den Grünen sie haben wollten. (Beifall bei den Grünen.)

Von den Inhalten her gibt es viele Punkte, die wir als Kritik an der zu geringen Verfasstheit der Europäischen Union mit den Initiatoren und Initiatorinnen dieses Volksbegehrens teilen. Ein Punkt, in dem wir dem Begehren nicht nachgeben möchten – und ich werde jetzt begründen, warum –, ist die Frage einer neuerlichen Volksabstimmung.

Die Frage ist sehr wohl: Was ist die Konsequenz aus dieser Kritik? – Das kann aus unserer Sicht nicht sein, eine neuerliche Volksabstimmung zum jetzigen Zeitpunkt durchzuführen, denn es hat sich seit dem Jahre 1994 nicht Grundlegendes geändert, was eine neue Volksabstimmung legitimieren würde. Was schon Sinn macht, ist, dass es dann, wenn es tatsächlich einmal – und in diese Richtung soll es ja gehen – eine grundlegend neue Verfassung dieser Europäischen Union gibt, eine Volksabstimmung darüber gibt. Aber derartiges ist ja leider noch nicht in Sicht.

Alle paar Jahre, weil es Kritik, und zwar berechtigte Kritik in einzelnen Punkten gibt, eine Volksabstimmung durchzuführen – ich muss sagen, ich war erstaunt darüber, dass vom freiheitlichen Abgeordneten Schweitzer beziehungsweise seiner Fraktion nicht auch die Befürwortung einer Volksabstimmung zur Erweiterung und ähnliche Dinge ins Spiel gebracht wurden – und Volksabstimmungen aus populistischen und zum Teil nationalistischen Interessen zu missbrauchen, dagegen sprechen wir Grüne uns dezidiert aus.

Es gibt noch einen anderen Grund für unsere Haltung, und ich möchte das an einem Beispiel klarmachen. Stellen Sie sich vor, was die österreichische Bevölkerung, was gerade jene, die für mehr Demokratie eintreten, davon halten würden, wenn wir jetzt sagen würden – bekanntlich wittert ja die Atomlobby wieder Morgenluft, denn die USA wollen das Kyoto-Ziel nicht beschließen –: Nehmen wir doch die angeblich saubere Atomenergie! Und stellen wir uns vor, jemand fordert: Machen wir eine neue Volksabstimmung zu Zwentendorf, das steht ja noch, das könnten wir vielleicht wieder in Betrieb nehmen!

Würden Sie das befürworten? Wir würden das auf keinen Fall befürworten. Ich denke, Volksabstimmungen sind dann sinnvoll und notwendig, wenn man Dinge grundlegend verändern will, aber nicht, wenn jemand zum Beispiel auf die Idee kommt, die Abstimmung zu Zwentendorf zu wiederholen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 157

Klarstellen möchte ich eines: Wir Grünen sind nicht deshalb gegen eine neuerliche Volksabstimmung, gegen eine Volksabstimmung über die Frage Austritt aus der EU, weil wir uns davor fürchten würden oder meinen, Volksabstimmungen seien nicht legitim, sondern wir bezweifeln die Sinnhaftigkeit eines derartigen Vorgehens zum jetzigen Zeitpunkt. Wir waren schließlich auch jene, die vor der österreichischen Volksabstimmung gesagt haben: Für uns ist Europa größer als die EU! – Und das ist genau der Grund dafür, dass wir jetzt auch eine rasche Erweiterung fordern. Dieses Europa muss rasch zusammenwachsen, und dazu bedarf es der Geldmittel, dazu bedarf es der politischen Entscheidungen, dazu bedarf es der entsprechenden Weichenstellungen in allen Bereichen. (Beifall bei den Grünen.)

Eine rasche Erweiterung ist notwendig, aber nicht eine Kampagne, die fordert, Österreich solle aus dieser zweifellos verbesserungswürdigen EU austreten und wieder das werden, was es einmal war – manche stellen sich das vor, leben in der Illusion der Vergangenheit und meinen, Österreich sei einmal eine Insel der Seligen gewesen –, weil es in einer global vernetzten Welt keine Möglichkeit gibt, sich wirklich abzukoppeln. Gegen solch eine Abkoppelungsstrategie sprechen wir uns aus.

Die Frage ist: Wie sind die Defizite zu lösen? – Das geht nur, wenn es eine Demokratisierung dieser Europäischen Union gibt, das geht nur, wenn endlich dieser Wirtschafts- und Währungsunion, die es schon gibt, eine politische Union und eine soziale Union gleichwertig an die Seite gestellt werden, beziehungsweise eine politische, die die Wirtschafts- und Währungsunion lenkt. Die Union muss sich in diese Richtung entwickeln, und das geht nur, wenn es tatsächlich zu einer Gewaltentrennung kommt, damit nicht die Regierungen gleichzeitig die Gesetzgeber sind, wie das derzeit bei den Europäischen Räten der Fall ist.

Eine Gewaltentrennung, die dem Europaparlament mehr Rechte gibt, nämlich jene Rechte, die einem Parlament tatsächlich zustehen, bedingt die Erarbeitung einer Verfassung für diese Europäische Union. Das ist möglich, denn es geht uns Grünen und sehr vielen der knapp 194 000, die das Volksbegehren unterzeichnet haben, darum, ökologische und soziale Mindeststandards einzuführen und danach zu trachten, dass Ökologie und Soziales in dieser Europäischen Union gewährleistet sind, dass die Existenzen gesichert sind und dass Umweltfragen grundsätzlich verankert sind.

Um die Grundrechte verwirklichen zu können, müssen die Mehrheiten sowohl in den einzelnen EU-Ländern als auch innerhalb der EU über das Europaparlament gesichert werden, damit Europa sich in diese Richtung verändert und tatsächlich zu dem Friedensprojekt werden kann, als das es zumindest von einigen verstanden wird.

Aus diesem Grund nehmen wir die Anliegen jener, die das Volksbegehren unterschrieben haben, sehr ernst, sehen aber den richtigen Weg im Verbleib in der Europäischen Union und in der Mitgestaltung und Veränderung innerhalb dieser Union. (Beifall bei den Grünen.)

18.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.21

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren vom Proponentenkomitee des Volksbegehrens "Neue Volksabstimmung"! Ich darf Sie zunächst – ich habe das bereits im Ausschuss gemacht – zu Ihrem Erfolg beglückwünschen, den Sie zweifellos erzielt haben, denn unter Bedachtnahme auf die Formalismen, die erforderlich sind, notarielle Beglaubigung der Unterschriften und so weiter, ist es doch eine beachtliche Leistung, etwa 194 000 Unterschriften zustande zu bringen.

Ich darf auch sagen, dass es natürlich nicht mit diesen 194 000 Unterschriften getan ist und dass man durchaus nicht den Umkehrschluss ziehen kann – so wie das früher einmal ein Bundeskanzler gemacht hat –: Wer nicht unterschrieben hat, ist automatisch anderer Meinung!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 158

Erst vor wenigen Tagen hat ein bekanntes Meinungsforschungsinstitut ein Untersuchungsergebnis vorgelegt, das besagt, dass etwa 25 bis 30 Prozent der Bürger Überlegungen in Richtung Austritt aus der Europäischen Union anstellen. Das heißt, das ist nicht etwa eine sektiererische Minderheitsmeinung, sondern eine Meinung, die aus heutiger Sicht offensichtlich nahezu von einem Drittel der österreichischen Bevölkerung geteilt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe im Ausschuss und im Hearing die Auffassung meiner Fraktion wiedergegeben, wonach die FPÖ einer Wiederholung der Abstimmung aus dem Jahr 1994 nicht das Wort reden kann, und zwar aus mehreren Gründen nicht.

Zum Einen – das wurde bereits mehrfach angeführt –: Es gibt im Recht den Grundsatz "ne bis in idem", das heißt, nicht zweimal in der selben Sache zu entscheiden, und ich glaube, man sollte eine demokratische Entscheidung – und eine Volksabstimmung ist direkte Demokratie pur, wie sie purer nicht sein kann – nicht ganz einfach außer Kraft zu setzen versuchen. Das sollte generell gelten, zumal auch immer wieder kritisiert wird, dass in anderen Ländern die Regierenden so oft abstimmen lassen, bis das Abstimmungsergebnis passt.

Zweitens bin ich gegen einen Austritt und gegen eine Volksabstimmung, die darauf abzielt, weil es dann zweifellos zu einer Isolierung Österreichs kommen würde. Es wäre ein einmaliger Akt, dass ein Nationalstaat aus einem Wirtschaftsbündnis westlicher Prägung austritt. Wir sind ja nicht im COMECON, sondern wird sind in der Europäischen Gemeinschaft. Ich bin davon überzeugt, dass Österreich nicht der Schweiz gleichgestellt werden würde, mit der man ja seitens der Europäischen Union durch bilaterale Verträge die Zusammenarbeit sucht. Wir wären vielmehr ein Land, das dabei war und durch einen unfreundlichen Akt – und als solcher wäre natürlich ein Austritt zu werten – aus der Gemeinschaft ausgetreten ist.

Aber ich stehe nicht an, auch zu sagen, dass mich ein Argument von Professor Walterskirchen überzeugt hat. Er hat nämlich gesagt: Lassen wir die letzten Jahre Revue passieren! Am 1. Jänner 1995 ist Österreich der Europäischen Union beigetreten. Wie hat sich die Volkswirtschaft von Österreich im Vergleich zu der der Schweiz seither entwickelt? Man muss sagen, Österreich hat sich wirtschaftlich günstiger als die Schweiz entwickelt. – Das ist ein Argument, dem ich uneingeschränkt folgen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren vom Proponentenkomitee dieses Volksbegehrens! Sie haben jedenfalls eines erreicht: Alle Diskussionsteilnehmer haben sich mit einer Reform der Institutionen befasst. Ich glaube, das ist wichtig, denn es besteht ein Unbehagen, weil in der Europäischen Union ein großer Reformbedarf der Institutionen gegeben ist. Die Kommission ist nicht demokratisch legitimiert, nicht direkt demokratisch legitimiert, sondern die einzelnen Kommissare werden von den nationalen Regierungen dorthin entsandt, ohne Wahl. Oder: Das Parlament hat nicht jene Gesetzgebungsbefugnisse, die es in nationalen Parlamenten gibt. Dies und noch anderes rechtfertigt doch sehr deutlich dieses Unbehagen.

Meiner Vorrednerin darf ich noch sagen: Wenn Sie von direkter Demokratie und von Volksabstimmung sprechen, dann teile ich Ihr Argument nur in einem Aspekt, nämlich wenn Sie sich gegen eine Volksabstimmung über eine Causa, über die schon einmal abgestimmt wurde, aussprechen. Darüber hinaus zu sagen, dass es Bereiche gibt, die sich nicht für eine direkte Demokratie, für eine Volksabstimmung eignen, dem kann ich nicht beipflichten. Das Gegenteil ist meines Erachtens der Fall. Wenn wir die Demokratie ernst nehmen, dann müssen wir sie uneingeschränkt ernst nehmen.

Sie meinen, eine Teildemokratie – dort, wo der Bürger mündig ist und demokratisch abstimmen kann – soll es geben, aber in bestimmten Teilbereichen, wo der Bürger angeblich nicht in der Lage ist, abzustimmen, soll es keine direkte Demokratie geben. – Das lehnen wir ab. Kirchschläger hatte vollkommen Recht, als er sagte: Es gibt keine Frage in der Demokratie, die nicht auch einer direkten Abstimmung durch den Bürger zugänglich wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.26


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 159

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

18.27

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der Nationalrat hat sich in zwei Ausschüssen, nämlich im Petitionsausschuss und im Verfassungsausschuss mit dem Volksbegehren für eine Neuaustragung der EU-Abstimmung sehr eingehend auseinander gesetzt. Ich möchte damit der Behauptung entgegentreten, dass sich die Abgeordneten dieses Hauses nicht ausreichend mit einem so wichtigen Thema befasst hätten.

Im Petitionsausschuss haben die Vertreterinnen und Vertreter des Volksbegehrens die Möglichkeit gehabt, an den Beratungen teilzunehmen und auch ihre Vorstellungen darzulegen. Und auch im Verfassungsausschuss ist dieses Thema zwei Mal sehr ausführlich behandelt worden.

In formaler Hinsicht hat der Nationalrat also getan, was er tun konnte. Nicht jede Bürgerinitiative, nicht jede Petition wird im Petitionsausschuss nach § 100 lit. c der Geschäftsordnung des Nationalrates einem anderen Ausschuss zur Behandlung zugewiesen. Der Ausschuss hätte auch beschließen können, was in anderen Fällen schon geschehen ist, von der Verhandlung sogleich Abstand zu nehmen. Dazu war uns aber, wie gesagt, das Thema viel zu wichtig.

Im Verfassungsausschuss hat es dann ein Anhörungsverfahren gegeben, in dem die Vertreter des Volksbegehrens selbst Stellung beziehen konnten, aber auch Experten nominieren konnten und Experten nominiert haben. Die Geschäftsordnung ist vom Obmann des Verfassungsausschusses dabei keineswegs eng ausgelegt worden, sondern sehr weit.

Nun zum Inhaltlichen: Ein Volksbegehren, das von rund 200 000 Österreicherinnen und Österreichern unterstützt wird, hat zweifellos Gewicht und hat zweifellos Bedeutung. Wir wissen, dass dieses Volksbegehren von Idealisten getragen ist. Das zeigen viele persönliche Gespräche, aber auch viele Briefe und Zuschriften. Der außenpolitische Sprecher meiner Fraktion und auch mein unmittelbarer Vorredner haben aber darauf hingewiesen, dass sich im Jahre 1994 die Mehrheit der Staatsbürger für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union entschieden hat. Als Demokraten haben wir dieses Votum des Staatsvolkes zur Kenntnis genommen.

Jetzt ist es wichtig, den österreichischen Standpunkt in den Gremien der Europäischen Union mit Nachdruck zu vertreten. Ich denke, es ist der Bundesregierung mit dem Vertrag von Nizza durchaus gelungen, die wesentlichen und wichtigen Interessen unseres Landes zu wahren.

Ich denke dabei insbesondere an den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips, also des Vetorechtes, in so sensiblen Bereichen wie der Asylpolitik oder auch der Frage der österreichischen Wasserressourcen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Welche Zukunftsperspektiven sich im Fall einer Erweiterung der Europäischen Union ergeben, lässt sich heute noch nicht mit Sicherheit absehen. Wenn die Verhandlungen mit den Beitrittswerbern zufriedenstellend ausfallen, dann steht einer Erweiterung von österreichischer Seite aus meiner Meinung nach nichts entgegen. Das wäre etwa dann der Fall, wenn die Aufnahmekriterien von den Beitrittsländern, wie zum Beispiel Ungarn, erfüllt werden, wenn die Übergangsfristen für den österreichischen Arbeitsmarkt gesichert sind und wenn einige andere Dinge mehr erledigt sind.

Sollte das Ergebnis nach Abschluss der Verhandlungen den österreichischen Interessen aber nicht entsprechen, dann wird, wie ich meine, aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Volksabstimmung nicht mit Sicherheit auszuschließen sein. In diesem Sinne nehmen wir, meine Damen und Herren, die Sorgen der Bevölkerung durchaus ernst und das Volksbegehren auch zur Kenntnis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.31


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 160

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Meine Damen und Herren! Es liegt mir nun das Protokoll der Rede des Herrn Abgeordneten Haigermoser vor.

Herr Abgeordneter Haigermoser, Sie haben in Bezug auf die Rede der Abgeordneten Bures dieser gegenüber gemeint:

"Sie sind an der Kassa des Selbstbedienungsladens gesessen und haben die Losung nicht abgeliefert, sondern haben sie in die eigene Tasche gesteckt."

Das ist eine völlig unangemessene Anschuldigung, für die man – auch bei Würdigung Ihres Humors! – kein Verständnis haben kann. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 683 der Beilagen im Sinne des § 24 Abs. 2 des Geschäftsordnungsgesetzes zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 438/A der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbahngesetz 1992 geändert werden sowie das Bundesbahn-Pensionsgesetz geschaffen wird (Pensionsreformgesetz 2001) (699 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wird verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.33

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich bin fast versucht, festzustellen: Mir fällt nichts ein. (Ja-Rufe und demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber mir fällt etwas auf.

Zum einen fällt mir auf: Die Formel "speed kills" hat sich selbst überholt. Jetzt geht es meistens recht langsam und schleppend voran, und die meiste Zeit verbringen Sie damit, Gesetze neu zu formulieren und Ihre Gesetze (Abg. Neudeck: Ihnen zu erklären! Das ist eine schwere Aufgabe, Frau Kollegin!) zu reparieren, und Sie verbringen die Zeit auch damit, sich gegenseitig zu widersprechen.

Zum anderen fällt mir Ihre absolute Unfähigkeit zu lernen auf. Ein Musterbeispiel dafür ist das vorliegende Pensionsreformgesetz, das heute, nahezu unverändert, zum zweiten Mal debattiert wird und zur Beschlussfassung ansteht. Vor einem Jahr haben wir von der SPÖ diesbezüglich unsere Bedenken vorgebracht, sämtliche Fehler der Pensionsreform aufgezählt (Abg.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 161

hacker: ... alles als unrichtig herausgestellt!), und wir haben Sie, Frau Vizekanzlerin, damals im Namen aller Betroffenen aufgefordert – und das hat sich als richtig herausgestellt –, einzulenken und unnötige Härten zu vermeiden. Allerdings taten wir dies vergeblich.

Nach Aufhebung Ihres Gesetzeswerkes, also der so genannten Pensionsreform, durch den Verfassungsgerichtshof hatten Sie nochmals die Chance, es besser zu machen. Aber auch diese Chance haben Sie wieder einmal vertan, denn alle unnötigen Härten dieses Gesetzes bleiben aufrecht: die Pensionskürzungen, die Gehaltskürzungen, die Kürzung der Witwenpension ... (Abg. Dr. Stummvoll begibt sich zur Regierungsbank und beginnt mit Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer ein Gespräch.)

Herr Stummvoll! Ich habe es nicht gerne, wenn hinter meinem Rücken geredet wird, und es steht mir auch zu, dass ich hier allein stehe, und ich ersuche Sie, dass Sie nicht immer in diesen Rednerraum kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll begibt sich zu seinem Sitzplatz.)

Zu den Härten dieses Gesetzes gehören auch die Kürzung der Witwenpension, die Zwangspensionierung und die Bezugskürzung für Schwerkranke. Ich weiß, Sie rechnen mit der Vergesslichkeit der Menschen, Sie setzen auf Schönreden und Wortfabeleien, aber den Schaden, den Sie anrichten, kann man Ihnen rechnerisch nachweisen, den kann man Ihnen vorrechnen.

Die Betroffenen werden nämlich künftig weniger Geld in ihren Taschen haben. Es gibt dramatische Verluste bei den Lebensverdienstsummen, höhere Abschläge bei den Frühpensionen durch die Erhöhung des Antrittsalters. Einen 59-jährigen Akademiker der Verwendungsgruppe A 1 kostet diese Reform in der Lebensverdienstsumme 640 000 S, eine 59-jährige Kanzleikraft kostet sie 443 000 S, eine 59-jährige Bundeslehrerin verliert dadurch sogar 843 000 S.

Durch die Anhebung des Pensionsbeitrages um 0,8 Prozent kommt es zu Einkommensverlusten zwischen 1 900 S und 4 500 S pro Jahr. (Abg. Böhacker: Das stimmt doch alles nicht, was Sie da sagen! Rechnen Sie das vor!) Durch die Anhebung des Pensionssicherungsbeitrages verlieren PensionistInnen zwischen 2 000 S und 4 480 S im Jahr. Überdies ist das ein Eingriff in bestehende Pensionen, was Sie in Ihrem Regierungsprogramm noch ausgeschlossen haben.

Nun ein Wort zu den geplanten Zwangspensionierungen von BeamtInnen: Im Vergleich zu den vorigen Bestimmungen ist im jetzigen Entwurf die Bestimmung bei den Zwangspensionierungen noch verschärft worden. Die Betroffenen verlieren dadurch zwischen 230 000 S ihrer Lebensverdienstsumme in E 2a und 920 000 S ihrer Lebensverdienstsumme in A 1/2. Das ist also eine Maßnahme, die in Wahrheit nichts anderes als ein verstecktes Planstellenkürzungs- und Disziplinierungsprogramm ist.

Durch die Kürzung der Witwen- und Witwerpensionen – Absenkung der Untergrenzen auf null, also Spreizung zwischen 60 Prozent und null – kommt es auch für viele Hinterbliebene mit mittlerem und kleinem Einkommen zu empfindlichen Einbußen. Auch das ist ein massiver Eingriff in die Lebensplanung der Betroffenen.

Beim Punkt "Kürzung des Bezuges von Schwerkranken" – auch bei den Schwerkranken wollen Sie ja abkassieren – haben Sie etwas eingelenkt, weil die Proteste der Betroffenen Ihre sonst tauben Ohren erreicht haben. Vorgesehen war, den Bezug der Schwerkranken nach dem sechsten Monat um ein Drittel zu kürzen. Jetzt schlagen Sie eine Kürzung um 20 Prozent vor. Aus unserer Sicht ist das noch immer zu viel.

Auch dem ÖAAB war es bis vor neun Wochen noch zu viel. Da hat Herr Spindelegger – ich weiß nicht, ob er der "siebente" oder der "vierte Zwerg" von links ist; das müsste man Herrn Klubobmann Khol fragen –, ÖAAB-Vorsitzender von Niederösterreich und stellvertretender Bundesvorsitzender des ÖAAB, davon gesprochen, den § 13c zu streichen. – Das war nichts anderes als ein Täuschungsmanöver, ein Beschwichtigungsmanöver, wie wir es ja von den Vertretern der FPÖ und der ÖVP in dieser Regierung gewohnt sind. Aber jetzt lautet auch die ÖAAB-Formel: gesprochen – versprochen – gebrochen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 162

Das Ziel meiner Fraktion ist aber selbstverständlich die ersatzlose Streichung dieses Paragraphen, dieser Bestimmung, die nichts anderes ist als eine Geldbeschaffungsaktion auf dem Rücken Schwerkranker. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist Zeit, Klartext zu sprechen und nicht den Wortverdrehungen, den Wortschöpfungen ... (Abg. Neudeck: Ihre Kollegen sind aber nicht sehr begeistert!)  – Die brauchen nicht begeistert zu sein. Das ist ein trockener Stoff, ich weiß es. Aber kümmern Sie sich um Ihre Fraktion!

Wenn wir nicht aufpassen, dann wird durch die derzeitige Regierung aus einer Geldbeschaffungs- und Überrumpelungsaktion eine Reform zur "nachhaltigen Sicherung des Vertrauens der Jugend und der Pensionsbezieher in die langfristige Finanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems" – so können Sie es in den Erläuterungen nachlesen –, dann wird aus dem Kindergeld, das heute beschlossen worden ist und das armutsgefährdete Familien im ersten Jahr zwischen 5 000 S und 10 000 S kostet  – sie kriegen also weniger! –, "das größte Armutsbekämpfungsprogramm der Zweiten Republik" – so sagt Schüssel –, und dann wird aus einer Rechtsbeugung sondergleichen und aus der Zerschlagung des Sozialversicherungssystems plötzlich eine "Stärkung des Hauptverbandes", wie Schüssel am 28. Juni sagte.

Jede Aktion dieser Regierung ist von Schönrednerei begleitet, daher noch einmal im Klartext: Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie haben eine zweite Chance gehabt, aber Sie haben sie gründlich vertan. Sie haben einige Monate Zeit gehabt, um das Vertrauen der jüngeren Generation in unser Pensionssicherungssystem wiederherzustellen, um das Vertrauen jener wiederzugewinnen, die jetzt knapp vor der Pensionierung stehen, um die Kluft zwischen Beamten und ASVG-Versicherten tatsächlich zu verkleinern, was Sie zu tun immer behauptet haben, und um den Frauen zu beweisen, dass Sie auf deren Erwerbsbiographie tatsächlich Rücksicht nehmen, indem Sie die pensionsrechtlichen Nachteile durch die neue Regelung über die Gesamtdienstzeit ändern.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Sie haben nichts von all dem getan. Frau Vizekanzlerin! Seit Februar liegen konkrete Verbesserungsvorschläge von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst bei Ihnen, wie zum Beispiel die Aufhebung der Fünfjahresfrist bei einer beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit von 40 Jahren, die Ausdehnung dieser Regelung auf jüngere Geburtsjahrgänge und weitere Vorschläge zu einer verbesserten Abschlagsregelung. Auch diese Anregungen blieben von Ihnen unberücksichtigt.

Frau Vizekanzlerin, ich muss sagen: Sie und Ihre Fraktion und Ihr Koalitionspartner sind nicht lernfähig. Egal, ob Sie rasch oder langsam handeln, wie im Falle des Kindergeldes, wo Sie sich nicht einigen konnten und sich gegenseitig einiges an den Kopf warfen, ob Sie eine Gesetzesinitiative das erste Mal präsentieren oder, wie es immer wieder vorkommt, zum wiederholten Mal präsentieren müssen, so wie jetzt, oder ob Sie Gesetze wieder reparieren müssen – immer ist festzustellen, dass Sie außer Stande sind, aus Gesprächen, Debatten, Begutachtungen und Expertenhearings wenigstens so viel zu lernen, dass von der österreichischen Bevölkerung der ärgste Schaden abgewendet werden kann. Das haben Sie mit der fast unveränderten Neuauflage des Pensionsreformgesetzes bewiesen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

18.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reindl. – Bitte.

18.42

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zu Beginn meines Redebeitrages bringe ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Kollegen zum Antrag 438/A betreffend das Pensionsreformgesetz 2001 in der Fassung des Ausschussberichtes 699 der Beilagen ein. Der Herr Präsident hat der Verteilung dieses Antrages zugestimmt, somit liegt dieser Antrag allen Abgeordneten in schriftlicher Form vor.


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Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 163

Ich weise auf folgende wichtige Neuerung hin: Die Abschlagsregelung bei Erwerbsunfähigkeit gilt nur in jenen Fällen, in welchen das Ruhestandsverfahren ab 1. Oktober 2000 eingeleitet wurde. (Demonstrativer Beifall des Abg. Fink. )

Hohes Haus! Leere Pensionskassen und die Tatsache, dass die Menschen erfreulicherweise eine höhere Lebenserwartung haben, machen ein Pensionsreformgesetz notwendig. Eine Pensionsreform ist unumgänglich. Hatte im Jahre 1980 ein 60-jähiger Mann oder eine 60-jährige Frau eine durchschnittliche restliche Lebenserwartung von 18 beziehungsweise 23 Jahren, so ist diese Lebenserwartung im Jahre 2000 erfreulicherweise auf 21 beziehungsweise auf 26 Jahre gestiegen.

Es ist zu hoffen, dass die Lebenserwartung weiterhin steigt. Experten meinen, dass im Jahre 2030 die Männer durchschnittlich 24 Jahre und die Frauen durchschnittlich 28 Jahre in der Pension verbringen werden. Daher werden unsere Nachfolger in diesem Hohen Haus um weitere Reformen bei der Regelung des Pensionsantrittes nicht herumkommen, um die Nachhaltigkeit der Pensionssysteme sicherzustellen. Bedenkt man, dass das Beamten-Dienstrechtsgesetz aus dem Jahre 1979 stammt, und vergleicht man die restliche Lebenserwartung aus dem Jahre 1980 mit der restlichen Lebenserwartung des Jahres 2000, so stellt man fest, dass es da einen Unterschied von drei Jahren gibt.

Meine Damen und Herren! Somit ist auch klar, warum es eine Anhebung der Altersgrenze für die Ruhestandsversetzung durch Erklärung um eineinhalb Jahre gibt. Das bewirkt nämlich eine gleichmäßige Teilung: eineinhalb Jahre länger im Erwerbsleben, und die restlichen eineinhalb Jahre länger im Ruhestand.

Mehrere Studien, die schon seit längerer Zeit vorliegen, beweisen, dass eine Pensionsreform unbedingt notwendig ist. Immer weniger Aktive stehen immer mehr Pensionisten gegenüber. Was wäre, wenn wir keine Pensionsreform durchführen würden? – Das wäre den nächsten Generationen gegenüber verantwortungslos, das würde zu einem Sozialabbau führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es wird diese Pensionsreform nicht überfallsartig, wie von den Sozialdemokraten vielfach behauptet, sondern stufenweise durchgeführt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Die Anhebung des Frühpensionsantrittsalters erfolgt, Frau Kollegin Silhavy, in zwei Monatsetappen pro Quartal, und zwar ab 1. Oktober 2000, womit Sie im Endausbau erst ab 1. Oktober 2002 wirksam wird. In diesem Zusammenhang muss man auch einmal erwähnen, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter für Männer das vollendete 65. und für Frauen das vollendete 60. Lebensjahr ist.

Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Mertel, hat den Pensionssicherungsbeitrag angesprochen. Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Haben Sie schon vergessen, was Sie im Falle einer Regierungsbeteiligung vorhatten?! – Sie, die Sozialdemokraten, haben in Ihrem Entwurf die Anhebung des Frühpensionsantrittsalters um zwei Jahre vorgesehen, während diese Regierung mit eineinhalb Jahren das Auslangen findet. Außerdem hätten Sie, die Sozialdemokraten, den Pensionssicherungsbeitrag (Abg. Silhavy: Es glaubt Ihnen kein Mensch mehr!) nicht um 0,8 Prozent, Frau Kollegin Silhavy, erhöht, wie die neue Bundesregierung, sondern um 1 Prozent.

Dann hätten Sie aber sicherlich nicht von einem "Sozialabbau ohne Augenmaß", von "Geldbeschaffungsaktionen zur Budgetsanierung", von einem "Eingriff in die Lebensplanung" oder von einem "Bruch des Vertrauensschutzes" gesprochen, wie Sie das heute wieder getan haben.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Pensionsreform wird niemand bestraft, sondern damit wird die Altersversorgung grundsätzlich gesichert (Beifall bei den Freiheitlichen), was im Interesse sowohl der jetzigen als auch der künftigen Generationen liegen muss. Nur so ist die Sicherung des Vertrauens der Jugend und der Pensionsbezieher in die langfristige Finanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems auch im Bereich der Beamtenpensionen gegeben.


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Stenographisches Protokoll
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Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Klub der Exekutive, Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter – Sektion Gendarmerie, hat wiederum die Kolleginnen und die Kollegen der gesamten Sicherheitsexekutive in Österreich total verunsichert und in Panik versetzt. Es betrifft den in der Zwischenzeit schon berühmten § 13c des Gehaltsgesetzes, nämlich die Bezugskürzung bei längerem Krankenstand.

Ich selbst bin Gendarmeriebeamter, und ich habe am 3. April dieses Jahres hier in diesem Hohen Haus einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem Frau Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer ersucht wurde, durch eine Änderung des § 13c des Gehaltsgesetzes für Beamte sicherzustellen, dass es im Krankheitsfall zu keinen unzumutbaren Einkommensminderungen kommen kann. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen, also auch mit den Stimmen der Sozialdemokraten hier in diesem Hohen Haus.

Meine Damen und Herren! Nun verunsichern die Genossinnen und Genossen Personalvertreter der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter in einem Flugblatt vom 21. Mai 2001 wiederum alle Kolleginnen und Kollegen. In diesem Flugblatt des Klubs der Exekutive, Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter – Sektion Gendarmerie, wird unter der Überschrift "Protestaktion" unter anderem Folgendes geschrieben: Es "wird von der Gendarmeriegewerkschaft die Durchführung sofortiger Protestaktionen gefordert. Als erste gewerkschaftliche Maßnahme könnte man sich durchaus einen Protestmarsch in Wien oder Ähnliches vorstellen".

Es wird in diesem Flugblatt auch ein Beispiel einer Krankenstandskürzung nach § 13c Gehaltsgesetz angeführt. Es heißt hier wörtlich:

"Hierzu ein reales Beispiel: Kollege Ludwig H., 46 Jahre alt, Exekutivbeamter/Wien, Diagnose: Krebs: monatliches Nettoeinkommen S 22.506,40, sein Nettoeinkommen seit 1.4.2001: S 13.953,- (–39 %), ein Verlust von monatlich S 8.553,- netto."

Meine Damen und Herren! Das entspricht einfach nicht den Tatsachen. Das ist Verunsicherung, das ist Panikmache sozialdemokratischer Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter! Die Sozialdemokraten haben verunsichert und Panikmache betrieben, Herr Kollege Parnigoni, und Frau Vizekanzler Dr. Riess-Passer hat gehandelt, und zwar zum Vorteil der gesamten Beamtenschaft! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Wissen Sie, was auf den freiheitlichen Flugblättern steht? Auf den freiheitlichen Flugblättern steht, Strasser ist der "Totengräber der Gendarmerie"!)

Herr Kollege Parnigoni, ich komme schon noch auf die Gendarmerie zu sprechen! (Abg. Parnigoni: Strasser ist der "Totengräber der Gendarmerie" – das ist die freiheitliche Diktion! Und Sie reden von Verunsicherung!)

Ab dem siebenten Monat einer Dienstverhinderung infolge Krankheit oder Freizeitunfall wird der Bezug jetzt lediglich auf 80 Prozent gekürzt. Herr Parnigoni: auf 80 Prozent gekürzt! Bisher waren es 66,6 Prozent. (Abg. Parnigoni ist im Begriff, den Saal zu verlassen.)  – Herr Kollege Parnigoni, bleiben Sie nur da! Ich komme jetzt zu etwas ganz, ganz Wesentlichem. Dem Beamten werden 80 Prozent seines bisherigen Gesamteinkommens – ich betone: des Gesamt einkommens, also inklusive aller Nebengebühren, Vergütungen, Abgeltungen und dergleichen mehr – weiter bezahlt. – Und jetzt geht der Herr Sicherheitssprecher der Sozialdemokraten hinaus. (Abg. Parnigoni, der gerade den Sitzungssaal verlassen wollte, dreht sich um und hört, zwischen den hinteren Bankreihen stehend, dem Redner zu.)

Hohes Haus! Jetzt komme ich auf die Exekutive zu sprechen. Herr Kollege Parnigoni, speziell bei der Sicherheitsexekutive machen die Nebengebühren einen wesentlichen Einkommensbestandteil aus. Deshalb bedanke ich mich als Exekutivbeamter im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, auch der sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen, bei Frau Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer sehr herzlich dafür, dass auch die Nebengebühren in diese Regelung mit einbezogen wurden und es so im Falle einer längeren Krankenstandsdauer zu keinen unzumutbaren Einkommensminderungen kommen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Reindl reicht der auf der Regierungsbank sitzenden Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer die Hand.)

18.52


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Stenographisches Protokoll
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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung; darüber hinaus wird er im Saal verteilt und dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Kollegen zum Antrag 438 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbahngesetz 1992 geändert werden sowie das Bundesbahn-Pensionsgesetz geschaffen wird (Pensionsreformgesetz 2001) in der Fassung des Ausschußberichtes 699 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Im Art. 2 wird nach Z 4 folgende Z 4a eingefügt:

"4a. Im § 61b Abs. 1 Z 1 bis 3 wird in lit. a jeweils der Ausdruck ,L 1‘ durch den Ausdruck ,L 1 und L PA‘ ersetzt."

2. Im Art. 2 lautet die Z 8:

"8. Dem § 175 wird folgender Abs. 37 angefügt:

,(37) § 13c samt Überschrift, § 20c Abs. 3 und 6, § 22 Abs. 2 und § 83a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2001 treten mit 1. Oktober 2000 in Kraft. Dienstverhinderungen, die vor dem 1. Oktober 2000 begonnen haben, sind für die Anwendung des § 13c nur hinsichtlich jener Zeiten zu berücksichtigen, die nach dem 30. September 2000 liegen. § 61b Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2001 tritt mit 1. September 2001 in Kraft.‘"

3. Im Art. 3 Z 37 lautet § 62j Abs. 2:

"(2) Auf Personen, die vor dem 1. Oktober 2000 Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach diesem Bundesgesetz haben, sind die §§ 4, 9, 12, 15a bis 15d, 20, 22, 55, 56 Abs. 3b und 62b Abs. 1 Z 4 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden ist, ist § 4 Abs. 4 Z 3 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Bei mit Ablauf des 30. September 2000 oder später erfolgten Ruhestandsversetzungen ist eine allenfalls noch erfolgte bescheidmäßige Absprache der obersten Dienstbehörden über die Zurechnung von Zeiten nach § 9 oder § 20 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung unwirksam. Nach dem 1. Jänner 2001 bescheidmäßig festgesetzte besondere Pensionsbeiträge sind jedenfalls mit dem vollen Prozentsatz gemäß § 22 Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 zu bemessen."

4. Im Art. 6 wird nach Z 5 folgende Z 5a eingefügt:

"5a. § 50 Abs. 11 lautet:

,(11) Auf die nach den vorstehenden Absätzen gebührenden Vergütungen sind die für die nebengebührenzulagenrechtliche Behandlung der Vergütungen für Mehrdienstleistungen nach


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§ 61 des Gehaltsgesetzes 1956 maßgebenden Bestimmungen des Nebengebührenzulagengesetzes anzuwenden.‘"

5. Im Art. 6 lautet Z 10:

"10. Im § 123 wird nach Abs. 34 folgender Abs. 35 eingefügt:

,(35) § 13, § 13a Abs. 1 und 4, § 13b samt Überschrift, § 26 Abs. 4, § 58e Abs. 1, § 58f Abs. 5, § 115d samt Überschriften und § 115e in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2001 und die Aufhebung des § 106 Abs. 2 Z 6 durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXXX/2001 treten mit 1. Oktober 2000 in Kraft. § 50 Abs. 11 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2001 tritt mit 1. September 2001 in Kraft.‘"

6. Im Art. 12 wird im § 55 Abs. 1 nach dem Wort "gebühren," die Wortgruppe "mit einem Erwerbseinkommen" eingefügt.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.52

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Wir haben ursprünglich dieser Novellierung nicht zugestimmt, und wir können mit Ausnahme der dargestellten Abänderungsanträge auch der Wiederholung dieser Beschlussfassung nicht unsere Zustimmung geben.

Es geht hier nämlich sehr wohl um Belastungen, um Einschränkungen, und ein Gesamtkonzept ist nicht erkennbar. Natürlich hat jede größere Änderung und Reform in der Regel auch für einzelne Gruppen oder bestimmte Personen Nachteile, und wenn sich dies sachlich begründen lässt, wenn das Ganze einer im Kern akzeptablen Philosophie entspricht, dann könnte man mit den Grünen durchaus darüber reden. Nur: Insbesondere bei den Reformen aus dem Bereich der Frau Vizekanzlerin können wir ein derartiges Konzept nicht erkennen.

Das betrifft einmal den aktiven Teil des öffentlichen Dienstes in all seinen Facetten, in dem das Gehalts- und Entlohnungsschema eben durch die Tatsache, dass ganze Berufsgruppen Hauptteile ihres Einkommens nur mehr aus irgendwelchen Nebengebühren beziehen, immer intransparenter und auch ungerechter geworden ist, und das spiegelt sich dann wider im Bereich der Pensionen, im Bereich der Altersversorgung. Das heißt, hier irgendwo punktuell einzugreifen und zu sagen: Wir heben dort den Pensionsbeitrag an und doktern da ein bisschen an den Jahren herum!, das hilft uns nicht weiter! Wir werden daher keiner derartigen Stückwerkslösung mehr zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das gesamte Pensionsrecht steht im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Prinzipien. Einerseits geht es sehr klar um eine Versicherungskomponente: Menschen arbeiten ihr Erwerbsleben lang, zahlen Beiträge und hoffen damit auch berechtigterweise auf eine Absicherung im Alter. Andererseits muss es auch um eine Solidaritätskomponente gehen, denn wir wissen, dass die Möglichkeiten, die Chancen, im Erwerbsprozess zu solchen Einzahlungen zu kommen, die dann auch eine gesicherte Versorgung im Alter ermöglichen, eben nicht gleich sind.

Das gilt besonders auch im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit von Frauen. Auch aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes wissen wir, dass die Chancen von Frauen, in höhere Ränge, Dienstklassen zu kommen, bei weitem nicht gleich sind, ja dass Frauen in ganzen Berufsgruppen – ich denke da an die Universitäten, an die Wissenschaft – Lichtjahre davon entfernt sind, dem an sich in der Verfassung verankerten Gleichstellungsprinzip zu entsprechen. Insofern müsste ein gerechtes Pensionsmodell oder eine Novelle, die zumindest einen Schritt in


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diese Richtung darstellt, auch eine Antidiskriminierungskomponente enthalten. (Beifall bei den Grünen.)

Also: Versicherungskomponente, Solidaritätskomponente und Antidiskriminierungskomponente, und das in einer gewissen Balance. Ich gebe schon zu, dass das schwierig ist, aber wenn ich nicht einmal die Prinzipien einer Novelle erkennen kann, dann ist auch eine Beurteilung, ob das jetzt ein Schritt in die richtige Richtung ist oder nicht, sehr, sehr schwierig. Wir meinen, dass schon bei den Novellen, die es zuvor gab, vor allem dieser Antidiskriminierungskomponente nicht Rechnung getragen wurde, weil beispielsweise alles, was den Frühpensionierungen entgegenwirkt oder hier zu gewissen Sanktionen führt, Frauen mit den häufigeren Unterbrechungen stärker belastet und betrifft als Männer.

Das heißt, um es auf den Punkt zu bringen, wir würden gerne über die Konturen einer umfassenden, großen Pensionsreform reden, auch über die Frage, wie es gelingen könnte, den öffentlichen Dienst und die anderen Pensionssysteme stärker zu harmonisieren. Wir sind gerade bei der Alterssicherheit dafür, die Solidaritätskomponente auszubauen, eben auf Grund der Tatsache, dass es für Pensionistinnen und Pensionisten ja nicht mehr möglich ist, die früheren Dispositionen ihres Lebens zu ändern oder eine Entwicklung, die bereits Vergangenheit ist, noch zu korrigieren. Daher sieht etwa auch das grüne Grundsicherungsmodell jedenfalls eine eigenständige Altersabsicherung für jede Person vor, für Männer und Frauen, und zwar unabhängig von der vorangegangenen Erwerbstätigkeit, das heißt, eine sehr, sehr starke Solidaritätskomponente. (Beifall bei den Grünen.)

Wir können bei diesem Stückwerk an Novellen den leitenden Faden nicht erkennen, und wir fürchten, dass sich dadurch eher die Unübersichtlichkeit des gesamten Systems vergrößern und die Möglichkeit, zu einem großen Reformwurf zu kommen, eher verkleinern wird. Je mehr wir hier Gruppeninteressen absichern, desto schwieriger wird es dann, den notwendigen großen Konsens in Richtung einer wirklich tragfähigen, solidarischen, aber auch auf Versicherungskomponenten Bedacht nehmenden Lösung zu finden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.59

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Zwei oder drei kurze Vorbemerkungen. Frau Abgeordnete Mertel, ich möchte Ihnen nicht nahetreten, aber Sie haben heute hier eindeutig als Beamtin gesprochen und nicht die Bediensteten des öffentlichen Dienstes in ihrer Gesamtheit betrachtet. So kann man das Thema nicht abhandeln, dass man Beamte und Vertragsbedienstete noch weiter auseinander teilt, sondern wir müssen uns bemühen, Vertragsbedienstete und Beamte im Dienstrecht näher zusammenzubringen.

Das ist ein Grundsatz, und diesen Grundsatz haben Sie, das entnahm ich Ihrer Rede, total verkannt, ja im Gegenteil, Sie haben dem noch entgegengewirkt. Da können wir nicht mitgehen.

Ich weiß auch, dass in der SPÖ in früheren Jahren ein anderer Standpunkt vertreten worden ist als der, den Sie heute vertreten. Ich bedauere das zutiefst, dass Sie wieder zur alten Auseinandersetzung zurückkehren, meine Damen und Herren. (Abg. Parnigoni: Wir haben uns von euch eh 15 Jahre drangsalieren lassen! 15 Jahre haben Sie versucht, uns zu drangsalieren!)

Jawohl, es ist richtig, Herr Abgeordneter, dass früher in der SPÖ ein anderer Standpunkt vertreten worden ist!

Zweite Vorbemerkung, meine Damen und Herren: Hier geht es nicht darum, dass der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz aufgehoben hat, weil inhaltliche Bedenken gegen dieses Gesetz bestanden, sondern dieses Gesetz wurde aus rein formaljuristischen Gründen aufgehoben. Und wir können heute, nach neun Monaten, sagen, dass sich dieses Gesetz im Wesentlichen bewährt hat: mit den Grundpfeilern Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters bis zum Jahre 2002 um eineinhalb Jahre, Neuregelung der Hinterbliebenenpension – ein zweiter wichtiger Grund


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pfeiler –, und ein dritter wichtiger Grundpfeiler ist die Pensionsanpassung, die in Zukunft für Beamte und Nicht-Beamte in gleicher Weise zu erfolgen hat. Auch dieser Grundsatz hat sich bewährt, ebenso wie verschiedene andere Maßnahmen, die wir damals beschlossen haben. Es ist ein rundes Paket. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Frau Abgeordnete Petrovic, ich kann nicht glauben, dass Sie einem Reformpaket wirklich irgendwann einmal zustimmen, mag es noch so abgerundet sein, wie dieses hier es ja bereits ist. Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich habe Ihre Worte gerne vernommen, aber glauben kann ich diesen Worten einfach nicht.

In zwei Punkten haben wir allerdings feststellen müssen, dass Änderungen notwendig sind; sie sind zum Teil bereits erläutert worden.

Der erste Punkt ist die Fortzahlung des Entgeltes bei Dienstverhinderungen wegen Krankheit oder auf Grund eines Unfalles. Meine Damen und Herren! Ich meine, dass wir diesbezüglich eine sehr vernünftige Lösung gefunden haben, nämlich eine Lösung, die Vertragsbedienstete und Beamte in etwa – nicht genau, aber in etwa – gleichstellt. Das heißt also, die ersten sechs Monate volle Weiterzahlung, und in der Folge dann eine Reduzierung um 20 Prozent. Das bedeutet eine in etwa gleiche Regelung für Beamte und Nicht-Beamte. Das haben wir bereits im Ausschuss beschlossen.

Der zweite Punkt, den wir jetzt mit einem Abänderungsantrag in zweiter Lesung zur Beschlussfassung bringen, ist ein ganz wichtiger Punkt, und ich möchte ihn ganz kurz erläutern: Es geht darum, dass für Personen, die ihren Antrag auf eine Ruhestandsversetzung bereits vor dem 1. Oktober 2000 eingebracht haben, und auch für Personen, die amtswegig in den Ruhestand versetzt werden und bei denen das Verfahren schon vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden ist, das alte Pensionsrecht, das bis zum 30. September 2000 gegolten hat, weiterhin zur Anwendung kommt.

Diese Personen konnten zum größten Teil nicht damit rechnen, dass hier neue Vorschriften kommen, insbesondere im Bereich der Abschläge. Ich meine, diese Regelung ist vernünftig und gut. Ich habe schon von verschiedenen Oppositionspolitikern gehört, dass sie dem eigentlich gerne zustimmen würden. Ich würde mir wünschen, dass Sie auch den zweiten Schritt setzen und dieser Abänderung zustimmen.

Abschließend, meine Damen und Herren: Nach neun Monaten kann man sagen, die Pensionsreform war in ihren Grundzügen richtig. Sie trägt dazu bei, dass die Finanzierung unserer Pensionen weit in die Zukunft gesichert ist, dass auch eine gewisse Gleichheit zwischen den einzelnen Pensionistengruppen entsteht. Wir meinen, dass wir diesem Gesetz vollinhaltlich zustimmen können, nachdem es die Bewährungsprobe bestanden hat. In diesem Sinne würde ich auch bitten, dem Abänderungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. – Bitte.

19.04

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht bei dieser Pensionsreform, die heute hier diskutiert wird, um nichts anderes als um die Sicherung des Pensionssystems und damit auch die Garantie des Generationenvertrages, und zwar für jene, die sich heute schon im Ruhestand befinden, genauso wie für die, die heute im Erwerbsleben stehen und selbstverständlich auch ein Anrecht auf eine Altersversorgung haben, die auch gesichert ist.

Eines der Mittel zur Gewährleistung dieser langfristigen Sicherung des Pensionssystems ist die in diesem Gesetz enthaltene moderate und stufenweise Anhebung des Frühpensionsalters um 18 Monate. Frau Kollegin Mertel! Ich habe schon mehrmals die Frage gestellt – und bezeichnenderweise von Ihnen nie eine Antwort darauf erhalten –, warum Sie hier die Anhebung um


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18 Monate so massiv kritisieren, während andererseits in dem Regierungsübereinkommen, das zwischen der SPÖ und der ÖVP ja schon fertig ausverhandelt war, eine Anhebung um volle zwei Jahre vorgesehen war. Wo, Frau Kollegin Mertel, ist damals Ihre Empörung darüber geblieben? (Abg. Dr. Mertel: Ich kann Ihnen die Antwort geben: Deshalb ist ja dieses Übereinkommen nicht zustande gekommen!)

Eine Anhebung um zwei Jahre war offensichtlich in Ordnung, aber eine Anhebung um ein halbes Jahr weniger ist für Sie ein großer Skandal. – Diese Logik werden Sie nicht nur mir, sondern auch den Österreicherinnen und Österreichern, mit Verlaub gesagt, nicht erklären können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Sie wollen eine Antwort, hören aber nicht zu!)

Sie werden der Öffentlichkeit genauso wenig erklären können ... (Abg. Dr. Mertel: Das ist nicht zustande gekommen!) Frau Kollegin Mertel, ich weiß schon, dass das unangenehm für Sie ist, aber Sie werden genauso wenig erklären können, warum in Ihren Augen die Anhebung des Pensionssicherungsbeitrages um 0,8 Prozent ein großer Skandal ist, während die von Ihnen geplante Anhebung um ein volles Prozent offensichtlich in Ordnung gewesen wäre. (Abg. Parnigoni: Wir haben dieses Pamphlet nicht unterschrieben, Sie schon! – Abg. Mag. Firlinger: Das ist halt unangenehm! – Abg. Parnigoni: Wir haben es nicht unterschrieben – Sie schon!) Das ist alles schwarz auf weiß nachzulesen, und ich würde nur um Ehrlichkeit in dieser Debatte bitten, um Ehrlichkeit, wenn wir darüber reden, dass Maßnahmen, die der Sicherung des Pensionssystems dienen, notwendig sind. Und da muss man eben sagen: Ihr Vorschlag war 1 Prozent statt 0,8 Prozent. – Das ist eine Tatsache, die Sie auch durch noch so viele Zwischenrufe nicht leugnen können!

Was wir im Unterschied zu Ihnen auch in dieser Pensionsreform ausdrücklich berücksichtigt haben, ist die Begünstigung für jene, die lange Versicherungszeiten haben und die selbstverständlich so wie bisher auch zu einem früheren Zeitpunkt in Pension gehen können. Auch das war bei Ihnen nie vorgesehen. Wir haben gesagt, für jene, die Schwerstarbeit geleistet haben, die sehr lange gearbeitet haben, muss auch eine entsprechende Berücksichtigung beim Pensionsantrittsalter erfolgen, und dazu bekennen wir uns auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ebenso in unserem Modell enthalten und in Ihrem nicht ist das, was hier heute schon mehrfach angesprochen wurde, nämlich eine Berücksichtigung der besonderen Situation von Frauen. Deswegen sind wir auch sehr stolz darauf, dass wir in dieser Pensionsreform zum ersten Mal auch eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten für Frauen im Ausmaß von fünf Jahren als pensionsbegründend enthalten haben.

Frau Kollegin Petrovic! Das ist ein wesentlicher Fortschritt, ein wesentlicher Fortschritt für Frauen, zu dem wir uns auch bekennen. (Abg. Dr. Petrovic: In welcher Höhe?)

Der Vollständigkeit halber – weil es an sich selbstverständlich ist, aber trotzdem in Ihren Wortmeldungen immer so klingt, als wäre es das nicht – füge ich hinzu, dass selbstverständlich alle, die krank sind und ihre Arbeit oder ihren Beruf nicht mehr ausüben können, so wie bisher ohne Minderung und ohne zusätzliche Abschläge in Pension gehen können. Das ist eine Selbstverständlichkeit und bleibt auch weiterhin in vollem Umfang so erhalten. Ich sage das deswegen, weil Sie immer so tun, als wäre das nicht so. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Darüber hinaus haben wir auch sichergestellt – auch im Gegensatz zu Ihnen und Ihrem Programm, Frau Kollegin Mertel –, dass es eine Wertsicherung mit Fixbeträgen und damit eine ausdrückliche Begünstigung und Besserstellung der Bezieher von kleinen Pensionen gibt. Auch das ist eine Maßnahme der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs, die unseres Erachtens notwendig ist.

Darüber hinaus haben wir bei dieser Pensionsreform auch sichergestellt, dass die Regelungen, die wir getroffen haben, gleichermaßen für alle Berufsgruppen gelten. Und da komme ich jetzt zu dem schon mehrfach angesprochenen § 13c; Herr Abgeordneter Feurstein hat das ja ohnehin schon ausgeführt.


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Ich hätte mir halt gewünscht, Frau Kollegin Mertel, wenn wir schon über Gerechtigkeit reden, dass Sie sich auch einmal Gedanken gemacht hätten über die ungleiche Situation zwischen Beamten und Vertragsbediensteten. Das sind alles Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die Anspruch auf ein und dieselbe Regelung haben. Was wir jetzt machen, ist eine Zusammenführung in diesem Bereich – oder zumindest eine annähernde Zusammenführung –, die dem Prinzip der Gerechtigkeit entspricht. Das, was wir bei den Vertragsbediensteten haben, nämlich eine Bezugskürzung auf 50 Prozent plus Krankengeld, auf das dann Anspruch besteht, was aber natürlich auch nie mehr als 80 Prozent des Grundbezuges ergibt, ist doch das Entscheidende. Und wenn das für die Vertragsbediensteten eine vertretbare Regelung ist, dann ist es selbstverständlich auch für die beamteten Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes eine vertretbare Regelung, noch dazu, wo man weiß, dass bei Vertragsbediensteten das Dienstverhältnis bei andauernder Krankheit nach einem Jahr enden kann. Das wird für einen Beamten nie zutreffen.

Ich glaube, dass diese Diskussion überhaupt nur deswegen in dieser Form entsteht, weil wir eben so unterschiedliche Regelungen haben. Es war notwendig, diese Regelung zu ändern, und ich bin Herrn Abgeordnetem Reindl und allen anderen, die das angemerkt haben, dafür auch sehr dankbar, weil wir hier ein Ungleichgewicht vor allem in jenen Bereichen des öffentlichen Dienstes gehabt haben, in denen sich das Gehalt wesentlich auch auf Zulagen und Nebengebühren gründet, wie das im Bereich der Exekutive der Fall ist. Das zeigt aber, dass die Probleme, die Ungleichgewichtungen, die entstehen, darauf beruhen, dass wir heute Dienst-, Besoldungs- und auch Pensionsregelungen haben, die große Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsgruppen machen.

Deswegen glaube ich, dass es im Sinne der Gerechtigkeit unser gemeinsames Ziel sein muss, eine Harmonisierung dieser Systeme herbeizuführen, dafür zu sorgen, dass es gleiche Spielregeln für alle gibt. Es kann nur einen einzigen Unterschied in einem Pensionssystem geben, nämlich den Unterschied zwischen denen, die körperliche Schwerstarbeit geleistet haben, und denen, die keine Belastung in diesem Ausmaß in ihrem Beruf gehabt haben. Für diese Menschen muss man auch entsprechende Sonderregelungen treffen. Das ist Gerechtigkeit, wie wir sie verstehen und wie wir sie auch umsetzen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

19.12

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Frau Vizekanzlerin, gerne und zum wiederholten Mal sei hier erklärt: Die Anschuldigungen, die Sie da immer wieder gegen uns erheben, was wir denn angeblich vereinbart hätten (Abg. Neudeck: Gerne vereinbart hätten!), sind haltlos, denn es sollte Ihnen zumindest bekannt sein, dass ein Vertrag erst dann Gültigkeit hat, wenn er unterschrieben worden ist. (Abg. Neudeck: ... Weil ihr nicht unterschrieben habt, könnt ihr keine Kindesweglegung machen!) Dieser Vertrag wurde nicht unterschrieben, im Gegensatz zu dem Koalitionsübereinkommen, das Sie unterschrieben haben, Frau Vizekanzlerin! Für dieses haben Sie auch die Verantwortung ganz allein zu tragen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Neudeck. )

Aber Sie wissen ja alles, denn Sie sind ja überhaupt ein Alleswisser, wie man in Ihren Zwischenrufen hört. Die Qualität Ihrer Zwischenrufe mögen die Leute, die das Protokoll lesen, selbst beurteilen. (Abg. Neudeck: Die sind ganz gut, muss ich sagen – besser als Ihre Reden!)

Meine Damen und Herren und Frau Vizekanzlerin! Gestatten Sie mir auch diese Anmerkung: Es ist mehr als Zynismus, wenn Sie von Harmonisierung sprechen. Was machen Sie? Sie schaffen im ASVG die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit ab. Sie heben das Pensionsantrittsalter bei vorzeitiger Alterspension an. (Abg. Neudeck: Ich habe in einem Satz eine 10-Minuten-Rede von Ihnen fertig!) Sie erhöhen die Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt von 2 auf 3 Prozent. Sie reduzieren die Witwenpension im Extremfall bis auf null. Sie verschlechtern die Zugangsmöglichkeiten zur Invaliditätspension und beschließen eine Neurege


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lung bei der Pensionsanpassung, die die Inflationsrate, die Sie mit Ihren Maßnahmen auch noch künstlich hochgetrieben haben, bei weitem nicht abdeckt.

Und dann reden Sie von einer Harmonisierung, indem Sie sagen: Aber den Beamten geht es ja viel besser. – Also was ist die Folge? Man muss bei den Beamten auch runterfahren. Man hat es in dem einen Bereich verschlechtert, so verschlechtert man es auch in dem anderen. Wie zynisch das Ganze ist, werde ich Ihnen mit einer Passage aus dieser Vorlage belegen:

"Für die Beamten war bis zum In-Kraft-Treten des Pensionsreformgesetzes 2000 auch keinerlei Bezugskürzung bei langer Krankenstandsdauer vorgesehen. Aus Gründen einer fairen Gleichbehandlung" – Frau Vizekanzlerin, "faire Gleichbehandlung"; diesen Zynismus muss man sich wirklich geben! – "der unterschiedlichen Dienstnehmergruppen hinsichtlich der Bezugsfortzahlung und vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen über die Fehlzeiten des Bundes 2000, wonach ein Beamter durchschnittlich 14,4 Tage, ein Angestellter jedoch nur 11,4 Tage fehlt, ist eine Regelung geboten, die eine moderate Reduktion des Monatsbezuges bei langdauernder Abwesenheit wegen Krankheit oder Unfalls vorsieht."

Frau Vizekanzlerin! Wenn die Leute bei langer Krankheit weniger Geld erhalten, glauben Sie, dass sie dann deshalb gesünder werden? Empfinden Sie nicht selbst, welch ein Zynismus da dahinter steckt? Ist das wirklich witzig, meine Damen und Herren von der FPÖ, oder lesen Sie Ihre eigenen Regierungsvorlagen, die Sie beschließen, nicht? Sie wissen offensichtlich nicht, was da drinnen steht! Das ist blanker Zynismus, den Sie da gegenüber kranken Menschen an den Tag legen! Sie sollten sich genieren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Sie können sich Ihre Zwischenrufe ersparen. Sie werden nicht besser, Sie werden im Laufe der Zeit eher noch schlechter, falls das überhaupt noch möglich ist.

Meine Damen und Herren! Es glaubt Ihnen ohnedies kein Mensch mehr, dass Sie sich für den "kleinen Mann", wie Sie immer gesagt haben, stark machen. Mittlerweile haben Sie Maßnahmen beschlossen, mit denen Sie den Menschen, die in Pension gehen oder in Pension sind, 53 Milliarden Schilling in vier Jahren wegnehmen. 53 Milliarden! 43 Milliarden haben Sie den Menschen durch Maßnahmen wie Gebührenerhöhungen und Einführung von Ambulanzgebühren weggenommen – darüber haben wir heute schon diskutiert. (Abg. Mag. Schender: Sie haben ihnen 2 000 Milliarden Schilling Schulden gebracht!) Und heute haben Sie sich gefeiert wegen 9 Milliarden, die Sie umverteilen, und nicht einmal sozial gerecht umverteilen, wie wir Ihnen heute nachweisen konnten.

Und da wollen Sie von einer Harmonisierung sprechen, davon, dass Arbeitnehmergruppen und Arbeitnehmerinnengruppen gleich behandelt werden? Sie schröpfen alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – egal, ob Vertragsbedienstete, Beamte, Angestellte, Arbeiter; es ist Ihnen völlig egal! Sie machen eine einseitige Politik, die jeden Arbeitnehmer in diesem Land, jede Arbeitnehmerin, jeden Pensionisten, jede Pensionistin trifft. Das ist eine Politik, die von uns immer bekämpft werden wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

19.16

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die Ausführungen meiner Vorrednerin sollte man, glaube ich, schon ein paar Dinge sagen. Frau Kollegin, es gibt natürlich ein paar Prinzipien bei dieser Pensionsreform und bei dieser gesamten Novelle: Das oberste Prinzip – das der Solidarität – lautet, dass es heute soundso viele ... (Abg. Silhavy: Allen etwas nehmen! "Solidarisch" allen etwas nehmen!)  – Frau Kollegin! Hören Sie mir zu! Sie sind so scharfzüngig, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, zuzuhören. Zügeln Sie Ihre Zunge, hören Sie mir zu, und argumentieren Sie danach! Darf ich Sie darum bitten? (Abg. Dr. Mertel: Nach unten nivellieren! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )


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Frau Kollegin! Es geht darum, dass heute soundso viele Menschen im Erwerbsleben stehen, die, wenn wir diese Politik der SPÖ fortsetzen würden, keine Pension bekommen würden. Und genau das ist die Frage der Solidarität. Ob wir uns dafür einsetzen, dass es eine Pension auch für jene Menschen gibt, die heute im Erwerbsleben stehen, das ist die Frage der Solidarität, Frau Kollegin! (Abg. Silhavy: Aber ...!) Nicht "aber"! Ich kenne die SPÖ-Politik in dieser Frage lange genug! (Abg. Silhavy: Das ist unseriös, Herr Kollege! Unseriös!) Ich erinnere Sie an den Vranitzky-Brief. Lug und Trug war diese Politik! Und dieser Politik müssen wir eine Absage erteilen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin! Erzählen Sie mir nichts! Wir wissen alle ganz genau: Wenn wir mit dieser Politik weiter fortfahren würden, wäre dieses Pensionssystem auf Dauer nicht finanzierbar gewesen. Und wo ist denn da Ihre Solidarität mit jenen, die heute arbeiten und Beiträge zahlen, Frau Kollegin?! Da brauchen wir in Wirklichkeit überhaupt nicht weiterzureden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Die Zeit des Schmähreißens ist vorbei, auch in dieser Frage, Frau Kollegin! (Abg. Dr. Jarolim: Sie brauchen uns über Qualität überhaupt nichts sagen bei den Gesetzen, die wir hier diskutieren! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie reden von Qualität! Wir sind wenigstens handlungsfähig in dieser Frage, eine Eigenschaft, die Ihnen lange ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Geben Sie dem Redner eine faire Chance, seine Argumente darzulegen! Alle haben die Möglichkeit, sich mit einem eigenen Redebeitrag zu melden.

Abgeordneter Werner Miedl (fortsetzend): Frau Kollegin Silhavy! Meine Damen und Herren von der SPÖ! Mir geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes. Mir geht es darum, dass wir hinsichtlich der Motivation unserer Beamten im öffentlichen Dienst – ich rede von der Motivation der Vertragsbediensteten und Beamten – höllisch aufpassen sollten, denn es kommen völlig neue Herausforderungen auf diese Beamten zu. Ich denke jetzt an die vielen Lehrer, und ich denke an die 30 000 Exekutivbeamten in Österreich, die vor gänzlich neue Herausforderungen gestellt werden. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur zwei Stichworte: die Zunahme des Drogenkonsums und des Drogenmissbrauchs in Österreich und die immer weiter fortschreitende Solidarisierung der SPÖ mit jenen, die illegale Drogen zu sich nehmen. Es wird sogar die Forderung erhoben, dass illegale Drogen legalisiert werden. Und darüber hinaus gibt es eine Solidarisierung mit den Chaoten in Salzburg. Wir müssen verdammt aufpassen, dass wir unsere Exekutivbeamten, die Lehrer und Pädagogen entsprechend motivieren, damit diese überhaupt noch mittun wollen. Diese Motivation ist für die Beamten wahnsinnig wichtig und notwendig, um ihre Aufgaben im Auftrag des Staates entsprechend zu erfüllen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Das ist die unterste Schublade! Die unterste Schublade!)

Frau Kollegin! Ich bin daher froh, dass der § 13c vernünftig novelliert worden ist. Ich bin unserem Klubobmann Khol sehr dankbar dafür, denn ich weiß, dass er sich dafür eingesetzt hat. Danke vielmals im Namen der 30 000 Exekutivbeamten Österreichs! Ich danke auch Kollegem Westenthaler. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und ich danke der Frau Vizekanzlerin in dieser Frage.

Wir wissen schon, meine Damen und Herren, wohin das Herz des Exekutivbeamten im Zweifelsfall zu schlagen hat. Die Unterstützung, die er nämlich von Ihnen, Frau Kollegin Silhavy, und der SPÖ-Fraktion bekommt, ist enden wollend. Leider Gottes hat sich die SPÖ zu einer Partei entwickelt, die unmöglich die Partei der Exekutivbeamten sein kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

19.21

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Kollege Miedl, die SPÖ steht immer für Gerechtigkeit und für Solidarität, und wir lassen uns auch nicht sagen oder unterjubeln, dass wir mit irgendwelchen Gewaltaktionisten etwas am Hut haben! Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit festhalten.


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(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Das sagen Sie hier herinnen ...!) – Es wird nicht besser mit Ihren Zwischenrufen!

Ich möchte einige Anmerkungen zu den Ausführungen meiner Vorredner machen – großteils sind die Argumente ja bereits ausgetauscht worden –: Kollege Feurstein! Bei allem Respekt, wir haben im Ausschuss schon darauf hingewiesen, was Punkt 3 im Artikel 3 Z 37 § 62j für uns bedeutet. Ich bin froh, dass wenigstens in zweiter Lesung dieser Abänderungsantrag eingebracht worden ist, und wir werden aus sachlichen Gründen, weil wir das bereits im Vorfeld argumentiert haben, diesem, aber nur diesem Punkt zustimmen.

Kollege Miedl und Kollege Reindl! Es ist zwar in den Stenographischen Protokollen alles nachzulesen, aber man vergisst halt nach einigen Monaten auch vieles: Ich habe von dieser Stelle aus vorgerechnet, was der § 13c generell bedeutet, vor allem aber, was er für die Kolleginnen und Kollegen der Exekutive bedeutet. Ich habe euch gebeten: Nehmt von dieser Bestimmung Abstand! Es geht hier um den Fall langer und schwerer Krankheiten, wovon in Wirklichkeit nur wenige betroffen sind – Gott sei Dank, sage ich gleich dazu. Das heißt, es ist auch keine Budgetfrage, wir hätten uns das also ersparen können. – Nein, es wurde beschlossen! Kaum war es beschlossen, lieber Kollege Miedl, ist die Frau Vizekanzler in der Fragestunde im Hinblick auf diesen § 13c konfrontiert worden: Um Gottes willen, da tun wir jetzt einigen Kollegen weh, das müssen wir reparieren!

Also zuerst haben Sie sich über jede Sachdiskussion hinweggesetzt und den Betroffenen wehgetan, und danach verkünden Sie: Wir müssen das reparieren, das müssen wir verbessern! Ich habe hier vorgerechnet – und, Kollege Reindl, das ist leicht zu rechnen –, dass die Kollegen in Einzelfällen von Gehaltseinbußen bis zu 40 Prozent betroffen sein können! – Jetzt wird es repariert, alles feiert. Wir haben damit zwar nicht mehr den alten Rechtsstand, aber die Betroffenen sind immer noch mit Einbußen von 20 Prozent konfrontiert. Sie wollen das so beschließen, weil dies so gut wäre.

Ich kann mich auch an die Ausführungen der Frau Vizekanzlerin im Ausschuss erinnern, wo sie uns mitgeteilt hat, dass wir eine Gleichstellung mit den Privatangestellten brauchen, weil das gerecht ist. Ich lade alle ein, sich anzuschauen, wie die Entgeltfortzahlung eines Privatangestellten mit zehn Dienstjahren und wie die Entgeltfortzahlung eines Beamten mit zehn Dienstjahren nach längerer, sechsmonatiger Erkrankung aussieht! Da wird man dann sehr rasch draufkommen, dass der Privatangestellte besser gestellt ist als der Beamte mit Ihrer Regelung, die Sie angeblich jetzt hier vornehmen wollen. (Abg. Dr. Feurstein: Das ist nicht richtig!) Das ist richtig, Herr Kollege Feurstein, schauen wir uns das gemeinsam an!

Das kann doch kein entsprechender neuer Zugang sein – oder ist das "Neu Regieren"? –, zu sagen, da gibt es eine Gruppe, die muss man der Gerechtigkeit halber – so wird formuliert – einer anderen Gruppe anpassen, indem man nach unten nivelliert. Ich glaube, das ist ein Weg, den sich weder die öffentlich Bediensteten noch andere Berufsgruppen in Österreich verdienen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte daher zwei Abänderungsanträge zum Pensionsreformgesetz 2001 (699 der Beilagen) einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mertel, Pendl und Genossen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Artikel 2 Z 1 betreffend § 13c Gehaltsgesetz entfällt.

2. Die verbleibenden Ziffern des Artikels 2 erhalten die Bezeichnung 1 bis 7.

3. In der alten Ziffer 8 des Artikels 2 entfällt die Wortfolge "§ 13c samt Überschrift,".

*****


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Der zweite Antrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mertel, Pendl und Genossen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Artikel 2 Z 5 lautet:

a) § 83a Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

"Die Zeit zwischen dem Ablauf des Monats, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollenden wird, und dem Ablauf des Tages, zu dem der Beamte frühestens seine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung bewirken hätte können, ist bei der Ermittlung des Ausmaßes der Kürzung der Ruhebemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen".

b) Der Ausdruck "aber vor Vollendung des 60. Lebensjahres" in § 83a Abs. 2 entfällt.

2. Artikel 2 Z 7 entfällt.

3. In Artikel 2 Z 8 wird der Ausdruck "§ 83a Abs. 1 bis 2 und 4 bis 7" durch den Ausdruck "§ 83a Abs. 1" ersetzt.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen der Exekutive! Beide Anträge betreffen in erster Linie die Exekutive. Bei dem einen geht es um die ersatzlose Streichung des § 13c Gehaltsgesetz, der andere nimmt darauf Bedacht – und das hat ja auch eine wissenschaftliche Studie ergeben –, dass die Kolleginnen und Kollegen der Exekutive ab dem 57. Lebensjahr nur schwer in der Lage sind, exekutiven Außendienst zu leisten.

Ich möchte Sie ersuchen, diesen Anträgen im Interesse der betroffenen Kolleginnen und Kollegen Ihre Zustimmung zu geben. Vor allem – ich darf es noch einmal erwähnen – sind das auch einstimmige Beschlüsse der Gewerkschaft öffentlicher Dienst; ich brauche über Mehrheitsverhältnisse in dieser Gewerkschaft hier nichts zu sagen. Ich möchte Sie einladen und bitten, im Interesse der Gerechtigkeit diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die beiden soeben vorgetragenen Anträge sind ausreichend unterstützt, stehen in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie, damit mit zur Debatte beziehungsweise später zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

19.27

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, dass jedem von uns da herinnen bewusst ist, dass Veränderungen beim Frühpensionsantrittsalter unbedingt erforderlich waren. Man kann sich heute vielleicht nicht mehr erinnern, aber es hat diesbezügliche Abmachungen zwischen SPÖ und ÖVP gegeben, und diese Abmachungen sind in der Folge von ÖVP und FPÖ übernommen worden.

Wenn in wenigen Minuten das Pensionsreformgesetz 2001 für den öffentlichen Dienst, sprich: für die Beamten, beschlossen wird, dann werden uns sicherlich nicht alle Beamten zujubeln und Freude damit haben, aber eines ist klar und auch den Beamten in einem hohen Ausmaß bewusst: Ohne derartige Maßnahmen – und damit meine ich die Anhebung des Frühpensionsan


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trittsalters um 1,5 Jahre – wären unser sicherlich gutes Pensionssystem und die verhältnismäßig hohe Pensionsbemessung nicht weiter zu finanzieren.

Auch wollen wir eines nicht: ein Generationenproblem, und Generationenprobleme wären, wenn es keine Anpassung im Pensionsbereich gäbe, vorprogrammiert.

Wenn man also Gutes bewahren will, dann muss man zeitgerecht Anpassungen und Veränderungen durchführen, und das mit Augenmaß. Das, glaube ich, ist geschehen.

Ich möchte mich aber in meinen Ausführungen mit dem vorliegenden Abänderungsantrag der Koalitionsparteien befassen, der den § 13c des Beamtengehaltsgesetzes betrifft, der die Bezugsansprüche bei Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall von öffentlich Bediensteten regelt.

Es wird zukünftig bei einer mehr als sechsmonatigen Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall eine Fortzahlung des Bezuges in einem Ausmaß von 80 Prozent des Gehaltes geben, wobei die Nebengebühren eingerechnet und berücksichtigt werden. Ich möchte eines sagen: Das war eine ganz wichtige und soziale Entscheidung, die hier getroffen worden ist, denn der Bezug des öffentlich Bediensteten ist auf Nebengebühren aufgebaut. Diese Neudefinierung des § 13c ist eine faire und menschliche Lösung.

Der Bezug eines Beamten ist auf Nebengebühren aufgebaut – das habe ich schon erwähnt –, und der Verlust dieser Nebengebühren bei einer länger als 30 Tage dauernden Dienstverhinderung im Krankheitsfall und eine weitere Bezugskürzung nach sechs Monaten um ein Drittel des Bezuges, wie es das bis jetzt geltende Gesetz vorgesehen hat, würde natürlich gerade für junge Beamte einen enorm großen Härtefall darstellen. Darum haben wir seitens des ÖAAB bereits vor einem Jahr sehr kritisch diese Gesetzesvorlage mit Bezug auf den § 13c ins Auge gefasst und bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gemeinsam mit dem Kollegen Reindl einen diesbezüglichen Entschließungsantrag eingebracht, dem dieses heute zur Beschlussfassung vorliegende – vernünftige, wie ich meine – Ergebnis folgte.

Bedanken möchte ich mich bei all jenen, die verhandelt und diesen Abänderungsantrag in diese Richtung gebracht haben. Es ist das der richtige Weg. Es ist das ein Gesetz mit Herz und Hirn und lässt vor allem jene, die am Beginn ihrer Beschäftigungslaufbahn stehen, hoffen, in eine abgesicherte Zukunft zu blicken. (Beifall bei der ÖVP.)

19.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Um Fragestellungen oder Unsicherheiten von vornherein auszuschließen: Da es eine Reihe kurzfristig eingebrachter Abänderungsanträge beziehungsweise auch ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gibt und auf Grund der Komplexität eine kurzfristige Fertigstellung des Croquis nicht möglich ist, wird die Abstimmung darüber nach dem nächsten Tagesordnungspunkt erfolgen. Daher wird jetzt nicht eingeläutet.

Es stehen dazu jetzt noch zwei Redner auf der Liste. Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

19.32

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Erinnerung rufen möchte ich, warum wir diese Materie heute diskutieren: dies deshalb, weil der Verfassungsgerichtshof die ursprüngliche Beschlussfassung wegen formaler Fehler aufgehoben hat. Und der Verfassungsgerichtshof hat damit festgestellt, dass es sich dabei um eine Husch-Pfusch-Aktion gehandelt hat, eine Husch-Pfusch-Aktion, die ja übrigens nicht die erste und einzige dieser blau-schwarzen Koalition ist. Aus diesem Grund haben wir uns heute noch einmal damit auseinander zu setzen.

Auch wenn sich diese Bundesregierung in einer Krise befindet – vor allem mit all ihren Husch-Pfusch-Aktionen und Vorlagen –, kann man dennoch, so meine ich, sagen, dass diese Krise auch eine Chance darstellt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, diese Chance nützen Sie nicht, und Sie sind weder in der Lage, den formalen, vor allem aber


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auch nicht die inhaltlichen Fehler, auf die ja Vorrednerinnen meiner Fraktion bereits eingegangen sind, auch nur ansatzweise auszumerzen.

Wir Sozialdemokraten haben ja bereits bei der ersten Beschlussfassung dieser Pensionsregelung auf diese inhaltlichen Bedenken aufmerksam gemacht. – Sie von ÖVP und Freiheitlichen haben aber all das vom Tisch zu wischen versucht.

Wir Sozialdemokraten haben – wie viele andere auch – auf die verfassungsrechtlich bedenkliche Regelung aufmerksam gemacht. – Sie von ÖVP und Freiheitlichen haben das jedoch schlicht und einfach negiert. Sie von den Regierungsparteien haben die Chance, die Sie heute gehabt hätten, nämlich ein Gesetz zu formulieren, das sowohl inhaltlich als auch verfassungsrechtlich konform ist, nicht genützt. Dabei geht es nämlich nicht nur um formale, sondern vor allem auch um inhaltliche Fehler. Und das ist auch genau das, was die Menschen spüren, nämlich all die inhaltlichen Fehler dieser Vorlage, denn: Das führt zu Pensionskürzungen, führt bei den Witwenrenten zu massiven Verschlechterungen und so weiter.

Heute hätten Sie die Chance gehabt, all diese inhaltlichen Fehler, die sich nachhaltig gerade auf die ältere Generation auswirken, zu beseitigen, tun dies aber nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und Freiheitlichen, Sie haben diese Chance noch immer, wir geben sie Ihnen, und wir bringen einen Abänderungsantrag ein, den ich Ihnen nun zur Kenntnis bringen möchte, einen Abänderungsantrag mit der Zielsetzung der Rücknahme der plötzlichen Anhebung des Pensionsalters, der Rücknahme dieser Eingriffe in Pensionsrechte der Eisenbahner, vor allem auch des Entfalls der Erhöhung des Pensionsbeitrages. (Abg. Mag. Trattner: Wissen Sie eigentlich, wovon Sie reden?)

Unser Antrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mertel, Pendl und Genossinnen und Genossen zum Pensionsreformgesetz 2001 (699 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert.

1. Art. 1 Z 2 betreffend Einführung des § 15a BDG entfällt.

2. In Art. 1 Z 10 entfällt der Ausdruck "§ 15a samt Überschrift".

3. In Art. 2 entfällt Z 4; die verbleibenden Ziffern werden neu gereiht.

4. In Art. 2 Z 8 entfällt der Ausdruck "§ 22 Abs. 2".

5. In Art. 3 entfallen Z 10 und Z 27.

6. In Art. 3 Z 29 entfallen in Abs. 35 Z 1.a) die Ausdrücke "§ 9" und "§57 Abs. 2".

7. Art. 12 entfällt.

8. In Art. 6 entfällt Z 4 betreffend die Einführung des § 13b LDG.

9. In Art. 6 Z 10 entfällt der Ausdruck "§ 13b samt Überschrift,".

10. In Art. 7 entfällt die Z 4 betreffend die Einführung des § 13b LLDG.

11. In Art. 7 Z 10 entfällt der Ausdruck "§ 13b samt Überschrift".

*****


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Diesen Antrag bringe ich hiemit ein. Das klingt vielleicht sehr formal, aber dabei geht es ganz konkret darum, soziale Ungerechtigkeiten, die Sie geschaffen haben, zu beseitigen.

Auch diese Ihre neuerliche Beschlussfassung dieser doch mehr als bedenklichen Vorlage werden wir Sozialdemokraten beim Verfassungsgerichtshof anfechten. Uns geht es um die Inhalte, und wir sind gegen diese Ihre Ho-ruck-Aktion, was die plötzliche Anhebung des Pensionsalters betrifft. Vor allem aber geht es selbstverständlich auch um diese Unsachlichkeit, was die Hinterbliebenenpension anlangt, sind doch gerade Frauen von all diesen massiven Kürzungen bei den Hinterbliebenenpensionen betroffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin voller Zuversicht, dass wir bei dieser unserer neuerlichen Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof Recht bekommen werden – und dies auch deshalb, wenn ich mir etwa nur die Entscheidung im Zusammenhang mit der Zivildienstregelung ansehe, wo der Verfassungsgerichtshof all unsere Bedenken, die wir Ihnen damals schon dargelegt haben, voll geteilt hat. – Sie von der ÖVP und den Freiheitlichen haben das allerdings auch damals einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

Die Bedenken der Sozialdemokratie, der Opposition und der Bevölkerung werden Sie von ÖVP und Freiheitlichen in Zukunft nicht mehr vom Tisch wischen können! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichen Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher mit zur Verhandlung beziehungsweise Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

19.38

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Eigentlich muss man im Nachhinein Herrn Präsidenten Prinzhorn geradezu dankbar dafür sein, dass er durch seinen damaligen Abstimmungsfehler uns im Nationalrat die Chance gegeben hat, dass wir hier – allerdings nach einer Korrektur durch den Verfassungsgerichtshof – noch einmal die Möglichkeit haben, darüber zu diskutieren. Der einzige Punkt, wo ich Kollegin Bures ein bisschen widersprechen muss: Die Regierung hat diese Chance in einem ganz winzigen Teil genutzt, nämlich was die Übergangsbestimmungen anlangt, wo man ja inzwischen bemerkt hat, dass die Bestimmungen, die da jetzt korrigiert werden sollen, ganz offensichtlich nicht nur – wie bei der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof behauptet – rein formal, sondern auch inhaltlich verfassungswidrig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und Freiheitlichen! Sie geben damit schon zu, dass Sie vor rund sechs Monaten ein Gesetz beschlossen haben, das verfassungswidrig war, das nicht nur wegen formaler Fehler, sondern auch aus inhaltlichen Gründen aufgehoben wurde. Und das soll hier auch noch festgestellt sein. (Beifall bei den Grünen.)

Eine Anmerkung, Herr Kollege Kößl: Mit "Herz und Hirn" wird dieses Gesetz gemacht, haben Sie gemeint. Das "Hirn" haben wir im ersten Teil gerade abgehandelt: Es war nicht vorhanden, denn sonst müssten Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nicht aus formalen und jetzt aus inhaltlichen Gründen Verfassungswidrigkeit bei sich selbst feststellen. Wo war denn da das Hirn?

Und was dabei das "Herz" anlangt, darüber sprechen wir noch. Eine Bestimmung wie beispielsweise die Krankenstände damit zu argumentieren, dass Beamte um drei bis vier Tage im Durchschnitt länger im Krankenstand sind, nämlich über 14 Tage im Gegensatz zu 11 Tagen bei Arbeitern und Angestellten, und dann aus dieser Differenz zwischen Krankenständen im Privatbereich und im öffentlichen Dienst abzuleiten, dass jene, die schwer krank sind, bestraft werden sollen, das hat schon einiges für sich – allerdings an Zynismus, weniger aber an Herz, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Das spricht wirklich Bände!


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Die kurzfristigen Krankenstände, die bei einigen Tagen bis 14 Tagen oder drei Wochen liegen, das ist ein Kapitel – und die Differenz zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft ist ja interessant: In allen europäischen Ländern plagen sich die Wissenschafterinnen und Wissenschafter, diese Differenz zu erkunden und aufzuhellen, weil das eben nicht so einfach erklärbar ist, wie das von Ihnen getan wird, indem Sie sagen: Ja, ja, weil die sich das leisten können. – So einfach, wie Sie das darzustellen versuchen, ist das nämlich nicht!

Aber diese Differenz zwischen Kurzzeit- und Langzeitkrankenstand in Analogie zu setzen und zu sagen: Bestraft werden müssen jene, die länger als ein halbes Jahr krank sind!, das ist schon ein starkes Stück!

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Generationenvertrag und Generationenproblem; auch dazu sei uns eine Anmerkung gestattet. Sie von den Regierungsparteien haben sehr oft davon gesprochen, dass im Interesse des Generationenvertrages und um Generationenprobleme zu vermeiden, diese Regelungen notwendig seien. – Ich darf hiezu schon festhalten: Eine Korrektur des Pensionssystems, eine Harmonisierung der Pensionssysteme ist sicherlich wichtig und notwendig, setzt jedoch auch voraus, dass beim Dienstrecht nicht nur für Beamte und Vertragsbedienstete, sondern im Interesse einer Harmonisierung ein einigermaßen einheitliches Dienstrecht auch als Voraussetzung für die Harmonisierung im Pensionsbereich geschaffen wird. Das sind Sie von ÖVP und Freiheitlichen uns bis jetzt allerdings schuldig geblieben. Eine solche Harmonisierung kann sich nicht nur auf rechtliche Bestimmungen erstrecken, sondern muss eben auch auf gehaltsmäßige Harmonisierung zielen.

Da hat es ja bereits Bestrebungen in der vorigen Koalition gegeben, die offensichtlich irgendwo in den Irrungen und Wirrungen der Gewerkschaft öffentlicher Dienst gescheitert sind, und daher: Wenn Sie diesbezüglich einen Schritt setzen würden, nämlich einen in Richtung Harmonisierung, dann würde uns das noch immer ermöglichen, auch das Pensionsrecht der Beamten zeitgerecht zu harmonisieren. Das, was wir jetzt haben, ist nämlich keine Pensionsanpassung als Folge von Generationengerechtigkeit, sondern diese Pensionsanpassung, die Sie von den Koalitionsparteien jetzt wieder neu beschließen, ist eine infolge budgetärer Probleme. Halten Sie das doch bitte auseinander!

Auch dazu noch eine ganz kurze Anmerkung: Sie werden im öffentlichen Dienst, im Bereich der Beamtenpensionen umso mehr Probleme schaffen, je mehr Sie privatisieren, denn desto weniger gibt es eben Aktivbedienstete, die überhaupt Pensionsbeiträge abliefern können. Das heißt, Sie schaffen sich selbst immer wieder die Voraussetzungen für die nächste Begründung zu einer "Pensionsreform", weil eben immer weniger hereinkommt, wenn es immer weniger Beamte gibt.

Und: So einfach, Herr Kollege Trattner, ist die Wirklichkeit denn auch wieder nicht, wie es vielleicht manchmal durch die Parteibrille eines freiheitlichen Mandatars aussieht. (Beifall bei den Grünen.)

19.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wie bereits angekündigt, wird die Abstimmung hierüber auf einen späteren Zeitpunkt verlegt, und zwar werden wir diese nach der Abstimmung über die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung durchführen.

7. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (666 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden (737 der Beilagen)


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8. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (484 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (736 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Abgeordneter Dietachmayr zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

19.45

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses geplante Gesetz ist wieder einmal so ein typischer Fall: Zuerst schickt man einen Entwurf aus, dann geht davon eine Regierungsvorlage aus – so, und damit hat es sich! Im Ausschuss haben wir darüber diskutiert, dass es sicherlich Möglichkeiten gäbe, einen gemeinsamen Weg zu finden, dass auch die Zustimmung unserer Fraktion dazu möglich wäre.

Ziel ist – wieder einmal! – Ausgliederung und Privatisierung. Ziel ist offenbar die "Ausgliederung" der gesamten Personalkosten im Bereich der Zuerkennung des Insolvenz-Ausfallgeldes und der Verwaltung des IA-Fonds. Unter Beibehaltung der derzeitigen Organisationsform mittels Erstattung durch den Insolvenzausgleichsfonds könnte dieses Ziel auch bewerkstelligt werden. Die ursprünglich geplante Einbeziehung des Fonds in die Gesellschaft scheiterte wahrscheinlich an der zu erwartenden Überschuldung des Fonds wegen der verfassungswidrigen Entnahme von 5,8 Milliarden Schilling zugunsten des Budgets.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen, unter welchen Bedingungen wir unsere Zustimmung geben könnten: dann, wenn einige markante Punkte berücksichtigt werden; wenn beispielsweise ersichtlich wäre, dass mit diesem neuen Gesetz ein Ausbau der Kundenorientierung, ein Ausbau der Mitarbeiterorientierung zur Sicherung der Unternehmens- und Organisationsqualität erfolgen würde, wenn keine Kostenerhöhung oder -überwälzung auf Dritte im Zuge dieser Ausgliederung erfolgen würde und vor allem keine Leistungskürzungen als Vorbereitung beziehungsweise als Folge dieser Ausgliederung zu erwarten wären.

Nun zur Finanzierung. Anlauf- und Umstrukturierungskosten sowie deren Übernahme müssten durch den Bund erfolgen, eine Weitertragung der Personalkosten durch den Bund und vor allem die Leistung eines Verwaltungskostenbeitrages des Bundes an den IAF zur Abdeckung des Administrativaufwandes, um sicherzustellen, dass die Beiträge ausschließlich zur Anspruchsabdeckung im Sinne des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes zur Verfügung stehen. Das ist umso mehr berechtigt, als ja bereits im Jahre 2000 2 Milliarden Schilling und im Jahre 2001 3,7 Milliarden Schilling zur Budgetsanierung aus dem IAF abgezweigt wurden und gleichzeitig Leistungskürzungen, insbesondere Kürzungen etwa bei der Leistung von Verzugszinsen an die Arbeitnehmer, erfolgt sind.

Auch die regionale Erreichbarkeit – dazu wird später mein Kollege Dobnigg noch etwas sagen – müsste gesichert sein.

Was die Gesellschaftskonstruktion und deren Ziele anlangt: Auch da sollte eine Sicherstellung dahin gehend erfolgen, dass nicht Unternehmensziele verfolgt werden, die sich nachteilig auf die rasche Abwicklung eines IESG-Verfahrens auswirken; ebenso, dass keine Tochtergesellschaften gegründet werden, auch wenn es heißt, gewinnorientierte Geschäftsfelder können aufgebaut werden. Wer trägt dann das Risiko, wenn statt Gewinne auch einmal Verluste erwirtschaftet werden? – Also eine sehr unsichere Sache!

Es ist sicherzustellen, dass die Zielgruppe des IESG, die Arbeitnehmer, und die Leistungsverpflichteten, die Arbeitgeber, auch in die Unternehmenspolitik eingebunden werden. Daher unsere Forderung: Einbindung der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, also der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes, sowie der Wirtschaftskammer in den Aufsichtsrat!


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Auch eine Mitarbeiterorientierung wäre notwendig, und es wäre auf alle Fälle dafür zu sorgen, dass die Sicherung eines angemessenen Niveaus zum Leistungsrecht gegeben wäre.

Folgendes Problem könnte in diesem Zusammenhang miterledigt werden: Nach der Judikatur des OGH zahlt der Insolvenzausgleichsfonds kein Geld für jene Ansprüche, für die ein Veräußerer gemäß § 6 AVRAG haftet.

Das, meine Damen und Herren, führt in der Praxis zu enormen Schwierigkeiten, denn: der Veräußerer ist meistens nur unter Einsatz massiver Mittel, nämlich Klage oder Exekution, zur Zahlung bereit. Selbst wenn ohne Klage gezahlt wird, dauert das oft sehr, sehr lange, und die Leidtragenden sind die von der Insolvenz betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dietachmayr und GenossInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (666 d. B.): Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden (737 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Nach § 11 Abs. 1, 1. Satz wird folgender Satz eingefügt:

"Der Übergang erfasst auch Ansprüche gegen mithaftende Dritte, insbesondere im Fall des Übergangs eines Unternehmens oder Unternehmensteils, Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber."

*****

Mit dieser Ergänzung wird klargestellt, dass der Forderungsübergang auch allfällige Ansprüche der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an Dritte, insbesondere Haftungen allfälliger Unternehmens-, Betriebsvorgänger und -erwerber erfasst – eine Bestimmung, die allen betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute käme, denn diese müssten dann nicht selbst den Regressanspruch beantragen, sondern eben der Fonds, der sicherlich mehr Mittel und Möglichkeiten hat, das Geld zu bekommen.

In diesem Sinne würde ich Ihnen empfehlen, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit auch mit zur Verhandlung beziehungsweise Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

19.53

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist der Grund für ein Gesetz zur Gründung einer IAF-Service GmbH? – Der Grund ist einfach: Seit Jahren gibt es Zweifel an der Wirtschaftlichkeit, an der Effizienz des Vollzugs des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes, und zwar, wie ich meine, berechtigte Zweifel.


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Einerseits ist dies der Fall, weil eine Doppelgleisigkeit in der Verwaltungsstruktur besteht, das heißt, es ist die Zuständigkeit zweier Ministerien gegeben, und andererseits fehlt ein einheitliches und vernetztes Datensystem, das heißt, die entsprechende Datenerfassung und der elektronische Austausch von Informationen sind nicht gegeben.

Eine Vielzahl gleichartiger Geschäftsfälle lässt die elektronische Bearbeitung aus Effizienzgründen jedenfalls geboten erscheinen. Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, dass es ein erklärtes Ziel dieser Bundesregierung ist, die Verwaltung zu reformieren, im Bereich der Verwaltung einzusparen, Sparpotentiale aufzufinden und hier auch entsprechende Maßnahmen zu setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber die SPÖ wäre nicht die SPÖ, würde sie nicht destruktiv auftreten. Eineinhalb Jahre lang ist sie nun in Opposition, und nach diesen eineinhalb Jahren glaubt sie immer noch, als Nein-Sager-Partei bei der Bevölkerung, bei den Wählern reüssieren zu können.

Der von Kollegem Dietachmayr eingebrachte Abänderungsantrag und die Begründungen dazu veranlassen mich, einige Worte zu den Ausführungen meines Vorredners zu verlieren. Er spricht zum Beispiel von 5,8 Milliarden Schilling, die dem Budget zugeführt wurden. – Ich frage Sie: Von welchem Finanzminister spricht er? – Jedenfalls nicht vom Finanzminister Grasser. Richtig ist, dass die SPÖ mit ihrem sozialistischen Finanzminister sich nie davor gescheut hat, Fonds auszuräumen, um sie ins Budget einzubringen und dort entsprechende Löcher zu stopfen.

Kollege Dietachmayr spricht auch von der fehlenden Kundenorientierung, und er spricht davon, dass auch die regionale Erreichbarkeit nicht gegeben wäre. – Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der roten Nein-Sager-Partei, müssten vielmehr eingestehen: Wir haben es während unserer Zeit nicht geschafft, hier eine vernünftige Reform durchzuführen und Einsparungen vorzunehmen. – Ich finde, es stünde Ihnen gut an, anstelle von Fehlinformationen und destruktiver Verhaltensweise zumindest Stille walten zu lassen, bevor Sie mit derartigen Argumenten kommen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, in diesem Bereich Einsparungen vorzunehmen, haben es aber verabsäumt.

Zurück zur Regierungsvorlage. Die verfassungsrechtliche Konformität ist jedenfalls gegeben. Die Haftung – und das ist das Entscheidende – verbleibt im Fonds. Bei Umsetzung des Abänderungsantrags von Kollegem Dietachmayr, der den § 11 betrifft, würde hingegen Folgendes passieren: Der § 11 behandelt die Übergangsphase. Demnach würde die Haftung gegenüber Dritten in diese neu zu gründende IAF-Service GmbH übergehen, und es kann wohl nicht im Sinne der so genannten Arbeitnehmervertreter sein, die Haftung in diese GmbH zu verlagern.

Was wird auf Grund der vorliegenden Gesetzesänderung noch geschehen? – Es wird vor allem eine schnellere Abwicklung erfolgen, das heißt, der betroffene Arbeitnehmer wird künftig schneller zu seinem Geld kommen. Es ist angestrebt, statt der bisher üblichen sechs Monate die Bearbeitungszeit auf maximal vier Monate zu verkürzen.

Mit diesem neuen Gesetz wird außerdem die Möglichkeit gegeben sein, eine entsprechende Anpassung des Personalbedarfs vorzunehmen. Die angedeutete Standortreduktion im Sinne der Erreichbarkeit ist kein Thema, wenn man weiß, dass nur etwa 5 Prozent der betroffenen Arbeitnehmer – das heißt, Arbeitnehmer, die bei insolventen Betrieben tätig waren – einen dieser Standorte selbst aufsuchen. Und wenn man der Rechnung die Gesamtzahl aller Arbeitnehmer zugrunde legt, dann sieht man, es sind – Gott sei Dank – weniger als 0,1 Prozent.

In aller Kürze noch zum Patentanwaltsgesetz. Diese Regierungsvorlage ist ein erster Liberalisierungsschritt mit zwei wesentlichen Punkten. Es ist dies das Nachvollziehen einer EU-Richtlinie, und sie betrifft die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit.

In der EU gibt es in diesem Bereich keinen einheitlichen Berufsstand, obwohl die Kommission schon seit längerem verspricht, entsprechende Richtlinien zu erlassen. Patentanwälte gibt es nur in Österreich und in Deutschland. Wir sehen das Gesetz als Schutz für die Klienten, wobei aber darauf zu achten ist, dass es hier zu keiner Benachteiligung der Inländer, der Österreicher


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kommt. Ich möchte darauf hinweisen, dass in Deutschland Fachhochschulabsolventen Patentanwälte werden können, in Österreich jedoch nicht.

Als positiv werte ich auch, dass nunmehr Patentanwaltsgesellschaften gegründet werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

19.59

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Vorlage zum Patentanwaltsgesetz wird auch meine Fraktion die Zustimmung geben. Da braucht man nicht mehr viel hinzuzufügen. Allerdings: Der eigentliche Punkt, der hier zu diskutieren ist, ist ja bekanntlich ein anderer. Und ich kann nicht erkennen, wie es mit dieser Ausgliederung – und um eine solche handelt es sich ja – zu derart gravierenden Effizienzsteigerungen oder Einsparungen kommen könnte. Wenn dafür der Beweis erbracht würde, dann könnte man ja in der Tat nicht so viel dagegen haben.

Zunächst muss man einmal feststellen, dass es sich dabei im Wesentlichen um hoheitliche Tätigkeiten handelt, die in diesem Bereich zu besorgen sind, und dass diese sinnvollerweise nur in Ausnahmefällen auszugliedern sind und ausgegliedert werden können. Ich will dabei nicht auf die Frage der verfassungsrechtlichen Konformität eingehen. Sie behaupten, es werde halten. Ich weiß nicht, wie sehr ich Ihrer Prognosefähigkeit noch vertrauen soll, wenn ich an andere derartige Prognosen denke. Aber sei’s drum!

Die Fragestellung bleibt ja: Wird damit so viel gewonnen, wie hier versprochen wird? Nur dieser Frage möchte ich mich nunmehr zuwenden.

Mein Eindruck ist, dass da im Wesentlichen nur Beamte umgeschichtet werden. Es gibt kaum Anreizeffekte, die hoffen lassen, dass die neue GmbH die Arbeit um so viel günstiger erledigen kann als das, was das jetzige System kostet. Das ist schwer erkennbar. Aber vielleicht wird der Herr Minister uns noch darüber Auskunft geben, zumal ja eine entsprechende Betriebsberatungs-Consultingfirma mit entsprechenden Aufträgen versehen worden ist. Im Ausschuss hat mich die Argumentation jedenfalls noch nicht überzeugt. Aber Sie haben ja dann gleich Gelegenheit dazu, Herr Minister.

Die Refundierungspflicht, die zum Beispiel im Wechselverhältnis zwischen Fonds und GmbH existiert, nimmt ja in Wirklichkeit jede Anreizwirkung, was dieses Ihr Vorhaben betrifft. Und dass es nicht so ist, dass ich mir das allein einbilde, ist dadurch belegbar, dass auch die Stellungnahme des Rechnungshofes so ausgefallen ist. Und ich habe im Ausschuss nicht wirklich den Eindruck gewinnen können, dass Sie das plausibel widerlegen wollten – oder auch könnten; Sie können sich aussuchen, welches Wort Ihnen lieber ist.

Kommen wir zur abschließenden Bewertung des Rechnungshofes in dieser Frage. Darin heißt es, in der Summe seien durch diese Organisation eher Mehrkosten zu erwarten. – Ich wiederhole: mehr Kosten! Na bitte, wo ist jetzt der Erfolg dieser Übung? – Da kann man ja gespannt sein.

Ich glaube, man muss einmal festhalten, wer bis jetzt von all diesen Vorgängen in Wirklichkeit profitiert hat. Das ist zunächst einmal jedenfalls die Betriebsberatungsfirma, die hiefür entsprechende Aufträge – im Übrigen korrekterweise mit einer Ausschreibung; das füge ich schon hinzu – erhalten hat. Ich wende mich nicht dagegen, dass öffentliche Institutionen von Betriebsberatungsfirmen dahin gehend geprüft werden, wie verbessert organisiert werden könnte. Aber der Erfolg dieser Bemühungen scheint mir eher sehr gering zu sein.

Was mir besonders interessant zu sein scheint, ist die Frage, warum mittlerweile in regelmäßigen Abständen bestimmte – und wie sich herausstellt, immer öfter dieselben – Rechtsanwaltsbüros Aufträge von Ministerien bekommen, um letztlich Gesetzentwürfe zu formulieren.


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Das stimmt mich schön langsam sehr nachdenklich, weil ich mir ja nicht vorstellen kann, dass nach dem Regierungswechsel die Beamtenschaft in den Ministerien, allenfalls sogar die zahlreichen und nicht allzu schlecht honorierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetts, mehr oder weniger über Nacht so viel unfähiger geworden sind! Ich kann mir das nicht wirklich vorstellen. (Abg. Öllinger: Ich auch nicht!)

Es ist meines Erachtens schon bedenklich, wenn immer wieder die gleichen Anwaltsbüros zum Zug kommen! Etwa in der Frage der AMS-Ausgliederung und auch in der Frage der ASVG-Novelle ist es wiederum die gleiche Rechtsanwaltskanzlei. Das muss per se und grundsätzlich im Einzelfall auch noch nicht verwerflich und von der Opposition zu geißeln sein, obwohl das ja an sich unser Job wäre. Aber ich muss Sie schon fragen, Herr Minister: Wie erklären Sie das in dieser Dichte? (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. )

Das war genau differenziert und nicht pauschal. Aber wenn du dabei munter wirst, soll es mich freuen. Die Dringliche Anfrage war sehr erfolgreich, aber offensichtlich hast du die "ZiB" nicht gesehen, und der Westenthaler war zu lange im Heizkeller und konnte heute nicht intervenieren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Drei zu null für die Regierung!)

Jedenfalls findet sich die gleiche Firma bei der AMS-Ausgliederung, bei der ASVG-Novelle und auch bei der heutigen Vorlage. Ich glaube, das braucht einmal eine Erklärung. Bitte, Herr Minister, erklären Sie sich! (Beifall bei den Grünen.)

20.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte.

20.05

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich werde in meiner Rede kurz auf beide Vorlagen eingehen: zunächst auf das IAF-Service-GmbH-Gesetz und dann auf das Patentanwaltsgesetz.

Zum Ersten: Für die österreichische Sozialpolitik war das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz im Jahre 1977 sicher ein wichtiger Meilenstein. Durch dieses Bundesgesetz erhalten seit nunmehr 24 Jahren Arbeitnehmer im Konkursfall das so genannte Insolvenz-Ausfallgeld. Der größte Teil der Mittel stammt, wie Sie alle wissen, aus dem vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages.

Der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds wird derzeit durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft vertreten. Die Administration hingegen erfolgt derzeit durch die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen, die dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen unterstellt sind. Die Einnahmen betrugen im letzten Jahr 5,26 Milliarden, die Auszahlungen 2,93 Milliarden Schilling. Allein in den letzten 13 Jahren wurden 32 Milliarden Schilling an die Dienstnehmer ausbezahlt.

Hohes Haus! Obwohl sich der Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds bewährt hat, gibt es heute verbesserungswürdige Punkte, bedingt durch – ich glaube, das wurde aus den vorhergehenden Sätzen schon klar – die Zuständigkeit von zwei Ministerien, durch die damit verbundene Doppelgleisigkeit, durch die dadurch entstehenden strukturorganisatorischen Probleme, durch die damit verbundenen starren und oft langen Entscheidungsstrukturen, durch das Fehlen eines effizienten, vernetzten Datenerfassungs- und Informationssystems und durch die daher oft langen Wartezeiten für die Arbeitnehmer bis zur Auszahlung des Insolvenzentgeltes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn das alles keine Gründe dafür sind, sich damit zu beschäftigen und das System effizienter zu machen, dann weiß ich nicht mehr, womit wir uns letzten Endes beschäftigen sollten.

Im Rahmen der Neugestaltung der Verwaltung – aber ich möchte feststellen, die Leistung bleibt unverändert! –, nämlich der Ausgliederung der Administration aus dem Insolvenz-Entgeltsiche


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rungsfonds werden auch die zerrissenen Aufsichtsstrukturen vom Wirtschaftsministerium einerseits und vom Sozialministerium andererseits vereinheitlicht, brachliegende Synergiepotentiale genutzt und letzten Endes auch eine Entlastung des Bundeshaushaltes durchgeführt.

Ganz wesentlich – und darauf wurde ja hingewiesen – ist natürlich auch die Frage der verfassungsmäßigen Zulässigkeit der Ausgliederung. Daher wurde besonderes Augenmerk auf die Verfassungsmäßigkeit von fünf speziellen Bereichen gelegt, nämlich hinsichtlich der Kompetenzverteilung, hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes, hinsichtlich des Effizienzgrundsatzes, hinsichtlich der Ausgliederung bloß eines Teiles und natürlich auch hinsichtlich der Leitungsbefugnis.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auch zum Procedere etwas sagen, weil diese Frage auch von Kollegem Dietachmayr angeschnitten worden ist. Gerade Herr Abgeordneter Dietachmayr hat ja im Wirtschaftsausschuss einen Abänderungsantrag – gleich lautend wie der heutige – bezüglich des § 11 Abs. 1, der die Ansprüche gegen mithaftende Dritte behandelt, eingebracht, mit dem Hinweis – oder vielleicht sollte man besser sagen, den Eindruck erweckend –, dass bei Zustimmung der Regierungsparteien auch die SPÖ der Vorlage zum IAF-Service-GmbH-Gesetz zustimmen würde.

Der Antrag wurde im Wirtschaftsausschuss abgelehnt. ÖVP und FPÖ waren aber grundsätzlich bereit, mit Herrn Abgeordnetem Dietachmayr und weiteren von ihm noch zu nennenden Kollegen zu diskutieren. Dies wurde jedoch unmöglich gemacht, da die SPÖ am Montag einen zweiseitigen Forderungskatalog übermittelte, der das vorliegende Gesetz grundsätzlich in Frage stellte. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.)

Gleichzeitig – meine sehr verehrten Damen und Herren, hören Sie jetzt bitte sehr gut zu! – hat der übermittelnde SPÖ-Mann – ich nehme an, er war Klubsekretär – im Rahmen der Übergabe des Papiers gleich mitgeteilt, dass er beziehungsweise die SPÖ davon ausgehe, dass die Regierungsparteien diesen SPÖ-Forderungen ohnehin nicht zustimmen können und dass, wenn wir uns zusammensetzen würden, das ohnehin nur leere Kilometer wären. (Abg. Böhacker: Das ist interessant!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, eine Diskussion hat sich damit erübrigt. Die SPÖ hat wieder ihr wahres Gesicht gezeigt, nämlich, dass es ihr nicht um die Verbesserung dieses Gesetzes geht, sondern dass sie Totalopposition betreiben will, wie sie das ja macht – innovationshemmend, strukturkonservativ und mit Volldampf immer in die Vergangenheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Zweiten einige Ausführungen zum Patentanwaltsgesetz. Mit diesem Gesetz werden wesentliche Schritte in Richtung einer Liberalisierung gesetzt, und es wird damit auch den EU-Erfordernissen Rechnung getragen.

Wir haben viele Punkte erledigt. Eine siebenjährige Praxis im gewerblichen Rechtsschutz wird einer fünfjährigen Praxis als Patentanwaltsanwärter gleichgestellt. Einem Patentanwalt wird es künftig erlaubt sein, ein Dienstverhältnis, dessen Gegenstand die Tätigkeit eines Patentanwaltes umfasst, einzugehen. Patentanwälte können künftig ihren Beruf auch in Form von Gesellschaften ausüben. Der österreichische Wohnsitz ist nicht unbedingt notwendig. Und neue Bereiche wurden in die Eignungsprüfung der Patentanwälte aufgenommen.

Ich glaube, dass wir damit den Liberalisierungsintentionen der Europäischen Union Rechnung getragen haben, nämlich der Absicht, die Zugangsmöglichkeiten für Patentanwälte zu verbessern, zu erleichtern, und damit werden sicherlich auch wichtige Impulse für die österreichische Wirtschaft gesetzt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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20.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

20.11

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Gegen die beabsichtigte Gründung einer IAF-Service GmbH im Rahmen des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds ist grundsätzlich auch unsererseits nichts einzuwenden. Es sind aber doch einige entscheidende Punkte in diesem heute zu beschließenden Gesetz enthalten, welche für die Betroffenen vor allem Verschlechterungen mit sich bringen. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Welche "Verschlechterungen"?) Deshalb können wir dieser Vorlage keine Zustimmung geben.

Es war leider nicht möglich, Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, mit sachlichen und untermauerten Argumenten zu überzeugen und doch noch einige Änderungen herbeizuführen. Nicht nur wir von der SPÖ, sondern auch Experten, etwa vergangenen Freitag im Wirtschaftsausschuss, und vor allem der Rechnungshof – wir haben es heute von Kollegem Kogler schon vernommen – haben sehr kritische Stellungnahmen dazu abgegeben. Wir haben gemeinsam versucht, die erwähnten Verschlechterungen (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Welche?) wegzubringen, um die Nachteile für die Kolleginnen und Kollegen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verhindern.

In seinen Ausführungen stellt der Rechnungshof zunächst fest, dass die erwähnten Personalkosteneinsparungen von etwa 7 Millionen j nicht auf einer Kostensenkung beruhen, sondern eine Verschiebung der Belastungen vom Bund auf den Fonds darstellen. Aus Sicht des Rechnungshofes lässt die geplante Neuorganisation gegenüber der jetzigen Struktur – auch das haben wir schon gehört – eher Mehrkosten erwarten.

In diesem Zusammenhang weist der Rechnungshof auch darauf hin, dass zur Vorbereitung der gegenständlichen Ausgliederung bereits drei Werkverträge im Umfang von sage und schreibe 5,6 Millionen Schilling vergeben wurden. Den Erfordernissen des § 14 BHG wird damit, so der Rechnungshof, nicht entsprochen.

In der abschließenden Feststellung des Rechnungshofes heißt es: Die Erläuterungen zum Entwurf vermögen nicht überzeugend darzulegen, dass die vorgesehene Ausgliederung die beste Maßnahme zur Erhöhung der Effektivität und der Effizienz im Bereich der Insolvenz-Entgeltsicherung darstellt. – Diese vom Rechnungshof aufgezeigten Kritikpunkte beschränken sich großteils auf das Finanzielle.

Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sehen aber in erster Linie die Menschen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und für diese treten leider wieder, wie in der Vergangenheit leider immer öfter, große Verschlechterungen ein. Gut funktionierende und bestens eingearbeitete Standorte werden geschlossen. Es kommt zu einer Zerschlagung auf Kosten und zu Lasten der bereits schwer getroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Dadurch, dass die Gehälter in Zukunft aus dem Fonds bezahlt werden sollen, entsteht nämlich die Gefahr, dass dieser Fonds – der ausschließlich der Abdeckung der Ansprüche der betroffenen Personen dienen sollte – einmal ausgeräumt wird. Diese Gefahr besteht, und die Sorge ist mehr als berechtigt, da doch im Jahr 2000 bereits 2 Milliarden Schilling und im Jahre 2001 3,7 Milliarden Schilling zur Budgetsanierung aus dem IAF abgezweigt wurden beziehungsweise werden und gleichzeitig Leistungskürzungen, insbesondere Kürzungen der Leistungen für die Arbeitnehmer, erfolgt sind.

Abkassieren auf Kosten jener Personen, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes ohnehin schon genug Probleme und Schwierigkeiten haben – so schaut die Wirklichkeit, die Realität leider aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokraten fordern die Aufrechterhaltung der Standorte Leoben, Wiener Neustadt, Bregenz beziehungsweise aller bisher aktuellen Standorte sowie eine Änderung der Zuständigkeit der Bezirke Gmunden und Vöcklabruck von Ried nach Linz. Als Abgeordneter des Bezirkes Leoben ist es mir völlig unverständlich (Abg. Kopf: Ach so! Daher weht der Wind!), dass auch dieser Standort geschlossen wird. Aber welche Argumente sprechen für die Standorterhaltung?


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Erstens: Der Standort Leoben wurde von der Beraterfirma BSL, was das Verhältnis zwischen Mitarbeiterzahl und Enderledigung betrifft, sehr positiv erwähnt.

Zweitens: Der Sprengel des Landesgerichtes Leoben, für den die derzeitige IESG-Stelle Leoben zuständig ist, ist mit 17 Bezirksgerichten der größte von Österreich.

Drittens: Sämtliche Agenden, die den Vollzug des IESG und die Wahrnehmung der Aufgaben für den IAF betreffen, können direkt vor Ort beim Landesgericht Leoben, beim Finanzamt, beim AMS, bei der Bezirkshauptmannschaft und beim Insolvenzschutzverband durchgeführt werden.

Viertens: Durch die Zusammenlegung mit der IESG-Stelle Graz gehen diese Vorzüge verloren.

Fünftens: Man spricht – und da bin ich Ihrer Meinung, Kollege Hofmann – von der notwendigen Verbesserung im EDV-Bereich. Dies begrüße ich, und da stehen wir auch dahinter, denn mittels einer entsprechenden EDV bestünde die Möglichkeit, Daten bei beiden Stellen zu bearbeiten und von einer Stelle zur anderen zu übermitteln, sich gegenseitig nach Bedarf auszuhelfen, um so eine raschere Abwicklung zu erreichen, sodass nicht, wie geplant, die Bediensteten von A nach B fahren und vor allem die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lange Fahrstrecken auf sich nehmen müssen.

Im Fall Leoben habe ich, als ich von der geplanten Schließung dieser IESG-Stelle erfahren hatte, die Initiative ergriffen und die Kollegen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Udo Grollitsch sowie ÖVP-Bundesrat Hannes Missethon zu einer Aussprache mit den Beschäftigten vorgeladen. Wir drei waren uns darüber einig, dass der IESG-Standort Leoben auf Grund meiner vorhin erwähnten Argumente unbedingt erhalten bleiben muss.

Darüber hinaus spielen – und dies gilt vor allem auch für die anderen Standorte – auch die Kundennähe und das Kundenservice eine entsprechend große Rolle. Diese meine Argumente fanden beim Hearing am vergangenen Freitag im Wirtschaftsausschuss bei Kollegem Wallner von der AK-Wien ebenfalls volle Zustimmung. Beide Mandatare, sowohl Udo Grollitsch – er ist leider heute wieder nicht anwesend, aber er wird mir beipflichten (Abg. Dr. Grollitsch: Hier bin ich! – Abg. Böhacker: Er ist immer da! – Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Obwohl heute keine Vorladung gekommen ist!); Entschuldigung, Udo, passt! – als auch Hannes Missethon, versprachen, bei den Ministerien vorstellig zu werden, um so eine Schließung zu verhindern.

In einer großen Überschrift hieß es am 15. März in der Bezirksausgabe der "Kleinen Zeitung": "Die Sorge ist aus meiner Sicht unbegründet". Im Artikel heißt es – ich zitiere –:

"Auf die Außenstelle in Leoben komme aufgrund von Umstrukturierungen in Zukunft jede Menge an neuen Aufgaben zu, was wahrscheinlich sogar zu einer Neuaufnahme an qualifiziertem Personal führen werde und nicht zu einem Abbau, ist Grollitsch überzeugt. ,Die Sorge um die Außenstelle ist aus meiner Sicht unbegründet‘, so der Freiheitliche." – Zitatende.

Gekommen ist es, wie wir heute sehen, jedoch anders. Hier sieht man die Doppelzüngigkeit: diese Aussagen vor Ort und dann die gegenteiligen Handlungen hier im Parlament. Was haben Sie von den Regierungsparteien den Wählerinnen und Wählern vor der letzten Nationalratswahl alles versprochen! Sie haben, wie man nun in den letzten Tagen und Wochen gesehen hat, alles gebrochen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich hoffe, dass es doch noch zu einem Einlenken kommt. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

20.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Bauer. – Bitte.

20.20

Abgeordneter Ing. Gerhard Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Vielleicht beginne ich am besten damit, dass ich sage: Zweckpessimismus, Kleingeister, der stets verneinende Geist und "was nicht sein kann, das darf nicht sein!" – das ist das, was ich mir von Ihrer Seite her als "sachfundiertes Wissen" anhören muss!


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74. Sitzung / Seite 187

Wir wollen zunächst einmal festhalten, dass das Insolvenz-Ausfallgeld, eine Begleiterscheinung konjunkturbedingter negativer Einflüsse, der gesetzmäßige Anspruch auf übergangene und daher noch offene Forderungen bei insolventen Unternehmen ist. – Darüber sind wir uns wohl einig. Dass es sich hier um Humankapital handelt, das als Bekenntnis zur Sicherung von Dienstnehmerforderungen eindeutig eine soziale Errungenschaft ist, hat Kollege Puttinger schon festgestellt. Das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geht auf das Jahr 1977 zurück.

Ich habe überhaupt kein Problem, wenn wir hier von einer so genannten Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Service GmbH, kurz IAF-Service GmbH, sprechen, denn diese soll eigentlich die vorher angesprochene Errungenschaft effizienter gestalten. So einfach ist das! (Abg. Mag. Kogler: Ja eh, aber funktionieren tut es nicht!) Die Zielsetzung besteht in erster Linie in der Realisierung eines Einsparungspotentials in der Verwaltung. Der Wunsch, den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds auszugliedern und eine marktgerechte Effizienz und eine serviceorientierte Gestaltung zu erreichen, ist nur recht und billig. (Abg. Öllinger: Und wo ist der Markt?)

Die Regierung erwartet sich von dieser Ausgliederung einer ... (Abg. Mag. Kogler: Welcher Markt, Herr Kollege?) Bitte? (Abg. Mag. Kogler: Welcher Markt? Wie viele Anbieter gibt es auf diesem Markt?) Da brauche ich doch nicht weiß Gott wie viele Anbieter! (Heiterkeit der Abg. Dr. Lichtenberger. ) Es ist ganz einfach eine Ausgliederung aus einer Ministerialverwaltung, um eine erhebliche Verkürzung des Zeitraums von der Antragstellung bis zur bescheidmäßigen Zuerkennung des Anspruches zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Eder: ... ein Markt?)

Wir wissen doch alle – oder wenn Sie es nicht wissen, dann darf ich es Ihnen sagen –, dass dieser Zeitraum derzeit im Durchschnitt sechs bis sechseinhalb Monate beträgt. Wir werden das auf die Hälfte verkürzen, und ich glaube, das ist auch erreichbar. Das ganze System wird hier so kompliziert dargestellt, aber es ist doch ganz einfach! Damit Sie es verstehen, erkläre ich es noch einmal: Der Fonds ist zurzeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtet, der Vollzug des Insolvenz-Ausfallgeldes erfolgt jedoch zurzeit im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen. Und nur diesen Vollzug wollen wir in eine IAF-Service GmbH ausgliedern und dorthin übertragen. (Abg. Mag. Kogler: Ja, das haben wir eh verstanden!) Wer haftet? – Natürlich weiterhin der Fonds! Es ändert sich nichts am Leistungsrecht, ganz im Gegenteil: Es könnte, wenn Sie das so sehen wollen, einer GmbH dann auch freigestellt sein, zusätzliche Leistungen zu verkaufen – wie etwa Versicherungen oder auf Zinsenlukrierung ausgerichtete Leistungen.

Ich betone nochmals: Die Ansprüche gegenüber dem Fonds als einer Körperschaft öffentlichen Rechts bleiben unverändert, und es haftet dafür logischerweise der Bund! Nur das Administrativverfahren – so einfach ist das, Herr Kollege! – wollen wir ausgliedern, wobei das Weisungsrecht des Wirtschaftsministeriums nach wie vor bestehen bleibt. (Abg. Eder: Das ist ja nichts Neues!) Wenn wir heute eine GmbH gründen und das Stammkapital eingebracht haben, dann kann das sofort eröffnet werden! Und sie ist tatsächlich insolvenzfest, weil eben der Fonds die Mittel bereitzustellen hat und dadurch die GmbH speist!

Weil Sie die Situation im Hinblick auf die derzeitigen Vertragsbediensteten als so kompliziert dargestellt haben: Mein Gott! Es muss uns doch nach dem Arbeitsverfassungsrecht unbenommen sein, diese Vertragsbediensteten mit all ihren Rechten dorthin zu übernehmen, und vielleicht verbessern sie sich ihre Bedingungen sogar, wenn sie einen Teil der ihnen auf Grund von direkten Vereinbarungen gewährten Benefizien sogar noch gegen Lohnerhöhungen eintauschen können! Und für die Beamtenregelungen wird extra gesorgt. (Abg. Mag. Kogler: Ja!)

Fest steht, dass derzeit zwei Ministerien in diese Angelegenheit involviert sind und dass eine GmbH besser in der Lage ist, Verwaltungskompetenz zu bündeln und Kommunikationsprobleme zwischen dem Wirtschafts- und dem Sozialressort zu überbrücken. Dadurch können wir Doppelgleisigkeiten vermeiden, die durch die parallelen Strukturen gegeben sind. (Abg. Öllinger: Ah!) Immerhin haben wir dort 5 Milliarden Schilling zu bewegen, und da wäre mehr Kostentransparenz und weniger Verwaltung, auch im Zusammenhang mit den Begutachtungsverfahren, ganz sicher von Vorteil.


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Und wenn Sie die Standards ansprechen: Zwölf Standards ... – Standorte waren es bisher, und nachweislich haben sich nicht mehr als 5 Prozent der Arbeitnehmer ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Da ist ein Unterschied zwischen "Standort" und "Standard"!) Standorte – Sie müssen nur genau zuhören!

Nur 5 Prozent der Arbeitnehmer haben diesen direkten Weg beschritten, der Rest spielte sich sowieso über Gerichte und Arbeiterkammern und in weiterer Folge dann per Fax und E-Mail ab. Wenn wir heute sagen, wir reduzieren auf neun Geschäftsstellen und Zweigniederlassungen: Mein Gott! Der Antrag kann bei jedem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds und bei jedem Konkursgericht eingebracht werden, und die zuständige Geschäftsstelle wird den Fall entsprechend bearbeiten!

Nutzwertanalysen und Kostenstellenrechnungen werden wahrscheinlich zu neuen Unternehmenskonzepten führen. Ich sehe überhaupt kein Problem darin, dass wir das einer Rationalisierung zuführen. Wenn dadurch Kameralistik eingespart wird, wenn wir eine Ausdünnung in der Weisungshierarchie erreichen, dann haben wir mehr Zufriedenheit bei den Arbeitnehmern und eine schnellere Abwicklung. Und – hier komme ich nochmals auf den Herrn Minister zurück (Abg. Mag. Kogler: Was heißt "zurück"? Er war ja noch gar nicht da!)  – dann könnte ich mir durch eine solche Straffung auch eine Senkung der Lohnnebenkosten vorstellen, indem der Beitrag von 0,7 Prozent der Bruttolohnsumme vielleicht auf 0,5 Prozent zurückgeführt wird. Ich glaube, das haben Sie sogar schon einmal angedeutet.

Auch ich befürworte also die Ausgliederung des Vollzugsbereichs. Die Zweckgebundenheit des Fonds bleibt ja weiterhin aufrecht. Und wenn Sie von Herz sprechen, dann fassen Sie sich ein Herz und fragen Sie einmal den Herrn Ex-Minister Edlinger, wie er es mit der Zweckgebundenheit des Fonds gehalten hat! – Wir jedenfalls halten es so, dass wir hier wieder Geld hineinbekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

20.27

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Bauer hat momentan nicht die Zeit, mir zu folgen, aber ich hätte gegen seinen überzeugenden Vortrag schon gerne eingewandt, dass das, was er behauptet, nämlich dass ihm die Unternehmensberatungsfirma offensichtlich in sehr einleuchtender Weise erklärt hat, dass eine Reduktion im Vollzug um die Hälfte möglich sei, so nicht stimmt: Sechseinhalb minus zwei Monate – und die Unternehmensberatungsfirma hat gesagt, es ist möglich, um zwei Monate zu reduzieren – ist nicht dasselbe wie sechseinhalb durch zwei. Da kommt ein anderes Ergebnis heraus. Insofern, auch wenn man dieser optimistischen Prognose der Unternehmensberatung folgen möchte – was der Rechnungshof nicht tut, der befürchtet ja anderes ... (Abg. Kopf: Das ist die "entscheidende" Frage: ob es jetzt vier Monate sind oder drei!)

Nun, das macht schon einen Unterschied aus. Es macht einen Unterschied! (Abg. Kopf: Jawohl! Ja!) Und es sind dann nicht vier Monate, sondern es sind viereinhalb Monate: sechseinhalb minus zwei. – Wir nehmen es sehr genau mit der Wahrheit! (Abg. Kopf: Okay!) Aber das ist eigentlich nicht der Punkt.

Ich habe den Bericht des Wirtschaftsausschusses fast "süß" gefunden, in dem als Begründung, warum das sein muss, drinnen steht, das Ganze sei darauf zurückzuführen, dass erstens zwei verschiedene Ministerien damit befasst sind und dass zweitens das Bundessozialamt eine räumliche und sachliche Gemengelage hat. Ich hätte den Unternehmensberatern eigentlich gerne empfohlen, das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit auf seine sachliche – möglicherweise auch auf die räumliche – Gemengelage hin näher zu untersuchen. Da wären sie wahrscheinlich erheblich fündiger geworden, obwohl der Minister um einiges trauriger geworden wäre, denn dann hätte sich vermutlich nicht diese Kumulation – mit der Sie ja sehr einverstanden sind und die Sie angestrebt haben – in einem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit daraus ergeben. Das macht nicht nur eine räumliche und sachliche Gemengelage, sondern


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auch eine ordentliche Interessendivergenz aus, was Ihr Ministerium, nämlich das für Wirtschaft und Arbeit, da begründet. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das glauben Sie! )

Sie glauben das anders, aber mein Wissen stützt sich nicht auf Glauben – vielleicht im Unterschied zu dem Ihren –, sondern da bin ich mir einfach ganz klar in dieser Frage (Abg. Kopf: Sie glauben, sicher zu wissen!): dass ein Wirtschaftsminister – und ich habe Ihnen das Beispiel schon genannt, und die Interpretation stammt auch nicht von mir, es ist also nicht auf meinem Mist gewachsen –, der einerseits Betriebsanlagen in oberster Instanz zu genehmigen hat und andererseits Einsprüche gegen Betriebsanlagengenehmigungen von Seiten der Arbeitsinspektion in oberster Instanz zu entscheiden hat, dann vor dem Höchstgericht eigentlich nur als Wirtschaftsminister gegen den Arbeitsminister auftreten kann – und das wird er nicht tun, schon gar nicht Herr Bartenstein, würde ich einmal meinen! (Beifall bei den Grünen.)

Das zeigen Sie mir einmal, Herr Minister, dass Sie dann hier hergehen und sagen: Ich spreche mich hier als Arbeitsminister Bartenstein klar dafür aus, und ich will, dass das Wirtschaftsministerium – also Bartenstein – in dem Verfahren unterliegt. – Das hätte ich gerne einmal von Ihnen gehört!

Ich fürchte, wir werden das nicht bis zum Exzess ausreizen können, weil vorher schon die Gemengelage – die räumliche, sachliche und interessenmäßige Gemengelage – zwischen dem Wirtschaftsminister und dem Arbeitsminister eintritt und das Verfahren vorher schon ziemlich unentschieden ausgehen wird oder sich "vermengen" wird.

Aber, Herr Bundesminister, nachdem Sie sich zu Wort gemeldet haben, hätte ich gerne noch eine Frage an Sie gerichtet, und zwar in Bezug auf ein Problem, das im Rechnungshofbericht – und mein Kollege Werner Kogler hat dankenswerterweise schon darauf hingewiesen – angesprochen wird. Sie haben ja in Ihrem Ministerium sehr gute Beamte – auch die, die den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds betreut haben, sind sehr gute Beamte, und da sie sich offensichtlich entweder in den Fonds weitervertschüssen müssen oder im Ministerium bleiben, möchte ich ihnen auch für ihre bisherige Arbeit danken; aber ich spreche in diesem Fall jetzt von jenen auch sehr guten Personen, die in der Legistik tätig sind –, und da stelle ich mir schon die Frage, ob das wirklich die Zukunft der ministeriellen Tätigkeit ist, dass das, was man eigentlich am besten im Ministerium machen könnte und machen müsste, nämlich die Legistik zu den Gesetzen – außer Sie geben das uns, dem Parlament, oder den Grünen als Oppositionspartei, dann können wir darüber reden –, in eine Anwaltskanzlei ausgelagert werden muss.

Das war ja schon wieder der Fall: Jetzt haben wir die ASVG-Novelle ausgelagert, wir haben ausgelagert ... (Abg. Kopf: Ein Argument dagegen!) – Ein Argument dagegen wollen Sie? – Zehn Argumente könnte ich Ihnen bringen (Abg. Mag. Kogler: ... kann man das Ministerbüro um die Hälfte kürzen!), aber das Licht blinkt schon und meine Redezeit ist nicht mehr so lang. Sie selbst, Herr Kollege Kopf, beziehungsweise die Ihre Interessen vertretende Abteilung innerhalb der ÖVP liefert ja Argumente gegen das, was die Herrschaften von der Kanzlei Schönherr/Barfuss/Torggler & Partner produzieren! (Abg. Kopf: Gegen Inhalte ...!) Inhalte? Ja, das denke ich mir. Ich würde doch meinen, Herr Kollege, dass das Ministerium nicht eine derartige Legistik machen würde, und auch das, was der Wirtschaftsausschuss da an Argumenten übernimmt, stammt aus ein und demselben Topf, meine Damen und Herren! Gerade die Gemengelage hier anzuführen, obwohl man weiß, dass eigentlich das Ministerium das Problem mit der Gemengelage hat, das ist, so kann ich es nur nennen, naiv – wirklich naiv, wie es von einer Kanzlei stammen kann, die halt einen beschränkten Auftrag hat und das dabei feststellt, das aber nicht feststellen kann und nicht will, weil es ja das Ministerium ist, von dem sie ja den Auftrag erhält. Man müsste sich das eigentlich, wenn man es ernst nimmt, schon etwas grundsätzlicher ansehen, dann würde man vielleicht draufkommen, dass die Gemengelage auf Grund der ministeriellen Kompetenzen zustande kommt.

Aber da war ich nicht. Ich bin bei der Kanzlei Schönherr/Barfuss/Torggler, und ich hätte gerne noch vom Herrn Bundesminister gewusst, ob sich die auch vom Rechnungshof genannten Summen von zirka 5 Millionen und noch einigen zerdrückten hunderttausend Schilling jetzt auf die Kanzlei Schönherr/Barfuss/Torggler und auf das, was sie an Vorarbeiten geliefert hat,


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beziehen oder ob hier noch andere Aufträge, sozusagen zusätzlich zu den 5 Millionen, hinzukommen.

Und im Übrigen, Herr Bundeskanzler, der Rechnungshof, mit dem ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Bundesminister!) – Herr Bundesminister! – Ach, dass mir das passieren kann, dass ich Sie schon mit dem Bundeskanzler verwechsle! (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Der Rechnungshof liefert wirklich wertvolle und wichtige Argumente, warum mit demselben Effekt – und das wäre eigentlich der Stolz eines Ministers – ein Amt das Gleiche liefern könnte, wenn man es nur ließe und wenn man ihm jene Organisationsmöglichkeiten gäbe, die durchaus auch im Rahmen einer ministerialen Verwaltung möglich sind. Es würde mit Sicherheit dieselben, wenn nicht bessere Ergebnisse und auch eine bessere Kontrolle durch das Parlament ermöglichen, als das bei einer ausgelagerten GesmbH, die noch dazu Tochterfirmen gründen kann und bei der offensichtlich nicht einmal sicher ist, ob nicht auch Gesellschaftsanteile veräußert werden können, der Fall ist. (Beifall bei den Grünen.)

20.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

20.35

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Öllinger, Sie haben sich nur am Rande mit dem eigentlichen Thema der Verhandlung, mit der Ausgliederung der IAF-Service GmbH, beschäftigt. Ich möchte aus zeitlichen Gründen nicht auf die von Ihnen nicht zum ersten Mal angeschnittene Frage der Sinnhaftigkeit der Zusammenführung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktagenden in einem Ressort eingehen. (Abg. Öllinger: Das ist ja das Spannende!) Ich sage Ihnen nur abschließend: Ja, es macht Sinn (Abg. Öllinger: In wessen Interesse, das ist die Frage!), und ein derartiges Standortministerium ist nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern im Interesse der Wirtschaft und der Arbeitnehmer des Landes gut unterwegs. (Beifall bei der ÖVP.)

Ob und inwieweit Gesetzentwürfe und anderes auf der Basis von Tätigkeiten von Beratungsunternehmen oder Anwaltskanzleien erstellt werden, inwieweit hier Zeit und anderes eine Rolle spielt, das sollten Sie schon den jeweiligen Ressortverantwortlichen überlassen. Wir haben in dieser Beziehung diesen Weg gewählt, andere Kollegen werden und haben entsprechende Gesetzentwürfe ebenfalls im Fall des Falles außer Haus erstellen lassen. Das kann und wird manchmal Sinn machen. Ich gehe nicht davon aus, dass es die Regel wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich aber jetzt auf die Ausführungen von Abgeordnetem Bauer von den Freiheitlichen eingehen, der die Erwartung und die Hoffnung in den Raum gestellt hat, dass der IESG-Beitrag in den nächsten Monaten, nämlich per 2003, um 0,2 Prozent gesenkt werden könne. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Es ist richtig, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, dass mit Ende des Jahres 2002 aus heutiger Sicht Überschüsse im Fonds sein werden. Wir rechnen bei dem Fonds, der im Übrigen so bestehen bleibt, wie er ist, mit Ende 2001 mit einem Negativsaldo von dann noch 1,4 Milliarden Schilling.

Es ist nicht richtig, sehr geehrter Herr Abgeordneter Dobnigg, dass 3,7 Milliarden Schilling im Jahre 2001 zur Budgetsanierung verwendet worden sind, sondern – zwar auf indirektem Wege, aber doch – zur Zwangsarbeiterentschädigung, ein Unterfangen, dem Sie, glaube ich, ja vom Prinzip her auch Ihre Zustimmung gegeben haben.

Minus 1,4 Milliarden per Ende 2001, aber dann plus 0,9 Milliarden Schilling per Ende 2002, im dritten Quartal des Jahres 2002 daher das Durchschreiten der Null-Linie: Damit sollte eine Senkung der Beiträge um 0,1 bis 0,2 Prozent – 0,2 Prozent sehe ich aus heutiger Sicht als Obergrenze – per 2003 möglich sein.


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Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dobnigg! Ein wenig wundere ich mich schon. Sie haben ja ein gut Teil Ihrer Redezeit damit verbracht, den Standort Leoben zu verteidigen. Das wundert mich nicht, das ehrt Sie, und selbstverständlich ist das als regionaler Abgeordneter Ihr gutes Recht. Nur mache ich schon darauf aufmerksam, dass eine Reihe ernst zu nehmender Gründe dafür gesprochen hat, Leoben und Graz zusammenzulegen, in diesem Falle zugunsten von Graz. Herr Abgeordneter Grollitsch und ich und andere, auch Herr Bundesrat Missethon, sind einer Meinung, wenn es darum geht, in Sachen MinroG auch zusammenzulegen, dass das aber dann in Leoben erfolgen soll und dass dort die Aufgaben konzentriert werden sollen. Das kann also einmal so, einmal so ausgehen.

Was mich aber wundert, ist, dass Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter, genau wissen, dass der zukünftige Personalbedarf für Leoben gerade bei 2,7 Arbeitnehmern pro Jahr gelegen wäre. Es ist davon auszugehen, dass bei einer solchen Lösung aber wohl auch die Effizienz, die Qualität der Arbeit und die Arbeitsorganisation darunter gelitten hätte. Dass es dazu nicht kommt, ist im Interesse und im Sinne der Antragsteller, der Arbeitnehmer aus insolvent gewordenen Betrieben, die ja in Zukunft in vier Monaten und nicht erst in sechseinhalb Monaten zu ihrem Recht und damit zu ihrem Geld kommen wollen. "2,7 Arbeitnehmer pro Jahr"! – Sie kennen die Studie.

Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als wir hier im Hohen Haus den Verlust Tausender Arbeitsplätze, sehr geehrter Herr Abgeordneter – Tausender Arbeitsplätze! –, in der Mur-Mürz-Furche zu beklagen hatten, weil dort der Niedergang der Verstaatlichten stattgefunden hat. Tausend Arbeitsplätze waren es allein in Donawitz, also in der direkten Nachbarschaft von Leoben. Damals habe ich weder von Ihnen noch von den Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion gehört, dass Sie den Verlust dieser Arbeitsplätze in ähnlichem Maße beklagt hätten, sehr geehrter Herr Abgeordneter.

Ich füge aber noch hinzu, dass die Frage des Standortes Leoben natürlich auch im Hinblick auf die Zahl der bearbeiteten Anträge zu sehen ist. Die Zahlen der Jahre 1996 bis 1999, also eines Zeitraumes von immerhin vier Jahren, zeigen, dass von österreichweit 34 000 Anträgen in Leoben nur 1 314 Anträge, das heißt 4 Prozent, zu bearbeiten waren – ein weiterer Grund also, im Sinne der Effizienz und der Ökonomie Graz und Leoben zusammenzulegen. Wie im Übrigen mit einer einzigen Ausnahme für ganz Österreich gilt, dass es pro Bundesland eine Stelle zur Abwicklung von solchen Forderungen geben wird.

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, sei überhaupt nicht geleugnet, dass ein Großteil der zu erwartenden Budgeteinsparungen daraus erfolgt, dass in Zukunft die Personalkosten eben aus Beitragszahlungen zu berappen sind. Aber ich finde das völlig normal, dass die beitragszahlenden Arbeitgeber die Personalkosten dieser Struktur zu berappen haben und nicht der allgemeine Steuerzahler.

Aber Sie wissen so gut wie ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass etwa 10 Millionen Schilling auch aus reinen Effizienzsteigerungen zu lukrieren sein werden und auch – nicht nur, aber auch – aus diesem Titel heraus diese Ausgliederung Sinn macht, eine Ausgliederung, die zwar – in Anführungszeichen – "nur" etwa 100 Arbeitskräfte, aber immerhin ein Volumen von rund 5 Milliarden Schilling an Beitragszahlungen pro Jahr umfasst, weshalb wir ihr die notwendige Sorgfalt haben angedeihen lassen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich danke Ihnen für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei der ÖVP.)

20.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

20.42

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dobnigg war ganz in fundamental-oppositioneller Manier unterwegs. Er hat zwar zunächst gesagt, die Sozialdemokraten seien grundsätzlich positiv zu dieser Sache eingestellt, aber – und dann ist es schon losgegangen mit den Keulen wie "Verschlechterungen", wie "Zerschlagung", wie "Ausräumung", wie "Abkassieren", vielleicht


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beim "Abkassieren" vergessend, dass es schon sozialdemokratische Finanzminister waren, die das Abkassieren von Fonds zur Verbesserung der Budgetsituation erfunden haben, und nicht etwa jetzt der neue Finanzminister. Aber außer dem Wunsch, Leoben als Standort aufrechtzuerhalten, sind eigentlich die Argumente in dieser Frage ausgeblieben.

Zum Thema Leoben, und das in Verbindung gebracht mit den armen Menschen, die jetzt so weite Wege haben: Das wird im Einzelfall schon so sein, dass der Weg weiter wird, aber, bitte, wir gehen hier nicht von einer Situation aus, dass Menschen jede Woche einmal diese Einrichtung brauchen, sondern dass sie sie hoffentlich und in der Regel nur sehr, sehr selten in Anspruch nehmen und frequentieren müssen.

Und eines sei hier schon festgehalten: Es ist angesichts einer Staatsquote, wie wir sie in Österreich haben, angesichts der Kosten, die insgesamt für diese Aufgabe, die wir hier wahrnehmen, aber für viele andere Aufgaben auch in unserem Land entstehen, einfach viel zu viel Steuergeld unserer Bürger in die Hand zu nehmen, um das zu verwalten und das zu tun, was wir eben tun. Es ist daher unsere verdammte Pflicht, die Verwaltung in diesem Land so effizient wie nur irgend möglich zu gestalten, und da sind selbstverständlich Auslagerungen wie die gegenständliche ein sehr geeignetes und gutes Mittel, diese Effizienzsteigerungen erreichen zu können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dobnigg: So gut auch wieder nicht!)

Da hier von Kollegem Öllinger kritisiert worden ist, dass der Herr Bundesminister zur Möglichkeit gegriffen hat, die legistische Ausformulierung dieses Gesetzes aus dem Haus auszulagern, frage ich mich: Wo soll hier das Problem liegen, Herr Kollege Öllinger? (Abg. Öllinger  – eine Zeitung in die Höhe haltend –: Sehen Sie die Überschrift?) Wo ist das Problem, wo ist da der Konnex zu dem Ganzen? Wo ist da der Konnex dazu? (Abg. Öllinger: Die Kanzlei!) Na, Moment einmal! Halten Sie bitte schön die inhaltliche Vorgabe und die tatsächliche legistische Ausführung auseinander.

Wenn Sie sagen, dass das Gesetz möglicherweise anders ausgeschaut hätte, wenn es im Haus gemacht worden wäre, dann frage ich mich schon: Was wäre dann anders gewesen? Ich gehe davon aus, dass der Herr Bundesminister den Beamten genauso wie der Kanzlei klare Vorgaben gibt, was er sich von diesem Gesetz erwartet und was er wünscht, was da drinstehen soll und wie es drinstehen soll. Meinen Sie vielleicht, dass dort entsprechend ideologisch ausgerichtete Beamte sitzen, die ein Gesetz so ausformuliert hätten, wie es Ihnen vielleicht genehm wäre? Haben Sie das damit gemeint? (Abg. Öllinger schlägt die Hände zusammen.)  – Ich weiß es nicht, ich will es nicht unterstellen. Es hat nur so geklungen.

Ich gehe davon aus, dass ein Legist nicht mit politischen Einstellungen an die Aufgabe herangeht, sondern den politischen Auftrag seines politischen Chefs umsetzt, und zwar ungeachtet dessen, ob es eine Kanzlei ist oder ob es eben Beamte des Ministeriums sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Oder gehen Sie von etwas anderem aus? Ich frage nur: Gehen Sie von etwas anderem aus? Ich glaube, die Aufgabe des Legisten ist schlicht und einfach, legistisch umzusetzen, was politisch gewollt ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Ausgliederung und Effizienzsteigerung in der Verwaltung hat, bitte, überhaupt nichts mit dem zu tun, was da gesagt und nicht begründet worden ist. Sie, Herr Kollege Öllinger, sind mit dem Deuten auf das Blinken der Lampe auch die sachliche Argumentation auf meine Frage schuldig geblieben. Sie haben in Wahrheit dort fortgesetzt, wo Kollege Dobnigg angefangen hat: mit Schlagworten wie Ausräumung, wie Zerschlagung, ohne jeden Beweis dafür zu liefern, dass das hier stattfindet. (Abg. Öllinger: Und was machen Sie? Haben Sie ein einziges Argument gebracht?) Es findet hier Effizienzsteigerung statt (Abg. Öllinger: Wo? Sagen Sie, wo?) im Sinne eines verantwortungsvollen Umganges mit Beiträgen, die in diesen Fonds eingezahlt werden, und sonst gar nichts bitte! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das haben Sie jetzt selber nicht geglaubt, was Sie da gesagt haben!)

20.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte.

20.48

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich zu sagen: Man kann uns sicherlich nicht unterstellen,


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wie das immer wieder gemacht wird, dass wir aus einem Justamentstandpunkt heraus gegen diesen Gesetzesvorschlag sind. Das ist schlicht und einfach nicht wahr. Aber wir sind der Meinung, dass die ganze Materie überhaupt viel zu hastig behandelt wurde und dass man die Opposition von Haus aus viel zu wenig eingebunden hat. Es wurde nicht nur mit uns zu wenig diskutiert, sondern es melden sich auch immer mehr Personen aus der Sozialpartnerszene, die Bedenken gegen diesen Entwurf anmelden, aber deren Meinung ist ja – im Gegensatz zu einer guten alten Tradition in diesem Lande – in dieser Regierung nicht sonderlich gefragt.

Dabei ist der erste Satz der Erläuterungen bezeichnend, in dem es heißt, dass die Insolvenz-Entgeltsicherung eine der größten Errungenschaften der österreichischen Sozialgesetzgebung ist und diese zur Gänze dem Geiste der Sozialpartnerschaft entsprungen ist. Wie wenig diese Regierung Respekt vor all diesen Dingen hat, zeigt die Ausräumung der Fonds, die durch den Finanzminister vorgenommen wurde, nämlich in einem Ausmaß von 2 Milliarden Schilling im Jahre 2000 und von 3,7 Milliarden im Jahre 2001.

An dieser Stelle möchte ich etwas klarstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der Herr Minister hat gerade gesagt, diese 3,7 Milliarden sind für die Zwangsarbeiterentschädigung verwendet worden. – Das stimmt nicht, dass wir dem so zugestimmt haben: Wir haben zwar zugestimmt, dass das gemacht wird, aber nicht aus diesem Topf, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Und wenn das so weitergeht – und das ist bei diesem Finanzminister zu befürchten –, dann wird es allerhöchste Zeit, dass sich diejenigen, die diese Beträge einzahlen, dagegen einmal kräftig zur Wehr setzen, denn das sind nicht zuletzt viele kleine Unternehmer, die hier zur Kasse gebeten werden. Auf diesem Wege, meine sehr geehrten Damen und Herren, zahlen wir nicht nur die Dienstgeberbeiträge ein, sondern wir zahlen damit praktisch eine Budgetsanierungs-Umverteilungs-Sondersteuer, und das hat sich auch schon bis zu den Sozialpartnern durchgesprochen.

Was ist denn dann, wenn die Wirtschaftssituation wirklich großflächig schlechter wird – das ist nicht ausgeschlossen, aus derzeitiger Sicht schon gar nicht – und die Insolvenzen dadurch steigen? Wo nimmt man denn dann das Geld her? Aber das sind anscheinend nicht die Sorgen des Herrn Ministers, denn da werden eben die Leistungen drastisch gekürzt und die Beiträge erhöht. So einfach ist die Sache.

Doch nun zu einigen Details, meine sehr geehrten Damen und Herren. Auf Seite 16 der Erläuterungen steht im ersten Absatz, dass sich der Bund zirka 7 Millionen j , das sind 96 Millionen Schilling, an Personalkosten erspart. Wie geht das, frage ich mich, ohne dass das von der Substanz des Leistungskapitals abgezogen wird? Können Sie diesen Optimismus teilen – der Herr Minister ist leider nicht hier –, dass diese Beträge aus den angeführten Einsparungspotentialen wie EDV, Beschleunigung der Verfahrensdauer, Stundungszinsen und so weiter dem Bund zugute kommen?

Oder: Es wird die Möglichkeit aufgezeigt, dass die Gesellschaft auch neue Geschäftsfelder erschließen kann. Welche sind das? Das ist ein Pauschalsatz ohne irgendeine Namensnennung. Was ist, wenn diese Experimente, diese Zusatzgeschäfte schief gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren? Wer trägt die Ausfallshaftung?

Oder: Können Sie ausschließen, dass es hier, wie unter § 12 Z 6 auf Seite 3 festgehalten ist, zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann? Das ist nämlich nicht ausgeschlossen, wenn man zum Beispiel an das Angebot von Versicherungen und Ähnliches denkt.

Oder: Der § 8 regelt die Bestellung des Aufsichtsrates und legt die Zahl mit 3 bis 5 fest. Warum sind das nicht mehr? Die, meine sehr geehrten Damen und Herren, kosten nicht das große Geld. Aber es wäre schon sehr angebracht, wenn auch jene Leute im Aufsichtsrat vertreten wären, die diese Beträge einzahlen, zum Beispiel ein Vertreter der Wirtschaftskammer, und


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auch die Betroffenen, also ein Vertreter der Arbeiterkammer. Das sind ja diejenigen, um die es sich dreht, und daher wäre es nicht uninteressant, wenn diese Vertreter in diesem Gremium dabei sein könnten.

Was mich besonders interessieren würde, ist auch, ob diese Gesellschaft vom Rechnungshof geprüft werden kann.

Abschließend sei nochmals erwähnt: Nichts gegen den Grundgedanken dieses Konstruktes! Wir stehen natürlich auch dazu, weil Zweigleisigkeiten immer schlecht sind und weil angesichts solcher das Bemühen um eine rasche Erfüllung der Ansprüche für die Betroffenen sicher nicht von Erfolg gekrönt wäre. Nur: So, wie dieses Gesetz durchgepeitscht worden ist, so wollen und so können wir mit gutem Gewissen nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.53


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte.

20.53

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich werde mich heute, obwohl schon sehr viel über die Insolvenz-Entgeltsicherung gesprochen worden ist, trotzdem noch mit ein paar Worten dazu äußern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Einführung der Insolvenz-Entgeltsicherung ist eine der großen Errungenschaften der österreichischen Sozialpolitik. Arbeitnehmern, Heimarbeitern und Hinterbliebenen wurde bei einem Konkurs oder einem ähnlich gelagerten Fall ein Anspruch auf Ausfallgeld eingeräumt. Die Mittel für die Insolvenz-Entgeltsicherung betrugen im letzten Jahr zirka 5 Milliarden Schilling.

Es ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Zielvorgabe unserer Regierungspolitik, dort, wo es sinnvoll und auch vertretbar ist, Einsparungspotentiale in der Verwaltung aufzufinden. Bei den Strukturen des Fonds sind Reformen sinnvoll und zweckmäßig, denn der Fonds ist beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit eingerichtet und wird auch vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit vertreten, die Vollziehung durch die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen untersteht jedoch dem Sozialminister.

Die Entgeltsicherung soll mit dieser Regierungsvorlage serviceorientierter und vor allen Dingen effektiver gestaltet werden. Es wird die Administration der Entgeltsicherung aus den bisherigen Strukturen herausgelöst und eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgegliedert. Der Gesetzentwurf beinhaltet eine Ausgliederung aus der Ministerialverwaltung und die Gründung einer Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Service GmbH, kurz IAF-Service GmbH.

Ziel sind nicht nur Einsparungen für den Bundeshaushalt, sondern wichtig war dabei auch der Gedanke einer serviceorientierten Dienstleistung für die Arbeitnehmer. Dadurch, meine sehr geehrten Damen und Herren, können auch wichtige Synergiepotentiale genutzt werden. Zum Ersten wird der Zeitraum von der Antragstellung bis zu einer Zuerkennung des Insolvenz-Ausfallgeldes verkürzt, zum Zweiten werden an die Service GmbH übergegangene Forderungen gegen insolvente Unternehmen rascher und effizienter geltend gemacht, und zum Dritten werden durch einen Zinsendienst auch marktwirtschaftliche Gepflogenheiten eingeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit einer weiteren Regierungsvorlage, nämlich jener zur Änderung des Patentanwaltsgesetzes, wird der Zugang zum Beruf des Patentanwaltes EU-konform liberalisiert. Es erfolgen einige notwendige Rechtsanpassungen. So wird zum Beispiel der Kreis der Studien, die als Berufsvoraussetzung anerkannt werden, erweitert, der Beruf eines Patentanwaltes soll auch von Gesellschaften ausgeübt werden können, und neu ist zum Dritten auch, dass auf Grund des gestiegenen Risikos im modernen Wirtschaftsleben eine Berufshaftpflichtversicherung vorgeschrieben wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich ersuche Sie in diesem Zusammenhang um Ihre Zustimmung zu diesen gesetzlichen Änderungen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

20.57

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine Ausgliederung im Bereich des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums. Es ist – dies hat uns der Herr Bundesminister im Ausschuss selbst zugestanden – eigentlich eine relativ kleine Ausgliederung, umso weniger verstehe ich eigentlich die Aufregung der Opposition.

Sie haben uns hier vorgeworfen, es wird ein Gesetzesantrag durchgepeitscht, er wird hastig behandelt und Sie waren zu wenig eingebunden gewesen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind keine Sachargumente, sondern das sind Argumente, um Veränderungen nicht zuzulassen. Die Opposition hat uns heute hier bewiesen, dass sie in Wirklichkeit eine strukturkonservative Opposition ist.

Wir haben im Ausschuss – ich habe am Ausschuss im Gegensatz zu Herrn Kollegem Öllinger auch teilgenommen – vier Experten gehört, zwei Experten, die dafür gesprochen haben, die von der Regierungspartei nominiert wurden – es waren jene Experten, die diese Ausgliederung letztlich vorbereitet haben –, sowie je ein Experte von der Arbeiterkammer und vom ÖGB.

Die Kollegen beziehungsweise die Experten von BSL Managementberatung beziehungsweise von der Rechtsanwaltskanzlei Schönherr/Barfuss/Torggler haben uns mit Sachargumenten sehr eindeutig klargelegt, dass eine Veränderung, und zwar eine Ausgliederung, die gewünschten Struktureffekte, nämlich eine rasche, eine effiziente Verwaltung des Insolvenz-Ausfallgeldes ermöglicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Sachargumente waren: Es sollen Doppelgleisigkeiten vermieden werden, die Ressourcen sollen effizient eingesetzt werden, das Personal soll, je nach Bedarf, flexibel eingesetzt werden können, und das Allerwichtigste – viele meiner Vorredner haben das bereits betont –: Das Verfahren soll gestrafft werden, weil es das Ziel ist, die raschere Zuerkennung des Insolvenz-Ausfallgeldes zu ermöglichen.

Es ist, wie gesagt, eine relativ kleine Ausgliederung, sie betrifft nicht sehr viele Mitarbeiter. Es wurden alle Mitarbeiter, die davon betroffen sind, vom derzeitigen Leiter darauf vorbereitet. Es wurde sensibel vorbereitet, die Mitarbeiter wurden eingebunden, und es hat im Wesentlichen seitens der Mitarbeiter auch keine Ablehnung, sondern eine breite Zustimmung dafür gegeben.

Umso weniger verständlich ist aus unserer Sicht die Ablehnung der Opposition. Sie beschwören zwar in Sonntagsreden und auch hier in allgemeinen Floskeln immer wieder Ihre Bereitschaft, Verwaltungsvereinfachungen zuzulassen, aber dann, wenn die Nagelprobe kommt, versagen Sie leider. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Hannes Bauer: Sie haben nicht zugehört!)

21.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

21.00

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Frau Kollegin, das geht sicher nicht! Es braucht zwar die SPÖ keinen Pflichtverteidiger, aber dass Sie sich hier herstellen und sagen, es komme überhaupt nur Gejeiere und Gejammere von der Opposition, ist insofern besonders tragisch, als der Herr Minister heute jede Gelegenheit ausgelassen hat, zu den klaren Fragen, die an ihn gerichtet wurden, Stellung zu nehmen. Er hat überhaupt nichts gesagt zu den ständigen Auftragsvergaben an Rechtsanwaltskanzleien – immer die gleichen – in diesen sensiblen Materien. Und Kollege Kopf fragt: Na und, was ist denn da dabei?


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Wenn Sie nichts dabei finden, dass diese Dinge in einer solchen Art und Weise ausgelagert werden und gleichzeitig in den Ministerbüros und in der Beamtenschaft immer mehr Personen beschäftigt werden und Geld ausgegeben wird, stellt sich schon die Frage: Was steckt da dahinter? Ist das schon so wie im Forstinger-Ministerium, der kleine, leichte Verfolger: Man sitzt nur mehr im roten Meer als blaues U-Boot, wie Herr Minister Haupt gesagt hat? Kommt das deshalb zustande?

Den Steuerzahler interessiert diese Kostenausweitung jedenfalls sehr, aber der Herr Minister hat kein Wort dazu gesagt, warum allein die Vorphase zu dieser Gesetzwerdung 6 Millionen Schilling kosten muss, und das, obwohl in den Ministerien und in den Kabinetten immer mehr Leute arbeiten, die immer schönere und lukrativere Verträge kriegen. Das wissen Sie ganz genau. Diese Chance hat er verstreichen lassen, und das soll auch im Protokoll festgehalten werden. Das werden wir nämlich noch brauchen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 737 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 § 11 Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die Mehrheit fest und damit auch die Annahme.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 484 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle neuerlich Einstimmigkeit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

*****

Wir gelangen jetzt zu einer ganzen Reihe von Abstimmungen betreffend den Tagesordnungspunkt 6, für den ich die Abstimmung auf diesen Zeitpunkt verlegt habe.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 699 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegen mehrere Abänderungsanträge der Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen vor.

Ferner liegt je ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Öllinger sowie der Abgeordneten Dr. Mertel und Pendl vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen und dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 Z 2 und 10 sowie Artikel 2 Z 1 und 4 samt der dadurch bedingten Änderung der Ziffernbezeichnungen eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit fest und damit die Annahme.

Die Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Z. 4a in Artikel 2 vorsieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 2 Ziffern 5 und 7 eingebracht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben drei Abänderungsanträge eingebracht, die sich auf Artikel 2 Z 8 beziehen.

Jene Abgeordneten, die dafür sind, ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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Ferner haben die Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 2 Z 8 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 3 Ziffern10, 27 und 29 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest: Es ist dies die Mehrheit und damit die angenommen.

Wir kommen nun zur getrennt durchzuführenden Abstimmung betreffend Artikel 3 Z 37 in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Genossen.

Jene Abgeordneten, die dafür sind, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest und damit die Annahme.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 6 Z 4 eingebracht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Z 5a in Artikel 6 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 6 Z 10 eingebracht.

Jene Abgeordneten, die dafür eintreten, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 6 Z 10 eingebracht.

Für den Fall der Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 7 Ziffern 4 und 10 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des Artikels 12 zum Inhalt hat.

Jene Abgeordneten, die dafür eintreten, ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Reindl, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 12 eingebracht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle ausdrücklich fest, es liegt eine Mehrheit vor. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

9. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (449 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage (672 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (488 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau (673 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (538 der Beilagen): Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Seegerichtshofs (674 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (563 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft (675 der Beilagen)


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13. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (588 der Beilagen): Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik (676 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Inge Jäger. Ich erteile es ihr.

21.13

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Ich muss gestehen, ich bin etwas befremdet, weil die Frau Außenministerin nicht anwesend ist. Ich nehme an, Sie, Herr Bundesminister, vertreten sie. (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Ich vertrete sie! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag komme, möchte ich ... (Abg. Dr. Khol: Warum sind Sie befremdet?) Weil die Frau Außenministerin nicht hier ist. (Abg. Dr. Khol: Sie kann nicht überall sein!) Bei einer außenpolitischen Debatte ist sie meistens hier. (Abg. Dr. Khol: Das ist keine außenpolitische Debatte!) Ja, leider, weil der Außenpolitische Bericht im Ausschuss enderledigt wurde (Abg. Dr. Khol: Gott sei Dank!) und weil die Regierungsparteien das unbedingt so beschlossen haben! Ich bedauere das. Das ist auch ein Stilbruch. In der Vergangenheit hat es immer eine Debatte über den Außenpolitischen Bericht gegeben. Ich denke, das ist wieder ein Beispiel dafür, wie diese Regierungsparteien mit der Opposition umgehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Grundsätzlich gäbe es eine ganze Reihe von Dingen zu besprechen, aber gut, gehen wir in das Gespräch über die Vorlagen ein, die wir heute hier beschließen. Das sind zum Teil sehr positive Abkommen. Ich nenne nur das Kulturabkommen mit Slowenien; darüber wird Kollegin Muttonen noch sprechen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich begrüße grundsätzlich auch das Abkommen, wonach hier in Wien der Amtssitz für die Internationale Kommission zum Schutz der Donau eingerichtet wird, zu deren Vertragsparteien alle Länder gehören, die an den Donauraum anschließen. Ziel des Donauschutz-Übereinkommens ist die wasserwirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gewässerschutzes und der Wassernutzung. Es geht um nachhaltigen Gewässerschutz insbesondere der Donau, aber auch aller zufließenden Gewässer.

Besonders wichtig scheint mir zu sein, dass das Donauschutz-Abkommen ... (Abg. Silhavy: Inge, wenn schon die Frau Außenministerin nicht hier ist – Herr Dr. Khol nimmt inzwischen schon ihren Platz ein! – Abg. Zweytick: Am Wort ist Frau Abgeordnete Jäger!) Es ist wichtig, dass das Donauschutz-Übereinkommen grenzüberschreitende Auswirkungen in den Bereichen der Gewässerreinhaltung, des Gewässerschutzes, des Hochwasserschutzes und der Abwehr von Eisgefahren hat. Wie notwendig und wie wichtig diese Einrichtung ist, ist längstens seit den großen Giftunfällen in Rumänien klar, die im letzten Jahr stattgefunden haben. Ich möchte das noch einmal in Erinnerung rufen.

Es ist jetzt ein Jahr her, seit in Rumänien aus einem Auffangbecken der "Aurul"-Mine in Baia Mare 110 000 Tonnen Wasser mit Zyanid und Schwermetallen in die Theiß geflossen sind. Bis jetzt sind die Nachwirkungen dieser schweren Vergiftung sowohl in den Flüssen rund um die Donau – wie der Theiß, die eben in die Donau mündet – als auch in vielen Bereichen der Donau selbst spürbar. Es gibt Wissenschafter, die sagen: Die Auswirkungen können wir heute noch gar nicht abschätzen; sie sind durchaus vergleichbar mit den Auswirkungen der Atomreaktor-Katastrophe in Tschernobyl.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um in Zukunft solche Katastrophen zu verhindern, ist es notwendig, dass sich eine internationale Kommission tatsächlich dieser Fragen annimmt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird die Unterstützung eines Monitoring-Systems für die Wasserqualität sein. Es wird ein Frühwarnsystem bei Unfällen und eine Emissions-Expertengruppe geben, die auch ständig beobachtet, wie die Wasserqualität der Donau ist. Es wird eine Mobilisierung für die Unterstützung der Donauschutzkonvention in allen Ländern, die jetzt in dieser Kommission mitarbeiten, geben. Was ich für sehr wesentlich halte, ist, dass diese Kommission eine entscheidende Rolle für die Umweltaktivitäten im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses spielt, wie etwa bei der Mithilfe zur Anpassung der nationalen Gesetze an die EU-Richtlinien.

Ich denke, bei dieser Kommission geht es um die Erhaltung der Lebensqualität für Millionen von Menschen, die im Bereich der Donau leben. Es geht um die Bewahrung des Zugangs zu den natürlichen Ressourcen, es geht um die Verhütung bleibender Umweltschäden und den Schutz der Ökosysteme. Ich denke, gerade in diesem Bereich ist wieder einmal ganz klar, dass das nicht allein ein nationales Anliegen sein kann, sondern dass es in Zeiten einer Globalisierung darum geht, dass wir uns vernetzen und dass es auch globale Schutzsysteme gibt.

Ich hoffe sehr, dass im Zuge des EU-Beitrittes von Ländern wie Ungarn oder Rumänien vor allem die Industrien, die noch unter sehr umweltfeindlichen Bedingungen arbeiten und es ermöglichen, dass solche Katastrophen geschehen, rasch modernisiert werden und dass der Umweltschutz tatsächlich zum Tragen kommt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek. )

21.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

21.20

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Bures  – auf die weitgehend leeren Sitzreihen der Freiheitlichen hinweisend –: Haben Sie es sich mit Ihrer Fraktion verscherzt? – Abg. Silhavy: ... verhaut!) Das österreichisch-slowenische Kulturabkommen, mit dem ich mich in erster Linie befassen möchte, ist ein erster wichtiger Schritt zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten. (Abg. Silhavy: Die Außenpolitik der FPÖ ...!) Es ist für uns Freiheitliche deshalb kein normales oder übliches Abkommen wie andere, weil erstmals in einem offiziellen Vertragstext die Existenz einer deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien anerkannt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich erspare es mir, den Artikel 15 zu zitieren; dieser Text liegt Ihnen vor.

Wir wissen, wie lange es gedauert hat, bis dieses Kulturabkommen unterschriftsreif war, wie schwierig und wie mühsam der Weg war, um es zur Unterschriftsreife zu bringen. Seit Ende 1998 war dieses Abkommen von österreichischer Seite fertig gestellt, es lag an der slowenischen Seite, die es erst im Jahre 2001 sozusagen als beschlussreif empfunden hat und im slowenischen Parlament in Laibach politisch durchsetzen konnte.

Wir wissen, dass der Inhalt des Abkommens ein politischer Kompromiss ist. Die Anerkennung der Altösterreicher nach Artikel 61 der Verfassung der Republik Slowenien ist keine völkerrechtliche Anerkennung als autochthone Minderheit – wie Sie alle wissen –, wie sie etwa auch die kleine ungarische und die kleine italienische Minderheit in Slowenien seit Jahrzehnten genießen.

Das heißt, eine verfassungsrechtliche Gleichstellung unserer Minderheit mit den slowenischen Staatsbürgern ungarischer oder italienischer Herkunft, die schon im kommunistischen Tito-Jugoslawien nationale Minderheitenrechte genossen haben, ist trotz dieses Abkommens noch immer nicht gegeben – und das, obwohl der Grazer Historiker Stefan Karner schon vor Jahren den wissenschaftlichen Beweis dafür erbracht hat, dass die Reste dieser deutschsprachigen Minderheit durchaus autochthon sind und etwa eine Kopfzahl von 2 000 Personen umfassen. (Abg. Mag. Kogler: Apropos Kopfzahl, Kollege Kurzmann: Was versäumen Sie gerade?)

Es wird also interessant sein, zu beobachten, wie sich das Kulturabkommen auf die Akzeptanz dieser kleinen Volksgruppe in Slowenien auswirken wird. Im Jahre 2002 wird es in Slowenien


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eine Volkszählung geben, die eigentlich schon 2001 hätte stattfinden sollen. Man wird sehen, ob sich das Klima bis zum nächsten Jahr so positiv verändert haben wird, dass sich mehr Mitglieder unserer Minderheit getrauen, sich zu ihrem Volkstum zu bekennen.

Eines ist klar: In der öffentlichen Diskussion in Slowenien wirken die alten AVNOJ-Gesetze noch immer nach. Es sind Gesetze, die Ende 1943 von den kommunistischen Tito-Partisanen in der kleinen bosnischen Stadt Jajce beschlossen wurden. Diese Beschlüsse von Jajce haben als Grundlage für die Enteignung, die Vertreibung und die Ermordung der ehemaligen fast 500 000 Menschen zählenden deutschen Volksgruppe im SHS-Staat, also dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, gedient.

Die AVNOJ-Bestimmungen haben sich nicht nur gegen die Angehörigen unserer Minderheit gerichtet, sondern sie haben auch der Vernichtung der so genannten Klassenfeinde der Tito-Kommunisten gedient. Es sind mit diesen AVNOJ-Gesetzen auch die slowenischen Domobranzen und die serbischen Tschetniks verfolgt worden, und es ist ihnen der Garaus gemacht worden.

Diese alten Partisanengesetze wirken, wie ich gesagt habe, in der Rechtsprechung der demokratischen Republik Slowenien noch immer nach. Es ist das so genannte Denationalisierungsgesetz des Jahres 1991, das auf diesen AVNOJ-Bestimmungen fußt, die den Deutschen auf Grund ihrer Abstammung als Volks- und Klassenfeind die Staatsbürgerschaft kollektiv entzogen haben. Zu Recht werden deshalb diese AVNOJ-Gesetze, aber auch die tschechischen Beneš-Dekrete als rassistisch bezeichnet. Das Festhalten der Slowenen an der angeblichen Kollektivschuld der Angehörigen der deutschen Minderheit ist unannehmbar und mit den demokratischen Rechtsgrundsätzen zivilisierter Staaten wohl nicht vereinbar.

Wir begrüßen also das österreichisch-slowenische Kulturabkommen als einen Schritt, glauben aber, dass an der Verbesserung dieser österreichisch-slowenischen Beziehungen noch sehr zu arbeiten sein wird. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Brosz.  – Abg. Dr. Mertel: Der vierte "Zwerg" ...!)

21.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

21.25

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur wenige Sätze zum Tagesordnungspunkt 12 sagen. Dieses Abkommen wurde vom Kollegen Kurzmann in perfekter Art und Weise dargestellt, ich möchte mich daher nur auf die politische Wertung beschränken.

Wir haben in diesem Haus jahrelang darüber diskutiert und eingefordert, dass es ein solches Kulturabkommen zwischen Österreich und Slowenien geben soll. Jetzt liegt es auf dem Tisch, und es enthält im Artikel 15 tatsächlich zum ersten Mal eine Anerkennung der Altösterreicher in Slowenien. Das ist ein bemerkenswerter Fortschritt und ein großartiger Verhandlungserfolg.

Ich möchte daher namens der Volkspartei der Außenministerin, dem Außenamt und allen, die hier mitverhandelt haben, besonderen Dank und wirklich auch Anerkennung aussprechen. Das war kein leichtes Unterfangen. Es ist dies etwas Vorzeigbares, was die österreichische außenpolitische Linie konsequent weiterverfolgt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lunacek. – Bitte.

21.27

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst auf das eingehen, was heute nicht auf der Tagesordnung steht, was aber eigentlich hier hätte stattfinden sollen, nämlich die Debatte über den Außenpolitischen Bericht des Jahres 2000.

Dieser Bericht wurde entgegen allen bisher üblichen Gepflogenheiten auf Wunsch der Regierungsfraktionen im Ausschuss enderledigt. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das ist ja gut, oder?) Das


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heißt, nicht hier im Plenum wird debattiert über die Dinge in dem Außenpolitischen Bericht, der das Jahr 2000 betrifft, das ja außenpolitisch für Österreich nicht gerade uninteressant war. Das alles soll hier nicht diskutiert werden. Das ist typisch: keine Debatte wird gewünscht!

Ich frage mich, wovor sich die Regierungsfraktionen fürchten: Vielleicht davor, dass das Thema der so genannten Sanktionen, das Thema des "Weisen"-Berichtes auf der Tagesordnung stehen würde? Oder – was wir vielleicht kritisieren würden – dass der Herr Regierungsbeauftragte Dr. Busek nur bei den einzelnen Ländern vorkommt und nicht als das gewürdigt wird, was er eigentlich ist, nämlich Erweiterungsbeauftragter? – Nicht einmal über den OSZE-Vorsitz wollen die Regierungsfraktionen und wahrscheinlich auch die Außenministerin diskutieren, obwohl sie das doch selbst als so großen Erfolg gepriesen hat!

Es ist sehr eigenartig, dass hier anscheinend Angst vor einer öffentlichen Debatte besteht, die dazu führt, dass entgegen allen Gepflogenheiten gesagt wird: Nein, im Plenum debattieren wir über diesen Außenpolitischen Bericht nicht wie über alle anderen Berichte! – Es hat mir niemand von den Regierungsfraktionen erklärt, warum sie das nicht tun wollen. Zeit sparen kann ja nicht wirklich das Motto gewesen sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wahrscheinlich war das Motto, dass Sie Angst haben, dass das außenpolitische Chaos, das wir am Vormittag schon debattiert haben – in der Früh in der Aktuellen Stunde –, wieder in den Vordergrund gerückt werden könnte und dass Sie vielleicht wieder daran erinnert werden, welche Unterschiede es zwischen gewissen Veto-Drohungen von Seiten der Freiheitlichen und zwischen gewissen Ankündigungen einer Volksabstimmung über die Erweiterung und Ähnliches gibt, wobei die ÖVP sagt: Nein, das wollen wir nicht!, und die Freiheitlichen sagen: Ja, das wollen wir schon!

Über genau diese Dinge wollen Sie hier nicht debattieren. Sie haben Angst vor dieser öffentlichen Debatte über die Außenpolitik und verweigern deshalb diese Debatte. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren! Ich bin neugierig, ob Sie den im nächsten Jahr weiterführen werden. (Abg. Zweytick: Mit der Meinung sind Sie allein!)

Lassen Sie mich nun zu zwei der Punkte kommen, die heute auf der Tagesordnung stehen. Dazu gehört das Kulturabkommen mit Slowenien, das wir sehr begrüßen. Ich denke, es ist positiv, dass es endlich abgeschlossen wird und dass damit das gegenseitige Verständnis, Kulturaustausch et cetera gefördert werden sollen. (Abg. Zweytick: Das ist erst der Beginn!)

Ich habe Herrn Dr. Kurzmann genau zugehört. Es ist eigenartig, dass Sie hier vor allem die Interessen der Altösterreicher, wie Sie sie nennen, ansprechen. In dem Abkommen steht noch korrekter: der deutschsprachigen Volksgruppe. Was sind denn Altösterreicher? Geht es da ums Alter oder geht es um Altösterreich? (Abg. Mag. Stoisits: Über 65!) Sind sie über 65? Was ist die Bedeutung von "Altösterreichern"? – Jedenfalls haben Sie hier durchgesetzt, dass diese Volksgruppe erwähnt wird. (Abg. Dr. Kurzmann: Es gibt in Slowenien eine deutschsprachige Minderheit ...!)

Interessant ist, dass in diesem Abkommen auch steht, dass von der Terminologie her auf Wunsch der slowenischen Seite auch die slowenische Minderheit in Österreich angesprochen wird. Es ist wohl legitim, dass dann, wenn die eine angesprochen wird, auch die andere drinsteht. Außerdem ist interessant, dass in diesen Erläuterungen steht, dass das Land Kärnten mitgewirkt hat. Warum – auf diese Frage haben Sie uns schon im Ausschuss keine Antwort gegeben – hat nicht auch das Land Steiermark mitgewirkt? (Abg. Zweytick: Kann ich Ihnen sagen!) Oder ist es so, weil das besondere Interesse der Freiheitlichen in Kärnten da ist, was die deutschsprachige Gruppe in Slowenien betrifft? – Das wird wohl der Hintergrund sein.

Auf jeden Fall würde ich mir wünschen, dass die Freiheitlichen mit derselben Vehemenz, mit der sie für die Interessen dieser deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien eintreten, auch für die slowenische Volksgruppe in Kärnten oder in der Steiermark eintreten und nicht einfach sang- und klanglos zustimmen, wenn zweisprachigen Radios wie zum Beispiel Radio Agora die Unterstützung gestrichen wird oder wenn Direktoren für zweisprachige Schulen nicht mehr zweisprachig, sondern nur noch einsprachig sein müssen. Da würde ich mir wünschen, dass sie


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mit derselben Vehemenz auftreten, und nicht nur, wenn es um die deutschsprachige Minderheit in Slowenien geht. (Beifall bei den Grünen.)

Aber gut, wir wissen, woran wir mit Ihnen sind, und nehmen das zur Kenntnis! Wir freuen uns trotzdem darüber, dass es dieses Kulturabkommen gibt.

Ein Punkt darin ist jedenfalls auch noch interessant, den ich gerne mit der Frau Außenministerin diskutieren würde, die heute leider nicht hier ist. Das betrifft die ganze Debatte um Kulturinstitute, die Schließung von Kulturinstituten und die Einrichtung von Kulturforen, die in die Botschaften eingliedert werden. Da herrscht auch ziemliches Chaos! Im Ausschuss hat die Außenministerin meiner Kollegin Stoisits ein Konzept vorgelegt, wovon sie sagt, dass es aber noch nicht beschlossen ist und so weiter.

Auf welcher Grundlage werden Kulturinstitute in verschiedenen Städten geschlossen? Auf welcher Grundlage werden manche als Kulturforen wieder eröffnet, in die Botschaften eingegliedert, und die Chefs werden von Direktoren von Kulturinstituten zu Kulturräten? – Hier herrscht ziemliches Chaos, und es gibt kein klares Konzept. Das ist etwas, was ziemliche Verunsicherung in diversen Ländern auslöst, vor allem auch bei jenen Leuten, die diese Angebote von österreichischer Seite her gerne in Anspruch nehmen.

Es wäre wichtig, dass in der Kulturarbeit wirklich Nägel mit Köpfen gemacht werden und dass uns die Außenministerin einmal in einem Ausschuss präsentiert, wie denn jetzt das Kulturinstituts-, Kulturforen-, Kulturarbeits- oder wie immer -konzept der österreichischen Bundesregierung für die Auslandskulturarbeit aussieht, aber nicht nur Stück für Stück. In Prag wird es in ein Kulturforum umgewandelt, in Zagreb ist das schon geschehen, in Paris wird es überhaupt aufgelöst. Wie immer sich das auch entwickeln wird, es braucht dazu genaue Konzepte, diese gibt es aber nicht. Ich hoffe, dass die Frau Außenministerin bald eines vorlegen wird, damit wir darüber diskutieren können. (Beifall bei den Grünen.)

Im Übrigen kann ich nur sagen, dass wir den anderen Anträgen unsere Zustimmung erteilen, natürlich auch dem Antrag betreffend das Kulturabkommen mit Slowenien. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Zweytick: Das wäre aber auch schneller gegangen!)

21.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

21.34

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Bedeutung, die internationale Umweltschutzübereinkommen haben, wurde auch durch die Umweltkatastrophe am Donauzubringer Theiß nur zu deutlich. Die Übereinkommen zum Schutz der Donau werden seit der Bukarester Deklaration im Jahre 1985 auf internationaler Ebene vorangetrieben. Vor allem in den osteuropäischen Staaten, die im ersten Jahrzehnt nach dem Niedergang des Kommunismus auch mit einem Niedergang ihrer Wirtschaft zu kämpfen hatten und noch immer dagegen ankämpfen, ist der Umweltschutz leider nur von sehr nachrangiger Bedeutung.

Die Mehrzahl der Signatarstaaten des Donauschutz-Übereinkommens sind auch EU-Beitrittskandidaten. Deshalb ist es besonders wichtig – meine Kollegin Jäger hat schon darauf hingewiesen –, welchen Stellenwert diese Staaten dem internationalen Umweltschutz beimessen. Das muss auch in den EU-Beitrittsverhandlungen berücksichtigt werden. Genauso wie die Arbeitnehmerrechte müssen auch die Umweltstandards auf westeuropäisches Niveau angehoben werden. Es darf kein Umwelt-Dumping in der EU geben!

Das Donauschutz-Übereinkommen und die Sicherung des Amtssitzes der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau mit dem vorliegenden Abkommen sind, wie schon erwähnt, ein wichtiger Schritt auf europäischer und internationaler Ebene. Um jedoch das Donauschutz-Übereinkommen selbst mit Leben zu erfüllen, müssen wir auch vor unserer eigenen Tür kehren, sehr geehrte Damen und Herren! Der Nitrat- und Phosphateintrag in den österreichischen Gewässern durch Überdüngung muss einfach aufhören. Dieses westeuropäische Problem der


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Intensivlandwirtschaft ist auf Grund der Speicherfähigkeit der Böden in der Gewässerbelastung noch über Jahrzehnte messbar und wirksam.

Ich bezweifle, dass sich die osteuropäischen Donau-Anrainerstaaten in den nächsten Jahren die aufwendigen Abwasserbehandlungsmethoden leisten können. Internationale Zusammenarbeit, Technologietransfer und Mithilfe sind hier gefragt, aber nicht die Drohgebärden, die vor allem von der blauen Seite immer wieder gegenüber unseren Nachbarn gezeigt werden. Auch der österreichische Weg zu einer lebenswerten Umwelt war und ist noch immer steinig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Arroganz ist hier die falsche Methode. In diesem Zusammenhang möchte ich auch das immer noch gute österreichisch-tschechische Verhältnis ansprechen. Die Ansagen von FPÖ-Ministern und Ihrem Alt-Parteiobmann, die Schließung des Atomkraftwerkes Temelin zur EU-Beitrittsbedingung zu machen, konterkarieren die Ansagen der Außenministerin, die europäischen Staaten zur Zusammenarbeit mit Österreich gewinnen zu wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Niemand, wirklich niemand, will einen Kernreaktor an der österreichischen Grenze haben. Aber glauben Sie, dass die Verantwortlichen in Tschechien vor Schreck über die Wortmeldung von Haider ein Einsehen bekommen und das Kraftwerk schließen? – Wir Sozialdemokraten wollen Temelin ebenfalls verhindern, aber wir wollen nicht den EU-Beitritt Tschechiens verhindern. Temelin löst sich nicht in Luft auf – wie meine Kollegin Sima richtigerweise schon bemerkt hat –, wenn Österreich den Beitritt Tschechiens zur EU verhindert.

Derzeit ist leider das Bild, das die österreichische Außenpolitik international abgibt, ein zerrissenes Bild, es ist katastrophal. Wer möchte schon mit einem Partner kooperieren, der heute dies und morgen jenes sagt und dazwischen Drohungen ausstößt?!

Abschließend stelle ich fest, dass es trotzdem schön ist, zu sehen, dass sich das Donauschutz-Übereinkommen, welches in seinen wesentlichen Zügen auf internationaler Ebene erarbeitet wurde, als wir Sozialdemokraten noch Regierungsverantwortung hatten, wirklich erfreulich und positiv weiterentwickelt. (Beifall bei der SPÖ.)

21.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

21.39

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Lunacek, ich darf ganz kurz auf Ihren Redebeitrag eingehen. Sie haben bedauert, dass der Außenpolitische Bericht nicht im Plenum endbehandelt wird, sondern im Ausschuss endbehandelt worden ist. Dazu stelle ich zunächst fest, dass das ganz konform mit der Geschäftsordnung ist. Es ist auch so beschlossen worden, und wie uns mitgeteilt wurde, ist auch in der Präsidiale darüber gesprochen worden.

Sie haben hier den Verdacht geäußert, dass wir vielleicht Angst gehabt hätten, die Sanktionen diskutieren zu müssen. Liebe Frau Lunacek, ich glaube, die Angst müsste eher auf Seiten der Opposition sein, wenn wir die Sanktionen diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehen Sie es positiv, dass wir das in Anbetracht einer solchen Diskussion aus Rücksicht im Ausschuss endbehandelt haben, um Ihnen wiederum eine Blamage zu ersparen, wenn es um die Sanktionen geht! Wir wissen nämlich, dass die überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher diesbezüglich auf unserer Seite ist und war. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lunacek! Als Zweites haben Sie der Frau Außenministerin ein Wirrwarr beziehungsweise Chaos betreffend die Kulturinstitute oder Kulturforen vorgeworfen. Auch ich war in dieser Sitzung, in welcher die Frau Außenministerin für mich und offenbar auch für alle anderen ganz klar erklärt hat, dass es egal ist, ob das Kind "Kulturforum" oder "Kulturinstitut" heißt, und dass vielmehr wesentlich ist, dass die Kulturarbeit im Ausland weiterhin von Österreich geleistet


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wird, wobei es keine Rolle spielt, ob die Kulturarbeit im Kulturinstitut oder in der Botschaft geleistet wird, ob es ein eigenes Kulturinstitut gibt oder dieser Bereich im Sinne von Synergieeffekten von der Botschaft mitbetreut wird. – Das ist die klare Aussage der Außenministerin: Kulturarbeit und Kulturförderung gehen im selben Ausmaß weiter, nur hat das Kind halt einen anderen Namen. Wenn Sie sich daran stoßen, dann stimme ich Ihnen unter Umständen zu, aber ein Chaos, wie Sie gesagt haben, gibt es hier wirklich nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Zweytick. )

Meine Damen und Herren! Zu den Tagesordnungspunkten: Ich möchte ein ganz wichtiges Thema besprechen, nämlich die Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik. Wer diese Erklärung nicht durchgelesen hat, wird wahrscheinlich Großes dahinter vermuten, wir haben heute jedoch nur eine Pflichtübung zu absolvieren, nämlich Staatsverträge, die damals noch mit der Sozialistischen Republik Tschechoslowakei geschlossen und teilweise nie ratifiziert wurden, ad acta zu legen und als obsolet zu erklären. Das wollen wir heute tun. Das bedeutet aber nicht, das dies das Ende des Dialogs mit Tschechien ist, denn ich glaube, dass es unbedingt notwendig und viel wichtiger als je zuvor ist, den Dialog zu führen.

Meine Damen und Herren! Es ist heute auch schon Temelin erwähnt worden: Selbstverständlich gehört das Problem Temelin gelöst, und zwar insofern, als Gespräche geführt werden müssen und der Tschechischen Republik klargemacht werden muss, dass Temelin für die Österreicherinnen und Österreicher ein gravierendes Problem darstellt. Wir sind sensibilisiert.

Kollege Heinzl hat vorhin gesagt, dass Temelin als Baustelle oder als nicht funktionstüchtiges Kraftwerk nicht weiterhin bestehen kann. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Zwentendorf: Im Jahre 1978 hatten wir in Österreich die diesbezügliche Volksabstimmung, Bundeskanzler Kreisky hat damals gesagt, dass er, wenn Zwentendorf in die Hose geht, womit er eine Absage an Zwentendorf gemeint hat, zurücktreten würde. – Die Österreicherinnen und Österreicher haben sich gegen Zwentendorf entschieden, Bundeskanzler Kreisky ist geblieben. Das wollte ich nur einmal zur Auffrischung der Historie dieses ganzen Problems erwähnen.

Zwentendorf steht heute noch und ist ungenützt. Ich glaube, Zwentendorf wäre für die Tschechen ein gutes Beispiel dafür, wie man so etwas handeln kann. Deshalb appelliere ich an die tschechische Regierung: Wenn sie Mitglied in der gemeinsamen Familie Europa werden wollen, dann mögen sie mit Österreich einen Dialog über Temelin führen, aber auch über die Beneš-Dekrete reden, um eine gemeinsame Lösung mit Österreich zu finden, damit wir ein neues Mitglied in die EU aufnehmen können und ein Familienmitglied dazubekommen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

21.45

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich bedauere es, dass wir den Außenpolitischen Bericht 2000 heute nicht im Plenum behandeln.

Frau Kollegin Lunacek! Ich habe mir dieselben Fragen gestellt wie Sie: Was soll denn verborgen werden? Warum kann man diesen Bericht nicht hier im Plenum besprechen? – Ich vermute, dass es sich hiebei um die undemokratische Grundhaltung dieser Regierungsparteien, die einfach keine öffentliche Diskussion wollen, handelt! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich diese Verweigerung der öffentlichen Diskussion anschaut und das gedanklich weiterspielt, dann kommt man zu keinen sehr positiven und schönen Vorstellungen, denn das hat nichts, aber rein gar nichts mit Demokratie zu tun!

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute auch zum Abkommen zwischen Österreich und Slowenien und über die Zusammenarbeit auf den Gebieten Kultur, Bildung und Wissenschaft sprechen. Der Einsatz der Volksgruppenvertreter und der Beamten und Beamtinnen hat


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sich wirklich gelohnt! Nach jahrelangem Tauziehen ist endlich eine verstärkte Kooperation mit Slowenien auf kulturellem Gebiet möglich. Ich bin überzeugt davon, dass sich die Belebung der österreichisch-slowenischen Kulturbeziehung sehr positiv auf das Gesamtklima auswirken kann. Slowenien ist bereits jetzt ein wichtiger Wirtschaftspartner und wird es als künftiger Partner in der EU-Gemeinschaft sicherlich noch zunehmend werden. Ich meine, dass es gerade im Hinblick darauf sehr wichtig wäre, auf kulturellem Gebiet zusammenzuarbeiten, um Vorurteilen zu begegnen beziehungsweise diese auszuschließen und damit man sich eben näher kennen lernt.

Meine Damen und Herren! Ich denke, das wird nicht so leicht sein, denn wie Sie wissen, versucht eine der Regierungsparteien normalerweise, diesbezügliche Vorurteile zu schüren und zu nutzen. Daher würde es mich freuen, wenn sich die ÖVP da einmal durchsetzte, denn die Marschroute der FPÖ führt schnurstracks in eine internationale Isolierung Österreichs!

Allerdings – und das ist bedauerlich – ist fraglich, ob dieses Papier tatsächlich mit Leben und Inhalt gefüllt werden kann. Die dafür vorgesehenen finanziellen Mittel sind sehr gering, das wurde von mehreren Seiten, vor allem auch von Seiten der Volksgruppe, sehr bedauert. Diesfalls wäre diese bilaterale Kulturkooperation ein bloßes Lippenbekenntnis der Regierung, und solche gibt es, wie ich meine, schon einige. Vielleicht wollen Sie aber nur das "einfache Parteimitglied" an der noch bestehenden Grenze zu Slowenien beruhigen! – Ich weiß es nicht.

Weiters soll heute eine Erklärung mit der Tschechischen Republik beschlossen werden, mit welcher ganz still und leise auch das Österreichische Kulturinstitut in Prag geschlossen beziehungsweise umgewandelt werden soll. Ganz kryptisch wird darin geschrieben, dass zum Beispiel der Status der Bediensteten dann anderweitig geregelt werden sollte.

Herr Großruck! Ich bin diesbezüglich nicht Ihrer Meinung! Ich meine, dass die Aussagen der Frau Ministerin im Ausschuss nicht sehr klar waren. Ich habe dann noch einige Fragen schriftlich an sie gestellt, und ich bin sehr neugierig auf die Antworten!

Ich denke, dass all das nur ein Zeichen für die Konzeptlosigkeit und für das Chaos ist, das in der Auslandskultur herrscht. Es wäre wirklich an der Zeit, dass ein Konzept vorgelegt wird.

Im nicht im Plenum behandelnswerten Außenpolitischen Bericht wird aber doch festgehalten, dass die Auslandskultur ein sehr wichtiger Bestandteil der österreichischen Außenpolitik, der Kultur und der Imagepflege Österreichs im Ausland ist. Da ist zum Beispiel zu lesen:

"Das Jahr 2000 hat deutlich gemacht, dass die Vermittlung von Informationen über die österreichische Geschichte und das österreichische Selbstverständnis zu den wesentlichen Anforderungen an die Auslandskulturpolitik zählt." – Zitatende.

Ich kann das nur unterstützen, wobei ich hoffe, dass das Selbstverständnis nicht bei Mozart und Klimt aufhört, sondern auch in die zeitgenössische Kultur hineingeht!

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass das Neue an diesem als neu angepriesene Auslandskulturkonzept "Auslandskultur neu" – so wie "Regieren neu" ist jetzt alles irgendwie neu! – in Wirklichkeit das Chaos ist, und ich meine, dass es viel zu schade ist, die Auslandskultur diesem Chaos zu opfern! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zweytick: Das ist Ihre persönliche Meinung!)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

21.50

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich meine, dass es tatsächlich außerordentlich ist, wenn heute hier nur deshalb von undemokratischen Methoden gesprochen wird, weil der Außenpolitische Bericht im Ausschuss endbehandelt wurde. Ich verstehe das nicht! (Abg. Schwarzenberger: Das ist in der GO so vorgesehen!) Das entspricht absolut der Geschäftsord


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nung dieses Hauses! Der Bericht wurde im Ausschuss gemeinsam abgehandelt, und Sie hätten dort jede Möglichkeit gehabt, sich an der Debatte zu beteiligen!

Ich erinnere mich sehr genau an diese Ausschusssitzung, in welcher Sie eigentlich kaum bemerkenswerte Beiträge eingebracht haben. Wenn Sie Ihre Chancen im Ausschuss nicht nützen, dann klagen Sie bitte nicht, dass Sie hier keine diesbezüglichen Möglichkeiten haben! (Abg. Dr. Mertel: Wozu!) Das ist Ihre Sache!

Ich glaube, dass mit diesem Bericht sehr wohl eine erfolgreiche und gute Arbeit vorgelegt werden konnte. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) – Sie hatten im Ausschuss ja die Möglichkeit, gnädige Frau! Warum haben Sie diese nicht wahrgenommen?

Ich freue mich aber umso mehr, dass ich heute und hier die Möglichkeit nutzen kann, unserer Frau Minister allerhöchstes Lob und höchste Anerkennung auszusprechen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Sie ist ja gar nicht da!)

Das, was unsere Bundesministerin als ressortführende Ministerin im außenpolitischen Bereich darstellt und umsetzt, ist herzeigbar. Vielleicht hätten Sie gerne über die Sanktionen geredet. Damit hätten wir kein Problem gehabt! Wir diskutieren gerne mit Ihnen darüber! Auch in diesem Zusammenhang war sie die Botschaftsträgerin Österreichs, die zur Entzerrung und auch zur Deeskalierung beigetragen hat, weil Sie mit Ihrer sympathischen und offenen Art hinausgegangen ist und versucht hat, draußen neue Freunde zu gewinnen und das, was manche diesem Land angetan haben, abzuschwächen und alles wieder ins Lot zu bringen!

Wie gut unsere Frau Minister liegt, können Sie der heutigen "Kronen Zeitung" entnehmen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) – Frau Dr. Mertel! Sie könnten sich freuen, wenn Sie einmal so gut drauf wären, wie es die Frau Minister ist! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Die "Kronen Zeitung" schreibt: "Am Vortag der Eröffnung der neuen österreichischen Botschaft in Berlin war Außenministerin Ferrero-Waldner um Entspannung der nach den EU-Sanktionen alles andere als konfliktfreien deutsch-österreichischen Beziehungen bemüht. ‚Wir wollen alte Freundschaften pflegen und neue vertiefen‘, sagte sie".

Ich meine, das zeigt sehr deutlich, wie sehr die Frau Außenministerin bemüht ist, gerade diesem wichtigen Bereich allerhöchste Priorität zu geben!

Ein Zweites: Ich glaube, wir Österreicher und die österreichische Republik spielen eine besondere Rolle im Erweiterungsprozess der Europäischen Union. Das ist nicht einfach! Aber es wurden beispielsweise die wirklich klaren Vorgaben bezüglich der Freizügigkeit der Arbeitskräfte bereits anerkannt. Ungarn hat das angenommen und als erster Staat bekundet, dass dies ein vernünftiger Weg ist. Wir haben bereits starken Zuspruch in unserer gesamten Ausrichtung erfahren. Das können wir heute und hier vermerken, und das freut uns!

Wenn heute in diesem außenpolitischen Block das Abkommen mit der Slowakischen Republik betreffend die gemeinsame Staatsgrenze verhandelt wird, dann hauptsächlich deshalb, weil auf Grund der politischen Änderung in diesem Bereich und der Gründung der Slowakischen Republik natürlich auch neue Rechtsvoraussetzungen geschaffen wurden. Mit diesem Gesetz wird darauf Bezug genommen, ebenso im Amtssitzabkommen mit der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau, in welchem im Besonderen der Zweck dieses Übereinkommens nachhaltig dokumentiert wird. Das Abkommen beinhaltet natürlich die üblichen Vorrechte und den üblichen Status der internationalen Organisationen.

Weiters gibt es ein Kulturabkommen mit Slowenien und eine Erklärung betreffend die Beendigung von Staatsverträgen mit der Tschechischen Republik, welche ebenfalls auf Grund der Veränderung der allgemeinen politischen Situation erfolgt.

Ich meine, dass Sie an all dem sehen können, dass wir diese Dinge außerordentlich ernst nehmen. Diese Regierungsvorlagen zeigen sehr deutlich, dass wir mit unseren Nachbarn in eine


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neue Beziehung getreten sind und vieles, was aus jener Zeit stammt, als diese Staaten weit weg von uns waren, aufarbeiten und neu gestalten.

Wir sind mehr denn je gefordert, mit unseren regionalen Partnern klare und praktikable Regelungen in unseren jeweiligen gegenseitigen Verhältnissen zu schaffen. Ich glaube, das ist entscheidend, und diese Gesetze tragen dem voll Rechnung. (Beifall bei der ÖVP.)

21.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Böhmdorfer, wobei ich Folgendes anmerke: Der Herr Bundesminister wollte nicht das letzte Wort in Anspruch nehmen, sondern er hat sich als Vorletzter gemeldet. Kollege Kurzmann hat sich jetzt aber streichen lassen, und daher haben Sie, Herr Minister, als Letzter das Wort. – Bitte.

21.56

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte die Frau Außenministerin ausdrücklich entschuldigen. Sie konnte heute nicht ins Hohe Haus kommen, weil sie in Berlin ist, und da man kollidierende Termine eben nicht gleichzeitig wahrnehmen kann, hat sie mich um ihre Vertretung gebeten.

Ich kann mich, wie ich annehme, in ihrem Namen für die sich abzeichnende Übereinstimmung in dieser Frage und für die einstimmige Zustimmung bedanken. Ich weiß, dass es der Frau Außenministerin ein großes Anliegen war, gerade das Kulturabkommen mit Slowenien über die Bühne zu bringen. Sie hat das auch mehrfach in Gesprächen auf Regierungsebene erwähnt. Und es ist auch für sie, glaube ich, ein sehr großer Erfolg, wenn die deutsche Volksgruppe erstmals in einem völkerrechtlichen Vertrag so deutlich und so selbstverständlich eine rechtliche Erwähnung ihrer Eigenständigkeit erfährt.

Dieses Kulturabkommen ist durch eine gemischte Kommission abgesichert, die im Abstand von jeweils drei Jahren zusammentritt und ein Arbeitsprogramm entwickeln wird. Ich glaube, dass das dazu beitragen wird, viele und auch schwer wiegende offene Fragen zwischen den beiden Ländern zu erledigen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Ausschussanträge naturgemäß getrennt vorgenommen werden.

Als Erstes stimmen wir ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages samt Anlage in 449 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Abschluss dieses Staatsvertrages zustimmen, um ein Zeichen. – Dieser Staatsvertrag ist vom Nationalrat einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages in 488 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen ersuchen. – Ich stelle fest: Auch dieser Staatsvertrag ist vom Nationalrat einstimmig genehmigt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages in 538 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich neuerlich ein Zeichen. – Auch dieser Staatsvertrag in 538 der Beilagen ist einstimmig angenommen.


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Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die Kundmachung der arabischen, chinesischen, französischen, russischen und spanischen Fassung des Staatsvertrages durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Außenpolitischen Ausschusses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zustimmen, um ein Zeichen. – Der Nationalrat erteilt diese Genehmigung einstimmig.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages in 563 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Nationalrat hat die Genehmigung dieses Staatsvertrages einstimmig beschlossen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss der Erklärung in 588 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diese Genehmigung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Beschluss durch den Nationalrat erfolgt einstimmig.

Damit haben wir diese Tagesordnungspunkte erledigt.

14. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 421/A der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft (685 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 422/A (E) der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend gesellschaftsrechtliche Bestimmungen zur Erleichterung von Ausgliederungen im Bereich der Länder und Gemeinden (686 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 14 und 15. Die Debatte wird gemeinsam durchgeführt.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt offensichtlich nicht vor. Damit gehen wir in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pendl. Es liegt der Vorschlag einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 6 Minuten vor. – Bitte.

22.01

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Bundesgesetz betreffend Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft stimmt die sozialdemokratische Fraktion zu, weil damit nicht nur größere Transparenz, sondern vor allem auch ein besserer Stellenwert hinsichtlich des Wettbewerbes mit Privatunternehmen gegeben ist. Ich denke, dass es im Sinne speziell dieser Anstalt ist, dass wir dieses Gesetz gemeinsam hier beschließen.

Ich möchte jetzt aber auf den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner und Mag. Reinhard Firlinger eingehen, mit welchem gesellschaftsrechtliche Bestimmungen


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zur Erleichterung von Ausgliederungen in Bereichen der Länder und Gemeinden beantragt wurden. Im Ausschuss wurde bereits ausführlich darüber diskutiert.

Laut einem Bericht im "Standard" vom Donnerstag, 28. Juni, werde die österreichische Wasserwirtschaft zerschlagen. Diesem Bericht ist zu entnehmen, dass Herr Bundesminister Molterer eine Studie in Auftrag gegeben hat, und zwar bei einer der weltweit größten Beratungsfirmen, nämlich Price Waterhouse Coopers.

Ich ersuche den Herrn Bundesminister auch von dieser Stelle aus, dass er uns diese Studie zur Verfügung stellt! Ich glaube, dass das Parlament ein Recht darauf hat, zu wissen, was diese Beratungsfirma vorgeschlagen hat.

Laut diesem Zeitungsbericht wird vorgeschlagen, dass die Fördermittel in Österreich massiv gekürzt und Rahmenbedingungen für Fusionierungen beziehungsweise Privatisierungen geschaffen werden sollen. Speziell wird darauf hingewiesen, dass es in Österreich derzeit rund 4 000 Wasserversorgungsunternehmungen gibt, davon 190 größere, die 65 Prozent der österreichischen Bevölkerung bedienen. In diesem öffentlichen Sektor sind 2 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Jahresumsatz liegt bei 4,4 Milliarden Schilling, und vom Bund werden Milliarden an Förderungen zur Verfügung gestellt. – Die Beratungsfirma schlägt vor, die Fördermittel zu streichen und entsprechende Rahmenbedingungen herzustellen, dass Privatisierungen vorgenommen werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir meinen, dass gerade die Wasserwirtschaft im Interesse der österreichischen Bevölkerung, aber auch der Umwelt liegt. Und daher richte ich den Appell an alle Kommunalpolitiker, Bürgermeister, aber auch an die Mandatare der Regionen, zu bedenken, dass das eine wichtige und zentrale Frage für unsere Bürgerinnen und Bürger ist, und bitte Bundesminister Molterer von dieser Stelle aus noch einmal, uns diese Studie zur Verfügung zu stellen! Was sollen wir denn davon halten, wenn uns auf der einen Seite dieser Entschließungsantrag im Justizausschuss präsentiert wird und wir diesen im Plenum diskutieren, wir aber auf der anderen Seite den Zeitungen entnehmen müssen, was in einem der für unsere Bevölkerung und die Kommunen elementaren Bereiche ablaufen soll? (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie den Berichten einiger Beratungsfirmen, etwa dem Raschauer Bericht, zu entnehmen war, wird eine solche Vorgangsweise betreffend viele Bereiche der Gemeinden vorgeschlagen, nicht nur in Hinsicht auf die Wasser- und Abwasserbereiche, sondern auch die Müllbereiche und Wirtschaftshöfe der Gemeinden. Das steht in Diskussion. Ich meine, dass wir alle gemeinsam an diese wichtigen zentralen Fragen im Interesse einer gut funktionierenden Kommune und der Grundversorgung der Österreicherinnen und Österreicher herangehen müssen. Es ist uns aber, wenn man uns seitens der Regierungsfraktionen nicht mitteilt, was man wirklich vorhat, unmöglich, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Daher bitte ich Sie im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, vor allem aber auch im Interesse der österreichischen Gemeinden rasch um die notwendigen Informationen! Diese Studie ist sicher auch mit Steuermitteln bezahlt worden! Schaffen Sie daher die notwendige Transparenz in einem so wichtigen zentralen Bereich unserer Heimat, indem Sie die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen! (Beifall bei der SPÖ.)

22.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

22.06

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass Herr Kollege Pendl schlecht gelesen hat: Es handelt sich hier nämlich nicht um einen Entschließungsantrag, sondern um einen Initiativantrag. Diesbezüglich besteht nicht nur formell, sondern auch materiell ein Substanzunterschied. Daher bitte ich Sie, sich mit der Sache doch etwas mehr vertraut zu machen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Abgesehen davon geht es hiebei meines Erachtens in Wirklichkeit um die Schaffung einer weit größeren Klammer, nämlich allgemeiner Voraussetzungen, wobei die Niederösterreichische Umweltschutzanstalt so etwas wie einen konkreten Anlassfall darstellt, weil entsprechende gesetzliche Regelungen fehlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Anstalt in Niederösterreich bildet jetzt einmal den Ausgangspunkt. Man hat sich auf politischer Ebene grundsätzlich darauf geeinigt, dass man diese Anstalt in eine Kapitalgesellschaft des Privatrechtes überführen will. Es bestehen mehrere beziehungsweise konkret zwei Möglichkeiten, wie man das macht. Das Problem dabei ist aber, dass es keine einheitliche bundesgesetzliche Regelung gibt, damit dieser Übergang reibungslos bewerkstelligt werden kann. Es gibt nur entsprechende landesgesetzliche Regelungen, die nicht in vollem Einklang mit bundesgesetzlichen Regelungen auch im Hinblick auf die österreichische Bundesverfassung stehen. Aus diesem Grund hat man diesen an und für sich kompliziert erscheinenden Weg gewählt.

Es gibt, wie gesagt, zwei Alternativen. Die eine Alternative aus dem Privatrecht ist, dass man eine Institution als Sacheinlage in eine Kapitalgesellschaft einbringt. Das ist der erste Weg. Der zweite Weg, der auch in der Privatwirtschaft immer häufiger gewählt wird, ist die formwechselnde Verschmelzung. Diese Alternative bietet im Zusammenhang mit der Substanzbewertung, der Vermögensbewertung eine Reihe von Vorteilen, vor allem überhaupt dann, wenn ein solches Unternehmen in Zukunft auch andere betriebswirtschaftliche Erlöse lukrieren will, als das derzeit der Fall ist. Selbstverständlich müssen diese Gesellschaften, die früher ausschließlich von einer Gebietskörperschaft, diesfalls vom Land, geführt wurden, selbständiger werden. Es gibt dafür aber nicht nur ein Beispiel, sondern zahlreiche Beispiele, und zwar nicht nur in Niederösterreich, Kollege Pendl, sondern eigentlich in allen Bundesländern!

Und wenn wir diese Maßnahme jetzt sozusagen auch gesetzlich ermöglichen wollen, dann heißt das noch nicht, wie von der SPÖ zu Unrecht befürchtet wird, dass sofort eine gigantische Privatisierungswelle einsetzt, sondern nur, dass wir die rechtliche Verselbständigung sauber und astrein durchführen wollen.

Was diese Gutachten betrifft, Herr Kollege, kann ich Ihnen nur sagen: Es gibt für jeden Fall, für jeden Einzelfall, der hier auch in Zukunft zur Diskussion stehen wird, eben andere Voraussetzungen, mal das eine Gutachten, mal das andere Gutachten. Aber dass es hier sozusagen Verselbständigungspotential en masse, also in Hülle und Fülle gibt, wird wohl niemand bestreiten. Ich glaube zudem, dass diese Gesellschaften letzten Endes auch operativ und wirtschaftlich besser geführt werden, wenn wir den Weg, wie hier vorgeschlagen, einleiten.

Letzter Punkt: Ich glaube auch, dass man es diesen Gesellschaften durch diese Regelungen ermöglichen kann, in Zukunft auch aktiv zu wirtschaften, nicht immer nur auf einen konkreten Auftrag zu warten. Ob das Umweltbelange sind oder beispielsweise die Verwertbarkeit von Umweltrechten oder anderer umweltrelevanter Güter, ist meines Erachtens nicht so wichtig, wichtig ist, dass wir sozusagen diese rechtliche Krücke dafür schaffen.

In diesem Sinne darf ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ersuchen, dem Gesetz Ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, ich möchte nur klarstellen, damit wir dann bei der Abstimmung kein Problem haben: Kollege Pendl hat sich – zu Recht – auf einen Entschließungsantrag berufen, auf den Antrag 422/A (E). (Abg. Mag. Gaßner: Eben! Er kennt den eigenen Antrag nicht!) Er hat gesagt, dem Antrag 421 kann er zustimmen, aber 422/A (E) lehnt er ab, und das ist ein Entschließungsantrag (Abg. Parnigoni: Schlecht gelesen!), daher wird das auch keine Abstimmung in zweiter und dritter Lesung sein.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

22.12

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Mein Vorredner hat ja schon sehr differenziert zwischen einerseits Anliegen, die recht


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licher Natur sind und rechtliche Krücken darstellen, und andererseits Anliegen, die substantieller, inhaltlicher Natur sind.

Für uns liegt die Priorität nicht bei den rechtlichen, sondern bei den inhaltlichen Belangen, und da die Entschließung und auch dieser Antrag in Richtung Umwelt gehen, ist für uns doch primär der Gedanke wichtig, dass Kontrollangelegenheiten und Umweltangelegenheiten nicht Angelegenheiten der Privatisierung, der Ausgliederung und der Kapitalgesellschaften sind. Darum werden wir diesen Anträgen, ganz egal, ob Entschließung oder nicht, nicht zustimmen, denn zentrale Kontrollaufgaben des Staates sind für uns nicht Fragen des Kapitalgesellschaftselements oder der Privatstiftungen, sondern diese Agenden sollen wirklich in der Hand der Körperschaften liegen und auch konkret von marktunabhängigen Institutionen ausgeführt werden. Marktunabhängige Institutionen sind halt behördliche Institutionen, und deshalb werden wir diesem Bereich nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

Das geht ganz d’accord mit unserer Haltung im Zusammenhang mit dem Umweltkontrollgesetz, bei dem wir ebenfalls gegen eine Ausgliederung stimmten, weil wir Umweltkontrolleinrichtungen immer als genuin staatliche Aufgabe erachtet haben. Vor diesem Hintergrund sehen wir eine völlige Unvereinbarkeit zwischen Kontrolle einerseits und Lukrierung von Projekten und Aufträgen auf dem Markt andererseits. Wir haben ja nichts dagegen, dass man sich auch projektorientiert auf dem Markt bewegt, nur hat das nicht in erster Linie mit den staatlichen Kontrollaufgaben zu tun. Vor diesem Hintergrund gilt es daher klar und eindeutig deklariert zu sagen: Das ist genuin staatliche, auch sozusagen genuin landespolitische Aufgabe, auf der anderen Seite gibt es auch einen Spielraum im Marktbereich beziehungsweise im Projektbereich oder im Bereich dieser Kapitalgesellschaften.

Ich habe mich vor Ort bei unseren niederösterreichischen Freunden erkundigt, und die haben gemeint, dass sich das Land Niederösterreich, wenn diese Anstalt jetzt eine Kapitalgesellschaft wird, praktisch auch eines eigenen Labors und damit einer eigenen Kontrollinstitution entledigt. Und das wollen unsere niederösterreichischen Freunde nicht, weil sie damit eine Ausdünnung der Kontrolle befürchten. (Beifall bei den Grünen.)

Vor diesem Hintergrund ist von unseren dortigen Freunden auch gesagt worden, dass eventuell sogar eine Zerteilung möglich wäre. Wir sind im Prinzip dagegen, dass hier segmentiert wird, zerteilt wird und dass die Kontrolle unter marktwirtschaftliche Einflüsse kommt. Deshalb legen wir unser Hauptaugenmerk auf den inhaltlichen Aspekt. Ich gebe zu, es gibt den formalrechtlichen Aspekt, über den sich auch reden ließe, aber in diesem Punkt ist für uns der Inhalt prioritär und deshalb unsere Ablehnung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

22.15

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ähnlich einem gewerblichen Unternehmen tätig sind, ist es zweckmäßig und sinnvoll, ihre Tätigkeit an eine Kapitalgesellschaft zu übertragen. Durch eine derartige Übertragung wird die Rechnungslegung gegenüber der Öffentlichkeit verbessert, vor allem aber die Stellung im Wettbewerb jener von Privatunternehmen angeglichen und die Kooperation mit privaten Partnern erleichtert. Deshalb wurde auch von Abgeordneter Mikl-Leitner und Abgeordnetem Firlinger ein Gesetzesantrag eingebracht, bei dem es um die Privatisierung der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt geht.

Die Niederösterreichische Umweltschutzanstalt wurde 1974 durch das niederösterreichische Umweltschutzgesetz ins Leben gerufen und nimmt heute wichtige Aufgaben im Bereich der Abfallwirtschaft, der chemischen Umweltanalytik, der Luftreinhaltung, der Wasserreinhaltung, des Lärmschutzes, aber auch des Strahlenschutzes wahr. Die Niederösterreichische Umweltanstalt hat 200 Mitarbeiter und agiert aus eigener Kraft. Man kann also sagen, es handelt sich dabei um ein mittleres Unternehmen, dass auf seinem Gebiet sehr erfolgreich ist, weil es in Wirklichkeit schon privatwirtschaftlich geführt wird. Geschätzte Kollegin Moser, die Anstalt wird bereits jetzt privatwirtschaftlich geführt!


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Das vorgeschlagene Gesetz sieht nun vor, die Niederösterreichische Umweltschutzanstalt von einer Körperschaft öffentlichen Rechts in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln. Diese Umwandlung ist nicht aus Lust und Laune an der Gesetzgebung entstanden, sondern sie ist für das Unternehmen enorm wichtig, denn nur eine Gesamtrechtsnachfolge, für die wir den Beschluss des Parlaments brauchen, sichert ab, dass nicht eine zweite Gesellschaft entstehen muss. Der würden zwar auch die Kompetenzen übertragen werden, und sie hätte natürlich auch die privatwirtschaftlichen Vorteile, daneben gäbe es aber eine leere Hülle. Nur eine geregelte Nachfolge garantiert, dass es für die jetzigen Partner der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt und für das Unternehmen selbst zu keinen Problemen kommt, dass keine Verträge gebrochen werden und dass keine neuen Abkommen verhandelt werden müssen.

Im Klartext: Durch dieses Gesetz beschließen wir einen sinnvollen und notwendigen Übergang. Insgesamt erwarten wir, dass die Wettbewerbsstellung der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt und damit das Unternehmen gestärkt werden.

Wir haben im Ausschuss breiten Konsens über diesen Antrag gefunden, und das ist sehr erfreulich. Ich verweise darauf, dass vor zweieinhalb Jahren Ex-Stadträtin Brigitte Ederer, die ja in der Zwischenzeit in der Privatwirtschaft ist, die Privatisierung der Wiener Stadtwerke eingeleitet hat, und zwar auch mit dem Argument, dass diesem Unternehmen damit große Wettbewerbschancen entstehen. Wie sich herausgestellt hat, hat es den Stadtwerken ganz gut getan, privatwirtschaftliche Luft zu atmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl das Land Niederösterreich, die Umweltschutzanstalt und alle, die sich mit diesem Thema eingehend beschäftigt haben, eindeutig für den Gesetzesantrag sind, wird von den Grünen Widerstand geleistet, so nach dem Motto: Wo Regierung draufsteht und Umwelt drinnen ist, das kann nur schlecht sein. In Wirklichkeit haben Sie die Umweltkompetenz, geschätzte Damen und Herren von den Grünen, die Sie in den Jutesackerln herumgetragen haben, schon längst abgelegt.

Ich stimme Ihnen zu, dass der Staat die Verantwortung in wichtigen Bereichen nicht abgeben darf, zu diesen gehört natürlich auch der Umweltschutz. Eigentümer der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt als Kapitalgesellschaft wird das Land Niederösterreich sein. Damit ist sehr wohl eine öffentliche Kontrolle gewährleistet, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass sich jetzt auch andere Gesellschafter am Umweltschutz und in Umweltangelegenheiten beteiligen können. Und das ist wohl auch sehr vernünftig und im Sinne der Sache.

Damit sehe ich nichts Negatives im Antrag über die Erleichterung von Ausgliederungen, denn im Grunde geht es doch nur um eines: Dort, wo Private Aufgaben von Ländern und Gemeinden besser, effizienter und kostengünstiger übernehmen können, sollen sie es auch tun.

Geschätzte Damen und Herren! Ich lade Sie ein, diesem Antrag zuzustimmen. Als umweltbewusster niederösterreichischer Mandatar richte ich diese Aufforderung an Sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Böhmdorfer. – Bitte.

22.20

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil ich in den Ausführungen von Frau Abgeordneter Dr. Moser doch einige Missverständnisse zu erkennen meine. Ich glaube, das grundsätzliche Problem wird hier zumindest zum Teil verkannt.

Es kann nicht so sein, dass der Staat unternehmerische Tätigkeiten prinzipiell und jedenfalls ausüben soll, ich glaube, es muss zugestanden werden, dass man Anstalten des öffentlichen Rechtes in Gesellschaftsformen, die das Privatrecht anbietet, überführen können muss. Dieses Zugeständnis muss man meines Erachtens unabhängig von der persönlichen Einstellung und Ideologie und unabhängig von der politischen Gesinnung machen.


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Es gibt nun zwei Möglichkeiten, diesen Schritt durchzuführen: Einer besteht darin, dass das Vermögen der Anstalten des öffentlichen Rechtes in Form einer Sacheinlage in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird. Wenn dies geschieht, entsteht eine Fülle von Problemen. Die rechtliche Hülle der Anstalt bleibt bestehen. Für die Vertragspartner, Mitarbeiter und Gläubiger gibt es viele rechtliche Unsicherheiten, die das Wirtschaftsleben gefährden und die auch rechtliche Auseinandersetzungen hervorrufen, die überhaupt unterbleiben könnte.

Unterbleiben könnten sie bei der direkten Umwandlung einer Anstalt des öffentlichen Rechtes in eine privatrechtliche Gesellschaftsform. Gerade für diese wirtschaftlich und rechtlich richtige Form der Umwandlung, wenn privatisiert wird, wenn strukturiert wird, gibt es keine ausreichende rechtliche Grundlage. Das darf man nicht übersehen. Das, was jetzt geschehen soll, ist die Schaffung einer ausreichenden rechtlichen Grundlage.

Bitte, Frau Dr. Moser, gehen Sie nicht davon aus, dass der Staat auch besser kontrolliert, als dies in der Privatwirtschaft erfolgt. Es ist nicht so. In der Privatwirtschaft gibt es in den Kapitalgesellschaften ausreichende und historisch gewachsene Kontrollorgane, insbesondere die Aufsichtsräte mit Haftungsvorschriften, auch Durchgriffsmöglichkeiten, also ein System der Kontrolle und der Überwachung, das genau für diese wirtschaftliche Tätigkeit erforderlich ist. Der Staat aber ist auf wirtschaftliche Tätigkeiten nicht wirklich eingerichtet.

Es ist daher, glaube ich, nicht ganz verständlich, wenn dem Entschließungsantrag die Zustimmung versagt wird, weil es notwendig ist, dass man für die jeweilige Form der wirtschaftlichen Betätigung als Rechtsstaat und als Rechtsordnung immer eine richtige Rechtsform zur Verfügung stellt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

22.24

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Dem Abgeordneten Kößl zur Information: Herr Abgeordneter, die Wiener Stadtwerke befinden sich weiterhin im hundertprozentigen Eigentum der Stadt Wien und sind somit nicht privatisiert. Das nur zu Ihrer Information.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute auch einen Antrag betreffend gesellschaftsrechtliche Bestimmungen zur Erleichterung von Ausgliederungen im Bereich der Länder und Gemeinden. Ihre Ideologie, meine Damen und Herren von der rechten Seite dieses Hauses, liegt wieder einmal ganz offen da: Sie enteignen die österreichische Bevölkerung nach Strich und Faden. Sie kündigen in diesem vorliegenden Antrag an, dass weitere Ausgliederungen und Privatisierungsschritte auch in Zukunft geplant sind. Das ist bei Ihnen eigentlich eine gefährliche Drohung.

Sie nehmen der österreichischen Bevölkerung ihr Eigentum weg und lassen es Ihren Freunden zukommen – das ist hinlänglich bekannt. Die größte Arroganz in der gesamten Angelegenheit ist, dass Sie ein paar privaten Eigentümern den Nutzen der Unternehmungen zukommen lassen wollen, eventuelle Haftungen sollen aber die Steuerzahler übernehmen. Der Staat soll nichts mehr davon haben, aber er soll schön zahlen, wenn der private Eigentümer, durch welche Gründe auch immer, in eine schwierige Situation kommt.

Abgeordnete Mikl-Leitner und Kollegen schreiben in der Erläuterung zum Antrag: "Die Überführung der wirtschaftlichen Aktivitäten der öffentlichen Hand in Rechtsformen des Privatrechts hat sich bewährt."

Wenn Sie ehrlich wären, müsste dieser Satz eigentlich lauten: Die Überführung der wirtschaftlichen Aktivitäten der öffentlichen Hand in Rechtsformen des Privatrechts hat sich für die schwarz-blaue Seilschaft bewährt. – Sie nehmen es den Armen und geben es den Reichen. Ich frage Sie: Wo bleibt das Christliche, wo bleibt das Soziale in Ihrem Handeln, meine Damen und Herren von der Kanzlerpartei?


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Aber natürlich muss man, meine Damen und Herren, um als drittstärkste Partei des Landes den Kanzler stellen zu können, schon einiges versprechen, zum Beispiel schwerreiche Blaue noch reicher zu machen, und das – das sei Ihnen zugestanden – gelingt Ihnen ganz hervorragend! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden sicher keinem Antrag zustimmen, mit dem der Bundesminister für Justiz aufgefordert wird, eine Gesetzesvorlage vorzubereiten und zu erarbeiten, die nur dazu dienen soll, weitere Privatisierungsschritte vor der Öffentlichkeit zu verheimlichen.

Es hat seinen Sinn, dass die Kompetenz für das Privat- und Gesellschaftsrecht beim Bund liegt. Sie wollen immer mehr Körperschaften des öffentlichen Rechts und Betriebe der öffentlichen Hand in Kapitalgesellschaften und Privatstiftungen umwandeln oder einbringen.

Sehr geehrte Damen und Herren der rechten Seite dieses Hauses! Dass "Mehr privat, weniger Staat!" kein Patentrezept ist, zeigt uns mit aller Deutlichkeit unter anderem Großbritannien, wo unter der konservativen rechten Regierung unter anderem die Eisenbahn, das Gesundheitssystem und die Wasserversorgung privatisiert wurden. Die Folgen – das ist bekannt – sind verheerend: Ein Eisenbahnunglück nach dem anderen, die einst vorbildliche Gesundheitsvorsorge ist im gesamten Umfang nur noch der begüterten Bevölkerungsschicht möglich (Abg. Böhacker: Das ist ein Ergebnis der Regierung Tony Blairs!), und sauberes Wasser, sehr geehrter Herr Abgeordneter, falls Sie das nicht wissen, gibt es in England nur mehr in Geschäften, und dies ganz teuer zu kaufen. Das wollen auch Sie anscheinend haben!

Das alles, Hohes Haus, sehr geehrte Damen und Herren, blüht auch der Bevölkerung Österreichs, wenn Schwarz und Blau weiter an der Regierung bleiben. Diese Politik wollen wir Sozialdemokraten nicht haben! (Beifall bei der SPÖ.)

22.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, und zwar stimmen wir zunächst ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 685 der Beilagen.

Ich darf jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, bitten, ein Zeichen zu geben. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in 685 der Beilagen mit Mehrheit beschlossen wurde.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen als Nächstes zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 686 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 94.)

16. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (525 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (687 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zum 16. Punkt der heutigen Tagesordnung.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor. Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.


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74. Sitzung / Seite 217

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

22.30

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das zur Diskussion stehende Gesetz ist im Wesentlichen ein Gesetz über die Organisation des Obersten Gerichtshofes über technische Möglichkeiten, insbesondere über die Art und Weise, wie Dokumentationen aufgebaut werden können, die bei der rechtlichen Arbeit im Rahmen des Evidenzbüros verwendet werden.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber trotzdem ein paar Punkte anmerken, die mir bei der Betrachtung der Materie eher unangenehm aufgestoßen sind.

Das Erste war eine Stellungnahme der Generalprokuratur, die sich zu einem Zeitpunkt hereinreklamiert hat, als das Stellungnahmeverfahren bereits begonnen hatte. Das zeigt einmal mehr, dass die Bundesregierung offensichtlich nicht gewillt ist, wirklich jene Kreise in die Diskussion mit einzubeziehen, die eigentlich auf Grund ihrer Sachkompetenz Inputs liefern könnten.

Ich lese in der Stellungnahme der Generalprokuratur: Diese weist mit Bedauern – wortwörtlich – darauf hin, dass sie als unmittelbar betroffene Behörde erst im Begutachtungsverfahren in den Gesetzwerdungsvorgang eingebunden, ja erst jetzt von der Absicht auf Änderung des OGH-Gesetzes überhaupt in Kenntnis gesetzt wurde.

Herr Bundesminister! Ich glaube, es geht einfach nicht, dass man permanent Kreise, die Sachkenntnis einbringen könnten, aus Furcht vor einer allfälligen Kritik ausschließt. Ich würde daher ersuchen, doch zur Kenntnis zu nehmen – ich meine nicht nur Sie persönlich, sondern das ist grundsätzlich ein Problem dieser Regierung –, dass man Diskussionen vor der Beschlussfassung von Gesetzen zu führen hat, weil sonst letztendlich das herauskommt, was uns der Verfassungsgerichtshof jetzt in einer Reihe von Entscheidungen zeigt: nämlich dass Gesetze zustande kommen, die Husch-Pfusch sind, die inhaltlich schwach sind, die aufgehoben werden. Ich meine, Sie könnten sich diese Peinlichkeiten eigentlich ersparen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Der nächste Punkt, der eigentlich auch ein Paradebeispiel für den Versuch war, Berufene zum Schweigen zu bringen oder an einer Entfaltung zu hindern, war die Frage betreffend den Tätigkeitsbericht. Es ist vorgesehen und bis jetzt auch immer der Fall gewesen, dass der Oberste Gerichtshof Tätigkeitsberichte verabschiedet, in denen dargestellt wird, was aus seiner Sicht in der Entwicklung in der Justiz zu beanstanden ist, wo Verbesserungsvorschläge unterbreitet werden und wo nicht.

Es gab die Diskussion darüber, ob dieser Bericht des OGH veröffentlicht werden kann, ob er einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Und siehe und staune! Es hat erst eines Aufschreis des OGH bedurft, einer umfangreichen Diskussion, ehe Sie sich – ich weiß nicht, ob Sie, Herr Minister, oder sonstige Personen innerhalb Ihres Ministeriums – bereit erklärt haben, sicherzustellen, dass dieser Bericht in der Öffentlichkeit auch tatsächlich präsentiert werden kann, weil ursprünglich vorgesehen war, dass der Bericht an das Ministerium übersendet wird und dort in einer Lade verschwinden kann – nicht muss, aber verschwinden kann.

Insofern stehe ich nicht an, Ihnen zu danken, dass es letztlich – wie auch immer das zustande gekommen ist – dazu kommt, dass der OGH nunmehr auch die Möglichkeit hat, seinen Bericht in der Öffentlichkeit darzulegen.

Warum das nicht auch hinsichtlich der Stellungnahme möglich ist, die der OGH von sich aus angeregt hat, indem er gesagt hat, wir hätten gerne die Möglichkeit, zu laufenden Entwicklungen Stellung zu nehmen und unsere Expertise abzugeben, verstehe ich nicht. Ich nehme an, dass hier offensichtlich wieder die Angst besteht, eine Kritik des OGH könnte dieser Regierung nicht genehm sein. Daher wurde diesem Wunsch nicht stattgegeben.


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Wir werden dem Gesetz trotzdem zustimmen, weil wir glauben, dass es grundsätzlich eine vernünftige Entwicklung ist. Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass es sogar in so einfachen technischen Bereichen wie hier erforderlich ist, mit einem größeren Aufwand Selbstverständlichkeiten durchzusetzen.

Herr Bundesminister! Ich möchte bei dieser Gelegenheit allerdings auch noch eine andere Frage anschneiden; der Rahmen ist auf Grund der vorgeschrittenen Zeit und Diskussion sicher nicht dazu geeignet, das hier insgesamt zu bringen. Wir haben Sie bereits vor längerer Zeit ersucht, im Zusammenhang mit dem Strafvollzug dafür Sorge zu tragen, dass effiziente Maßnahmen für einen humanen Strafvollzug gesetzt werden, für einen Strafvollzug, der auch den Gesetzen entspricht, die wir haben. Wir waren stattdessen damit konfrontiert, dass im Rahmen der Budgetdebatte allen Ernstes vorgeschlagen wurde – dieser Vorschlag ist wieder zurückgezogen worden –, das Warmwasser in den Gefangenenhäusern zu rationieren. – Ich glaube, das ist ein Ansinnen, das für sich spricht.

Nunmehr sind wir damit konfrontiert, dass seit Anfang Juni in der Strafvollzugsanstalt Krems vier Personen, Insassen, gestorben sind; der letzte angegurtet auf einem Gurtenbett, das an sich verboten ist, das gar nicht verwendet werden dürfte, qualvoll umgekommen durch einen Darmverschluss, weil man ihn eine ganze Nacht lang an Händen und Füßen im Keller auf einem Bett angegurtet hatte.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das sind Zustände, die nicht mehr akzeptabel sind. Das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich darf Sie dringend ersuchen – die Diskussion ist hier und heute sicherlich nicht zu Ende –, umgehend Maßnahmen in die Wege zu leiten, die das sicherstellen, und etwa auch von der Idee Abstand zu nehmen, im Rahmen der Zuständigkeit bei der Aufsicht eine Delegierung und eine Verlagerung der Zuständigkeit vom Landesgericht zum Oberlandesgericht umzusetzen, wodurch die Ferne der Entscheidungsträger noch größer und die Effizienz noch geringer wird.

In diesem Sinne glaube ich, dass das eine größere Aufgabe ist und dass wir noch sehr viele Diskussionen in diesem Zusammenhang führen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

22.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

22.36

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es zeichnet sich, wie es mein Vorredner erklärt hat, bei diesem Tagesordnungspunkt eine Übereinstimmung aller Fraktionen ab. Ich kenne zwar noch nicht die Äußerungen der Grünen, aber jedenfalls im Ausschuss zeichnete sie sich ab.

Es ist sehr erfreulich, dass sich die Opposition hie und da auch wieder einmal für die Sachpolitik entscheidet und nicht nur Fundamentalopposition hier im Haus betreibt. Dies ist ja selten genug, das hat man gesehen, wenn man die absurde Argumentation anlässlich der Beschlussfassung zum Kinderbetreuungsgeld heute Vormittag mitverfolgt hat. Was hier von der Opposition an absurden Dingen argumentiert wurde, ist geradezu grotesk und lächerlich.

Sie werden uns aber – nur damit Sie es auch wissen, meine Damen und Herren von der Opposition – in unserem Reformwillen nicht aufhalten können, ob es um die Reform des ORF morgen geht oder um die Reform der Sozialversicherung. Sie werden eines auch nicht machen können ... (Abg. Dr. Mertel: Wo ist denn Ihre Fraktion? – Abg. Gradwohl: Die interessiert das gar nicht!) – Meine Fraktionsmitglieder wissen, was ich sage, ich möchte es Ihnen klarmachen, aber ich weiß, dass meine Worte da nicht auf fruchtbaren Boden fallen.

Meine Damen und Herren! Sie werden uns morgen auch nicht mit Ihrer Demonstration des Österreichischen Gewerkschaftsbundes einschüchtern können, wo man uns droht: Es wird


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wahrlich kein Spaziergang werden! – Nein, wir lassen uns durch so etwas sicher nicht einschüchtern! (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Donnernder Applaus!)

Sie wissen hoffentlich, was Sie da machen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass Sie gegen das Parlament mobil machen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Bitte, hören Sie zu!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Mainoni! Wir sind jetzt beim Gerichtsorganisationsgesetz. Ein paar einleitende Sätze selbstverständlich, aber kommen Sie jetzt bitte zur Sache!

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (fortsetzend): Herr Präsident! Selbstverständlich komme ich auch zur Novelle des Gerichtsorganisationsgesetzes beziehungsweise des OGH-Gesetzes. Aber – und das möchte ich hier zum Abschluss dazu schon noch sagen; es wird auch morgen noch genügend Gelegenheit dazu geben – der Ort der demokratischen politischen Auseinandersetzung ist das Parlament hier und nicht die Straße. Bitte, lassen Sie sich das sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Bravo! Endlich! Darauf haben wir schon gewartet! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! So wie bei der Reform des OGH-Gesetzes und des Gerichtsorganisationsgesetzes hat der Justizminister eine Reihe von Reformen initiiert. Auch das sollten Sie sich einmal vor Augen führen und nicht Fundamentalopposition betreiben und nicht einmal darüber nachdenken, was schon alles geschehen ist.

Denken wir doch zum Beispiel an die Erhöhung des Strafrahmens die Schlepperei betreffend. Das ist eine sinnvolle Maßnahme, die hier auf Initiative des Justizministers beschlossen wurde. Denken wir an die Krida-Reform, die Entkriminalisierung durch die Aufhebung des Tatbestandes der fahrlässigen Krida. Denken wir aber auch an die Änderung des Kindschaftsrechtes mit der Herabsetzung der Volljährigkeit auf 18 Jahre. Denken wir an die Aufhebung des § 197 Strafgesetzbuch, meine Damen und Herren, die es erst ermöglicht hat, dass Babynester in Österreich installiert werden können. Oder denken wir auch an die Novelle zum Suchtmittelgesetz; Schlagwort: lebenslang für Drogenhändler. Oder denken wir auch an die Gewährleistungsreform, falls Sie das noch nicht vergessen haben. Die Verlängerung der Gewährleistung beim Kauf beweglicher Sachen von sechs Monaten auf zwei Jahre hat Ihnen doch sehr gut gefallen. – Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Trotz oftmaliger Vernaderungsversuche – Herr Bundesminister, Sie werden es besser wissen: Waren es sechs Misstrauensanträge, fünf oder sieben?; vielleicht wissen es Sie von der Opposition – sollten Sie jedenfalls eines wissen: Je öfter ein solches Instrument verwendet wird, desto unglaubwürdiger ist der Antragsteller. Das ist auf jeden Fall einmal klar. (Abg. Silhavy: Es ist interessant, dass Sie von Vernaderung sprechen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Silhavy, das ist an Sie gerichtet, genauso wie es auch an die Grünen gerichtet ist mit ihrem "skurrilen Professor" an der Spitze der Mannschaft. Wobei ich sagen möchte, wenn hier das Damoklesschwert des Ordnungsrufes über mir schwebt, das Copyright für den Begriff "skurriler Professor" haben die "Salzburger Nachrichten". Deren Herausgeber Max Dasch, Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungsherausgeber, bezeichnet Herrn Professor Van der Bellen als "skurrilen Professor".

Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Dieter Böhmdorfer ist ein erfolgreicher Reformminister einer erfolgreichen Reformpartei! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Silhavy: Das haben die Wiener Wahlen ja gezeigt! – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )


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74. Sitzung / Seite 220

22.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim  – in Richtung des Abg. Mag. Mainoni –: So einen "Erfolg" möchte ich nicht haben!)

22.41

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dieses OGH-Gesetz ist, wie schon signalisiert, wahrscheinlich eine einstimmige Materie; ich glaube das zumindest. Ich möchte aber dem Kollegen Jarolim antworten, weil er in den Raum gestellt hat, dieses Gesetz wäre im Husch-Pfusch-Verfahren zustande gekommen. (Abg. Dr. Khol: Nachdem das "Euroteam" abgedankt hat! "Euroteam" reimt sich auf "Jarolim"!)  – Herr Kollege Jarolim, das Gegenteil ist der Fall: Der OGH hat mehrmals urgiert, warum dieses Gesetz nicht rascher beschlossen wird.

Wir schaffen hier keine neue Bürokratie für den Obersten Gerichtshof, sondern stellen die aktuelle organisatorische Praxis im Gerichtshof auf ein gesetzliches Fundament. Zum Beispiel wird erstmals die elektronische Anwendbarkeit der Informationstechnik gesetzlich verankert und in diesem Zusammenhang auch die Aktenaufbewahrung auf elektronischen Datenträgern gestattet, sofern sie permanent verfügbar bleiben. Darauf beziehen sich auch Details im Hinblick auf die Publizität der Entscheidungen und der Anonymisierung der Entscheidungen.

Das OGH-Gesetz – und da sind Sie schlecht informiert, Herr Kollege Jarolim – wurde in einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen dem Obersten Gerichtshof in Person des Präsidenten Felzmann und dem Justizressort erarbeitet sowie auch mit mir selbst, denn ich war diesbezüglich eingebunden. (Abg. Dr. Jarolim: ... das war der Grund!) Die Novelle nimmt überwiegend auf bereits bestehende organisatorische Praxis Rücksicht und hat die Wünsche des OGH in allen Punkten – außer in zwei, die er nach guten Gegenargumenten hat fallen lassen – berücksichtigt. Daher ist es ganz einfach falsch, zu behaupten, das wäre an den Personen, die es betrifft, vorbeigegangen.

Besonderes Augenmerk wurde bei dieser Novelle auf die Publizität und die Zugänglichkeit der Entscheidungen in anonymisierter Form gelegt. Diesbezüglich – und das ist erfreulich – haben wir in dieser Novelle zum Gerichtsorganisationsgesetz auch berücksichtigt, dass Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz, sofern sie besondere Bedeutung haben, die über die Allgemeinheit hinausgehen, natürlich auch zugänglich sein müssen und somit in die Dokumentation aufgenommen werden.

Die innere Revision als Aufgabe, ausgeübt durch den Vizepräsidenten des Gerichtshofes zweiter Instanz, die klare Regelung der Geschäftsverteilung mit Einwendungsmöglichkeit der betroffenen Richter, die klare Aufgabenumschreibung und der Tätigkeitsbericht, den Herr Kollege Jarolim erwähnt hat, sind nur einige der Schwerpunkte dieser Novelle.

Der Tätigkeitsbericht hat selbstverständlich verpflichtend an den Justizminister zu ergehen. Er kann aber – und das ist eine Kann-Bestimmung – auch an den Nationalratspräsidenten, an Verfassungsgerichtshofs- und Verwaltungsgerichtshofspräsidenten sowie an diverse Bundesminister und Landeshauptleute übermittelt werden. Das wird dann von besonderem Interesse für diese Herrschaften sein, wenn sie von Entscheidungen betroffen sind und ihre gesetzgebenden Gremien unter Umständen auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes reagieren müssen.

Tatsache ist, dass im Gesetz eine Kann-Bestimmung steht. Wir wollten sie so flexibel wie möglich halten, aber es ist Praxis des Obersten Gerichtshofes, dass dieser Bericht an diese Personen übermittelt wird. Hier haben der Oberste Gerichtshof oder das Justizressort in keiner Weise Interesse daran, dass das in der Schublade verschwindet.

Diese Novelle soll den OGH unterstützen, damit er, eigentlich wie bisher, auch in Zukunft effizient und rechtsstaatlich tätig sein kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

22.46

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Nachdem die Frau Vorsitzende des Justizausschusses den Inhalt der Gesetzesvorlage genau referiert hat,


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74. Sitzung / Seite 221

sage ich Ihnen, warum sich die grüne Fraktion dieser Regierungsvorlage anschließt. Es steht nämlich im Vorblatt unter "Alternativen" Folgendes – als Alternative, wenn man das nicht beschließt –: "Beibehaltung der nicht mehr zeitgemäßen und unbefriedigenden geltenden Regelungen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre doch ziemlich unvernünftig für eine parlamentarische Fraktion, sich nicht mehr zeitgemäßen und unbefriedigenden Regelungen anzuschließen und sinnvolle Regelungen abzulehnen.

Noch einige Worte zu Ihrem Tätigkeitsbereich, Herr Bundesminister, und zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Mainoni. – Nach dem Lesen der gestrigen, der heutigen und der morgigen Zeitungen hege ich, Herr Bundesminister, den Verdacht, dass es demnächst wieder einen Misstrauensantrag gegen den Herrn Bundesminister für Justiz geben könnte, und zwar dann, wenn es nicht schnell – was heißt schnell? –, wenn es nicht umgehend und sofort eine Aufklärung jener Vorgänge gibt, die sich in Österreichs Justizanstalten offensichtlich abspielen. Herr Kollege Jarolim hat es schon angesprochen: Vier Todesfälle unter zum Teil mehr als fragwürdigen, mysteriösen Umständen müssten jetzt alle Alarmglocken in Ihrem Ressort und bei Ihren Mitarbeitern läuten lassen, Herr Bundesminister! (Abg. Ing. Fallent: Zum Thema!)

Ich sage das nicht nur aus Betroffenheit über den Tod von Menschen, der uns jetzt prinzipiell nachdenklich machen sollte, sondern auch deshalb, weil in den Medien in diesem Zusammenhang auch von Praktiken berichtet wird, von denen ich dachte, dass sie in Österreichs Justizanstalten längst abgestellt sind, wie beispielsweise der Einsatz eines so genannten Gurtenbettes. Der Einsatz von Gurtenbetten ist in Österreich seit Jahren verboten, weil er nichts anderes als schlicht Folter ist. Wir leben doch, bitte, in keinem Land, in dem gefoltert wird. Oder wollen Sie das? (Abg. Ing. Fallent: Unbeschreiblich! Warum werfen Sie es dem Herrn Minister vor?)

Ich werfe dem Herrn Justizminister gar nichts vor. (Abg. Ing. Fallent: Warum wollen Sie ...?) Ich verlange vom Herrn Justizminister, dass er sich der politischen Verantwortlichkeit als zuständiger Ressortminister – ja nicht nur der politischen, sondern auch der inhaltlichen – bewusst wird und öffentlich Stellung nimmt zu dem, was wir in den letzten Tagen aus den Medien erfahren mussten. Glauben Sie, Herr Ing. Fallent, mir ist es angenehm, zu hören, dass jemand an ein Gurtenbett gefesselt – das heißt unter Folter stehend – an einem Darmverschluss stirbt, und sei es ein dreifacher Mörder wie dieser?

Offensichtlich gibt es sozusagen eine unglaubliche Hartherzigkeit, wenn es um Todesfälle in Haftanstalten geht. Diejenigen, die dort arbeiten, und in der letzten Konsequenz Sie, Herr Bundesminister, als Ressortverantwortlicher ... (Abg. Ing. Fallent: Was hat das mit der Tagesordnung zu tun?) – Das hat mit dem Obersten Gerichtshof und selbstverständlich auch mit der Gerichtsorganisation insgesamt zu tun, weil die Frage der bedingten Entlassungen und der vorzeitigen Entlassungen auch dort wesentlich ist, Herr Bundesminister. Das ist – und jetzt komme ich noch einmal darauf zurück – eine ganz wesentliche Frage, unabhängig von der strafrechtlichen Komponente und von der Relevanz, wer dort unter Umständen schuldhaftes Verhalten an den Tag gelegt hat. Es ist Ihre Aufgabe, Herr Bundesminister, zu klären, ob in Österreichs Gefängnissen gefoltert wird, indem Gurtenbetten eingesetzt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Fallent: Was hat das mit der Tagesordnung zu tun?)

Ich muss sagen, ich hege den Verdacht, dass es nicht von ungefähr kommt, dass die Berichte, die das Anti-Folter-Komitee des Europarates (Abg. Dr. Papházy: Zur Sache! – weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP)  – inzwischen muss man sagen: vor Jahren; es ist nämlich mehr als ein Jahr her (Abg. Ing. Fallent: Herr Präsident! Zur Sache!)  – der österreichischen Bundesregierung übermittelt hat, bis heute dem Parlament nicht zur Verfügung gestellt worden sind und erst seit wenigen Stunden oder jedenfalls nicht länger als seit zwei, drei Tagen auf der Homepage des Europarates – natürlich nicht in deutscher Sprache – abzufragen sind.

Herr Bundesminister! Ich habe nicht nur parlamentarische Anfragen gestellt, sondern auch in persönlichen Anfragen in Ausschusssitzungen und auch im Plenum schon darauf hingewiesen. Es ist eine zu ernste Angelegenheit, um sich darüber auszuschweigen, Herr Bundesminister!


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74. Sitzung / Seite 222

Vielleicht könnten uns dieses Einvernehmen über die Gerichtsorganisation und die Wünsche des Obersten Gerichtshofes am Ende dieses Tages so nachdenklich machen, dass wir uns diesen Themen, bei denen es – jetzt muss man das leider wirklich sagen – offensichtlich um Leben und Tod geht, besonders widmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.51


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74. Sitzung / Seite 223

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

22.51

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg ein Wort zu den Ausführungen des Kollegen Mainoni. – Kollege Mainoni, auch Ihre Fraktion, beide Regierungsparteien werden unsere Kritik an dieser Justizpolitik nicht aufhalten können. Es hängt nicht nur damit zusammen, dass unsere Sachargumente nicht berücksichtigt werden, sondern es hängt insbesondere damit zusammen, dass eine falsche Justizpolitik gemacht wird. (Abg. Großruck: Wer sagt das?) Nur ist heute nicht die Zeit, eine grundsätzliche Debatte zur Justizpolitik zu führen. (Abg. Großruck: Wer sagt, dass eine Justizpolitik ...?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt mit dem vorliegenden Entwurf, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden sollen, auseinander setzen.

Herr Bundesminister! Wir werden zustimmen. Kollege Jarolim hat unsere bestehenden Einwände vorgebracht, aber wir glauben, dass es trotzdem – wie im Justizausschuss ausgeführt – zu einer Verbesserung kommt. Wir möchten allerdings die Gelegenheit wahrnehmen, uns mit dem Gerichtsorganisationsgesetz im Detail auseinander zu setzen.

Herr Bundesminister! Von Ihnen hat es einen Vorschlag zur Reform der Gerichtsorganisation gegeben. Kollege Mainoni, es war ein Zentralisierungskonzept, ein Konzept, wonach beispielsweise in dem Bundesland, aus dem wir beide kommen, nur noch vier Eingangsgerichte und kein Rechtsmittelgericht mehr bestehen sollen. Ich frage mich, wie du dich bei dieser Abstimmung entscheiden wirst. (Abg. Mag. Mainoni: Das letzte Wort hat der Landeshauptmann! Das ist das Problem!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kritik an diesem Reformkonzept, das im Grunde genommen ein Zentralisierungskonzept gerade zu Lasten einzelner Bundesländer – wie des Bundeslandes Salzburg – ist, werden wir hier noch sehr heftig diskutieren müssen. Herr Bundesminister, in der von Ihnen vorgelegten Form wird es von der sozialdemokratischen Fraktion abgelehnt. Es bedeutet nämlich einen Kahlschlag. Bezirksgerichte werden ohne Rücksicht auf verkehrsgeographische Gegebenheiten aufgelöst, wiederum zum Beispiel in Salzburg das Bezirksgericht in Tamsweg, und die zweitgrößte Stadt, nämlich Hallein, hätte überhaupt kein so genanntes Regional- oder Eingangsgericht mehr.

Der Widerstand mehrt sich, auch die Landeshauptleute sind dagegen. Ich sage das hier mit aller Deutlichkeit. Es gibt wie in anderen Bundesländern auch im Bundesland Salzburg einen einstimmigen Beschluss, wodurch eingefordert wird, Herr Bundesminister, dass zumindest jeder politische Bezirk weiterhin über ein Eingangsgericht und die Landeshauptstadt selbstverständlich auch über ein Rechtsmittelgericht verfügt.

Herr Bundesminister! Es befremdet mich, dass über die Auflösung der Oberlandesgerichte überhaupt nicht diskutiert worden ist. Es befremdet mich, dass einzelne Landeshauptstädte bevorzugt werden und dass Länder unterschiedlicher Kategorien geschaffen werden.

Wir Sozialdemokraten sind Reformen im Bereich der Gerichtsorganisation nicht abgeneigt. Auch wir sagen, dass Reformen notwendig sind, Herr Bundesminister, aber dieses Zentralisierungskonzept, das Sie vorgelegt haben, wird von der sozialdemokratischen Fraktion im Parlament, aber auch vom Salzburger Landtag – ich sage das, weil ich aus diesem Bundesland komme – strikt abgelehnt. (Beifall bei der SPÖ.)

22.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

22.56

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorerst darf ich mich an Sie wenden, Herr Präsident, weil ich mit großem Missfallen und großem Bedauern gesehen habe, mit welch unterschiedlichem Maß Sie die Redner beurteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich weise das entschieden zurück! – Die Handhabung der Geschäftsordnung obliegt nicht Ihnen!

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (fortsetzend): Ich darf aber dann auch zurückweisen, dass Sie Herrn Mag. Mainoni darauf hinweisen, dass er zur Sache zu kommen hat, und ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! (Abg. Mag. Mainoni  – in Richtung der ohne Mikrophon weitersprechenden Abg. Dr. Papházy –: Wir hören sie nicht! – Abg. Gradwohl: Zur Gerichtsorganisation!) Ich ersuche Sie, jetzt zur Gerichtsorganisation und zur Vorlage zu sprechen. (Abg. Mag. Mainoni: Der Widerspruch ist nicht vorgesehen!)

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (fortsetzend): Herr Präsident! Sie haben mir zuerst das Mikrophon abgeschaltet. Auch das bedauere ich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, Frau Abgeordnete! Ich bitte Sie, sich der Materie zuzuwenden und die Vorsitzführung dem Vorsitzenden zu überlassen! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Wahnsinn! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (fortsetzend): Herr Mag. Mainoni hat anhand einiger Beispiele dargelegt, dass sich die Bilanz des Bundesministeriums für Justiz sehen lassen kann. Dringend notwendige Reformvorhaben und zukunftsweisende Projekte wurden von Herrn Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer und seinem Team angegangen und auch realisiert.

Die einzelnen Schritte der Gerichtsreform schaffen besseren Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger und mehr Transparenz. Modernere Strukturen bringen den Obersten Gerichtshof auf den Standard europäischer Höchstgerichte, insbesondere was die innere Revision, die jährliche Geschäftsverteilung und den zeitgemäßen Einsatz von Informationstechnologie anlangt. PPP, Public Private Partnership, zum Nutzen der Kunden ist mehr als nur ein Schlagwort.

Die Reorganisation des OGH wurde im Justizausschuss einstimmig angenommen. Die Reorganisation des OGH wird, so hoffe ich, auch im Plenum einstimmig beschlossen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

22.58

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zunächst auf das eingehen, was Herr Abgeordneter Mag. Maier gesagt hat.

Herr Abgeordneter, Sie haben gesagt, dass Sie auf jeden Fall gegen die – wie Sie meinen – zentralisierende Reform sind. Sie haben gesagt, dass Sie mit Befremden festgestellt hätten, dass über eine Reformierung der OLG nicht gesprochen wurde. Herr Abgeordneter, dazu kann ich nur sagen: Deutlicher, als ich in der Öffentlichkeit über alle diese Punkte gesprochen habe, konnte man und kann man nicht darüber sprechen. Ich kann nichts dafür, wenn Sie öffentliche Erörterungen einfach nicht zur Kenntnis nehmen.


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74. Sitzung / Seite 224

Ich habe auch – zuletzt, glaube ich, im Budgetausschuss – allen Klubs, ausdrücklich auch der Sozialdemokratischen Partei und den Grünen, angeboten, dass wir mit unserem Referat über die Bezirksgerichtsreform in die Klubs kommen. Ich kann nichts dafür, wenn diese Angebote nicht aufgegriffen werden. Ich muss deshalb diese Gelegenheit ergreifen, Ihnen diese Reform in ihren Grundzügen noch einmal zur Kenntnis zu bringen. Ich muss auch wiederholen, was ich in der Öffentlichkeit immer wieder unüberhörbar gesagt habe, nämlich dass wir das Einvernehmen mit den Landesregierungen suchen und finden werden. Es wird keine Reform geben, die nicht einvernehmlich ist. Auch das haben Sie hier und heute bedauerlicherweise verschwiegen. (Abg. Mag. Maier: Ich habe keine Zeit gehabt!)

Sie haben auch nicht gesagt, dass unsere Gerichtsorganisation aus dem Jahre 1848 stammt, seit diesem Jahr nicht oder kaum überarbeitet wurde, dass sie im letzten Jahrhundert kaum kosmetische Eingriffe erlebt hat, wir von den 192 Bezirksgerichten zwei Drittel nicht einmal mit 2,9 Richtern auslasten, wir mit unserer Organisation in Europa Schlusslicht sind und dass in Österreich pro Bezirksgericht eine Population von zirka 32 000 im ländlichen Raum besteht, hingegen in Deutschland im Durchschnitt 119 000 Einwohner – und in Bayern sogar 169 000 – auf ein Amtsgericht entfallen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, Herr Abgeordneter Mag. Maier – und ich bitte auch Sie, sehr geehrte Damen des Hohes Hauses, mir in diesem Sinne Ihre Aufmerksamkeit zu schenken –, dass diese Struktur der Bezirksgerichte nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. In Mariazell versorgt sie eine Bevölkerung von 4 800 Menschen. Man kann diese Organisationsstruktur nicht mehr gutheißen, weil wir auch im Bereich der Justiz – und gerade im Bereich der Gerichte – den Weg der Spezialisierung gehen müssen.

Unser Konsensangebot lautet bekanntlich – wenn Sie in der Öffentlichkeit zugehört haben, Herr Abgeordneter Mag. Maier –, dass wir zumindest Gerichtsgrößen haben wollen, die zwei Richter auslasten, weil wir bei den Bezirksgerichten 40 Geschäftszweige versorgen müssen, ein Richter allein das nicht mehr kann und eine Spezialisierung mit weniger als zwei Richtern logischerweise nicht möglich ist.

Die Oberlandesgerichte haben Sie – weil Sie auch hier weggehört haben – zu Unrecht in Misskredit gebracht. Die Oberlandesgerichte erfüllen im Justizverwaltungsbereich die Funktion von Verwaltungsverbünden. Sie sind unschätzbare Verwaltungsträger von höchster Effizienz. Die Oberlandesgerichte aufzulösen, wäre ein Rückschritt. Das ist betriebswirtschaftlich anerkannt und wurde von mir auch mehrfach in der Öffentlichkeit gesagt.

Ich kann nichts dafür, Herr Abgeordneter, wenn Sie das nicht gehört haben. Ich glaube, dass Sie hier in allen Punkten Unrecht haben und dass Sie in der falschen Richtung mobilisieren, denn eine moderne Gerichtsorganisation ist notwendig, um die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können.

Ich werde rechtzeitig, ausführlich, klar und in der gebotenen Eindeutigkeit zu den Vorfällen in den Justizanstalten Stellung nehmen. Aber da insbesondere diejenigen, die das kritisiert haben, jetzt nicht aufpassen, sehe ich bei ihnen keinen gesteigerten Bedarf, diese Information hier zu bekommen. (Abg. Dr. Petrovic: Uns interessiert das sehr!)

Ich kann Ihnen aber sagen, dass diese Vorfälle selbstverständlich untersucht werden, dass auch eine Untersuchung anhängig ist, dass ich aber in der jetzigen Stunde keine Möglichkeit sehe, Details zu veröffentlichen, die noch in Prüfung sind. Es sind bereits staatsanwaltschaftliche Anträge gestellt worden. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten wurde in Auftrag gegeben; dieses liegt jedoch in der schriftlichen Ausfertigung noch nicht vor.

Ich kann Ihnen aber versichern, dass es meines Erachtens nicht richtig ist, jetzt Zeitungsberichten zu vertrauen und die Stimmung hochzuschaukeln, sondern dass es im Interesse der Sache angebracht wäre, noch einige Tage, vielleicht auch einige Tage mehr, zuzuwarten, damit Sie dann eine sachliche Grundlage für Ihre mögliche Kritik haben. Jetzt schon auf Grund von Zeitungsberichten im Schutze der Immunität Äußerungen zu tätigen, die sicherlich sehr drama


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tisch sind – und diese Vorfälle verdienen alle kritische Beachtung –, ist meines Erachtens ein Schritt, der der Sache nicht dient.

Ich wiederhole, dass selbstverständlich alles, was aufzuklären ist, aufgeklärt und Ihnen das Ergebnis zugänglich gemacht werden wird. Hier wird es keine Zurückhaltung geben. Aber warten Sie bitte mit Ihren Beschuldigungen, gehen Sie damit vorsichtig um! Vielleicht liegen die Dinge doch etwas anders, als Sie es heute glauben, nur weil es in manchen Zeitungen steht.

Bedenken Sie auch, dass diese Justizwachebeamten einen ungeheuer schweren Dienst versehen, der wirklich große Beachtung verdient. Er verdient natürlich auch manchmal Kritik, aber ich richte nochmals die Bitte an Sie, nicht vorschnell zu kritisieren. Was Frau Abgeordnete Stoisits gesagt hat, hat sich nicht sehr sachlich angehört, ich glaube aber, dass gerade diese Fragen einer sachlichen Betrachtung zugeführt werden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Gesetz selbst möchte ich wiederholen, dass es völlig im Einvernehmen mit dem Obersten Gerichtshof erarbeitet wurde, alle Fragen mit dem Obersten Gerichtshof besprochen wurden, keine Fragen offen geblieben sind und dass insbesondere in der Frage der Veröffentlichung der Entscheidungen der bestmögliche Weg gegangen wird.

Im RIS werden Judikatur und Literatur veröffentlicht, sodass es nicht notwendig ist, dass auch das Evidenzbüro des Obersten Gerichtshofes diese Literatur veröffentlicht. Diese Forderung ist schlechthin unverständlich.

Bei der Veröffentlichung muss selbstverständlich der Datenschutz beachtet werden. Den Datenschutz zu beachten bedeutet, dass wir es jeweils dem erkennenden Senat überlassen müssen, ob und in welchem Umfang eine Entscheidung veröffentlicht wird. Das bedeutet auch, dass wir berücksichtigen müssen, dass unter Umständen nicht der Volltext veröffentlicht werden kann, sondern wir uns damit begnügen müssen, dass nur die so genannten Leitsätze veröffentlicht werden. Diese Leitsätze dienen ja dazu, den Richtern, Rechtsanwälten und sonstigen rechtsanwendenden Berufen die Möglichkeit zu geben, die Judikatur kennenzulernen und rechtlich richtige Entscheidungen zu treffen.

Ich danke für die Ankündigung, dass dieses Gesetz trotz aller Differenzen, die in der Debatte manchmal bestanden haben, einstimmig beschlossen werden wird. Ich danke auch dafür, dass man im Prinzip zugestanden hat, dass da eine Modernisierung und ein Reformschritt erfolgt, so wie wir das im Justizministerium durchgehend anstreben und verwirklichen, auch wenn dies noch nicht immer anerkannt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

23.07

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollegen meiner Fraktion haben schon ausgeführt, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen werden. Es ist einige Kritik geäußert worden, aber im Wesentlichen halten wir diese Novelle für einen Fortschritt.

Wir zeigen auch gerne, dass wir keine Total-Opposition, keine Fundamental-Opposition sind, wie es hier heute mehrmals behauptet wurde. Wenn es zu vernünftigen Regelungen kommt, sind wir bereit, zuzustimmen. Wenn allerdings aus ideologischen Gründen falsche Entscheidungen getroffen werden, ist klar, dass wir da nicht mitmachen.

Herr Bundesminister! Ich möchte einen Bereich der Gerichtsorganisation ansprechen, der bis jetzt immer unproblematisch erschienen ist, und zwar die Gerichtsorganisation in Wien. Wir waren sehr überrascht darüber, dass der Bau des BG Landstraße zurückgestellt wird, und zwar aus finanziellen Gründen, wie wir erfahren haben. Sie haben uns gesagt, dass es trotz der komplizierten Bauverfahren zu keiner Verzögerung kommen wird.


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Ich habe jetzt mit dem Herrn Bezirksvorsteher des 3. Bezirks darüber gesprochen. Er hat nicht gewusst, dass es da zu einer Vertagung gekommen ist. Er war sehr überrascht und, wie er mir gesagt hat, auch entsetzt, und er macht sich Sorgen darüber, dass es zu Unsicherheiten und zu einer Unklarheit kommen könnte. Er hat mir gesagt, dass die Platte über die Schnellbahn jetzt im Juli und im August errichtet wird und dass im September mit dem Bau begonnen werden kann. Die Firma Konstruktiva hat mit dem Ministerium schon die Raumeinteilung besprochen und ist jetzt einigermaßen darüber verunsichert, ob diese Vereinbarungen halten werden.

Ich glaube, dass die Errichtung dieses Bezirksgerichtes wichtig für die zwei großen Bezirke Landstraße und Simmering ist. Es ist dies die Fortsetzung einer Reform, die schon vor längerem begonnen wurde. Daher halte ich hier fest, dass es ganz wichtig ist, dass es diesbezüglich zu keiner Verzögerung kommt. Das ist ein Anliegen, das besonders uns Wienerinnen und Wienern sehr wichtig ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 687 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig der Fall.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Kurt Gaßner und GenossInnen gemäß § 33 GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis S: 5, F: 4, V: 4 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich Geldflüsse und Manipulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Vergabe des Lieferauftrages über Radaranlagen an das Österreichische Bundesheer in den Jahren 1994 und 1995,


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Aufklärung einer möglichen Einflussnahme des damaligen Wirtschaftsministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel auf die Zuschlagserteilung an das Unternehmen Thomson,

Aufklärung des Vorwurfes der Annahme von Provisionszahlungen durch an der Vergabe beteiligte Personen,

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundesministeriums für Landesverteidigung, des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit und anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten hin prüfen.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte 5 Minuten, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder von zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

23.12

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In einer Pressekonferenz am 28. Juni dieses Jahres meinte Herr Bundeskanzler Schüssel: "Alte Hüte bleiben alte Hüte." – Er bezog sich dabei auf einen Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" mit folgender Überschrift:

"Der flüchtige Großspender benennt den österreichischen Kanzler als Zeugen. Schreibers Türöffner Wiesheu. Der Waffenhändler nutzte seine Beziehungen, um Geschäftsfreunden Kontakte zu Wolfgang Schüssel zu verschaffen."

Es handelt sich hiebei um einen Prozess, den dieser Herr Schreiber gegen die Firma Thomson angestrengt hat, weil diese Firma nicht bereit ist, die Provisionen aus diesem Österreichgeschäft zu bezahlen.

Meine Damen und Herren! Zur Erinnerung an diesen vom Herrn Bundeskanzler als "alt" bezeichneten "Hut" darf ich kurz ausholen: Im März 1995 wurde ein Auftrag der österreichischen Bundesregierung beziehungsweise des Verteidigungsministers Fasslabend an die Firma Thomson erteilt. Bereits im Juli 1994 hatte die zuständige Sektion im Landesverteidigungsministerium um Zustimmung des Ministers ersucht. Der Minister hat sich drei Monate Zeit lang gelassen, bis er diese Zustimmung erteilte. Wiederum vier Monate später wurde dann der Auftrag vergeben. Warum wohl diese lange Zeit der Entscheidung?

Die Feststellung der Mängel sowie die Bedenken stammen nicht von uns, sondern sie sind dem Rechnungshofbericht zu entnehmen, der dem Hohen Haus allseits bekannt ist. – Ich darf aus diesem Rechnungshofbericht zitieren:

Als Mangel sah der Rechnungshof jedoch an, dass die Ergebnisprotokolle über die Sitzung der Bewertungskommission keine oder nur ansatzweise Erwägungen über die befassten Beschlüsse enthielten. – So weit zum Mangel.


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Die Bedenken des Rechnungshofes gegen diese Vergabe berühren eine andere Sache: Die österreichischen Auftraggeber haben festgelegt, welche Angebotserfordernisse gegeben sind. Es bestanden zwei Angebotserfordernisse: Erstens musste diese Radaranlage von der anbietenden Firma in Serie produziert werden, und zweitens verlangten die österreichische Regierung beziehungsweise das Verteidigungsministerium damals, dass diese Radaranlagen bereits in einer Armee in Erprobung sind.

Beide Voraussetzungen dieses Angebotes konnte die Firma Thomson nicht erfüllen. Aber es handelt sich ja um "alte Hüte", meine Damen und Herren! Diese Entscheidungen wurden trotz der – bereits bekannten – versuchten Schmiergeldzahlung an die SPÖ getroffen. Wenn man von Seiten der Firma versucht hat, jemanden zu schmieren, der mit diesen Entscheidungen überhaupt nichts zu tun hatte – denn weder das Verteidigungsministerium noch das Wirtschaftsministerium waren in Händen der SPÖ –, dann ich frage mich, welches Angebot wohl jenen gestellt wurde, die Entscheidungen zu treffen hatten. – Darüber ist natürlich nichts auszusagen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das Finanzministerium war nie in Händen der SPÖ?)

Im August 1994 kam es dann zu heftigen Aktivitäten, weil die Firma Thomson merkte, dass dieser Auftrag nicht an Land zu ziehen zu sein schien. Herr Merk, ein Repräsentant der Firma Thomson, der in der Zwischenzeit leider verstorben ist, hat sich an Herrn Schreiber gewandt, der ja im Waffengeschäft und in diesen Kreisen als Lobbyist den besten Namen hatte, und hat ihn gebeten, doch eine Türöffnerfunktion in Richtung österreichische Regierung und zum Wirtschaftsminister hinein zu spielen. Herr Schreiber hat seinen Freund, den Wirtschaftsminister in Bayern, Wiesheu, gebeten, diese Verbindung herzustellen, und angeblich – so die Aussagen – kam es am 16. August 1994 zum Gespräch zwischen Herrn Merk und dem damaligen österreichischen Wirtschaftsminister Schüssel. (Abg. Gradwohl: Ungeheuerlich!)

Der Auftrag an das Wifo ist in diesem Zusammenhang auch interessant. Ebenfalls noch im August 1994 hat der Wirtschaftsminister das Wifo beauftragt, doch zu recherchieren, ob da nicht wirtschaftliche Erfolge zu erzielen wären. Angeblich waren diese Kompensationsgeschäfte dann derart, dass militärische Erwägungen überhaupt keine Rolle mehr spielten. – So weit die "alten Hüte".

Der neue Hut beziehungsweise die wieder in Mode kommende Huttracht des Herrn Bundeskanzlers – in der Zwischenzeit – zeigt sich im Folgenden: Wie schon aus dem Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" hervorgeht, hat Herr Schreiber, nachdem Thomson offensichtlich die Provisionen aus diesem Österreichgeschäft nicht bezahlt hat – es handelt sich, wie gesagt, um 10 Millionen Schilling –, die Firma Thomson geklagt. Als Zeugen nennt Herr Schreiber unter anderen Herrn Wiesheu und den österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und lässt ihnen via "Süddeutsche Zeitung" ausrichten – ich zitiere –:

"Die Unwahrheit ... darf keiner sagen, das gilt für alle Zeugen, die geladen werden. Die müssen aufpassen, dass ihnen nicht dasselbe passiert wie dem Herrn Schäuble, wenn Sie wissen, was ich meine." – Ich denke, die Herrschaften wissen das exakt! (Abg. Dr.  Martin Graf: Wann hat er das gesagt?) Herr Kollege, das hat Schreiber am 28. Juni dieses Jahres der "Süddeutschen Zeitung" gegenüber gesagt. (Abg. Gradwohl: Also doch kein alter Hut!) Das ist also kein alter, sondern ein neu in Mode gekommener Hut, es handelt sich nämlich jetzt um die Zeugenladung des österreichischen Bundeskanzlers in der Frage eines Waffengeschäftes und der Provisionen, die in diesem Bereich fließen!

Was meinte Schreiber denn, wenn er sagt: "..., wenn Sie wissen, was ich meine."? – Er meinte damit den Skandal der ÖVP-Schwesterpartei CDU und den Rücktritt des Herrn Schäuble. – Ich meine, das ist traurig genug und hinlänglich bekannt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der österreichische Bundeskanzler wird als Zeuge in einem Waffenprovisionsgeschäft geladen, das auf einem österreichischen Grundgeschäft beruht! Es handelt sich immer noch um die Radaranlagen für das österreichische Bundesheer, die von Thomson gekauft wurden. Er wird als Zeuge vor ein Schweizer Gericht geladen – und all das lesen wir in einer deutschen Zeitung. – Damit hat dieser "alte Hut" tatsächlich neue, auch


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internationale Dimensionen gewonnen, meine Damen und Herren! (Abg. Amon: Wer hat denn diesen Artikel geschrieben?)

Bundeskanzler Dr. Schüssel meinte dazu, dass er den nicht kenne und noch nie mit ihm gesprochen habe. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Schreiber hat nie behauptet, mit Schüssel gesprochen zu haben! Aber in seinen Aufzeichnungen kommt der Name "Schüssel" immer wieder vor.

In Anbetracht dessen bin ich der Meinung, dass das österreichische Parlament und die österreichische Bevölkerung ein Recht darauf haben, zu erfahren, warum der österreichische Bundeskanzler als Zeuge in dieser Causa genannt wird. Wir halten es für notwendig, dass diese Fragen quasi im eigenen Haus und nicht auf europäischer Bühne geklärt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, dass der Bundeskanzler doch auch Interesse daran haben muss, da Klarheit zu schaffen und deutlich nachzuweisen, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Wenn Sie diesen unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ablehnen, bringen Sie selbst schiefes Licht auf unseren Bundeskanzler, und ich frage mich, wie Sie das dann gegenüber der Bevölkerung erklären! (Abg. Mag. Kukacka: Dass Sie sich nicht schämen!)

Ich bin überzeugt davon, dass uns, wenn schon nicht die ÖVP, so aber doch die FPÖ diesbezüglich sicherlich beipflichten wird, denn die FPÖ hat zu dieser Causa bereits vor zwei Jahren die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt. – Ich lade Sie also wirklich ein, zur Klärung und zur Reinwaschung des Herrn Bundeskanzlers der Einsetzung eines solchen Ausschusses zuzustimmen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Dass Sie sich für so etwas hergeben!)

23.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt 5 Minuten.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

23.22

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir schon gehört haben, hat die französische Firma Thomson den Zuschlag für ein Milliardengeschäft bekommen, nämlich für 22 Radaranlagen im Wert der erklecklichen Summe von 1,3 Milliarden Schilling. Und warum hat diese Firma Thomson den Zuschlag bekommen? War sie die Bestbieterin? Hat sie den Vergabekriterien entsprochen? – Das Gegenteil war der Fall: Die Firma Thomson hat nur zwei Vergabekriterien entsprochen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hat die Firma Thomson bei einer internen Bewertung des Wirtschaftsministeriums am besten abgeschnitten? – Nein! Das Gegenteil war der Fall: Sie wurde nur auf den dritten Platz gereiht.

Hat die Firma Thomson beim offiziellen Hearing der Sozialpartner am besten abgeschnitten? – Das Gegenteil war der Fall: Auch diesbezüglich wurde sie nur auf den dritten Platz gereiht. (Abg. Mag. Kukacka: Fragen Sie Marizzi! Er weiß all das sicherlich!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist interessant: Warum hat die Firma Thomson dennoch den Zuschlag für dieses Geschäft erhalten? – Frau Rauch-Kallat, Sie lächeln so! Ich weiß nicht, ob das so witzig ist, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel.  – Gegenrufe bei der ÖVP.)

War es wirklich nur die von Wirtschaftsminister Schüssel in Auftrag gegebene Studie an das Wirtschaftsforschungsinstitut, die im Endeffekt den Ausschlag für den Zuschlag an die Firma


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Thomson gab? In dieser Studie ist von "sehr komplizierten Wirtschaftsbeziehungen" zwischen Frankreich und Österreich die Rede, und genau diese wollte man aktivieren.

Herr Abgeordneter Murauer! Ein Untersuchungsausschuss bietet jetzt, sechs Jahre danach, die einmalige Möglichkeit, aufzuklären, ob Kompensationsgeschäfte tatsächlich stattgefunden haben. Wurden diese ungefähr 3 Milliarden Schilling an Kompensationsgeschäften wirklich getätigt? Wem haben diese Kompensationsgeschäfte genutzt? Welche Geschäfte wurden getätigt? Wie viele Arbeitsplätze wurden damit erhalten beziehungsweise geschaffen? Welche Produkte wurden angeboten und gekauft? Wie haben die Vorverträge ausgeschaut? War das vorher genügend verifiziert? – All das wären interessante Fragen, die man auch im Rahmen eines solchen Untersuchungsausschusses klären könnte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage das auch deshalb, weil im Zusammenhang mit dem Ankauf von Abfangjägern dem österreichischen Steuerzahler immer wieder erklärt wurde und wird, dass das nahezu ein Geschäft sein sollte, wenn wir neue Flugüberwachungsgeräte kaufen. – Ich meine daher, dass es wichtig ist, dass wir uns anschauen, wie die Kompensationsgeschäfte in unserem Staat ablaufen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme jetzt zurück zum Hauptgegenstand. Es steht der Verdacht im Raum, und es gibt Gerüchte, dass es Verbindungen und ein Gespräch zwischen Herrn Merk – einem hohen Angestellten der Firma Thomson – und dem damaligen Herrn Wirtschaftsminister Schüssel gegeben haben soll. – Das gehört aufgeklärt! Sie müssen doch Interesse daran haben, dass kein solcher Vorwurf auf dem Bundeskanzler der Republik lastet! Das muss doch in Ihrem Interesse sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Wer war damals Bundeskanzler, und wer war Finanzminister?) Dem können Sie sich doch nicht verschließen, Herr Schwarzenberger, dass Licht in diese Affäre kommt! (Abg. Mag. Mühlbachler: Gab es damals die Zustimmung des Finanzministeriums? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Vertrauen Sie dem österreichischen Parlament und stimmen Sie der Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses zu! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Es ist wichtig, dass wir keinen Schatten auf unserer Republik dulden! Es ist im Interesse unserer Republik wichtig, dass diesbezüglich aufgeklärt wird. Stimmen Sie daher im Interesse Österreichs zu! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Gusenbauer hat das Geld nach Moskau umgeleitet!)

23.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

23.27

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der "alte Hut" wird nicht neuer, nur weil Kollege Gaßner ihn sich aufgesetzt hat! Das sage ich auch einmal an dieser Stelle. Ich werde mich damit in den nächsten fünf Minuten noch auseinander setzen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Gaßner hat ganz neues Beweismaterial in dieser Sache zutage gefördert, die zumindest schon drei Mal – ich werde diesbezüglich noch zitieren – hier im Hohen Haus behandelt wurde, nämlich die Aussage eines Malvertanten in einer Zeitung, die sich "Süddeutsche Zeitung" nennt, und zwar unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht im Zeugenstand. – Ich werde mich damit kurz auseinander setzen. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Herr Kollege Cap! – Kollege Schieder ist leider nicht da. – Ich habe aber noch sehr gut in Erinnerung, dass die "Süddeutsche Zeitung" einmal Unwahrheiten über Alt-Bürgermeister Zilk verbreitet und behauptet hat, er sei ein tschechischer Spion gewesen. Auch ich habe damals hier


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im Hohen Haus das Wort ergriffen und Alt-Bürgermeister Zilk verteidigt. Und meine Auffassung von der "Qualität" dieser Zeitung ist nach wie vor die gleiche: Das ist keine Qualitätszeitung, sondern ein Anschüttblatt der österreichischen Regierung gegenüber, und zwar egal, welcher Regierung: der damaligen rot-schwarzen ebenso wie der jetzigen blau-schwarzen! Das ist völlig egal: Die "Süddeutsche Zeitung" hat es immer verstanden, Leute aus diesen Reihen zu desavouieren, und sie betreibt das bis heute weiter. (Abg. Dr. Petrovic: Sie haben schon zu lange nicht geklagt!)

Natürlich verstehe ich aber, dass es einen News-Wert für Kollegen Gaßner und seine Fraktion hat, wenn er an die Wahrheitspflicht im Zeugenstand erinnert wird. Ich nenne jetzt nur Androsch oder Sinowatz. In Ihren Reihen sind diejenigen zu Hause, die vor Gericht oftmals nicht die Wahrheit gesagt haben und deswegen auch verurteilt wurden! Diese Wahrheitserinnerung war eine Botschaft an die SPÖ – und nicht an die Regierungsparteien! Das sei einmal in den Raum gestellt. Merken Sie sich das: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu den bisherigen Debatten: Kollege Brix, der nicht mehr hier ist, aber nicht ausgeschieden ist, weil er unterqualifziert ist, sondern weil er Karriere gemacht hat (Abg. Bures: Wir haben die Wahlen gewonnen!), hat in der 83. Sitzung des Nationalrates der XX. Gesetzgebungsperiode den Prüfbericht des Rechnungshofes verteidigt und zum Thema Beschaffungsvorgänge in Richtung FPÖ und Grüne gesagt – ich zitiere –:

"In Wahrheit – da können Sie nachschauen und reden, soviel Sie wollen – gibt es in diesem Unterausschuß nichts Verdächtiges, nur wollen Sie das eben so nicht sehen."

Dazu gab es Beifall von der SPÖ, auch Beifall der Kollegen Gaßner, Cap und Gusenbauer, so weit ich mich erinnere. (Abg. Haigermoser: Das ist aber interessant!)

Kollege Leikam sagt in der 110. Sitzung der XX. GP zu diesem angeblichen Vorgang – ich zitiere –:

"Ich verstehe, daß es seit Vorliegen dieses Prüfberichtes – diese Prüfung hat über drei Jahre gedauert – eine gewisse Enttäuschung in den Reihen der Opposition gibt. Das, was Sie so gerne gehabt hätten, nämlich den Beweis, daß sich die Regierungsparteien" – damals SPÖ und ÖVP – "bei diesen Beschaffungsvorgängen finanziell bedient haben, ist eben ganz einfach nicht gelungen. Der Rechnungshof hat in jedem einzelnen Teilbericht ganz klar diesen Bereich" – nämlich Zahlungen an die Parteien – "ausgeklammert und bemerkt, daß keine illegalen Zahlungen in irgendeiner Form festzustellen gewesen sind."

Ich sehe Herrn Abgeordneten Leikam jetzt nicht. Jedenfalls gab es aber auch dazu Beifall von der SPÖ.

Leikam sagte weiters: "Es ist völlig gleichgültig, ob es um Socken oder um Radaranlagen geht, in jedem einzelnen Fall sind die Beschaffungsvorgänge korrekt abzuwickeln. Das, glaube ich, ist ein wichtiger Punkt und eine wichtige Erkenntnis, die wir aus diesem Rechnungshofbericht gewinnen konnten."

Wieder wird Beifall von der SPÖ gespendet, also von den Kollege Brix, Gaßner, Cap und Gusenbauer und der ganzen Fraktion. Vergessen Sie das nicht! Egal, "ob es um Socken oder um Radaranlagen geht"! Egal, ob um rote, blaue oder schwarze Socken!

Haben Sie ein kurzes Gedächtnis, Herr Kollege Gaßner? Ich rufe Ihnen noch etwas in Erinnerung. – In der 6. Sitzung der XXI. GP, also in dieser GP, sagte Kollege Brix – ich zitiere –:

"Meine Damen und Herren! Wenn wir diesem Antrag auf Untersuchung des Vizekanzlers und Außenministers heute noch nicht zustimmen, so nur deshalb noch nicht, weil wir noch ein bisschen auf das dicke Material, das aus Deutschland sicherlich noch kommen wird, warten wollen."


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Heute präsentieren Sie uns als "dickes Material" einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", ein Schweizer Verfahren und die Aussage eines Malvertanten, der Ihre Fraktion an die Wahrheitspflicht im Zeugenstand erinnert. – Das ist uns schlichtweg zu wenig! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

23.33

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum melde ich mich als Klubobmann in dieser Angelegenheit zu Wort? – Weil das einfach ein billiges Manöver ist, welches die Absicht der Opposition, ein Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht zu konstruieren, absolut diskreditiert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Sie haben nicht den geringsten Hinweis auf einen Sachbeweis gegeben! Sie treffen zum fünften Mal eine haltlose Behauptung, die durch Wiederholung nicht substanziierter wird. Ich möchte das, was Kollege Graf ausgeführt hat, nicht wiederholen, aber er hat absolut Recht. Es gibt nicht einmal Rauch, und daher gibt es auch kein Feuer! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Zu dem, was Sie von der Sozialdemokratie ausgeführt haben, kann ich Ihnen nur das sagen, was Herr Schreiber am 31. Jänner 2000 gesagt hat:

Die Sache mit dem Schüssel ist absoluter Unsinn. Wenn das so weitergeht, dann weiß bald die ganze Welt, warum es so viele Österreicherwitze gibt. – Zitatende. (Abg. Bures: In dieser Sache haben Sie kein reines Gewissen! – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Viele von den Abgeordneten in den hinteren Bänken der SPÖ werden vielleicht vom eigenen Schmäh infiziert sein und all das, was gesagt wird, glauben. Aber der Klubführung muss ich doch zusinnen, dass sie weiß, was sie tut. Man kann nicht auf der einen Seite das Minderheitsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben wollen – und gleichzeitig in frivoler Art und Weise ohne jeglichen Sachbeweis, damit es morgen vielleicht eine dreizeilige Meldung in der APA gibt, dieses Verlangen diskreditieren!

"Semper aliquid haeret": Es bleibt immer etwas hängen. Und es bleibt auch bei mir etwas hängen, nämlich das Misstrauen gegenüber solchen Fraktionen. Sie werden mich nicht mehr als Fürsprecher für das Minderheitsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses an Ihrer Seite haben! Das ist vorbei! (Abg. Parnigoni: Das ist schon lange vorbei! – Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ich kann mich nicht für die Interessen einer Fraktion einsetzen, die dermaßen billige Dinge unterstützt, nicht weiß, was dahinter steckt und fünfmal die gleichen Dinge ohne den geringsten Funken eines Sachbeweises wiederholt. Der Rechnungshof hat das geprüft. Und Sie von der SPÖ sind sich nicht zu schade, Ihr übergeordnetes Anliegen mit derart billigen Mätzchen zu gefährden! – Nein, danke!

23.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als letzter Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

23.36

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Klubobmann Khol, würde ich jetzt den Umkehrschluss ziehen, dann müsste dieser wie folgt lauten: Nachdem jetzt bereits – wie ich glaube – länger als ein Jahr lang kein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt worden ist, ist anzunehmen, dass Sie weiterhin mit einer ähnlichen feurigen Energie wie jetzt eben für die Einsetzungsmöglichkeiten eines Untersuchungsausschusses im


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Sinne des Minderheitsrechts eintreten werden. Ganz überzeugen konnte mich auch Ihre diesbezügliche Haltung in den vielen Präsidialsitzungen nicht, denn da war Ihnen jedes Mittel recht, um Termine, bei welchen es um Vorgespräche betreffend dieses Thema gegangen wäre, brachial, um nicht zu sagen: ordinär und plump zu verschieben. – So hat das ausgeschaut!

Wenn Sie sich jetzt sozusagen offiziell von der angeblich von Ihnen bisher befürworteten Idee verabschieden, dass der Untersuchungsausschuss auch im österreichischen Parlament einmal ein Minderheitsrecht werden könnte, so ist das wohl wenig glaubwürdig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des  Abg. Donabauer. )

Sie sind genauso wenig glaubwürdig! Ich verweise auf Kollegen Graf, denn er hat einen völligen Unsinn verzapft! (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Ein Ordnungsruf!) Es tut mir Leid, das sagen zu müssen! – Er bringt einen Rechnungshofbericht und das Ergebnis eines Unterausschusses zum Vortrag und tut so, als ob diese Causen mit der vorliegenden unmittelbar verknüpft wären. Das ist aber glattweg falsch! Vier Teilberichte des Rechnungshofs haben sich mit Beschaffungsvorgängen an sich beschäftigt, aber sicherlich nicht mit Schmiergeldzahlungen und ähnlichen Vorwürfen. (Zwischenruf des Abg. Dr.  Martin Graf. )

Sie stellen wider besseres Wissen Behauptungen auf, denn der Rechnungshof kann so etwas gar nicht prüfen und hat das auch gleich auf der ersten Seite seines Berichts geschrieben. Das ist ja logisch, denn wer wird denn beispielsweise in einem Ministerium so blöd sein und einen Beleg ausstellen, damit nachher der Rechnungshof prüfen kommen und feststellen kann, dass 5 Millionen Schilling an Schmiergeld geflossen sind! Das glaubt ja nicht einmal in Ihrer Fraktion jemand! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Unterausschuss, auf dessen Bericht Sie sich gestützt haben, hat ausschließlich eine Auseinandersetzung über die Art und das Wesen der Kompensationsgeschäfte, wenn auch zum Teil hinsichtlich dieses konkreten Falls, geführt. Damals haben wir die Debatte wenigstens teilweise noch gemeinsam geführt. Das hat ja auch dazu geführt, dass die "F" am Ende dieser langen Reise selbst zum Schluss gekommen ist, dass man eigentlich für die Aufklärung der Vorwürfe, die halt jetzt von einer anderen Seite dargestellt werden, einen Untersuchungsausschuss brauchen würde. Jetzt wollen Sie sich allerdings ganz einfach abputzen, aber das war zu billig, das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verstehe nicht, warum es immer wieder neue Faktenlagen geben muss, wie hier apostrophiert wurde. Die alte Faktenlage ist nämlich so dünn nicht, wie Sie tun! So dünn ist diese nicht! (Zwischenruf des Abg. Gaugg. ) – Herr Kollege Gaugg, meine Redezeit reicht nicht, um mich mit Ihren Fragen zu beschäftigen! Aber Sie verstehen so wenig von diesem Thema, dass wirklich nicht einsehbar ist, warum Sie dauernd dazwischenkeppeln!

Jedenfalls gehen die Fakten weit über das hinaus, was hier aufgezählt wurde. Thomson CSF hat von vier nicht einmal zwei wesentliche Ausschreibungskriterien erfüllt und ist trotzdem in die Ziehung gekommen: Weder stand das Gerät von Thomson damals in Serienproduktion, noch war es bei irgend einer Armee serienmäßig eingeführt. Das waren aber die Bedingungen des Verteidigungsministeriums, und das haben Sie im Nachhinein glattgebogen!

Was die Bewertung der Geschäftsvolumina betrifft – so genannter Kompensationsgeschäfte, besser wohl: Luftgeschäfte –, wurde im Ministerium Schüssel sehr wohl Hand angelegt – "Hand angelegt" als Synonym für "manipuliert"  –: Es hat eine Bewertungskommission gegeben, auf die ich nicht unbedingt eingehen muss, aber es hat auch andere, es hat mehrere Bewertungsverfahren im Ministerium Schüssel gegeben, und alle hatten Thomson CSF an schlechter Stelle! Alle, wirklich ausnahmslos alle!

Ein paar Tage vor der Entscheidungsfindung ist auf Vermittlung von Schreiber und Wiesheu der Thomson-Kontakt mit Schüssel hergestellt worden. Wenn Ihnen das nicht reicht, zumindest ein paar wesentliche, entscheidende Fragen in einem Untersuchungsausschuss stellen zu können, dann weiß ich nicht! So ohne ist es jedenfalls nicht, wie Sie das hier darzustellen versuchen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
74. Sitzung / Seite 234

Ein Letztes: Vor eineinhalb Jahren war diese ganze Causa auch schon virulent. Das stimmt. Das war zu jener Zeit, als die ÖVP noch darüber sinniert hat, dass "ein dritter Platz ein dritter Platz ist". Wortwörtlich Rauch-Kallat – wir dürfen sie ja heute wieder hier im Hause begrüßen –: "Ein dritter Platz ist ein dritter Platz." Es war klar, was damit gemeint war: Die ÖVP geht in Opposition. Wir haben Sie damals aufgefordert, die Parteispenden der ÖVP offenzulegen. Bei dieser Offenlegung sind Sie mit genau der gleichen "Ehrlichkeit" vorgegangen wie bei der Aussage, dass ein dritter Platz zur Oppositionsrolle der ÖVP führt. – Das sollte reichen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

23.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Verlangen im Sinne des § 99 (2) GOG

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 463/A auf Durchführung eines besonderen Aktes der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof, und zwar betreffend Bestellung und Abberufung von Aufsichtsräten und Vorständen und die damit im Zusammenhang stehenden Vertragsgestaltungen ein Verlagen von 20 Abgeordneten im Sinne des § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellt wurde.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist diese Gebarungsüberprüfung auch ohne Beschluss des Nationalrates durchzuführen.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe weiters bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 463/A bis 479/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2629/J bis 2656/J eingelangt.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 5. Juli 2001, 9 Uhr ein. Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.43 Uhr