Stenographisches Protokoll

95. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 28. Feber 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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95. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 28. Feber 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 28. Feber 2002: 9.01 – 21.19 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz – FHStG) geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 579/A der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird

3. Punkt: Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus samt Anlage

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G) erlassen und das Urlaubsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bericht über den Antrag 437/A (E) der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Gerhard Fallent, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Situation blinder Menschen in den Ländern der "Dritten Welt"

6. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über die Beendigung der Tätigkeit des Internationalen Registeramts in Klosterneuburg

7. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik Lettland zum Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht

8. Punkt: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 15. Oktober 2001 betreffend die Vorrechte und Immunitäten des Instituts für Sicherheitsstudien und des Satellitenzentrums sowie ihrer Organe und ihres Personals

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (E-Geldgesetz) erlassen und mit dem das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden


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95. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (VAG-Novelle 2001)

11. Punkt: Bericht über den


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95. Sitzung / Seite 3

Antrag 599/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001, das Finanzausgleichsgesetz 2001, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesstraßengesetz 1971, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das ASFINAG-Gesetz, das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden und das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen erlassen wird (Bundesstraßen-Übertragungsgesetz)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 geändert wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 598/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

15. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Kirgisischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

16. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Bundesregierung der Bundesrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen

17. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien über die Förderung und den Schutz von Investitionen

18. Punkt: Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission betreffend mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen bzw. durch Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 13

Geschäftsbehandlung

Verkürztes Verfahren gemäß § 28a der Geschäftsordnung (Verzicht auf Vorberatung der Regierungsvorlagen 1028 und 1029 d. B.) 35

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem gestellten Verlangen auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage 3532/J:

Dr. Josef Cap 36

Dr. Andreas Khol 36

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 36

Ing. Peter Westenthaler 37

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen, dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 609/A (E) betreffend Abfangjäger-Beschaffungsstopp gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 19. März 2002 zu setzen 37

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 57

Redner:

Dr. Josef Cap 140

Anton Gaál 142

Wolfgang Jung 143

Walter Murauer 145

Mag. Werner Kogler 146

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 147

Antrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 622/A (E) betreffend Unterstützung für den Kärntner Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Reisetätigkeit des Kärntner Landeshauptmannes gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 19. März 2002 zu setzen – Ablehnung 37, 202

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 38

Wortmeldungen im Zusammenhang mit den Ausführungen der Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner in der Debatte zu TOP 3:

Dr. Alexander Van der Bellen 94

Dr. Andreas Khol 94

Dr. Josef Cap 94

Ersuchen des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, die Sitzung zu unterbrechen 95

Unterbrechungen der Sitzung 95, 103

Antrag des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner – Ablehnung 115, 115

Fragestunde (19.)

Wirtschaft und Arbeit 13

Mag. Walter Tancsits (139/M); Karl Öllinger, Bernd Brugger, Heidrun Silhavy

Emmerich Schwemlein (146/M); Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Jakob Auer, Mag. Werner Kogler

Bildung, Wissenschaft und Kultur 20

Dr. Dieter Antoni (140/M); Dr. Gertrude Brinek, Jutta Wochesländer, Dieter Brosz

Mag. Rüdiger Schender (143/M); Wolfgang Großruck, Dieter Brosz, Mag. Kurt Gaßner


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95. Sitzung / Seite 4

Dr. Kurt Grünewald (148/M); Mag. Andrea Kuntzl, Dr. Martin Graf, Mag. Heribert Donnerbauer

Dr. Gertrude Brinek (145/M); Dr. Kurt Grünewald, Dr. Sylvia Papházy, MBA, Dr. Robert Rada

DDr. Erwin Niederwieser (141/M); Dr. Martin Graf, Mag. Johanna Mikl-Leitner, Dr. Kurt Grünewald

Mag. Dr. Udo Grollitsch (144/M); Mag. Karin Hakl, Dr. Kurt Grünewald, DDr. Erwin Niederwieser

Dieter Brosz (149/M); Beate Schasching, Werner Amon, MBA, Mag. Gerhard Hetzl

Werner Amon, MBA (147/M); Dieter Brosz, Mag. Rüdiger Schender, Dr. Dieter Antoni

Ausschüsse

Zuweisungen 34

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Politik der Bundesregierung in Fragen der zukünftigen Gestaltung der Europäischen Union (3532/J) 104

Begründung: Dr. Andreas Khol 105

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 109

Debatte:

Mag. Karl Schweitzer 115

Peter Schieder 118

Dr. Michael Spindelegger 119

Mag. Ulrike Lunacek 121

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 124

Wolfgang Jung 125

Friedrich Verzetnitsch 128

Maria Rauch-Kallat 129

Dr. Eva Glawischnig 130

Dr. Michael Krüger 133

Dr. Peter Wittmann 135

Ing. Hermann Schultes 137

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 138

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (976 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz – FHStG) geändert wird (1013 d. B.) 38

Redner:

DDr. Erwin Niederwieser 38

Edith Haller (tatsächliche Berichtigungen) 40, 56

Dr. Martin Graf 40

Dr. Gertrude Brinek 42

Dr. Kurt Grünewald 44, 57


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95. Sitzung / Seite 5

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 45

Mag. Walter Posch 46

Mag. Gerhard Hetzl 48

Mag. Johanna Mikl-Leitner 49

Dr. Robert Rada 51

Dr. Sylvia Papházy, MBA 52

Mag. Karin Hakl 53

Dr. Dieter Antoni 55, 57

Hans Sevignani 56

Annahme 58

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Antrag 579/A der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (1014 d. B.) 58

Redner:

DDr. Erwin Niederwieser 58

Dr. Martin Graf 61

Dr. Andrea Wolfmayr 62

Dr. Kurt Grünewald 63

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 65

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 67

Mag. Gisela Wurm 67

Mag. Dr. Udo Grollitsch 69

Dr. Gertrude Brinek 71

Dr. Kurt Grünewald (tatsächliche Berichtigung) 71

Annahme 71

3. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (902 d. B.): Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus samt Anlage (996 d. B.) 72

Redner:

Mag. Walter Posch 72

Mag. Karl Schweitzer 74

Dr. Michael Spindelegger 74

Mag. Ulrike Lunacek 75, 91

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 78

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 79

Dr. Gerhart Bruckmann 81

Karl Öllinger 82

Anton Heinzl 85

Karl Freund 86

Edith Haller 88

Wolfgang Jung 89

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 91

Dr. Josef Cap 92

Genehmigung des Staatsvertrages 96

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 96

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 96


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95. Sitzung / Seite 6

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (724 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G) erlassen und das Urlaubsgesetz geändert werden (995 d. B.) 96

5. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 437/A (E) der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Gerhard Fallent, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Situation blinder Menschen in den Ländern der "Dritten Welt" (998 d. B.) 96

Redner:

Inge Jäger 96

Ing. Gerhard Fallent 99

Mag. Ulrike Lunacek 101

Mag. Karin Hakl 147

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 149

Dr. Elisabeth Hlavac 150

Ilse Burket 151

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 152

Edeltraud Gatterer 154

Mag. Christine Muttonen 155

Entschließungsantrag der Abgeordneten Inge Jäger, Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Finanzierung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit – Ablehnung 99, 156

Annahme des Gesetzentwurfes in 995 d. B. 156

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 998 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Situation blinder Menschen in den Ländern der "Dritten Welt" (E 124) 156

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (900 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über die Beendigung der Tätigkeit des Internationalen Registeramts in Klosterneuburg (997 d. B.) 156

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (768 d. B.): Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik Lettland zum Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (999 d. B.) 156

8. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (952 d. B.): Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 15. Oktober 2001 betreffend die Vorrechte und Immunitäten des Instituts für Sicherheitsstudien und des Satellitenzentrums sowie ihrer Organe und ihres Personals (1000 d. B.) 156

Redner:

Evelyn Freigaßner 157

Ridi Steibl 157

Genehmigung der drei Staatsverträge in 900, 768 und 952 d. B. 158


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95. Sitzung / Seite 7

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 952 d. B. 159

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (924 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (E-Geldgesetz) erlassen und mit dem das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (1019 d. B.) 159

Redner:

Rudolf Edlinger 159

Mag. Reinhard Firlinger 161

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 162

Mag. Werner Kogler 163

Dr. Kurt Heindl 164

Hans Müller 166

Jakob Auer 167

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 167

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 168

Hermann Böhacker 169

Mag. Cordula Frieser 170

Annahme 170

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (904 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (VAG-Novelle 2001) (1018 d. B.) 171

Redner:

Marianne Hagenhofer 171

Mag. Reinhard Firlinger 172

Mag. Werner Kogler 173

Annahme 173

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 599/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001, das Finanzausgleichsgesetz 2001, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesstraßengesetz 1971, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das ASFINAG-Gesetz, das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden und das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen erlassen wird (Bundesstraßen-Übertragungsgesetz) (1023 d. B.) 173

Redner:

Kurt Eder 174

Hermann Böhacker 175

Ing. Hermann Schultes 176, 185

Andreas Sodian 180

Mag. Helmut Kukacka 181

Mag. Werner Kogler 182

lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher 184

Dr. Gabriela Moser 184


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95. Sitzung / Seite 8

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer zentralen Koordinationsstelle – Annahme (E 125) 176, 189

Annahme 189

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (927 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (1020 d. B.) 189

13. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (968 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 geändert wird (1021 d. B.) 189

14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 598/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (1022 d. B.) 189

Redner:

Manfred Lackner 190

Hermann Böhacker 191

Dr. Gottfried Feurstein 192

Mag. Werner Kogler 192

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 193

Entschließungsantrag der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Situation der Grenzgänger – Ablehnung 190, 193

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 1020, 1021 und 1022 d. B. 193

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (771 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Kirgisischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1015 d. B.) 194

16. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (831 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Bundesregierung der Bundesrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen (1016 d. B.) 194

17. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (901 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1017 d. B.) 194

Genehmigung der drei Staatsverträge in 771, 831 und 901 d. B. 194

18. Punkt: Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission betreffend mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen bzw. durch Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende (1004 und Zu 1004 d. B.) 195

Redner:

Mag. Andrea Kuntzl 195

Jutta Wochesländer 196


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95. Sitzung / Seite 9

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 198

Mag. Terezija Stoisits 199

Mag. Walter Tancsits 200

Dr. Michael Krüger 200

Dr. Gerhart Bruckmann 201

Kenntnisnahme des Berichtes 202

Eingebracht wurden

Petitionen 34

Petition betreffend "zur Aufnahme bisher nicht genannter Opfergruppen im Opferfürsorgegesetz" (Ordnungsnummer 87) (überreicht von den Abgeordneten Mag. Werner Kogler und Heidrun Silhavy )

Petition betreffend "für die Erhaltung der Postämter 2354 Guntramsdorf 2, 2531 Gaaden und 2381 Laab im Walde" (Ordnungsnummer 88) (überreicht von der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek )

Regierungsvorlagen 34

1028: Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 samt Anhängen

1029: Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls zu dem am 23. Juni 2000 in Cotonou, Benin, unterzeichneten Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits und über die Bereitstellung von Finanzhilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EG-Vertrags Anwendung findet samt Anhang

1030: Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang

Anträge der Abgeordneten

Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sofortmaßnahmen gegen die geplante Steinigung von Frau Safya Husseini Tungar-Tudu (623/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Spezialeinheit zur internationalen Ermittlung in Sachen Wirtschafts- und Sozialkriminalität (624/A) (E)

Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges (625/A) (E)


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95. Sitzung / Seite 10

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung (626/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung des Interpellationsrechts und Vorlage eines jährlichen Berichts (627/A) (E)

Mag. Walter Tancsits, Mag. Reinhard Firlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Errichtung einer Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsgesellschaft m.b.H. – Marchfeldschlösser-Gesetz (628/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Politik der Bundesregierung in Fragen der zukünftigen Gestaltung der Europäischen Union (3532/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schließung des Bezirksgerichts Herzogenburg (3533/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Rehabilitierung Leopold Hilsner (3534/J)

Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Flugzeug-Mafia (3535/J)

Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Semmering-Basistunnel (3536/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Polizei-Funkstelle Wien 1 (3537/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend das Forschungsprojekt über virusresistente Marillen der Universität für Bodenkultur Wien (3538/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend das Forschungsprojekt über virusresistente Marillen der Universität für Bodenkultur Wien (3539/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Entwicklung des MQ zu einer Plattform für innovative Kulturinitiativen (3540/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Prüfung von Auftragsvergaben durch DI Miko (3541/J)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Verschleppung der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen an Kinder eines österreichischen Staatsangehörigen (3542/J)


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95. Sitzung / Seite 11

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kartellverfahren; "FORMAT" 9/02 (3543/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Kartellverfahren; "FORMAT" 9/02 (3544/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Steuergeld für Festveranstaltung von Rechtsextremisten (3545/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend barrierefreie Gestaltung der Webangebote (3546/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend genehmigte Beförderungsbedingungen für behinderte Menschen (3547/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Entfall wichtiger verkehrspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten im Zuge der Übertragung der Bundesstraßen an die Länder (3548/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend widersprüchliche Aussagen von VertreterInnen der Regierungsparteien zur Frage "Sensibler Zonen" (3549/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verschwendung öffentlicher Mittel im Zuge der Vorbereitung der ehemaligen Bundesministerin für den so genannten Reformdialog Infrastruktur (3550/J)


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95. Sitzung / Seite 12

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Chaos und Führungslosigkeit im Außenministerium (3551/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend slowenisch/kroatische Schreibweise der Namen in den Reisepässen (3552/J)

Rudolf Edlinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Informationspflichten in der ÖIAG (3553/J)

Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Protestmaßnahmen der Lehrer des Bundesgymnasiums Maroltingergasse (3554/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung des Gendarmeriepostens Warth in Vorarlberg (3555/J)

Werner Miedl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Methadonsubstitution sowie den Einsatz neuer Verfahren für den Drogenentzug (3556/J)

Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend missbräuchliche Verwendung von AK-Mitteln (3557/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend notwendige Reform der öffentlichen Exportfinanzierung (3558/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend notwendige Reform der öffentlichen Exportfinanzierung (3559/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend notwendige Reform der öffentlichen Exportfinanzierung (3560/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umweltzerstörung in der Türkei mittels öffentlicher Exportfinanzierung (3561/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umweltzerstörung in Indonesien mittels öffentlicher Exportfinanzierung (3562/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umweltzerstörung auf den Philippinen mittels öffentlicher Exportfinanzierung (3563/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3564/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3565/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3566/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3567/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3568/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3569/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3570/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3571/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3572/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3573/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Inserate in "the Parliament magazine" (3574/J)

*****

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend barrierefreie Gestaltung der Webangebote (23/JPR)


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95. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich eröffne zur anberaumten Stunde die 95. Sitzung des Nationalrates und begrüße Sie alle sehr herzlich.

Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Einem und Dr. Lichtenberger sowie Herr Abgeordneter Dr. Bösch und Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann wegen ihrer Teilnahme am EU-Konvent für heute als verhindert gemeldet sind.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun, um 9.01 Uhr, zur Fragestunde.

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich beginne mit dem Aufruf der 1. Anfrage von Herrn Abgeordnetem Mag. Tancsits, die dieser nunmehr kurz vortragen wird. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister, meine Frage bezieht sich auf Ihren Bereich Arbeit, betrifft das Thema Arbeitslosigkeit.

Wie hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit seit dem Amtsantritt der Bundesregierung Schüssel bis Ende 2001, also in diesen beiden Jahren, im Wesentlichen entwickelt?

Die schriftlich eingebrachte Anfrage hat folgenden Wortlaut:

139/M

Wie hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit seit Amtsantritt dieser Bundesregierung bis Ende 2001 entwickelt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor der Herr Minister antwortet: Ich muss alle Abgeordneten gleich behandeln, und jeder Abgeordnete hat das Bedürfnis, seine Frage kurz zu erläutern. Die Geschäftsordnung schreibt aber vor, dass der Text verlesen wird. Ich bitte herzlichst, dass das alle einheitlich so praktizieren. (Abg. Dr. Khol: Wer es immer noch nicht weiß, verliert das Fragerecht!)

Herr Minister, ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Das Thema Langzeitarbeitslosigkeit gehört von den Fragen der Arbeitsmarktpolitik zu den sensibelsten Themen. Wir wollen gemeinsam die Langzeitarbeitslosigkeit so stark wie möglich reduzieren. Es ist eines der wichtigsten Ziele einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, der Arbeitsmarktpolitik des AMS, das zu machen.

Wir alle wissen, dass – im Wesentlichen bedingt durch die recht dramatische Konjunkturabschwächung – die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Monaten absolut unerfreulich war, aber dennoch ist die Langzeitarbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren erfreulicherweise zurückgegangen.


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95. Sitzung / Seite 14

Die konkreten Zahlen: Seit Februar 2000, also seit dem Regierungsantritt, ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen, und zwar derjenigen, die länger als zwölf Monate arbeitslos waren, von fast 24 000 auf knapp 12 000, also um mehr als 50 Prozent, nämlich um 51,4 Prozent, zurückgegangen. Im Jahresvergleich Dezember 2000 bis Dezember 2001 beträgt dieser Rückgang noch immer 21,1 Prozent.

Was die Langzeitarbeitslosen, die länger als sechs Monate arbeitslos sind, anlangt, so ist der Rückgang weniger stark, aber immer noch erfreulich groß: nämlich minus 20,5 Prozent seit Anfang 2000 und minus 12,6 Prozent seit Dezember 2000 im Jahresabstand.

Sehr wesentlich in diesem Zusammenhang ist auch der Punkt, wie lange Arbeitslose durchschnittlich arbeitslos sind, wie schnell das AMS vermittelt, wie schnell Arbeitslose einen neuen Job finden. Die durchschnittliche Verweildauer in der Arbeitslosigkeit ist im Zweijahresabstand gesunken, nämlich von 98 Tagen im Dezember 1999, sehr geehrter Herr Abgeordneter, auf 86 Tage im Dezember 2001, also minus 12 Tage, was ebenfalls sehr erfreulich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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95. Sitzung / Seite 15

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Zusatzfrage: Welchen Anteil an dieser überaus erfreulichen Entwicklung, an diesem Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit hat Ihrer Einschätzung nach das Projekt "Integra", das vor zwei Jahren von der Opposition unsinnigerweise als Zwangsarbeit denunziert wurde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Das zu Unrecht, sehr geehrter Herr Abgeordneter Tancsits, das sehen wir mittlerweile, und das wussten wir schon damals, denn niemand wollte irgendeine Art von Zwangsarbeit einführen, sondern es ging um ein weiteres sinnvolles Instrument zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, und das ist dieses Projekt mittlerweile auch.

Bedauerlicherweise hat es in der Gemeinde Wien besonders lange gedauert und war es besonders schwierig, das Projekt "Integra" zum Laufen zu bringen. Heute ist es eines von vielen etablierten Instrumenten zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, wobei ich sage, den zentralen Stellenwert nimmt hier die besondere Einstellungsbeihilfe ein. Das ist ein Instrument, mit dem eine aktive Lohnstützung gegeben wird, wenn Unternehmungen Langzeitarbeitslose einstellen.

Ich halte das im Vergleich zu dem, was jetzt in Deutschland diskutiert wird, für das wesentlich sinnvollere Instrument. Bei dem, was in Deutschland unter dem Schlagwort "Kombilohn" läuft, sollen Langzeitarbeitslose durch gestützte Sozialversicherungsbeiträge in Arbeit gebracht werden, und selbst die regierungsführende Fraktion in Deutschland sagt, dass man hofft, damit 30 000 Arbeitslose wegzubringen. Auf Österreich umgerechnet wären das minus 3 000 – da bleiben wir lieber bei unseren etablierten Instrumenten. Darin bin ich mit der Führung des AMS vollkommen einer Meinung.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Unter dem Titel "Teure Frustration" berichtet der "Standard" über das Projekt "Integra" und stellt einerseits fest, dass die Behaltequote sehr gering ist, die Kosten für das Projekt aber sehr hoch waren. Andererseits wird berichtet, dass die Kurskosten pro Langzeitarbeitslosen in der nächsten Zeit sinken werden (Ruf bei den Freiheitlichen: Wir wollen die Frage wissen!), weil das AMS bei gestiegener Arbeitslosigkeit weniger Geld pro Arbeitslosen zur Verfügung hat.

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Arbeitslosen beziehungsweise Langzeitarbeitslosen in Zukunft eine angemessene Qualifikation zu gewährleisten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Ich kann die von Ihnen gemachten Angaben – Sie sagen, Sie zitieren aus einer Wiener Tageszeitung – jetzt nicht nachvollziehen, aber insgesamt gilt, dass für den Bereich aktive Arbeitsmarktpolitik im heurigen Jahr dieselben Mittel zur Verfügung stehen wie schon im vorigen Jahr. (Abg. Öllinger:  ... weniger!) Es ist trotz budgetärer Probleme gelungen, dieses Niveau zu halten.

Ich kann Ihnen sagen, dass das Thema Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit nach wie vor und weiterhin ein Schwerpunkt ist, trotz oder vielleicht gerade wegen der großen Erfolge, die das AMS da erzielt hat; aber nicht nur das AMS, sondern auch viele andere Organisationen, wie zum Beispiel, pars pro toto, die Caritas, die erfolgreiche Langzeitarbeitslosenprojekte betreibt. Wir haben auch vereinbart, dass wir uns zu einem Runden Tisch zusammenfinden – all jene NGOs, Caritas, Volkshilfe und andere, die Langzeitarbeitslosenprojekte betreiben, die AMS-Experten, wir selbst seitens des Ministeriums –, um das, was heute schon gut läuft, noch besser zu machen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brugger, bitte.

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen können Sie setzen, um insbesondere ältere Arbeitnehmer wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Bundesregierung hat ganz konkrete Maßnahmen gesetzt, um für ältere Arbeitnehmer die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. So ist eine Reihe von Begleitmaßnahmen gesetzt worden im Zusammenhang mit der letzten Pensionsreform: Erhöhung des Antrittsalters um 18 Monate für die vorzeitigen Alterspensionen, die Anspruchszeit für Arbeitslosengeld wurde verlängert, und ich denke auch an die Altersteilzeit, an die Gleitpension und Verschiedenes mehr. Aber das ist mir weit weniger wichtig als der Paradigmenwechsel oder gewissermaßen die Rückkehr zu einem Paradigma, das wir schon einmal hatten und das besagt, dass man ältere Arbeitnehmer nicht so ohne weiteres kündigt und freistellt.

Das ging in den achtziger Jahren in Österreich leider Gottes von der verstaatlichten Industrie aus. Dort wurde es gewissermaßen modern, Personalprobleme, Ertragsprobleme mit der Kündigung, mit der Freisetzung älterer Arbeitnehmer zu "erledigen" – ich setze das bewusst unter Anführungszeichen –, und in Österreich wurde das ein Mainstream, der Golden Handshake. Oft wurden sehr erfolgreiche Bilanz-Pressekonferenzen abgehalten, und gleichzeitig wurde die Kündigung von älteren Arbeitnehmern – meist einvernehmlich, meist mit Golden Handshake – kommuniziert.

Dieser Trend dreht sich schön langsam, denn die Arbeitgeber, die Menschen in diesem Lande wissen, dass wir langfristig – abgesehen von den kurzfristigen konjunkturell bedingten Arbeitsmarktschwankungen – vor allem auch ältere Arbeitnehmer im Arbeitsprozess haben müssen, sie brauchen. Sie werden auf Grund ihrer Erfahrung, auf Grund ihrer Expertise in allen Bereichen des Arbeitslebens dieses Landes wieder verstärkt benötigt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Silhavy, bitte.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Minister! Den offiziellen Statistiken des Arbeitsmarktes entnehme ich, dass die Verweildauer im Jänner 2002 wieder bei 97 Tagen lag, das heißt, sie ist ungefähr auf dem Stand, mit dem Sie im Jahr 2000 begonnen haben.


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95. Sitzung / Seite 16

Dramatisch verläuft die Entwicklung der Arbeitslosigkeit: 300 000 arbeitslosen Menschen stehen ungefähr 22 000 freie Arbeitsplätze zur Verfügung. Das heißt, nur jeder 13. Arbeitsuchende hat überhaupt eine Chance auf einen Job.

Herr Bundesminister! Sind Sie angesichts dieser dramatischen Fakten nicht der Meinung, dass weitere Deregulierungen der Arbeitszeit, wie etwa Sonntagsarbeit oder Arbeitszeitverlängerung, in Verbindung mit von Ihnen geplanten Verschärfungen der Zumutbarkeitsbestimmungen für arbeitslose Menschen ein zynisches Ausbeutungsprogramm für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie unterstellen mit dieser Frage eine ganze Menge. – Von Sonntagsarbeit war von meiner Seite nie die Rede. Da bleibt es beim Status quo. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt wahrlich genug Österreicher, die mehr oder weniger regelmäßig an Sonntagen für uns arbeiten. Das betrifft nicht nur die Exekutive, das Krankenhauswesen und die Gesundheit generell, sondern wir wissen, dass es sonntags viele Freizeitangebote gibt, bei denen Menschen für uns arbeiten. Das sollten wir ehrlich anerkennen und dafür dankbar sein. Dabei bleibt es aber auch, an eine Ausweitung ist nicht gedacht, sehr geehrte Frau Abgeordnete!

Es ist meinerseits auch an keine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen gedacht. Gerade Sie als Mitglied der Sozialpartnerschaft müssten wissen, dass es auf Sozialpartnerebene konstruktive Gespräche gibt, um die Zumutbarkeitsbestimmungen realen Gegebenheiten anzupassen. Das soll eine Verbesserung, eine Optimierung, eine Modernisierung sein, aber nicht das, was Sie so nebenbei als Verschärfung bezeichnen.

Im Übrigen runden Sie die Zahlen auf. Dies mag Ihren politischen Interessen dienen, aber es waren weniger als 300 000 Arbeitslose. Es waren 297 800, Sie haben gesagt, 300 000 – so viele waren es Gott sei Dank nicht.

Ich kann Ihnen außerdem heute schon sagen, dass es per Ende Februar 2002 wieder um einige weniger sein werden. Das ist weitaus nicht so erfreulich, wie ich mir das wünsche, aber die Zeichen des Anspringens der Konjunktur werden immer deutlicher. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung ist in der Phase der Beschlussfassung und wird sicher auch seine Effekte haben. Ich bin mir sicher, dass mit Ende Jänner der Zenit, im negativen Sinne, der Arbeitslosigkeit mit 297 800 erreicht war und dass es von dort weg zwar langsam, aber doch abwärts geht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Schwemlein, und ich darf ihn bitten, diese zu formulieren.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

146/M

Welche Schritte sieht die Regierung bis zum geplanten In-Kraft-Treten des Basel-II-Abkommens betreffend die Eigenmittelvorschriften für Kreditinstitute im Jahre 2005 zur Entlastung der Klein- und Mittelbetriebe vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schwemlein! Basel II steht seit einigen Monaten bei uns und anderswo, vor allem in Europa, in Diskussion. Es geht um die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Österreich ist kein Mitglied des Basel-II-Ausschusses – das hat historische Gründe, das lässt sich kurzfristig nicht ändern –, einige EU-Länder und zum Beispiel auch die Schweiz sind dort


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aber Mitglieder. Im Basel-II-Ausschuss wird darüber nachgedacht, ob man diese generelle Regel, dass Kredite von Banken mit 8 Prozent Eigenmitteln zu unterlegen sind, nicht nach dem Risiko dieser Kredite gewichten sollte. Dem ist prinzipiell nichts entgegenzusetzen, warum sollte das nicht geschehen? Wir verlangen jedoch, dass das in einer Art und Weise geschieht, die die mittelständische Wirtschaft leben lässt, und in einer Art und Weise, mit der nicht amerikanische Großbanken ihre Ideen und letztlich ihre Praxis durchsetzen, sondern mit der man auf europäische Realitäten Rücksicht nimmt.

In Österreich erfolgt beispielsweise die Finanzierung von Unternehmungen zu 65 Prozent durch Kredite – der Rest sind Eigenkapital und Eigenkapitalersatzgrößen. In den USA werden Unternehmungen nur zu 20 Prozent aus Krediten finanziert. Das Problem ist bei uns also dreieinhalbmal so groß wie in den Vereinigten Staaten.

Ich hatte am Rande des World Economic Forum in New York Gelegenheit, mit der Nummer zwei des amerikanischen Währungssystems, William McDonough, dem Präsidenten der Federal Reserve Bank of New York, zu sprechen. Er ist gleichzeitig der Vorsitzende des Basel-II-Ausschusses und hat mir erklärt, dass es auch sein Interesse ist, Basel II letztlich so mittelstandsfreundlich zu machen wie nur möglich. Denn auch er weiß, dass sich neue Jobs, Innovation, Forschung und Entwicklung heute zum Großteil in kleinen und mittelständischen, in neu gegründeten Unternehmungen abspielen und nicht bei den ganz großen.

Konkret: Was verlangen wir Österreicher über unsere Wege, letztlich auch über die Europäische Kommission, denn das muss ja über eine EU-Richtlinie in unser Recht transportiert werden? – Wir wollen, dass die Kredite für die kleinen und mittleren Mittelständler unter die Basel-II-Grenze fallen, und zwar gleich behandelt werden mit Privatkrediten, mit Retail-Krediten. Das scheint möglich zu sein, weil ja der Banker in Österreich die Unternehmerin, den Unternehmer letztlich ad personam kennt. 5 Millionen € sind hier meine, unsere Wunschgrenze. Wenn das gelingt – das ist noch keinesfalls sicher, aber man muss sich Ziele setzen –, dann sind weit, weit über 90 Prozent der mittelständischen Unternehmungen draußen, weil diese keine größeren Kredite haben.

Zum Zweiten sollen langfristige Kredite nicht pönalisiert werden. Das geht völlig gegen unsere Auffassung. Wir haben immer gelernt: Investitionen finanziert man mit langfristigen, auf keinen Fall mit kurzfristigen Krediten. Basel II sagt in seinen ersten Ausführungen, dass langfristige Kredite mittels Unterlegungsvorschriften zu pönalisieren sind.

Zum Dritten geht es darum, dass dingliche Sicherheiten, Hypothekarien und Ähnliches, als Kreditbesicherungsmöglichkeiten weiter aufrecht bleiben.

Das sind die drei wichtigsten Dinge, die wir – Wirtschaftskammer, Sozialpartner, Nationalbank, auch der Bankensektor in Österreich ist hier an Bord – sehr geschlossen wünschen, und es sieht recht gut aus.

Das dritte Konsultationspapier wird schon einmal auf Ende 2002 verschoben, um Platz für Verhandlungen zu bekommen.

Sie haben "2005" gesagt – es könnte durchaus auch 2006 werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Ofner und Kiermaier. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wünschen Sie, Herr Abgeordneter Schwemlein, eine Zusatzfrage? (Abg. Schwemlein: Nein, danke!)  – Danke. Dann gehen wir weiter: Herr Abgeordneter Hofmann, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie haben – wie heute – auch am 17. Jänner 2002 von dieser Untergrenze von 5 Millionen € gesprochen. Es handelt sich um jene Grenze, unter der Basel II und das komplizierte Reglement nicht zur Anwendung kommen würden.


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Wie realistisch ist diese Untergrenze, zumal Ihnen die Oesterreichische Nationalbank am 17. Jänner, glaube ich, hinsichtlich dieser Höhe von 5 Millionen € gleichsam widersprochen hat und der Meinung war, dass diese Untergrenze zu hoch wäre, zumal rund 97 Prozent der österreichischen Unternehmungen in positiver Weise hievon betroffen wären?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Hofmann! Ich saß neben der Vize-Gouverneurin Tumpel-Gugerell und hatte nicht den Eindruck, dass wir in Widerspruch miteinander lebten. Vielleicht ist die Einschätzung, wie wahrscheinlich eine solche Untergrenze ist, eine unterschiedliche. Ich würde es eher so sehen, dass ich mir als Interessenvertreter der Wirtschaft und als Kämpfer für den Mittelstand dieses Landes ein ambitioniertes Ziel setze und die Nationalbank vielleicht meint, es sei nicht gesichert, dass das erreichbar ist. Ich würde es aber nicht als Widerspruch werten.

5 Millionen € sind ein ambitioniertes Ziel. Es ist aus meiner Sicht wahrscheinlich, dass es eine vernünftige Untergrenze geben wird. Die Diskussionen bewegen sich zwischen 500 000 € und 5 Millionen €, respektive Dollar – so weit ist das ja nicht voneinander entfernt, gut 10 Prozent Unterschied.

Interessant war, was mir McDonough, der von mir schon zitierte Vorsitzende des Basel-II-Ausschusses, vor einigen Wochen in New York zu diesem Thema gesagt hat: Er kann sich auch einen Rahmen vorstellen, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten, zum Beispiel jene der Europäischen Union, dann in der nationalen Gesetzgebung Grenzen fixieren können. Die EU-Richtlinie gibt beispielsweise einen Rahmen vor, und die nationalen Mitgliedstaaten setzen dann eigene Grenzen. Das wäre denkbar.

Weil wir Herrn Schwemlein als engagierten Vertreter des Tourismus kennen: Wir haben ja nicht nur die mittelständische und besonders stark kreditfinanzierte Struktur in Österreich – obwohl sich das mittelfristig ändern wird; es wird mehr in Richtung Eigenmittelersatzinstrumente gehen –, sondern auch die Finanzierungsstruktur unseres Tourismus, und diese ist ein besonders sensibler Punkt in Sachen Basel II.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Auer, bitte.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Zuerst möchte ich ein Danke für Ihren Einsatz, um vernünftige Vorschriften bei Basel II zu erhalten, aussprechen.

Mich interessiert aber vor allem die Frage, Herr Bundesminister: Wäre es nicht noch wichtiger, als nur Basel II zu beachten, eine verbesserte Eigenmittelsituation bei den angesprochenen Betrieben herbeizuführen? Sehen Sie hier Chancen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Natürlich ist es wünschenswert, dass die Eigenmittelausstattung österreichischer Unternehmungen weiter steigt. Ich sage, dass spätestens seit der Steuerreform von Lacina und Ditz die Voraussetzungen, Eigenkapital zu bilden, zu thesaurieren, für Kapitalgesellschaften recht gut sind.

Das betrifft aber nur jene Unternehmungen, die schon auf dem Markt sind und Gewinne machen und aus diesen Eigenkapital bilden können. Das betrifft jetzt noch nicht die Eigenmittel der zu gründenden Unternehmungen. Man muss auch die Unternehmungen, die gerade keine Gewinne schreiben, berücksichtigen.

Das heißt, da gehört natürlich das Thema Kapitalmarkt dazu. Es gibt heute in Österreich schon wesentlich mehr Venture-Kapital, Risikokapital als früher, aber wir sind erst am Anfang des Weges, die Kreditfinanzierung unserer Unternehmungen schön langsam durch Eigenmittel, durch Eigenmittelersatzinstrumente zu ergänzen.


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Steuerlich, meine ich, sind wir an dem Punkt, an dem wir sagen müssen: Wir waren ein vernünftiger, guter Standort in Sachen Unternehmensbesteuerung. Das ist nicht das Geld, das der Unternehmer in der Tasche hat – ab morgen sind es ja nur mehr Euro, zumindest als gesetzliches Zahlungsmittel –, sondern das ist das Geld, das für Investitionen, letztlich für die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Unternehmungen verbleibt.

Bei den Unternehmenssteuern lagen wir mit 31 Prozent im internationalen Vergleich günstig. Mit den notwendigen Maßnahmen der letzten Jahre sind wir jetzt auf 34 Prozent gekommen, während der Durchschnitt unserer Wettbewerbspartner gefallen ist, und wir liegen plötzlich über dem OECD-Schnitt. Was noch wichtiger ist: Wir liegen im Vergleich zu Deutschland plötzlich nicht weit unter unseren deutschen Freunden, sondern nur noch knapp darunter. Wir liegen mit 34 Prozent gerade 3 Prozent unter Deutschland, das hier eine Steuerreform getätigt hat.

Es wäre also dringend erforderlich, sobald die Spielräume gegeben sind, in Sachen Unternehmenssteuern einen Schritt zu setzen.

Ich füge jetzt noch etwas hinzu: Es sind nicht nur die Kapitalgesellschaften zu entlasten, sondern man muss auch sagen: Liebe Personengesellschaft – das sind im Regelfall die ganz Kleinen –, du sollst die Option haben, dich auch wie ein Unternehmen besteuern zu lassen! – Das ist technisch machbar, nach meinen Informationen kostet das auch nicht allzu viel. Das heißt, wir brauchen sowohl eine vernünftige Senkung des KöSt-Satzes – Finanzminister Grasser hat beim Reformdialog 1 von 31 Prozent ab 2003 gesprochen; ich gehe davon aus, dass das auch halten wird – als auch die Möglichkeit für die Kleinen, für die Personengesellschaften, die keine Kapitalgesellschaften sein können oder sein wollen, auf diese günstige Besteuerungsmöglichkeit dann zuzugreifen, wenn sie das Geld für Investitionen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen im Unternehmen lassen.

Wenn der Unternehmer, die Unternehmerin das Geld aus dem Unternehmen entnehmen will, dann bleibt es beim bisherigen Status quo, das heißt 50 Prozent Besteuerung. Das ist ja nicht so wenig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Minister! Ich möchte zum Kern der Frage zurückkehren, was bezüglich der Kreditvorschriften und zur Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe im Kontext geschehen kann. Die Zielsetzungen sind im Hause ziemlich einheitlich, wir können uns da treffen. Die Frage ist nur: Welche Möglichkeiten hat Österreich – Sie haben die Probleme skizziert –, tatsächlich Einfluss zu nehmen, und wie akkordiert ist Ihre Vorgangsweise mit dem Finanzminister?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Ich bin da mit dem Finanzminister völlig einer Meinung, und ich habe es schon gesagt, nicht nur mit dem Finanzminister, sondern ich denke, das ist ein landesweiter Konsens, der diesbezüglich vorliegt. Allein schon dieses Gespräch mit dem Vorsitzenden des Basel-II-Ausschusses McDonough war ein wichtiger Schritt, um Österreichs Interessen zu deponieren.

Wir sind auch nicht allein auf dem Feld: Unsere Wirtschaft ist besonders mittelständisch strukturiert, aber die deutsche, die irische und die italienische sind vergleichbar; hier haben wir Kombattanten. Es ist auch so, dass letztlich das – und das habe ich schon angedeutet –, was Basel II dann sein wird, über eine EU-Richtlinie für uns verbindlich gemacht werden soll. Da sitzen wir wieder mit am Tisch. Die Europäische Kommission wird außerdem daran interessiert sein, diesbezüglich möglichst einvernehmlich heute 15 und dann vielleicht 25 EU-Mitgliedstaaten zu einem Konsens zu bringen.

Ich bin sicher, dass wir zeitgerecht und rechtzeitig in die Diskussionsprozesse eingestiegen sind. Am Anfang waren es die amerikanischen Großbanken, am Anfang waren es vor allem die Notenbanker, die an einem funktionierenden Finanzmarkt Interesse haben – das habe ich auch,


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Sie auch, aber die haben besonderes Interesse daran –, aber seit einem halben Jahr wird auch verstärkt die Stimme der Wirtschaft, die Stimme des Mittelstandes gehört, und das ist gut so. Wenn wir diesen Konsens weiter aufrechterhalten können, dann bin ich dafür dankbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Damit haben wir die beiden Fragen an Minister Bartenstein erledigt. – Ich danke, Herr Minister.

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zum Aufruf der Anfragen an Frau Bundesministerin Gehrer.

Die erste Anfrage an die Frau Ministerin stellt Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

140/M

Welche gesetzlichen Regelungen werden Sie dem Nationalrat zur Fortsetzung der Integration von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf vorlegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Minister, bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Integration, das heißt die spezielle Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, normalerweise von Kindern mit geistigen Behinderungen in der Integration, ist uns allen immer ein besonderes Anliegen gewesen. Deswegen haben wir auch gemeinsam im Jahr 1997 in der Schulorganisationsgesetz-Novelle erreicht, dass die Kinder auch in der Sekundarstufe 1 integriert werden können – selbstverständlich mit einem speziellen Lehrplan, mit einem speziellen Förderprogramm.

Mein Anliegen ist, dass wir diese spezielle Förderung auch in der Polytechnischen Schule weiterführen können. Das wird der Gesetzentwurf sein, den ich vorlegen werde, den ich schon einmal vorgelegt habe, der aber leider nicht die Zweidrittelmehrheit gefunden hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Frau Bundesminister! Was spricht Ihrerseits konkret gegen eine soziale Integration von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Berufsschule, in den ein-, zwei- oder dreijährigen berufsbildenden mittleren Schulen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich halte es für grundsätzlich falsch, Kinder in der Schule "aufzubewahren". Ich halte es für notwendig, Kinder, die Defizite haben, speziell geistige Defizite, ins Leben hineinzubegleiten, Kindern mit speziellen Förderungen, Kursen und Angeboten, wie es eine Anlehre ist, wie es ein qualifizierter Helfer ist, zu einem kleinen berufsmäßigen Abschluss zu verhelfen und Kinder dann vor allem in der Gesellschaft zu integrieren. – Das ist es, was Eltern in Wirklichkeit wollen. Sie möchten nicht, dass ihre behinderten Kinder bis zum 18. Lebensjahr in irgendeiner Schule "aufbewahrt" werden. Sie wollen, dass die Kinder ins Leben hineinfinden, dass sie eine berufliche Betätigung haben, dass sie sozialversichert sind, dass sie später einen Anspruch auf Pension haben, dass die Kinder also auch dann im Leben ihren Platz haben, wenn die Eltern einmal nicht mehr sind.

Deswegen, meine ich, sollten wir das Jahr 2003, das das Jahr der Behinderten ist, unter das Motto stellen: Die jungen Menschen ins Leben hineinbegleiten. – Das halte ich für wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Brinek, bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Bundesministerin! Halten Sie in Zukunft eine Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Sonderschulen noch für pädagogisch sinnvoll und angemessen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Kinder mit speziellen Bedürfnissen brauchen spezielle Förderung. Spezielle Förderung geschieht durch auf die Kinder maßgeschneiderte Lehrpläne, durch bestens geschulte Lehrer und Lehrerinnen. Und da möchte ich einmal allen Sonderschullehrern und Sonderschullehrerinnen aufrichtig und offiziell für die enorme Arbeit, die sie leisten, danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Wochesländer, bitte.

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Wie ist der Erkenntnisstand betreffend die Präferenz von Erziehungsberechtigten, wo ihr Kind die sonderpädagogische Förderung erhalten soll? Von Interesse ist dabei natürlich auch die Begründung der Wahl eines bestimmten Schultyps beziehungsweise wie die Empfehlungen der jeweils zuständigen Behörde aussehen. Ich meine damit also, ob die Eltern den Besuch einer Sonderschule beziehungsweise Sonderschulklasse bevorzugen oder eher die Volks-, Haupt- und Polytechnischen Schulen oder die Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schulen, die eben sonderpädagogischen Förderunterricht anbieten, goutieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich muss eines klarstellen: Eine AHS bietet nicht automatisch einen sonderpädagogischen Förderunterricht an, sondern wenn eine Integrationsgruppe gebildet wird, muss aus dem Pflichtschullehrerbereich ein Sonderpädagoge dafür zur Verfügung gestellt werden.

Ich meine, wir sollten die Eltern auf ihrem Weg begleiten und bestens beraten. Als Mutter stelle ich mir vor, dass man, wenn man ein behindertes Kind hat, besonders sensibel ist und eine gewisse Anerkennung in der Gesellschaft haben möchte. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Kinder vom Kindergarten an begleiten, dass wir bereits bei der Integration im Kindergarten darauf schauen, dass die Kinder in ihrem normalen Lebensumfeld aufwachsen können. Ich meine, es sollte gemeinsam mit den Eltern und den Fachleuten entschieden werden, ob die Kinder besser in einer Fördergruppe, in einer Integrationsgruppe oder in einer Sonderschule aufgehoben sind.

Ich würde auch gerne den Vorschlag machen – wir sollten das offen diskutieren –, ob wir nicht die Sonderschule "Förderschule" nennen sollten, denn Förderung ist sowohl für hoch begabte Kinder als auch für solche, die Defizite haben, etwas ganz besonders Wichtiges. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie solche Abstimmungen in Zusammenarbeit mit den Eltern treffen wollen. Auf die Frage des Kollegen Antoni, was gegen eine Weiterführung der Integration im Bereich von mittleren Schulen spricht, haben Sie gemeint, es gehe nicht um Aufbewahrung.

Sie wissen, wie wir alle, dass die Elternbewegung bei Integrationsfragen sehr massiv seit Jahren fordert, dass es zu einer Ausweitung der Integration auf mittlere und höhere Schulen kommt.


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95. Sitzung / Seite 22

Meine Frage lautet daher: Wieso gilt in diesem Bereich das, was Sie soeben gesagt haben, nämlich eine Absprache mit den Eltern – und der Wunsch der Eltern wäre doch zu respektieren –, nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.


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95. Sitzung / Seite 23

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Es gibt innerhalb der Bewegung zur Integration zwei verschiedene Entwicklungen: Die einen wollen einfach, dass ihr Kind weiter in der Schule verbleibt. Mit welcher Zielsetzung ist allerdings fraglich, denn was soll ein Kind, das eine geistige Behinderung hat, in einer HTL lernen!? (Abg. Silhavy: Das darf ja nicht wahr sein!)

Die zweite Entwicklung ist die der Eltern, die mit den verschiedensten Förderangeboten, die ein Kind nach dem 9. oder 10. Schuljahr bekommen kann, konfrontiert sind. Es gibt eine Begleitung, eine Arbeitsplatzbegleitung, Jugend am Werk, Förderkurse, Anlehrkurse, die Vorlehre; es gibt so viele Angebote und bei genügend guter Beratung der Eltern wählen diese meistens den Weg, dass ihr Kind auch im Leben und in der Gesellschaft integriert wird. Die Integration einseitig nur auf die Schule zu schieben und nur auf die Schule zu fokussieren halte ich für den falschen Weg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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95. Sitzung / Seite 24

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir kommen zum 4. Themenkomplex: Herr Abgeordneter Mag. Schender, bitte.

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

143/M

Welche Schwerpunkte setzt Ihr Ressort künftig im Informations- und Kommunikationstechnologiebereich, um die Qualifikation der Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich den Anforderungen der Wirtschaft anzupassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Gerade im Bereich der neuen Technologien haben wir die eFit-Initiative geschaffen. Dabei geht es darum, die Schulen technisch auszustatten, den Computer als Methodik des Lernens und des Wissenserwerbs einzusetzen, den Computer auch als Teil der Vermittlung von Wissen zu sehen. Es geht vor allem darum, die Lehrer und Lehrerinnen zu qualifizieren, diese Entwicklung an den Schulen voranzutreiben. Es geht weiters darum, den Schülern zusätzliche Möglichkeiten zu geben, den Computerführerschein zu machen oder Systemmanager zu werden.

All diese Angebote werden an den Schulen offeriert. Ein besonderes Anliegen ist es mir noch, bei der nächsten Novelle zum Schulorganisationsgesetz den Unterricht in den neuen Kommunikationstechnologien bereits verpflichtend in der ersten Klasse des Gymnasiums einzuführen. Dazu müssen wir noch Gespräche führen, denn das bedarf einer Zweidrittelmehrheit.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Frau Minister! Besonders wichtig scheint mir auch die Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien in die Unterrichtspraxis zu sein, das heißt deren Verwendung im Unterricht als Unterrichtsprinzip. Das ist das, was Jugendliche später brauchen, nämlich Informationen zu erlangen und auch zu verwerten.

Wird es seitens Ihres Ressorts verstärkte Bemühungen geben, IKT in den Unterricht als Unterrichtstechnik beziehungsweise als Unterrichtsprinzip vermehrt einzusetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Ministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Dazu ist festzustellen, dass in der Grundausbildung der Lehrer an den Pädagogischen Akademien der Umgang mit dem Computer für den Wissenserwerb bereits geschult wird, dass Lehrer in Fortbildungskursen geschult werden, dass wir Laptop-Klassen einrichten und dass wir zusätzlich ausgestattete Computerklassen an den Bundesschulen ermöglichen.

Was mich besonders freut – und dafür möchte ich mich bedanken –, ist, dass viele Schulerhalter, Gemeinden und Länder, die Schulen bestens mit Computern ausstatten, dass in vielen Hauptschulen die Arbeit am Computer als Schwerpunkt gesehen wird. Wir werden bei dieser Entwicklung noch weitere Akzente setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Großruck, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mein Vorredner hat die pädagogischen Maßnahmen bei IT hinterfragt, ich möchte Sie fragen: Mit welchen Maßnahmen unterstützt das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Verbesserung der IT-Infrastruktur an den Schulen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist die so genannte Computermilliarde geschaffen worden. Wenn wir diese Computermilliarde in Euro umrechnen, so haben wir im Jahre 2001 6 840 000 € in die Computerausstattung investiert und im Jahre 2002 werden es 7 Millionen € sein.

Alle Bundesschulen haben einen Internetanschluss. Wir werden auch die Geschwindigkeit des Netzes in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Anbietern noch weiter verbessern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! Sie haben die Laptop-Klassen erwähnt. Bei den Laptop-Klassen ist es so, dass die Eltern selbst für die Anschaffung der Geräte aufkommen müssen. Diese Geräte kosten aber beträchtlich viel Geld. Das schafft teilweise soziale Probleme, weil es sich eben nicht alle leisten können, ihren Kindern Laptops zur Verfügung zu stellen.

Meine Frage lautet: Gibt es vom Ministerium aus Bemühungen, auch da einen sozialen Ausgleich im Sinne von Förderungen oder eines Fonds zu gewähren, um auch sozial Schwächeren diese Anschaffung zu ermöglichen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Kinder mit Laptops arbeiten. An den Schulen selbst gibt es Elternvereine, die dafür sorgen, dass, wenn ein Kind sozial schwächer ist, ihm ein Laptop zur Verfügung gestellt wird. Wir trachten danach, dass wir im Rahmen unseres "Unternehmens Bildung", bei dem wir mit Betrieben zusammenarbeiten, günstige Geräte zur Verfügung stellen können und schicken diese auch als Angebot an die Schulen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gaßner, bitte.

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie haben uns die neue Computerausstattung an den verschiedenen Schulen geschildert.

Meine konkrete Frage dazu lautet: Wird von diesem IT-Geldsegen auch die ganz normale Schule – die öffentliche Schule, die Hauptschule am flachen Land – betroffen sein? Ich muss anfügen, dass nicht mehr alle Gemeinden als Schulerhalter in der Lage sind, in diesem Bereich wirklich die beste Ausstattung zu gewährleisten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Zuständigkeit für die Schulerhalterschaft ist ganz klar geregelt. Bundesschulen werden vom Bund erhalten, Pflichtschulen werden von den Ländern und Gemeinden erhalten, Berufsschulen von den Ländern. Ich komme in sehr viele Hauptschulen, in sehr viele Berufsschulen, und ich stelle gerade bei den Berufsschulen fest, dass sie bestens ausgestattet sind. Ich kenne auch viele Hauptschulen, die bestens ausgestattet sind. Es ist auf alle Fälle so, dass die Schulerhalterschaft klar geregelt ist und auch Teil des Finanzausgleichs ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 5. Anfrage, die von Herrn Abgeordnetem Dr. Grünewald vorgetragen wird. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

148/M

Wieso vermitteln Sie der Öffentlichkeit ein Bild hoher Zustimmung zur Regelung der Autonomie der Universitäten, obwohl mehr als 80 Prozent der Stellungnahmen ablehnend sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich glaube nicht, dass man mir gegenüber sagen kann, ich vermittle ein hohes Maß an Zustimmung. Wer die Diskussionen in den Zeitungen, in der Öffentlichkeit verfolgt, der sieht sehr genau, wie dabei um Argumente gerungen wird. Es hat 243 Stellungnahmen gegeben, und in diesen 243 Stellungnahmen kamen auch in jenen, die eigentlich prinzipiell dagegen sind, trotzdem konstruktive Vorschläge dazu, was man in dem neuen Gesetzentwurf verändern sollte.

Ich meine, dass es sehr viele Angehörige der Universitäten gibt, die zwar offiziell bekunden, prinzipiell dagegen zu sein, aber dann doch sagen: Wenn die Autonomie schon kommt, dann machen wir eben diesen oder jenen Vorschlag. Diese guten Vorschläge haben wir aufgenommen, und die neueste Market-Umfrage zeigt, dass 83 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen diesen Reformschritt für wichtig halten. Ich glaube, dass wir uns in einer Entwicklungsphase befinden, in der wir in einer konstruktiven Diskussion sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Frau Bundesminister! Sie haben zur Diskussion über die Uni-Reform eine Plattform eingerichtet, die sich aus allen repräsentativen VertreterInnen der Universitäten zusammensetzt. Diese haben sich letzte Woche einstimmig gegen eigene Medizin-Universitäten ausgesprochen. Wollen Sie dieses Votum ignorieren oder uminterpretieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich ignoriere nichts und ich interpretiere auch nichts um. – Diese Plattform ist eine Informationsplattform, die keine einstimmigen Beschlüsse fassen kann. Dort werden Meinungen vertreten, die mir mitgeteilt werden.

Die Sache ist ganz einfach: Entweder wir schaffen eigene Medizinische Universitäten, oder die Medizinischen Fakultäten bleiben Teil der bestehenden Universitäten, ohne all die Sonderregelungen, die sie bisher hatten. Zwischen diesen beiden Wegen kann man sich entscheiden.

Ich werde einen Entwurf in Begutachtung geben, der drei Medizinische Universitäten vorsieht. Wenn diese Eigenständigkeit – diese Selbständigkeit – gewünscht wird, dann werden wir das gerne durchführen. Wenn nicht, dann müssen sich die Medizinischen Fakultäten in die neue


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95. Sitzung / Seite 25

Form der Universität, wie sie in unserem Universitätsgesetz geplant ist, einfügen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl, bitte.

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Frau Bundesministerin! Die ablehnende Haltung an den Universitäten gegenüber der Reform hat ja zu einem großen Teil auch damit zu tun, dass viele, die bisher Mitwirkungsrechte hatten, nach dieser Reform keine Mitwirkungsrechte mehr haben werden.

Man hört immer wieder aus den Reihen Ihres Koalitionspartners, dass auch an eine Abschaffung der Österreichischen Hochschülerschaft als Interessenvertretung der Studenten gedacht ist. Ihre Haltung dazu würde mich sehr interessieren.

Meine Frage lautet: Wie gedenken Sie, die Vertretung der Studenten durch die Österreichische Hochschülerschaft zu sichern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es wird in meinem Ministerium nicht an die Abschaffung der Österreichischen Hochschülerschaft gedacht. Sie bleibt bestehen, wie sie jetzt ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Graf, bitte.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Haben Sie gewusst, dass auch Herr Abgeordneter Dr. Grünewald – noch bevor er ein politisches Mandat übernommen hat – öffentlich für die Ausgliederung der Medizinischen Fakultäten eingetreten ist? Wie werten Sie seinen Sinneswandel? (Abg. Dr. Brinek: Das hat er selber nicht gewusst!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Minister, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich sage ehrlich: Ich habe es nicht gewusst. Ich habe es jetzt erfahren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer, bitte.

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Welche Bedeutung hat Ihrer Einschätzung nach diese Universitätsreform für die österreichische Bevölkerung, das heißt, wie sehr wird auch die Bevölkerung von dieser Frage berührt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Minister, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Bevölkerung interessiert sich laut unserer Umfrage sehr dafür, was an den Universitäten geschieht, und mir ist es ein großes Anliegen, dass die Eigenverantwortung der Universitäten in den Regionen stärker wird, dass die Universitäten mehr mit der Wirtschaft vernetzt werden und dass die Zusammenarbeit mit der Region auch noch besser ausgebaut wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Somit haben wir diesen Fragenkomplex besprochen.

Frau Abgeordnete Dr. Brinek, Sie erhalten das Wort für die Anfrage Nr. 6. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Bundesministerin! (Abg. Schwemlein: Bitte gleich auf die Frage eingehen!)  – Ja, ich gehe gleich auf die Frage ein, so wie es die Geschäftsordnung vorsieht:


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95. Sitzung / Seite 26

145/M

Welche Maßnahmen sind für die Steigerung der Anfängerstudienplätze an Fachhochschulen im Studienjahr 2002/2003 geplant?


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95. Sitzung / Seite 27

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um Beantwortung, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Regierung hat sich eine Verdoppelung der Zahl der Anfängerstudienplätze zum Ziel gesetzt. Im Fachhochschulstudien-Entwicklungsplan II waren 600 Plätze vorgesehen. Mit Hilfe der Länder und der Träger der einzelnen Fachhochschulen, die Vorfinanzierungen übernehmen, werden wir in der Lage sein, im Herbst 2003 über 1 200 Anfängerstudienplätze anzubieten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Bundesministerin! Forschung an den Fachhochschulen wird immer wieder betont. Welche Überlegungen werden dazu angestellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Anwendungsbezogene Forschung soll an Fachhochschulen stattfinden, und es wird auch die Möglichkeit bestehen, bei den verschiedenen Gremien um Forschungsförderung anzusuchen. Besonders geschieht Forschung an Fachhochschulen in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in Kompetenzzentren und in Forschungsclustern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Frau Bundesminister! Haben Sie gewusst, dass die Bundeskonferenz des wissenschaftlichen Personals, der ich vor Jahren einmal vorgesessen bin, über so genannte Bio-Universitäten unter Einbeziehung der Medizin diskutiert, diese Frage dann aber nicht weiter verfolgt hat? (Abg. Böhacker: Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Ministerin! Diese Frage steht zwar nicht in Zusammenhang mit dem Thema Fachhochschulen, aber ich bleibe bei der Praxis, Sie zu ermächtigen, dazu Stellung zu nehmen, wenn Sie es wünschen.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich habe es nicht gewusst. Ich habe es aber jetzt erfahren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Papházy, bitte.

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Der Fachhochschulstudien-Entwicklungsplan des Bundes sieht 21 000 Studienplätze im Studienjahr 2004/2005 vor. Mich persönlich würde interessieren, welche Studiengänge Sie aus heutiger Sicht als vorrangig wichtig erachten und welche Schwerpunkte Ihrer Meinung nach insbesondere in Wien gesetzt werden sollten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir werden diese Schwerpunktsetzung und die Entwicklung hin zu 21 000 Fachhochschul-Studienplätzen in einem Fachhochschulstudien-Entwicklungsplan III festhalten, den wir auch gemeinsam diskutieren werden.

Es zeigt sich immer mehr, dass im Bereich der Neuen Medien, der Neuen Technologien und der Biotechnologie sehr gute Berufschancen bestehen, aber es zeigt sich auch, dass wir im sozialen Bereich Angebote brauchen. – Das heißt, für die Zukunft wird ein Mixtum notwendig sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Rada, bitte.

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Aus der Fragestellung von Frau Abgeordneter Brinek ergibt sich, dass zunächst einmal das Einstiegsszenario erhöht und verbessert werden soll. Dem Nachrichtenmagazin "NEWS" entnehme ich aber, dass es sehr viel neue Arbeitslosigkeit im Bereich der Universitäts- und Fachhochschulabgänger gibt, die sich seit dem Jahr 2001 gesteigert hat.

Meine Frage daher: Welche Pläne gibt es in Ihrem Bundesministerium, diese Entwicklung, dass Abgänger der Universitäten und der Fachhochschulen, die so hochgradig ausgebildet sind, keine Arbeitsplätze bekommen, hintanzuhalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die beste Gegenmaßnahme ist, die Studiengänge den neuen Herausforderungen anzupassen – das geschieht durch ständige Evaluierungen, die der Fachhochschulrat vorschreibt – und die einzelnen Studienangebote an den Universitäten zu internationalisieren, sodass jemand, der Jus studiert, auch Sprachen und Europarecht lernt.

Wer nämlich Jurist ist und Sprachen und Europarecht beherrscht, wird garantiert nicht arbeitslos. Das heißt auch, dass sich die jungen Menschen für die gegenwärtigen Herausforderungen interessieren und ihr Studium dementsprechend wählen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 7. Thema der Fragestunde: Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser, bitte.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

141/M

Können Sie garantieren, dass die von Ihnen – gemäß Ihrem "Gestaltungsvorschlag für die Regelung der Autonomie der Universitäten" – vorzunehmende Bestellung von zwei Mitgliedern des "Universitätsrates" nicht schwarz-blaue Proporzbesetzungen werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich habe bisher bewiesen, dass ich für wichtige Funktionen sehr gute Experten nominiere, und das werde ich auch in Zukunft so machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Bundesminister! Ein Gesetz wirkt möglicherweise über die Ministerperiode hinaus. Ihr Kollege, Finanzminister Grasser, hat ja in der Stellungnahme des Finanzministeriums verlangt, dass diese Besetzung nicht vom Bildungsministerium vorgenommen wird, sondern von der Bundesregierung, dass also diese Besetzung von zwei leitenden Posten die Bundesregierung vornimmt und nicht Sie allein.

Daher frage ich Sie, ob Sie definitiv garantieren können, dass das nicht zu einem neuen Proporz an den Universitäten führt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich darf daran erinnern, dass frühere Besetzungen für den Fachhochschulrat oder für andere Räte ebenfalls von der Regierung genehmigt worden sind. Das heißt, wir werden es auch in Zukunft so


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95. Sitzung / Seite 28

handhaben, dass die Regierung derart wichtige Fragen gemeinsam entscheidet. – Das war vorher so, und das wird auch jetzt so sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Graf, bitte.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Die Frage des Kollegen Niederwieser war entlarvend. – Er sprach von einem "neuen Proporz". Das setzt voraus, dass es einen "alten Proporz" gegeben hat.

Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Ist im Rahmen der Bestellung der Universitätsräte an eine Unvereinbarkeitsklausel mit dem politischen Mandat oder politischen Bestellungen gedacht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es soll dieselbe Politikerunvereinbarkeitsklausel gelten wie bei anderen Gesetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner, bitte.

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Stichwort "Universitätsräte": Welchem Anforderungsprofil müssen die Mitglieder der Universitätsräte entsprechen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Universitätsräte müssen Persönlichkeiten aus dem Bereich Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft sein. Sie müssen sich für die Universität interessieren, gewisse Grundkenntnisse über die Universität haben – derartige Persönlichkeiten haben das normalerweise auch – und wirklich bereit sein, sich für die Universität zu engagieren und auch für die Universität zu arbeiten.

Es sitzen in den derzeitigen Universitätsbeiräten, die es schon gibt, hervorragende Leute, die absolut geeignet sind, dann auch einem Universitätsrat anzugehören.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Frau Bundesministerin! Es wird am Universitätsrat kritisiert, dass er sehr viele Aufgaben des Senats und des Rektors übernimmt. Man spricht dabei von einer heillosen Aufgabenüberfrachtung und einer Mischung von strategischen, operativen und kontrollierenden Aufgaben. Wie wollen Sie auf diese Kritik reagieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben in unserem Begutachtungsentwurf sehr genau darauf geachtet, dass der Universitätsrat das strategische Organ ist, dass das Rektorat, das wir aus all den Begutachtungen in unseren Entwurf übernommen haben – wobei allen wichtig war, dass es nicht ein Rektor allein, sondern ein Rektorat ist –, die operative Arbeit überhat und dass der Senat das wissenschaftliche Know-how beisteuert.

Der Entwurf wurde schon von vielen Experten durchgesehen. Wir haben diese Aufgaben genau getrennt, und ich glaube, dass uns eine gute Aufgabenverteilung gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf Herrn Abgeordneten Dr. Grollitsch bitten, die 8. Anfrage zu formulieren.


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95. Sitzung / Seite 29

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch
(Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

144/M

Inwieweit erkennen Sie im Zuge der aktuellen Reformdiskussion mit den Universitäten, dass auch diese die Vollrechtsfähigkeit als logische Fortentwicklung des UOG 1993 sehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.


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95. Sitzung / Seite 30

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Da in allen Regierungsprogrammen seit 1990 die Vollrechtsfähigkeit der Universitäten enthalten ist, ist es eine logische Fortentwicklung der vorangegangenen Gesetzgebungen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Ich habe die Universitäten angesprochen und würde zusätzlich gerne von Ihnen wissen, ob ich mit Recht darauf hoffen darf, dass die Vorschläge bezüglich der künftigen vollautonomen Universität in erster Linie von den Universitäten kommen und sich das Ministerium in der Endfassung des Gesetzes radikal zurücknimmt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.


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95. Sitzung / Seite 31

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Es gibt eine neue Aufgabenverteilung, die so gestaltet ist, dass das Ministerium eine Art Holding ist, die dem Steuerzahler gegenüber dafür verantwortlich ist, dass die Gelder richtig eingesetzt werden, die Universität aber im Rahmen der Leistungsvereinbarungen, der Satzungen und ihrer Ablauforganisation sehr große Freiheiten hat. – Sie können sicher sein, dass wir diese neue Rollenverteilung auch leben werden.


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95. Sitzung / Seite 32

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Hakl, bitte.

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Rahmen der letzten Enquete wurde ja mehrfach darauf hingewiesen, dass das UOG 93 einer Weiterentwicklung bedarf, die wir jetzt vornehmen werden. Welche Evaluierungen des UOG 93 liegen Ihnen vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.


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95. Sitzung / Seite 33

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Da diese Frage immer wieder gestellt wird, habe ich alle Evaluierungen mitgenommen. Die erste und beste Evaluierung ist jene der Rektorenkonferenz, in der jeder vor dem Hintergrund seines Erfahrungsbereiches vorgeschlagen hat, was weiterentwickelt werden muss. Man möge mir nicht sagen, dass die Universität Wien erst 1990 in das neue Recht übergetreten ist, denn dann lese ich Ihnen vor, welche Universitäten vorher schon unter das neue UOG 93 fielen. (Die Rednerin weist auf einen Stapel Bücher, der vor ihr auf der Regierungsbank liegt, und hält einen Band mit dem Titel "Universitäten im Wettbewerb" in die Höhe.)  – Das hier sind alles zusätzliche Evaluierungen. Das UOG 93 ist also ausreichend überprüft worden. Die Autonomie ist eine Forderung, die aus dieser Evaluierung entstanden ist, und wir setzen sie um.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Frau Bundesministerin! Sie haben hier die Rektorenkonferenz und ihre Evaluierungen zitiert. Wie erklären Sie sich, dass die Rektorenkonferenz eine Million Schilling in Inserate investiert, um sich gegen diese Ausgliederung und Ihren Entwurf auszusprechen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Dazu kann ich nur sagen: Da müssen Sie die Rektorenkonferenz fragen! – Ich weiß es nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser, bitte.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Bundesministerin! Eine Bemerkung zu dem Buch, das Sie gezeigt haben: Es schaut jedenfalls nicht so aus, als ob Sie es gelesen hätten.

Meine Frage lautet daher: Was veranlasst Sie zur Annahme, dass unter Autonomie eine völlige Abschaffung der Mitbestimmung von Mittelbau und Studierenden gemeint sein könnte und dass es eine logische Fortentwicklung sei, wenn man die Mitbestimmung und die Demokratie praktisch abschafft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben viele Exemplare davon, und ich verschenke auch welche, wenn jemand zu mir kommt. Das ist nicht mein Leseexemplar, und ich lasse mir solche Dinge von Ihnen auch nicht unterstellen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Es wird bei uns alles eingehend studiert.

Die zusammenfassende Zielsetzung der Rektoren lautet: Weniger Regulierung, mehr Wettbewerb, stärkere Leistung, nach Kompetenz und Verantwortung differenzierte Mitbestimmung – also eine Weiterentwicklung der Mitbestimmung – und strategische Zielvereinbarungen mit dem Staat stellen wesentliche Faktoren für die verbesserte Aufgabenerfüllung und Zielerreichung der Universitäten dar. – Das sind die Kernpunkte unserer Weiterentwicklung zur Autonomie, die in diesem Buch festgehalten sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich rufe Herrn Abgeordneten Brosz zur 9. Anfrage auf.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

149/M

Können Sie im Rahmen der Regierungsvorlage zum Budget 2003 garantieren, dass es im Schulbereich weder beim Dienstrecht noch hinsichtlich des schulischen Angebotes zu weiteren Einsparungen kommen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Im Schulbereich gibt es zwei Grundlagen, auf denen die Zuweisung des Personals beruht:

Die eine Grundlage ist der Finanzausgleich – das Abkommen zwischen Ländern und Bund. Auf dieser Grundlage, die gemeinsam beschlossen wurde, werden die Dienstposten für den Pflichtschullehrerbereich zugeteilt. Das gilt auch für das Jahr 2003.

Die zweite Grundlage sind die so genannten Werteinheiten. Diese Werteinheiten wurden nicht verändert und werden im vollen Umfang auch im Jahr 2003 pro Schüler zugeteilt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Interpretiere ich Sie richtig, dass der erste Teil Ihrer Antwort bedeutet, dass es durch die Erhöhung der Schülerzahlen beim Finanzausgleich de facto zu weiteren Kürzungen bei den Zuweisungen von Personal im nächsten Schuljahr kommen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es gibt einen paktierten Finanzausgleich zwischen den Ländern und dem Finanzministerium, der bis zum Jahr 2005 schrittweise zu erfüllen ist. – Ich denke, Vereinbarungen sind einzuhalten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Schasching, bitte.

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Frau Bundesministerin! Wir nehmen zur Kenntnis, dass diese Einsparungen logischerweise auch Auswirkungen haben, die schon jetzt für uns von Bedeutung sind. Ich möchte daher folgende Frage an Sie richten:

Sehen Sie nicht auch, dass es ein Problem ist – und wie werden Sie dieses Problem in Zukunft bekämpfen? –, dass es weniger Klassen geben wird, weniger BeratungslehrerInnen, weniger LogopädInnen – in der Stadt St. Pölten zum Beispiel statt fünf Heilstättenklassen nur mehr zwei –, keine Personalreserven und kein Deutsch für Ausländer? Was werden Sie konkret dafür tun, dass diese Probleme, die auf uns zukommen, für die Qualität der Ausbildung unserer Kinder nicht schlagend werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Frage, welche Angebote es gibt, ist eine Frage der Einteilung der Ressourcen. Es gibt Schulen, die die Ressourcen so einteilen, dass bestimmte Möglichkeiten nicht mehr gegeben sind, weil sie irgendwelche Freigegenstände anbieten – Stadtspaziergang oder ähnliche Dinge –, und es gibt solche, die die Ressourcen sehr verantwortlich einteilen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ein Wahnsinn! Stadtspaziergang!)  – Ja, Stadtspaziergang ist ein Freigegenstand!

Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Ich kenne in Wien eine Schule, in der verhaltensauffällige Kinder betreut werden. Dort sind in einer Klasse sechs bis acht Schüler mit zwei LehrerInnen und einer zusätzlichen Beratungslehrerin, die sich besonders schwieriger Fälle annimmt. (Abg. Dr. Jarolim: Verhaltensauffällige Regierung!)  – Das heißt, bei einer guten und verantwortungsvollen Einteilung sind all diese Angebote möglich. (Abg. Dr. Jarolim: Eine Frechheit!)

Wenn die Länder wirklich selbständig sein und im Pflichtschulbereich die Verantwortung tragen sollen, dann müssen sie diese Verantwortung für das Paktum, das sie mit dem Finanzminister geschlossen haben, auch übernehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Amon, bitte.

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Bundesministerin! Meine beiden Vorredner haben unrichtigerweise von Einsparungen im Bildungsbereich gesprochen. In diesem Zusammenhang ist von der Opposition immer wieder behauptet worden, dass es zu massiven Kündigungen von Lehrerinnen und Lehrern kommen werde. Mich würde interessieren, wie sich die Beschäftigungssituation der Lehrerinnen und Lehrer heute darstellt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich darf festhalten, dass es zu keinen Kündigungen gekommen ist, sondern vielmehr im laufenden Schuljahr 400 Lehrer und Lehrerinnen im Bundesbereich neu angestellt wurden. Das heißt, unsere Maßnahmen – zum Beispiel die des Vorruhestandes – haben voll gegriffen. Es ist zu keinen Kündigungen gekommen. (Abg. Brosz: Personalstand!? Aber weniger Personal!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Hetzl, bitte.

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie werden sich aus heutiger Sicht die Ausgaben für den Fachhochschulbereich in den nächsten Jahren entwickeln, und zwar in Relation zu den Gesamtausgaben für tertiäre Bildungseinrichtungen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Ausgaben für den Fachhochschulbereich werden sicher steigen und werden im Rahmen des tertiären Bereiches einen besonderen Stellenwert einnehmen. Wir werden auch in Zukunft pro Studierenden zwischen 80 000 S und 95 000 S an Förderung geben und werden auf eine sehr strenge Qualitätsevaluierung achten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist jetzt 10 Uhr, aber wenn Sie, Frau Bundesministerin, einverstanden sind, würde ich gerne noch eine Frage aufrufen. – Herr Abgeordneter Amon, wenn Sie Ihre Frage formulieren.

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

147/M

Welche Ergebnisse hat die Evaluation der Schulversuche auf der Sekundarstufe I gebracht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben ein vorläufiges Ergebnis: Die Evaluierung hat erbracht, dass für die Ergebnisse nicht die Organisationsform der Schule ausschlaggebend ist, sondern dass der Einsatz der Lehrer, das Engagement der Lehrer, die Ernsthaftigkeit, mit der Bildung vermittelt wird, auch die Grundlage dafür sind, wie gut die Ergebnisse in der Schule sind. Das heißt, eine Umorganisation des österreichischen Weges des differenzierten Schulwesens ist daher nicht notwendig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Bundesministerin! Wir haben in Österreich hervorragende Hauptschulen. Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um diese gute Position der österreichischen Hauptschulen abzusichern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: In diesem Evaluierungsbericht sind ebenfalls Vorschläge gemacht worden. Es geht um eine bessere Elternberatung, es geht um eine Schwerpunktsetzung an den Hauptschulen, es geht um eine bessere Betreuung der Nahtstellen, nämlich von der Hauptschule zu weiterführenden Schulen, und es geht auch darum, aufzuzeigen, dass 52 Prozent der Maturantinnen und Maturanten an den berufsbildenden Schulen über den Weg der Hauptschule zur Matura kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! Es ist bemerkenswert, dass wir jetzt in 35 Minuten sämtliche Bildungsfragen abgehandelt haben.

Meine Frage, die vielleicht einer etwas ausführlicheren Antwort bedarf: Wie schätzen Sie die PISA-Studie ein hinsichtlich der Schulorganisation, wie Sie sie angesprochen haben? Da ist nämlich herausgekommen, dass im Durchschnitt jene Länder, die kein selektierendes System wie Österreich haben, sondern Gesamtschulwege gehen, bessere Ergebnisse erzielt haben als Länder wie Österreich mit einem selektierenden System. (Abg. Dr. Khol: Da ergibt sich die Antwort von selbst!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich halte diese Feststellung, die Sie treffen, für falsch. Erstens hat Österreich kein selektierendes Schulwesen. Wir haben ein gutes, differenziertes Schulangebot, das jedem Kompetenzen, Chancen und Fähigkeiten gibt.

Das Zweite: Es ist nicht wahr, dass all jene, die eine Gesamtschule haben, besser abgeschnitten haben – siehe Deutschland, siehe Hamburg, welche Ergebnisse es dort gibt. (Abg. Brosz: Deutschland? Deutschland hat ein Gesamtschulsystem?) In Deutschland gibt es in vielen Bereichen die gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen. Das wissen Sie so gut wie ich. Es gibt Länder wie Korea und andere, die sehr gut abgeschnitten haben und die auch keine Gesamtschule haben. Dieser Schluss ist also falsch, und deswegen werden wir uns davon auch nicht beeindrucken lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Schender, bitte.

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! In sehr, sehr vielen Schulen in Österreich laufen Schulversuche. Das zeigt den deutlichen Wunsch der Schulen, eigene Konzepte, eigene Ideen umzusetzen. Das ist auf Grund unseres relativ starren Systems aber kaum möglich. Sehen Sie hierin einen Anreiz beziehungsweise auch die Notwendigkeit, die Schulautonomie auszubauen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist insbesondere in der Oberstufe notwendig, die Schulautonomie auszubauen. Wir werden deshalb in den nächsten Wochen dieses Vorhaben vorantreiben. Wir werden zur Lehrplanverordnung dazu mehr Autonomie ermöglichen. Wenn wir die Autonomie mit einer Neuaufteilung des Bereiches Sprachen, dass man in der dritten Klasse zwischen Französisch und Englisch wählen kann, mit einer Zweidrittelmehrheit auch noch verwirklichen können, dann sind sehr viele Schulversuche durch die Möglichkeit der Autonomie nicht mehr notwendig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Antoni, bitte.

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Frau Bundesministerin! Der Evaluationsbericht zur Sekundarstufe I hat auch empfohlen, im Bereich der Leistungsgruppenbildung flexibler zu sein, einen flexibleren Umgang mit den Organisationsformen anzustreben und die Förderungen zu verstärken. Werden Sie derart positive Aspekte in das Regelschulwesen übernehmen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es gibt sehr viele Schulversuche zu den Leistungsgruppen, die diese nicht mehr in einer starren Form führen, sondern mit einer inneren Differenzierung. Ich glaube, dass das Ergebnis sehr gut ist, dass wir uns das Ergebnis sehr genau anschauen müssen. Ich würde sehr gerne eine Möglichkeit der freien Leistungsdifferenzierung auch im Rahmen der Autonomie im Schulorganisationsgesetz verankern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Ich danke Frau Bundesministerin Gehrer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einlauf und


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95. Sitzung / Seite 34

Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich auf die nach § 23 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 87 betreffend "zur Aufnahme bisher nicht genannter Opfergruppen im Opferfürsorgegesetz", überreicht von den Abgeordneten Mag. Werner Kogler und Heidrun Silhavy,

Petition Nr. 88 betreffend "für die Erhaltung der Postämter 2354 Guntramsdorf 2, 2531 Gaaden und 2381 Laab im Walde", überreicht von der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek;

2. zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 613/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des Artikel 7 (1) B-VG,

Antrag 620/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beseitigung der Ungleichbehandlung im Bereich Rehabilitation,

Antrag 621/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwendung des bereitgestellten Budgets im Jahr 2001 zur Schaffung von Arbeitsplätzen am ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung;

Außenpolitischer Ausschuss:

Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang (1030 der Beilagen),

Antrag 622/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung für den Kärntner Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Reisetätigkeit des Kärntner Landeshauptmannes;

Finanzausschuss:

Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG (1002 der Beilagen),

Abgabenänderungsgesetz 2002 (1031 der Beilagen);

Gesundheitsausschuss:

Antrag 616/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des Artikel 7 (1) B-VG,

Antrag 618/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studie über die Korrelation von Tumoren mit der Verwendung von Schnurlos-Telefonen nach dem DECT-Standard;

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag 611/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauenanteil im ORF;

Justizausschuss:

Insolvenzrechts-Novelle 2002 – InsNov. 2002 (988 der Beilagen),


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95. Sitzung / Seite 35

Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002) sowie über Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, des Mietrechtsgesetzes und der Exekutionsordnung (989 der Beilagen),

Vereinsgesetz 2002 – VerG (990 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz – WettbG) erlassen und das Kartellgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (1005 der Beilagen),

Antrag 610/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbraucherinformationsgesetz,

Antrag 612/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend freie Werknutzung für behinderte Menschen lt. Informations-Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft,

Antrag 614/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des Artikel 7 (1) B-VG;

Landesverteidigungsausschuss:

Antrag 609/A (E) der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfangjäger-Beschaffungsstopp;

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pestizid-Aktionsprogramm zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Österreich;

Unterrichtsausschuss:

Antrag 617/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des Artikel 7 (1) B-VG;

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 geändert wird (978 der Beilagen);

Verkehrsausschuss:

Antrag 615/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des Artikel 7 (1) B-VG.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters sind folgende Vorlagen eingelangt:

Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und in anderen Regionen (1028 der Beilagen) sowie

Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls und weiteren Regelungen (1029 der Beilagen).

Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz schlage ich nach § 28a der Geschäftsordnung vor, von der Zuweisung dieser Gegenstände an einen Ausschuss abzusehen und sie bei der Erstellung der Tagesordnung der nächsten Sitzungen zu berücksichtigen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.


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95. Sitzung / Seite 36

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Khol, Mag. Schweitzer, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3532/J der Abgeordneten Dr. Khol und Mag. Schweitzer an den Herrn Bundeskanzler betreffend Politik der Bundesregierung in Fragen der zukünftigen Gestaltung der Europäischen Union dringlich zu behandeln.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Cap zu Wort gemeldet. – Bitte.

10.08

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte an die Abgeordneten Khol und Schweitzer appellieren, diese Dringliche Anfrage zurückzuziehen und nicht heute durchzuführen, weil die Mitglieder des EU-Konvents, die unser Parlament entsendet hat, heute eben wegen dieses Konvents nicht anwesend sind. Es wäre klüger und würde der Debatte mehr nützen, wenn man das zu einem anderen Zeitpunkt machen würde – man könnte ja im Rahmen der nächsten Plenartage diese Diskussion durchführen –, und es wäre auch demokratischer. Ich sehe nicht ein, dass hinter dem Rücken der Konventsmitglieder des Parlaments diese Diskussion heute durchgeführt werden soll, und ich möchte wirklich appellieren, dass Sie die Dringliche zurückziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vor. Herr Abgeordneter Dr. Khol, bitte.

10.08

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ziel dieser Dringlichen Anfrage ist es, dass gerade zu diesem Zeitpunkt, zu dem eine derjenigen Institutionen, nämlich der EU-Konvent, über die zukünftige Verfassung Europas diskutiert, eine andere Institution, nämlich das österreichische Parlament, das eine eigenständige Rolle in diesem Verfassungsprozess hat, den Bundeskanzler fragt, welche Rolle die Bundesregierung hiebei spielen möchte. Das heißt also, dass wir an einem Tag, an dem die europäische Verfassung zur Debatte steht, auch Auskunft darüber bekommen, welche Vorstellungen die Bundesregierung hat, die diesen Verfassungsvertrag ja schließlich in dieses Haus bringen muss. Daher ist das genau der richtige Zeitpunkt.

Die Debatte mit den Konventsvertretern hat ja vor einer Woche stattgefunden, am 21. Februar bei einem großen Konvent, wo Kollege Einem anwesend war und wo auch ich dabei war. Sie habe ich leider vermisst, Herr Kollege Cap. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

10.10

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Mir scheint das Prinzip des Stille-Post-Spiels nicht geeignet, um einen gedeihlichen Konventsprozess zu organisieren, und natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Abgeordneten Caspar Einem und Eva Lichtenberger hier sein könnten.

Mir scheint aber, dass diese Dringliche Anfrage der Regierungsparteien ja einmal mehr einen ganz anderen Zweck hat, nämlich den, die Behandlung der Dringlichen Anfrage, die seitens des Grünen Klubs vorbereitet wurde, gerichtet an die Außenministerin, um die Irak-Reise des Kärntner Landeshauptmannes aufzuklären, zu verhindern. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.)  – Nein, es hat sicher gar nichts damit zu tun! (Beifall bei den Grünen.)

Das wundert mich schon, da Sie gestern so heftig appelliert haben, man möge doch keine Instrumente in Sachen Außenpolitik einbringen, wenn die Außenministerin auf Reisen sei. Heute ist sie wahrscheinlich – das nehme ich an – da. Wir haben diese Anfrage vorbereitet, und wir wären sehr daran interessiert gewesen, die Worte der Frau Außenministerin aus ihrem eigenen


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95. Sitzung / Seite 37

Mund zu hören. Aber offenbar soll das von den Regierungsparteien verhindert werden, und das sagt ja auch etwas aus. (Beifall bei den Grünen.)

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Westenthaler, bitte.

10.11

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin geradezu amüsiert über die Ausführungen der Vertreter der Oppositionsparteien, die in diesem Hohen Haus ja kaum einen Tag auslassen, an dem sie sich nicht darüber beschweren, dass es angeblich zu wenig Information seitens der Regierung gegenüber den beiden Oppositionsfraktionen gibt.

Jetzt bringen wir an dem Tag, an dem der EU-Konvent beginnt, eine Dringliche Anfrage zum Thema Europa ein, in der wir die österreichischen Bundesregierung befragen wollen – und plötzlich steht Herr Kollege Cap auf und beschwert sich darüber, dass wir diese Information einmahnen! Also irgendwie müssen Sie sich auf eine Linie einigen.

Frau Kollegin Petrovic! Es ist schon auch interessant: Es gibt in diesem Haus eine Geschäftsordnung, die eine Reihenfolge der Fraktionen vorsieht, was das Einbringen von Dringlichen Anfragen anlangt. Jetzt ist die ÖVP am Zug, und sie bringt die Dringliche Anfrage ein. Wenn Sie außenpolitische Themen diskutieren wollen, empfehle ich Ihnen einen Blick auf die Tagesordnung von heute, auf der einige Tagesordnungspunkte stehen, bei denen Sie all das, was Sie sagen wollen, auch sagen können. Es bedarf dazu keiner Dringlichen Anfrage.

Das Vorgehen der beiden Regierungsparteien ist nicht nur geschäftsordnungskonform, sondern auch inhaltlich absolut richtig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Entscheidung des Präsidiums ist nicht notwendig. Die Anfrage ist eingebracht. Sie wird um 15 Uhr zum Aufruf gelangen, wenn sie nicht vorher von den beiden Fragestellern zurückgezogen wird, was offensichtlich nicht der Fall sein wird. Daher bitte ich Sie, sich darauf einzustellen, dass wir um 15 Uhr diese Debatte einschieben werden.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich teile weiters vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass Herr Abgeordneter Dr. Cap beantragt hat, dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag betreffend Nichtbeschaffung der Abfangjäger eine Frist bis zum 19. März 2002 zu setzen.

Es liegt das Verlangen vor, nach § 43 der Geschäftsordnung eine Kurzdebatte über diesen Antrag durchzuführen.

Im Hinblick auf die Dringliche Anfrage wird die Kurzdebatte im Anschluss an die Dringliche Anfrage durchgeführt werden.

*****

Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass Frau Abgeordnete Mag. Lunacek beantragt hat, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag betreffend Unterstützung für den Kärntner Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Reisetätigkeit des Kärntner Landeshauptmannes eine Frist bis zum 19. März 2002 zu setzen.

Die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag wird nach Beendigung der Verhandlungen der heutigen Sitzung vorgenommen werden.


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95. Sitzung / Seite 38

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 4 und 5, 6 bis 8, 12 bis 14 sowie 15 bis 17 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall, daher werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein und teile mit, dass wir Konsens erzielt haben über den Vorschlag, dass für heute eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" festgesetzt werden soll, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten, Grüne 104 Minuten.

Über diesen Vorschlag hat das Hohe Haus zu befinden. Ich frage daher, ob es Gegenmeinungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist es einstimmig so angenommen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (976 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz – FHStG) geändert wird (1013 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Es ist mir eine freiwillige Redezeitbeschränkung von ungefähr 10 Minuten vorgeschlagen worden. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt der Bagdad-Reise-Bericht des Herrn Niederwieser!)

10.16

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Ja, das wäre eine gute Idee, Kollege Westenthaler. (Abg. Ing. Westenthaler: Was haben Sie denn dort gemacht?) Ich würde vorschlagen, dass die Österreichisch-Arabische Gesellschaft, deren Vizepräsident Herr Kollege Schweitzer ist, eine Veranstaltung organisiert. Dort werde ich dann gerne über die Bagdad-Reise, die vor einem Jahr zu einem Wissenschaftskongress stattgefunden hat, berichten, wo auch Herr Kollege Amon und Herr Kollege Schender dabei waren (Abg. Mag. Schweitzer: Sind Sie der Kalif von Bagdad honoris causa?), wo wir es nicht für notwendig befunden haben (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe geglaubt, man fährt nicht nach Bagdad?!), die "Solidarität des österreichischen Volkes" zu übermitteln, wo wir es vermieden haben (Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie den Aziz getroffen?), jemandem wie Saddam Hussein die Hand zu drücken. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit Aziz?)

Also das können wir gerne machen, und da können wir sachlich darüber diskutieren, Kollege Schweitzer (Abg. Mag. Schweitzer: Kalif von Bagdad, hast du den Aziz getroffen?), aber nicht auf eine Art und Weise, die überhaupt nichts mit einer sachlichen Behandlung dieses Themas zu tun hat und nur vertuschen soll, was Ihr Landeshauptmann dort angerichtet hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit dem Aziz? – Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie den Aziz getroffen? – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Lassen Sie mich nun zu dem Thema kommen, das heute auf der Tagesordnung steht, nämlich zum Fachhochschul-Studiengesetz und der Novelle dazu.

Die Erfolgsgeschichte der Fachhochschulen hat 1993 begonnen, und es freut uns ganz besonders, dass nach neun Jahren, in denen die Freiheitlichen mehr oder weniger heftig gegen das Fachhochschul-Studiengesetz argumentiert und geschossen haben, sie sich jetzt auch dieser Erfolgsgeschichte Fachhochschulen anschließen und diese endlich auch begrüßen und mittragen. Das ist schon einmal sehr viel wert.


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95. Sitzung / Seite 39

Vor neun Jahren hat diese Geschichte begonnen, und heute findet im Konsens die Beschlussfassung einer Novelle statt, die eine wichtige Weichenstellung für den Fachhochschulsektor darstellt, nämlich die Einführung des Bachelor und des Master und in der Folge auch die Möglichkeit eines Doktoratstudiums im Bereich der Fachhochschulen, wobei das Doktoratstudium natürlich an der Universität stattfinden wird.

Das österreichische Parlament trägt damit der Bologna-Erklärung Rechnung, die zum Ziel hat, einen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Wir verbessern die Übertrittsmöglichkeiten zwischen Fachhochschulen und Universitäten. Ich möchte aber gleichzeitig festhalten, dass es nicht das Ziel ist, dass das in einer konsekutiven Abfolge geschieht – also Bachelor, Master, Doktorat –, sondern dass es im Sinne lebensbegleitenden Lernens sehr sinnvoll wäre, diese Phasen auch auf später aufzuteilen, das heißt, dass Berufsphasen dazwischen liegen.

Wir haben auch im Ausschuss ausdrücklich festgestellt – es ist für mich sehr erfreulich, dass wir diesbezüglich einen Konsens gefunden haben –, dass diese Novelle nicht zu einer praktisch automatischen Verlängerung des Fachhochschulstudiums führen darf, indem es nämlich dann nicht vier Jahre, sondern generell fünf Jahre dauert, sondern dass der Bachelor der reguläre und der in erster Linie in Anspruch genommene Abschluss ist, der ins Berufsleben führt.

Hohes Haus! Der Hauptzweck dieser Novelle ist es, für unsere Studierenden, unsere Absolventen der Fachhochschulen die Chancen in ganz Europa, aber darüber hinaus auf der ganzen Welt zu verbessern, indem sie Abschlüsse haben, die mit dem vergleichbar sind, was europäischer und internationaler Standard ist. Das, glaube ich, ist etwas, was wir unserer Jugend schuldig sind.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, hinsichtlich dessen kein Konsens zu finden war und wir daher auch getrennte Abstimmung verlangen: die Frage nach der Kompetenz für die Standortfestlegung.

Ich darf in diesem Zusammenhang aus einem Brief zitieren, den der Vorsitzende des Fachhochschulrates, Dr. Claus Raidl – Sie kennen ihn –, an alle Abgeordneten und auch an das Ministerium geschrieben hat.

Dr. Raidl schreibt: Als die für die Qualitätssicherung des österreichischen FH-Angebots zuständige Behörde appelliert der Fachhochschulrat daher eindringlich an den Gesetzgeber, die Standortfrage nicht aller Sachlogik und allen Erfahrungen widersprechend von seiner ihm vom Gesetzgeber übertragenen Aufgabe, eine qualitativ hochstehende Fachhochschulausbildung zu sichern, zu entkoppeln. Fällt die Prüfung der Standortfrage von FH-Studiengängen nicht mehr in die Kompetenz des Fachhochschulrates, so wird es in Zukunft für den FHR nicht mehr möglich sein, den Gesetzesauftrag der Qualitätssicherung und Steigerung im FH-Bereich im erforderlichen Ausmaß zu gewährleisten. – So weit Claus Raidl.

Das sind schon sehr drastische Worte, die Claus Raidl da findet und die ernster genommen werden sollten, als dies die Regierungsparteien tun, dass es nämlich Sinn macht, die Entscheidung darüber, wo ein Standort einer Fachhochschule ist – und da geht es um viele, viele neue Standorte, die jetzt in Diskussion sind –, beim Fachhochschulrat zu belassen. Wir treten dafür ein, dass das dort belassen wird, und wir werden daher diesen Passus der Novelle in einer getrennten Abstimmung auch ablehnen.

Ich darf aber die Gelegenheit der Behandlung des Fachhochschulsystems im Nationalrat dazu nützen, auch einige konkrete Vorschläge und Forderungen der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion zu formulieren.

Es muss der Zugang für jene ohne Matura wieder gestärkt werden. Da haben wir eine rückläufige Tendenz. Es war das Ziel des Fachhochschulsektors, nicht nur für Maturantinnen und Maturanten, sondern auch für Lehrlinge, für Absolventen berufsbildender mittlerer Schulen einen Zugang zu einem sehr praxisorientierten und komprimierten Studium zu schaffen, aber der Anteil dieser Studierenden ist sukzessive rückläufig: von 11 Prozent auf 9 Prozent und jetzt auf 8 Prozent. Das muss Anlass zur Sorge geben, und da möchten wir darauf hinweisen, dass


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95. Sitzung / Seite 40

es verschiedene Instrumente gibt – Schaffung von Vorbereitungslehrgängen und dergleichen –, um das wieder zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir halten es auch für notwendig, die Fachhochschulkonferenz zu verankern. Wir treten dafür ein – die Frau Ministerin hat es in der Fragestunde gesagt –, den Fachhochschulstudien-Entwicklungsplan III rasch in Angriff zu nehmen, und zwar unter Einbeziehung des Parlaments. Das heißt, dass der Entwicklungsplan III nicht, wenn er fertig ist, als Bericht hereinkommt und dann zur Kenntnis zu nehmen ist, sondern dass wir im Vorfeld die Möglichkeit haben, das im Wissenschaftsausschuss auch zu diskutieren und unsere Meinung dazu einzubringen.

Wir treten für eine Konsolidierung der Standorte ein.

Ich erinnere Kollegen Graf daran, dass er über Jahre hinweg – und darin waren sich die Wissenschaftssprecher meistens einig – die A-Wertigkeit der Abschlüsse gefordert hat, und da hätte ich mir schon etwas mehr Tempo erwartet. Da wäre "speed" durchaus sinnvoll gewesen, im Interesse dieser Menschen, aber da vermisse ich "speed".

Weitere Vorschläge betreffen den Ausbau in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Medien und Internationales, weiters die Stärkung der Forschungsagenden im Bereich der Fachhochschulen – allerdings, ohne den Universitäten Mittel dafür wegzunehmen. Letztlich ist der Bundesbeitrag seit 1993 unverändert; auch das muss man sagen. Das ist nur möglich gewesen, weil die Länder, die Gemeinden, die Städte, die Kammern da eingesprungen sind.

Der Fachhochschulsektor ist vom allgemeinen Sparprogramm dieser Bundesregierung bisher weitgehend verschont geblieben. Das ist hier festzuhalten, weil es einfach so ist. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt dieser Gesetzesnovelle mit dieser einen Ausnahme, die ich erwähnt habe, zu. Wir werden aber sehr, sehr genau darauf achten, dass der Sektor Fachhochschulen auch in Zukunft eine Erfolgsgeschichte bleiben wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. – Bitte Geschäftsordnung und Zeitlimit zu beachten.

10.25

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Mein Vorredner, Kollege Niederwieser, hat behauptet, dass sich die Freiheitlichen gegen Fachhochschul-Studiengänge ausgesprochen haben.

Ich berichtige tatsächlich, dass die Freiheitlichen zum Beispiel maßgeblich daran beteiligt waren, dass es in Tirol den ersten Fachhochschul-Studiengang gegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

10.25

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Niederwieser hat sehr viel Richtiges gesagt, und ich kann ihm auch in weiten Teilen zustimmen. Es stimmt: Die Fachhochschulen sind in Österreich eine Erfolgsgeschichte. Ich glaube, mit dieser Gesetzesnovelle versetzen wir die Fachhochschulen auch in die Lage, weiterhin eine Erfolgsgeschichte zu bleiben, weil wir sie zukunftsorientiert und wettbewerbsfit machen, um im tertiären Bildungswesen national und international erfolgreich weiter zu bestehen.

Herr Kollege Niederwieser, zwei, drei Sätze zu Ihren kritischen Äußerungen, die Sie abgegeben haben, die durchaus verständlich sind in ihrer Kritik, aber auch widersprüchlich. Wenn Sie sagen, Sie werden ganz genau darauf achten, dass die Fachhochschulen eine Erfolgsgeschichte bleiben, dann impliziert das auch, dass das Parlament – Sie haben ja das Parlament gemeint – tatsächlich auch noch die Möglichkeit hat, hier entsprechend mitzuwirken. Damit das Parlament eine entsprechende Möglichkeit hat mitzuwirken, muss die Standortfrage bei der


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Frau Bundesminister bleiben, damit wir sie auch künftig zu diesem Punkt befragen, kontrollieren und Ähnliches tun können.

Ist es in einen Rat ausgelagert, in dieser Frage autonom zu entscheiden, haben wir dieses mittelbare Mitwirkungsrecht und die parlamentarischen Rechte nahezu verwirkt, und wir können lediglich im Fachhochschulbericht über diese Frage ein, zwei oder auch drei Jahre später diskutieren. Das muss man der Ehrlichkeit halber anerkennen.

Gerade die Standortfrage, die zugegebenermaßen die heftigsten Kontroversen hervorgerufen hat, ist eine Angelegenheit, die man einer genauen Beurteilung unterziehen soll. Wer soll dafür zuständig sein?

Es gibt natürlich den Rat, der diese Zuständigkeit für sich reklamiert. Man muss auch der Richtigkeit halber sagen, dass der Rat durch diese Gesetzesnovelle keine Nicht zuständigkeit in dieser Frage erhält, sondern wir bereinigen einen bisher rechtsunsicheren Zustand, wer denn wirklich in letzter Konsequenz zuständig ist, eine Rechtslücke, indem wir eine Zuständigkeit festgeschrieben haben. Sie wissen aber ganz genau, dass der Fachhochschulrat Bedarfsprüfungen vornehmen muss, dass er das entsprechende Umfeld überprüfen muss, dass er Wirtschaftlichkeitsrechnungen, gutächtliche Stellungnahmen einholen muss und dann eine Empfehlung abgeben muss. Da ist die Standortfrage in der Empfehlung an den, der zu entscheiden hat, ob ein Standort genehmigt wird oder nicht, natürlich gebunden. Die Frau Bundesminister hat das auch immer gesagt. Es wird eben die Frau Bundesminister oder der jeweilige Bundesminister dahin gehend zu kontrollieren sein, wie sie beziehungsweise er sich an die Empfehlungen des Fachhochschulrates hält.

Es gibt auch den Fall, dass der Fachhochschulrat anders empfiehlt, als letztlich die Entscheidung fällt, weil der Fachhochschulrat – und das ist das, was wir in diesem Zusammenhang monieren – natürlich auch gewisse Interessen vertritt, nämlich das Interesse der Fachhochschulen, und die Zusammenschau in Konkurrenz und Wettbewerbswesen im tertiären Bildungssektor naturgegebenermaßen nicht in dem Maße hat wie jemand, der alle Bereiche des tertiären Bildungssektors, sei es Universität, sei es Fachhochschule, sei es Privatuniversität und Ähnliches, in seiner Gesamtheit zu überprüfen hat.

Es ist ja nicht garantiert, dass sich der Fachhochschulrat nur von objektiven Kriterien leiten lässt, da er Interesse daran hat, oftmals auch in einer Konkurrenzsituation zu anderen tertiären Bildungseinrichtungen zu entscheiden.

Das tertiäre Bildungssystem ist derzeit zur Freude aller sehr im Fluss. So viel wurde kaum jemals diskutiert über den tertiären Bildungssektor hier im Hohen Haus, noch dazu an so prominenter Stelle.

Es ist schon ein Verdienst der neuen Koalition im Verein mit dieser Bundesregierung – aber da nehme ich auch die Opposition mit an Bord –, dass endlich das Thema Bildung, in diesem Fall das tertiäre Bildungswesen, an prominenter Stelle auf der Tagesordnung in diesem Hohen Haus diskutiert wird. Schon allein das ist ein Erfolg an sich. Das muss man auch einmal so werten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als wir das gegen Mitternacht diskutiert haben, und zwar nicht zu unser aller Freude.

Wir werden uns in dem Spannungsfeld, wie sich der tertiäre Bildungssektor in Zukunft entwickelt, natürlich noch zu orientieren haben. Wir brauchen einen Wissenschaftsrat für das gesamte Bildungsspektrum im tertiären Bildungssektor, und wir müssen jetzt auch beobachten, wie sich dieser in den nächsten Jahren entwickeln wird, damit wir dann die behördlichen Funktionen, die beratenden Funktionen auch in einem Rat adaptieren können, zum Teil verändern können, weil es schlichtweg Sinn macht. Wir können jetzt nicht Dinge präjudizieren, was uns dann nachher vielleicht Leid tut.


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Weil Sie gesagt haben, die Freiheitlichen seien dagegen gewesen: Sie wissen, dass wir niemals gegen das Fachhochschulmodell waren. Wir waren gegen den Inhalt, der jetzt aber repariert wird, nämlich dagegen, dass man ganz einfach das Pferd von hinten aufgezäumt hat, dass man letztendlich kein Bakkalaureatsstudium auf Fachhochschulen im Jahre 1993 eingeführt hat, so wie wir es immer gefordert haben.

Es gehört an die Fachhochschulen, dort sollen in kurzer Zeit die besten Köpfe – nicht jeder Student muss gleich Wissenschafter werden – anwendungsorientiert für die Wirtschaft ausgebildet werden. Daher haben wir es sehr bedauert, dass im Jahre 1993 und auch in den Folge-Novellen das Bakkalaureat nicht eingeführt wurde, dass man es zuerst an der Universität eingeführt hat, wenn auch fakultativ.

Jetzt erst ziehen die Fachhochschulen nach und holen nach, was in den vergangenen Jahren leider versäumt wurde. Damit wird garantiert, dass es weiterhin eine Erfolgsgeschichte bleibt, und wir setzen damit eigentlich die Forderung der Freiheitlichen aus 1992/93 um. Das muss auch gesagt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Wort auch zur A-Wertigkeit: In Kärnten gab es diesbezüglich bereits eine klare Aussage. Sie wissen ganz genau, dass dort das Fachhochschulstudium A-wertig ist. Aber Sie dürfen Folgendes nicht vergessen: Das gesamte Besoldungssystem, und zwar auch im öffentlichen Bereich, ist im Fluss. Man geht über zu Bezahlungen gemäß Arbeitsplatzbeschreibungen. Ich glaube, dass es ein falscher Weg wäre, heute, hier und jetzt ein altes Beamtenschema, zum Beispiel betreffend die A-Wertigkeit, in ein modernes Gesetz zu schreiben, da man sich im Beamtenbereich, im Vertragsbedienstetenbereich, im Besoldungsschema schrittweise zu einem moderneren Besoldungssystem hin bewegt. Wir wollen nicht etwas bereits Überkommenes in ein modernes Gesetz schreiben (Beifall bei den Freiheitlichen), sondern wir wollen im tertiären Bildungssystem und auch im Besoldungssystem im öffentlichen Dienst eine Neuordnung herbeiführen, die garantiert, dass die Besten auch bestmöglich bezahlt werden. Wir wollen, dass es auch in diesem Punkt endlich zu einem gerechteren System kommt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

10.33

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich halte, wie alle Vorredner vernehmen können, fest, dass es um ein Produkt geht, einen Sieg, der viele Väter hat. Zugegeben: Es gab eine schöne Entwicklung. Ich erinnere mich auch noch sehr gern und sehr gut daran, dass die wenigsten Zweifler an dieser Idee in den Reihen der ÖVP gesessen sind. Es war Bundesminister Busek, der diese Idee das erste Mal vorgestellt hat und nach und nach Zustimmung von Ihnen und vom Hohen Haus erlangt hat.

Warum sind die Fachhochschulen ein Erfolgsmodell? – Sie sind praxisorientiert, sie sind kompakt, sie sind gut strukturiert und sie bieten im Studienangebot insbesondere jenen Studierenden eine Möglichkeit, zu höherer Bildung zu gelangen, die sich gerne durch Vorstrukturierung leiten und "guiden" lassen. Das ist anders als an der Universität, und das soll auch so sein.

Ein Erfolgskriterium ist sicher das gute Arbeiten des Fachhochschulrates beziehungsweise die Konstitution des Fachhochschulrates. Ich denke auch, dass wir von schlanken und effizienten Strukturen, von Einrichtungen mit Behördencharakter lernen können – das Qualitätsprüfen, Nachfrageprüfen und so weiter –, nicht im Kopieren, sondern durch Schauen und Lernen, was für die Weiterentwicklung der Universität relevant ist. Das ist hier auch schon angesprochen worden.

Meine Damen und Herren! Die Nachfrage nach einem Platz in der Fachhochschule hat sich gut entwickelt. Sie reicht im Verhältnis zum Angebot von 2  :  1 bis zu 12  :  1. Es wäre falsch, jeder Nachfrage nachzukommen, und da erwarte ich mir vom Entwicklungsplan III, dass er Mög


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lichkeiten zur Steuerung und zur Profilbildung gibt, damit nicht bloß der Nachfrage, so wie sie daherkommt, entsprochen wird. Die Weiterentwicklung liegt also sicher auch in diesem Bereich.

Meine Damen und Herren! Zwei wesentliche Punkte, die die Herausforderungen der Zukunft betreffen, sind vom Fachhochschulrat selbst angesprochen worden. Erstens: Wie speziell muss in Zukunft Ausbildung ausschauen, damit die Studierenden für die zukünftige Arbeitswelt vorbereitet werden? Zweitens: Welche neuen Fachhochschul-Studiengänge sollen eingerichtet werden?

Erste Ansätze zeichnen sich im Bereich Technologie, konkret Biotechnologie, ab, zeichnen sich in der Weiterentwicklung des technischen Bereiches ab. Da werden wir der Gesamtentwicklung sehr großes Augenmerk schenken müssen.

Ich vertraue dem Fachhochschulrat, der Kompetenz des Rates und seiner Mitglieder, der Geschäftsstelle, den Experten. Es haben der Fachhochschulrat und sein Team gute Arbeit im Bereich der Evaluierung geleistet. Auch daraus können wir für die Weiterentwicklung der Universität lernen.

Meine Damen und Herren! Mit der Ermöglichung des Bakkalaureatsstudiums in den Fachhochschulen setzen wir einen wichtigen Schritt, einen Meilenstein zu deren weiterer Verbesserung. Es sind nun auch der Übergang zum Doktoratsstudium an einer Universität und die Schnittstelle zum sekundären Bildungswesen besser geregelt. In beide Richtungen gibt es eine präzisere Abgrenzung, eine größere Durchlässigkeit, verstärkte optionale Möglichkeiten für die Studierenden. Mit einem Satz: Das neue Gesetz ist eine Verbesserung durch und durch.

Einen Punkt, der uns, den Parlamentariern, auch aufgegeben worden ist, möchte ich auch noch ansprechen: Wir haben im Studienjahr 2001/2002 etwa 14 500 Studierende an den Fachhochschulen. Das ist eine schöne Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Es sind davon aber nur ein Drittel weibliche Studierende. Daher müssen die Programme "Mädchen in Technik", "Mädchen in Wirtschaft", "Mädchen in moderne Berufe" ausgebaut werden. Das ist nicht nur eine Bringschuld von Seiten der Politik, sondern das ist auch eine Holschuld von Seiten der Elternverbände, der SchülerInnen- und AbsolventInnenverbände. Wir brauchen ein allgemeines Mutmachen für Mädchen, eine Aufklärung dahin gehend, dass sich die Gebiete Technik, Wirtschaft, Medien absolut eignen, von Mädchen als Studienzweig und als moderne Arbeitsfelder für ihren Beruf gewählt zu werden.

Meine Damen und Herren! Die Zukunft der Fachhochschulen ist in diesem Gesetz um ein Stückchen mehr präzisiert, um ein Stückchen genauer abgefasst. Es geht um Konsolidierung, es geht um Präzisierung und um das Erreichen von kritischen Größen.

Nicht in jeder Kleingemeinde wird es einen Fachhochschul-Studiengang geben können, und zwar aus guten Gründen. Es geht auch um die Festlegung und um den Ausbau im Bereich der Forschung. Angewandte Forschung wird das Schlagwort sein; die Frau Bundesministerin hat in der Fragestunde schon darauf Bezug genommen. Es wird nicht um ein Neid- und Konkurrenzverhältnis zur Universität gehen, wie vielerorts befürchtet wird.

Auch da gibt es jetzt schon durch das teilweise gemeinsame Unterrichten, durch das gemeinsame Nutzen von Lehrkräfteressourcen eine gute Kooperationsmöglichkeit zwischen Fachhochschulen und Uni. Da wird es auch einen Ausbau im thematischen Bereich geben und die Ermunterung, die Verpflichtung, dass das FH-Studium ein zukunftsträchtiges Studium ist, und zwar auch für Mädchen, damit – und jetzt zitiere ich den Bericht des Fachhochschulrates – die Fachhochschulen zu erfolgreichen Akteuren in der europäischen Bildungslandschaft werden können.

Ich bitte um Ihre Zustimmung. Vielleicht kann sich auch die SPÖ noch von dem einen Punkt der Enthaltung wegbewegen. Ich freue mich, wenn dieses Gesetz hier auf Unterstützung stößt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.39


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

10.39

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es ist selten genug, dass über Parteigrenzen hinweg hier weitgehende Einigkeit über eine Gesetzesvorlage herrscht. Ich finde das insgesamt sehr positiv, denn je bunter der Bildungssektor für unsere Jugend ist, desto gezielter hat sie die Möglichkeit, gemäß ihren Neigungen und Begabungen aus einer Fülle von Angeboten auszuwählen und auch das Richtige zu treffen.

Es ist zutreffend, dass Fachhochschulen eine gute und zukunftsweisende Investition und Innovation waren, aber trotzdem sollte man da einige Dinge ansprechen.

In diesem Gesetz gibt es im Prinzip keine Probleme zu den drei wesentlichen Punkten: erstens zur Einführung des Bakkalaureates, zweitens zu Fragen der Standortentscheidungen – da ist es vielleicht etwas differenzierter – und drittens zur Frage der Anrechenbarkeit dieser Studiengänge.

Bezüglich des Bakkalaureates war es sinnvoll, die Durchlässigkeit zwischen Universität und Fachhochschulen zu erhöhen. Viele werden mit der Zeit klüger, kommen auf Dinge drauf, die sie vorher nicht gewusst oder geahnt haben, und können so leichter umsteigen und wechseln. Ich finde es des Weiteren auch aus Gründen der Anrechenbarkeit im EU-Raum sinnvoll.

Wenn ich mir anschaue, was man mit den Fachhochschulen einmal bezwecken wollte, nämlich eine strenge berufsspezifische Ausbildung, massiv praxisorientiert, von Überfrachtungen befreit, möglichst viel in kurzer Zeit in einem eher schulischen Lernsystem zu erreichen, dann muss ich sagen: Das alles ist ganz positiv! Aber wenn ich mir anschaue, wie lange die Studiengänge dauern, dann muss ich die Sinnhaftigkeit hinterfragen, denn das Bakkalaureat dauert schon sechs Semester, für das Magisterium kommen zwei bis sogar vier Semester dazu, und ein Diplomstudium dauert auch acht bis zehn Semester. Da frage ich mich, ob wir uns nicht langsam den Kopf darüber zerbrechen sollten, wo da Ähnlichkeiten zum Universitätsstudium sind, wo da Grenzen verschwimmen. Man muss überlegen, was Aufgaben von universitären Studiengängen sind und was Fachhochschulen wirklich vermitteln sollen. Da scheint mir jetzt einiges ein bisschen durcheinander zu kommen.

Man muss sich auch Gedanken machen, wenn die Bundesregierung plant, dass 50 Prozent aller Schulabsolventinnen und Schulabsolventen, die die Matura geschafft haben und tertiäre Bildung konsumieren oder sich aneignen wollen, aus dem Fachhochschulbereich kommen können. (Abg. Dr. Brinek: Das war Gusenbauer!) – Nein, das ist nicht nur von Herrn Gusenbauer so gesagt worden, die Regierung hat ursprünglich von einem Drittel gesprochen, dann von 50 Prozent.

Das mag vielleicht ganz gut sein, ich frage mich aber, ob man dann nicht auch darüber reden muss, ob dieser Ausbau auf Kosten der Universitäten oder zu Lasten der Universitäten gehen wird oder ob das wirklich ein additives Angebot ist, denn sonst wird der Wettbewerb etwas unfair.

Diese Konsenspolitik im Fachhochschulbereich kommt meiner Meinung nach nicht zuletzt deswegen, weil man in der Diskussion mit den Fachhochschulen etwas freundlicher, aufgeschlossener und etwas fairer umgegangen ist als mit den Universitäten. Ich werde das vielleicht in meiner nächsten Rede erläutern können. (Abg. Dr. Brinek: Nein, das kann man nicht sagen!)

In der Argumentation nicht ganz sauber blieb, muss ich sagen – bei all seiner Kompetenz –, der Fachhochschulrat, als über Drop-out-Raten gesprochen wurde. Drop-out-Rate bedeutet: Wie viele Studienabbrecher gibt es in der Fachhochschule, und wie vergleicht man das mit der Universität? Da kommen die Fachhochschulen auf ganz sensationelle Ergebnisse. Es heißt, fast alle, die angefangen haben, kämen da durch, und auf der Uni sei diese Bilanz so katastrophal.


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Schaut man sich das genauer an, dann stellt man fest, dass da schon – ich sage das jetzt in etwas grober Weise – einige Taschenspielertricks angewandt wurden. Zwei Drittel all jener Studentinnen und Studenten, die an Fachhochschulen ihre Ausbildung machen, sind gerade in der Zeit zwischen dem ersten und dem vierten Semester. In dieser Zeit springen auch an den Unis sehr wenige Studierende ab. Wenn man Vergleiche macht, dann sollten sie auch halten und fair sein.

Jetzt komme ich noch zur Standortfrage, bei welcher die SPÖ Kritik angemeldet hat. Ich melde auch Kritik an, sehe das aber etwas weniger eindeutig. Es ist notwendig, dass man Standorte konsolidiert. Ich glaube, es braucht kritische Massen, um wirklich Gutes anzubieten und auch eine Breite an der Fachhochschule zu erzielen, die für Diskussionen und Interdisziplinarität notwendig ist.

Natürlich wird hier interveniert. Jeder Bezirkshauptmann, jede Bezirkshauptfrau möchte so etwas, jede Gemeinde möchte so etwas, viele wollen es auf die grüne Wiese, viele – in Tirol vielleicht –, wenn möglich, sogar noch auf den Gletscher stellen, was aber nicht unbedingt sinnvoll ist. Da sollten Fachfragen entscheiden, wirklich wissenschaftlich begründete Fachfragen, und dafür ist, würde ich meinen, der Fachhochschulrat durchaus geeignet. Andererseits konzediere ich, dass die Politik, die dafür zahlt, die Öffentlichkeit, die dafür zahlt, auch mitsprechen können soll. Dazu braucht die Politik einen Vertrauensvorschuss. Ich möchte ihn ihr geben und werde der Sache zustimmen, obwohl ich in Bezug auf den Bereich Medizin heute nach wie vor sagen muss, dass dieser Vertrauensvorschuss auf das Äußerste, und zwar ernsthaft auf das Äußerste, strapaziert wird.

Über Facheinschlägigkeit und darüber, wie viele Studentinnen und Studenten nach der Fachhochschule ein Doktorat auf der Uni machen sollen, gibt es Zahlen. Es sind weniger als 2 Prozent, trotzdem sollte diesem Wunsch entsprochen werden, und zwar ohne lange Firlefanz zu treiben, meine ich, und auch ohne eine nicht ganz gerechtfertigte Hybris der Universitäten, die meinen, sie müssten da immer noch die Latte viel, viel höher legen, um zu zeigen, um wie viel höher und besser sie sind.

Ich glaube, dass Studierende ohnehin selbst merken, was ihnen fehlt, und dann dauert das Doktoratsstudium automatisch länger, aber das Einziehen von künstlichen Grenzen sollte man meiner Meinung nach nicht überstrapazieren.

Etwas trauriger schaut es aus mit dem geäußerten Wunsch nach Forschung an den Fachhochschulen. Dafür gibt es ein Programm des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Dafür sind 25 Millionen Schilling investiert worden. Es gibt 2,5 Millionen Schilling pro Projekt. Da wird jeder, der sich bei Forschung auskennt, sagen, dass sehr fundierte Forschung mit diesem Geld nicht zu machen ist. Aber nicht einmal diese Mittel wurden ausgeschöpft. Ich glaube, dass da noch mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.

Ich möchte abschließend bitten, dass der Dialog auf diesem Sektor weitergeführt wird und dass der Dialog über die universitäre Reform annähernd jene Sachlichkeit und Fairness gewinnt, die ich bis jetzt vermisst habe. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

10.47

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich ehrlich, dass wir heute über das Fachhochschulwesen einen solch positiven Bericht von den verschiedenen Rednern dieses Hohen Hauses hören konnten.

Das Fachhochschul-Studiengesetz ist im Jahre 1993 beschlossen worden. Ich war damals Landesrätin in Vorarlberg, und wir haben dort ganz entscheidende Impulse gesetzt, damit die Fachhochschul-Diskussion in Gang gekommen ist.


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Da das Land Vorarlberg damals keine Universität hatte, wurde dort das Technikum Vorarlberg gegründet, das in Form eines Kollegs ein erster Versuch einer Fachhochschule war. In intensiven Diskussionen mit dem damaligen Minister Busek und mit Unterstützung von zwei sehr innovationsfreudigen Professoren der Technischen Universität in Graz ist es dann gelungen, das Projekt Fachhochschul-Studiengänge umzusetzen, sie mit einem Fachhochschul-Studiengesetz zu schaffen.

Ich freue mich außerordentlich, dass die Fachhochschulen eine bildungspolitische Erfolgsgeschichte geworden sind, eine Erfolgsgeschichte, auf Grund welcher junge Menschen beste Ausbildung erhalten.

Die heutige Novelle bringt eine Weiterentwicklung zum Bologna-Prozess, bringt eine Weiterentwicklung zur europäischen Ebene, indem jeder Fachhochschul-Studiengang jedes Jahr mit 60 Anrechnungspunkten innerhalb des "European Credit Transfer System" gewertet wird. Es werden damit auch die Fachhochschulen in diesen europäischen Bildungsverbund mit Anrechnungspunkten hineingestellt.

Ich möchte noch zu einigen anderen Bereichen, die meine Vorredner angesprochen haben, Stellung nehmen. Es ist gesagt worden, dass wir die Entscheidung für den Standort dort belassen sollten, wo er ist.

Meine Damen und Herren! Ich muss Ihnen sagen: Er war bisher nirgends! Deswegen hat es auch Verwicklungen gegeben, und deswegen ist dann die letzte Entscheidung immer bei mir verblieben. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Standortentscheidungen zu 99,9 Prozent in Übereinstimmung mit dem Fachhochschulrat geschehen werden.

Herr Kollege Niederwieser hat den Brief des Vorsitzenden des Fachhochschulrates Dr. Claus Raidl verlesen. Herr Kollege! Sie sehen daran, welche unabhängigen Fachleute ich in solche Positionen berufe, Leute, die ungeniert ihre Meinung allen Abgeordneten gegenüber kundtun können. Sie können ganz sicher sein, dass das auch beim Uni-Rat so sein wird.

Ich meine auch, dass die Verankerung der Fachhochschulkonferenz im Gesetz eigentlich das System von gestern wäre. Wir werden in Zukunft auch die Rektorenkonferenz in keinem Gesetz mehr verankert haben. Das sind wichtige Vereinigungen, die uns beraten, die Stellungnahmen abgeben. Ständig neue Gremien in Gesetzen zu verankern, das kann einfach nicht der Weg in die Zukunft sein.

Meine Damen und Herren! Fachhochschulen bieten eine praxisorientierte Berufsausbildung auf wissenschaftlicher Basis. Der Forschungsbereich wird durch ein Förderungsprojekt, das sich "Fachhochschule plus" nennt und das mit 500 Millionen Schilling dotiert wird und insgesamt 800 Millionen Schilling an Investitionen auslösen soll, ausgebaut.

Wir sind froh darüber, dass die Fachhochschulen von den jungen Menschen so gut angenommen werden. Ich danke aber auch Ihnen, dass Sie in dieser wichtigen Bildungsfrage mit der Regierung einen gemeinsamen Weg gehen. Ich werde alles daransetzen, dass wir auch bei den anstehenden Fragen, nämlich bei der Änderung des Schulorganisationsgesetzes und beim neuen Universitäts-Studiengesetz, diesen gemeinsamen Weg mit allen Parteien dieses Hauses fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

10.51

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ohne meine Vorrednerinnen und Vorrednern wiederholen zu wollen, möchte ich nur kurz erwähnen, dass die vorliegende Novelle zum Fachhochschul-Studiengesetz zwei Dinge neu regelt, nämlich erstens das dreistufige Studiensystem mit Bachelor, Master und Doktorat im Sinne der Bologna-Dekla


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ration 1999, in der sich mehr als dreißig europäische Staaten zur Schaffung eines europäischen Hochschulraumes bekannt haben, und zweitens die gegenseitige Anrechnung von Studienleistungen. Das ist das wirklich Neue, das diese vorliegende Novelle aufzuweisen hat.

Bezüglich dessen, was zum Fachhochschul-Sektor insgesamt zu sagen ist, möchte ich mich dem anschließen, was schon gesagt worden ist, nämlich dass die Entwicklung der Fachhochschulen sehr erfreulich ist. Es gibt inzwischen, in der kurzen Zeit, seit es Fachhochschulen gibt, bereits insgesamt über 100 Fachhochschul-Studiengänge und insgesamt über 15 000 Studierende.

Das, was man kritisch anmerken muss, betrifft die Vorbildung, nämlich dass es nach wie vor nicht gelungen ist – so wie bei den Universitäten im Übrigen auch –, den Umstand zu verändern, dass ein Großteil der Studienanfänger, nämlich knapp 92 Prozent, über einem AHS- oder einen BHS-Abschluss und nur zirka 8 Prozent über einen dritten Weg, das heißt über einen Lehrabschluss oder eine Studienberechtigungsprüfung, an eine Fachhochschule kommen. Also das, was man sich vorgestellt hat, nämlich verstärkt Personen, die in der Berufsausbildung stehen, oder Personen, die schon in einem Beruf stehen, den Zugang zu einer Fachhochschule zu ermöglichen, ist leider nicht gelungen.

Wo die Fachhochschulen auch noch gegenüber den Universitäten nachhinken, das ist der Anteil der weiblichen Studierenden. Nur rund ein Drittel der Studierenden sind Frauen, was wahrscheinlich stark mit den technischen Studienrichtungen oder mit dem Großteil des Angebotes an technischen Studienrichtungen zusammenhängt.

Was man auch noch kritisch vermerken kann, das ist, dass auf einen neu aufgenommenen Fachhochschüler – zumindest nach dem Fachhochschulbericht 2000 – 2,73 Bewerbungen kommen. Das ist de facto ein Numerus clausus, es gibt nämlich Aufnahmsprüfungen. Die Fachhochschulen suchen sich ihre Leute aus. Ich will hoffen, dass es die Besten sind und nicht die sozial Stärksten, die da zum Zug kommen.

Nun auch eine kritische Anmerkung zur Frage der Studiengebühren: Die Studiengebühren an den Fachhochschulen werden differenziert gehandhabt. Es gibt Länder, wie zum Beispiel Kärnten, Oberösterreich und das Burgenland, wo es keine Studiengebühren gibt, andere Bundesländer heben Studiengebühren ein. An dieser Stelle möchte ich nachdrücklich jene Fachhochschulen, die keine Studiengebühren einheben und trotzdem das finanzielle Auslangen und die budgetäre Bedeckung finden, loben. Ganz besonders loben möchte ich die Fachhochschule Kärnten, wo der Vorsitzende oder der wesentliche Motor Herr Dr. Haselsteiner ist, der aus der Wirtschaft kommt und auf Studiengebühren verzichten konnte.

Gegen die Einhebung der Studiengebühren – die im Übrigen gegen Ihre eigene Überzeugung, Frau Ministerin, stattgefunden hat – kann man durchaus Kritik anmelden, da sie mittlerweile zu einem drastischen Rückgang der Zahl der Studierenden an den Universitäten, und zwar im Ausmaß von 20 Prozent, geführt hat. Das ist nicht nur bei den bereits Studierenden der Fall, sondern auch bei den Erstsemestrigen. Insgesamt haben sich 14 Prozent weniger junge Menschen entschlossen, ein Studium zu beginnen. Sie haben sich offensichtlich von den Studiengebühren abschrecken lassen.

Was positiv zu werten ist, das ist der Umstand, dass der Bund rund 1,1 Milliarden Schilling für die Fachhochschulen aufwendet. Das ist sehr günstig: Bei insgesamt 15 000 Studierenden kommt man auf rund 70 000 S pro Studierenden. Das ist ein sehr günstiger Schlüssel. Das beweist, dass die Entwicklung im Bereich der Fachhochschulen eine richtige war.

Was die Strukturfragen und die Frage der Standorte und der Konsolidierung der Standorte betrifft, gebe ich Ihnen völlig Recht, Frau Bundesministerin, im Gegensatz zum Vorsitzenden des Fachhochschulrates, Herrn Raidl, der im Ausschuss, offensichtlich durch seine starke Beschäftigung in der Wirtschaft ein bisschen – ich sage das jetzt unter Anführungszeichen – "deformiert", von Strukturbereinigung und kritischen Größen bei Labors und so weiter geredet hat.


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Ich glaube – und da bin ich Ihrer Meinung, Frau Ministerin –, dass ein ganz wesentlicher Impuls zur Schaffung von Fachhochschulen aus den Regionen gekommen ist. Nicht nur bei Ihnen in Vorarlberg, sondern auch bei uns in Kärnten und in anderen Bundesländern war es so, dass es gelungen ist, ganz wesentliche, vitale Interessen in den Regionen zu mobilisieren. Das war ein ausgesprochen demokratischer Vorgang. Deshalb und auf Grund des Tragens in den Regionen hat die Verhaftung und die Stärkung der Fachhochschulen eine derart positive Entwicklung genommen. Es kann also insgesamt eine durchaus erfreuliche Entwicklung konstatiert werden.

Herr Abgeordneter Graf hat hier die Vaterschaft für die Gründung der Fachhochschulen im Jahr 1993 urgiert. Dazu darf ich sagen: Die Väter sind nicht immer sicher, aber die Mütter sind es, und da muss man, glaube ich, festhalten, dass die Mutterschaft für die Fachhochschulen, für die konzeptive Entwicklung der Fachhochschulen ganz sicher die Beamten des Ministeriums und die damaligen Ressortchefs für sich in Anspruch nehmen können. Auch Sie, Frau Ministerin, haben sicher einen Beitrag dazu geleistet und natürlich auch jene Menschen, die in den Regionen positiv bestrebt waren, zur Entwicklung der Fachhochschulen das ihre zu leisten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hetzl. Er hat das Wort.

10.57

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss schreiben wir ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte der Fachhochschulen. Das ist natürlich nicht das Ende dieser Geschichte, sondern es wird auch weiterhin dringenden Bedarf in der Gesetzgebung geben. Wenn wir eine Verbindung zwischen Fachhochschulen und Universitäten herstellen – auf der einen Seite die praxisorientierte Ausbildung auf höchstem Niveau und auf der anderen Seite die wissenschaftliche Orientierung, die sehr hohen Ansprüchen gerecht wird –, so kann man sagen: Bei den Fachhochschulen ist ständige Reformarbeit notwendig, an den Universitäten ist jetzt nur mehr mit einem so genannten Kraftakt eine Reform möglich. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Es ist auch seitens des Ministeriums ständige Vorausschau notwendig, wenn es darum geht, neue Studiengänge einzurichten. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Aussage des Vorsitzenden des Fachhochschulrates, Herrn Dr. Raidl, der das Problem der Einrichtung von Studiengängen im Ausschuss auf den Punkt gebracht hat, als er gesagt hat: Wenn man bei jenen Studiengängen, die heute neu eingeführt werden, zwei Jahre Vorlaufzeit und dann vier Jahre Studiendauer einrechnet, so kann man erst in sechs Jahren damit rechnen, dass Absolventen hervorgebracht werden.

Die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Zusammenhang abzuschätzen, ist das Gebot der Stunde für alle Beteiligten. Es kommt nicht von ungefähr, dass den Fachhochschulen im wahrsten Sinne des Wortes die Türen eingerannt werden. Es stehen noch immer zu wenige Studiengänge zur Verfügung, aber auf diesem Gebiet wird sich in den nächsten Jahren noch sehr viel tun, da ist noch sehr viel Bewegung und Dynamik drinnen.

Die Fachhochschulen sind ein klassischer Fall dafür, wie gut Marktkräfte funktionieren. Der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage ist gerade in diesem Bereich sehr gut erkennbar. Nicht im Entferntesten würde sich jemand darüber beschweren, dass Fachhochschulabsolventen gut bezahlt werden, gute Aufstiegschancen haben, beste Startpositionen vorfinden und für die Wirtschaft ganz besonders interessant sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mein Vorredner, Kollege Posch, hat ein Problem angesprochen, natürlich auch wir an dessen Lösung interessiert sind, nämlich den Anteil der Nicht-Maturantinnen und -Maturanten, die Fachhochschul-Studiengänge absolvieren möchten. Es hat da einen leichten Rückzug der Fachhochschulen gegeben, nachdem diese gesehen haben, dass die Drop-out-Raten bei dieser Gruppe relativ hoch sind. – Selbstverständlich muss man auch diesen Standpunkt der Fach


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hochschulen verstehen, aber wir haben natürlich größtes Interesse daran, auch den Prozentanteil der Nicht-Maturanten im Fachhochschulbereich zu erhöhen, und es stellt eine interessante Herausforderung dar, diesbezüglich ein funktionierendes Modell zu finden.

Die Wirtschaft ist natürlich erfreut über die Einführung des Bakkalaureats und bestimmt letztendlich damit auch Trends im Lehrangebot mit, was ich auch für sehr wünschenswert halte, um nämlich den Absolventen entsprechende Chancen in der Arbeitswelt, auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. – Sinnvoll wäre es, auch Forschung und Lehre der Universitäten stärker mit der Wirtschaft zu kombinieren und zu vernetzen.

In diesem Zusammenhang – die Universitäten wurden ja bereits angesprochen – möchte ich noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (976 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz – FHStG) geändert wird (1013 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

In Z. 5 des Berichtes (§ 5 Abs. 2, 3, 3a und 5) erhält in Abs. 3a der erste Satz folgende Fassung:

"Die jeweils in Betracht kommenden Doktoratsstudien und die erforderlichen ergänzenden Lehrveranstaltungen und Prüfungen werden vom Fachhochschulrat im Einvernehmen mit dem zuständigen Organ der jeweiligen Universität durch Verordnung festgelegt."

*****

Das ist eine Änderung, bei der – im Gegensatz zur früheren Diktion – das Einvernehmen mit der Gesamt-Studienkommission der betreffenden Studienrichtung ersetzt wird durch: das "zuständige Organ", welches in Zukunft dann seitens der einzelnen Universitäten gegeben sein wird.

Meine Damen und Herren! Ich meine, wir werden diese Erfolgsgeschichte in Bezug auf Fachhochschulen weiterschreiben. Und wir sind jedenfalls froh, dass die Fachhochschulen einen bedeutenden Platz im österreichischen Bildungssystem haben, freuen uns über diese Entwicklung und werden diese daher auch weiterhin vorantreiben beziehungsweise unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

11.03

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Gerade die heutige Diskussion beziehungsweise auch die Diskussion der vergangenen Wochen hat gezeigt beziehungsweise zeigt, wie wichtig dieser Bundesregierung der Bereich Bildung ist, wie wichtig vor allem dieser Bundesregierung Qualität auch in diesem Bereich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Mit der heutigen Fachhochschul-Studiengesetz-Novelle setzen wir einen entscheidenden Schritt in Richtung Modernisierung unserer Bildungslandschaft und kommen auch unserem Ziel näher, die Fachhochschulen den Herausforderungen des europäischen Hochschulraumes anzupassen.

Als Niederösterreicherin bin ich stolz darauf, dass wir in unserem Bundesland nicht nur die erste, sondern auch die größte Fachhochschule haben. Es ist auch eine Ehre, dass wir in Wiener Neustadt sozusagen die erste mit der verliehenen Bezeichnung "Fachhochschule" haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade die Fachhochschule Wiener Neustadt, die diese Bezeichnung als erste bekam, war ja immer schon Pionier im Bereich des Fachhochschulwesens – und wird auch weiterhin treibende Kraft sein. Daher möchte ich auch hier diese Gelegenheit dazu nutzen, ein Danke vor allem Herrn Professor Mag. Werner Jungwirth zu sagen, der diesbezüglich ja eine der treibenden Kräfte in der Vergangenheit war – und sicherlich auch in Zukunft sein wird. (Beifall bei der ÖVP.) – Es kommt ja nicht von ungefähr, dass der Wiener Neustädter Professor Jungwirth auch Vorsitzender der Fachhochschulkonferenz ist, worauf wir Niederösterreicher besonders stolz sind. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

In Niederösterreich können wir derzeit 13 Fachhochschul-Studiengänge anbieten; ab Herbst weitere drei Lehrgänge. Auch die Zahl der Studierenden kann sich sehen lassen: Derzeit haben wir in Niederösterreich 2 800 Studierende an Fachhochschulen und rechnen damit, dass wir bis zum Jahre 2005 4 000 Studierende in Niederösterreich haben werden.

Mit der Novelle des Fachhochschul-Studiengesetzes und der Einführung des Bakkalaureats setzen wir einen entscheidenden Schritt in Bezug auf die Teilnahme Österreichs am europäischen Hochschulraum und ebenso einen entscheidenden Akzent für die Wirtschaft. Gerade das Fachhochschulwesen hat in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass ganz besonders auf die Bedürfnisse der Wirtschaft eingegangen wird. Und es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass die Absolventen von Fachhochschulen von der Wirtschaft sehr gerne aufgenommen werden, sodass eben diesen Absolventen ein nahtloser Übergang vom Studium in die Wirtschaft möglich ist.

Gerade mit der Einführung des verpflichtenden Berufspraktikums als zentralem Element der Fachhochschulstudien gehen wir einmal mehr auf Bedürfnisse und Wünsche der Wirtschaft ein.

Mit all diesen Änderungen, die ja heute bereits mehrmals genannt wurden, folgen wir dem europäischen Weg, einem Weg, bei dem wohl allen hier bewusst ist, dass hiemit die Absolventen von Fachhochschulen auch für den europäischen Markt fit gemacht werden.

Für nicht unwichtig halte ich es auch, hier noch auf eine Neuerung einzugehen, nämlich auf die Einführung des ECTS, des European Credit Transfer Systems, wird es doch gerade durch diese Maßnahme möglich, Studienabläufe transparenter zu machen – und somit auch international vergleichbarer.

Dies scheint mir ein ganz entscheidender Schritt zu sein, eine entscheidende Verbesserung für unsere Studentinnen und Studenten, denn letztendlich haben sie mit dieser Verbesserung die Möglichkeit, sich ihre Studienleistungen an mehr als einer Hochschule anrechnen lassen zu können, das heißt, sie können ihre "Bausteine", ihre "Module" sozusagen in eine andere passende Fachhochschule mitnehmen und dort ohne Zeitverlust weitermachen und so das Studium fortsetzen. – Das, wie gesagt, scheint mir ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Flexibilität für unsere Studentinnen und Studenten zu sein.

Jede dieser Maßnahmen stellt eine wichtige Investition in Österreichs Jugend dar, und jede Investition in unsere Jugend ist eine Investition in unsere Zukunft. Setzen wir daher diesen erfolgreichen Weg, der mit dieser Novelle des Fachhochschul-Studiengesetzes weitergegangen


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wird, fort, damit diese Erfolgsstory eben auch in Zukunft eine solche ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte.

11.08

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Selbstverständlich stimme ich auch in den Chor der positiven Äußerungen insgesamt zum Fachhochschul-Studiengesetz mit ein, aber diese Änderung ist nicht wirklich etwas Gravierendes – und sie ist ohnedies im Konsenswege erzielt worden. Aber selbstverständlich bringt diese Novelle gewisse Verbesserungen mit sich.

In diesem allgemeinen Chor der Laudatien über diese positive Entwicklung darf aber doch auch einiges an Kritik angemerkt werden. Gesagt wurde hier beispielsweise, dass sich seit der Errichtung dieser Fachhochschul-Studiengänge die Novellierungen in Grenzen gehalten haben, und so weiter. – Bei all dem, was ich heute gehört habe, möchte ich schon sagen: Die erste Novellierung des Fachhochschul-Studiengesetzes gab es 1999, die zweite kam dann bereits 2002 – und da beschleicht mich schon die Sorge, dass deswegen, weil es dabei um einen erfolgreichen Studiengang geht, gewisse Begehrlichkeiten überhand nehmen, mehr und mehr gerade in einen erfolgreichen Studiengang einzugreifen.

Es wurde ja heute bereits mehrmals betont, wie wichtig diese Fachhochschul-Studiengänge für die Wirtschaft sind. Im Hinblick darauf bedauere ich es jedoch – und da bin ich voll der Meinung der Abgeordneten Niederwieser und Posch –, dass die Zugangsvoraussetzungen immer mehr erschwert werden, war doch die Idee des "Erfinders" eine völlig andere. Derzeit ist es doch so, dass es fast ausschließlich jenen, die die Universitätsreife haben, möglich ist, Fachhochschul-Studiengänge zu absolvieren – und es wird immer schwieriger, einen derartigen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Dass das immer schwieriger wird, stellt doch geradezu einen Beweis für unser derzeitiges Bildungssystem dar: Auf der einen Seite wurde/wird all jenen jungen Menschen, die sich für einen Beruf ausbilden lassen wollen, gesagt: Weg von der universitären Ausbildung; die Universität ist für höhere Ziele, nämlich für Wissenschaft und Forschung da!

Dann wurde eine zweite Schiene geschaffen, nämlich jene mit den Fachhochschulen, bei denen es darum geht, höhere berufliche Qualifikationen zu erwerben – jedoch gibt es da viel zu wenig Studienlehrgänge, viel zu wenig Ausbildungsplätze. Was ist die Folge? – Die Qualität in Bezug auf die berufliche Ausbildung junger Menschen erleidet Einbußen. Weitere Folge: weniger Qualität im industriellen Markt Österreichs – und insgesamt weniger Qualität im Bereich der Wirtschaft.

Frau Bundesministerin! In der heutigen Fragestunde haben wir ja bereits gehört, dass, so Veröffentlichungen in "NEWS", nicht nur die weniger Gebildeten, nicht nur Pflichtschulabgänger geringere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben, sondern bereits auch Universitäts- und Fachhochschul-Absolventen. Das muss doch für uns alle Alarmstufe eins bedeuten!

Deshalb: Da muss es ein klares Entwicklungskonzept geben – und ein solches fordere ich von unserem Bildungsministerium ein! Wie wird dieses aussehen? In welche Richtung müssen die Universitäten, müssen die Fachhochschulen gehen, welche Weiterentwicklung soll es da geben, sodass es eben jungen Menschen in Hinkunft erspart bleibt, sozusagen auf dem Arbeitslosenmarkt zu landen?

Frau Bundesministerin! Ihre Aussage heute in der Fragestunde, dass sich Jus-Studenten durch mehr Sprachkenntnisse qualifizieren sollten, ist mir in Bezug auf ein Entwicklungskonzept sowohl hinsichtlich universitärer als auch der Ausbildung in Fachhochschulen viel zu wenig.


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Heute konnten wir ja hier bereits hören, dass viel zu wenig der Industrie entsprechend ausgebildet wird und dass die Gefahr besteht, alles noch mehr zu verbürokratisieren, alles zu normen – und wir dann vielleicht in zehn Jahren feststellen müssen, dass die Fachhochschulen eine Entwicklung genommen haben, die an der Technik leider vorbeiging.

Die Aussagen des gestern hier neu vorgestellten Ministers für Infrastruktur Reichhold begrüße ich insofern, als dieser hier im Nationalrat gesagt hat, dass die Mittel für Forschung und Entwicklung erhöht werden müssen und dass er sich bemühen werde, diese Budgetmittel wieder auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu bringen. Das ist aber bitte das Eingeständnis, dass das angestrebte Nulldefizit auch da nicht unbedingt Gutes zur Folge hatte. Bundesminister Reichhold hat weiters betont, dass Teilbereiche in Wissenschaft und Forschung zusammenzuführen sind.

Frau Bundesministerin! Ich ersuche Sie hiemit, sofort und ehest möglich mit Ihrem Regierungskollegen diese Wissenschafts- und Forschungsbereiche zusammenzuführen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Grollitsch. )

Was den Fachhochschulrat anlangt, so haben wir in einem sehr gut strukturierten und klaren Bericht erfahren, dass Ausbildungsgänge möglichst zu konzentrieren sind, um für den Bereich Wissenschaft und Forschung gute Voraussetzungen zu schaffen. – Auch ich teile diese Meinung voll.

Meine Damen und Herren! Es ist auch im Sinne des "Erfinders" der Fachhochschulen gewesen, Fachhochschul-Studiengänge nicht nur – wie das etwa bei den Universitäten der Fall ist – an zentralen Orten anzubieten, sondern auch an vielleicht etwas "dislozierten" Plätzen; einer der Kollegen sagte: "am flachen Land, in der weiten Ebene".

Frau Bundesministerin, genau darum ersuche ich Sie auch! – Frau Abgeordnete Mikl-Leitner, die ja in Niederösterreich ein diesbezügliches Aufgabengebiet hat, hat ja eigentlich auch diese Forderung gestellt, zwar nicht so direkt, aber das war doch herauszuhören. – Dazu, Frau Abgeordnete, möchte ich Ihnen schon noch sagen: Denken Sie doch auch einmal daran, warum es nicht in Niederösterreich nördlich der Donau einen Fachhochschul-Studienlehrgang gibt! Gibt es denn dort keine Wirtschaftszweige?! Warum können in Niederösterreich nördlich der Donau keine jungen Menschen in einer Fachhochschule ausgebildet werden, weil es eben eine solche dort nicht gibt?

Schlussendlich kann aber gesagt werden, dass hiemit ein gutes Ergebnis für die Fachhochschul-Studienlehrgänge erzielt werden kann. – In Bezug auf Evaluationsergebnisse, die bis jetzt nicht veröffentlicht wurden, wäre es höchst an der Zeit, diese bekannt zu machen.

Abschließend: Gehen wir es an, für unsere jungen Menschen erleichterte Zugänge zu dieser Ausbildungseinrichtung zu schaffen! (Beifall bei der SPÖ.)

11.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

11.15

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es ja in der vergangenen Stunde hier gehört: Die Geschichte der Fachhochschulen ist eine Erfolgsgeschichte; der Bedarf der Wirtschaft an deren Absolventen ist gegeben.

Diese Novelle des Fachhochschul-Studiengesetzes macht Sinn, auch aus Gründen des internationalen Kontextes, Stichwort: Bakkalaureat, ECTS – und macht auch Sinn, weil wir ja jetzt Erfahrungen mit dieser neuen Bildungsinstitution haben.

Laut Fachhochschul-Entwicklungsplan des Bundes sollen bereits in den Jahren 2004/2005 21 000 Studienplätze zur Verfügung stehen; im Jahre 2010 soll bereits jeder dritte Studierende


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an einer Fachhochschule studieren. Deshalb wird es wichtig und wird der Fachhochschulrat gefordert sein, bereits jetzt den Bedarf der Wirtschaft an diesen Studiengängen zu antizipieren.

Für wichtig erachte ich es auch – das wurde bereits kurz angesprochen –, hier festzuhalten, dass 92 Prozent der Studierenden an Fachhochschulen einen AHS- oder BHS-Abschluss und nur 3 Prozent – Herr Kollege Niederwieser, diesbezüglich muss ich Sie korrigieren – ein Lehrabschlusszeugnis als Voraussetzung haben. Das gehört auch hinterfragt, aber dazu muss man schon sagen, dass es da eben sehr strenge Aufnahmekriterien gibt.

Nur für eine bestimmte Anzahl von Studierenden gibt es die Möglichkeit, einen Fachhochschul-Studienplatz zu bekommen. Es ist Aufgabe – auch des Fachhochschulrates – zu hinterfragen, warum nur 3 Prozent der Studierenden dort über ein Lehrabschlusszeugnis verfügen. Sind vielleicht die Aufnahmsprüfungen zu schwer? Sind die Aufnahmekriterien nicht richtig festgelegt? – Meiner Ansicht nach stellt jedenfalls die Fachhochschule, was ihre Praxisorientierung anlangt, eine Fortführung des dualen Ausbildungssystems dar. Wenn nur 3 Prozent der Studierenden an Fachhochschulen einen Lehrabschluss haben, so muss man schon sagen, dass da etwas in die falsche Richtung gehen dürfte. Die Gründe hiefür sind jedenfalls zu hinterfragen.

Zu hinterfragen ist auch – das sage ich hier ganz klar als Frau –, wieso es nur weniger als ein Drittel Frauen sind, die an Fachhochschulen studieren.

Für die Zukunft halte ich drei Fragenkreise für besonders wichtig: die Standortfrage, die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit und die der Studierenden-Vertretung. Meiner Überzeugung nach kann es in Bezug auf die Standortfrage nur heißen: Konzentration von Fachhochschul-Studienorten; aber da tu ich mir als Wienerin halt leicht. Dennoch: Es kann nicht jede Kleinstgemeinde, die früher ein Schwimmbad oder einen Tennisplatz wollte, jetzt eine eigene Fachhochschule haben. Das ist nicht im Sinne dieser Institution, auch nicht im Sinne der Studierenden, denn diese brauchen eben eine Infrastruktur: Studentenheime, Bibliotheken, ein wissenschaftlich anregendes Umfeld, et cetera.

Für wichtig halte ich für den gesamten tertiären Bildungssektor die volle steuerliche Absetzbarkeit für Zuwendungen an Universitäten, an Fachhochschulen – egal, ob es da um Zuwendungen von Privaten oder von Unternehmen, um zweckgebundene oder nicht zweckgebundene geht. In diesem Zusammenhang ist es mir auch wichtig, dass Anreize für private Träger von Fachhochschulen geschaffen werden.

Außerdem – da, Frau Bundesministerin, gehe ich nicht konform mit Ihnen – halte ich es für wichtig, statt der ÖH in der derzeitigen Form eben an Unis, an Privat-Unis, an öffentlichen Unis und an Fachhochschulen, eine starke Studierendenvertretung vor Ort zu etablieren – eben statt einer zentralistischen ÖH. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Geschichte der Fachhochschulen ist eine Erfolgsgeschichte in der Vergangenheit gewesen, wird eine Erfolgsgeschichte in der Zukunft sein – und wir sind dazu aufgefordert, die entsprechenden Weichen zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

11.20

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir beschließen heute, und zwar im Konsens, einen weiteren Schritt in der Entwicklung des Fachhochschulwesens. Ich möchte der Frau Bundesminister und ihren Mitarbeitern zum einen dafür danken, dass sie es war, die diese Fachhochschulen in Österreich endlich eingeführt hat, und zum anderen für die konsequente und stringente Entwicklung des gesamten Wissenschaftsbereichs, die sie mit so großer Konsequenz und Umsicht fortsetzt und weiterführt. – Frau Minister, herzlichen Dank!


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Ich möchte heute ganz besonders auf einen Punkt eingehen, der auch in der Diskussion im Ausschuss zum Ausdruck gekommen ist, nämlich auf die Situation der Frauen im tertiären Bildungsbereich, insbesondere in den technischen Studienrichtungen und auch in den technischen Fachhochschulrichtungen.

Wir wissen alle, wie weit die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen in Österreich noch immer auseinander klafft, nämlich um in etwa 30 Prozent. Hier haben 30 Jahre sozialistische Frauenpolitik zu meinem tiefsten Bedauern nichts oder nur sehr wenig gebracht. Mehr als die Hälfte dieser 30 Prozent sind auf den Berufseinstieg zurückzuführen, also nicht etwa darauf, dass man Kindererziehungspflichten hat, nein, sondern auf den Berufseinstieg, auf die Wahl des falschen Berufes durch Mädchen und Frauen gleich zu Beginn des Berufslebens. (Abg. Mag. Prammer: Da haben Sie aber nicht die Studie gelesen!) Genau deswegen ist es so besonders wichtig, dass Frauen in Zukunft verstärkt in technische, technologische Berufe gehen, denn das sind die Bereiche, in denen im Durchschnitt wesentlich mehr zu verdienen ist.

Wir sehen, dass auch im Fachhochschulbereich der Erfolg noch nicht ganz gelungen ist. Ich danke aber auch der Frau Bundesminister dafür, dass sehr viele verschiedene Programme ganz massiv und verstärkt zur Heranführung von Frauen an diese technischen Bereiche entwickelt und weitergeführt wurden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Ich erwähne an dieser Stelle die Aktion "MiT – Mädchen/Frauen in die Technik".

Ganz besonders wichtig scheint mir aber genau jener Bereich zu sein, wo Lehrer, zum Beispiel Mathematiklehrer, verstärkt ausgebildet werden in der Art und Weise, wie man Mädchen die Mathematik näher bringt, nämlich so, dass sie sie mögen. Da gibt es nämlich gravierende Unterschiede. Es sind mehr sprachliche Beispiele, Verständnisbeispiele notwendig, keine rein auf Zahlen basierende Mathematik. Und genau auf diese Fortbildungsmodelle, die es jetzt für Lehrer in den technischen, naturwissenschaftlichen Fächern gibt, wo es spezifisch darum geht, wie man Frauen für diese Bereiche interessieren kann, müssen wir unser besonderes Augenmerk richten.

Wenn in der heutigen Diskussion gesagt wurde, dass so wenige mit Lehrabschluss in den Fachhochschulen zu finden sind, so ist das richtig. Ich möchte nur eine meiner Beobachtungen hier auch noch zum Besten geben. Ich habe in Innsbruck sehr viele Leute getroffen, die jetzt einen Fachhochschul-Studiengang besuchen und die unmittelbar vorher die Abendmatura gemacht haben. Sie verfügten vorher über einen Lehrabschluss, machten dann die Abendmatura und kamen bei der Gelegenheit darauf, dass sie geeignet dafür sind, weiter zu lernen, dass es sie interessiert, fortzusetzen. Und sie haben mir im persönlichen Gespräch bestätigt, dass ihnen die Fachhochschule das viel eher als die Universität ermöglicht. Die Fachhochschule ist auch aus diesem Grund ein ganz, ganz wesentlicher alternativer Ausbildungszweig im tertiären Bildungsbereich. Die Leute verfügen zwar über eine Matura, aber einen noch größeren Schritt hätten sie vielleicht nicht getan.

Was die Standortfrage betrifft, möchte ich kurz auf eines eingehen: Ich glaube, es ist richtig, dass jetzt eine Konsolidierung der Standorte erfolgt. Die Geschichte der Fachhochschulen ist so jung, die Entwicklung geht so schnell und so rasant voran, dass man den gegründeten Fachhochschulen jetzt auch einmal eine Verschnaufpause geben muss, damit die Expansion in Ruhe fortgesetzt wird und neue, zusätzliche Standorte das gesamte Management nicht immer wieder neu aufziehen müssen.

Ich glaube aber sehr wohl, dass mittel- bis langfristig die Entwicklung doch wieder so sein muss, dass man da und dort, auch im Sinne einer regionalen Stärkung verschiedener Regionen, neue Standorte eröffnen wird. Um die Fachhochschulen herum entwickeln sich auch viele neue kleine Wirtschaftsbetriebe, gerade im Informationstechnologiebereich, wo die Schüler bereits als Teilzeitarbeitskräfte herangezogen werden. Das ist auch für eine regionale Entwicklung wichtig, aber ich glaube, das braucht Zeit und wird erst mittelfristig wieder sinnvoll sein. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.25


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

11.26

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Vorredner meiner Fraktion haben schon festgehalten, dass wir dieser vorliegenden Novelle des Fachhochschul-Studiengesetzes unsere Zustimmung geben werden, zwar in getrennter Abstimmung, aber wir werden zustimmen.

Wir stimmen zu, weil diese angesprochene Novelle ein guter Beitrag zur Entwicklung des europäischen Hochschulraumes ist und weil es im Sinne der Bologna-Deklaration zu einer sinnvollen und verantwortungsbewussten Harmonisierung akademischer Studienabschlüsse kommt – auch für Fachhochschulabsolventen – und weil die Möglichkeit der gegenseitigen Anrechnung und Anerkennung von Studienleistungen auch für Fachhochschul-Studiengänge geschaffen wird.

Das heißt, in Hinkunft sind flexible Durchlässigkeiten im tertiären Bereich innerhalb der Universitäten und der Fachhochschulen möglich, nicht nur in Österreich, sondern darüber hinaus im gemeinsamen Europa.

Dennoch darf ich sagen, dass mir die Debatte im Ausschuss, aber auch hier im Plenum zu wenig weitgehend erscheint. Wir sollen und dürfen nicht übersehen, dass in wenigen Jahren Absolventinnen und Absolventen der künftigen Hochschulen für pädagogische Berufe ihre akademischen Abschlüsse erhalten werden, und ich meine, es wäre gut und sinnvoll, auch Lehrende beziehungsweise deren Vertreter in diese Debatte einzubinden und sie mit zu informieren und sie mit beraten zu lassen.

Lassen Sie mich aber, weil es zum Thema passt und weil es ein Weg ist, den ich auch selbst gegangen bin, noch auf die heute sehr triste und unerfreuliche Situation der berufstätigen Studierenden hinweisen, sowohl im Fachhochschulbereich als auch im universitären Bereich.

Für uns Sozialdemokraten ist ein Studium, das neben einer beruflichen Tätigkeit absolviert wird, eine ganz besondere Facette des lebensbegleitenden und lebenslangen Lernens; eine persönliche Leistung vieler auf hohem Niveau, die auch eine entsprechende Anerkennung verdient. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung mit Nachdruck auf die Notwendigkeit des lebensbegleitenden Lernens hingewiesen hat und dass auch eine ganz besondere Förderung für dieses lebensbegleitende Lernen versprochen und angekündigt wurde.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Was tun Sie derzeit für diese angesprochene Gruppe? Sie kürzen die Mittel für die Erwachsenenbildung, Sie kassieren auch von den berufstätigen Studierenden Studiengebühren, treffen sie damit doppelt, weil sie in der Regel auf Grund ihrer zusätzlichen beruflichen Belastung doppelt so lange Studienzeiten haben. Leider, muss ich sagen, haben Sie es bis heute nicht im Geringsten für wert befunden, für diese Studierenden besondere Maßnahmen anzubieten. Sie zahlen, finden aber dennoch keine veränderte Situation vor: Es gibt keinerlei strukturelle Verbesserungen, die die Situation der Betroffenen erleichtern könnten, keine speziell auf diese Gruppen zugeschnittenen Studienangebote, keine Angebote in ihrer arbeitsfreien Zeit, kaum Teleteaching- oder Telelearning-Angebote und kaum entsprechende Studienunterlagen, damit sie sich mehr zu Hause vorbereiten können. (Abg. Dr. Pumberger: Das sind die Versäumnisse der SPÖ!)

Aus zahlreichen persönlichen Kontakten mit diesen Betroffenen weiß ich, dass zu erwarten ist, dass das Studium für Berufstätige Kosten in der Größenordnung von 100 000 S bis 180 000 S verursachen wird. Dieses Geld nehmen Sie, streifen es ein und lassen die Studierenden mit ihren Problemen allein.

Fazit daraus kann für uns nur sein, dass die Realität der berufstätigen Studierenden im absoluten Widerspruch zur Regierungserklärung steht. Fazit ist auch, dass Ihr Weg und Ihre Maß


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nahmen durchaus nicht zum lebensbegleitenden Lernen motivieren, zumindest nicht im tertiären Bereich. Und zum Schluss lassen Sie mich noch festhalten: Fazit ist wohl auch, dass Ihre gestrigen Jubelmeldungen und auch Ihr Vertrauensantrag für diese Gruppe, aber auch für viele andere Österreicher eher als Täuschungsmanöver zu interpretieren sind. (Beifall bei der SPÖ.)

11.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sevignani. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Dass die Fachhochschulen, wie wir alle wissen, eine Erfolgsstory darstellen, beweist nicht nur die einstimmige Kenntnisnahme des Jahresberichts 2000 des Fachhochschulrates im Wirtschaftsausschuss.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir können stolz sein. Es existieren nunmehr 67 Fachhochschul-Studiengänge mit insgesamt 4 105 Studienanfängern. Zu Beginn des Wintersemesters 2000/2001 sind ad hoc zwölf neue Studiengänge eingerichtet worden. Der Bedarf an Fachhochschulabgängern ist hundertprozentig durch die wirtschaftliche Nachfrage gegeben. Diese werden nach dem Studienabschluss nahtlos von der Wirtschaft, aber auch von der Industrie und der Forschung übernommen. Die Nachfrage ist noch immer größer als das Bildungsangebot, das Verhältnis liegt bei 1 : 3. Demnächst werden noch zusätzliche sechs neue Fachhochschulen eingerichtet.

Positiv hervorzuheben sind auch die Kooperationen. Ich verweise in diesem Zusammenhang etwa auf unsere Fachhochschule in Kufstein im Tiroler Unterland. Diese wird nach der Stadt Lienz im Mai dieses Jahres auch mit der Stadt Schwaz eine Kooperation eingehen und ihr Angebot ausweiten. Geplant ist, dass verschiedene Bildungsangebote, insgesamt vier hochkarätige Lehrgänge, für Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung zusätzlich in Schwaz offeriert werden sollen. Mit solchen Kooperationen ist gewährleistet, dass wir keine virtuellen Fachhochschulen betreiben, sondern spezifische Nischen füllen, dort, wo ein Bedarf gegeben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist nun ein logischer weiterer Schritt, dass wir ein dreigliedriges System mit Bakkalaureats- und Magisterstudien in Fachhochschulen einführen. Grundlage ist die Deklaration von Bologna aus dem Jahre 1999, mit der mehr als 30 europäische Staaten die politische Absicht bekundet haben, einen europäischen Hochschulraum einzurichten. Die Fachhochschulen müssen an die Herausforderungen des europäischen Wirtschaftsraumes angepasst werden. Im europäischen Verbund ist ebenfalls wichtig, dass die Anrechnungsmöglichkeiten der Studienleistungen fest verankert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da, wie ich annehme, die Qualität der Bildung und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Fachhochschulen auch der Opposition ein Anliegen sind, ersuche ich um Zustimmung zur Änderung des Fachhochschul-Studiengesetzes. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie kennen die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

11.34

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Vorredner von den Sozialdemokraten, Antoni, hat behauptet: Die Regierung streift die Studiengebühren ein und lässt die Studenten mit ihren Problemen allein. (Abg. Dr. Antoni: Die berufstätigen!)  – Das ist nicht richtig!


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Richtig ist vielmehr, dass diese Regierung im gleichen Zug die Studienbeihilfen um 500 Millionen Schilling – und das ist mehr als ein Drittel – erhöht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.34


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95. Sitzung / Seite 58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grünewald gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

11.35

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Nachdem wir so viel Konsens finden, hätte ich noch gerne einige Anregungen gemacht, die man in nächster Zeit diskutieren könnte.

Mir fällt auf, dass Fachhochschulen nicht entzweien, und ich frage mich: Woran liegt das? Fachhochschulen sind schlank, ohne anorektisch zu sein, Fachhochschulen ermöglichen ein schnelles Studieren, sie dienen der Wirtschaft, sind aber auch nicht sonderlich aufgefallen im Anzetteln von Revolutionen, im weit über ihren Zuständigkeitsbereich Hinausdenken in andere Fächer. Das müsste nicht so sein, und ich glaube, dazu wäre es notwendig, die Einstiegshürden, die nach wie vor noch existieren, gezielt abzubauen.

Wir haben vom Präsidenten des Fachhochschulrates Raidl gehört, dass die Quote zwischen BewerberInnen und vorhandenen Studienplätzen teilweise 3 : 1 beträgt, ja bis 12 : 1. Sie müssen sich vorstellen: Zwölf BewerberInnen steht nur ein Studienplatz gegenüber! Ich halte das für zu viel an Selektion. Wenn man das ändern will, wenn man von 10 000 Studierenden im Jahre 1999 auf 25 000 im Jahre 2006 kommen will, dann muss auch die finanzielle Unterstützung der Fachhochschulen um 150 Prozent größer sein als die derzeitige. Derzeit zahlt der Staat 1 Milliarde Schilling in etwa und die Betreiber nur zirka 600 Millionen Schilling. Es ist wirklich die Frage, inwieweit man in diesen Bildungssektor auch Länder, Gemeinden, Regionen, aber auch Wirtschaft und Industrie stärker einbinden könnte.

Es wurde angesprochen, dass nur ein Drittel der an Fachhochschulen Studierenden Studentinnen sind. Man sollte sicherlich bemüht sein, die technischen Bereiche stärker zu attraktivieren, aber ich sehe auch nicht ein, dass ein Argument ist, die Frauen studieren und arbeiten hauptsächlich in den Sektoren Dienstleistung, Gesundheit und Soziales, und da müssen sie ja schlecht entlohnt werden. Wer sagt, dass eine Tätigkeit im Sozial- und im Gesundheitswesen um ein Drittel schlechter bezahlt werden muss als im Bereich der Industrie und Technologie? Ich glaube, das ist eine politische Aufgabe, hier eine Änderung herbeizuführen.

Ganz zum Schluss würde ich Sie bitten, zu schauen, inwieweit der Bund hier stille Querfinanzierungen vornimmt, indem Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigungen von bundesbezahlten Hochschullehrerinnen und -lehrern in ihrer Dienstzeit an Fachhochschulen als lebende Subvention geleistet werden, und wie man das auf ein transparentes, faires und vertretbares Maß korrigieren könnte. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Antoni gemeldet. Die Uhr ist wunschgemäß auf 1 Minute eingestellt. – Bitte.

11.38

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Ich bin nicht bereit, die falsche Interpretation meines Debattenbeitrags durch Kollegin Haller so im Raum stehen zu lassen.

Ich habe erstens von berufstätigen Studierenden gesprochen und nicht von "normalen Studenten". Ich habe auch festgehalten, dass sie keine Studienbeihilfe bekommen; sie können keine bekommen, weil sie ein eigenes Einkommen haben, zum Teil ein sehr geringes. Und ich habe festgehalten, dass es für sie trotz in der Regel doppelter Belastung durch Studiengebühren keine Sondermaßnahmen an den Universitäten gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

11.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Nein, das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1013 der Beilagen.

Es liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Dr. Cap betreffend Ziffer 6 vor.

Weiters haben hiezu die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil, danach über Ziffer 6 und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 5 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig und damit angenommen.

Wir gelangen nun zur getrennten Abstimmung über die Ziffer 6 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Antrag 579/A der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (1014 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. – Bitte.

11.41

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zuerst zu dieser Universitäts-Studiengesetz-Novelle, die sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum, so wie es aussieht, konsensual angenommen werden wird. Es geht um zwei


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Dinge: Zum einen wird die erfolgreiche Studienrichtung Umweltwissenschaften an der Universität Graz in ein reguläres Studium umgewandelt, indem sie in das UniStG aufgenommen wird. Zum anderen haben die Studienkommissionen noch zusätzlich ein Jahr Zeit, um die neuen Studienpläne zu erlassen. Andernfalls würden diese Studienrichtungen, für die nicht rechtzeitig ein neuer Studienplan erlassen wird, von Gesetz wegen eingestellt werden. Man kann nur von dieser Stelle aus allen Studienkommissionen diesen Termin noch einmal in Erinnerung rufen. Es gibt jetzt zwar ein zusätzliches Jahr, aber das geht auch schnell vorbei, wenn man nicht rechtzeitig mit der Arbeit beginnt.

Gestern wurde mehrfach von Rednern der Regierungsparteien Kritik an uns geübt, wir würden die Gespräche zu wichtigen Gesetzesmaterien verweigern. Lassen Sie mich eine solche Gesprächssituation aus der letzten Zeit darstellen, dann können Sie sehen, wer hier de facto eine Verweigerungspolitik betreibt. Ich rede von der Universitätsplattform, im Rahmen derer über zwei Stunden auch über das Universitäts-Studienrecht diskutiert wurde. Diese Universitätsplattform, zu der die Frau Bundesministerin eingeladen hat, hat letzte Woche, am 19. Feber, im Bundesministerium am Minoritenplatz stattgefunden.

Normalerweise nehmen neben vielen wichtigen Vertretern der Universitäten auch die Wissenschaftssprecher teil, und die Frau Bundesministerin, die einlädt, führt in der Regel den Vorsitz.

Anwesend waren neben Kollegen Grünewald und mir noch Kollege Grollitsch, der die FPÖ vertreten hat, der allerdings nach ungefähr zwei Stunden wieder gegangen ist. (Abg. Dr. Grollitsch zeigt "drei".) Vielleicht waren es drei Stunden, genau habe ich nicht geschaut. Jedenfalls ist er ungefähr zur Halbzeit der Sitzung gegangen. Kollege Graf als Wissenschaftssprecher der Freiheitlichen und Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses hat überhaupt keine Zeit gehabt. Kollegin Brinek ist ungefähr eine Stunde später gekommen und dann bald wieder Richtung Café Landtmann weggegangen.

Die Frau Bundesministerin ist am Beginn der Sitzung entschuldigt worden. Es ist gesagt worden, sie habe noch ein etwas länger dauerndes Gespräch mit dem Herrn Finanzminister. Das kann gut oder schlecht sein ... (Abg. Dr. Stummvoll: Was soll das? – Abg. Mag. Mühlbachler: Interessiert uns das jetzt, oder wie ist das?)

Kollege! Sie werfen uns hier laufend vor, wir würden keine Gespräche führen und Gespräche verweigern. Und jetzt erzähle ich Ihnen, dass wir von 16 bis 22 Uhr sitzen, um über das Universitätsrecht zu diskutieren, und von Ihnen gar niemand anwesend ist, um mit uns zu reden. Das will ich Ihnen jetzt erzählen, und das sollten Sie gefälligst zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Frau Bundesministerin, die eingeladen hat – Kollegin Brinek hat sich zwei Wochen vorher aufgeregt, dass wir keine Zeit hätten –, ist entschuldigt gewesen, sie sei beim Finanzminister, ist aber dann überhaupt nicht mehr aufgetaucht.

Das ist die Gesprächskultur, wie wir sie von Seiten der Regierung als Oppositionsparteien erleben. Werfen Sie uns bitte nicht vor, wir würden diese Gespräche nicht suchen, wenn wir stundenlang im Ministerium sitzen, um wichtige Materien des Studienrechts zu diskutieren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und eines sage ich Ihnen auch: Wir kommen selbstverständlich bei der nächsten Einladung wieder, weil wir nie das Gespräch verweigern, aber sobald Kollege Graf oder Kollegin Brinek oder die Frau Bundesministerin aufsteht und geht, werden wir auch gehen. Darauf können Sie sich in Zukunft verlassen, denn diese Form der Gesprächsführung kann sich die Opposition nicht bieten lassen.

Ich möchte Ihnen anhand eines anderen Beispiels erläutern, was von Aussagen, die von Seiten der Regierungsparteien zum Universitäts-Studienrecht gemacht werden, zu halten ist. Es ist wirklich ein Beispiel der Arroganz dieser Regierung. (Abg. Großruck: Niederwieser!) Ich wähle dieses Wort "Arroganz" bewusst, Herr Kollege, denn das ist arrogant, und ich werde es Ihnen beweisen, weshalb! In der heißen Phase der Einführung der Studiengebühren hat Abgeordneter


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Khol bei einer Veranstaltung erklärt: Die Studiengebühren sind nicht nur eine Belastung, sondern sie bringen für die Studierenden auch ein einklagbares Recht auf die Leistungen der Universität.

Er hat dann am 11. Mai 2001 auf meine Vorhaltung – er ist damals hier gesessen, im Unterschied zu heute –, was denn mit der Einklagbarkeit der universitären Leistungen sei, gemeint: Da müsst ihr schon noch ein bisschen warten! – Das war im Mai 2001. Heute haben wir wieder eine Novelle des UniStG auf der Tagesordnung. Ich habe mir dann erlaubt, an die Frau Bildungsministerin eine parlamentarische Anfrage zu richten, in der ich auf dieses Versprechen des Klubobmannes der ÖVP hingewiesen und ihr zwei einfache Fragen gestellt habe. Die erste Frage: Wie weit sind die legistischen Vorarbeiten für diese Einklagbarkeit? Und die zweite Frage richtete sich darauf, ob Kollege Khol mit ihr über dieses Thema schon gesprochen hat. – Zwei einfache Fragen, möchte man meinen.

Die Antwort erweist sich allerdings als schwieriger oder offenbar als nahezu unmöglich. Was hat die Ministerin geantwortet? Sie können das gerne selbst in der Anfragebeantwortung nachlesen. Sie hat im Wesentlichen gemeint, der Studienbeitrag betrage ohnedies nur 7 Prozent der Kosten, die ein Student verursache, und für die Einklagbarkeit sei die annähernde Übereinstimmung von Leistung und Gegenleistung erforderlich.

Wissen Sie, was das heißt? Dass die Einklagbarkeit offenbar dann kommt, wenn die Studiengebühr nicht 5 000 S, sondern 5 000 € pro Semester beträgt. Dann ist dieses Gleichgewicht gegeben, und dann kann man einklagen. Also auf gut Deutsch heißt das sowohl uns als auch Kollegem Khol gegenüber: Geht euch brausen, wir reden wieder drüber, wenn die Studiengebühr erhöht worden ist!

So gehen Sie mit solchen Versprechen um! Und da erwarten Sie bitte nicht, dass wir Ihnen alles, was Sie uns hier hoch und heilig und mit schönen Worten versprechen, abnehmen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend, weil es auch zum Studienrecht passt, eine persönliche Frage an die Frau Bundesministerin und auch an die Frau Kollegin Brinek, die im Herbst 2000 versichert hat, man werde für die berufstätigen Studierenden selbstverständlich bei der Studiengebühr etwas machen müssen. Frau Bundesministerin! Ich war kürzlich bei einer Sponsion, bei der der Dekan die Biographie einer Studentin vorgetragen hat: 28 Jahre alt, seit fünf Jahren verheiratet, der Mann hat ein Einkommen von ungefähr 1 100 €, sie haben zwei Kinder im Alter von drei und vier Jahren. Sie selbst ist halbtägig als Krankenschwester beschäftigt und verdient, hauptsächlich mit Nachtdiensten, rund 900 € im Monat – für eine Beihilfe oder eine Rückerstattung der Studiengebühren zu viel. Diese Personen fallen – Kollegin Haller hat gesagt, das sei nicht so – vollständig durch den Rost. Sie hat Sport und Russisch studiert und dafür sieben Jahre gebraucht, also ungefähr zweieinhalb Jahre länger als die reguläre Studienzeit, von der wir hier immer reden.

Daher drei konkrete Fragen an Sie, Frau Bundesministerin, mit der Bitte um eine ehrliche Antwort:

Erstens: Soll jemand wie diese junge Mutter unter diesen Bedingungen weiterhin in Österreich studieren und ihr Studium abschließen dürfen und können?

Zweitens: Erwarten Sie wirklich, dass eine solche Person ein Studium in der Regelstudienzeit von vier Jahren abschließen kann so wie jemand, der keine Familie und keine Berufstätigkeit hat?

Drittens: Ist das nicht auch eine ausgezeichnete Leistung, was ich Ihnen da geschildert habe, wenngleich nicht eine Leistung nach den Maßstäben Ihrer "www.weltklasse-uni.at"?

Wenn Sie und Ihre KollegInnen ernsthaft über solche Beispiele – und das ist nicht ein Einzelfall – nachdenken, dann werden Sie wohl draufkommen, dass Sie eine Hochschulpolitik betreiben, bei der Sie vielen Talenten Chancen nehmen. Wir stehen im Gegensatz dazu für


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eine Politik, bei der es darum geht, den Leuten Chancen zu vermitteln und ihre Talente entwickeln zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

11.51

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich bin immer wieder überrascht – aber eigentlich überrascht es mich nicht mehr –, wenn Herr Kollege Niederwieser, der ja schon die Seiten der Regierungspartei kennen gelernt hat, genauso wie ich die Seiten der Oppositionspartei kennen gelernt habe, hier über den Stil und die Auseinandersetzung im Gesetzwerdungsprozess, gerade im tertiären Bildungssektor, immer wieder so eine Wehleidigkeit an den Tag legt, die eigentlich nicht gerechtfertigt ist.

Ich kann mich an Zeiten erinnern, als wir, ähnlich wie Herr Kollege Grünewald, in der Opposition gesessen sind – da hat man grundsätzlich nicht mit der Opposition gesprochen! Wenn Sie uns alles vorwerfen können, aber eines wird man dieser Regierungsmannschaft und auch den Parlamentariern im Bereich des Wissenschaftsausschusses nicht vorwerfen können, nämlich: dass wir wenig oder zu wenig miteinander sprechen!

Das Produkt, dass wir sehr viel miteinander diskutieren, spiegelt sich doch auch im Abstimmungsverhalten zu den einzelnen Gesetzesmaterien wider. Wir diskutieren gerade jetzt auch wieder ein Universitäts-Studiengesetz, das einstimmig über die Bühne gehen wird. Das letzte Gesetz, das wir vor wenigen Minuten beschlossen haben, ist in der dritten Lesung einstimmig über die Bühne gegangen. Wir haben das Studienbeihilfengesetz einstimmig verabschiedet, und es gab noch viele andere Beispiele auch.

Wenn Sie ehrlich sind, dann müssen Sie doch zugeben, dass bei vier Parlamentsparteien eine Einstimmigkeit nur dann zu erzielen ist, wenn im Vorfeld massiv und ausführlich diskutiert wird, sowohl im parlamentarischen Prozess als auch im außerparlamentarischen Prozess, sonst würde es doch nicht zu Einstimmigkeiten und zu Konsensmaterien kommen. Ich finde es auch sehr gut, dass wir hier immer wieder einen Ausgleich finden, denn die tertiäre Bildungslandschaft ist ganz einfach zu wichtig, als dass man sich immer nur die knappestmöglichen Mehrheiten suchen könnte.

Wenn Sie das Studienbeihilfengesetz hier an einem Beispiel festmachen, dann kann ich nur die Einladung aussprechen: Reden wir darüber! Sie wissen ganz genau, wir haben dieses Gesetz einstimmig beschlossen. Sie haben jetzt Fälle, wir haben laufend Fälle, sodass man halt am Grenzwert vielleicht nachjustieren muss – keine Frage –, aber dazu bedarf es des Gesprächs.

Ich bin eigentlich überrascht, dass Sie – trotz zahlreicher Gespräche mit Ihnen – jetzt dieses Einzelbeispiel, das vielleicht nur stellvertretend für viele Beispiele steht, polemisch hier am Rednerpult diskutieren und es nicht in einem der unzähligen Gespräche, die wir geführt haben, thematisiert und gesagt haben: Da gibt es Nachjustierungsbedarf. – Reden wir darüber! Die Einladung steht.

Und da Sie zur Universitätsplattform gesprochen haben: Sie wissen, es ist dies nicht die erste Universitätsplattform – es ist auch kein Verhandlungsgremium –, und es war auch nicht die letzte Universitätsplattform. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser. ) Sie haben mich angesprochen, aber Sie wissen ganz genau, dass das die einzige Sitzung war, der ich nicht persönlich beiwohnte, zu der ich einen Stellvertreter – wir sind ja mehrere Kollegen in diesem Hohen Haus – geschickt hatte. Zu dieser Sitzung ist es gekommen, weil bei der vorletzten Universitätsplattform sowohl Herr Kollege Niederwieser als auch Herr Kollege Grünewald nicht zugegen waren. Wir haben dann kurzfristig extra einen Termin gesucht, wo Sie Zeit hatten, und haben für diesen Termin einberufen.


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Es war eine sehr kurzfristige Einberufung, und zu diesem Zeitpunkt hatte ich – gestatten Sie mir, das zu sagen – keine Zeit. Ich habe aber damals gesagt, die Sitzung soll trotzdem stattfinden, denn mir war besonders daran gelegen, dass Herr Kollege Niederwieser diese Informa-tionen erhält, dass Herr Kollege Grünewald diese Informationen erhält. Wenngleich ich gerne auch an diesem Tag mit Ihnen diskutiert hätte, war ich selbst in dieser Phase, da wir zwei Wochen vorher schon das gleiche Thema diskutiert hatten, eigentlich nur eine Randfigur. Es ist hauptsächlich um Sie gegangen – um die Betroffenen und um die Opposition –, und das war der einzige Termin, bei dem wir auf Grund der Kurzfristigkeit zurückgestanden sind, um Sie zu informieren. Daraus jetzt den Umkehrschluss zu ziehen, wir nähmen diese Sitzungen nicht ernst, ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung und verdient auch nicht wirklich, hier weiterbehandelt zu werden.

Sie wissen, dass es unzählige Gespräche gegeben hat. Es gibt nicht nur einen parlamentarischen Prozess, in dessen Rahmen wir unzählige Debatten und Gespräche führen, viel mehr als früher und auch – wie wir heute festgestellt haben – viel prominenter angesetzt als früher. Wir haben Unterausschüsse eingerichtet zu Themen, die Ihnen wichtig sind. Ich kann mich nicht erinnern, dass man, als die Freiheitliche Partei in der Opposition gesessen ist, zu Themen, die uns wichtig waren, je einen mehrtägigen Unterausschuss eingerichtet hätte. Können Sie sich daran erinnern, Kollege Niederwieser? – Nein! Sie sind in diesem Punkt ehrlich und Herr Kollege Grünewald auch.

Aber wir machen das. Das bedeutet auf parlamentarischer Ebene eine Duplizierung, eine Verdreifachung der Auseinandersetzung. Wir hatten zwei Enqueten zum Thema Universitätsreform in dieser Legislaturperiode, die zwei Jahre alt ist. Kurz davor gab es eine Enquete zum Thema Forschung und Entwicklung in diesem Hohen Haus. Sie können sich doch nicht ernsthaft hierher stellen und sagen, dass Materien in diesem Hohen Haus nicht ausführlichst diskutiert werden.

Darüber hinaus haben wir einen außerparlamentarischen Diskussionsprozess eingeleitet und führen diesen auch mit unzähligen Sitzungen durch. Ich bin dankbar dafür, dass die Frau Bundesminister diese Sitzungen zu einem gut Teil und Großteil organisiert, denn es kommen auch Ergebnisse heraus, die in der Regel Einstimmigkeit finden.

Somit sind Sie in Wirklichkeit in Ihrem ganzen Redebeitrag disqualifiziert worden, Herr Kollege, denn Sie wissen selbst ganz genau, dass es anders läuft, als Sie es hier vom Rednerpult aus auch dargestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Dr. Wolfmayr zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.57

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf das Ablenkungsmanöver meines ansonst geschätzten Kollegen Niederwieser jetzt gar nicht eingehen. Ich möchte wieder sachlich werden und über das Thema sprechen.

Umweltveränderungen und die aus ihnen erwachsenden Probleme verlangen Lösungskonzepte auf Basis interdisziplinärer Betrachtungsweisen. Wirtschaftliche, soziale, rechtswissenschaftliche und philosophische Aspekte sind zu berücksichtigen, damit dem systemhaften, nichtlinearen, stark vernetzten Charakter von Umweltsystemen entsprochen werden kann.

Grundidee eines Diplomstudiums Umweltsystemwissenschaften ist es, neben fundierter fachspezifischer Ausbildung die Grundlagen anderer Disziplinen zu erlernen und Beziehungen zwischen ihnen herzustellen.

Heute soll durch den vorliegenden Antrag das Universitäts-Studiengesetz dahin gehend geändert werden, dass das Diplomstudium Umweltsystemwissenschaften in das reguläre Studienangebot aufgenommen wird.


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Meine Damen und Herren! Kurz zur Vorgeschichte: Seit dem Wintersemester 1992/1993 wird Umweltsystemwissenschaften als individuelles Diplomstudium an der Universität Graz, meiner Heimatuniversität, angeboten. Eine fundierte Ausbildung in Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Chemie, Physik und Geographie – je nach Auswahl momentan – ist zu kombinieren mit einem frei wählbaren Pflichtfachbündel und Systemwissenschaften. So erwerben sich die Studierenden die Grundlagen und das Denken einiger weiterer Disziplinen. Diese Art des Studiums hat sich bewährt und soll deshalb als reguläre Studienrichtung angeboten werden. Ich bin froh darüber und begrüße das ausdrücklich.

Meine Damen und Herren! Aus dem Studienplan für das Studium der Umweltsystemwissenschaften wird klar ersichtlich, welche Vorteile und Möglichkeiten so ein zeitgemäßes, notwendiges, modernes, vernetztes Studieren den Studierenden selbst, aber letztendlich und in Folge uns allen, der ganzen Gesellschaft, der Umwelt bringt.

Einige Vorteile: Durch gemeinsame Lehrveranstaltungen – zum Beispiel aus Mathematik, Statistik, Systemanalyse, Ökologie – sowie durch interdisziplinäre Praktika wird das Bearbeiten von umweltrelevanten Fragestellungen durch Teamarbeit erlernt. Es werden Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Wissenschaften ersichtlich, Wechselwirkungen können besser bemerkt und beurteilt werden. Die zukunftsweisende Entwicklung umweltschonender Produkte und Dienstleistungen steht immer im Mittelpunkt.

Die AbsolventInnen sind nach Abschluss ihres Studiums in der Lage, in umweltbezogener Forschung und Lehre, in Betreuung und Beratung von Umweltschutzeinrichtungen oder im Projektmanagement zu arbeiten, ebenso auch in Bereichen der Unternehmensberatung und -führung, bei denen ökologische Gegebenheiten berücksichtigt werden müssen. Es gibt Gott sei Dank immer mehr solche Unternehmen.

Kurz zum Beleg eine Unterlage, die ich zur Information erhalten habe: Im Sommer 1998 wurde ein Fragebogen ausgeschickt – meines Wissens gibt es keinen aktuelleren Fragebogen und keine aktuellere Auswertung –, und die Rücklaufquote betrug immerhin 68 Prozent. Dieser Fragebogen und seine Ergebnisse dokumentieren aber dennoch die positive Entwicklung und den Aufwärtstrend dieses Studiums, der sich seitdem weiter fortgesetzt hat.

Gefragt wurden die Studierenden einerseits nach dem beruflichen Werdegang ab der Graduierung und nach ihrer momentanen hauptsächlichen Tätigkeit. Einige AbsolventInnen führten Projekte auf Werkvertragsbasis für öffentliche Einrichtungen durch, bevor sie in ein fixes Dienstverhältnis eintraten. Andere sind in umweltrelevanter Projektierung, im Umweltmanagement, Öko-Design tätig, andere in der Lehre bei Universitätseinrichtungen und anderen Weiterbildungsmöglichkeiten oder in der Forschung bei öffentlichen und privaten Einrichtungen.

Mehr als 70 Prozent fanden bereits über Kontakte, die sie im Laufe des Studiums knüpften, eine Stelle. Bemerkenswert scheint mir weiters zu sein, dass in Stellenangeboten ausgebildete UmweltwissenschafterInnen bereits dezidiert angesprochen werden.

Hauptsächliche Gründe für Studierende, dieses Studium zu wählen, sind zusammengefasst: Interdisziplinarität, die Alternative zu herkömmlichen Studieneinrichtungen, die Möglichkeit zum teilweise selbständigen Gestalten ihres Studienplans und nicht zuletzt gute Berufsaussichten.

Noch einmal: Dieser Gesetzesantrag ist zu begrüßen, ebenso wie die Zustimmung aller Parteien zu diesem Antrag, der einem provisorischen Zustand ein Ende bereitet und ein Diplomstudium in ein Studium regulare überführt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.02

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Diese Änderung des Universitäts-Studiengesetzes war deswegen


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einstimmig, weil es keine ungeheuer große Sache war, möchte ich zu Kollegen Graf sagen. Das war ganz logisch, und man würde meinen, dass dies, wenn Wünsche von den Universitäten kommen, die eigentlich nur darin bestehen, darum zu bitten, den Studienkommissionen, die etwas Gutes für die Studierenden anbieten wollen, mehr Zeit zum Nachdenken, mehr Zeit zum Überlegen zu geben, wie sie die so genannten Bakkalaureat-Studien organisieren oder ob sie sich für diese Studienrichtung überhaupt anbieten, unter Vernunftmenschen eine Selbstverständlichkeit ist, und Selbstverständliches sollte man nicht kontroversiell debattieren. Aber leider, muss ich sagen, ist das nicht immer so.

Was jetzt hier an Querelen offen zutage trat, ob die Plattform ein Diskussionsforum ist, das genutzt wird, das Chancen bietet, ob oft genug miteinander geredet wird, darüber kann man schon nachdenken. Die eine Plattform, die zum Diskutieren der Universitätsreform und damit natürlich auch von Studien dienen sollte, wurde einmal von nahezu drei Vierteln aller Geladenen aus guten Gründen boykottiert, und das wurde schriftlich begründet. Aus guten Gründen hat sich ein Sektionschef – wie ehrlich er es auch immer gemeint haben mag; ich habe da meine Zweifel – dieses eine Mal offiziell und förmlich für diese Einladungspolitik bei uns entschuldigt. Also da, muss man sagen, trifft Niederwieser keine Schuld. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kräuter. )

Ich möchte jetzt auf etwas eingehen, was natürlich die Studierenden auch trifft. Sie wissen, die Medizin verschlingt nicht nur ungeheuer viel Geld – über ein Drittel des gesamten Budgets Ihres Ministeriums – und benötigt auch über ein Drittel des Personals – allein an der Uni Wien sind es bereits über 40 Prozent der Kosten –, und das hat Auswirkungen. Das muss auch Auswirkungen auf das Gesprächsklima und sachlich fundierte Lösungen haben.

Jetzt fangen zwar sowohl das Wort "Dialog" als auch das Wort "Diktat" mit den Buchstaben D und i an, aber verwechseln sollte man die beiden Begriffe Dialog und Diktat nicht. Es hat wenig Sinn, oft zu reden. Ich weiß, man hat angeblich 250-mal Gespräche geführt, vielleicht waren es sogar 300-mal, aber wenn Gespräche eigentlich zu nichts führen außer zu verhärteten Fronten und dazu, dass die Betroffenen auf Grund dieses Gesprächsklimas immer betroffener werden, so kann das, auch wenn man sagt, man redet mit den Betroffenen, nicht gut sein.

Ich sage jetzt mit aller Härte: Wenn die Bundesregierung, wenn das Ministerium einen 85 Seiten starken Diskussionsentwurf vorlegt, in dem in 19 Zeilen die medizinischen Universitäten so berücksichtigt werden, dass alle aufschreien und sagen, wenn das über uns kommt, können wir so nicht überleben, denn das geht hinter den Gesetzesstand der letzten Jahrzehnte zurück, wo für die Medizin aus gutem Grund Sonderbestimmungen formuliert waren, dann ist das gefährlich. Und wenn ich heute höre: Gut, wenn sich die Mediziner so aufregen, dass wir nur die medizinischen Universitäten als Option hineinschreiben, dann machen wir es eben anders, dann bleiben die Fakultäten bei der Gesamtuniversität und auch die Studierenden bleiben bei der Gesamtuniversität, aber es gibt keine Sonderbestimmungen, so meine ich: Universitäten und die damit Befassten sind ja keine Delinquenten, denen man dann die Wahl freistellt, enthauptet oder gevierteilt zu werden. Ich halte das für grob fahrlässig und für kein Zeichen einer Diskussion. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Niederwieser. )

Ich sage nochmals: Alle Rektoren, die Österreichische Rektorenkonferenz, die drei Rektoren der betroffenen Standorte, die Senate der betroffenen Standorte, das Innsbrucker Fakultätskollegium, sogar der Innsbrucker Gemeinderat unter van Staa haben gesagt: Nein, bitte nicht! Die Plattform, auch wenn sie nicht abstimmen darf – das mag schon sein, aber denken darf sie was und sagen darf sie was –, hat sich einhellig, um nicht zu sagen einstimmig, gegen diese Ausgliederung ausgesprochen.

Wir haben die Sorge, dass eigene medizinische Universitäten die von Wolfmayr gut angeschnittenen interdisziplinären Forderungen nach Transdisziplinarität schwer auf die Probe stellen, die Abhängigkeit von der Träger- und Holdinggesellschaft stärker machen, als sie bis jetzt schon ist. Und ich gebe noch etwas zu bedenken: Einige Hausaufgaben sind auch in den letzten Jahrzehnten versäumt worden. Es gehen ungeheure Geldsummen deswegen in die Medizin, weil ein gut Teil der Arbeit des dortigen Personals einzig und allein in der Versorgung


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der Kranken besteht. Und diese Versorgung der Kranken ist per Gesetz den Ländern zugeschrieben, nicht der Ressortministerin. Das heißt, hier werden Gelder teilweise zweckentfremdet verwendet zugunsten unseres geliebten Föderalismus.

Seit 1956 gibt es eine Regelung, dass 18 Prozent der gesamten Kosten der Universitätskliniken von der Republik als so genannter klinischer Mehraufwand refundiert werden, festgemacht an Leistungen für Forschung und Lehre an diesen Kliniken. Seit 1956 gibt es keine Verordnung, keinen Erlass, wie das zu berechnen ist und wie solche Zahlungsmodalitäten restriktionsfrei mit dem Träger zu vereinbaren wären. Es gibt keinen Zusammenarbeitsvertrag zwischen der Republik Österreich und den Trägerschaften, die die Krankenversorgung zu garantieren haben. Und nun meint man, wenn die medizinische Universität existiert, würde die das machen, was wir 30 Jahre lang nicht zustande gebracht haben.

Ich sage Ihnen noch etwas: Träger und Länder haben – das ist legitim und logisch – natürlich ein Interesse daran, primär die Krankenversorgung in den Griff zu bekommen und nur sekundär ein gutes Studium anzubieten, nur sekundär zu schauen, dass man international in der Forschung an der Spitze ist, denn das ist ja auch nicht die Aufgabe der Länder.

Wenn man uns jetzt diesem Kräfteparallelogramm aussetzt, schaut die Verteilung der Waffen – wenn ich diesen unguten militanten Ausdruck gebrauchen darf, der aber hier angebracht ist – nicht günstig für die Republik und nicht günstig für die medizinischen Universitäten aus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und zuallerletzt: Wenn all diese Stimmen nichts bringen und man sagt, wir statuieren ein Exempel, ohne diese Folgen zu kennen, dann ersuche ich Sie jetzt wirklich mit Nachdruck – ich bitte Sie sogar darum und geniere mich gar nicht dafür –, diesen Diskussionsprozess neu aufzunehmen, bevor etwas passiert, was schwer korrigierbar ist.

Noch etwas: Wenn einzelne Personen wünschen, die Medizin von der Universität loszulösen, so nenne ich dafür einen Grund, der nicht sehr hehr und auch nicht sehr heilig ist. An den medizinischen Universitätskliniken und auch an einzelnen theoretischen Instituten wird eine hübsche Summe Geld vereinnahmt, und zwar eine sehr große Summe, unter dem Titel "Forschung im Auftrag Dritter" oder "Diagnostik im Auftrag Dritter" oder "Behandlung von Privatpatienten". Das sind über Jahre Milliarden.

Einige verdienen daran sehr gut, sodass ich Ihnen die Zahlen, um unsere Reputation nicht weiter zu schädigen, gar nicht nennen möchte. Diese haben aber das größte Interesse daran, nicht von einem Rektor der Uni kontrolliert zu werden, nicht mit Theologie, Philosophie, Soziologie und Psychologie in Berührung zu kommen, weil man sich in diese Karten nur sehr ungern schauen lässt.

Sie haben, auch auf meine Anregung – ich bin Ihnen dankbar –, einen Brief an alle Rektoren und Dekane geschrieben, in dem Sie ausführten, wie viel von diesen Einnahmen abzuführen sei. Die Einnahmen sind, so meine ich, auf diesen warnenden Brief hin in Innsbruck um 0,8 Prozent gestiegen. Also Sie sehen, wie viel Gelder man da für gute Zwecke freimachen könnte, wenn man die Medizin so unterstützt, dass sie nicht einem Diktat, sondern einer sinnvollen Kontrolle und Kooperation mit der Gesamtuniversität unterliegt. Ich bitte Sie nochmals, diese Diskussion wieder aufzugreifen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminister Gehrer. – Bitte.

12.12

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich muss drei Aussagen des Herrn Kollegen Niederwieser zurückweisen (Abg. Mag. Schweitzer: Nur?), erstens die Aussage hinsichtlich Gesprächsverweigerung. So viele Gespräche, wie im Hinblick auf dieses Universitätsgesetz geführt wurden und werden, sind


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noch nie in der Geschichte der Gesetzwerdung für irgendein anderes Gesetz geführt worden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeiten, als Herr Kollege Einem Wissenschaftsminister war. Er hat nämlich mit niemandem geredet, nicht einmal mit den Regierungskollegen, geschweige denn mit der Opposition.

Wir haben eine Plattform eingerichtet, und zwar als Informationsplattform. Auch wenn ich zu dieser Plattform einlade, dann ist es das Normalste der Welt, dass Herr Sektionschef Dr. Höllinger, zu dem Sie beste Beziehungen haben, was ich sehr begrüße, diese Plattform leitet und die entsprechenden Informationen weitergibt. Dazu hat man in einem Ministerium Sektionschefs, noch dazu einen Sektionschef, der laufend die SPÖ-Fraktion informiert, was ich mir von ihm wünsche, wo beste Kontakte sind und wo der Informationsfluss ungebrochen ist.

Das Zweite: Ich habe Ihnen eine klare Antwort gegeben auf die Frage: Ist es einklagbar? Ich habe Ihnen gesagt: Nein, ganz schlicht und einfach nein. Wenn Sie mir unterstellen, wie gehört, dass ich den Wunsch habe, die Studienbeiträge zu erhöhen, dann muss ich sagen, das weise ich auf das Schärfste zurück, Herr Kollege. Diese 5 000 S sind ein Beitrag, aber nicht einklagbar. Und diese Antwort habe ich Ihnen gegeben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Dritte: Bezüglich der berufstätigen Studierenden. Ich frage mich wirklich, was diese alte Ideologie, wonach dann, wenn jemand berufstätig ist, alles zum Nulltarif sein soll, überhaupt soll. Fragen Sie einmal jemanden, der eine Meisterprüfung neben seinem Beruf macht, was er bei den verschiedenen Institutionen für die Meisterprüfungskurse zahlt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Fragen Sie einmal berufstätige Angestellte, die beim bfi oder bei der Arbeiterkammer einen europäischen Computerführerschein machen, was die dafür zahlen! Wir sorgen dafür, dass die Schüler in den Schulen das günstiger bekommen.

Wir haben auch das Stipendium für die Berufstätigen für den Abschluss ihres Studiums auf drei Semester verlängert. Die können es in Anspruch nehmen, können drei Semester ein Stipendium beziehen, damit sie ihr Studium fertig machen können, und nicht ein geringes Stipendium.

Es gibt weitere Überlegungen, wie Herr Kollege Graf gesagt hat, dass wir uns besondere Fälle gemeinsam anschauen, dass wir in besonderen Fällen auch darüber diskutieren, welche zusätzlichen Möglichkeiten es gibt, ob es Möglichkeiten im Rahmen des Steuerrechtes oder andere Möglichkeiten gibt. Das muss man allumfassend diskutieren. Aber der alten Ideologie, wonach für jemanden, der berufstätig ist, besonders im Bereich der Universitäten und der Fachhochschulen alles zum Nulltarif sein müsse, hänge ich nicht an.

Nun noch ein Wort zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Grünewald. Festgeschrieben ist der klinische Mehraufwand im Krankenanstaltengesetz. Das ist keine lose Vereinbarung, dieser ist im Krankenanstaltengesetz festgeschrieben. Wir sind derzeit mit der Stadt Wien in einem Diskussionsprozess darüber, die Führung einer Klinik neu zu organisieren, und zwar in Form einer GesmbH, wo auch diejenigen, die so wertvolle Dienstleistungen erbringen, nämlich die Universitätsprofessoren, die Kliniker, und diejenigen, die viel einzahlen, nämlich das Ministerium, einen entsprechenden Anteil an der Betriebsführung und an der Verantwortung für dieses Klinikum haben.

Bei Ihren Ausführungen hat es für mich den Anschein, als ob Sie beim verkehrten Ende anfangen. Sie fürchten die Selbständigkeit, Sie fürchten die eigene Verantwortung. Sie wollen unter dem Schutzmantel der großen Universität weiterhin beschützt, aber autonom Ihren Weg gehen. Sie wollen nicht ganz zur Uni gehören, denn Sie wollen ja nicht, dass Sie in die Systematik des neuen Gesetzes hineinfallen, nämlich dass die Universität selbst ihre Organisationsform bestimmt. Sie wollen alle Eigenbestimmungen behalten, aber trotzdem zu der neuen Uni gehören. Das ist halt so, man kann nicht alles haben. Man kann nicht den Euro haben und gleichzeitig auch das Stück Brot, das man für den Euro bekommt. Beides geht einfach nicht.


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Wenn man selbständig sein will, dann darf man sich vor der Verantwortung auch nicht fürchten. Sie haben auch einen ganz anderen Stellenwert bei der Betriebsführung der Klinik, bei der Mitarbeit bei der Betriebsführung, wenn Sie eine Eigenständigkeit haben. Es geht aber nicht, dass die Universitäten Rechtspersönlichkeit haben und Sie auch Rechtspersönlichkeit haben. Dann wird halt die große Universität den medizinischen Bereich in Zukunft auch in einer Betriebsführung vertreten. Also ich meine, wir müssen uns da schon im Klaren sein, was wir wollen.

Gerade in diesem Bereich sind viele Gespräche geführt worden, auch mit dem Kollegen van Staa – nächste Woche hat er wieder einen Termin – wie mit allen anderen, die in diesen Bereichen etwas zu sagen haben und etwas wissen.

Dann gibt es halt auch solche, die sagen, wir halten es für richtig, dass wir eigenständig unsere Interessen auch gegenüber einer Klinikbetriebsführung vertreten können. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass plötzlich Gelder anders fließen. Die Fakultät bleibt als Teil der Universität bestehen. Da sind die Universitätsprofessoren die wichtigen Leute.

Dass Sie einem Rektor einer zukünftigen medizinischen Universität keinerlei Objektivität zutrauen, das macht mich schon ein bisschen unsicher in dieser ganzen Argumentation. Ich lade Sie sehr gerne zu einem Gespräch ein. Ich lade Sie auch sehr gerne dazu ein, dass wir das noch einmal vernünftig mit allen Für und Wider durchdiskutieren. Und ich glaube, dass wir dann doch letztendlich zu einer guten Entscheidung kommen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. – Bitte, beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen, Herr Abgeordneter.

12.19

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich muss in zwei Angelegenheiten tatsächlich berichtigen: Zum einen haben mir – bei Kollegen Graf beginnend bis jetzt zur Frau Ministerin – Redner von Ihnen vorgeworfen, ich hätte Ihnen Gesprächsverweigerung unterstellt. – Ich habe Ihnen nicht generelle Gesprächsverweigerung unterstellt, sondern habe ein ganz konkretes Gespräch, nämlich die letzte Universitätsplattform erwähnt, wo Sie nicht dabeigewesen sind, und auch erklärt, dass wir uns das in Zukunft nicht mehr so gefallen lassen.

Das Zweite: Die Frau Ministerin hat konkret jetzt gesagt, dass noch nie so viel über eine Universitätsreform diskutiert worden sei wie über diese Universitätsreform. Ich stelle dazu richtig: Möglicherweise wird im Wissenschaftsbereich mehr diskutiert als in anderen Bereichen, aber 1975 unter der sozialdemokratischen Alleinregierung, wo wir allein das Gesetz hätten beschließen können, hat es 25 Unterausschusssitzungen mit insgesamt 125 Stunden für die Beratung des UOG 1975 gegeben. Und davon sind wir noch weit entfernt, Frau Ministerin. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Das war jetzt eine tatsächliche Bestätigung!)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.20

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Wenn Sie jetzt anlässlich der Änderung des Universitäts-Studiengesetzes in Antwort auf die Darstellung von Problemen durch Herrn Dr. Grünewald auf die medizinischen Fakultäten beziehungsweise auf deren Ausgliederung und Bildung einer eigenen Universität eingegangen sind, möchte ich dies bekräftigen und auch den Wunsch der Tiroler Medizinischen Fakultät überbringen. Man will keine Ausgliederung, man will innerhalb der Universität bleiben, man will diese Art der Gesamtuniversität. Überlegen Sie sich, dass Sie nicht gegen die gesamten Universitätsangehörigen agieren sollten.


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95. Sitzung / Seite 68

Ich bin froh, wenn Sie Gesprächsbereitschaft bekunden und sagen, hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und dass Sie die Gespräche führen werden. Man kann nicht einerseits sagen, für die Autonomie der Universitäten zu sein, anderseits aber dann, wenn sie das erste Mal Autonomie ausprobieren würden, indem sie eben sagen, wir entscheiden uns in Innsbruck so, dass die Medizinische Fakultät Teil der Universität bleibt, sagen, dass das nicht passieren soll. Frau Ministerin! In diesem Sinne noch einmal ein Appell an Sie, dass in Innsbruck die Medizinische Fakultät Teil der Gesamtuniversität bleibt.

Doch nun zum Universitäts-Studiengesetz, zu der Änderung, die wir heute abzustimmen haben. Diese Änderungen sind notwendig, wenn auch geringfügig. Die Diskussionen hinter diesen Geringfügigkeiten könnten jedoch Bände füllen. In der Begründung für die Verlängerung von Fristen in Bezug auf die Verlautbarung von Studienplänen wird festgestellt, dass sich viele Studienkommissionen noch nicht sicher sind, ob sie eine Studienrichtung in der bisherigen Form eines Diplomstudiums anbieten oder auf das neue System der Bakkalaureats- und Magisterstudien umsteigen wollen.

Jetzt sind es bald fünf Jahre her, dass dieses Gesetz nicht in Diskussion, sondern schon in Kraft getreten ist. Die Diskussion zu diesem Problembereich, zu diesen Studienordnungen, ist viel älter und tiefergreifend. Das Bedauerliche ist, dass sie in Österreich nie wirklich umfassend geführt wurde. Durch das Bakkalaureatsstudium, sehr geehrte Damen und Herren, wird doch ein Systemwechsel an den Universitäten endgültig vollzogen.

War das Selbstverständnis der Universitäten über Jahrhunderte so, dass sie Studierende in erster Linie für die Wissenschaft auszubilden hatten, so dient das Bakkalaureat in erster Linie der Berufsausbildung. Dieser Paradigmenwechsel von der Ausbildung für die Wissenschaft, für die Gesamtheit eines Gebietes zur Ausbildung von mehr oder weniger guten Fachleuten fällt vielen Universitätslehrern aus ihrem Selbstverständnis heraus schwer.

Dass zum Beispiel an den sozialwissenschaftlichen Fakultäten die allumfassende Volkswirtschaft zugunsten der Betriebswirtschaft massiv an Bedeutung verliert und dass Soziologie dort fast keine Rolle mehr spielt, zeigt deutlich den Wandel der Universitäten zu letztbildenden hohen Schulen.

Mit dem Bakkalaureat wurden die letzten Studienrichtungen mit dem Phänomen eines Berufsbildes konfrontiert. Es ist nämlich, sehr geehrte Damen und Herren, nicht möglich, in sechs Semestern jemanden zu einer Wissenschaftlerin, zu einem Wissenschaftler auszubilden. Es ist aber in dieser Zeit möglich, jemandem die Grundausbildung für einen Beruf zu vermitteln.

Die Universitäten müssen im Rahmen des Universitäts-Studiengesetzes in Wirklichkeit entscheiden, ob sie das Bakkalaureat wollen oder ob sie weiterhin nur ein Diplomstudium anbieten. Diese Entscheidung braucht Zeit. Geben wir den Universitäten diese Zeit, denn das heißt – das muss uns auch bewusst sein, darüber müssen wir uns im Klaren sein – für die Universitäten auch langsam Abschied zu nehmen vom Humboldt’schen Bildungssystem und Bildungsbegriff. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum zweiten Punkt, zur Fristverlängerung der Übergangsbestimmungen um ein Jahr, nämlich von 2002 auf 2003. Damit bekommen jene Studierenden, die oft landläufig Langzeitstudierende, ewige Studenten, verkrachte Studenten genannt werden, eine letzte Chance. Diese Studenten studieren nach wie vor in sehr alten Studienordnungen, die mit den neuen Studienordnungen nicht mehr kompatibel sind. Für diese gar nicht so kleine Gruppe wäre die Deadline der 30. September dieses Jahres gewesen. Nun bekommen sie eine Fristerstreckung, das ist gut so und auch notwendig für diese Menschen.

Jetzt bin ich bei den berufstätigen Studierenden. In dieser Gruppe gibt es, sehr geehrte Frau Ministerin, sehr viele berufstätige Studierende, die inzwischen in ihrem Beruf sehr erfolgreich sind, die oft sehr hohe Steuern zahlen. Dass jene noch eine Möglichkeit haben, das finde ich gut, richtig und in Ordnung.


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95. Sitzung / Seite 69

Zu den berufstätigen Studierenden, so wie Sie es hier abgehandelt haben, möchte ich auch etwas sagen. Ich bin froh darüber, dass es ein Abschluss-Stipendium für berufstätige Studierende gibt, und habe in dieser Arbeitsgruppe mitgearbeitet. Das wurde in der letzten Legislaturperiode noch eingeführt. (Bundesministerin Gehrer: Wir haben verlängert!) Sie haben verlängert, ich weiß das schon. Aber der Grundstein dafür, dass man die berufstätigen Studierenden überhaupt einmal wahrgenommen hat, wurde noch in der letzten Legislaturperiode gelegt. Da wurde das dankenswerterweise erarbeitet und hier beschlossen. Es ist eine wichtige Gruppe, denn wir wissen, dass zwei Drittel der Studierenden einen Beruf ausüben. Daher ist das notwendig, wichtig und richtig. Es sind nicht die Faulsten, sondern es sind die – die FPÖ würde sagen – Anständigen, Fleißigen, die neben ihrem Beruf ein Studium absolvieren, oft auch Familie haben und das wirklich bravourös machen.

Jetzt fällt mir Herr Innerhofer ein. Dieser Schriftsteller, der vor kurzem verstorben ist, hat in seinem dritten Buch "Die großen Wörter" zum Beispiel apostrophiert, wie es ihm auf dem zweiten Bildungsweg ergangen ist. Er hat zwar das Studium dann beendet, allerdings ist die Berufslaufbahn immer schwieriger geworden. Wenn ich mich recht erinnere, hat er irgendwo als Packerlschupfer, landläufig gesagt, geendet. Natürlich leidet etwas darunter, diese Menschen soll man fördern, diese Talente gehören entsprechend gewürdigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss möchte ich noch sagen – ich habe es zufällig gehört und gesehen –, der sehr begabte Künstler und Kabarettist Alfred Dorfer zählt auch zu dieser Gruppe, die noch ein Jahr Fristverlängerung erfährt. Nun hat sich Herr Dorfer geoutet und gesagt, ihm fehlt noch die eine oder andere Prüfung, der eine oder andere Teil für seine Doktorarbeit und er weiß, dass es im Bekanntenkreis einige, nicht so wenige gibt, die auch das gleiche Problem haben und vielleicht durch diesen letzten Anstoß das Studium beenden wollen. Ich hoffe, dass es ihnen gelingt. Was andererseits Herr Dorfer auch noch gemacht hat, ist, dass er ein Stipendium zur Verfügung gestellt hat, ein Stipendium für diejenigen, die sich jetzt einen letzten Anstoß geben. Er zahlt ihnen, damit sie doch studieren können, die Studiengebühren. Dass das notwendig ist, ist auf die Bildungspolitik zurückzuführen, mit der ich in diesem Sinn nicht einverstanden bin. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

12.29

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine scheinbar harmlose kleine Wissenschaftsmaterie, konsensual, Zustimmung rundherum. Was geschieht eigentlich und was geschah bei Zwischenbemerkungen?

Wir reparieren ein Studiengesetz, das im Jahre 1997 überfallsartig, ohne große Vorbereitungen den Universitäten die Bakkalaureate angeboten hat. Ich habe meinen diesbezüglichen Redebeitrag hier. Wir haben damals von unserer Seite aus gewarnt, man möge diese Reform den Universitäten nicht von oben aufs Auge drücken, sondern die Möglichkeit schaffen, den Bedarf zu eruieren und die Universitäten bei der Erarbeitung dieses Gesetzes zu unterstützen. Das ist nicht passiert, man ist drübergefahren, und jetzt reparieren wir. Jetzt verlängern wir um ein Jahr und geben den Studienkommissionen weiter die Möglichkeit, die Studienrichtungen einzurichten.

Dabei frage ich mich: Ist es wirklich Aufgabe des Gesetzgebers, mit Terminvorgaben die Universitäten und Studienkommissionen zu zügeln und ihnen auf den Tag genau vorzugeben, wann sie zu reagieren haben?

Im Grunde ist diese Debatte eine fundamentale Bestätigung der Notwendigkeit einer Universitätsreform, der Universitätsautonomie, die wir geben wollen, und es ist mit Sicherheit die letzte derartige Debatte hier. Wir sollten sie in diesem Rahmen, in diesem Zusammenhang tatsächlich nicht führen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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95. Sitzung / Seite 70

Herr Niederwieser hat die Debatte zu einer Pflichtmeldung genützt, ein Schlag in unsere Richtung hin, man hätte nicht ausreichend Möglichkeit gehabt zu debattieren, was jetzt das Universitätsgesetz betrifft. Sie haben eine Plattform angesprochen, die aus Ihrer Sicht von unserer Seite zu wenig aktiv unterstützt wurde, sagen wir es einmal so.

Herr Dr. Niederwieser! Dieses Forum wurde eingerichtet, damit sich dort die Interessenvertreter der Universitäten zu Wort melden und mit Vertretern des Ministeriums – das war ja prominent vertreten – über ihre Ansichten über den momentanen Reformstand diskutieren. Ich war dort als Zuhörer, ich habe mich als solcher gefühlt und habe interessiert dem Rektor der Rektorenkonferenz, dem ÖH-Vertreter, den Standesvertretern zugehört.

Was haben Sie gemacht, Herr Kollege Niederwieser, und was hat Herr Dr. Grünewald getan? – Nach kürzester Zeit haben Sie dieses Forum für oppositionspolitische Meldungen vereinnahmt. Herr Niederwieser ist so weit gegangen, dass er dort eine Abstimmung provozieren wollte, um zu erreichen, dass eine einhellige Ablehnung der Ausgliederung der medizinischen Fakultäten stattfindet. Es handelt sich um ein Gremium, das keine Beschlussfassungskompetenz hat, ja gar nicht haben soll, sondern das uns informieren sollte, wie die einzelnen Vertreter der Universitäten das Gesetz in seiner derzeitigen Formulierung sehen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Dr. Niederwieser hat nicht zugehört, sondern er hat aus oppositioneller Sicht eingegriffen, hat dieses Gremium zu vereinnahmen versucht und sogar zu einer Abstimmung aufgerufen. Ich konnte diese Abstimmung verhindern und habe Ihnen auch gesagt, wie wenig Autonomie ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )  – Lassen Sie diese Gestik besser beiseite! Ich habe es Ihnen vor Ort gesagt, dass Sie ein etwas gestörtes Verhältnis zur Autonomie haben, nach welcher die Universitäten fragten. Es war im Übrigen kein Vertreter einer medizinischen Fakultät anwesend, als über ihre Köpfe hinweg entschieden oder abgestimmt hätte werden sollen, und zwar in einem Gremium, in dem das gar nicht vorgesehen war. Als Sie da soweit gegangen sind, habe ich als Vertreter von Martin Graf dieses Gremium schlussendlich gegen 20 Uhr verlassen, und dafür brauche ich mich Ihnen gegenüber nicht zu rechtfertigen. Wir nehmen die Diskussion ernst. Tun Sie das bitte auch und vergessen Sie auf dieses oppositionelle Geplapper!

Herrn Dr. Grünewald, der sich da auch sehr in den Vordergrund gemischt hat, um schützend die Hand auf die Volluniversität vor allem in Innsbruck zu legen, möchte ich fragen: Haben Sie vergessen, Herr Grünewald – es wurde heute angesprochen –, was vor dem UOG 1993 war, gegen das Sie so heftig aufgetreten sind und das Sie jetzt so verteidigen? Und jetzt klammern Sie sich fest und sagen: nur nicht schnell ein neues Gesetz, das Vollrechtsfähigkeit vorsieht, vor der haben wir nämlich Angst.

Sie hat das richtig gesehen, die Frau Bundesministerin. Freilich haben Sie Angst vor der Verantwortung, und Sie möchten alle Schutzmechanismen für die Universitäten erhalten haben, aber die Entscheidungsmechanismen und die Verantwortung woanders hinschieben. Sie waren damals gegen das UOG 1993, Sie waren für die Ausgliederung der medizinischen Fakultäten und für die selbständige medizinische Universität. Und jetzt machen Sie Ihren Slalomlauf in der Gegenrichtung weiter.

Was spricht dagegen, dass die medizinischen Fakultäten eine Mitsprachemöglichkeit bei dieser Entscheidung haben? Was spricht dagegen, dass die Autonomie auch diesbezüglich zur Universität hin verlagert wird? Warum müssen und sollen wir von oben oktroyieren? Das tun wir nicht! Wir nehmen die Autonomie der Universitäten ernst.

Sie haben bei dieser Plattform – vor allem Kollege Niederwieser – geradezu Denkverbot in Richtung einer Ausgliederung der medizinischen Universität verordnet. Dagegen sind wir. Wir verordnen nicht Denkverbot, es gibt gute Gründe, diese Entscheidung für eine Selbständigkeit zu treffen. Es gibt auch Gründe dafür, die Universitas zu erhalten. Aber wägen wir diese gegeneinander ab, und erteilen wir nicht Denkverbot! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.35


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95. Sitzung / Seite 71

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

12.35

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Auch ich will Richtigstellungen vornehmen, zumindest für das Protokoll. Die dritte Uni-Plattform war für den 19. Februar, 16 Uhr, eingeladen. Man konnte davon ausgehen, dass sie wie die vorhergehenden etwa drei bis vier Stunden dauern würde. Als ich wegen universitärer Verpflichtung erst um 17 Uhr dazustieß, musste ich erkennen, dass bis 19 Uhr eine Tagesordnungs- und Formaldiskussion geführt wurde. Ich würde, ohne dass ich zu streng qualifiziere, sagen, die Diskussion hat sich derart verzettelt und ist nicht auf den Punkt gekommen, sodass erst um 19 Uhr mit der vorgesehenen, das heißt eigentlichen Tagesordnung begonnen wurde.

Ich habe auf Basis der Planung und Erfahrungen der vorangegangenen Plattformen um 20 Uhr einen weiteren Termin eingeteilt und daher diese Sitzung, deren Beginn mit 16 Uhr angesetzt war, um 20 Uhr verlassen müssen. Es tut mir Leid, dass sich Universitätsfunktionäre und Organe der Universität etwa drei Stunden nur in formalen und, ich sage einmal, unqualifizierten Hickhacks ergangen haben und es nicht schon vorher zu einer inhaltlichen Diskussion gekommen ist. – Ich lege Wert darauf, dass das im Protokoll festgehalten ist.

Ich erinnere mich auch – ich konnte es in der Schnelligkeit nicht recherchieren – an eine Aussendung Niederwiesers, der gesagt hat, noch nie ist im Zusammenhang mit einer Universitätsreform so viel diskutiert worden wie bei dieser hier. Es wird mir schon bis zum Ende des Tages gelingen, diese Ausssendung zu identifizieren. Laut "Österreichischer Hochschulzeitung" hat er – Niederwieser – bei Antritt seiner Sprecherfunktion gesagt – ich zitiere ihn selbst –: Wirkliche Uni-Autonomie in fünf Jahren! – Das war 1997. Also er selbst ist von diesem Zeitraum ausgegangen. Bitte nehmen Sie sich selbst ernst, Herr Kollege! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung. Stellen Sie dieser Behauptung den berichtigten Sachverhalt gegenüber.

12.38

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Abgeordneter Grollitsch hat behauptet, ich hätte ein Denkverbot ausgesprochen. – Das ist unrichtig!

Weder ich noch die Rektorenkonferenz noch andere Kritiker haben dieses Verbot ausgesprochen. Jenen, die nicht denken können und wollen, kann man es auch nicht verbieten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1014 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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95. Sitzung / Seite 72

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

3. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (902 der Beilagen): Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus samt Anlage (996 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Posch mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 6 Minuten. – Bitte.

12.39

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Das gegenständliche Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus ergänzt bestehende internationale Regelungen zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Vorlage sieht insbesondere die Kriminalisierung der Finanzierung von Straftaten vor, wobei sich die Vertragsparteien verpflichten, solche Taten innerstaatlich unter Strafe zu stellen und Maßnahmen zur Einfrierung oder Beschlagnahme von für die Durchführung von terroristischen Straftaten vorgesehenen Geldmitteln zu treffen.

Grundsätzlich stellt dabei das Übereinkommen die Finanzierung und die Anstiftung zu beziehungsweise die Beteiligung an einer Finanzierung von terroristischen Akten unter Strafe.

Zur Bekämpfung des Terrors gehört aber nicht nur eine verengte technische oder militärische Sicht auf den Terrorismus, sondern auch eine grundsätzliche politische Analyse. Eine dauerhafte Eindämmung von Gewalt und Gegengewalt kann nur dann gelingen, wenn sie mit einer Regelung der materiellen und politischen Fragen einhergeht. Insbesondere die politischen, strategischen und ökonomischen Interessen in der Nahostregion legen eine Neuorientierung dieser Politik nahe.

Es ist auch ein gewisses Verantwortungsbewusstsein der Ersten Welt gefordert, der Hinweis auf das Verhalten der früheren Kolonialmächte, wie sie mit ihren ehemaligen Kolonien umgegangen sind, der Hinweis auf die jahrzehntelange Behandlung von ganzen Staaten und Weltregionen als Hinterhöfe, in denen man schalten und walten konnte. Aber auch die Frage der Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und Internationalem Währungsfonds sind grundsätzlich zu hinterfragen.

In Durban hat die UN-Weltkonferenz gegen Rassismus festgestellt – ich zitiere –:

"Die Weltkonferenz gibt zu und bedauert zutiefst das Millionen Männern, Frauen und Kindern durch Sklaverei, Sklavenhandel und transatlantischen Sklavenhandel, Apartheid, Völkermord und vergangene Tragödien zugefügte und unbeachtete Leid und Übel."

Man hat sich also zu einer Entschuldigung durchgerungen, nur kosten darf sie nichts. Daher darf man sich nicht wundern, wenn es in der arabischen Welt unterschiedliche Wahrnehmungsformen des Westens gibt: auf der einen Seite der reiche, fortschrittliche und mächtige Westen und auf der anderen Seite aber auch ein Westen, der als machtpolitische oder ideologisch-kulturelle Bedrohung empfunden wird.

Aber ein echter Dialog kann nur von Gleich zu Gleich stattfinden. Beide Seiten müssen bereit sein, sich den Fragen zu stellen. Ein echter Dialog ist nur möglich unter Gleichberechtigten. Unter einem Dialog von Gleich zu Gleich, Frau Bundesminister, stellen wir uns das nicht vor. (Der Redner stellt ein vergrößertes Foto, auf dem Landeshauptmann Haider und Saddam Hus


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sein zu sehen sind, auf das Rednerpult.) Unter dem Dialog von Gleich und Gleich und unter Terrorbekämpfung stellen wir uns dieses Treffen nicht vor – abgesehen vom Status der Betroffenen.

Frau Bundesminister! Sie waren gestern auf einer Reise – wir wussten das –, Sie waren leider nicht hier, aber wenn man von Terrorbekämpfung redet, dann muss man in diesem Zusammenhang schon eine Frage stellen – und Sie haben sich ja auch im Außenpolitischen Ausschuss dazu geäußert –: Wenn bereits am 16. Jänner ein Ansuchen auf Erteilung einer Fluggenehmigung gestellt wurde, das vom Sanktionenkomitee abgelehnt wurde, wenn am 28. Jänner ein neuerliches Ansuchen gestellt wurde, wenn am 24. Jänner in der Zeitschrift "NEWS" berichtet wurde, dass Haider seine geplante Reise zu Saddam Hussein nur kurz verschoben habe, und derselbe in der "ZiB 1" am 13. Februar behauptet, man habe die Sache innerhalb der Regierung koordiniert, und später erklärt, das Außenministerium sei unterrichtet gewesen, und laut "NEWS" vom 21. Februar die österreichische Mission behauptet, Kopien des Ansuchens auf Erteilung einer Fluggenehmigung unverzüglich dem Außenamt zugesandt zu haben, wobei eine Kopie davon Ihr Kabinettschef, Herr Botschafter Wolfgang Loibl, erhalten habe (Abg. Ing. Westenthaler: ... Themaverfehlung!), dann muss man, wenn man von Terrorbekämpfung und von der Rolle des Terrorismus in der Welt redet und darüber, wie man mit Terroristen umgeht, schon feststellen, Frau Bundesminister, dass eigentlich schon im Jänner die Alarmglocken läuten hätten müssen, und man muss fragen: Wie halten Sie es mit der Koordination, Information und Krisenprävention in Ihrem Ministerium, und wie halten Sie es vor allem mit Ihrem Kabinettschef?

Was im Zusammenhang mit dieser monströsen Reise in den Irak weiters offen bleibt, ist die Frage, ob die "liebenswürdige" Überbringung der Grüße des österreichischen Volkes (Abg. Dietachmayr: Meine Grüße waren es nicht!) und die Versicherung der Solidarität der Österreicher mit dem Volk des Irak und seiner weisen Führung mit Ihnen abgesprochen war oder in Ihrem Auftrag erfolgt ist oder ob das auch dem humanitären Charakter dieser Reise zuzurechnen ist.

Daher glauben wir, dass ein Untersuchungsausschuss des Landes Kärnten ein positives Instrument ist, um den Terrorismus und Ansätze zu Terrorismus zu bekämpfen, vor allem auch dort, wo sie im eigenen Land erfolgen. Landesrat Wurmitzer hat sich politisch immer sehr konsequent geäußert, sehr konsequent verhalten, auch was die Einschätzung von Landeshauptmann Haider anbelangt. (Abg. Ing. Westenthaler: Posch ist Fan von Wurmitzer! Das "Duo infernal" Posch und Wurmitzer!) Dieser Untersuchungsausschuss wird Licht ins Dunkel bringen: Wie wurden die Hilfsmittel finanziert? Wer hat die Kosten der Reise finanziert? (Abg. Mag. Schweitzer: ... Wurmitzer ... "Vorkämpfer im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismus"? – Über das diskutieren wir nämlich! Zur Sache! Zur Sache!) Stimmt es, wie Bundesrat John Gudenus von der FPÖ behauptet hat, dass die Reise vom mehrmals vorbestraften irakischen Waffenhändler Abdul Moneim Jebara angebahnt wurde? Wer hat die Kosten dieser Reise finanziert?

Der Untersuchungsausschuss hat sich selbst folgenden Auftrag gegeben: die Überprüfung des Zwecks und des Charakters dieser Reisen, der Reiseteilnehmer, der Kontakte, der Frage, ob Rechtsvorschriften verletzt wurden, des Gesamtaufwandes, der Fragen, welche Gegenleistungen von Haider erbracht wurden und welchen Schaden diese Reisetätigkeit für das Land Kärnten verursacht hat.

Der Ausschuss wird – das kann man jetzt schon vorwegnehmen – zu folgendem Ergebnis kommen: Der Zweck dieser Reise (der Redner hält das Foto in Richtung der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner – Abg. Ing. Westenthaler: Ich glaube, der Posch hat das auf dem Nachtkastl stehen!) war kein humanitärer und auch kein privater. Der Zweck dieser Reise ergibt sich vielmehr daraus: Er wäre so gern ein Staatsmann – ein richtiger, mit Fahne, mit Parade, Brimborium –, er hat nur ein Pech: Keiner setzt sich zu ihm auf das Stockerl außer dem Saddam Hussein, dem Muammar Gaddafi und dem Wolfgang Schüssel – der hat auch keine Berührungsängste, aber möglicherweise bald ein politisches Problem.


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(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler  – auf das Foto weisend –: Posch, das hast du im Schlafzimmer hängen! Oder ein kleines von Saddam Hussein auf dem Nachtkastl?)

12.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

12.47

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war schwierig, der Rede des Kollegen Posch zu folgen, aber ich habe es versucht und konnte seiner Rede entnehmen, dass er und Kollege Wurmitzer die Frontkämpfer waren, als es darum ging, Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus umzusetzen. Um dieses Thema geht es nämlich hier, Herr Kollege Posch, auch wenn Sie kein Wort dazu gesagt haben – wahrscheinlich deshalb, weil Sie sich mit dem, was hier zur Diskussion steht, nicht wirklich befasst haben. Bei Ihnen geht es in einer Einbahnstraße dahin. Die ist sehr eng, sie geht in die falsche Richtung, aber das macht uns weiter nichts. Die Ergebnisse, die Sie präsentiert bekommen, sind deshalb so, weil Sie diese Einbahnstraße nicht verlassen können.

Hier geht es um die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, und hiezu muss festgestellt werden – und vielleicht sind wir wenigstens darin einer Meinung –, dass der Kampf gegen den Terror – und das habe ich, glaube ich, aus den einleitenden Worten herausgehört – kein Konflikt mit Staaten oder Völkern sein darf, sondern sich darauf konzentrieren muss, tatsächlich Terroristen zu bekämpfen.

Vor allem – und auch das habe ich, glaube ich, bei Ihnen herausgehört – darf er kein Kampf der westlichen Welt gegen die islamische Welt sein, so wie er manchmal darzustellen versucht wird und wie er manchmal auch tatsächlich stattfindet. Klar muss aber sein: Wer Terrorismus fördert und unterstützt, wer Hintermänner beherbergt oder deckt, wer diesen gestattet, terroristische Netzwerke aufzubauen und diese zu betreiben, muss auch zukünftig zur Rechenschaft gezogen werden.

Aber es ist alles daranzusetzen, dass das in Zukunft nicht mehr notwendig ist, dass militärische Einsätze, wie es sie leider schon allzu oft gegeben hat, in Zukunft nicht mehr erfolgen müssen, dass diese endgültig der Vergangenheit angehören, weil die internationale Staatengemeinschaft Mechanismen entwickelt hat, die es verhindern, dass solche Netzwerke entstehen.

Ich glaube, mit der Umsetzung dieses Abkommens schafft man Instrumente, die verhindern, dass Netzwerke international entstehen können, indem man ihnen vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten entzieht. Dafür sind nun Möglichkeiten geschaffen, und es erfolgt in diesem Bereich insbesondere durch eine Verschärfung des Strafrechtes auch eine ganz andere Ahndung als bisher.

In Österreich wurden diesbezüglich bereits zahlreiche Vorarbeiten geleistet. Es wird all das umgesetzt, was international vorgesehen ist. Diese Regierung leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, dass in Hinkunft internationale Terrornetze, so wie sie jetzt existiert haben, nicht mehr existieren können, vor allem dadurch, dass ihnen mit diesen Maßnahmen die Finanzierungsgrundlage hoffentlich endgültig entzogen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. (Abg. Dr. Cap  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Spindelegger –: ... die Irak-Reise? Gelungen?)

12.51

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir haben es hier tatsächlich mit einem sehr wichtigen Thema zu tun, Herr Kollege Cap – auch wenn Sie sich gerne mit anderem beschäftigen. Die Bekämpfung des Terrorismus ist für Österreich auch ein Markenzeichen in


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seiner Politik geworden. Ich glaube, darin ist sich das ganze Haus einig, dass wir uns in dieser Frage in keiner Weise auseinander dividieren lassen – wir und all jene Staaten, die den Terrorismus bekämpfen wollen. Wir bekennen uns dazu, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich hoffe, dass auch die SPÖ das tut.

Nach dem 11. September des letzten Jahres gab es auf der ganzen Welt nicht nur Erschütterung, sondern auch die Bereitschaft, tatsächlich massive Schritte gegen den Terrorismus zu setzen. Aber wie wir alle wissen, beginnt mit einem gewissen Zeitabstand auch hier wieder die Normalität einzukehren. Das darf uns aber absolut nicht daran hindern, alle Maßnahmen zu setzen, um vor allem die Finanzquellen des Terrorismus schonungslos aufzudecken und diejenigen, die sie bereitstellen, auch streng zu bestrafen. Das ist der Zweck dieses Abkommens.

Ich denke, wir haben hier auch einen sehr guten Beitrag geleistet. Österreich hat sich in die Front derer, die den Terrorismus ganz aktiv bekämpfen wollen, voll eingereiht, sich voll hinter dieses Ziel gestellt. Wir haben auch Tönen, die auch in diesem Haus geäußert wurden, nicht unser Gehör geschenkt – ich erinnere daran, dass uns die Grünen zum Beispiel erklärt haben, man soll hier eine Sonderrolle einnehmen, keine Überflüge über Österreich gestatten et cetera. Ich bin froh, das sich Österreich ganz klar positioniert hat, nämlich in Richtung Bekämpfung des Terrorismus. Das wird mittlerweile auch von der Staatengemeinschaft anerkannt.

Ich denke, dass wir uns, nach einer einstimmigen Beschlussfassung im Ausschuss, jetzt auch in diesem Haus mit einem deutlichen Votum klar dazu bekennen sollen, durch eine rasche Ratifikation dazu beizutragen, dass dieses Übereinkommen, dieser Staatsvertrag in Kraft treten kann.

Ich darf daran erinnern, dass die Ratifikation durch 22 Staaten nötig ist, damit die Bestimmungen auch wirklich in Geltung treten. Bisher ist diese Zahl noch nicht erreicht, und wir Österreicher können durch eine rasche Beschlussfassung dazu beitragen, dass die In-Kraft-Tretens-Formel sehr schnell wirksam wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch erwähnen, dass bei allen Kontakten, die es auf Regierungsebene, aber auch mit nationalen Abgeordneten gegeben hat, die Rolle, die Österreich in der Bekämpfung des Terrorismus gespielt hat, sehr positiv beurteilt worden ist.

Ich freue mich darüber, denn gerade wir als ein kleines Land, das aber ganz klar gegen diesen Terrorismus Stellung nimmt, sollten in gewisser Weise auch ein Vorbild für alle anderen Länder sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

12.54

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kennen Sie die Länder Usbekistan, Botswana, Sri Lanka und das Vereinigte Königreich – das ist noch am ehesten bekannt? Wissen Sie, was diese vier Länder gemeinsam haben? (Abg. Mag. Schweitzer: Ich kenne sie!) – Was? Sie meinen, Sie kennen sie zumindest im geographischen Sinne? (Abg. Mag. Schweitzer: Nein, diese Länder ...!) – Diese vier Länder waren die Einzigen, die vor dem 11. September des letzten Jahres dieses Abkommen ratifiziert haben – die Einzigen auf der ganzen Welt. Österreich hatte bis zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal unterzeichnet, obwohl dieses Abkommen schon vor damals fast zwei Jahren, nämlich Ende 1999, in der UNO-Generalversammlung beschlossen wurde.

In diesem Punkt war also doch eine gewisse Nachlässigkeit vorhanden, die ich hier sehr wohl erwähnen möchte, denn wie sonst wäre es erklärbar, dass Österreich das nicht früher getan hat? Es wäre doch ein guter Schritt gewesen, das schon zu tun, denn Terrorismus hat es auch schon vor dem 11. September gegeben. Man hätte diesbezüglich also auch schon früher Schritte setzen können. (Abg. Mag. Schweitzer: ... der Cap am Ruder!)


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Nichtsdestotrotz werden wir heute diesem Gesetz zustimmen, und ich finde es durchaus sinnvoll, dass dadurch erstmals die Finanzierung von Terrorismus innerstaatlich unter Strafe gestellt werden kann und dass auch Finanzmittel, die für die Durchführung von terroristischen Straftaten vorgesehen sind, entweder eingefroren oder sogar beschlagnahmt werden können.

Ein kleines Problem gibt es im Zuge dieser Konvention schon, nämlich dass der Terrorismus nicht ganz eindeutig definiert ist. Ich denke, es wäre sinnvoll gewesen, das zu tun. Ich weiß jedoch auch, wie schwierig das ist. Die EU versucht es, die UNO versucht es, sodass es diesbezüglich in nächster Zeit hoffentlich zu einer Festlegung kommen wird.

Aber diese ungenaue Definition lässt auch gewisse Fragen offen, und auf eine davon möchte ich jetzt auch im Detail eingehen, nämlich: Gehören dann nicht auch manche der Aktivitäten des irakischen Diktators Saddam Hussein dazu? Würden nicht auch genau solche Aktivitäten, die er setzt, unter Terrorismus fallen? – Diese Frage könnte man in manchen Dingen sehr wohl mit Ja beantworten.

Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob da eventuell die Gefahr der Beschlagnahme von Geldern der Kärntner Freiheitlichen auftauchen könnte. Was hat denn nach dem, was wir gestern gehört haben, Landeshauptmann Jörg Haider im Gespräch mit Saddam Hussein laut irakischem Fernsehen gesagt? – Er hat gesprochen vom "Wunsch" nach der "gemeinsamen Zusammenarbeit zwischen den befreundeten Parteien Baath-Partei und der FPÖ auf internationaler Ebene".

Frau Ministerin! Da würde ich schon sehr gerne wissen, ob man sich nicht, wenn es um die Frage der Finanzierung von Terrorismus geht, auch die Geldflüsse der Kärntner Freiheitlichen anschauen müsste, ob nicht hier an die irakische Baath-Partei Geld fließt, jene Partei, deren Chef der Kärntner Landeshauptmann die Hand gibt und Grüße des österreichischen Volkes ausrichtet. Hier muss man sich wohl genauer anschauen, ob das nicht auch dazugehört. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Ich muss gleich auf diesen Punkt eingehen. Gerade heute gab es wieder eine Aussendung beziehungsweise einen Bericht der APA, worin der Kärntner Landeshauptmann auf seine gestrige Aussage eingeht: "Wenn es der Kuwait wünscht, werde ich mich wieder einschalten."

Zunächst einmal wäre anzumerken, dass es meines Wissens "Kuwait" heißt, ohne "der" – aber bitte.

Heute gab es, richtigerweise, von Seiten des österreichischen Botschafters in Kuwait die Feststellung, dass Kuwait alle Probleme, die den Irak betreffen, nur mit der UNO bespricht und nicht mit dem Kärntner Landeshauptmann. Haider sagt aber darauf, "ein Minister ist wohl mehr wert als ein Botschafter", und er habe schließlich mit einem Minister in Kuwait gesprochen, und er habe da sozusagen das Sagen.

Frau Ministerin! Was tun Sie dagegen, dass Herr Landeshauptmann Haider hier weiterhin in einer Form vorgeht, als ob er der Außenminister wäre, und Dinge macht, die er nicht mit Ihnen abspricht? Hat er das mit Ihnen vorbesprochen? Haben Sie diesbezüglich mit ihm vielleicht Kontakt aufgenommen, um hier nachzufragen, was er denn da weiter vorhat und wie das aussieht?

Wenn es schon nicht möglich war, dass Sie gestern hier waren (Abg. Mag. Mühlbachler: Aus gutem Grund!), um diese Fragen zu beantworten, und wenn es schon nicht möglich ist, dass wir heute in einer Dringlichen Anfrage diese Fragen an Sie stellen können – die ÖVP spielt sozusagen das Spiel nach dem Motto: Schütze deine Ministerin vor unangenehmen Fragen!, nur, Frau Ministerin, es gelingt nicht ganz –, so werden wir manche dieser Fragen zumindest heute an Sie stellen. Dass Sie sie beantworten werden, darauf hoffe ich zwar, aber ob Sie es tatsächlich tun, das ist natürlich Ihre Sache, das kann ich leider nicht erzwingen.


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Aber um noch einmal zum Thema Terrorismusbekämpfung zurückzukommen: Wie Terrorismus bekämpft wird, hängt wohl auch davon ab, wie in einem Land mit Menschen umgegangen wird, die verurteilte Verbrecher sind, die terroristischer Aktivitäten angeklagt sind. Da gibt es den Fall – Herr Kollege Posch hat ihn schon erwähnt – des Herrn Abdul M. Jebara, der im August 1990 in Deutschland vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, obwohl er zu sechseinhalb Jahren Haft wegen räuberischer Erpressung, wegen geheimdienstlicher Tätigkeit und wegen Waffenschmuggels verurteilt war, und binnen zwei Tagen das Land verlassen musste.

Wissen Sie, wo der verurteilte Waffenhändler Jebara hingegangen ist? – Nach Kärnten! (Heiterkeit des Abg. Dr. Cap. ) Er reiste nach Österreich, nach Kärnten ein (Abg. Mag. Kogler: "Urlaub bei Freunden"!) und hat im November 1990 in Kärnten einen gültigen Sichtvermerk bekommen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) So weit zum Verhalten der Freiheitlichen gegenüber Ausländern. Wenn das verurteilte Waffenhändler sind, dann bekommen sie im Land, wo Haider Landeshauptmann ist, gleich einen Sichtvermerk. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Nicht nur das: Im Juni 1991 erhält Jebara von Landeshauptmann Haider sogar noch eine Gewerbeberechtigung für die Tätigkeit als Import- und Exportkaufmann – nicht von Haider persönlich natürlich, aber er ist als Gewerbebehörde zweiter Instanz dafür zuständig.

Das geschah im Juni 1991, und das obwohl – Frau Ministerin, viele Ihrer Beamten und Beamtinnen leisten ja hervorragende Arbeit! – im Jänner 1991 das Münchner Generalkonsulat nach Wien berichtet: Jebara ist in terroristische Aktivitäten verstrickt. – Derselbe Mann erhält fünf Monate später im Namen des Kärntner Landeshauptmannes eine Gewerbeberechtigung für Import- und Exportaktivitäten: Import von Waffen, Export von Waffen. – Na wunderbar! Das heißt also, die Freiheitlichen schützen einen Waffenhändler!

Frau Ministerin! Ist das Terrorismusbekämpfung, wie Ihr Koalitionspartner, die Freiheitlichen, das betreibt? Ist das Terrorismusbekämpfung, wie Sie sie sich vorstellen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Terrorismusbekämpfung umfasst aber noch andere Dinge. Das bedeutet auch, auf der politischen Ebene aktiv zu sein. Die österreichische Bundesregierung, auch das österreichische Parlament, hat nach dem 11. September den USA volle Unterstützung ausgesprochen – auch mit unserer Unterstützung –, um die Allianz gegen den Terror zu stützen. (Abg. Schwarzenberger: Aber gegen Überflüge!) Aber angesichts dessen, was US-Präsident Bush derzeit ausruft, eine "Achse des Bösen", die er da bekämpfen will – Nordkorea, Iran, Irak –, aber auch eine Politik, bei der er sogar in den Raum stellt, dass diese Länder angegriffen werden, stellt sich für mich schon die Frage, ob ein neutrales Land wie Österreich da nicht in Form einer aktiven Außenpolitik eingreifen sollte und nicht auch gegenüber den Vereinigten Staaten auftreten und sagen sollte (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen): Liebe Leute, beim Iran (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt ist der Widerspruch protokolliert!), da geht es darum, den Reformer Khatami und seine Leute zu unterstützen – jenen Reformer Khatami, der in zwei Wochen nach Österreich kommt –, und da geht es nicht darum, anzudrohen, dass dieses Land angegriffen wird. (Beifall bei den Grünen.)

Hat da die österreichische Außenpolitik – vielleicht haben Sie es getan, ich hoffe es; es wäre toll – im State Departement, bei der US Regierung, bei der Präsidentschaftskanzlei vorgesprochen und gesagt (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt gibt es einen protokollierten Widerspruch! Wissen Sie das?): Liebe Leute, der Iran gehört sicher nicht dazu, der Iran ist ein Land, das sich unter Reformer Khatami in eine andere Richtung bewegt? – Da gibt es noch vieles, das zu kritisieren ist, aber das ist nur auf diplomatischem Wege zu besprechen, und nicht, indem man mit Angriffen droht, wodurch dann diejenigen, die keine Veränderungen wollen, wie Khamenei et cetera, unterstützt werden. (Abg. Wochesländer: Sie widerlegen Ihre eigene Rede!)

Detto mit Nordkorea. – Präsident Bush hat das ja zum Glück zurückgezogen, als er dann an der Grenze gestanden ist und der südkoreanische Präsident ihm anscheinend glaubhaft versichern konnte, dass damit diese Brückenfunktion, die er begonnen hat, seine "Sonnenscheinpolitik"


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zwischen Süd- und Nordkorea gefährdet wird, wenn die USA weiterhin einen Angriff auf Nordkorea androhen.

Aber was den Irak anbelangt, da müsste Österreich sehr wohl auch als neutrales Land an einer sachlichen Debatte über die Sinnhaftigkeit der UN-Sanktionen, ob die denn wirklich noch das richtige Mittel sind, beteiligt sein und hier auch eventuell eine Kritik mit den USA anbringen. (Abg. Mag. Schweitzer: Ja was ist denn jetzt los? Ja was ist jetzt los?)

Aber was geschieht in Österreich? – Das macht nicht die offizielle österreichische Außenpolitik, die macht das nicht, sondern ein Herr Landeshauptmann Haider fährt in den Irak und schüttelt dem Diktator die Hand – schüttelt dem Diktator, der Giftgas auf die eigenen Leute hat sprühen lassen, die Hand! So wird keine Veränderung bewirkt werden, und so wird sich auch an der Situation der armen Bevölkerung, derjenigen, die im Irak hungern und leiden, nichts ändern! Ständig zu behaupten, es wäre eine humanitäre Sache gewesen, das, was Haider uns da ständig vorgaukelt, ist eine Chuzpe! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger.  – Abg. Mag. Schweitzer: Was heißt denn "Chuzpe"? – Abg. Öllinger: Das steht nicht im ...buch! – Abg. Mag. Schweitzer zu Abg. Öllinger – auf die Rednerin weisend –: Ich frage sie! )

Frau Ministerin! Einige der Fragen, die wir Ihnen gerne heute um 15 Uhr gestellt hätten, muss ich Ihnen doch jetzt stellen:

Sie selbst haben mehrere Male erklärt, auch im Ausschuss, dass Sie vor Haiders Antritt der Reise nichts davon gewusst haben. – Hätten Ihre Beamten und Beamtinnen Sie informieren sollen? Die haben es nämlich gewusst! Warum hat es niemand für notwendig gehalten, Sie zu informieren?

Wenn schon vorher nichts geschehen ist: Hat Jörg Haider Sie nach seiner Reise über die Ergebnisse seiner Gespräche mit Saddam Hussein und anderen Gesprächspartnern unterrichtet? (Abg. Böhacker: Das ist ja keine Fragestunde!) Hat er Sie unterrichtet über seine Besuche in irakischen Spitälern oder über seine Bemühungen, Gefangene freizubringen?

Oder, wenn er das auch nicht getan hat – er hat Sie ja vorher auch nicht informiert –: Haben Sie dann von ihm einen Bericht über seine vergangenen Aktivitäten und auch über das, was er in Zukunft plant, nämlich da mit Kuwait etwas zu tun et cetera, angefordert? (Abg. Ing. Westenthaler: Wir sind hier nicht vor dem Richter! Sind Sie Richterin geworden?)

Haben Sie außerdem vor, Frau Ministerin, wirklich einmal all Ihren Beamten und Beamtinnen zu sagen, dass dann, wenn auf irgendeinem Schriftstück oder in irgendeiner mündlichen Information auftaucht, dass Herr Landeshauptmann Haider vorhat, irgendwohin ins Ausland zu reisen, Sie persönlich davon informiert werden müssen, wenn das schon die Leute in Ihrem Kabinett und Ihre Presseleute nicht tun? Haben Sie das jetzt endlich einmal gemacht, um in Zukunft zumindest vorher informiert zu sein, damit Sie vielleicht auch öffentlich sagen können: Nein, diese Reise des Jörg Haider steht nicht im Interesse der österreichischen Außenpolitik!?

Frau Ministerin! Terrorismusbekämpfung kann nicht nur auf dem Papier stattfinden und auch nicht nur über die – wenngleich wichtige und notwendige – Bekämpfung seiner Finanzierung. Österreich wird in seiner Terrorismusbekämpfung auch daran gemessen werden, wie sich prominente Österreicher und Österreicherinnen im Ausland verhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ja, da hat sie wirklich Recht!)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

13.06

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Worum geht es in dieser Debatte heute? – In dieser Debatte geht es um das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus auf Basis der UN-Sicherheitsrats-Resolution 1373.


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Es scheint mir schon wesentlich zu sein, alles zu unternehmen, dass Österreich da bestmöglich dasteht, um den Terrorismus bekämpfen zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher freue ich mich, dass diese einzige Übereinkunft zum Thema Terrorismus, die Österreich noch nicht ratifiziert hat, heute hier im Parlament zur Debatte steht, und ich freue mich auch, dass wir diese Ratifikation nun möglichst schnell in Angriff nehmen, denn der Terrorismus ist ein sehr komplexes Phänomen.

Terrorismus muss auf allen Ebenen bekämpft werden: zum einen im militärischen Bereich – da hat Österreich durch die Genehmigung der Überflüge Flagge gezeigt –, zum anderen dadurch, dass wir heute in Afghanistan am Einsatz der ISAF beteiligt sind. Ebenso wichtig ist der Bereich der Armutsbekämpfung. Wir kommen dazu in der nächsten Debatte, daher werde ich im Rahmen der Diskussion zum Thema EZA dazu Stellung nehmen.

Wir müssen selbstverständlich auch die internationale Kooperation bestmöglichst durchführen, und diese ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur bei der Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Terroristen, sondern auch und ganz besonders in anderen Bereichen notwendig.

Dem Terrorismus muss in jedem Bereich der Boden entzogen werden. Es wird daher, wie Sie wissen, vom Justizminister auch ein Anti-Terror-Paket vorbereitet.

Gegenstand der heutigen Beratungen ist, wie schon gesagt, das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, denn es ist, wie wir alle wissen, durch große Finanzströme überhaupt erst möglich geworden, dass eine Organisation wie Al-Quaida oder ähnliche entstanden ist und ihre Netzwerke ausbreiten konnte.

Es ist daher für uns gut, dass Österreich sich zu den Allerersten gesellt, die dieses Übereinkommen ratifizieren. Das Übereinkommen wurde bisher von 132 Staaten unterzeichnet und von 21 ratifiziert. Da es am 30. Tag nach Hinterlegung der 22. Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde in Kraft tritt, freue ich mich ganz besonders, dass unsere Ratifikation entscheidend für das In-Kraft-Treten dieser Konvention ist, und ich freue mich, dass das Parlament dieser Konvention sehr bald die Zustimmung geben wird. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

13.10

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich denke, die heutige Diskussion ist geprägt von unser aller Überzeugung, dass Terrorismus in all seinen Formen bekämpft werden muss. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man eine politische Erklärung dazu abgibt und auch politische Erscheinungen, die gerade in den letzten Tagen so aktuell geworden sind, mit einbezieht, weil es sich beim Irak um einen Staat handelt – und das gehört in die Beurteilung mit einbezogen –, der mit UNO-Sanktionen belegt ist.

Ich möchte, bevor ich meinen Beitrag zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt beginne, an die Frau Bundesminister eine ganz konkrete Frage richten, nämlich: Herr Dr. Haider hat gestern in der "Zeit im Bild" um 13 Uhr Folgendes gesagt – ich zitiere Dr. Haider wörtlich (Abg. Dr. Ofner:  ... ich dich gerade noch verteidigt! Ich muss meine Verteidigung zurücklegen!); das muss ich hier anführen –:

"In der Zwischenzeit kann ich Ihnen auch sagen, dass weder die Vereinten Nationen noch die österreichische Regierung einen Verstoß gegen das UN-Embargo in dieser Aktion sieht. Ich habe gestern am Abend mit dem Bundeskanzler telefoniert, der gesagt hat: Bitte, sag das auch bei der Pressekonferenz, es gibt hier keinerlei Interventionen der UNO, und es gibt umgekehrt auch von österreichischer Seite keinen Grund zum Einschreiten."


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Das ist gleichzeitig auch meine Frage an Sie, Frau Bundesministerin.

Ich möchte mich nun mit dem Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus beschäftigen. Der Terrorismus hat primär eine politische Ursache, und daher kann es nicht nur um eine militärische Bekämpfung des Terrorismus gehen, sondern selbstverständlich muss auch eine politische Lösung bei den Ursachen des Terrorismus versucht werden, die sich einerseits in einer höheren Verteilungsgerechtigkeit und andererseits in ausreichenden Zukunftsvisionen für die einzelnen Regionen und Völker darzustellen hat; dies auch aus der sozialen Verantwortung der europäischen Nationen, der Industrienationen.

Das Übereinkommen, das wir heute diskutieren und das unsere Zustimmung findet, soll die Grundlage zur technischen Durchführung der Bekämpfung des Terrorismus liefern. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs unterstützt – insbesondere nach den schrecklichen Ereignissen des Vorjahres – den Kampf gegen den internationalen Terrorismus und daher auch das vorliegende Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus. Ich möchte aber anmerken, dass einem bewusst sein muss, dass ein Mehr an Sicherheit und Kontrolle eine Reduktion eines anderen Gutes, nämlich des persönlichen Freiraumes in der Privatsphäre bedeutet. Es gilt daher, die richtige Balance zwischen diesen beiden Zielen zu finden.

Wenn auch dieses Internationale Übereinkommen in Österreich nicht unmittelbar Rechtswirkung entfaltet – es muss durch den Erlass von Gesetzen auf nationaler Ebene mit Leben erfüllt werden –, so meine ich doch, dass es sich in eine Reihe anderer Rechtsbestimmungen, wie eben die UN-Resolution und die EU-Verordnung, einordnet; und letztere Verordnung stellt in Österreich unmittelbar anwendbares Recht dar. Konten und Finanzmittel, die in Zusammenhang mit dem Terrorismus stehen, können eben schon jetzt auf dieser rechtlichen Basis umgehend gesperrt und eingefroren werden.

Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus verlangt die Setzung von Maßnahmen und eine Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, wie schon ausgeführt wurde. Ich möchte hier einige Bereiche aufzeigen, in denen Veränderungen vorgenommen werden müssen:

Artikel 18 Abs. 1 des Übereinkommens verlangt die Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Strafgesetzbuch bezüglich der vorsätzlichen Finanzierung der Vorbereitung terroristischer Straftaten sowie der Mitgliedschaft in terroristischen Organisationen.

Der im Artikel 18 Abs. 1 lit. b geforderten Identifikation von Kunden durch die Geldinstitute wurde durch die Aufhebung der Anonymität bereits nachgekommen, und durch eine Änderung im Finanzmarktaufsichtsgesetz ist eine entsprechende Grundlage zu schaffen. Es ist auch wichtig, dass die Institute, die Geldüberweisungen durchführen, einbezogen werden. Ich halte das für eine sehr wichtige Aufsichtspflicht. Darüber hinaus muss es auch Änderungen der polizeilichen Gesetze geben, etwa im Sicherheitspolizeigesetz, im Zollgesetz und im Zollkontrollgesetz.

Da die mir noch zur Verfügung stehende Redezeit schon sehr knapp ist, möchte ich nur noch kurz etwas zu den internationalen Standards sagen.

Zum Europäischen Haftbefehl: Es muss klar sein, dass in Zukunft in jenen Ländern, die sich dazu bekennen, Straftäter innerhalb von 90 Tagen überstellt werden. Österreich hat dabei an der Übergangsfrist von fünf Jahren festgehalten. Ich sehe das nicht ganz im Einklang mit unserem klaren Bekenntnis zur Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung.

Zweitens ist die Vereinheitlichung der EU-Visavergabe ein wichtiges Anliegen.

Nun noch zu bilateralen Verhandlungen, die zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union notwendig sind: Wir haben die Einhaltung von wesentlichen europäischen Standards gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika zu vertreten und damit folgende Forderungen: keine Auslieferung bei Todesstrafe – wenn einem Gefangenen die


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Todesstrafe droht, soll er nicht ausgeliefert werden –, ein normales Gerichtsverfahren muss sichergestellt werden – es darf keine Sondergerichtsbarkeit eine Aburteilung durchführen können –, und die Grund- und Freiheitsrechte müssen – als Beispiel gilt hier der Datenschutz – gewahrt werden.

In diesem Sinne werden wir unter Berücksichtigung dieser Anmerkungen der gegenständlichen Vorlage gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Was war in Bagdad?)

13.17

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wie bereits von Abgeordnetem Spindelegger und der Frau Bundesminister ausgeführt, ergänzt das zur Ratifizierung anstehende Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus neun bereits bestehende Übereinkommen, in denen Fragen der Finanzierung jedoch noch nicht ausdrücklich behandelt sind. Es könnte daher ohne jedwede weitere Diskussion angenommen werden. Allerdings habe ich bezüglich des Begriffes "Terrorismus" ein ungutes Gefühl, und zwar in allgemeinerer Hinsicht, als dies von Frau Abgeordneter Lunacek ausgeführt wurde.

Selbstverständlich sind wir alle gegen Terrorismus. Aber was ist Terrorismus?

Darüber, dass die Geschehnisse des 11. September 2001 unter die Kategorie "Terrorismus" fallen, dürfte wohl nahezu 100-prozentige Übereinstimmung herrschen. Aber wo verläuft die Grenze zwischen Terrorismus und Freiheitskampf? Wie ist das mit den Kurden im Irak oder in der Türkei, mit den Albanern in Mazedonien? – Von der palästinensischen Problematik ganz zu schweigen.

Definiert die jeweilige Regierung eines Landes, was als Terrorismus zu qualifizieren ist? Oder besteht vielleicht international stillschweigende Akzeptanz dahin gehend, dass die Definition, was Terrorismus ist oder nicht, weltweit von einem einzigen Staat vorgegeben wird, dass zum Beispiel in den Augen der offiziellen Außenpolitik dieses Staates die tschetschenischen Freiheitskämpfer bis vor kurzem als Terroristen galten, seit ein paar Wochen aber offenbar ein bisschen anders gesehen werden, ohne dass sich äußerlich Wesentliches verändert hätte?

Hohes Haus! Womit ich mir leichter tue, ist die Finanzierungsfrage. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich so manche dieser Bewegungen aus dem Anbau und Vertrieb von Drogen finanzieren. Vom Flavier-Kaiser Vespasian ist der Ausspruch überliefert: "Pecunia non olet!"  – Geld stinkt nicht! – Ich behaupte das Gegenteil: Das "olet" ist ungleich häufiger anzutreffen als das "non olet".

Ich bin der Überzeugung, dass kein politisches Vorhaben so hehr sein kann, dass es die systematische Gesundheitsgefährdung breiter unbeteiligter Bevölkerungskreise rechtfertigt. Es ist doch so, dass der Drogenhandel bewusst nicht nur in Kauf nimmt, sondern geradezu anstrebt, Hunderte, ja Tausende von Jugendlichen zu menschlichen Wracks zu machen. Genau diese Überzeugung ist es, Hohes Haus, die mich veranlasst, diesem Übereinkommen eindeutig meine Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch ein Nachsatz: Als einer, der das Frankfurter Deutsch der 68er-Generation noch unmittelbar in statu nascendi erlebt hat, ist mir der Begriff "umfunktionieren" geläufig. Lieber Kollege Posch! Ich bin nicht dazu bereit – die Frau Bundesminister war es auch nicht –, diesen wichtigen Punkt 3 der heutigen Tagesordnung zu einem nochmaligen Wiederkäuen eines inzwischen auch in diesem Hohen Hause bereits mehr als ausreichend ausgelutschten Vorfalls umfunktionieren zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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13.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

13.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Herr Abgeordneter Bruckmann, das trifft sich gut: zum Thema "Umfunktionieren": Gestern hatten wir eine Aktuelle Stunde, in der die ÖVP erklärt hat: Ihr Bösen von der SPÖ, ihr macht eine Aktuelle Stunde, wenn die Frau Bundesministerin nicht da ist. Das ist doch furchtbar gemein! – Das wurde uns erklärt.

Heute hätte es zu dem Thema der Irak-Reise des Kärntner Landeshauptmannes eine Dringliche Anfrage geben sollen – das weiß die ÖVP natürlich auch. Sie weiß auch, dass sie diese Dringliche Anfrage an die Frau Bundesministerin nicht durchgeführt haben will. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das haben wir gestern schon gehört!) Nur: Die Frau Bundesministerin konnte gestern nicht reden, und heute will sie wieder nicht reden. Das, was Sie als Antwort gegeben haben, Frau Bundesministerin, ist erbärmlich. (Abg. Schwarzenberger: Das war zur Sache!) Das hat ja schon Schüssel-Format! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es kann nicht so sein, Frau Bundesministerin, dass Sie sich zu einem Vorfall, der das Land mehrere Wochen beschäftigt hat, der bis in die tiefsten Innereien der FPÖ reichte, auf Grund dessen die Gefühle führender Spitzenfunktionäre der FPÖ tagelang, wochenlang Thema waren, dass Sie zu der Irak-Reise des Herrn Kärntner Landeshauptmannes, die in allen internationalen Medien über Wochen diskutiert wurde und den Ruf des Landes gründlich beschädigt hat, de facto nichts sagen.

Ist das, meine Damen und Herren, eine Verantwortung gegenüber dem Parlament? (Abg. Dr. Cap: Nein!) So kann es nicht gehen (Beifall bei den Grünen), meine Damen und Herren, dass sich die Frau Bundesministerin zu einem Vorfall, der die Außenpolitik und natürlich auch das Außenministerium ordentlich beschädigt hat, verschweigt! (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. )

Der Punkt ist doch der: Die Frau Bundesministerin hätte wissen müssen, was da geschieht. Aber wenn Sie es nicht wusste, weil ihr das die Beamten nicht weitergemeldet haben, dann stimmt im Außenministerium etwas nicht. Dann tragen aber Sie, Frau Bundesministerin, die politische Verantwortung dafür. (Abg. Mag. Kukacka: Alles widerlegt, da hätten Sie zuhören müssen! Alles widerlegt!) Das ist doch die Angelegenheit, über die wir hier in diesem Hohen Haus diskutieren sollten.

Es kann nicht sein, Frau Bundesministerin, dass Sie nichts, aber auch schon gar nichts zur Irak-Reise des Kärntner Landeshauptmannes sagen wollen, weil sonst die FPÖ im Nationalrat vielleicht wieder böse auf Sie ist. Ja wohin kommen wir denn dann? (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte zu dem Tagesordnungspunkt, den wir jetzt diskutieren, Folgendes sagen: Meine Kollegin Ulrike Lunacek und auch Herr Abgeordneter Posch haben zum Thema Terrorismusfinanzierung einen Vorfall angesprochen, den ich noch ganz kurz näher explizieren möchte.

Es gibt einen Waffenhändler, der im Jahre 1988 in der Bundesrepublik Deutschland aus guten Gründen zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, und zwar wegen räuberischer Erpressung (Abg. Mag. Kukacka: Das hat die Lunacek schon gesagt!), wegen des Verstoßes gegen das Waffenkontrollgesetz – Herr Abgeordneter Jung, ich nehme an, Sie kennen den Fall – und wegen geheimdienstlicher Tätigkeit, und der dann im Jahre 1990 nach insgesamt dreieinhalb Jahren Haft aus der Haft entlassen wurde mit der Auflage, die Bundesrepublik Deutschland binnen zwei Tagen zu verlassen, und zwar war das am Höhepunkt des Irak-Krieges gegen Kuweit. (Abg. Ing. Scheuch:  ... Joschka Fischer!)

Herr Abgeordneter Scheuch, Sie können sich zu Wort melden, und Sie wissen sicher auch noch einiges zu dieser Angelegenheit.

Herr Jebara kommt nach Österreich (Rufe bei den Freiheitlichen: Wer?), nach Kärnten. Er lässt sich in Kärnten nieder, erhält von der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan einen


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befristeten Aufenthaltsvermerk (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) – "Sichtvermerk" hat das damals geheißen – und darf zunächst ein Jahr lang in diesem Land bleiben.

Herr Jebara nutzt diese Zeit; er nutzt diese Zeit, um zunächst einmal vom Landesgendarmeriekommando Kärnten eine Anzeige zu "kassieren", weil er versucht, einen als gestohlen gemeldeten Scheck in der Höhe von 90 000 D-Mark einzulösen. Das Landesgendarmeriekommando Kärnten erstattet Anzeige, die Anzeige wird dann von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt wegen mangelnder Strafwürdigkeit eingestellt.

Das ist kein Vorfall in Kärnten! Das kann man in Kärnten machen. Probieren kann man es ja noch mit einem Scheck, das geht. (Abg. Wochesländer: Waren Sie dabei?)

Das Zweite und wesentlich Interessantere daran ist Folgendes – und da, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, sollten Sie jetzt aufpassen –: Im April 1991, also acht Monate, nachdem Herr Jebara aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben wurde (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das nicht ein Motorrad, Yamaha?), marschiert Herr Jebara in St. Veit an der Glan zur Bezirkshauptmannschaft und sagt: Ich habe da einschlägige Kenntnisse, ich bin ja offensichtlich ausreichend befugt – wegen Waffenhandels und wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz –, ich möchte Import-Export-Kaufmann in St. Veit an der Glan werden! Und die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan sagt: Kein Problem, probieren wir es halt einmal!

Aber dabei gibt es ein Problem: Herr Jebara ist kein Österreicher – also muss der Kärntner Landeshauptmann, damals Herr Haider (Abg. Ing. Westenthaler: Auch heute Herr Haider!), einen Gleichstellungsbescheid ausstellen, das heißt einen Bescheid, der den irakischen Staatsbürger Jebara mit einem Österreicher gleichstellt. Landeshauptmann Haider sagt: Kein Problem (Abg. Ing. Westenthaler: Ausländerfeindlich?), er bekommt den Gleichstellungsbescheid!

"Ausländerfeindlich" nennt Herr Westenthaler das! Ach, dieser Vorwurf ist ein Genuss! (Heiterkeit bei den Grünen.) Herr Westenthaler, Sie wissen genau, worum es geht! (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege Öllinger ist ausländerfeindlich!)

Es gibt dabei aber ein Problem – Herr Westenthaler, passen Sie auf! (Abg. Ing. Westenthaler: Bei Ihnen passe ich schon lange nicht mehr auf! Niemand verpflichtet mich, bei Ihnen aufzupassen!) – , denn § 13 der Gewerbeordnung sagt:

"Von der Ausübung eines Gewerbes ist ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister ... unterliegt. Dies gilt auch, wenn mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden." – Zitatende.

Aha (Abg. Mag. Lunacek:  ... der Kärntner Landeshauptmann Haider!), Herr Haider in Kärnten sagt: Strafregister – es ist ja ein lieber Freund aus dem Ausland, der kommt, und darum darf er natürlich hier in Kärnten jederzeit als Kriegswaffenhändler mit dieser Vorgeschichte sein Amt als Import-Export-Kaufmann ausüben! Das ist doch in Kärnten kein Problem! Wir brauchen ja Gewerbetreibende, die in puncto Kriegswaffen gut vorgebildet sind! (Abg. Mag. Lunacek: Was sagt Herr Bartenstein?) Für uns in Kärnten spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich um einen Ausländer handelt und ob er schwer kriminell ist, denn wir in Kärnten, wir sind anders!

So schaut es aus! Ausländerfeindlich? – Höre ich da noch etwas, Herr Westenthaler? (Abg. Ing. Westenthaler telefoniert.) Müssen Sie gerade in Kärnten anrufen und fragen, ob das stimmt? – Rufen Sie nur in Kärnten an, Herr Kollege Westenthaler, und fragen Sie Herrn Haider, ob er wirklich im Jahre 1991 den Bescheid an einen zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilten Kriegswaffenhändler, der wegen räuberischer Erpressung, wegen geheimdienstlicher Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland verurteilt wurde, ausgestellt hat! Für diesen Mann hat Herr Haider im Juni 1991 ohne Probleme den Gewerbeschein ausgestellt. Seither darf dieser Herr Jebara in Kärnten unter dem Schutz der Sicherheitsbehörden, unter dem Schutz


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des Kärntner Landeshauptmannes seinen diversen Tätigkeiten, die "natürlich" alle im Interesse des Landes Kärnten und der Republik Österreich liegen, nachgehen.

Ein Problem gibt es, und da sind dann Sie, Frau Außenministerin, am Zug: Im Jänner 1991, also ein paar Monate, bevor der Waffenschein, nein, der Gewerbeschein ausgestellt wurde (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Ing. Westenthaler: So wie er denkt, so ist er!), also der Gewerbeschein ausgestellt wurde durch ... (Der Redner stößt das Wasserglas um. – Heiterkeit und Zwischenrufe.)

Herr Westenthaler! Haben Sie schon angerufen? Haben Sie schon Auskunft erhalten? (Abg. Ing. Westenthaler: Randalieren Sie nicht am Rednerpult! Das ist das Problem, wenn die Demonstranten von der Straße hier Abgeordnete werden, dann fangen Sie zu randalieren an!)

Ein paar Monate zuvor muss auch die letzte Behörde in Österreich erfahren haben, dass mit Herrn Jebara nicht irgendwer nach Österreich eingereist ist, sondern ein in der Bundesrepublik Deutschland zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilter Waffendealer, Geheimdienstagent und Erpresser, denn im Jänner 1991, also fünf oder sechs Monate, bevor Herr Haider seinen Stempel und seine persönliche Unterschrift auf den Gewerbeschein gegeben hat, gab es eine Mitteilung des Münchner Generalkonsulats an die, die im August den vorläufigen Sichtvermerk an Herrn Jebara ausgestellt haben. Halt! Problem! Wir haben soeben erfahren, da ist jemand eingereist, der wegen seiner terroristischen Verbindungen bekannt ist. – Alarmmeldung an das Außenamt in Wien.

Frau Bundesministerin, Sie haben diesbezüglich gestern eine Anfrage von mir erhalten. Sie können diese Anfrage auch in zwei Monaten beantworten, aber diese Frage steht natürlich im Raum, und ich nehme an, dass das Außenamt korrekt gearbeitet hat (Abg. Ing. Westenthaler: Dann ist der Öllinger aufgewacht!)  – ich nehme es wirklich an – und die Sicherheitsbehörden im Land verständigt hat, dass Herr Jebara hier in Österreich aufhältig ist.

Dass es diese Verständigung gegeben haben muss ... (Abg. Wochesländer: Wie man aus diesen zwei Zeilen das machen kann?)  – Was regen Sie sich so auf? Wir diskutieren über Terrorismus und seine Helfershelfer, oder? (Abg. Ing. Scheuch:  ... Herrn Fischer auch diskutieren!) Wir haben einen konkreten Fall und einen konkreten Politiker im Land, der einem Terroristen und wegen terroristischer Aktivitäten verurteilten Menschen eine "uneigennützige" Hilfe geboten hat, weil er ja nicht ausländerfeindlich sein wollte – darum hat Herr Haider ihm geholfen, sozusagen den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Herr Haider macht das immer so, er hilft "jedem" Ausländer, das wissen wir ja, auch wenn er kriminell ist. Das ist kein Problem! (Abg. Böhacker: Das spielt keine Rolle ...!) Jeder ist hier willkommen, wenn es nach der Meinung des Herrn Haider geht.

Die Freiheitlichen in dieser Republik sind da generell sehr generös – vor allem, wenn es um Waffenhändler geht. (Abg. Wochesländer: Wir hören Ihnen ja auch zu!) Wenn sie aus dem Irak kommen, dann gibt es ein besonderes Interesse der Freiheitlichen und des Herrn Haider, der ja seine Kontakte pflegen will, daran, da nützliche Hilfestellungen anzubieten. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was war das jetzt mit dem Außenministerium? Wie geht das weiter?)  – Sie wollen es wissen? Ich kann es Ihnen schon erzählen:

Das Außenministerium hat mit ziemlicher Sicherheit die österreichischen Behörden korrekt darüber informiert. Auch die Kärntner Sicherheitsdirektion hatte davon Kenntnis. Die Kärntner Sicherheitsdirektion, die im Land natürlich immer mit den politisch Verantwortlichen gute Kontakte pflegt, hat das aber nicht irritiert.

Noch im Jahre 1991, nachdem der einjährige Sichtvermerk abgelaufen war, kam aus dem Innenministerium die Weisung an die Kärntner Sicherheitsdirektion, Herrn Jebara mit einem Aufenthaltsverbot zu belegen. Die Kärntner Sicherheitsdirektion sagte: Na gut, wenn es sein muss, erteilen wir eben ein Aufenthaltsverbot! – Herr Jebara berief dagegen, und die Kärntner Sicherheitsdirektion stellte dann im Berufungsbescheid fest, dass Herr Jebara, von dem man schon wußte, dass er eine dunkle Vorgeschichte oder Gegenwart – das liegt ja erst ein Jahr


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zurück – hat, inzwischen in Kärnten durch Zeugnis lokaler Honoratioren in der Gesellschaft so gut bekannt und in sie eingeführt ist, dass er selbstverständlich – "gastfreundlich", wie diese Honoratioren sind; "ausländerfreundlich", wie diese Honoratioren sind – weiter hier seinen Aufenthalt nehmen darf.

Die Kärntner Sicherheitsdirektion stellte das im Bescheid fest, sie sagte: Leider müssen wir das Begehren des Innenministeriums sozusagen negativ bescheiden. – So freundlich sind die Sicherheitsbehörden in Kärnten, wenn es darum geht, einem Waffenhändler Aufenthalt zu geben. So freundlich ist der Kärntner Landeshauptmann, wenn es darum geht, einem mit Herrn Saddam Hussein sehr gut vertrauten Menschen hier in Österreich eine zweite Heimat – in den Kärntner Bergen, in der Nähe der Kärntner Seen – zu verschaffen.

Das, meine Damen und Herren, Herr Westenthaler, hat natürlich "überhaupt nichts" mit Terrorismus zu tun. Das wollte ich noch festgestellt haben! Aber vielleicht haben Sie, Herr Westenthaler, inzwischen Ihre Auskunft von Herrn Haider erhalten, dann können Sie ja dazu eine Berichtigung machen. (Abg. Wochesländer: Was Sie für Gedanken haben!) Wir meinen, dass dieser Fall dafür symptomatisch ist, wie die Freiheitlichen in Kärnten, aber auch über das Bundesland hinaus mit dem Thema Terrorismus umgehen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Was den Zusammenhang zwischen diesem Vorfall und den diversen Reisen des Herrn Jörg Haider, ob in den Irak oder nach Libyen – auch da könnte ich Ihnen noch eine schöne Geschichte erzählen – betrifft ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Märchenstunde!) Ich könnte beispielsweise von Herrn Harald Göschl erzählen, der ja Bundesgeschäftsführer der FPÖ war und zufällig im Jahre 1997, glaube ich, dabei erwischt wurde, als er eine Druckwälzanlage nach Libyen verschiffen wollte, die dann im Hafen von Genua beschlagnahmt wurde, weil sie nach Meinung der Behörden auch dafür hätte verwendet werden können, in Libyen nicht nur harmlose Produkte, sondern auch kriegerische Produkte zu erzeugen. (Abg. Ing. Westenthaler: Atomwaffen!)

Diesen Harald Göschl, der ja auch Mitinitiator der Libyen-Reisen des Herrn Haider war (Abg. Ing. Westenthaler: In Wirklichkeit ist die FPÖ daran schuld, dass es Terror gibt!), behandeln wir vielleicht beim nächsten Mal, Herr Westenthaler – wenn Sie dann noch Klubobmann sind. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Dann ist Öllinger aufgewacht mit dem Daumen im Mund!)

13.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

13.36

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Der internationale Terror hat im Jahre 2001 eine neue Dimension bekommen. Es wurde unglaubliches menschliches Leid verursacht, und das vorliegende Übereinkommen, welches bereits im Jahre 1999 durch die UNO-Generalversammlung angenommen wurde, wird einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass den Machenschaften von rücksichtslosen Verbrechern die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden kann.

Bisherige internationale Regelungen zur Bekämpfung des Terrorismus haben die Probleme der Finanzierung dieser Machenschaften nicht ausdrücklich behandelt. Dieses inhaltliche Manko wird nun mit dem vorliegenden Übereinkommen behoben. Es ist dies eine wichtige Reaktion gegen die offensichtlich immer besser organisierten und finanziell unterstützten Netzwerke der Gewalt, die im Untergrund bestehen und großen Schaden anrichten, wenn sie Gelegenheit bekommen, ihre Absicht in die Tat umzusetzen.

Es ist zu hoffen, sehr geehrte Damen und Herren, dass die Staaten, die dieses Übereinkommen noch ratifizieren müssen, dies so bald wie möglich tun.

Sehr geehrte Damen und Herren! Terrorismus ist eine Sammelbezeichnung für die unterschiedlichsten Formen politisch motivierter Gewaltanwendung. Terror ist auch die Bezeichnung für eine Schreckens- oder Gewaltherrschaft, für rücksichtsloses Vorgehen, für Bedrohung, Ein


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schüchterung, Mord und Unterdrückung. All diese Tatbestände sind geeignet, das politische System des neuen Lieblingslandes des Kärntner Landeshauptmannes zu beschreiben; ein Land, in dem mit Giftgas ein schrecklicher Massenmord an der kurdischen Minderheit verübt wurde (Zwischenruf der Abg. Wochesländer ), ein Land, in dem der Machthaber Saddam Hussein nachweislich seine politischen Gegner einfach umgebracht hat, ein Land, das international isoliert ist, weil der begründete Verdacht besteht, dass dort weiterhin Massenvernichtungswaffen produziert werden, um sie gegen die eigene Bevölkerung und gegen alle anderen unliebsamen Gruppen und Staaten einzusetzen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat Ihnen das alles aufgeschrieben?)

In dieses Land, Herr Westenthaler – in Kärnten auch "Struwwelpeter" genannt (Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat Ihnen das alles aufgeschrieben, was Sie da herunterlesen? Freie Rede, Herr Abgeordneter!)  –, fährt nun der Schrittmacher dieser Regierung, dessen Klubobmann, Teil dieser Regierung auch Sie sind. In dieses Land fährt der Oberkanzler aus dem Bärental (Abg. Ing. Westenthaler: Wer? "Oberkanzler"?)  – der Oberkanzler aus dem Bärental – und macht einen peinlichen Kniefall vor dem Schutzpatron des internationalen Terrors.

Wenn Sie darüber lachen können, dann tut es mir persönlich Leid, und ich glaube, mit mir auch einem großen Teil der österreichischen Bevölkerung. (Abg. Ing. Westenthaler: Das haben Sie jetzt nicht aufgeschrieben!) Lachen Sie darüber, lachen Sie nur darüber! (Beifall bei der SPÖ.) Lachen Sie weiter, wenn Ihr Alt-Parteiobmann (Abg. Ing. Westenthaler: "Oberkanzler" haben Sie gesagt!) einem Diktator 25 Sekunden lang innig seine blutverschmierten Hände drückt (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie gestoppt, oder wie?) und dabei die Grüße des österreichischen Volkes überbringt! (Ruf bei den Freiheitlichen: Wie war das bei Li Peng?)

Herr Westenthaler! Ein Teil des österreichischen Volkes sind auch Sie (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Niederwieser war auch dort!), Sie sind ebenfalls in diesen Gruß mit eingeschlossen. (Abg. Ing. Westenthaler: Weiterlesen!) Herr Westenthaler, jeder, der mit dem Kärntner Landeshauptmann gemeinsame Sache macht und dessen Machenschaften als harmlos unterstützt (Abg. Ing. Böhacker: Ist ein Terrorist? – Abg. Ing. Westenthaler: Ist der ein Terrorist?), ist zumindest der Mittäterschaft schuldig. Das möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben! (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie das auch dem Herrn Ambrozy in Kärnten!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die vergangenen Jahre der blau-schwarzen Koalition haben außenpolitisch dazu geführt, dass die Republik Österreich, zuvor ein guter Freund und Partner der internationalen Staatengemeinschaft, von diesen Staaten jetzt mit Vorsicht behandelt wird. Noch ein paar solche Privatreisen des Oberkanzlers, Ihres Parteiobmannes, wie jene in den Irak (Abg. Ing. Westenthaler: ... dass Sie das alles aufschreiben!)  – von der das Außenministerium offensichtlich nichts gewusst hat, wie die Frau Außenminister den Österreicherinnen und Österreichern immer wieder zu erklären versucht; nur glaubt das keiner –, und Österreich wird komplett isoliert sein. (Abg. Ing. Westenthaler: Nur nicht die Zeile verlieren!)

Sehr geehrte Frau Ministerin! An Sie möchte ich jetzt ein Ersuchen richten (Abg. Wochesländer: "Ministerin" ist bei "Frau" ...!): Beantworten Sie doch die Frage, die nun im Rahmen dieser Debatte aufgeworfen worden ist. Ich fordere Sie auf: Beantworten Sie diese Frage, die sicherlich einen großen Teil der Abgeordneten dieses Hohen Hauses und den größten Teil der österreichischen Bevölkerung interessiert, und schweigen Sie nicht weiter! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein echter Volksredner! Den sollte man auf Tournee schicken!)

13.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Heinzl –: Das ist ein echter Volksredner! Den sollte man in allen Landeshauptstädten reden lassen!)

13.42

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Öllinger und Kollegen von der SPÖ: Die Irak-Reise des Dr. Haider ist heute nicht das Thema. Gestern hat in der


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Aktuellen Stunde Bundesminister Bartenstein klar und deutlich zu dieser Reise Stellung genommen. (Abg. Mag. Posch: Aber heute ist die Frau Außenminister hier! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Heute geht es darum, wie dem internationalen Terrorismus die finanzielle Basis entzogen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Konventionelle Kriege waren lange das Bedrohungsszenario schlechthin. Nur gab es für diese Auseinandersetzungen Regeln, so die Haager Landkriegsordnung oder die Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen. (Abg. Dr. Cap: Was war in Bagdad?) Heute sehen wir uns einer ganz anderen Bedrohung gegenüber. Der internationale Terrorist ist als solcher nicht zu erkennen, er kann unter uns leben. Für ihn gibt es keine Unschuldigen oder Zivilisten. (Abg. Mag. Posch: Sie stimmen mir zu!) Er hält sich an keine Spielregeln und wird dort zuschlagen, wo sich ihm die Gelegenheit bietet. (Abg. Dr. Cap: Er war in Bagdad! Bagdad werden Sie kennen!)

Meine Damen und Herren! Geben wir uns keinen Illusionen hin! Moderne Terroristen setzen jedes Mittel ein, um ihr Ziel zu erreichen, selbst wenn sie dabei ihr eigenes Leben lassen müssen. (Abg. Dr. Cap: Und in Bagdad?) Da müssen wir uns die Frage stellen: Was können oder, besser gesagt, was müssen wir gegen diesen unsichtbaren Feind tun? (Abg. Mag. Posch: Keine Koalition bilden!) Das ist unsere Aufgabe, denn jeder Bürger unseres Landes hat das fundamentale Recht auf Sicherheit. (Abg. Mag. Posch: Keine Koalition mit dem Kärntner!)

Erstes Ziel muss es sein, Konflikte zwischen Völkern und Religionen abzubauen sowie den Hass auf andere Menschen durch Verständnis zurückzudrängen. Frau Bundesminister! Sie sind beispielgebend in der Welt unterwegs, um diese Ziele zu verfolgen. Ich danke Ihnen dafür herzlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein meiner Meinung nach wesentlicher Schritt ist es aber auch, dem Terror den Geldhahn abzudrehen. Keine Armee dieser Welt kann ohne Waffen und ohne Infrastruktur Krieg führen, auch nicht der Terrorist. (Abg. Dr. Cap: Aber Bagdad!) Doch etwas ist noch wichtiger: Kooperation! Eine enge Zusammenarbeit über alle Grenzen und Vorurteile hinweg ist gefragt. Isolierte Aktionen sind sinnlos.

Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrors wird erfolgreich sein. Die gesetzlichen Regelungen zur Kriminalisierung dieser Handlungen werden geschaffen. So ist in Zukunft die Finanzierung von terroristischen Taten strafbar, auch wenn diese Taten gar nicht ausgeführt werden. Man muss der Kooperation zwischen terroristischen und kriminellen Organisationen einen Riegel vorschieben. Der Kitt, der diese Kreise zusammenhält, ist das Geld. Verdächtige Konten werden gesperrt, und gewaschenes Geld wird beschlagnahmt. Der Terrorismus muss finanziell ausgehungert werden, um ihm die Basis für weitere Aktionen zu entziehen.

Die Grundlage wurde mit der Resolution 54/109 des Sicherheitsrates geschaffen. Unsere Bundesregierung hat diese Resolution unmittelbar nach den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnet und damit ein klares Zeichen gesetzt. Das ist für mich ein deutlicher Beweis dafür, dass unsere Bundesregierung alles tun wird, um die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten. Unser Bekenntnis zur internationalen Solidarität und Zusammenarbeit ist gerade jetzt besonders wichtig.

Der Staatsvertrag zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrors wurde in der Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses vorbehandelt, und er bedarf jetzt der Zustimmung des gesamten Nationalrates. Im Ausschuss haben wir bereits ohne Gegenstimme beschlossen, dass die Genehmigung dieses Staatsvertrages empfohlen wird.

Meine Damen und Herren! Ich sehe es als unsere Pflicht an, diesem Staatsvertrag unsere Zustimmung zu geben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pumberger: Der Erste, der zur Sache gesprochen hat!)


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13.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

13.46

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Der Außenpolitische Ausschuss hat am 14. Februar in einem Antrag festgestellt, dass er Folgendes dem Nationalrat vorlegt: erstens den Abschluss eines Staatsvertrages, des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, samt Anlage zu genehmigen – trotz der kontroversiellen Redebeiträge im Laufe dieser Debatte nehme ich doch an, dass dies geschehen wird –, zweitens, dass dieser Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, und drittens, dass dieser Staatsvertrag – wie es auch bei allen anderen Staatsverträgen der Fall ist – in verschiedenen Fremdsprachen aufzulegen ist.

Es handelt sich bei diesem Staatsvertrag, wie wir schon gehört haben, um einen gesetzesergänzenden Staatsvertrag. Es ist kein Geheimnis – ich finde das gut so, und ich bekenne mich dazu –, dass die Unterschrift der österreichischen Bundesregierung unter diesen Staatsvertrag unmittelbar nach den schrecklichen Ereignissen am 11. September des vergangenen Jahres erfolgt ist. Auch viele andere Staaten haben sich sofort im Anschluss an diese Geschehnisse, die wirklich einen Terrorismus in ganz neuer, furchtbar schrecklicher Form demonstriert haben ... (Abg. Öllinger: Reden wir vom Kärntner Terrorismus!)  – Das ist der Tagesordnungspunkt, Herr Kollege Öllinger. Ich werde schon noch auf Sie zu sprechen kommen. (Abg. Öllinger: Der ist näher!)

Die Frau Bundesminister hat bereits ausgeführt, dass es in der Zwischenzeit 132 Staaten sind, die die Unterschrift geleistet haben, und 21, die den Vertrag ratifiziert haben. Es freut mich besonders, dass wir durch die heute erfolgende Ratifikation dazu beitragen können, dass dieses Übereinkommen innerhalb von 30 Tagen in Kraft treten wird.

Die Ursprünge gehen bereits auf das Jahr 1994 zurück. Damit wird eine Lücke geschlossen, die es in den entsprechenden internationalen Abkommen bisher gegeben hat (Abg. Öllinger: Hoffentlich auch in Kärnten!), weil die Finanzierung des Terrors nirgends ausdrücklich behandelt wurde. Ich glaube, wir alle wissen, dass insbesondere die Finanzierung der Terrorakte, die in immer noch größerem Ausmaß stattfinden, die Basis dieser schrecklichen Vorkommnisse bildet. Daher hat in der Wintertagung der OSZE, die letzte Woche in Wien stattgefunden hat, das Thema im Wirtschaftsausschuss "Terrorismus und Finanzierung des Terrorismus" geheißen. Auch die Parlamentarische Versammlung der OSZE wird sich im Juli dieses Jahres in Berlin zu diesem Thema bekennen, und es werden entsprechende Berichte vorzulegen sein.

Ich finde es auch besonders wichtig, dass durch dieses Übereinkommen ein neuer Straftatbestand geschaffen werden soll, und zwar der Straftatbestand, der die vorsätzliche Finanzierung zur Vorbereitung terroristischer Handlungen betrifft. Das heißt, es sind unabhängig davon, ob die Straftat später auch erfolgt, bereits die Finanzierung und die Vorbereitung strafbar. Ich freue mich darüber, dass diese Gesetzeslücke nun geschlossen wird.

Ich möchte es aber nicht verabsäumen, auch zu den Vorrednern von der Opposition, sowohl von den Sozialdemokraten als auch von den Grünen, Stellung zu nehmen. Kollege Posch ist in diesem Haus seit vielen Jahren als Scharfmacher bekannt. Es war auch nicht anders zu erwarten, als dass hier von Seiten der Opposition versucht wird, einen direkten Zusammenhang mit der Irak-Reise von Jörg Haider herzustellen. Eines müssen aber, glaube ich, auch Sie zugestehen: Das Opfer des Terrorismus ist sehr oft und in immer größerem Ausmaß die unbeteiligte Zivilbevölkerung. Dieser unbeteiligten Zivilbevölkerung zu helfen, darf doch nicht verboten sein! Wenn man Ihnen zuhört, dann glaubt man, es ist verboten, Menschen zu helfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lunacek hat hier unglaubliche Überlegungen angestellt, die geradezu grotesk sind, ich würde fast sagen – nein, ich möchte lieber nicht das Wort "bösartig" verwenden; sie sind aber sicherlich keinesfalls gutartig. Aber wir sind es von den Grünen gewöhnt, dass sie Skandale auch dort provozieren und produzieren, wo es keine gibt. Genau in diese Richtung möchte ich auch den Redebeitrag des Kollegen Öllinger einreihen. Sie sind ein hervorragender


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Geschichtenerzähler. (Abg. Öllinger: Danke!) Aber wir alle wissen, dass an Geschichten selten etwas Wahres dran ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Oh!)

13.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

13.52

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Antiterrorgesetzgebung ist eine wesentliche Frage, die uns jetzt beschäftigt. Wir sind hier in einer Allianz gut eingegliedert. Der Missbrauch von finanziellen Mitteln muss beschnitten und unter Kontrolle gebracht werden, das ist wichtig.

Missbrauch ist hier aber auch mit der Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses heute getrieben worden, indem man eine Haider-Debatte beziehungsweise eine außenpolitische Debatte versucht und auch durchgesetzt hat. (Abg. Öllinger: Eine Terrorismus-Debatte!) Wir Freiheitliche sind auf diesem Gebiet nicht wehleidig. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Nein, Frau Kollegin! Es ist aber dann auch notwendig – und das werde ich jetzt tun –, Ihnen darauf zu antworten.

Dr. Haider war im Iran. (Abg. Mag. Posch: Iran? – Abg. Öllinger: Irak!) Er hat sich dort über die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung informiert. (Widerspruch bei der SPÖ.) 60 000 – ja, Sie können darüber scherzen – 60 000 Kinder sind allein in den letzten Jahren an Unterernährung und an mangelnder medizinischer Versorgung gestorben. (Abg. Öllinger: Haider hat ihnen überhaupt nicht geholfen, den Kindern! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn Sie das so lustig finden, Herr Kollege, dann sagen Sie es laut. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Meiner Meinung nach sollten Sie sich dafür schämen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht hier um die Kinder. Es geht nicht um Herrn Saddam, das wissen Sie ganz genau. Die Zwiespältigkeit Ihrer Argumentation kommt ganz deutlich heraus. Sie war beim Kollegen Posch und bei Ihnen allen hier, auch bei den Grünen, zu merken, wenn Sie versuchen, die Kurve zu kratzen: einerseits gegen die Amerikaner loszugehen, aber andererseits auch eine Möglichkeit zu finden, Dr. Haider am Zeug zu flicken. (Abg. Heinzl: ... Sie haben keine Ahnung!) Sie werden das nicht schaffen, und Sie werden dadurch nicht glaubwürdiger.

Dr. Haider war im Iran ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Irak!) Er war im Irak, um dort Gespräche zu führen, die zur Freilassung von Kriegsgefangenen führen (Zwischenruf des Abg. Heinzl )  – regen Sie sich nicht auf, sonst brauchen Sie ein Blutdruckmittel, Herr Kollege! –, und andererseits, um medizinische Ausrüstung und Medikamente vorwiegend für leukämiekranke Kinder dorthin zu bringen, das stimmt. Er ist dort auch – was nicht geplant war – einer Einladung des dortigen Staatspräsidenten, der zweifellos ein Diktator ist und Menschenleben auf dem Gewissen hat, nachgekommen und hat ihm die Hand geschüttelt. Ja, so weit stimmt die Sache.

Jetzt lese ich einmal etwas aus dem "Kurier" vor: "Ergebenheit. – Die Inszenierung war pompös. Das staatliche Fernsehen zeigte tagelang Filme aus dem Leben des großen Führers und Dokumentationen über seinen wunderbaren Aufstieg. Am Vorabend des Jubeltages tauchte ein riesiges Feuerwerk die Berggipfel rund um die Hauptstadt in bengalisches Licht. Von den Felswänden gleißen Glückwünsche. In der großen Sporthalle tanzen 100 000 Kinder ein paar Stunden zu Ehren des geliebten Jubilars im Kulturpalast, der sich in eine Gratulationsstätte verwandelt hat. Das ganze Volk durfte Huldigungsadressen deponieren. So feierte Nordkoreas Skurril-Diktator Kim Jong II seinen sechzigsten Geburtstag."

Der österreichische Parlamentspräsident hat im Zug seiner Parallel-Außenpolitik, die er hier in Österreich zu führen versucht, beabsichtigt, diesen Herrn – einen Diktator, Herr Kollege Heinzl, von der gleichen "Qualität" wie Herr Saddam und mit genauso viel oder mehr Menschenleben an seinen blutbefleckten Händen, wie einer meiner Vorredner vorhin malerisch gesagt hat – zu besuchen. (Abg. Heinzl: Er war nicht dort!) Er war nicht dort. Warum war er nicht dort? – Weil wir ihm auf die Finger geklopft haben, Herr Kollege! Das ist es, aus keinem anderen Grund! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)


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Hier wird zweierlei Maß angelegt, Herr Kollege, zweierlei Maß! Wir werden uns noch sehr eingehend mit dieser beabsichtigten Reise des Herrn Parlamentspräsidenten befassen. Wir werden herausfinden, wo die Einladung der UNO dazu war, von der die Rede war, und vieles andere mehr. Das wird noch sehr, sehr interessant werden, Herr Kollege, das kann ich Ihnen sagen! (Abg. Mag. Lunacek: So eingehend wie die Haider-Reise, oder?)

Das ist das Faktum: Reisen in Länder ohne demokratische Führung und persönliche Kontakte mit Diktatoren sind ein Faktum in der Außenpolitik, das ist nichts Neues. Es ist eine Notwendigkeit. Sie können ein Land wie den Iran, nein, den Irak bombardieren und in Grund und Boden bomben. Auch der Iran ist auf der Liste, deswegen kommt er mir da immer wieder hinein. (Abg. Mag. Lunacek: Jetzt wollen Sie den Iran auch noch ...!) Frau Kollegin, regen Sie sich nicht auf, ich komme auch auf Sie noch zu sprechen.

Sie können ihn isolieren – dann passiert das, was jetzt im Irak passiert ist: die Zivilbevölkerung leidet; Herr Saddam leidet nicht unter der Isolation –, oder Sie können versuchen, mit ihm zu reden. Das ist die Notwendigkeit im Bereich der Außenpolitik, und das passiert eben immer wieder.

Ich kann Ihnen – das ist auch schon geschehen – solche Fälle serienweise aufzählen. Ein sozialistischer Kanzler hat noch in letzter Minute den entsprechenden Repräsentanten die mit der Blutschuld vom Mauerbau befleckten Hände geschüttelt und gehofft, dass das DDR-Regime überleben wird. Herr Kollege Heinzl, schauen Sie einmal her! Sie haben vorhin von blutbeschmierten Händen gesprochen. (Abg. Heinzl: Wo ist Bagdad?) Ihr Kanzler hat diese blutbeschmierten Hände geschüttelt und sich nicht geniert, nachher in die Bundesrepublik Deutschland zu fahren und zur deutschen Einheit zu gratulieren. (Abg. Heinzl: Wissen Sie, wo Bagdad ist?) Das ist die sozialistische Moral, Herr Kollege, und nichts anderes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn andere Staatspräsidenten einen Herrn Bokassa, einen Idi Amin und andere begrüßen, dann ist das Notwendigkeit, nicht Begeisterung, und es passiert. Wenn Sie mit jemandem keinen Schießkrieg ausfechten wollen, müssen Sie mit ihm reden. Wenn Sie Kriegsgefangene freibekommen wollen, dann können Sie eine solche Einladung einfach nicht ausschlagen. Das ist ein Faktum!

Ein anderes Beispiel für die doppelte Moral ist das Folgende. Wenn im Zuge verschiedenster Konflikte – zuletzt auch im Balkankrieg – Hilfsorganisationen zu Medikamentenspenden aufrufen und sogar ausdrücklich dazusagen, es können auch abgelaufene Medikamente sein, weil sie dringend benötigt werden, dann finden das alle gut. Wenn aber Dr. Haider sich der Kinder im Irak annimmt, dann kommt der Grüne Dr. Grünewald, der große Humanist, und fragt, ob das vielleicht Ärztemuster wären; er macht sich Sorgen in diese Richtung. Das ist wirklich das Allerletzte, Herr Dr. Grünewald, Sie sollten sich dafür schämen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Als ob es den kranken Kindern nicht egal wäre, ob diese Medikamente Ärztemuster sind oder nicht! Es muss ihnen geholfen werden, das ist die Situation. Zweierlei Maß – im Anlegen dieser Maßstäbe sind Sie ganz groß!

Zum Abschluss nenne ich Ihnen noch ein Beispiel zu dem "zweierlei Maß", von dem Sie gesprochen haben. Auch im Tonfall gilt diese Frage von zweierlei Maß. Kollege Öllinger hat vorhin gegenüber der Frau Außenminister das Wort "erbärmlich" verwendet. Ich werde Ihnen ein Beispiel für eine erbärmliche Ausdrucksweise bringen. Sie wissen wahrscheinlich, wovon ich rede, denn Sie haben den Kollegen Pilz nicht von ungefähr von der Rednerliste heruntergenommen, auf der er ursprünglich aufgeschienen war, Herr Dr. Van der Bellen!

In der Debatte im Außenpolitischen Ausschuss hat der Kollege Pilz – ich habe es wörtlich mitgeschrieben, weil es wirklich so empörend war und mir so etwas in meiner jetzt über sechsjährigen Tätigkeit in diesem Hohen Haus zuvor nicht untergekommen ist – im Zusammenhang mit den Medikamentenlieferungen von Dr. Haider wortwörtlich gesagt: Man kann das als


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solche Hilfe sehen, nur wenn man Dr. Haider selbst als Blutkonserve betrachtet. (Abg.
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Ing. Westenthaler: Ist ja unerhört, so etwas! Unglaublich!)
Solche Worte nimmt jemand in den Mund: Wenn man Dr. Haider selbst als Blutkonserve betrachtet!

Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen! Ich frage Sie: Ist dieser Abgeordnete von Ihnen, von den Grünen, "durchgeknallt" oder nicht? Was werden Sie tun, um diesen Herrn zurechtzuweisen? – Es wäre höchst an der Zeit, dies zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bestimmungen der Geschäftsordnung ausreichend bekannt sind. – Bitte. (Abg. Dr. Pumberger  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Öllinger –: Distanzieren Sie sich von Ihrem Pilz! – Abg. Ing. Westenthaler: Distanzieren Sie sich von solchen Äußerungen!)

14.00

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Herr Abgeordneter Jung hat in seiner Rede behauptet, dass es Herrn Dr. Haider bei seiner Irak-Reise um die Interessen der Kinder gegangen sei. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ein Werturteil! – Weitere "Werturteil"-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Ich stelle tatsächlich richtig: Herr Dr. Haider hat über sein Flugreisebüro eine Reise in den Irak beantragt, wo er ausdrücklich auf humanitäre Hilfsgüter verzichtet hat. (Abg. Wochesländer: Keine tatsächliche Berichtigung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist die Wahrheit. Er hat bei der UN-Mission eine Irak-Reise beantragt, wo er ausdrücklich darauf verzichtet hat. (Abg. Wochesländer: Wie lange brauchen Sie noch, bis Sie die Geschäftsordnung kennen?) Die UN-Mission hat diese Reise ebenso wenig genehmigt wie seine erste Reise, wo er den Schmäh mit den Hilfsgütern versucht hat. Das ist die Wahrheit! (Abg. Wochesländer: Keine tatsächliche Berichtigung!)

Zur zweiten Behauptung des Herrn Abgeordneten Jung, wonach Kollege Pilz diesen Spruch, den ich hier nicht wiederhole, im Ausschuss gemacht hat (Abg. Ing. Westenthaler: Diese Äußerung haben nicht nur wir gehört! Die haben die anderen auch gehört!): Der Abgeordnete Pilz hat diesen Spruch im Ausschuss mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen. (Abg. Dr. Martin Graf: Sprachregelung "Prawda"! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Damit sollte es auch für Sie sein Bewenden haben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Zweierlei Maß!)

14.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Öllinger! Der erste Teil der tatsächlichen Berichtigung war zweifellos korrekt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Was?)

Was den zweiten Teil betrifft, wäre das eigentlich Inhalt eines Debattenbeitrages gewesen, weil Sie die Richtigkeit der Behauptung bestätigt haben, die Entschuldigung nur eine Beifügung war und daher insgesamt keine tatsächliche Berichtigung vorgelegen ist. Ich sage Ihnen das, damit Sie das nächste Mal bei einer tatsächlichen Berichtigung noch richtiger vorgehen können.

Eine weitere Wortmeldung liegt mir von Frau Abgeordneter Mag. Lunacek vor. – Bitte.

14.02

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Jung hat jetzt mit allen möglichen Mitteln versucht, wieder einmal von dem abzulenken, was sein Altparteiobmann Haider angestellt hat. Auf zwei Dinge muss ich noch einmal eingehen.

Da Sie die geplante Parlamentarierreise des Herrn Präsidenten Fischer nach Süd- und Nordkorea erwähnt haben, möchte ich Sie daran erinnern, dass das in der Präsidiale vereinbart war, auch mit – wer auch immer von ihnen dabei war – den Freiheitlichen. (Abg. Jung: War keiner dabei!) Das heißt, Sie haben davon gewusst, dass das im Parlament vereinbart ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Was war vereinbart?) Sie wissen ganz genau, dass das eine Reise nach Süd- und nach Nordkorea war – mit der UNO vereinbart, mit Kofi Annan vereinbart – und dass dies Sinn macht in einer Zeit, in der ein Brückenschlag zwischen Süd- und Nordkorea versucht wird. (Abg. Jung: Wir haben abgelehnt! – Abg. Öllinger: Nein, nein, Herr Jung!) Auch ein ÖVP-Abgeordneter hatte schon zugesagt, mitzufahren. In der Präsidiale war das vereinbart, genau im Sinn dieser Politik, über die auch Sie gesprochen haben: weil es in der Außenpolitik und in der Diplomatie Sinn macht, auch mit Regimen, die man nicht wirklich begrüßt, auf parlamentarischer Ebene Kontakt zu haben. So war das in der Präsidiale vereinbart.

Wenn Sie jetzt sagen, dass das abgesagt worden ist, weil die Freiheitlichen dem Herrn Präsidenten auf die Finger geklopft haben (Abg. Jung: Jawohl!), dann finde ich schon den Ausdruck nicht wirklich parlamentswürdig. (Abg. Dr. Ofner: Selber seid ihr nicht so heiklig! Aber da seid ihr wehleidig!) Aber abgesehen davon muss auch Ihnen klar sein, dass es keinen Sinn macht, wenn aus einem neutralen Land, dessen Aufgabe es sein sollte, solche Initiativen zu setzen, nur Parlamentsabgeordnete der Opposition hinfahren. Wenn so eine Reise außenpolitisch einen Sinn haben kann (Abg. Ing. Westenthaler: Bei Ihnen hat sie einen Sinn?)  – das muss mir wohl auch die Außenministerin bestätigen –, dann nur, wenn wirklich Abgeordnete aller vier Parteien hinfahren. Insofern kann man nur sagen, ÖVP und FPÖ haben hier eine Chance blockiert, dass Österreich außenpolitisch wirklich aktiv ist. (Beifall bei den Grünen.)

Noch einmal zu Herrn Haider: Der Flug in den Irak war dreimal so teuer wie die Hilfsgüter, die er angeblich mitgenommen hat. Außerdem hat er die Ausrüstung und die Geräte in Damaskus lassen müssen, hatte er doch keine Genehmigung der UNO, sie weiterzubefördern. Auch Herr Abgeordneter Jung hat nur davon gesprochen, dass im Irak jährlich 60 000 Kinder sterben. Das stimmt schon, aber denen hat Herr Haider null geholfen. (Abg. Achatz: "Das stimmt schon"!) Wo gibt es denn ein Foto davon, dass er in irgendeinem Spital war? – Nirgendwo, nichts gibt es davon! Ein Foto kann man außerdem auch produzieren, Herr Haider weiß ja, wie das geht.

Frau Ministerin! Noch einmal an Sie die Frage: Haben Sie den Herrn Landeshauptmann Haider schon dazu aufgefordert, dass er Ihnen endlich berichtet, was er im Irak gemacht hat, wo er welche Geräte deponiert hat, wo er sie gelassen hat und welche Hilfsgüter er mitgenommen hat? – Bitte beantworten Sie uns das! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

14.06

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Außenminister! Ich finde es bemerkenswert, wie beteiligungslos Sie bei der Diskussion, die hier geführt wird, auf der Regierungsbank sitzen – so, als ginge Sie das alles nichts an, als würden wir heute nicht über Außenpolitik debattieren, wie wenn es heute nicht um Österreich ginge, wie wenn es heute nicht um die österreichische Außenpolitik ginge. Sie haben sich längst innerlich in die Emigration begeben (Abg. Mag. Posch: Wie der Bundeskanzler!), und Sie sind anscheinend nicht mehr Außenministerin. Anders kann ich das heute nicht mehr interpretieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich finde es auch besonders befremdend ... (Rufe bei der ÖVP: Wo ist Gusenbauer?) Wir alle wissen, dass die Reise dieser Delegation nach Süd- und Nordkorea sowohl die Zustimmung der Präsidiale hatte – die Präsidiale war voll informiert (Zwischenrufe bei der ÖVP – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen)  – als auch in Übereinstimmung mit der UNO erfolgt wäre und – jetzt kommt das Beste – selbstverständlich auch in Information und Übereinstimmung mit dem Außenamt, das heißt mit der Frau Außenminister und mit dem Bundeskanzler. (Abg. Jung: Warum haben Sie es dann abgesagt?) Zumindest da sollten Sie sich nicht verschweigen und auf der Regierungsbank sitzen, als hätten Sie nicht gewusst, dass hier im Parlament eine Delegation nach Süd- und Nordkorea geplant ist. Das ist doch unfassbar, was Sie hier aufführen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich muss noch etwas hinzufügen. Wenn man das "NEWS" vom 24. Jänner liest – damit komme ich jetzt zu einem Punkt, der unterbelichtet geblieben ist –, dann sieht man dort eindeutig in der Überschrift stehen (Abg. Kampichler: Muss aber nicht stimmen!), dass Haider eine Einladung


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95. Sitzung / Seite 93

von Saddam Hussein bekommen hat. Er ist nicht hingeflogen, dann überrascht worden, und plötzlich hat einer gesagt: Herr Saddam hat Zeit, Herr Jörg Haider, haben Sie nicht auch Zeit? Können Sie ihm nicht das zufällig mitgebrachte Bild übergeben, er mag so gerne Kärntner Landschaftsbilder? – So war die Situation nicht, sondern es ist dort gestanden: Saddam hat eine Einladung ausgesprochen.

Spätestens seit diesem Zeitpunkt hätten bei Ihnen im Außenamt die Alarmglocken läuten müssen und hätten Sie mit dem Herrn Bundeskanzler und dem Koalitionspartner darauf dringen müssen, dass er nicht zu Saddam Hussein fährt. Was haben Sie gemacht? – Wie immer anscheinend nichts, beteiligungslos im Außenamt! Wie hat es so richtig geheißen? Es war Schüssel-Format: dort sitzen, nichts tun, schweigen, den Dingen freien Lauf lassen, sich dann aber wundern, wenn Österreich Schaden nimmt, und als ersten Schritt sagen: Privatreise. (Abg. Donabauer: ... haben Sie reagiert?) Und wenn man es überhaupt nicht mehr verteidigen kann, dann sagt man: Aber der Handschlag war nicht in Ordnung.

Wie kann man das im Nachhinein sagen, wenn vorher bekannt war, dass es genau zu diesem Handschlag kommen musste? – Das ist so etwas von Abdanken von der Politik, so etwas von verantwortungslos, das ist unfassbar, wirklich wahr! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie können sich nicht aus der Verantwortung stehlen, wenn das Außenamt am 11. Februar gegenüber der APA offiziell sagt: Wir sind beruhigt, Haider wird in Bagdad die österreichische Position vertreten (Abg. Großruck: Welchen Beliebtheitswert hat Herr Gusenbauer?)  – er kennt sie ja so gut –, und in Klammern: wir haben ihn ja gebrieft dafür. Und dann wünschen Sie, nämlich das Außenamt, ihm noch alles Gute für die lösungsorientierten Gespräche in Bagdad mit Saddam Hussein.

Da muss ich Ihnen sagen, so ein Außenamt kann es gar nicht geben, in dem ein Mitarbeiter aus dem Außenamt, aus der Pressestelle und aus Ihrem Kabinett das sagt, ohne es mit Ihnen abgesprochen zu haben, in einer so heiklen und sensiblen Frage, wenn der Landeshauptmann von Kärnten in der Zeit des Embargos und der Sanktionen gegenüber dem Irak zu Saddam Hussein fährt, ohne das mit Ihnen abgesprochen zu haben. Wenn so etwas passiert, dann sind Sie rücktrittsreif, Frau Außenminister, genauso, wie wenn so etwas passiert, wo Sie sagen: Er soll das sagen. – So kann man nicht Außenpolitik machen! Sie stellen sich her und sagen: Mein Name ist Ferrero, ich weiß von nichts! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ceterum censeo kann ich nur hinzufügen: Nach dem, was Abgeordneter Öllinger heute berichtet hat bezüglich der Kontakte mit dem Waffenhändler und darüber, wie dieser nach Österreich gekommen ist und wie er sich hier anscheinend etablieren konnte, kann ich nur ein dickes Lob für die Kärntner ÖVP aussprechen. Sie hat sich anscheinend trotz des Drucks aus Wien gewehrt und sich bereit gefunden, diesen Untersuchungsausschuss im Kärntner Landtag zu installieren. Dies wirft natürlich ein bezeichnendes Licht darauf, wie zwei Koalitionspartner miteinander umgehen, aber das ist etwas, was Sie untereinander klären müssen. Es ist jedenfalls sehr positiv, dass es diesen Untersuchungsausschuss gibt.

Herr Abgeordneter Öllinger hat substanziell unterstrichen, wie notwendig es ist, Licht ins Dunkel dieser Angelegenheit zu bringen. Das ist eine Sache, bei der das Interesse wahrscheinlich weit über die Kärntner Landesgrenzen hinausgehen wird. Daher ist es wirklich sehr positiv, dass dieser Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde. Wir begrüßen das, und wir sind ganz gespannt darauf, welche Ergebnisse dieser Untersuchungsausschuss bringen wird.

Eine letzte Sache noch, Frau Außenminister: Was sagen Sie eigentlich zur angekündigten zweiten Irak-Reise, die Jörg Haider vorhat? – Dazu sollten Sie sich zumindest nicht verschweigen.

Ich sage es Ihnen hier vor Zeugen – damit Sie uns dann nicht sagen, Sie haben nicht gewusst, dass Haider wieder nach Bagdad gefahren ist und Saddam Hussein wieder die Hand gedrückt hat –: Er hat vor, ein zweites Mal hinzufahren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Cap –: Josef! Nimm dir den Kalifen von Bagdad, den Niederwieser, mit!)

14.11


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95. Sitzung / Seite 94

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die ... (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäftsordnung! – Ruf: Was ist jetzt?) Zur Geschäftsordnung? – Bitte.

14.11

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Frau Außenministerin! Sie haben einfache Fragen gestellt bekommen. (Abg. Wenitsch: Das ist gegen die Geschäftsordnung!) Sie sitzen hier und antworten dem Nationalrat nicht. Ich meine, das ist doch unmöglich! (Abg. Mag. Lunacek: Das ist wohl unglaublich! – Heftiger Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bei allem Respekt, Frau Außenministerin: Wir haben ja nicht Sie als Person angegriffen, aber Sie sitzen hier als Vertreterin der österreichischen Außenpolitik. Und nach Ansicht der FPÖ reist jemand in der Welt herum – nennen wir ihn Jörg Haider – und macht auch nach Ansicht der FPÖ, um Herrn Jung zu zitieren, Außenpolitik. Aber Sie sitzen hier und schweigen! Das geht nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Van der Bellen! Wenn es eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung gibt, dann bitte ich darum, das dem Präsidium vorzutragen und nicht dem Mitglied der Bundesregierung auf der Regierungsbank. (Abg. Dr. Jarolim: Es gibt keine schweigende Verantwortung!)

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Klubobmann Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.13

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bruckmann hat sehr klar in seinem Redebeitrag darauf hingewiesen, dass unsere Fraktion dem eindeutigen Biegen der Geschäftsordnung durch die Opposition nicht Vorschub leisten will.

Wir diskutieren hier den Abschluss eines Staatsvertrages. Das, was Sie diskutieren wollen, haben wir bereits gestern in der Aktuellen Stunde diskutiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist lückenlos Auskunft dazu erteilt worden, es ist vom parlamentarisch zuständigen Vertreter der Außenministerin lückenlos Aufklärung gegeben worden. Es ist alles geklärt, es hat sich nichts Neues ergeben.

Wir machen hier nicht mit, dass Sie von der Opposition den untadeligen Ruf einer Ministerin verunglimpfen wollen. Ich finde das, was hier vorgeht, absolut skandalös. Ich glaube auch, dass das nicht richtig war, denn wir merken ja die Absicht. (Unruhe im Saal.)

Herr Kollege Van der Bellen! Sie wollten heute eine Dringliche Anfrage einbringen, aber wir sind daran gekommen, und wir diskutieren jetzt ein anderes Thema. Sie wollen auf diese Weise die Geschäftsordnung umgehen. Das ist keine korrekte Vorgangsweise! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Dr. Cap hat sich gleichfalls zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. (Abg. Dr. Stummvoll: Die Debatte ist geschlossen!)

14.14

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, dass es sehr wohl mit der Geschäftsordnung vereinbar ist, wenn man sich hier zu Wort meldet und darauf hinweist (Rufe bei der ÖVP: Nein! Nein!), dass es um die Selbstachtung dieses Hauses geht. Wenn man im Parlament eine Diskussion führt, wenn hier Punkte, die sehr wohl mit der Tagesordnung in Zusammenhang gestanden sind, angesprochen werden, wobei es um Terrorismus geht, und wenn man weiß, dass es ein Embargo gegen den Irak gibt, dass es auch den Verdacht gibt (Abg. Böhacker: Machen Sie einen Antrag! Was wollt ihr denn?),


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dass dieses Land in terroristische Aktionen involviert ist, dann wären hier wohl Antworten von Seiten der Frau Ministerin am Platze. Wir möchten wirklich dagegen protestieren, dass dieses Haus nicht respektiert wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Achatz. )

14.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Auf Grund Ihrer Kenntnisse der Geschäftsordnung wissen Sie, dass kein Regierungsmitglied zu bestimmten Aussagen verpflichtet ist und dass es selbstverständlich auch jedem Regierungsmitglied freisteht (Rufe: Das ist ja unerhört! Unglaublich!), zu Themen Stellung zu nehmen oder auch nicht.

Ich bitte daher, Geschäftsordnungsdebatten auf Geschäftsordnungsfragen zu beschränken und Fragen, die darüber hinausgehen, im Rahmen von Wortmeldungen vorzubringen.

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Debatte ist geschlossen! Herr Präsident! Sie haben die Debatte bereits geschlossen! – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Darf ich Folgendes klarstellen: Ich habe gesagt: "Zu Wort ist niemand mehr gemeldet." (Abg. Mag. Schweitzer: Die Debatte ist geschlossen!) In diesem Augenblick hat sich Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen gemeldet, und ich habe gefragt: Zur Geschäftsordnung? – Ich habe dazu angesetzt, aber ich habe die Debatte noch nicht geschlossen. Ich muss das in aller Deutlichkeit klarstellen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.16

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Nicht nur ich, sondern auch viele andere Abgeordnete haben Ihre Worte so aufgefasst – man kann ja auch im Protokoll nachsehen –, dass die Debatte bereits geschlossen war und sich Herr Van der Bellen deshalb zur Geschäftsordnung gemeldet hat. Die Debatte ist von Ihnen bereits als geschlossen erklärt worden. (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Nein! Nein!) Um das zu klären, ersuche ich, die Sitzung zu unterbrechen – so einfach ist das –, damit wir das im Protokoll nachlesen können.

Noch ein Nachtrag zum Kollegen Van der Bellen: Ich erachte es eigentlich als unerhört, dass ein Fraktionsvorsitzender dieses Hauses ganz glasklar mit einer Meldung zur Geschäftsordnung die Geschäftsordnung gebrochen hat. Sie haben die Geschäftsordnung gebrochen, indem Sie sich zu Wort gemeldet haben und aus den Bankreihen eine Wortmeldung an die Frau Außenministerin gerichtet haben, die mit der Geschäftsordnung nicht einmal im Entferntesten etwas zu tun hatte. Sie haben die Geschäftsordnung gebrochen, und Sie sollten sich dafür genieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich bitte die Klubobmänner, zu einer kurzen Stehpräsidiale zu mir zu kommen, und unterbreche die Sitzung für einige Minuten.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.18 Uhr unterbrochen und um 14.28 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir sind im Zuge der Stehpräsidiale zum Einvernehmen gekommen, die Debatte nicht mehr fortzusetzen, sondern abzuschließen, unmittelbar in die Abstimmung einzugehen und in weiterer Folge die Tagesordnung, wie vorgesehen, zu behandeln. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)


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95. Sitzung / Seite 96

Um auch alle Zweifel bezüglich der Geschäftsordnung auszuschließen, sage ich ausdrücklich:

Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Damit ist eindeutig festgestellt, dass diese Debatte ihr Ende gefunden hat. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist "Qualität" Blau-Schwarz! Ein Bild der Lächerlichkeit!)

Ich bitte um Aufmerksamkeit, da wir jetzt in den Abstimmungsvorgang eintreten.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrags samt Anlage in 902 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (Abg. Dr. Khol: Konsens!)

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu beschließen, die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung des Übereinkommens dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die mehrheitliche Annahme fest.

4. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (724 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G) erlassen und das Urlaubsgesetz geändert werden (995 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 437/A (E) der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Gerhard Fallent, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Situation blinder Menschen in den Ländern der "Dritten Welt" (998 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Inge Jäger. Ich erteile ihr hiemit das Wort.

14.32

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute das neu vorliegende Gesetz zur Entwicklungszusammenarbeit. Ich hätte mir angesichts der Dramatik der weltpolitischen Entwicklungen erwartet, dass mit einem neuen Gesetz auch die österreichische Entwicklungszusammenarbeit auf neue Grundlagen gestellt wird.


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95. Sitzung / Seite 97

Seit den neunziger Jahren kann man von einer Globalisierung der Weltwirtschaft sprechen, es fehlen jedoch politische Regeln. Das führt zu einer zunehmenden Anzahl von Krisensituationen und zu einer Zunahme von Hunger. Täglich können wir im Fernsehen die Auswirkungen dieser Tragödien sehen: Bürgerkriege und hungernde Kinder. Ein ganzer Kontinent – Afrika – ist vom Welthandel ausgeschlossen, und der Kampf gegen HIV beziehungsweise Aids wird dort zu einem riesigen Problem.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eine Schande, dass die Kluft zwischen Arm und Reich ständig größer wird, dass drei Milliardäre mehr verdienen, als 48 Entwicklungsländer der Welt an jährlichem Einkommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, dass die riesigen Probleme der Welt wie Klimabedrohung, Migration, Bewahrung der Biodiversität und so weiter nur geregelt werden können, wenn das Problem des Hungers und Umweltprobleme gelöst werden.

Beim UN-Millenniumsgipfel haben sich Staats- und Regierungschefs für die Halbierung der Armutsquote bis 2015 ausgesprochen. – Das muss auch hier in Österreich ernst genommen werden! Wenn wir Entwicklungspolitik in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen, dann ist das nicht nur eine Frage der Solidarität und der Humanität, sondern auch eine Frage der politischen Vernunft und des wohlverstandenen Eigeninteresses.

Wenn ich mir das neu vorliegende Gesetz ansehe und die Situation in Österreich vor Augen führe, dann muss ich dazu Folgendes anmerken (die Rednerin hält ein Blatt in die Höhe, auf dem ein Balkendiagramm zu sehen ist): Ich habe Ihnen diese Statistik hier schon vor einem Jahr gezeigt. Sie stellt die Entwicklungszusammenarbeit im weltweiten Durchschnitt dar. Österreich lag 1999 – diese Statistik ist aus dem Jahr 1999 – mit 0,26 Prozent an einer hinteren Stelle. Im Jahr 2001 sind wir inzwischen auf 0,19 Prozent zurückgefallen! Es ist wirklich ein Skandal! Dagegen muss wirklich etwas unternommen werden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ein Gesetz wird nicht jeden Tag gemacht: Auf dieses neue Gesetz haben wir 30 Jahre lang warten müssen. Trotzdem enthält es keinen einzigen Passus dazu, wie man diese finanziellen Probleme in Zukunft lösen wird, wie man – auch eingefordert vom EU-Ministerrat – zu einer schrittweisen Anhebung der Mittel für die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit kommen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch einmal betonen: Das sind keine Geschenke! Das ist nichts, was man großzügig hergibt. Das ist nur ein kleiner Teil an Wiedergutmachung. Zehnmal so viel fließt an Ressourcenabfluss, an Schuldendienst, einfach an täglichen Geldern aus den Ländern des Südens in die Industrieländer. (Abg. Dietachmayr: Darf man hier fotografieren im Haus?  – Abg. Silhavy: Darf man da herinnen neuerdings fotografieren, Herr Präsident? Oder gelten für die ÖVP andere Regeln als für alle anderen?!)

Diese Finanzierung ist nicht geregelt, und wir haben schon im Außenpolitischen Ausschuss dazu einen Entschließungsantrag eingebracht, es war aber nicht möglich, diese Mängel und Probleme mit einer Entschließung zu beheben.

Es findet nächstes Jahr eine Entwicklungskonferenz in Monterey in Mexiko statt. Ich weiß – und ich erwarte auch, dass Sie das jetzt sagen werden, Frau Ministerin –, dass der Herr Finanzminister für nächstes Jahr 0,35 Prozent zugesagt hat. Das werden wir uns sehr genau anschauen! Herr Staatssekretär Finz konnte im Unterausschuss darüber nur sehr ungenügend Auskunft geben. Soviel ich weiß, wurde erst grundsätzlich bei der OECD angefragt, ob das überhaupt eingerechnet werden kann. Nach meiner Information hat der Pariser Klub die Entschuldung, die ja auch dringend notwendig ist, als zusätzliche Maßnahme beschlossen und nicht als Teil der Entwicklungszusammenarbeit gesehen.

Weiters kritisiert die OECD seit Jahren die österreichische Entwicklungszusammenarbeit. Ein Punkt dabei ist auch, dass es in Österreich keinen Koordinationsmechanismus gibt, mit dem alle die Entwicklungszusammenarbeit betreffenden Agenden geregelt werden. Es stimmt natürlich, dass es nicht nur auf die Finanzen ankommt. Es gibt bilaterale und multilaterale Finanz


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95. Sitzung / Seite 98

hilfe, das heißt, dass das Außenamt und das Finanzministerium dafür zuständig sind. Es gibt Exportförderungen, Außenwirtschaftspolitik, Katastrophenhilfe. – Allein für die Katastrophenhilfe sind drei Stellen zuständig! Auch die Positionierung Österreichs bei der WTO ist zu nennen. – Das alles gehört abgestimmt. Es ist eine Stelle nötig, in der all diese Agenden zusammenfließen und wo eine Antwort auf diese Probleme gegeben wird.

Im neuen Gesetz wird nicht festgehalten – was die OECD auch kritisiert –, dass es in Österreich kein globales ODA-Budget gibt, das alle Komponenten der EZA umfasst. Die Rolle der NGOs wird auch nicht ausreichend anerkannt. Ihre Position wird eher geschwächt. Das Problem der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden, das auch Sie immer angesprochen haben, wurde mit dem neuen Gesetz nicht geregelt. Keine der Zukunftsfragen ist gelöst, zum Beispiel die Frage, ob in Österreich – so wie in anderen EU-Ländern – in Zukunft eine Entwicklungsagentur eingerichtet wird. 26 Milliarden € gibt es auf europäischer Ebene. Andere Länder holen sich über eigene Entwicklungsagenturen Teile dieses Geldes wieder zurück. In Österreich ist diesbezüglich nichts geregelt. Auch die vorhandenen Strukturen sind nicht transparent, zum Beispiel die Rollen und Aufgaben der Koordinationsbüros.

Es tut mir wirklich Leid, aber angesichts dieser doch sehr umfassenden Mängel, die dieses Gesetz enthält, muss ich sagen, dass sich dadurch nichts an der aktuellen Situation ändern wird. Ich möchte auch nicht behaupten, dass es irgendwelche besonders groben Fahrlässigkeiten enthält, aber ich denke, es ist angesichts der weltweiten Situation dennoch beschämend. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Da die Entwicklungszusammenarbeit, vor allem aber deren Finanzierung, eine wichtige Sache ist, bringe ich nochmals den


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95. Sitzung / Seite 99

Entschließungsantrag der Abgeordneten Jäger, Mag. Lunacek betreffend die Finanzierung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ein.

Der Nationalrat wolle beschließen, das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu ersuchen, endlich den Empfehlungen der OECD nachzukommen und für eine Aufstockung der Budgetmittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf ein mit den DAC-Ländern vergleichbares Niveau ab dem Jahr 2002 zu sorgen, dass weiters ein Stufenplan für die Anhebung der österreichischen Ausgaben für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des BIP vorgelegt wird, weiters für die Erstellung eines globalen ODA-Budgets Sorge zu tragen und eine gemeinsame Koordinierungsstelle für die Entwicklungshilfe betreffende Agenden einzurichten.

Ich war am Montag bei einer Veranstaltung, bei der Beamte des Außenministeriums, des Finanzministeriums zur österreichischen Entwicklungszusammenarbeit referiert haben. Es war das eine hervorragende Arbeit. Wir haben hervorragende Fachkräfte, und ich denke, es wäre wirklich an der Zeit, dass wir dem in Österreich mit einem ordentlichen Gesetz Rechnung tragen, damit diese Entwicklungszusammenarbeit auf ordentliche Füße gestellt wird.

Die Zeit ist schon so knapp, aber nur noch ein Wort zum Landeshauptmann Haider.

In Kärnten gibt es einen Entwicklungshilfefonds. Da gibt es einen Fachbeirat. (Abg. Achatz: Sie hätten ihm gerne den Pass genommen, Frau Kollegin! Das ist Ihr Demokratieverständnis!) Seit zwei Jahren wollen die Leute, dass diese Gelder ausbezahlt werden, dass Projekte unterstützt werden. Seit zwei Jahren wird dieser Fonds blockiert. – So viel zur humanitären Hilfe des Herrn Landeshauptmannes Haider. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Jäger, Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen ist schriftlich überreicht worden und auch genügend unterstützt. Er steht auch in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit mit in Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jäger, Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Finanzierung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird ersucht, entsprechend den Empfehlungen der OECD für eine Aufstockung des Budgetanteils für die bilateralen Programme der Entwicklungszusammenarbeit auf ein den bilateralen EZA-Kernprogrammen der anderen DAC-Länder vergleichbares Niveau ab dem Jahr 2002 Sorge zu tragen.

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird ersucht, dem Nationalrat umgehend einen Zeitplan vorzulegen, mit dem entsprechend dem Beschluss der EU-Entwicklungsminister eine Anhebung der österreichischen Ausgaben für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des BIP bis zum Jahr 2010 realisiert werden kann. Der Zeitplan soll sicherstellen, dass Österreich beim Gipfel für nachhaltige Entwicklung im September 2002 in Johannesburg im Gleichklang mit den anderen Mitgliedstaaten der EU konkrete Fortschritte vorweisen kann.

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird ersucht, entsprechend den Empfehlungen der OECD für die Erstellung eines globalen ODA-Budgets Sorge zu tragen, das alle Kompetenzen der EZA umfasst und bei dem die Ausgaben jeweils in einem Jahresbericht, der dem Nationalrat übermittelt wird, ausgewiesen werden. Für den Bereich der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit soll der Bericht entsprechend dem Dreijahresprogramm gegliedert sein und mit konkreten Budgetzahlen über die durchgeführten Projekte Aufschluss geben.

Die Bundesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass alle die Entwicklungsländer betreffenden Agenden wie Exportförderungen, Außenwirtschaftspolitik, die Positionierung Österreichs in multilateralen Finanz- und Handelsorganisationen (IWF, Weltbank, WTO) sowie die Positionierung Österreichs im Rahmen der Europäischen Union weitgehend mit den Zielen und Prinzipien des EZA-Gesetzes abgestimmt werden, wobei die betreffenden zuständigen Stellen die Konformität mit dem EZA-Gesetz nachzuweisen haben.

Zur Prüfung, Unterstützung und Evaluierung der entwicklungspolitisch relevanten bilateralen und multilateralen Beziehungen Österreichs ist daher im BMaA ein Koordinationsbüro einzurichten und mit den dafür notwendigen Ressourcen auszustatten. Dieses soll die Kohärenz aller die Entwicklungspolitik betreffenden Politikbereiche mit dem EZA-Gesetz sicherstellen, Vorschläge für die österreichische Verhandlungsposition in den entsprechenden Gremien machen und Berichte der zuständigen Stellen über diesbezügliche Verhandlungen einfordern können.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. – Bitte.

14.42

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Jäger, ich wollte Sie nur daran erinnern, dass Sie Jörg Haider den Pass entziehen wollten, und das ist schlimmer als das, was Sie gerade – und nicht einmal wahrheitsgetreu – wiedergegeben haben.

Zu Ihrer Kritik, dass Sie einen Zeitplan bei der Entwicklungszusammenarbeit vermissen. Ich will Sie nur erinnern, dass Ihre Kollegin Hlavac im Ausschuss bestätigt hat, dass ein Zeitplan und das 0,7-Prozent-Ziel im Gesetz nicht verankert werden können. So ist es eben. Wir haben uns aber dazu bekannt, dass wir dieses Ziel erreichen möchten.

Und weil Sie von mangelnder Koordination sprechen: Sie haben das Gesetz nicht gelesen. Es wird einen Beirat geben für die Entwicklungspolitik, der genau diese Aufgabe übernehmen wird.


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95. Sitzung / Seite 100

Zur Steuerfreiheit von Spenden. – Das muss man sehr genau überlegen, denn Sie wissen ganz genau, dass es hier auch Missbrauchsmöglichkeiten gibt. Daher werden wir dieses Thema sehr genau überlegen und gründlich diskutieren.

Aber zur Entwicklungszusammenarbeit selbst. Wie Sie richtig sagten, wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. 800 Millionen Menschen hungern. Gleichzeitig leiden 800 Millionen Menschen an den Folgen der Überernährung. 20 Prozent der Menschheit verbrauchen 80 Prozent der Ressourcen dieser Welt. Die Zahl der Menschen hat sich seit 1960 mehr als verdoppelt und ist auf 6,1 Milliarden gestiegen, wobei der Großteil dieses Bevölkerungswachstums in den ärmsten Ländern stattfindet.

Auf der anderen Seite haben sich die Konsumausgaben seit 1970 ebenfalls verdoppelt. Dieser Anstieg ist jedoch vorwiegend in den reichen Ländern zu verzeichnen gewesen. Obwohl es in den reichen Ländern unvorstellbaren Reichtum gibt, müssen mehr als die Hälfte der Menschen mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Das ist eine traurige Situation. Dieser Trend – und da gebe ich Ihnen Recht – wird, so die Prognosen, in Zukunft noch verstärkt werden, denn die Weltbevölkerung wird in den nächsten 50 Jahren wieder um 50 Prozent wachsen, und das speziell in den 49 ärmsten Ländern dieser Welt; dort wird sich die Bevölkerung wahrscheinlich verdreifachen.

Umweltzerstörung, Wanderungsbewegungen, Kriege um Ressourcen und Macht und menschliches Leid sind die Folge. Die Reichen und Mächtigen sind nicht in der Lage – und da gebe ich Ihnen Recht, das wissen wir aber auch –, diesem Trend erfolgreich entgegenzuwirken. Entwicklungspolitische Maßnahmen greifen nur bedingt, denn es gibt einfach unterschiedliche Interessenlagen bei den Geberländern und den Entwicklungsländern.

Es gibt verbesserungswürdige Strukturen sowie wenig effiziente Entscheidungs- und Kontrollmechanismen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig und völlig klar – das ist auch uns klar –: Entwicklung braucht Finanzierung, Österreich hat sich eben dazu bekannt, dieses 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Wir liegen derzeit bei 0,22 Prozent, der europäische Durchschnitt beträgt 0,33 Prozent. Österreich wird 2003 bei 0,36 Prozent liegen, weil 1 Milliarde Schilling – das sind ungefähr 7,27 Millionen € – für die HIPC-Initiative zur Verfügung gestellt wird.

Aber ich sage Ihnen eines: Geld ist nicht alles. Wir brauchen mehr Effizienz, wir brauchen Qualität, wir brauchen Kontrolle und wir brauchen die Orientierung am Prinzip der Nachhaltigkeit. Es kann nicht sein, dass 28,6 Milliarden € im europäischen Entwicklungsfonds liegen und sich dort stauen, weil mangelnde Entscheidungs- und Kontrollmechanismen diese Geldflüsse blockieren. Wir fordern daher auf europäischer Ebene mehr Koordination, den Abbau von Schranken und die verstärkte Vernetzung von Gebern, Nehmern und NGOs.

Das ist unser Vorhaben, und das vorliegende Entwicklungszusammenarbeitsgesetz steht daher für das Prinzip der Nachhaltigkeit, für mehr Koordination, Effizienz, Qualität und Vernetzung, für den Abbau von Schranken, für Bekämpfung der Armut, für die Sicherung des Friedens, für die menschliche Sicherheit und die Erhaltung der Umwelt und den Schutz natürlicher Ressourcen.

Wir schreiben darin aber auch fest, dass es das Recht der Entwicklungsländer sein muss, Geschwindigkeit und Art des Entwicklungsprozesses selbst festzulegen, dass kulturelle Aspekte Berücksichtigung finden müssen, dass angepasste Technologien zum Einsatz kommen und dass es die Gleichstellung zwischen Mann und Frau geben muss. Wir haben uns in Österreich dazu bekannt, ein Drei-Jahres-Programm vorzulegen und eben den Beirat für Entwicklungszusammenarbeit zu gründen.

Wenn SPÖ und Grüne heute dagegen stimmen, dann ist das ein weiterer Beweis dafür, dass auch sie in diesem Bereich Kompetenz und Verantwortung abgegeben haben, denn, Frau Jäger, es ist zu wenig, im Ausschuss zu sagen: Dieses Gesetz ist harmlos und nett. Das ist ein schwacher Beitrag der Opposition, möchte ich an dieser Stelle betonen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines liegt mir ganz besonders am Herzen, Ihnen von SPÖ und Grünen mitzuteilen. Sie kennen sicher das Sprichwort: Du sollst nicht in die Ferne schweifen, denn das Gute ist so nah. Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen: Sie sollten nicht nur in die Ferne schweifen, denn die Armut ist so nah! Die Armut in Österreich ist groß. (Abg. Gradwohl: Dank dieser Regierung! Dank dieser verantwortungslosen Politik!) 400 000  Menschen leben in Armut, und eine Million Menschen am Rande der Armut – das Ergebnis einer verfehlten Sozialpolitik der SPÖ der letzten 30 Jahre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese neue Bundesregierung hat sich dazu bekannt, diese Sorgen ernst zu nehmen und sich dieser Menschen auch anzunehmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

14.48

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Fallent, wenn ich Ihre letzten Sätze jetzt richtig verstanden habe, dann war anscheinend die Armut in Österreich das Argument dafür, dass Österreich nicht schon längst auch unter der Regierung, in der Ihre Partei jetzt vertreten ist, den 0,7 Prozent näher gekommen ist. Und das finde ich wirklich nur lächerlich – entschuldigen Sie den Ausdruck. (Beifall bei den Grünen.)

Zu sagen, dass eines der reichsten Länder der Erde deswegen, weil es in Österreich arme Menschen gibt – und da stimme ich Ihnen ja zu –, nicht ein bisschen etwas tun kann, um diesen 0,7 Prozent näher zu kommen, ist absurd. Im letzten Jahr ist der österreichische Beitrag auf 0,19 Prozent gesunken. So tief war er, glaube ich, überhaupt noch nie.

Wenn Sie jetzt sagen, im nächsten Jahr geht es auf die 0,35 Prozent zu: Das möchte ich zuerst einmal hier im Parlament sehen. Das erzählen Sie uns schon seit einigen Wochen. Ich bin mittlerweile schon seit etwa 20 Jahren im Bereich der Entwicklungspolitik tätig, und diese Versprechungen habe ich schon seit ewigen Zeiten gehört, auch von früheren Regierungen. Ich glaube das wirklich erst, wenn ich das auf dem Tisch habe, und nicht vorher. (Abg. Ing. Fallent: Lassen Sie sich überraschen!)

Diese Überraschung wird wahrscheinlich keine positive sein, befürchte ich, weil Sie nämlich, wie ja schon angekündigt, die Entschuldungsleistungen hineinschreiben wollen, wenn die OECD das akzeptiert. Das heißt aber, das passiert einmal, und im nächsten Jahr sind wir dann wieder bei den 0,19 Prozent. Das ist auf keinen Fall nachhaltig. Das lassen Sie sich gesagt sein! (Beifall bei den Grünen.)

Nun aber zum Gesetz. – Grundsätzlich, und das weiß die Frau Ministerin auch, ist es ja sehr positiv – auch von unserer Seite wird das so gesehen –, dass es endlich, nach fast 30 Jahren, ein neues Gesetz gibt, dass auch die Bereitschaft vorhanden war, das breit zu diskutieren, sowohl im Parlament als auch mit den Nichtregierungsorganisationen, und dass in den ursprünglichen Ministerialentwurf noch einige Punkte, die die NGOs reklamiert haben, die wir reklamiert haben, hineingenommen wurden, zum Beispiel die Bildungs- und Informationsarbeit.

Dass unter den Zielen und Prinzipien die Gleichstellung von Mann und Frau ist, ist etwas, was wahrscheinlich vor 10 oder 20 Jahren, als ich meine Tätigkeit in diesem Bereich begonnen habe, noch nicht möglich gewesen wäre. Also auch das ist positiv. Es sind wirklich einige Dinge durchaus zu begrüßen. Der Grund, warum wir nicht zustimmen, Herr Kollege Fallent, ist nicht der, dass wir jetzt die Kompetenz dafür abgegeben hätten. Da würde ich Ihnen schon raten, dass Sie vielleicht Unterlagen, die von den Grünen schon vor Jahren geschrieben worden sind, als Sie und ich noch gar nicht im Parlament waren, studieren, Unterlagen, die sehr wohl unsere Kompetenz in diesem Bereich schon seit Jahren aufzeigen – eine Kompetenz, die ich mir manchmal von den Freiheitlichen wünsche.


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Wenn Sie jetzt so einfach sagen, beim Bevölkerungswachstum muss man ansetzen: Bevölke-rungswachstum hat vor allem damit zu tun, dass es in diesen Ländern oft zu wenig soziale Absicherung gibt oder dass die Menschen vertrieben werden. Da können wir mit unseren 0,19 Prozent nicht wirklich einen Beitrag leisten für Veränderungen, zum Beispiel im Bereich der sozialen Sicherheit. Gerade deswegen wäre es notwendig, auch die Finanzmittel zu erhöhen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Versäumnisse werden also von den positiven Punkten, die dieses Gesetz beinhaltet, leider nicht aufgewogen. Ich sehe das Gesetz leider auch als eine vertane Chance, die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Es steht in dem Gesetz nichts darüber, was Österreich zur Schaffung gerechter weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen beitragen wird oder wie auf der Ebene der internationalen Finanzinstitutionen eine soziale und ökologische Ausrichtung von Strukturanpassungsprogrammen erreicht werden soll, was Österreich da vorhat. Abbau einseitiger Handelshemmnisse, Schuldenerlass für die ärmsten Entwicklungsländer – das kommt da drinnen einfach nicht vor!

Ich weiß schon, dass das nicht vorrangig die Kompetenz der Außenministerin ist, sondern dass die Kompetenz dafür vor allem im Finanzministerium liegt. Und damit komme ich auch schon genau zu dem Kritikpunkt, der für mich der massivste an diesem Gesetz ist: dass die Außenministerin es nicht durchsetzen konnte, dass das, was in diesem Gesetz angedeutet wird, dass es nämlich mehr Koordinationskompetenz geben sollte, auch umgesetzt wird. Das steht zwar drinnen, aber Papier ist geduldig. Es ist leider kein Mechanismus in dem Gesetz vorgesehen, wie diese Koordinationskompetenz des Außenamtes so funktionieren kann, dass tatsächlich alle österreichischen Außenbeziehungen zu den Entwicklungsländern nach den Kriterien und Prinzipien der österreichischen Entwicklungspolitik gestaltet werden können, damit auch bei der Exportförderung das Außenamt ein Wörtchen mitzureden hat, wenn es darum geht, wo österreichische Firmen ihre Projekte hinbauen, ob das soziale oder ökologische Auswirkungen hat, oder in der Außenwirtschaftspolitik, oder eben die Positionierung Österreichs in den multilateralen Finanz- und Handelsorganisationen. All das ist nicht vorgesehen! (Beifall bei den Grünen.)

Das einzig Positive in diesem Zusammenhang ist eine Arbeitsgruppe zwischen Beamten und Beamtinnen des Außenamts und des Finanzministeriums. Das ist ein wichtiger Schritt, aber Arbeitsgruppen auf Beamtenebene können, wenn der politische Wille nicht da ist, leider gar nichts bewirken. Insofern begrüße ich zwar diese Arbeitsgruppe, aber für ein Gesetz ist das einfach zu wenig. (Abg. Ing. Fallent: Sie wollen Planwirtschaft in jeder Hinsicht! Sie wissen, dass es einen freien Markt gibt und dass es die Unternehmen sind, die um Kredite ansuchen!)

Geh bitte, Herr Kollege Fallent! Sie wissen ganz genau, dass es nicht um Planwirtschaft geht. Reden Sie doch bitte keinen Blödsinn, Herr Kollege Fallent! Lassen Sie das! Sie wissen ganz genau, dass das nicht stimmt, was Sie sagen.

Es geht darum – und das sagen Sie ja auch immer –, dass Österreich im Ausland nichts anrichten soll, was vielleicht dann irgendjemandem Schaden zufügt. Sie reden doch immer davon, dass man auf die arme Bevölkerung achten muss. Also erzählen Sie mir jetzt keine Märchen!

Der Punkt, der eben wirklich wichtig ist, ist genau diese Koordinationskompetenz, die nicht vorhanden ist. Ich werde Ihnen ein paar Beispiele dafür bringen, warum es so notwendig wäre, dass die Außenministerin diese Koordinationskompetenz hätte, sowohl auf der Bundesebene gegenüber den anderen Ministerien als auch gegenüber den Ländern. Das hat die Kollegin Jäger schon erwähnt. In Kärnten gibt es nämlich einen Beirat für Entwicklungshilfe, und wissen Sie, wer den Vorsitz in diesem Beirat führt? – Der Herr Landeshauptmann. Jörg Haider heißt er, wie uns ja allen wohl bekannt ist, und sein Vertreter ist der FPÖ-Klubobmann Martin Strutz. (Abg. Mag. Schweitzer: Wissen Sie, wo Pjöngjang liegt?) Die beiden haben seit eineinhalb Jahren diesen Beirat nicht mehr einberufen, haben auch die Gelder nicht ausgezahlt – die wenigen Gelder; ungefähr 1 Million Schilling, 72 673 €. Die hätten letztes Jahr für nachhaltige Waldbewirtschaftung, für Wasserversorgung, für Bereitstellung von Saatgut ausbezahlt werden sollen. – Nichts davon ist geschehen! Der Herr Landeshauptmann Haider fährt lieber in den Irak


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und lässt sich mit dem Herrn Diktator Saddam Hussein fotografieren, als dass er in Kärnten Geld dafür ausgibt, das ohnehin schon bereitgestellt ist! Er ist nicht einmal bereit, das auszugeben. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Da würde ich mir schon wünschen, dass die Außenministerin auch den Ländern gegenüber eine Koordinationskompetenz hat und sagen kann, wann hier was geschehen soll, und dass das auch koordiniert wird zwischen den Ländern, wer wo welche Entwicklungsprojekte unterstützt. Nein, nichts geschieht! In Kärnten passiert einfach bezüglich Entwicklungshilfe nichts mehr. Vielleicht braucht der Herr Haider das Geld für seine Irak-Reise. (Abg. Mag. Schweitzer: Ihr habt kein anderes Problem als Kärnten! Das Kärnten-Syndrom der Kollegin Lunacek! Sie sollten zum Arzt gehen! – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Kollege Schweitzer! Was haben Sie gesagt? – Ein Sauerstoffmangel an einem bestimmten Punkt des Raumes!)

Ein zweiter Punkt: das österreichische Außenhandelsgesetz. (Abg. Mag. Schweitzer: Immer die gleiche Rede!) Das österreichische Außenhandelsgesetz regelt, dass eine Ausfuhr in ein Gebiet, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht, zu vermeiden ist. Wir wissen, dass im vergangenen November die österreichische Rüstungsfirma Steyr (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident! Wie oft am Tag darf man die gleiche Rede halten?)  – Herr Schweitzer, hören Sie mir zu, vielleicht wissen Sie das noch nicht! – Spezialfahrzeuge, 66 Militärkraftfahrzeuge, geliefert haben soll. Und wissen Sie, wohin? – An die Armee Simbabwes!

Sie werden wahrscheinlich in den letzten Tagen und Wochen Zeitung gelesen haben und wissen, dass Herr Mugabe derzeit versucht, die Opposition unter Einsatz von Gewalt davon abzuhalten, dass Herr Tsvangirai in zwei Monaten die Wahlen gewinnt. Österreich, Steyr, liefert anscheinend dazu Material. Wir haben dazu Anfragen gestellt und warten auf deren Beantwortung. Aber worauf ich eigentlich hinaus will: Warum hat die Außenministerin hier keine Koordinationskompetenz, um klarzustellen, auch einem Wirtschaftsministerium gegenüber, das das prüft: Transporte, Ausfuhr, in Kriegsgebiete, noch dazu in einem Entwicklungsland, widersprechen den Prinzipien der österreichischen Entwicklungspolitik. Das hat nicht stattzufinden! – Nichts gibt es von einer solchen Kompetenz in diesem Gesetz! Null! Aber es gibt Transporte in ein Gebiet, in dem quasi Bürgerkrieg herrscht. (Beifall bei den Grünen.)

Und ein Letztes: Der österreichische Außenhandelsdelegierte in Bagdad hat, als Herr Haider dort war, gemeint, dass dieser Besuch durchaus positiv für die österreichischen Außenhandelsbeziehungen gewesen sei. Frau Ministerin! Auch da würde ich mir wünschen, dass Sie in diesem Gesetz durchgesetzt hätten, dass Sie eine Koordinationskompetenz hätten, dass Sie mitreden könnten und nicht nur ja sagen müssten dazu, wenn die Wirtschaftskammer einen Außenhandelsdelegierten in einen Staat entsendet. Das ist vor einem Jahr geschehen. Er wurde entsendet. Die Außenministerin muss zwar die Zustimmung geben – abziehen kann sie ihn nicht mehr.

Es gibt Sanktionen gegenüber dem Irak. Darüber kann man reden; das habe ich zuerst schon gesagt. Aber dass die Außenministerin hier nichts dazu sagen kann, dass sie im Ausschuss nur sagen kann, abziehen könne sie ihn nicht mehr, das ist mehr als unverständlich! Und der Herr Handelsdelegierte findet es toll, dass der Herr Haider in den Irak fährt!

Frau Ministerin! Sie hätten mit diesem Gesetz die Chance gehabt, hier wirklich eine starke Koordination im Sinne der Kriterien der österreichischen Entwicklungspolitik, die ja da drinnen stehen, durchzusetzen. Sie haben das verabsäumt, und deswegen können wir leider nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

14.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Ich mache allerdings darauf aufmerksam, dass es eine Minute vor 15 Uhr ist. – Frau Abgeordnete, das heißt, wenn Sie nachher reden wollen, können Sie nachher reden. (Abg. Mag. Hakl nickt.)

Dann unterbreche ich die Sitzung bis 15 Uhr, bis zum Aufruf der Dringlichen Anfrage.

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wieder aufgenommen. )


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Präsident Dr. Heinz Fischer
(den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf, und ich lade die Kolleginnen und Kollegen ein, Platz zu nehmen.

Die Verhandlungen zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5 sind unterbrochen.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Politik der Bundesregierung in Fragen der zukünftigen Gestaltung der Europäischen Union (3532/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Behandlung der Dringlichen Anfrage.

Der Text wurde allen Abgeordneten vorgelegt; eine Verlesung durch den Schriftführer ist daher nicht notwendig.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Mit dem Vertrag von Nizza beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union im Dezember 2000 jene institutionellen Reformen, mit denen die Europäische Union erweiterungsfähig gemacht wurde. Gleichzeitig beschlossen die Staats- und Regierungschefs, dass eine breiter angelegte Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union aufgenommen werden soll. Im Rahmen dieses Prozesses sollten u. a. die Kompetenzabgrenzung zwischen Europäischer Union und den Mitgliedstaaten nach dem Subsidiaritätsprinzip, der Status der Grundrechtscharta der Europäischen Union, eine Vereinfachung der Verträge und die Rolle der nationalen Parlamente in der Architektur Europas behandelt werden.

In diesem Sinne beschloss der Europäische Rat von Laeken die Einberufung eines Konvents zur Zukunft Europas. Dieser nimmt am 28. Februar 2002 seine Arbeit zur Erstellung von Reformvorschlägen für die Europäische Union auf. Damit soll eine möglichst umfassende und transparente Vorbereitung der nächsten Regierungskonferenz sichergestellt werden. Der Europäische Rat von Laeken gab dem Konvent ein umfassendes Mandat, wobei sich für den Diskussionsprozess vier große Themenblöcke abzeichnen: die Verdeutlichung und Vereinfachung der Kompetenzstrukturen sowie eine Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, eine Reform der Politikinstrumente der Union, eine Überprüfung des Institutionengefüges und deren Funktionsweise mit dem Ziel einer Erhöhung der demokratischen Legitimität und der Transparenz, eine Vereinfachung und Neuordnung der Verträge.

Auf der Grundlage der Vorschläge des Konvents werden die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten eine Reform der Verträge der Europäischen Union verhandeln bzw. einen neuen europäischen Verfassungsvertrag abschließen, der nach österreichischem Recht einen Staatsvertrag nach Art. 50 B-VG darstellen wird.

Im Hinblick auf die weitreichende Bedeutung dieses Staatsvertrages, der vom österreichischen Parlament zu genehmigen und im Wege einer Änderung des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes innerstaatlich umzusetzen sein wird, ist es wichtig, schon heute die Politik der Bundesregierung bezüglich dieses Staatsvertrages zu diskutieren. Zur Vorbereitung dieses Staatsvertrages und dessen innerstaatliche Umsetzung nach Art. 50 B-VG durch die Bundesregierung stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage:

1. Welche Maßnahmen wird die österreichische Bundesregierung setzen, damit die gleichberechtigte Mitwirkung der mittleren und kleineren EU-Staaten im Reformprozess der Europäischen Union garantiert bleibt?


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2. Wie steht die österreichische Bundesregierung in diesem Zusammenhang zum jüngsten Brief des britischen Premierminister Tony Blair und des deutschen Bundeskanzler Schröder an den EU-Vorsitz?

3. Sieht die Bundesregierung Entwicklungsmöglichkeiten, die die Stellung der mittleren und kleineren Staaten im Institutionengefüge der Europäischen Union stärken und wie sieht die österreichische Bundesregierung in diesem Zusammenhang die zukünftige Rolle des Rates?

4. Welche Vorschläge wird die österreichische Bundesregierung zur Frage der letzten Instanz für Entscheidungen über die Verfassung bzw. die Vertragsgrundlage der Europäischen Union ("Kompetenz-Kompetenz") vorlegen?

5. Wie wird die österreichische Bundesregierung in den Verhandlungen zur Vorbereitung der neuen Verträge sicherstellen, dass sich die Zukunftsdiskussion nicht zu stark auf rein institutionelle Fragen beschränkt, sondern vor allem jene Fragen geklärt werden, die die Bürger Europas unmittelbar betreffen?

6. Wie kann eine Vereinfachung des überaus komplexen EU-Vertragswerkes einen Beitrag dazu leisten, dass die Europäische Union transparenter und bürgernäher wird?

7. Wird die Bundesregierung für die Aufnahme der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in die Gründungsverträge eintreten? Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Möglichkeit eines Beitritts der Europäischen Union bzw. der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Menschenrechtskonvention?

8. Wie könnte man Ihrer Ansicht nach erreichen, dass die Union in Zukunft auf internationaler Ebene wirksamer auftritt und dass es eines Tages zu einer effizienten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik kommt?

9. Halten Sie den EURATOM-Vertrag in seiner heutigen Form für zeitgemäß? Sollte er nicht im Rahmen der Konsolidierung und Vereinfachung der Verträge in den EG-Vertrag übernommen und zugleich angepasst und ergänzt werden, etwa durch Bestimmungen zur nuklearen Sicherheit?

10. Welche Pläne hat die österreichische Bundesregierung bezüglich einer verstärkten Einbeziehung der nationalen Parlamente in die künftige Union und hinsichtlich des Zusammenwirkens der österreichischen Konventsmitglieder, der innerösterreichischen Europarunde zur Zukunft der Europäischen Union, der österreichischen Bundesregierung sowie von Nationalrat und Bundesrat im Diskussionsprozess zur Zukunft der Europäischen Union?

In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 1 GOG NR als dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Erstanfragesteller erhält zur Begründung das Wort. Die Redezeit darf 20 Minuten nicht überschreiten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

15.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute, am 1. März 2002, beginnt ein für die Zukunft Europas entscheidendes Jahr (Abg. Schieder: Morgen ist der 1. März!): Es gilt, eine neue Verfassung für die erweiterte Europäische Union zu erarbeiten, eine Verfassung, die für die gesamte Europäische Union gelten soll. An deren Ausarbeitung ist der Konvent beteiligt, der heute seine Arbeit beginnt, ist jede Staatsregierung beteiligt, denn die Erarbeitung einer europäischen Verfassung beinhaltet auch eine Regierungskonferenz, in der die Staats- und Regierungschefs die einzelnen Länder vertreten.


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An der Erarbeitung einer europäischen Verfassung ist auch das Hohe Haus, ist der Nationalrat beteiligt, der zusammen mit dem Bundesrat für Österreich das letzte Wort zu einer zukünftigen europäischen Verfassung zu sprechen hat.

Mit unseren insgesamt acht Mitgliedern beziehungsweise stellvertretenden Mitgliedern des Konvents, die heute in Brüssel zusammentreten, hatten wir am 21. Februar unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Dr. Schüssel und Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer eine ausführliche Aussprache über die Ziele einer europäischen Verfassung; alle Parlamentsfraktionen waren daran beteiligt.

Mit der Bundesregierung sollten wir heute den Dialog darüber aufnehmen, damit das Hohe Haus, das über die europäische Verfassung zu entscheiden haben wird, und die Bundesregierung, die uns einen entsprechenden Vertrag wird vorlegen müssen, am gleichen Strang ziehen.

Damit dieser für die österreichische Zukunft so wichtige Prozess, der nicht länger als ein Jahr dauern wird, um eine europäische Verfassung zu erarbeiten, rechtzeitig beginnen kann, haben Karl Schweitzer und ich heute diese Dringliche Anfrage gestellt: an einem Tag also, an dem in ganz Europa die Frage diskutiert wird, wie die Europäische Union in Zukunft aussehen soll.

Europa braucht eine Verfassung – das haben wir ja in unserer Dringlichen Anfrage dargelegt –, aber: Wie soll diese aussehen? (Abg. Mag. Prammer: Ach, das wollen Sie heute beantwortet haben?!)

Wir wollen heute, Frau Prammer, die Debatte darüber aufnehmen, welche Vorstellungen unser Partner, die Bundesregierung, die da, auf eine Vier-Parteien-Entschließung gestützt, arbeitet, in der Konferenz der Staats- und Regierungschefs, in den europäischen Räten, in den Regierungskonferenzen vorgehen wird.

Aus einer Froschperspektive heraus mag so manche andere Frage viel dringlicher erscheinen – für uns jedoch, für die beiden antragstellenden Fraktionen, stellt, und zwar im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die Frage der Zukunft Europas und seiner Verfassung eine wesentliche Frage dar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hat Europa nicht schon eine Verfassung? – Ja, es gibt eine große Zahl an Verträgen; diese sind jedoch so unübersichtlich, dass es selbst für Juristen mit Lehrbefugnis schwierig ist, den jeweiligen Rechtsstand aus diesen Dokumenten herauszufinden.

"Einem Ungeheuer gleich" – "monstro simile, irregulare aliquod corpus" – hat einmal Samuel Pufendorf das Heilige Römische Reich bezeichnet, das auch keine geschriebene Verfassung hatte. – Samuel Pufendorf, 17. Jahrhundert! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit Europa ist es heute gleich: Man kann die Verfassungsgrundlage nicht wirklich erschließen. Diese Unzulänglichkeit ist sehr deutlich geworden beim Vertrag von Nizza, wo Tage hindurch in einer Regierungskonferenz um eine Neuordnung der europäischen Verträge gerungen wurde, es keine Transparenz gab und wo zum Schluss so wichtige Fragen entschieden wurden wie, ob jedes Land in jeder europäischen Institution vertreten sein wird, mit welchen Stimmgewichten die einzelnen Länder in den Institutionen vertreten sein werden, wie viel Mitglieder Österreich beispielsweise im Europäischen Parlament haben wird. – Das hat einen Prozess der Frustration ausgelöst, und hinterher haben sich sehr viele Parlamentarier die Frage gestellt: Was ist das für ein Europa, in dem die Grundverfassung hinter verschlossenen Türen zwischen den Staats- und Regierungschefs vereinbart wird, in dem die Parlamente nicht eingeschaltet sind und wo in der Vorarbeit keine transparenten Arbeiten geleistet werden?! – Das wollen wir anders haben!

Es war das Hohe Haus hier, das mit einem Vier-Parteien-Antrag das Anliegen artikuliert und weitergetragen hat: Wir wollen dabei mitreden! Und wir wollen einen Konvent haben – eine Art "Generalstaaten Europas", eine Art "Paulskirchen-Versammlung" wie in der Frankfurter Reichsversammlung im Jahre 1848 –, in dem Vertreter aus allen Ländern Europas, aus allen Parlamenten, in dem die Sozialpartner zusammenkommen, um in transparenter Weise diese


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Frage der zukünftigen Verfassung Europas zu besprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das war, wie gesagt, ein Vier-Parteien-Antrag. – Und Österreich hat sich da durchgesetzt. Bundeskanzler Dr. Schüssel hat sich bei der Regierungskonferenz in Nizza für einen solchen Konvent eingesetzt – und sich damit auch durchgesetzt. Die Schaffung eines solchen Konvents wurde in Nizza dann in das Schlussdokument aufgenommen.

Dieser Konvent beginnt heute mit seiner Arbeit – heute aber muss auch unsere Arbeit damit beginnen, weil wir schließlich diejenigen sind, die letztlich für Österreich entscheiden werden: Wird es eine neue europäische Verfassung geben – oder eben nicht? – Ich hoffe, es wird eine solche geben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In dieser Dringlichen Anfrage an Bundeskanzler Dr. Schüssel haben Karl Schweitzer und ich namens unserer Fraktionen einige sehr wichtige Fragen an den österreichischen Bundeskanzler gestellt, und wir erwarten uns dazu heute, wenn möglich, eine Positionierung, damit wir diesen Diskussionsprozess mit den Fraktionen aufnehmen können und damit am Ende dieses Jahres eine Position ausgearbeitet sein wird, die jene möglichst aller Fraktionen dieses Hauses widerspiegelt und die auch abgestimmt ist mit den vier Vertretern und den vier Ersatzmitgliedern im Europäischen Konvent, der ja nur 100 Mitglieder hat. Das heißt also, dass dort bereits vier Mitglieder Gewicht haben. Jede Fraktion ist in diesem Konvent mit einem Abgeordneten vertreten, sodass wir also die notwendigen Informationen und Mitwirkungsrechte haben.

Was sind nun diese Fragen? – Die erste Frage ist wohl die: Wie soll eine solche Verfassung aussehen? Soll das eine Verfassung sein, so wie wir es von der Staatsverfassung her kennen – oder soll es weiterhin ein Staatsvertrag bleiben, ein Staatsvertrag, der nicht in sich selber vorsieht, wie er abgeändert werden kann – das wäre nämlich eine Gesamtänderung der Bundesverfassung –, sondern wo weiterhin die Parlamente darüber entscheiden, wie die europäische Verfassung zustande kommt und wie sie abgeändert wird? Das ist die Frage nach der "Kompetenz-Kompetenz", wie es die Juristen bezeichnen. Das heißt, es muss geklärt werden: Wer entscheidet letztendlich darüber, ob der Staat oder ob die Europäische Union zuständig ist, eine Angelegenheit zu regeln?

Wer die Zuständigkeit hat, das zu regeln, der ist souverän. Heute sind das noch die Staaten, und ich glaube, dass auch in Zukunft die Staaten in Europa souverän sein sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Sehr richtig!)

Die zweite wichtige Frage, Herr Bundeskanzler, ist die Frage nach dem zukünftigen Status der Menschenrechtscharta. Wir haben alle mit sehr großem Interesse festgestellt, dass beim Gipfel von Nizza die in einer Art Vorläufer des Konventes ausgearbeitete Menschenrechtscharta als unverbindliche Empfehlung des Rates angenommen wurde. Das ist eine umfassende Menschenrechtscharta, die nicht nur bürgerliche, politische Rechte beinhaltet, sondern auch kulturelle, soziale und wirtschaftliche Rechte und damit neu ist. Sie ist aber nicht verbindlich. Wir haben allerdings eine verbindliche Europäische Menschenrechtskonvention, die man einklagen kann und die sich außerordentlich segensreich für den Schutz der Menschenrechte in Europa ausgewirkt hat.

Die Frage wird sein, Herr Bundeskanzler: Wie halten wir es mit der Menschenrechtscharta? Wollen wir einen relativ verwaschenen, umfassenden Menschenrechtskatalog in die zukünftige europäische Verfassung aufnehmen und sind dann von der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes abhängig, vom "Richterrecht", der das dann mit Inhalt ausfüllt, oder wollen wir die Europäische Menschenrechtskonvention mit klagbaren, sehr detaillierten, sehr ausjudizierten Rechten weiterhin in der europäischen Verfassung verankert haben?

Das ist eine Weggabelung, da sind Antworten geboten.

Für uns, Herr Bundeskanzler, ist es auch wichtig, die Antwort auf die Frage zu wissen: Wie werden Staaten wie Österreich – ich halte Österreich nicht für ein kleines Land, ich halte es auch


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nicht für ein kleineres Land, sondern ich halte es für ein gewichtiges europäisches Land –, wie wird unser Land in Zukunft mit anderen vergleichbaren Ländern behandelt werden?

Wird es eine Art Vormachtstellung der großen Länder geben, der größeren Staaten wie Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Italien, Polen, oder werden Länder wie Österreich so wie heute in allen Institutionen vertreten sein und in wichtigen Fragen durch den Grundsatz der Einstimmigkeit geschützt sein? Diese wichtigen Fragen sind zum Beispiel folgende: Wer entscheidet über unser Wasser? Wer entscheidet über die Energieversorgung? Wer entscheidet über die Steuern? Da herrscht heute Einstimmigkeit.

Wir möchten gerne wissen, Herr Bundeskanzler, wie die Bundesregierung das sieht. Wir wollen wissen, wie in Zukunft die Staaten, die mit Österreich vergleichbar sind, in der Europäischen Union mitbestimmen werden können. Für uns ist das eine sehr wichtige Frage! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine weitere Frage ist die Frage der Bürgernähe. So wie wir Nationalratsabgeordnete in Wien immer wieder in unseren Wahlkreisen mit den Fragen: Was macht ihr eigentlich in Wien?, Wie geht das alles?, Was tut ihr?, Wofür bekommt ihr eure Gage?, konfrontiert sind, so sind in ungleich stärkerem Maße die europäischen Abgeordneten mit solchen Fragen konfrontiert. Auch sie werden immer wieder gefragt: Was macht ihr eigentlich? Ihr seid immer in "Europa", was tut ihr? Was macht ihr für uns?

Es ist für den Parlamentarismus in Europa wichtig, dass das Europäische Parlament in seiner Rechtsstellung zu einem vollen Parlament ausgebaut wird, dass aber das Europäische Parlament selber bürgernäher und klarer wird, dass die Rechte der Menschen auch vom Europäischen Parlament ganz wesentlich mitgestaltet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Drei weitere Punkte, die sehr wichtig sind und die wir in unseren Fragestellungen in der Dringlichen Anfrage aufgeworfen haben, betreffen die Fragen: Wie können wir die Doppelgleisigkeit, die es in der Europäischen Union beispielsweise in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik gibt, zu einem wirksameren, verständlicheren Verfahren umgestalten? Wie schaut die Zukunft der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik aus? Wird das in die Zuständigkeit der Kommission eingebaut werden? Wie wird die Kommission in Zukunft beschaffen sein? Wird sie zu einer europäischen Regierung, was sicherlich im Interesse von Ländern wie Österreich ist? Wie sind die Räte beschaffen?

Ein Europaabgeordneter der Grünen hat die Ministerräte, in denen die den Parlamenten verantwortlichen Regierungsmitglieder in Fachräten Entscheidungen treffen, als das dunkle Loch der Demokratie bezeichnet. Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Sind diese Räte ein dunkles Loch der Demokratie, oder sind diese Räte nicht gerade jene Stellen, wo die staatlichen Parlamente über die Minister, die ihnen verantwortlich sind, an der europäischen Rechtssetzung mitwirken? Das ist eine wesentliche Frage! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Besonders wichtig aber ist das Steuerfindungsrecht. Wird es in Zukunft so sein, dass nach wie vor nur die Mitgliedstaaten Steuern beschließen können? Und wir wissen aus der Bundesstaatstheorie, dass das eine Kernfrage ist: Wer beschließt die Steuern? Derzeit finanziert sich die Europäische Union nicht durch direkte Steuern. Ich hoffe, dass es so bleiben wird. Aber es wäre wichtig, Herr Bundeskanzler, von Ihnen zu hören, was wir da vertreten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben diese Dringliche Anfrage deshalb eingebracht, weil es notwendig ist, dass Europa eine für jeden verständliche neue und transparente Verfassung erhält – eine Verfassung, die für alle europäische Staaten gleichermaßen gilt, eine Verfassung, in der kleinere Länder wie Österreich Mitwirkungsbefugnisse haben, eine Verfassung, die bürgernäher ist und in der die Menschenrechte einen wichtigen Stellenwert haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.17


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95. Sitzung / Seite 109

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erteile ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.18

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich hoffe, dass ich mit den Fragen in dieser Zeit auch durchkomme. Zunächst möchte ich Herrn Klubobmann Khol für die Gelegenheit danken, hier im österreichischen Parlament zum ersten Mal eine Grundsatzdiskussion darüber führen zu können – und das noch dazu am gleichen Tag, an dem der Europäische Konvent in Brüssel seine Arbeit aufnimmt.

Ich glaube, dass wir alle stolz darauf sein können, dass die Idee des Konvents eigentlich auch von uns aus ihren Ausgang genommen hat, denn wir haben den ersten kleinen Konvent im Mai 2001 abgehalten. Im Oktober hat es einen Vierparteienantrag, einen Antrag, der von allen Parlamentsfraktionen getragen wurde, gegeben, in welchem diese Idee unterstützt wurde. Damals war überhaupt noch nicht klar, ob die anderen vierzehn EU-Staaten dies akzeptieren werden. Wir haben dann durch sehr viel Lobbying und auch mit anderen Verbündeten dies letztlich in Laeken durchsetzen können. Daher ist es, glaube ich, schon sehr vernünftig, dass wir uns jetzt Gedanken darüber machen, was bei diesem Konvent, begleitet von den nationalen Diskussionen, herauskommen kann.

Andreas Khol! Herzlichen Glückwunsch zu dieser deiner in freier Rede vorgetragenen Grundsatzdiskussion. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich kann das leider nicht ganz so machen, aber ich werde mich bemühen, dem nachzueifern.

Es hat Samuel Huntington schon im Jahre 1988/89 gesagt: Wenn sich Europa politisch zusammenschließt, dann könnte dieses Europa im 21. Jahrhundert eine der herausragenden Mächte werden.

Die Frage ist: Sind wir das? Können wir das sein? Wie schaut die Realität aus? Roger de Weck hat in der Zeitung "Die Zeit" ein bisschen spöttisch über die Europäische Union geschrieben: Jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen irgendwie mit. – Das ist zwar ein wenig spöttisch, aber es trifft das ein wenig, was wir da tun.

Ich glaube, dass wir jetzt die Chance haben, verbindlich festzulegen, wie es besser werden könnte. Vielleicht ist es sogar die letzte Chance, denn wenn die Union einmal 25 oder 27 Mitglieder haben wird, dann wird es sehr viel schwerer sein, da fundamentale Veränderungen durchzusetzen.

Ich halte es mit Wolfgang Schäuble, der sagte, ohne eine verbindliche Klärung dessen, was auf Dauer den Mitgliedstaaten an Entscheidungszuständigkeiten bleibt, werde eine Reform der europäischen Institutionen – gleich, ob Rat, Parlament oder Kommission – nicht möglich sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es muss jetzt geklärt werden, was in Brüssel oder in Wien oder in anderen europäischen Hauptstädten oder in St. Pölten, Graz oder Salzburg oder Innsbruck, Klagenfurt oder wo immer entschieden werden muss. Diese Frage: Wer entscheidet was?, ist entscheidend.

Es sind die drei Fragen, die Andreas Khol aufgeworfen hat, nämlich betreffend die Handlungsfähigkeit der Union, die Gleichheit aller Mitgliedstaaten, das Prinzip der demokratischen Gleichheit, aber auch die Bürgerrechte, jene Themen, mit denen wir uns jetzt auseinander setzen müssen.

Europa ist natürlich von der Wirtschaft her ein absoluter Global Player: Wir produzieren fast ein Drittel aller weltweit erzeugten Güter, wir haben mit 21 Prozent den höchsten Anteil am Welthandel, wir zahlen 57 Prozent der Entwicklungshilfemittel, die weltweit geleistet werden, wir leisten 55 Prozent der gesamten humanitären Hilfe, wir tragen 36 Prozent des UNO-Budgets, und trotzdem treten wir nicht gemeinsam auf, und zwar weder in der UNO noch im Währungsfonds, noch in der WTO, noch in anderen Fragen. Ich glaube, dass sich das ändern


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muss. Die Außenrepräsentanz der Europäischen Union muss verbessert werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben unglaublich komplexe Verfahren und Strukturen. Guy Verhofstadt hat, bevor er die Präsidentschaft übernommen hat, in Göttweig einen hochinteressanten Grundsatzvortrag gehalten und hat einmal genau aufgelistet, wie das in den drei Säulen aussieht.

In der ersten Säule gibt es – auf Englisch gesagt – regulations, directives and decisions. Dann gibt es recommendations and opinions, die nicht bindend sind. In der zweiten Säule gibt es principles und general guidelines, decisions on common strategies, decisions "tout court", joint actions und common positions. In der dritten Säule gibt es vier Aktionstypen, nämlich common positions, framework decisions, decisions und conventions.

Das Ganze zieht sich jetzt durch und kann gekreuzt werden. Wir kommen damit auf insgesamt 33 bis 34 verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten mit Mitentscheidung der nationalen Parlamente ohnehin, aber vor allem auch des Europäischen Parlaments. – Freunde, das ist absurd! Das versteht ja weder der Bürger, der schon überhaupt nicht. Nicht einmal die Handlungsträger im Europäischen Rat oder im Europäischen Parlament können wirklich genau in jedem einzelnen Fall entscheiden in der Frage: Ist die erste oder die zweite Säule dran? Bei anderen Fragen ist es weit einfacher. Das kann und muss vereinfacht werden.

Genauso ist es bei den Sprachen. Es wird heute in der EU insgesamt in elf Sprachen gesprochen. Jetzt gibt es dort schon 4 000 Dolmetscher, und es kostet ein Tag in einer Sprache 30 000 €, wenn gedolmetscht wird. Mit der Erweiterung um 10 Staaten kommen 10 neue Sprachen dazu, denn Zypern braucht ja auch Türkisch, weil der Nordteil Zyperns Türkisch und nicht Griechisch spricht. Das wird eine zusätzliche Komplexität erzeugen, die in der neuen Union in Wahrheit nicht mehr leistbar sein wird. Daher glaube ich, dass im Sprachenregime, vor allem bei den Arbeitssprachen, auf der Ebene unterhalb des Rates, bei den Arbeitsgruppen, bei verschiedenen anderen Themen sich etwas wird ändern müssen. Genauso ist es in der Frage der Finanzen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde.

Zum zweiten Thema: Gleichheit aller Staaten. – Das ist ein sehr wichtiges Prinzip. Wenn man schon, wie in den letzten Tagen, die amerikanische Bundesverfassung beschwört, dann soll man auch die Frage der Gleichbehandlung etwa der Teilstaaten, der Gliedstaaten im Senat ansprechen. Es kann nicht sein, dass die Europäische Union zur "Animal Farm" wird, wo "some are equal and some are more equal" das Prinzip ist. Wir wollen alle gleich sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gleichgültig, ob es um den "blauen Brief" geht, wenn die Konvergenzkriterien nicht eingehalten werden, oder um die volle Einbindung in außenpolitische Vorentscheidungsprozesse geht, wenn, dann müssen alle gemeinsam am Tisch sitzen und in allen Institutionen Sitz und Stimme haben.

Ich sage das deswegen, weil ich als Außenminister in Amsterdam schon dabei war und erlebt habe, dass seit Amsterdam bis Nizza und jetzt im Vorfeld des Konvents ein ungeheuer harter und erbitterter Kampf um die Frage der Zurückdrängung des Einflusses der kleinen oder um eine Prädominanz der großen Länder geführt wird. Natürlich ist es manchmal eine virtuelle Debatte, denn viel öfter sind ja die großen Länder unter sich zerstritten als die Großen und die Kleinen miteinander. Aber ich sage ganz offen: Es muss ein Grundprinzip sein, dass alle Mitgliedstaaten in allen Institutionen vertreten sind und dass dort, wo es um wichtige Fragen geht, wie etwa Budget, Verfassungsänderungen, außenpolitische Fragen, wesentliche Substanzfragen, die im nationalen Interesse sind, niemand überstimmt werden kann. Das scheint mir ganz wesentlich zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In anderen Bereichen wird es – das wissen wir – mehr Mehrheitsabstimmungen geben. Der geschmähte Nizza-Vertrag hat ja immerhin in 40 verschiedenen Teilbereichen mehr Mehrheitsentscheidungen gebracht. Da ist es wesentlich, dass man dann auch Bündnispartner, Kooperations- oder Koalitionspartner sucht. Das ist ja auch die Grundidee hinter der notwendigen, von


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Benita Ferrero-Waldner eingeleiteten "regionalen Partnerschaft". Genauso wie die Benelux-Staaten oder die nordischen Staaten wird eine Mitteleuropaplattform hier große Bedeutung haben, vor allem dann, wenn diese Länder der Europäischen Union bereits angehören.

Der dritte Bereich betrifft die Bürgerrechte. Ich glaube, dass wir hier unterentwickelte Rechtsansprüche der einzelnen Bürger haben. Wir haben in Österreich etwa Individualklagen, bis hinauf zum österreichischen Verfassungsgerichtshof. Warum soll es nicht in bestimmten Fragen, die das europäische Recht betreffen und eine unmittelbare Betroffenheit aufweisen, einen direkten Rechtszug des einzelnen Bürgers hinauf bis zum Europäischen Gerichtshof geben? Warum soll es nicht in der Frage der notwendigen Subsidiarität oder der regionalen Identität ein Klagsrecht für den Ausschuss der Regionen geben? Warum soll es nicht für mehrere nationale Parlamente die Möglichkeit geben, in einer bestimmten Streitfrage den Europäischen Gerichtshof anzurufen? Warum soll es nicht mehr europäische Themen geben, die wir gemeinsam bewerben und dem Bürger nahe bringen? Warum soll es nicht mehr Austauschprogramme geben, und zwar nicht nur bei den Studenten, wo es sehr gut funktioniert, sondern auch bei den Lehrlingen, bei Arbeitnehmern? Viele Varianten wären da denkbar, genauso wie die Verankerung der Rechte auf Arbeit, auf Sprache, auf Einkommen, auf Bildung, die innerhalb des europäischen Gemeinschaftsbogens eine große Bedeutung haben könnte.

Natürlich ist die Charta der Grundrechte unvollkommen, das ist überhaupt keine Frage, aber ich persönlich glaube, dass schon der Beitritt Europas, der Europäischen Union zur Menschenrechtskonvention eine große substanzielle Bedeutung hätte und damit qualitativ den Menschenrechten in Europa gut täte.

Diesen Weg werde ich auch weiterhin vertreten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nun zu den konkreten Fragen:

Die erste Frage heißt sinngemäß: Wie können wir versuchen, die Mitspracherechte der kleinen und mittleren Staaten im Reformprozess verstärkt zu garantieren?

Wir können das tun, indem wir uns gemeinsam abstimmen. Ich habe das versucht, als im Herbst im Zuge der Afghanistan-Krise, im Zuge der Krise nach dem 11. September, ein so genannter Mini-Gipfel vor Gent abgehalten wurde, bei dem nur die drei großen Staaten dabei waren und zu dem sich dann durch Zuruf weitere vier Staaten dazureklamiert haben. Aber die Mehrheit, nämlich acht Staaten, war nicht dabei. Ich habe damals lauthals dagegen protestiert, habe mich mit den anderen kleineren und mittleren Ländern abgestimmt, was eine große Bedeutung gehabt hat, denn sowohl die Kommission als auch der Ratsvorsitz, aber auch der britische Premierminister Tony Blair haben zugesichert, dass sie die Gemeinschaftsregeln in Hinkunft achten wollen.

Ich sage Ihnen auch sehr offen: Ich unterstütze vollinhaltlich das, was Paavo Lipponen in diesen Tagen im Vorfeld des Konvents gesagt hat, nämlich dass wir gemeinsam darauf achten werden, dass die Rolle und die Bedeutung der kleineren und mittleren Länder in jedem Fall gewahrt bleibt und nicht vermindert werden darf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was den gemeinsamen Brief von Blair und Schröder an den EU-Vorsitz betrifft, so darf ich sagen: Das ist ein Text, der im Wesentlichen unterstrichen werden kann. Da gibt es auch wenig aufregende Dinge darunter. Dass sich der Europäische Rat auf weniger Punkte konzentrieren soll, dass wir keine überladene Tagesordnung, keine überladenen Schlussfolgerungen haben sollen, das ist keine Frage, aber es liegt, glaube ich, am Vorsitz und an uns selber, dies zu leben. Dass der Europäische Rat vertraulicher als bisher sein soll, das ist mehr eine Aufforderung an die, die bisher Informationen an die Öffentlichkeit haben durchsickern lassen. Das ist, glaube ich, kaum über Vertragsänderungen oder juristisch zu regeln. Dass der Rat dort, wo er legislativ tätig ist, öffentlich tagen soll, das halte ich persönlich für einen interessanten Vorschlag, der durchaus unterstützt werden soll, wie ja auch die Idee, die Zahl der Fachräte zu ändern, sie zu straffen, einer langjährigen österreichischen Idee entspricht. Ich glaube ja


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überhaupt, dass der Allgemeine Rat seine eigentliche Steuerungsfunktion verstärkt wahrnehmen können sollte.

Die dritte Frage betrifft die zukünftige Rolle des Rates. Ich glaube, dass wir genau unterscheiden sollen: Was ist legislativ? Was ist exekutiv? Was ist Gemeinschaftsrecht? Was ist intergouvernemental? Man soll auch die Frage aufwerfen: Wo ist Einstimmigkeit und wo ist Mehrstimmigkeit notwendig? Ich sage hier ganz offen: Wir haben großes Interesse daran, dass die Rolle der Kommission nicht unterminiert wird! Sie muss stark bleiben!

Gerade die großen Länder wollen oft der Kommission so manchen Stolperstein in den Weg legen, regen sich über Entscheidungen auf, versuchen Druck zu machen. Ich glaube, wir, die kleineren und mittleren Länder, haben jedes Recht und auch jede Klugheit, dass wir die Kommission in jeder Phase voll und ganz unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Weil dies so ist, meine Damen und Herren, will ich mich auch an dieser Stelle massiv gegen Johannes Voggenhuber wenden, der in einer unglaublichen Wortmeldung erklärt hat, das "schwarze Loch der Demokratie" in Europa seien die nationalen Regierungen.

Das Demokratiedefizit hat einen Namen, das ist der Rat. Ja bitte, darf ich ganz offen sagen: Ist der Rat, sind die Vertreter in Österreich nicht vollinhaltlich im Dialog mit den nationalen Parlamenten? Glaubt irgendjemand, dass dann, wenn die Entscheidungen nur mehr in der Kommission fallen würden, ohne dass der Rat legislativ und kontrollierend tätig würde, das Europäische Parlament jene Qualität ersetzen könnte, die wir in der innerösterreichischen Diskussion haben oder die Dänemark oder Deutschland, wo es gut ausgebaute Rechte der nationalen Parlamente gibt, hat?

Ich bekenne mich zu einem Miteinander, wo das Parlament auf europäischer Ebene gestärkt wird, wo der Rat nicht geschwächt wird, sondern sich als Partner einbringt und wo die Kommission eine starke europäische Rolle spielt. Wenn wir das tun, dann sind wir gut beraten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die vierte Frage ist eine ganz wichtige, nämlich die Frage nach der Kompetenzordnung. – "Kompetenz-Kompetenz", das klingt kompliziert, die Wahrheit ist, dass in den letzten Jahren, gestützt auf einige Artikel, vor allem auf den Artikel 308 des Europäischen Vertrages, sich die Praxis herauskristallisiert hat, immer mehr, abseits vom heutigen Gemeinschaftsrecht, zu zentralisieren. Dazu kommen eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die offene Methode der Koordinierung, nämlich so genannte soft laws, sanfte Rechtsregelungen, die systematisch zu einer Aushöhlung der nationalen Souveränitäten führen. Das mag im Einzelfall durchaus in Ordnung sein. Nur: Das ist nicht immer und nicht generell gut.

Es ist völlig richtig, dass man in einem bestimmten Fall, in welchem man eine gemeinsame Aktion der Europäischen Union braucht, auch handeln muss, aber wir wollen nicht quasi ein Einfallstor, wo man, wann immer es gefällt, praktisch alles tun kann, auch wenn es eigentlich nicht um Gemeinschaftsrecht geht.

Professor Griller hat herausgefunden, dass seit dem In-Kraft-Treten des Amsterdam-Vertrages – der ist seit nicht einmal fünf Monaten in Kraft – sage und schreibe 121 konkrete Maßnahmen getroffen worden, die nicht auf dem Gemeinschaftsrecht basieren, sondern unter Inanspruchnahme des Artikels 308 gesetzt worden sind.

Deswegen ist, glaube ich, der Vorschlag der Weidenfeld-Gruppe oder der Vorschlag vom Ministerpräsidenten Clement oder das Grundsatzpapier von Schäuble und Bocklet, dass man hier zu einer klaren Kompetenzabgrenzung in drei Blöcken – exklusives Gemeinschaftsrecht, gemischtes Recht und exklusive nationale Zuständigkeit – kommen soll, so bedeutsam, denn anders herum wird es immer mehr, wie auf einer schiefen Ebene, in Richtung Aushöhlung der nationalen Kompetenzen und Souveränitäten gehen, und das halte ich nicht für richtig. Das ist auch nicht im Interesse der Europäischen Idee, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Die fünfte Frage bezieht sich auf jene Themen, die den Bürger besonders interessieren und nicht rein institutionell sind. Ich glaube, dass da besonders die Nachhaltigkeit angesprochen werden soll. Seit Göteborg gibt es ja eine Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union, und ich glaube, dass das europäische Gesellschaftsmodell einer ökosozialen Marktwirtschaft, mit einer Nachhaltigkeitsstrategie ausgestattet, etwas ist, was kostbar ist und was in den europäischen Verträgen Eingang finden soll.

Wir glauben, dass da etwa das Verkehrsthema große Bedeutung hat, die Energie- und Atomsicherheitsfragen große Bedeutung haben, aber auch die Sicherheitsfragen für Konsumenten, für Nahrungsmittel oder für was auch immer. Es gibt ja in den Agenturen, die jetzt beschlossen werden, einige hochinteressante Anregungen für die Sicherheit im Luftraum, für die Sicherheit in der Lebensmittelversorgung, für die Sicherheit vor der organisierten Kriminalität und für die Sicherheit in vielen anderen Bereichen.

Ich habe übrigens in diesem Sinne heute einen Brief an den Ratsvorsitzenden José Maria Aznar geschrieben, wo drinsteht, dass mein Beitrag für den Europäischen Rat in Barcelona der sein wird oder der ist, dass wir einen europäischen Raum für Verkehr und Kommunikation anstreben, denn wenn wir nichts tun, dann wird in den nächsten zehn Jahren der Schwerverkehr um 50 Prozent ansteigen. Wenn man weiß, dass heute eine Tonne Güter auf der Bahn mit der Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 km/h transportiert wird und auf der Autobahn mit einer solchen von 48 km/h, dann weiß man, was da auf uns zukommen kann. Das heißt, dass auch durch europäische Regelungen dringend Vorsorge getroffen werden muss, dass nicht die Bürger Europas von dieser Verkehrslawine überrollt werden. Das halte ich für ganz entscheidend! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher schlage ich vor, dass die Kommission sehr bald, ohne jede Verzögerung, Rahmenrichtlinien vorschlägt, die die Grundsätze der Tarifierung, der Infrastrukturnutzung und auch eine Gebührenstruktur vorsehen, die auch ein wechselseitiges Austauschen oder eine Querfinanzierung ermöglicht.

Das zweite Thema ist ein einheitlicher Finanzmarkt, der vor allem auch die Interessen der Klein- und Mittelbetriebe berücksichtigt, die verschiedenen Risken gut abstützt. Stichwort: Basel II. Ich halte dies für eines der wesentlichen europäischen Themen, die wir in Barcelona besprechen sollen. Genauso wichtig ist auch die Frage der europäischen Beschäftigungsstrategie – Stichwort: Vereinbarkeit von Beruf und Familie –, wo die Familienleistungen, die Kinderbetreuungseinrichtungen gleichwertig bewertet werden sollen, um auch da einen Fortschritt für Europa und seine Arbeitnehmerinnen zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich schlage einen europäischen Raum für Forschung und Entwicklung vor, denn der Gap zu den USA wird immer größer. Wir haben bei den Forschungsausgaben heute schon einen Gap von etwa 76 Milliarden €. Die jüngste Studie spricht davon, dass die Unternehmungen in Amerika um 73 Prozent höhere Forschungsausgaben haben, als das innerhalb der Europäischen Union der Fall ist, und in den letzten Jahren sind die Ausgaben bei den Unternehmungen in Amerika dreimal so schnell gewachsen wie in Europa. Wir brauchen daher dringend diese "European area of knowledge". Das sind Beiträge, die, wie ich glaube, aus österreichischer Sicht sehr wichtig sind und die hoffentlich auch die Debatte befruchten werden.

Die sechste Frage bezieht sich auf das Thema Transparenz und Bürgernähe, auf die Vereinfachung der Verträge. – Ich will das hier ganz einfach beantworten: Ich glaube, dass diesbezüglich die Universität Florenz eine Liste von sehr interessanten Anregungen eingebracht hat. Ich verweise darauf: Wer Interesse daran hat, dem werde ich diese Studie oder eine Kurzfassung davon gerne geben.

Zur siebenten Frage , zur Aufnahme der Charta der Grundrechte: Ich glaube, dass die Rechtsverbindlichkeit ein Ziel ist, das wir im Rahmen der Zukunftsdebatte nicht aus den Augen verlieren sollten, aber wir wissen auch, dass die Charta kein perfekter Text ist. Manche tun heute so, als wäre sie dies. Wir sind mit manchen Formulierungen nicht zufrieden, etwa mit den


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unklaren Bestimmungen zum Minderheitenschutz, diese sind unserer Meinung nach nicht beeindruckend. Wenn, dann müsste im Konvent eine deutliche Verbesserung erfolgen. Die Alternative, die wir immer im Auge gehabt haben, ist der Beitritt der Union zur Europaratskonvention.

Die achte Frage betrifft die gemeinsame effiziente Außenvertretung. Da ist es so, dass wir praktisch die Vielstimmigkeit einer Fußballmannschaft haben. Wir haben einerseits den Ratspräsidenten, den hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, den Außenkommissar und die Regierungschefs bestimmter Mitgliedstaaten, die sich profilieren wollen und die oft Wettläufe gegeneinander veranstalten. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, dass einer, nämlich Solana, die Aufmerksamkeit und ein anderer, nämlich Patten, die notwendigen Finanzmittel hat. Längerfristig sollte dies zusammengeführt werden.

Ich nenne hier einen Punkt sehr offen, bei dem ich ein wenig anderer Meinung bin als mein Freund Andreas Khol, das ist die Frage der Finanzen. Die Frage mit der Steuerhoheit ist eine zweite Frage, und es dürfte auf keinen Fall zu einer Erhöhung der Steuerlast für den Bürger kommen, aber wenn wir glaubhaft und vor allem effizient sein wollen in der Außenpolitik, dann muss es eine andere Finanzierungsform für außenpolitische Aktivitäten geben, ob das jetzt am Balkan, in Afghanistan, in der Entwicklungszusammenarbeit oder auch in anderen Bereichen ist. Wenn immer die Frage auftaucht: Verlieren die Nettozahler und gewinnen dann irgendwelche anderen?, werden wir niemals zu einer glaubwürdigen und von den Bürgern, von den Medien akzeptierten europäischen Außenvertretung kommen. Ich glaube, dass dies ein Thema ist, das man innerhalb des Konventes offen diskutieren sollte.

Zur zehnten Frage  – hier geht es um das Zusammenwirken der Konventsmitglieder mit dem innerösterreichischen Europakonvent der Bundesregierung, aber auch mit National- und Bundesrat –: Ich halte dies für eine ganz entscheidende Frage, wenn wir überhaupt eine Rolle spielen wollen, denn Österreich ist weder im Präsidium des Europakonvents noch im Sekretariat des Europakonvents vertreten. Daher muss ein rot-weiß-rotes Team gebildet werden, das die wesentlichen Anliegen – mit unterschiedlichen Akzenten oder Prioritäten, aber doch immerhin gemeinsam – formuliert.

Ich glaube, dass wir auch ein Interesse daran haben müssen, dass die nationalen Parlamente in ihrer Mitwirkung nicht geschmälert werden. Da gibt es viele Ideen. Eine Frage ist etwa, ob man nicht verstärkt darauf drängen soll, dass die Abgeordneten aller europäischen nationalen Parlamente im gleichen Maß informiert werden, nicht wie in Österreich, Dänemark oder Deutschland mehr, in anderen Parlamenten viel, viel weniger. Ich glaube, ein gleiches Niveau der Information wäre sinnvoll.

Dazu sollte es gemeinsame Debatten zwischen den Ausschüssen des Europaparlaments und der nationalen Parlamente geben. Ich glaube, dass hier ein Gedankenaustausch und vor allem natürlich auch die Möglichkeit zu einem Erfahrungsaustausch oft sehr, sehr wesentlich wären und zu einer besseren Sichtung der unterschiedlichen Themen führen könnten.

Ich glaube daher, dass wir gut daran tun, mit dem gemeinsamen Sekretariat allen Konventsmitgliedern Österreichs, die natürlich vollkommen frei und unabhängig sind, die notwendigen Informationen oder Themen zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, dass es auch gut ist, regelmäßig eine innerösterreichische Debatte zu führen, um die Arbeit im Konvent begleitend umzusetzen.

Ich bekenne mich auch dazu, dass ich als meinen Vertreter Hannes Farnleitner nominiert habe, denn es ist schon auch wichtig, dass im Konvent jemand sitzt, der Erfahrungen mit den Ratssitzungen hat, der selbst lange Zeit im WSA, im Sozialpartnerausschuss, gearbeitet hat, dann im Rat und im Europäischen Rat viele Themen mitdiskutiert und auch die Grenzen und die Möglichkeiten erfahren hat, sodass natürlich gemeinsam mit den österreichischen und europäischen Parlamentariern eine Breite des Wissens eingebracht werden kann, die Österreich wirklich gut repräsentiert.


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Ich wünsche allen Konventteilnehmern aus Österreich, den Vollmitgliedern, den beratenden Mitgliedern, einen guten Erfolg. Ich wünsche ihnen auch Hartnäckigkeit im Durchsetzen unserer – hoffentlich – gemeinsamen österreichischen Interessen, und ich hoffe, dass die österreichische Öffentlichkeit und die Medien diese Diskussion auch aktiv und interessiert begleiten, denn das allein zählt. Europa ist nicht ein Projekt der Eliten irgendwo im elfenbeinernen Turm, sondern unsere gemeinsame Zukunft, die wir auch gemeinsam gestalten wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Kollege Voggenhuber, bitte. (Heiterkeit und Zwischenrufe.) – Sie können mir für diesen Versprecher nach der Sitzung eine Buße nennen. Ich bitte um Entschuldigung, Herr Klubobmann Van der Bellen.

15.44

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident! Der Herr Präsident war offenbar in Gedanken ganz im Europaparlament.

Herr Präsident! Ich möchte nach Artikel 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung einen Antrag stellen, nämlich den Antrag auf Anwesenheit der Frau Außenministerin Ferrero-Waldner, sodass sie zumindest jetzt während der Debatte über dieses Thema anwesend sein möge. Auch wenn ich davon ausgehe, dass sie die Meinung des Herrn Bundeskanzlers vielleicht schon kennt, hätte ich es vorgezogen, dass sie auch jetzt schon da gewesen wäre.

Es ist klar, dass Herr Dr. Farnleitner, der der Vertreter der Regierung im Konvent ist, heute nicht anwesend sein kann. Zudem hat Herr Khol gemeint, mit der Bundesregierung sollten wir heute den Dialog aufnehmen. Dr. Farnleitner ist aufgrund des Timings in Brüssel, und die Außenministerin vertritt Österreich immerhin im Allgemeinen Rat und so weiter. Ich glaube, ich brauche das nicht weiter auszuführen.

Also es würde mich freuen, wenn die ÖVP diesem Vorschlag zustimmte. Dann könnte ich das ernster nehmen, dass hier tatsächlich ein Dialog mit der Bundesregierung geplant ist. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, den der Kollege (Abg. Böhacker: Voggenhuber!) Van der Bellen gestellt hat, ist zulässig. Er ist nach der Geschäftsordnung ohne Debatte sogleich abzustimmen. Ich habe einläuten lassen, das Plenum ist komplett und beschlussfähig.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag hat daher keine Mehrheit gefunden. (Abg. Böhacker  – in Richtung Grüne und SPÖ –: Oje, schon wieder verloren!)

Ich gehe nunmehr in die Debatte ein. In dieser Debatte darf kein Redner länger als 10 Minuten sprechen, keine Fraktion mehr als 25 Minuten.

Ich möchte mich noch einmal entschuldigen, Herr Kollege Van der Bellen. Es ist mir sehr peinlich, aber das passiert mir manchmal. Vielleicht ist es nicht das letzte Mal, was andere Abgeordnete betrifft, und ich sage jetzt gleich: Es ist keine böse Absicht oder Ähnliches, es passiert mir.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt, es muss verhindert werden, dass die österreichische Bevölkerung und auch die Bevölkerung in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union den Eindruck bekommt, dass es sich bei diesem Europa um ein Europa der Eliten handelt. Es kann nicht mehr verhindert werden bei Teilen der Bevölkerung, weil dieser Eindruck bereits entstanden ist und auch immer wieder verstärkt wird. Aber auch der Eindruck, dass es sich beim


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gemeinsamen Europa hin und wieder auch um ein Europa der Lobbyisten handelt, ist natürlich vorhanden und wird auch immer wieder verstärkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Es entsteht für uns als Bürger eines kleinen Landes auch immer wieder der Eindruck, dass es sich um ein Europa der Großen handelt, nicht um eine Gemeinschaft des Rechts und nur des Rechts. Wenn Große etwas wollen, dann ist es durchaus so, dass dieses Recht, das für Kleine gelten soll, für die Großen unter Umständen nicht gilt.

Ich erinnere mich an einen jüngsten Anlass, als es darum ging, einer rot-grünen Bundesregierung in Deutschland den "blauen Brief" zu übersenden, weil diese rot-grüne Bundesregierung Deutschland an den Rand des Ruins geführt hat mit der unsäglich schlechten Politik, die dort von Rot-Grün gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es war für mich als Bürger eines kleinen Landes ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. ) Frau Kollegin Glawischnig, wenn Sie auf Seiten der Großen sind, wenn Sie auf Seiten Schröders sind, auf Seiten Blairs sind, die immer wieder das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten bevorzugen, dann kommen Sie heraus und sagen Sie das! (Abg. Dr. Glawischnig: Ja, das werde ich!) Ich bin für das Europa, in dem alle Länder das gleiche Recht haben – egal, wie groß oder klein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es kann nicht sein, dass ein Land, nur weil es klein ist, mit Sanktionen belegt wird, und es kann nicht sein, dass ein Land, nur weil es groß ist, die Kriterien, die insbesondere von diesem Land bestimmt wurden, die von ihm selbst so stark beeinflussten und damit aufgestellten Kriterien, auf die man immer so besonderen Wert gelegt hat – ich erinnere an Finanzminister Waigel, der sich hier immer hervorgetan hat –, auf einmal nicht einhalten muss. Deshalb entsteht bei der Bevölkerung in Österreich und auch in anderen kleinen Ländern – vielleicht war das auch ein Grund für die Iren, Nizza abzulehnen – der Eindruck, dass es sich hier um ein Europa der Eliten, um ein Europa der Lobbyisten, um ein Europa der Großen handelt.

Wir, Herr Bundeskanzler, unsere Vertreter im Konvent haben alles zu tun, damit wir diesen Eindruck verwischen, aber dann heißt es auch für uns, klar Politik im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher zu machen. Das ist besonders wichtig, wenn wir in Hinkunft glaubwürdig sein wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Einberufung des Konvents ist ein erster Schritt in diese Richtung, aber ich glaube, Herr Bundeskanzler, dass neben den definierten Aufgaben – eine neue, dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten, die Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente, die Klärung des rechtlichen Charakters der Charta der Grundrechte und die Vereinfachung der Verträge – auch andere Tätigkeitsbereiche aufgemacht werden sollen. Man sollte sich auch mit Lösungsmöglichkeiten für alle gegenwärtigen Probleme beschäftigen, Herr Bundeskanzler, zum Beispiel mit der Reform der Außen-, der Agrar-, der Regional-, der Energie- oder Verkehrspolitik. Man sollte den Konvent zumindest vordenken lassen, wenn es darum geht, tragfähige Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft zu erarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich, Herr Bundeskanzler, ist es so, dass dieser Konvent nur Optionen liefern kann, Optionen zur Auswahl, aber ich glaube, es wäre eine sehr, sehr vornehme Aufgabe für den Konvent, auch diese Probleme anzudenken und Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Herr Bundeskanzler! Eine Europäische Union, wie wir Freiheitliche sie uns vorstellen, muss wesentlichen Grundsätzen gerecht werden wie etwa dem, dass es sich bei diesem Europa um ein Europa der Nationen handelt, um ein Europa der Bürger. Es darf keinen europäischen Einheitsstaat, es darf keinen zentralistischen Bundesstaat geben. Aber ich glaube, in dieser Frage sind wir uns einig. Die Erhaltung der nationalen Identitäten und der kulturellen Vielfalt, also die Einheit in der Vielfalt, ist uns Freiheitlichen ein ganz besonderes Anliegen. Die Gleichberechtigung – ich habe das bereits einleitend erwähnt – souveräner Staaten muss gewährleistet sein, unabhängig von der Größe. Es darf die Dominanz einiger Großer nicht geben. Es


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darf kein Direktorium geben, so wie viele es andenken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Europäische Union und all das, was von den einzelnen Staaten in dieser Europäischen Union getan wird, werden in erster Linie, Herr Bundeskanzler, an einer zentralen Frage gemessen werden, nämlich an der Frage der Erweiterung der Europäischen Union. Hier ist besonders darauf zu achten, dass wir mit der Erweiterung die Bürger nicht überfahren. Deshalb, glaube ich, wird es notwendig sein, dass man nicht ein Beitrittsdatum festlegt und sagt, zu diesem Zeitpunkt müssen zehn oder mehr Staaten der Europäischen Union beitreten, für uns ist wesentlich, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem über einen Beitritt entschieden werden soll, der Acquis Communautaire erfüllt sein muss, Herr Bundeskanzler. Das ist die Messlatte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es werden auch noch andere wesentliche Dinge ausverhandelt sein müssen, zum Beispiel die AKW-Sicherheit und europaweite Ausstiegsszenarien. Es müssten Lösungen für die anstehenden Probleme im Zusammenhang mit den Beneš-Dekreten und AVNOJ-Beschlüssen gefunden werden. Wir sind hier nicht mehr allein! Es ist ein Erfolg Österreichs, dass jetzt auch die Slowakei, Ungarn, Bayern und Tschechien in diese Frage miteingebunden sind und gemeinsam an einer Lösung arbeiten müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek. )

Es wird notwendige Reformen geben müssen, Frau Kollegin Lunacek, etwa die Reform der Landwirtschaftspolitik. Die Vermeidung der Explosion des Kostenrahmens muss uns allen ein Anliegen sein. Es kann nicht sein, dass wir in Hinkunft noch mehr an Beiträgen zahlen müssen, wenn diese Reform nicht kommt. Es ist diese Reform einzumahnen. Es ist die Ausweitung der gemeinsamen Agrarpolitik auf die beitretenden Staaten zu gleichen Bedingungen nicht möglich. Deshalb gibt es die unabdingbare Forderung: Reform der gemeinsamen Agrarpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Finanzierung der Erweiterung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist abzuklären. Es muss transparent sein, wie viel für die einzelnen Staaten in Hinkunft zu bezahlen ist. Man muss das den Bürgern sagen können, man muss ihnen erklären können, warum wofür wie viel zu bezahlen ist. Dann wird der einzelne Bürger diese Europäische Union besser verstehen, als er sie bisher versteht. Das ist eine unserer wesentlichen Aufgaben.

Herr Bundeskanzler! Die Zeit, um all diese Themen, die hier angesprochen wurden, wirklich ausführlich zu beleuchten, habe ich leider nicht, aber eines steht fest: Eine Anhebung der Eigenmittelobergrenze wird es nicht geben, solange wir Freiheitlichen in dieser Bundesregierung mitzureden haben. Es muss Reformen geben, nicht höhere Beitragszahlungen! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Es muss über die künftige Kompetenzaufteilung intensiv gesprochen werden. Es kann nicht so sein, dass sich die Europäische Union um Dinge kümmert, für die sie nicht zuständig ist. Es gibt viele Dinge, um die sie sich nicht kümmert, obwohl sie zuständig ist. Ich denke da nur an die einheitlichen Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke.

Es muss eine Öffnung der legislativen Arbeit des Rates geben, Herr Bundeskanzler. Es muss eine Teilnahme der nationalen Parlamentarier möglich sein. Aber über all das werden wir ja hoffentlich in den nächsten Wochen und Monaten noch intensiv diskutieren können.

Ich danke für die Möglichkeit, freiheitliche Positionen einmal auch im Rahmen einer solchen Diskussion darstellen zu können, und hoffe, dass wir auch die Opposition in diese wesentlichen Fragen, in die Mitarbeit einbinden können. Hier geht es um mehr als um Parteipolitisches, hier geht es um die Zukunft der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.


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15.57

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte es begrüßen, dass im Parlament hier eine Aussprache über die wichtige Frage des Konvents stattfindet. Ich bekenne mich dazu, dass wir hier darüber sprechen, trotz der zwei Schönheitsfehler. Der erste ist ja schon in der Früh erwähnt worden. Es ist der Umstand, dass diese Debatte leider zu einem Zeitpunkt stattfindet, wo gerade die Vertreter des Parlaments im Konvent nicht hier anwesend sein können, weil sie dort sind.

Der zweite Schönheitsfehler ist für mich, dass diese Debatte im Rahmen einer Dringlichen Anfrage stattfindet. Ich glaube, das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, eine EU-Debatte, wie sie vorgesehen ist, im Haus abzuhalten, bei der die Parlamentarier der Regierung sagen, was sie wollen, bei der sie sogar die Möglichkeit hätten, sie zu beauftragen oder einen Beschluss zu fassen oder eine Empfehlung abzugeben, die ja wahrscheinlich im Einklang gewesen wäre, anstatt das in Form einer Dringlichen Anfrage zu tun, bei der Parlamentarier die Regierung fragen, was sie als frei gewählte Parlamentarier eigentlich tun sollten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wobei mir nach den Worten des Kollegen Schweitzer ja auch die Haltung auf Regierungsebene nicht mehr ganz klar ist. Aber die Aufgabe, ihn hier einzufangen, möchte ich gerne dem nächsten Redner, dem Kollegen Spindelegger, überlassen (Heiterkeit bei den Grünen) und mich mit den Inhalten dieser Debatte beschäftigen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sosehr Kollege Khol und andere damit Recht haben, dass es im Konvent vor allem um rechtliche, um verfassungsrechtliche Fragen gehen wird, so sehr wird es notwendig sein, in der Debatte darüber und in der öffentlichen Vorstellung dieses Projekts nicht bloß verfassungsrechtlich zu argumentieren, sondern zu zeigen, dass dieser Konvent die Chance ist, die Europäische Union in Einklang mit den Wünschen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu bringen.

Das ist in Wirklichkeit die große Aufgabe: Jene Reformen anzusetzen, die notwendig sind, damit sich die Menschen der Europäischen Union in den Einrichtungen, in den Zielen, in den Institutionen und in den Arbeitsgebieten dieser Union wieder finden, ihr Leben, ihre Wünsche, ihre Hoffnungen. Das ist deshalb eine inhaltliche Aufgabe im Konvent, und das ist auch eine institutionelle formale Aufgabe.

Was die Inhalte betrifft, nämlich die Gestaltung konkreter Politikfelder, so tritt die Sozialdemokratie dafür ein, dass es zu einer inhaltlichen Weiterentwicklung der EU-Kompetenzen in vielen Bereichen kommt, also zu einer Weiterentwicklung der Rolle der Union zu einer politischen Union, die in dieser Rolle selbstbewusst in der Welt auftritt, ohne andere Teile, vor allem Entwicklungsgebiete der Welt, von einer Zusammenarbeit auszuschließen. Also: Weiterentwicklung und Bewahrung der besonderen europäischen Lebensweise und sozialen Sicherheit, Weiterentwicklung der Union als Friedensprojekt und gleichzeitig internationale Gesinnung auch für die Probleme der Welt als Ganzes.

Im Einzelnen heißt das, dass wir uns natürlich der Frage der Grund- und Menschenrechte stellen müssen. In dieser Hinsicht stimme ich mit dem überein, was bisher gesagt wurde. Ich bin für die Haltung sehr dankbar und glaube auch – und das nicht nur in meiner jetzigen Funktion, ich habe das auch schon früher vertreten –, dass der Beitritt zur EMRK die beste Lösung wäre und auch sicherstellen würde, dass es keine ungleiche Entwicklung in diesen wichtigen Fragen innerhalb Europas geben würde – die Hälfte Europas wird ja auf längere Sicht nicht in der Union sein – und dass dort, wo es Weiterentwicklung gibt, alle Menschen dieses Kontinents daran partizipieren könnten.

Wichtig sind die anderen Bereiche: Beschäftigung, soziale Sicherheit als gleichwertige Ziele neben der wirtschaftlichen Integration. Wir hatten manches, das wir bisher als Ziele oder auch verwirklichte Ziele angesehen haben, in Wirklichkeit nur als Verwirklichung von Instrumenten zu sehen, die wir erst einsetzen müssen, um zu den wirklichen Zielen in Europa zu kommen: Verankerung der Ziele Wachstum und Beschäftigung neben dem Ziel Geldwertstabilität, Harmoni


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sierung der Steuerpolitik, Schaffung einer europäischen Kompetenz im Außenhandel, Sicherheitsstandards für AKW, Integration des Euratom-Vertrages in den EU-Vertrag und Beseitigung der wettbewerbsverzerrenden Sonderrolle der Nuklearenergie, weitere Integration von Außen- und Sicherheitspolitik, Verteidigungspolitik – unserer Auffassung nach bis hin zu einer eigenständigen europäischen Verteidigung – und Weiterentwicklung der EU in den Bereichen Justiz, Inneres und Konsumentenschutz.

Wo es um die Reform der Institutionen, also um die Möglichkeiten geht, dass die Bürger am Leben der Union teilnehmen, dort geht es im Wesentlichen um die Grundsätze des grundlegenden Prinzips der Demokratie, dass die Bürger und Bürgerinnen nur an jene Gesetze gebunden sein sollen, die sie auch selbst oder durch ihre gewählten Vertreter beschlossen haben.

Deshalb bekennen wir uns – wie auch die anderen Fraktionen – zu einem Ausbau des Europäischen Parlaments. Wir treten dafür ein, dass es ein Vollparlament wird, mit allen parlamentarischen Rechten, und nicht auf einem Standard ist wie alle anderen internationalen parlamentarischen Versammlungen, der eigentlich der Entwicklungsphase der nationalen Parlamente am Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert entspricht und weit zurückhinkt. Wir sind dafür, dass der Rat beibehalten wird und dass die Demokratielücke in den Bereichen Justiz und Inneres, Außen- und Sicherheitspolitik geschlossen wird. Wir sind für die Schaffung europäischer direktdemokratischer Instrumente wie Volksabstimmung und Volksbegehren, und wir glauben, dass die Europäische Kommission weiterentwickelt und gestärkt werden müsste.

Hierbei wollen wir vor allem eine Debatte, wie auch da ein demokratisches Element stärker entstehen könnte, das eine Wahl des Kommissionspräsidenten vorschlägt. Viele von uns meinen oder haben gemeint, das könnte durch das Europäische Parlament geschehen. Es ist jedoch der sehr interessante Vorschlag von Alfred Gusenbauer gekommen, es so zu machen, dass die stärkste wahlwerbende Gruppe bei den Europawahlen diese Funktion mit dem Spitzenkandidaten oder einer Person besetzt. Ich glaube, das wären Wege, die geeignet sind, auch den Bürgern sehr deutlich zu zeigen, dass sie sich in den Organen und in der Arbeitsweise der Europäischen Union wirklich wieder finden können.

Die Debatte darüber ist notwendig, und sie darf nicht auf den heutigen Tag beschränkt sein. Ich hoffe, dass die Bereitschaft, diese Fragen in einem Diskurs zu behandeln, vorhanden sein wird, und zwar nicht nur dann, wenn es bloß darum geht, wer hier einen bestimmten Nachmittag füllt. Es geht darum, wie wir unsere Zukunft und die Zukunft Europas gestalten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

16.05

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! In vielen inhaltlichen Bereichen, die Kollege Schieder genannt hat, kann ich zustimmen, in einem unterscheiden wir uns, nämlich was die Anlage der Diskussion anlangt, aber vielleicht finden wir uns auch da.

Aus meiner Sicht ist das nicht nur ein Thema für diejenigen, die für das Parlament im Konvent sitzen, sondern das ist ein Thema für uns alle, und zwar deshalb, weil die Grundfragen, die damit verbunden sind, auch uns alle betreffen, meine Damen und Herren. Ich glaube, dass es auch Parlamentarier gibt, die nicht im Konvent sitzen – dazu zähle ich auch den Kollegen Schieder, den Kollegen Schweitzer – und die etwas zu diesem Thema zu sagen haben. (Abg. Schieder: Sie haben völlig Recht! Nur, die sollten nicht ausgeschlossen sein! – Abg. Mag. Kogler: Gestern war keine Zeit dazu?) Daher denke ich, meine Damen und Herren, dass es auch gut ist, heute darüber zu reden, weil diese Diskussion jetzt auch mit der Aufnahme der Arbeit des Konvents gestartet wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube auch, Kollege Schieder, dass es noch eine weitere Dimension gibt als nur den Konvent, der ein wichtiges Instrument dafür ist, gerade die Frage des so genannten Demokratiedefizits zu klären. Darüber hinaus ist ja auch das österreichische Parlament als nationales


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Parlament letztlich Verfassungsgesetzgeber für die Europäische Union, und daher soll auch eine Diskussion in diesem Hohen Haus in der nötigen Breite stattfinden.

Die Fragen, die damit verbunden sind, treffen uns unmittelbar: Wofür werden wir denn nach einer Verfassungsreform der EU noch zuständig sein? Welche Gesetze werden wir beschließen können? Wer wird der Ansprechpartner für den österreichischen Bürger sein, wenn es um europäische Fragen geht? Wird das nicht auch ein österreichischer Parlamentarier sein müssen? Es wird um die Frage gehen, ob Länder, die der Europäischen Union angehören, ihre Interessen dann noch werden durchsetzen können und welche Mechanismen man dafür finden wird. Also das sind doch sehr grundlegende, uns alle betreffende Fragen auf dem Gebiete der Gesetzgebung.

Ich möchte ein paar wenige Fragen davon herausgreifen und aus Sicht der Volkspartei unsere Position dazu klar machen:

Die erste große Frage wird die der Kompetenzabgrenzung sein, also die Frage: Wofür soll die Union zuständig sein, wofür soll der nationale Gesetzgeber zuständig sein? – Ich glaube, wenn man alle Tabus weglässt, die es dabei gibt, dann sollte doch klar sein, dass es auch auf europäischer Ebene mehr Kompetenzen in Fragen der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik geben sollte als heute, damit auch ein nationaler Verzicht auf Souveränität gegeben ist, dass aber auf der anderen Seite natürlich auch Kompetenzen hinterfragt werden müssen, die derzeit auf europäischer Ebene bestehen. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass Kommissionspräsident Prodi jetzt zum ersten Mal klar festgehalten hat, dass er sich vorstellen könne, Kompetenzen an die Nationalstaaten zurückzugeben.

Sehen wir uns doch die Beispiele in der Praxis an, bei welchen das bisher nicht funktioniert hat. In vielen Bereichen, in denen man über den Rand dessen hinausgegangen ist, was unmittelbar im EU-Vertrag drinnen steht, gab es Probleme. Sagen wir es doch offen: Die "Natura 2000" war ein solches Beispiel. (Abg. Dr. Glawischnig: Es ist noch immer ein solches!) Es ist noch immer ein solches Beispiel, weil Raumordnungsfragen und Fragen der Bodennutzung in Brüssel nichts verloren haben. Das ist eine Frage, die schon bei uns, möglichst auf lokaler Ebene, geregelt sein soll und nicht in Brüssel geregelt werden soll. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte einen zweiten Punkt herausgreifen, nämlich die Frage, ob man nicht auch im Zuge der Diskussion jetzt generell die Aufgaben, die die Europäische Union hat, auch in ihrer Dichte hinterfragen soll, eine Aufgabenkritik durchführen soll, denn wenn wir uns die Richtlinien heute näher anschauen, so können wir feststellen, dass das in Wahrheit Gesetze sind. Es sind nicht mehr Richtlinien, bei welchen die nationale Gesetzgebung noch Ausführungsmöglichkeiten hat, sondern es wird schon so dicht, dass der Spielraum gegen null tendiert. Ich halte das für keine gute Idee (Abg. Mag. Schweitzer: Sehr gut!), weil wir sehr unterschiedliche Systeme in Europa haben, die nicht immer harmonisiert werden müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich denke auch, dass man Doppelgleisigkeiten in der Europäischen Union offen ansprechen muss. Erinnern wir uns, dass an der letzten Kommission große Kritik deshalb geübt wurde, weil es da Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Die Folge davon war, dass man eine eigene interne Revision in der Kommission eingerichtet hat. Aber wir haben daneben einen voll funktionierenden Europäischen Rechnungshof. Mittlerweile wird doppelt geprüft: erst intern, dann extern. Da stellt sich die Frage, ob das wirklich sinnvoll ist. Es sind etwa 100 Beamte der Europäischen Union für diese interne Kontrolle abgestellt. Ich glaube, dass es an der Zeit wäre, auch da wieder den Europäischen Rechnungshof voll wirksam werden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich namens der Volkspartei auch die Fragen des so genannten Demokratiedefizits ansprechen. Aus meiner Sicht wird man hinsichtlich der Fragen der Kompetenz des Europäischen Parlaments einiges verbessern können. Aber ist es nicht auch unbedingt notwendig, dass die nationalen Parlamentarier ein Mitwirkungsrecht haben, weil sie eben näher


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am Bürger sind und sich auch mit diesen Aufgaben identifizieren? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass diese Idee, über die COSAC hinaus gemeinsame Ausschüsse zu praktizieren, vielleicht auch eine Art Initiativrecht von drei, vier Parlamenten in der Europäischen Union zu schaffen, damit das ein Thema auf europäischer Ebene wird, eine gute Sache wäre. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Würden alle europäischen Länder das System Österreichs verwirklichen, nämlich eine Mitwirkung des Hauptausschusses oder der jeweils dort zuständigen Ausschüsse einzurichten (Abg. Mag. Lunacek: Eine tatsächliche!), dann wäre, glaube ich, schon ein großer Schritt nach vorne getan. Da können wir durchaus auch Vorbildfunktion haben und brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.

Lassen Sie mich aus meiner Sicht auch ein ganz wichtiges emotionales Thema ansprechen, das uns in der Vergangenheit sehr berührt hat, nämlich die Rolle der kleinen und mittleren Länder gegenüber den großen Ländern in der Europäischen Union. Das bleibt natürlich nachhaltig ein Thema. Erst vor wenigen Tagen gab es wieder eine Initiative zwischen Blair und Schröder. Es ist ihnen unbenommen, aber für Gedanken an ein Direktorium stehen wir nicht zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jedes Land in der Europäischen Union muss gleiche Rechte haben, wenn es Mitglied ist und Beiträge zahlt, und es muss auch in allen Institutionen vertreten sein. Das ist ein Grundsatz, den wir nicht verlassen sollten!

Ich glaube daher, dass wir auch in dieser Frage auf informelle Kontakte setzen sollten. Ich begrüße es, dass der Herr Bundeskanzler jetzt in einem Brief an den Ratsvorsitzenden, den spanischen Premierminister Aznar, diesbezüglich neue Vorschläge gemacht hat, durch persönliche Kontakte versucht, Initiativen über dieses Schema "Klein – Groß" hinaus zu entwickeln. Das ist eine sehr gute Variante, und es wird uns in einer erweiterten Union das Konzept der regionalen Partnerschaften in dieser Richtung einen Startvorteil verschaffen. Daher begrüße ich es sehr, dass wir in diese Richtung so initiativ geworden sind.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass diese Diskussion jetzt wichtig ist, denn die Ziele, wohin wir wollen, müssen jetzt definiert werden. Nur wer weiß, wohin er will, wird den Weg dorthin auch richtig abstecken können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lunacek. – Bitte, Frau Magistra.

16.13

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Spindelegger, Sie haben sehr Recht, nur: Wer weiß, wohin er will, wird auch dorthin kommen. Aber genau deshalb finde ich es schon sehr eigenartig, dass Sie diese Dringliche Anfrage heute stellen, wo diejenigen Mitglieder dieses Hohen Hauses, die das österreichische Parlament, den österreichischen Nationalrat in dem Konvent vertreten sollen, gar keine Chance haben, da zu sein. Wenn Sie es also Ernst meinen damit, dass der österreichische Nationalrat hier der Bundesregierung Fragen stellt beziehungsweise nicht nur Fragen stellt, sondern ihr auch die Meinung des österreichischen Nationalrates mit auf den Weg gibt, dann ist es doch völlig widersinnig, das heute zu machen, wo die Betreffenden nicht anwesend sein können. Die Antwort auf die Frage, warum Sie diese Dringliche Anfrage nicht gestern eingebracht haben, als die betroffenen Personen auf jeden Fall da waren ... (Abg. Dr. Khol: Da hatten wir ja den Misstrauensantrag!)  – Ja, aber der Misstrauensantrag war keine Dringliche Anfrage. Um 15 Uhr hätten Sie genauso gut diese Dringliche Anfrage einbringen können. Das ist ein billige Ausrede, Herr Klubobmann Khol! (Beifall bei den Grünen.)

Der Grund dahinter ist ein ganz durchsichtiges Manöver: Sie versuchen eine Aufklärung der Umstände, der Situation im Außenamt in Bezug auf die Irak-Reise Haiders zu unterbinden. Sie


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wollen nicht, dass die Außenministerin hier unangenehme Fragen beantworten soll. So ist das! (Abg. Mag. Schweitzer: Wie oft darf man die gleiche Rede pro Tag halten? Gibt es da keine Geschäftsordnungsregelung?)

Wenn es Ihnen mit diesem Konvent wirklich Ernst wäre, dann hätten Sie diese Dringliche Anfrage gestern eingebracht oder dann würden Sie sie zu einem Zeitpunkt einbringen, zu welchem die damit Befassten anwesend sind, zu welchem schon klar ist, wie die Geschäftsordnung aussieht und wie sie weiterarbeiten wollen – aber nicht heute, wo diese Personen zur gleichen Zeit in Brüssel sitzen und arbeiten. Das ist ein durchsichtiges Manöver! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie etwas zu sagen?)

Es ist schon ein sehr merkwürdiges Verständnis für die Rolle des Parlaments, wenn Sie diese Dringliche Anfrage machen, weil Sie jetzt einen Dialog zwischen Regierung und Nationalrat zu dem Thema des Konvents haben wollen. (Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie zum Thema etwas zu sagen?) Dann gibt es einen Antrag, dass die Außenministerin an diesem doch wichtigen Dialog, wo sie auch die Inhalte vertreten muss, teilnehmen soll – aber den lehnen Sie ab! Es kann Ihnen also mit diesem Dialog nicht wirklich Ernst sein, sonst würden sie ihn anders gestalten.

Zum Inhalt: Es ist leider so, dass hier sehr wohl eine Scheindebatte über Europa geführt werden soll (Abg. Amon: Haben Sie auch einen Vorschlag?), denn, wie gesagt, die davon betroffenen Mitglieder des Nationalrats sind heute nicht da, weder die beiden Freiheitlichen Bösch und Kurzmann noch jemand von der ÖVP. – Von der ÖVP gibt es ja keines aus dem Nationalrat. Das finde ich ja besonders interessant, nämlich den Umstand, dass die ÖVP den Freiheitlichen überlässt, sowohl ein Vollmitglied als auch ein Ersatzmitglied zu entsenden, und sie selbst aus dem Nationalrat niemanden entsendet, mit dem Argument, sie hätten ohnehin den Regierungsvertreter Farnleitner. (Abg. Dr. Khol: Dann hätten Sie kein Ersatzmitglied!)

Obwohl die ÖVP weiß, wie die Freiheitlichen in der Europapolitik agieren, dass sie nicht wirklich die Interessen der Europapartei ÖVP vertreten, was ja zum Teil auch den Wortmeldungen des Herrn Schweitzer zu entnehmen war, gibt sie an die Freiheitlichen sogar ihr Recht ab, ein Ersatzmitglied zu entsenden, sodass zwei Freiheitliche vertreten sind. Das "lobe" ich mir bei der ÖVP, der früheren Europapartei. (Abg. Dr. Khol: Wir lassen euch ein Ersatzmitglied, und ihr schimpft uns dafür! – Abg. Schwarzenberger: Das Entgegenkommen wird ausgenützt!)

Sie wollen nicht einmal selbst ein Ersatzmitglied aus dem Nationalrat entsenden und überlassen das den Freiheitlichen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass die Freiheitlichen in vielem nicht Ihre Linie der Europapolitik – oder zumindest war sie das früher einmal – vertreten. Das zur Ernsthaftigkeit Ihres Versuches, hier diese Debatte zu führen. (Abg. Mag. Schweitzer: Der Herr Präsident Fischer erklärt es Ihnen nachher! Er hat es angedeutet!)

Herr Kollege Schweitzer! Gleich einmal zu Ihnen: Sie haben in einem Atemzug die Slowakei, Ungarn, Tschechien und Bayern genannt. Jetzt frage ich mich: Seit wann ist Bayern ein souveräner Staat? Das ist mir neu. Das gehört immer noch ... (Abg. Mag. Schweitzer: Das habe ich ja nicht behauptet!) Aber Sie nennen es in einem Atemzug mit anderen Staaten und reden zuerst von der Souveränität der Nationalstaaten. Ich denke, bei der Geographie müssten Sie vielleicht doch noch ein bisschen nachlegen.

Die Frage, um die es hier wirklich geht: Es geht um die Demokratisierung dieses Europa. Darum geht es den Grünen, und ich glaube, das ist Ihnen mittlerweile wohl bekannt. (Abg. Murauer: Nein!) Es geht vorrangig darum, das Europaparlament zu einem Vollparlament zu machen, zu einem Parlament, das wirklich alle Rechte hat, die auch der Nationalrat hat. (Abg. Mag. Schweitzer: Für alles?)  – Für alles! Da ist es allerdings schon sehr eigenartig, dass die Bundesregierung in der Dringlichen Anfrage von Herrn Kollegen Schweitzer und Herrn Klubobmann Khol nicht mit einem Wort gefragt wird, wie denn das Europaparlament aus der Sicht der Bundesregierung gestaltet werden soll. (Abg. Jung: Sie beschließen die Selbstauflösung, nicht wahr?) Wenn Sie schon eine Dringliche Anfrage machen, in der der Nationalrat die Bundesregierung fragt, wie sie sich den Konvent vorstellt, und dann mit keinem Wort das Europaparlament darin vorkommt (Abg. Mag. Schweitzer: Zuerst der Kompetenzkatalog!), sondern nur


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die nationalen Parlamente, nur die österreichischen Interessen, das rotweißrote Team (Abg. Mag. Schweitzer: Ja, so ist es!), dann scheint für mich die Aussicht, dass Sie wirklich in Richtung einer Demokratisierung Europas gehen wollen, die den Rat auch an Entscheidungen des Europaparlaments bindet, noch weit entfernt zu sein.

Was die Grundrechtscharta betrifft: Wir von den Grünen sind immer davon ausgegangen, dass diese Grundrechtscharta verbindlich wird. Das war ja auch einer der Punkte in Nizza, die wir als Scheitern beurteilt haben, nämlich dass diese Grundrechtscharta nicht verbindlich wurde, dass es keine einklagbaren Grundrechte sind. Es ist für mich schon etwas verwunderlich, wenn dann auch Sie, Herr Bundeskanzler Schüssel, die Meinung vertreten, dass eine Verbindlichkeit der Grundrechtscharta nicht wirklich das Ziel sein kann. Sie waren doch als Außenminister selbst einer, der gemeinsam mit dem damaligen italienischen Außenminister Dini dazu beigetragen hat, dass es da einen ersten Vorschlag gegeben hat, und jetzt wollen Sie nicht einmal, dass das, was daraus geworden ist, rechtsverbindlich wird!?

Ich frage Sie daher: Wozu machen wir dann eine Grundrechtscharta, wenn sie nicht einklagbar ist, in welcher noch dazu Grundrechte enthalten sind, wie etwa der Schutz vor Diskriminierung, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesem Sinne nicht enthalten sind? – Vielleicht deswegen, weil darin auch die sexuelle Orientierung vorkommt, und da wissen wir ja, dass die ÖVP und der Herr Bundeskanzler diesbezüglich eine eindeutige Meinung haben und keine Grundrechte einführen wollen. (Beifall bei den Grünen.) Ich hoffe, dass das nicht der einzige Hintergrund Ihrer Haltung ist.

Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der ÖVP und von den Freiheitlichen! Es ist schon auch sehr erstaunlich, dass Sie hier Johannes Voggenhuber so massiv kritisieren, der das Demokratiedefizit in der Europäischen Union angesprochen hat. Zugegeben, auch wir Grünen sind nicht immer mit allem, was Johannes Voggenhuber sagt, einverstanden, aber in diesem Fall, den Rat als "schwarzes Loch der Demokratie" zu bezeichnen und damit das Demokratiedefizit in der EU anzusprechen, hat er leider sehr Recht.

Wenn das anders wäre, dann wäre Nizza ja nicht gescheitert, dann wäre nicht noch in der letzten Nacht hinter verschlossenen Türen versucht worden, irgendetwas auszuarbeiten, was dann eh nicht Hand und Fuß gehabt hat, dann wären wir jetzt auch, was die Zukunft der Europäischen Union betrifft, schon etwas weiter.

Dieser Rat gehört demokratisiert, und die Überlegung, aus dem Rat eventuell eine zweite Kammer zu machen, ist eine, die ich durchaus diskussionswürdig finde. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Wirklich nicht!) Aber das soll wohl der Konvent entscheiden, und da bin ich sehr froh darüber, dass in dem Konvent eine Mehrheit von Parlamentariern und nicht eine Mehrheit von Regierungsmitgliedern vertreten ist.

Klubobmann Khol hat gemeint, dass der Bundeskanzler so entscheidend dazu beigetragen hat, dass dieser Konvent jetzt stattfindet. Herr Klubobmann Khol – auch wenn Sie jetzt mit Herrn Klubobmann Van der Bellen sprechen, spreche ich Sie an –, ich möchte Sie daran erinnern, dass der Konvent auch schon zu Zeiten der Grundrechtscharta funktioniert hat und dass Bundeskanzler Schüssel – ich kann mich noch sehr gut an diese Debatten erinnern – am Anfang eher davon ausgegangen ist, einen sehr offenen, breiten Konvent zu machen, wo nicht die Parlamentarier und die Parlamentarierinnen – also auch die wenigen Frauen, die da auch dabei sind – das Sagen haben. Also jetzt dem Herrn Bundeskanzler die Geburt dieses Konvents in eine nicht vorhandene Wiege zu legen, das halte ich doch für verfehlt.

Noch etwas: Herr Kollege Schweitzer hat, sofern ich ihn richtig verstanden habe – es war etwas eigenartig, das von ihm in dieser Form zu hören, aber ich glaube es ihm schon –, von der Teilnahme der nationalen Parlamente am Rat gesprochen. Wenn sich Kollege Schweitzer das so vorstellt, wie es Kollege Spindelegger gemeint hat, nämlich dass es dann halt einige nationale Abgeordnete gibt, die gemeinsam etwas beim Rat einbringen, dann möchte ich ihm sagen: Ich würde zuerst einmal darauf pochen, dass die Möglichkeit, die wir im österreichischen Nationalrat haben, eben im Hauptausschuss, wirklich so genutzt werden kann, dass Minister und


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Ministerinnen für ihre Entscheidungen im Rat gebunden werden können und dass das nicht ständig von den Regierungsfraktionen blockiert wird, wenn es solche Vorschläge gibt. (Beifall bei den Grünen.) Das würde Demokratisierung bedeuten!

Es geht – auch da besteht ein großer Gegensatz zum Kollegen Schweitzer – den Grünen, liebe, nicht liebe, werte Damen und Herren von den Freiheitlichen (Abg. Dr. Krüger: Teuer und wert!), nicht vorrangig um die Zukunft der österreichischen Bevölkerung in einem nationalistischen Sinn, wie das bei Ihnen der Fall ist. Uns geht es um die Zukunft Europas und der Österreicherinnen und der Österreicher und dieser österreichischen Demokratie in einem demokratischen Europa. Dieser europäische Gedanke hat in Ihrer Wortmeldung, Kollege Schweitzer, völlig gefehlt. Sie haben nur nationalistisch österreichische Interessen vertreten, und das ist zu wenig für eine europäische Debatte! (Beifall bei den Grünen.)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. – Bitte.

16.24

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich habe eine Frage zu beantworten vergessen, weil ich mich verblättert habe, und ich will das gerne nachholen. Ich möchte aber davor noch etwas zur Frau Abgeordneten Lunacek sagen, weil ich eine bestimmte Aussage, die hier von ihr gemacht wurde, wirklich als unfair empfinde.

Frau Abgeordnete Lunacek! Sie kennen die Nominierungsrechte für den Konvent. Das ist in Laeken auch mit meiner Stimme ausgemacht worden, daher weiß ich, was dort besprochen worden ist. Es ist entschieden worden: jeweils ein persönlicher Vertreter der Regierungschefs mit Stellvertreter, zwei Vertreter der nationalen Parlamente und 16 Vertreter des Europäischen Parlaments.

Im Interesse eines Allparteienkonsenses habe ich meine beiden Vertreter, den Vollvertreter und den Stellvertreter, auf das Kontingent ÖVP genommen, damit die grüne Fraktion die Chance hat, eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter zu bekommen.

Ich finde das wirklich bemerkenswert, dass Sie jetzt da herkommen und mir vorwerfen, dass wir im Interesse eines Allparteienkonsenses so gehandelt haben, dass auch eine andere große Partei einen Stellvertreter, nicht nur ein Vollmitglied, sondern auch einen Stellvertreter, hat und ich sozusagen die ÖVP durch einen persönlichen Vertreter und einen Vertreter der Länderkammer voll abdecke. Das finde ich unsolidarisch gegenüber der Länderkammer und auch gegenüber den anderen Fraktionen. Wenn wir einen Konsens machen, dann stehen wir bitte alle dazu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich finde, das ist kein guter Geist, wenn man ein so wichtiges Thema so kleinkariert beginnt. Ich wünsche mir wirklich, dass Sie auch meine Interpretation, was ich öffentlich immer gesagt habe, nicht von den Füßen auf den Kopf stellen. Ich war immer für den Konvent, und ich war immer auch dafür, dass dieser Konvent nicht im elfenbeinernen Turm, vielleicht übertragen über Fernsehen oder Internet, passiert, sondern dass daneben auch noch die Bürgergesellschaft die Möglichkeit hat, mitzudiskutieren. Das habe ich gemeint!

Entschuldigen Sie vielmals: Sind Sie der Meinung, dass die 105 plötzlich das Volk oder Europa sind? Mitnichten! Die 105 sind genauso repräsentativ wie die 183 hier im österreichischen Parlament. Sie sind ein Teil Europas, und es gehört dazu, dass die Bürgergesellschaft parallel über Medien, über Internet, über Arbeitskreise diskutiert. Wenn Sie das als undemokratisch empfinden, dann frage ich zurück: Was haben Sie für eine Demokratieauffassung? Das Volk ist doch mehr als die gewählten Vertreter hier! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Der Einzige, der bei der von uns vorige Woche veranstalteten Diskussionsrunde nicht dabei war, war Herr Abgeordneter Voggenhuber. Dann dagegen zu polemisieren, dass es hier ein Treffen gibt, und dann von außen zu sagen, wo das "schwarze Loch der Demokratie" ist, Frau Abgeordnete, das ist nicht fair! Ich käme nie auf die Idee, Herrn Abgeordneten Voggenhuber zu kritisieren, wenn er eine


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abweichende Meinung hat. Da muss man sich in der Substanz auseinander setzen. Unsere Diskussionsbemühungen mögen genauso gut oder problematisch oder schlecht sein wie der Konvent als solcher oder eine Parteiveranstaltung oder eine Diskussion hier im Parlament, aber zu sagen, diese Diskussion ist gut und die andere Diskussion ist schlecht, da nehme ich mit Stolz nicht daran teil, das halte ich nicht für richtig. Nehmen wir einander ernst! Ich glaube, dann fahren wir alle miteinander besser, und die Bürger haben ein besseres Gefühl. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Frage 9 von Herrn Abgeordnetem Khol war, ob ich den Euratom-Vertrag in seiner heutigen Form für zeitgemäß halte. – Die Antwort ist klar: Nein! Es ist klar anachronistisch, für einen winzigen Wirtschaftszweig, nämlich die Energiegewinnung aus Kernkraft, einen eigenen, besonderen europäischen Vertrag zu haben, während alle anderen volkswirtschaftlichen Aktivitäten im EG-Vertrag geregelt sind.

Wir wollen daher diesen Euratom-Vertrag in das europäische Recht integrieren, und zwar unter Schaffung eines Energiekapitels, was natürlich dann zur Folge hätte, dass man auch die inhaltlichen Defizite beseitigen könnte, denn da ist mehr Europa gefragt. Da bin ich der Meinung, dass der Förderzweck des Euratom-Vertrages falsch ist, weil er vor den historischen Zielen einseitig ist, überhaupt nicht mehr den Schutzzweck des Vertrages im Vordergrund hat, nukleare Sicherheitsfragen überhaupt nicht vorkommen. Wir alle wissen, dass es nur durch gemeinsame europäische Sicherheitsstandards auch ein gemeinsames europäisches Schutzniveau für unsere Bevölkerung geben kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wettbewerbsrechtlich stellt der Euratom-Vertrag eine einseitige Förderung der Atomindustrie dar, weil insbesondere seit In-Kraft-Treten der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie die Gefahr von Marktverzerrungen deutlich vorhanden ist. Wenn wir schon über das Demokratiedefizit viele Worte verlieren, dann muss ich sagen: Hier ist es eklatant, denn in diesem Bereich hat das Europäische Parlament null und nichts mitzureden! Daher wäre eine Überführung dieses Euratom-Vertrages, die Integration eines Energiekapitels in den heutigen europäischen Vertrag ganz wichtig. Das bringt der Bevölkerung etwas, ist ein wichtiges Thema, ist im Interesse des Schutzes für alle und beseitigt ein demokratisches Defizit. Das wäre eine Sache, die hoffentlich unsere Vertreter nachhaltig in die Konventberatungen einbringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich schlage vor, dass wir die Konventsnominierung jetzt aus einer kontroversiellen Diskussion heraus lassen.

Wahr ist: Ich habe die Nominierung in einem Brief an den Bundeskanzler vorgenommen, und ich habe mich der Zustimmung aller versichert. Darüber brauchen wir, glaube ich, nicht zu streiten.

Herr Abgeordneter Jung gelangt nun zu Wort. – Bitte.

16.30

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht wie Kollege Khol mit Herrn Pufendorf oder dessen Zeitgenossen Grimmelshausen beginnen, denn zu dieser Zeit gab es einen ähnlichen Konvent, den Westfälischen Frieden, der eine Neuordnung Europas betrieben hat, die damals zugunsten Frankreichs, Englands, Hollands und anderer Staaten und zu Lasten des Heiligen Römischen Reichs gegangen ist, zu dem auch die Habsburger-Staaten gehört haben. Ich hoffe, wir werden nicht die Draufzahler bei diesem Konvent sein.

Der 28. ist ein nicht unwichtiges Datum, wenngleich ich vielleicht nicht ganz so optimistisch bin – das mag eine Folge meines Berufs sein. Ich versuche, Realist zu sein, und glaube, dass am Ende keine Verfassung stehen wird. Die Zeit, die zur Verfügung steht – ich glaube auch nicht, dass dieser Zeitrahmen ganz wird eingehalten werden können –, ist zu kurz, und die Widerstände, die es gibt, werden in dieser Zeit nicht überwunden werden können. Dies erkennt man, wenn man an Staaten wie Großbritannien denkt, das eine Verfassung im üblichen Sinn


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überhaupt nicht kennt. Es wird aber ein Weg gefunden werden müssen, der die Probleme, die auch durch die bisherige Nichtratifizierung von Irland offen geblieben sind, löst.

Die Europäische Union hat begonnen, zu gehen, sie ist ins Laufen gekommen, stolpert aber zurzeit etwas, wie die Nichtratifizierung von Nizza zeigt, und es besteht die Gefahr der Union, zu fallen. Man sollte sich vielleicht im Tempo etwas zurücknehmen, und das Regelwerk muss einfach überarbeitet werden. Das wird eine wesentliche Aufgabe dieses Konvents sein.

Ein zweiter Punkt, der wirklich geregelt werden muss, ist die Übermacht der Beamten in der Europäischen Union, die eigentlich mehr regieren als alle anderen, und das ohne demokratische Legitimation. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Überlegen Sie sich nur, wie schnell in anderen Staaten Regierungen wechseln, wie etwa in Italien oder sonst wo: Bevor die Minister richtig begriffen haben, wie das Regelwerk funktioniert, sind sie schon wieder fort. Eine andere Regierung ist da, und die Beamten haben das Sagen, noch dazu unter Ausnützung der vorhandenen bekannten Druckmittel: dass praktisch jede neue Präsidentschaft wieder ein neues Thema aufs Tapet bringt, die berühmt-berüchtigten A-Listen, wo Minister mehr oder weniger ihre Zustimmung zu Punkten geben müssen, von denen sie wenig verstehen, und die berühmt-berüchtigte, wirklich berüchtigte "Nacht der langen Messer" am Ende der diversen Konferenzen, wo man am Ende nicht einmal ganz genau weiß, was beschlossen wurde. Diese Zeit muss vorbei sein.

In diesem Sinn wäre eine Verfassung wünschenswert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie in dieser Form von diesem Konvent zustande gebracht werden wird.

Nun zu unseren eigenen Positionen und zum freiheitlichen Europaverständnis, und ich sage ganz bewusst: zu Beginn des Konvents, denn es wird hier Korrekturen, es wird Änderungen, es wird Debatten darüber geben. Alles andere wäre sinnlos. Grundwerte müssen festgelegt werden, aber wer jetzt mit völlig fixierten Details hineingehen will, der kann es eigentlich bleiben lassen, denn dann brauchen wir nachher nicht mehr zu verhandeln.

Wir Freiheitlichen treten für ein gemeinsames Europa ein, das als Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten auf Solidarität und Achtung der Staaten, der Vielfalt ihrer Geschichte beruht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Dies gilt auch für die Kultur dieser Länder und die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.

In unserem Verhältnis zur Europäischen Union respektieren wir geschlossene Verträge. Eine Umkehr der eingeleiteten Entwicklung, auch der Währungsunion, wäre nicht sinnvoll und auch nicht möglich gewesen. Umso mehr verlangen wir aber gerade in Punkten wie dem Euro die strikte Einhaltung der vertraglich festgelegten und vereinbarten Stabilitätskriterien und lehnen Aufweichungsversuche wie die gerade jetzt erfolgten der rot-grünen Regierung in Deutschland, das sich ursprünglich für diese Kriterien stark gemacht hat, ab. Solche Versuche werden abgelehnt, denn sie gehen zu Lasten der starken und der stabilen Staaten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Gemeinschaftsverträge besagen im Gegensatz zum vielfachen Verständnis und auch zum Handeln der Unionsorgane nicht, dass der künftige Weg Europas automatisch zu noch mehr Vergemeinschaftung und zum Bundesstaat führen muss. Im Gegenteil: Wir fordern eine klare Aufgabenteilung. Die gegenwärtigen Aufgaben der Union sind kritisch zu durchleuchten, entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip neu zu ordnen und zu bestimmen und in präzise gefasste Kompetenznormen zu gliedern und, wenn möglich, vertraglich zu verankern. Dabei sollte weder die Rückübertragung für die Union nicht wirklich erforderlicher Handlungsfelder an die Mitgliedstaaten noch die Übertragung der einen oder anderen sinnvollen Aufgabe an die EU ein Tabu sein. Für uns gilt der Grundsatz: So viel Subsidiarität wie sinnvoll möglich.

Wir wollen den europäischen Staatenbund und nicht den Bundesstaat, in dem die kleinen Länder ihre Identität verlieren und zwangsweise in der Bedeutungslosigkeit versinken müssen. Ein europäischer Einheitsstaat entspricht weder dem Willen der Mehrheit der Unionsbürger,


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noch wird dieser den Anforderungen einer erweiterten und damit erheblich heterogenen Union gerecht. Er zerstört nur die historisch gewachsene Vielfalt.

Zum Europäischen Parlament: Hier kann ich klar und deutlich sagen: Das Europäische Parlament ist kein Vollparlament, und ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, wie es unter der gegenwärtigen Konstruktion zu einem solchen werden soll. Entweder man gibt ihm die volle demokratische Legitimation – dann heißt es eine Stimme zu einer Stimme, wodurch die kleinen Staaten nichts mehr zu reden hätten –, oder man belässt ihm nur bestimmte Aufgaben, wie sie jetzt bestehen. Da sind wir durchaus dafür, die Kontrollaufgaben des Europäischen Parlaments gegenüber der Bürokratie zu verstärken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sehen die Kommissare als Spitzenbeamte der Europäischen Union und nicht als deren Minister. Wir lehnen daher jegliche Tendenz, die Kommission zu einer europäischen Regierung zu entwickeln, ab.

Ähnlich wie der Herr Bundeskanzler sehen wir die Position der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Da ist ein wirklicher Spielraum für Europa gegeben, ein Bereich, der gemeinsam bewältigt werden muss. Allerdings muss sich der oberste Bereich der Union darüber auch einig werden. Wie wichtig so eine Position ist, zeigt sich gerade jetzt bei der Frage des Nahen Ostens, wo Europa zwar der große Zahler ist, aber politisch nichts zu reden hat, aber auch bei den europäischen Differenzen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, was unter anderem den Iran oder den Irak gegenüber den USA betrifft.

Wir sind – und das ist sehr, sehr wichtig – für die Beibehaltung des Vetorechts, weil nur das Veto als letzte Möglichkeit verbleibt, sehr wichtige Interessen zu verteidigen und Entwicklungen zu verhindern, die für unser Land schwerwiegende negative Folgen oder Auswirkungen mit sich bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird oft kritisiert, wenn man auf dieses Recht zurückgreifen will, aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wozu ist es in den Vertragsbestimmungen der Union verankert, wenn man nicht dann, wenn es notwendig ist, darauf zurückgreifen kann? Das ist einfach eine Notwendigkeit.

Die Osterweiterung hat mein Kollege schon angesprochen. Sie muss solide und fundiert sein. Wir haben nichts gegen die Osterweiterung, aber sie muss verträglich für uns, aber auch für die Erweiterungsstaaten selbst erfolgen. Eine überhastete Erweiterung würde auch deren Ökonomie zu sehr belasten und zum Ausverkauf ihrer Wirtschaft und zu einer Wanderungsbewegung von Arbeitskräften im bisherigen grenznahen Raum führen, die für beide Bereiche nicht gut wäre.

Bis zur Erfüllung der wirtschaftlichen Voraussetzungen in diesen Staaten wird noch viel Aufbauarbeit notwendig sein. Dafür können auch finanzielle Hilfeleistungen von der Gemeinschaft erfolgen – es geschieht ja auch. Der bisherige Topf dafür darf aber nicht aufgestockt werden. Es muss eine Umwidmung der Mittel weg von den bisherigen Empfängerstaaten erfolgen. Schließlich können Länder, die für sich Euroreife beanspruchen, nicht auf Dauer das Recht haben, finanzielle Stützungen zu verlangen. Einen realistischen Zeitpunkt für die Vollmitgliedschaft der neuen Staaten sehen wir kaum vor sechs bis acht oder vielleicht auch zehn Jahren.

Die Union ist ihren Weg in letzter Zeit etwas überhastet gegangen. Es gilt, das Tempo zu vernachlässigen und mehr auf die Tiefe Wert zu legen und das zu ordnen, was manchmal auf die Seite geschoben wurde. Europa soll sich auf der Vielfalt und Bürgernähe, auf der Gleichberechtigung der Mitglieder und ihrer Eigenverantwortung gründen.

Die Europapolitik berührt immer mehr das tägliche Leben der Bürger, sodass sie oft den Charakter einer europäischen Innenpolitik erhält. Allerdings stellt sich zunehmend die Frage, ob das immer weitere Vordringen der Europapolitik in das Lebensumfeld der Bürger in allen Fällen notwendig, gerechtfertigt oder auch zielführend ist. Die EU-Organe und viele so genannte Europapolitiker verstehen trotz Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip vielfach jedes Problem in


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Europa als eine Aufgabe für die EU. Nicht aber alles, was den Bürger interessiert und berührt, was die Menschen in ihrem täglichen Leben betrifft, legitimiert ein einheitliches regelndes Vorgehen der Union. Darüber gilt es in diesem Konvent nachzudenken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

16.39

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Es mag schon seltsam anmuten, dass wir gestern von den Koalitionsparteien immer wieder erzürnt darauf angesprochen worden sind, wie wir denn eine Debatte über die Irak-Reise des Landeshauptmannes Haider in Abwesenheit der Frau Außenminister durchführen können, und heute Sie es sind, die eine Debatte zum EU-Konvent in Abwesenheit der EU-Parlamentarier, die dafür vorgesehen sind, vom Zaun brechen. Ich glaube, dass sich das als Tatsache von selbst richtet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber nun zur Sache selbst, meine sehr geehrten Damen und Herren: Seit mehreren Jahrzehnten bemühen wir uns, die Bürger in die EU einzubinden, und ich glaube, dass das durch gemeinsame Anstrengungen, gerade beim Beitritt Österreichs zur EU, blendend gelungen ist. Genauso wie heute Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf der Galerie an den Beratungen teilnehmen und so aus eigener Erfahrung die Tätigkeit des Parlaments miterleben können, so muss es uns auch darum gehen, den Bürger, die Bürgerin an der Gestaltung dieses Europa teilnehmen lassen zu können.

Unsere Prioritäten für den Konvent liegen vor allem auch in der Frage: Gelingt es, die Sozialcharta in den Verträgen wirklich verbindlich festzuschreiben, oder setzt sich der Weg fort, der seit rund 40 Jahren gegangen wird, nämlich dass man Soziales zwar anerkennt, aber immer wieder sagt: Bitte, warten, es ist wichtig, dass wir zuerst eine Währungsunion, eine Wirtschaftsunion verwirklichen, dann können wir vielleicht auch über eine Sozialunion reden!?

Das sage ich vor allem auch im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Sozialstaats-Volksbegehren hier in Österreich. Wir sind neben Großbritannien das einzige Land, das diesen Bereich nicht in der Verfassung hat. Deswegen erscheint es mir wichtig, dass jeder die Chance wahrnimmt, vom 3. bis 10. April an dem Sozialstaats-Volksbegehren teilzunehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sehe das besonders wichtig auch im Zusammenhang mit Äußerungen, wie sie in den letzten Tagen zu hören waren. Der Herr Bundesminister Bartenstein, der ja nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Arbeitsminister ist, sagte, dass er nach Barcelona fahren möchte, um dort für mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit zu kämpfen, also statt 10 Stunden 12 Stunden tägliche Arbeitszeit, um damit den Rückenwind für Veränderungen in Österreich zu erhalten. Das ist für mich nicht die Sozialunion, die uns vorschwebt!

Oder: Der Gouverneur Liebscher sagte heute im Zusammenhang mit dem letzten Tag des Schillings: Absoluter Vorrang hat die Preisstabilität! – Er vergisst dabei, dass in den EZB-Verträgen steht, dass Preisstabilität zwar eines der wesentlichen Kriterien ist, dass aber auch die anderen EU-Kriterien wie Wachstum und Beschäftigung mit zu berücksichtigen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es wichtig, dass die Sozialcharta in die Verträge eingebunden wird.

Heute haben es schon mehrere Vorredner gesagt: Die rechtsverbindliche Einbindung der EU-Grundrechtscharta ist eine Grundvoraussetzung. Sie alleine wäre aber zu wenig. Wir brauchen auch ein permanentes Monitoring, denn niedergeschrieben gibt es sehr viele Gesetze. Die Frage, ob sie eingehalten werden, die Frage, ob sich jeder daran hält, das ist auch eine Frage der Beobachtung.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten uns auch offensiv beschäftigen mit der Verankerung des Prinzips – es gibt dafür leider noch kein besseres deutsches Wort – der allgemeinen Daseinsvorsorge oder, wie das im Englischen bezeichnet wird, "services of general interests". Wir sagen gemeiniglich auch Gemeinwirtschaft dazu. Ich glaube, es geht im Wesentlichen um die Frage: Stellen wir den Bürgern Europas an jeder Stelle, an jedem Ort, ob er klein oder groß ist, Gemeinschaftsleistungen zu vertretbaren Preisen zur Verfügung, oder entwickelt sich in Europa ein Prozess, der so aussieht, dass unter dem Titel Wettbewerb in Wirklichkeit nur die Hauptstrecken, die wirklich profitablen Gegenden von der allgemeinen Daseinsvorsorge betroffen sind? Also auch das ist aus meiner Sicht ein Auftrag an den Konvent, "services of general interests" oder die allgemeine Daseinsvorsorge, wie das auf Deutsch heißt, mit einzubringen.

Es geht aber auch um das Sicherstellen der sozialen Union. Nehmen wir nur als Beispiel her: Würde man alle Arbeitslosen, die derzeit in der Europäischen Union ohne Arbeit sind, zusammennehmen, dann wäre das die sechstgrößte Nation der Europäischen Union. Meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, welche Wirtschaftskraft in einem solchen "Land" stecken würde, würde man auch diesen Menschen Arbeit verschaffen können!

Damit verbunden geht es auch um europäische Arbeitsrechtsnormen. Wir haben das jetzt gerade anhand ganz konkreter Beispiele sehen können, etwa am Frächterskandal in Luxemburg, wo die Luxemburger Regierung sagt, Luxemburg habe eben diese Rechtsnorm. Die holländische Regierung hat eine ähnliche Rechtsnorm, die britische Regierung hat eine ähnliche Rechtsnorm, und die schwedische Regierung hat eine ähnliche Rechtsnorm. Es ist in Wirklichkeit Sklaverei, was hier betrieben wird, und dagegen müssen wir meiner Meinung nach gemeinsam auftreten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht auch um die globale Rolle der Europäischen Union. Setzen wir die globale Rolle der Europäischen Union auch dafür ein, dass bei WTO- oder OECD-Verhandlungen herauskommt, dass zum Beispiel "Fair Trade" wirklich "Fair Trade" bedeutet und die Bekämpfung der Kinderarbeit nicht Einzelstaaten überlassen wird, sondern eine gemeinsame Aktion der Europäischen Union daraus wird. Das ist meiner Meinung nach auch in den Grundrechtsfragen mit zu berücksichtigen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. In knapp sieben Stunden wird diese Währung die einzige Währung sein, die in Österreich gültig ist. (Der Redner hält einen 10-€-Schein in die Höhe.) Sie ist zustande gekommen, weil zwölf Staaten der Europäischen Union sich auf ein Ziel geeinigt haben. Dieselben zwölf Staaten mit drei anderen haben sich vor wenigen Jahren auch auf ein Wachstumsziel und ein Beschäftigungsziel geeinigt. Ich frage mich: Warum haben wir das erreicht, und warum heißt es bei den anderen noch warten? Arbeiten wir daran, dass wir auch in den anderen Bereichen mit der gleichen Geschwindigkeit arbeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

16.46

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Unser Ziel, sehr geehrte Damen und Herren, muss ein großes und starkes Europa sein, das seinem Erbe, seiner Verantwortung für die Zukunft gerecht wird und die Akzeptanz der Bürger findet. Dazu muss die Europäische Union demokratischer, bürgernäher und transparenter aufgebaut werden. Sie muss sich auf jene Aufgaben konzentrieren, die nur europäisch gelöst werden können. Dies macht sowohl die Übertragung weiterer Zuständigkeiten auf die Europäische Union als auch die Rückübertragung derzeitiger Zuständigkeiten von der Europäischen Union auf die Mitgliedstaaten erforderlich.

Die Fähigkeiten, in der Europäischen Union zügig zu entscheiden und zu handeln, müssen wesentlich verbessert werden. Akzeptanz für politische Entscheidungen kann nur dann entstehen, wenn für die Bürger klar erkennbar ist, wer für welche Entscheidungen verantwortlich


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ist. Eine nachvollziehbare Abgrenzung von Kompetenzen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union ist daher zentrale Aufgabe dieses Reformprozesses und der Schlüssel zu seinem Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Notwendig ist aber auch eine Neuordnung der Institutionen und ihrer Verfahrensweisen. Bislang entwickelte sich der europäische Einigungsprozess oft nach dem Prinzip von Integration wo immer nur möglich. Diese Methode ist an ihre Grenze gestoßen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem das Verhältnis von Einheit und Vielfalt durch eine neue Verteilung der Aufgaben geordnet werden muss. In einer Union mit 27 und mehr Mitgliedstaaten, die langfristig absehbar ist, werden die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede erheblich größer sein als im Bereich der ursprünglichen sechs Gründungsmitglieder. Zentrale Entscheidungen werden in zahlreichen Handlungsfeldern der wachsenden Vielfalt nur sehr begrenzt gerecht werden können.

Die Union muss sich daher auf europäische Kernaufgaben konzentrieren und ihre Handlungsfähigkeit sichern. Im Vertrag sollte auch klargestellt werden, dass das Prinzip der Unionstreue nicht nur zugunsten der Europäischen Union, sondern auch umgekehrt zugunsten der Mitgliedstaaten gilt und die Europäische Union bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten zu einem schonenden Vorgehen verpflichtet ist. Sie soll dabei neben der nationalen auch die regionale Identität ihrer Mitglieder achten.

Alle grundsätzlichen Regelungen, insbesondere jene zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten, zur Finanzverfassung, zu den Institutionen der Europäischen Union und ihren Verfahrensweisen, sollen mit der Grundrechtscharta in einem Verfassungsvertrag zusammengefasst werden. In einer Präambel sollen Grundlage, Ziele und Wertvorstellungen des europäischen Einigungswerkes formuliert werden.

Lassen Sie mich noch einen einzelnen Politikbereich herausgreifen: die Asyl-, Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik. Der Wegfall der Binnengrenzen innerhalb der Europäischen Union macht ein gemeinschaftliches Vorgehen in bestimmten Bereichen der Asyl-, Visa- und Flüchtlingspolitik sowie der Zuwanderungspolitik unverzichtbar. Asylwerber, Flüchtlinge und für einen begrenzten Zeitraum einreisende Drittstaatenangehörige sollten in allen Mitgliedstaaten die gleichen Bedingungen für die Aufnahme, den Verbleib und die Beendigung des Aufenthalts vorfinden.

Eine einheitliche Rückführungspraxis für illegale Einwanderer und sich illegal im EU-Gebiet aufhaltende Personen hilft, einen Missbrauch des Wegfalls der Binnengrenzen zu vermeiden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein gemeinschaftliches Vorgehen kann schließlich dazu führen, dass der Einwanderungsdruck vermindert und die Lastenverteilung und Solidarität im europäischen Rahmen besser durchgesetzt werden können. Daher erhebt sich die Forderung nach der Schaffung einer neuen EU-Kompetenz für gemeinschaftliche Maßnahmen zur Regelung der Lastenverteilung – die Förderung einer ausgewogenen Verteilung der finanziellen und numerischen Belastungen, wie sie im Artikel 63 Abs. 1 Nummer 2 derzeit vorgesehen ist, reicht dafür sicher nicht aus – sowie die Forderung nach einer Klarstellung, dass die Europäische Union keine Zuständigkeit hat, den Zugang von Asylwerbern, Flüchtlingen und Einwanderern zum Arbeitsmarkt zu regeln.

Meine Damen und Herren! Der Konvent wird in den nächsten Monaten intensive und harte Arbeit zu leisten haben. Ich wünsche all seinen Mitgliedern in unser aller Interesse dabei viel Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Redezeit: maximal 10 Minuten. – Bitte.

16.52

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wenn ich so in die Reihen der beiden Fraktionen blicke, die


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diese Dringliche Anfrage eingebracht haben, dann muss ich feststellen, es scheint das doch nicht so ein dringliches und wichtiges Anliegen für die beiden Regierungsfraktionen gewesen zu sein. (Abg. Schwarzenberger: Sehr gut besetzt!) Einer der Antragsteller, Herr Kollege Schweitzer, ist gar nicht mehr anwesend.

Es drängt sich mir doch der Eindruck auf, dass es Ihnen nicht unbedingt gestern urplötzlich eingefallen ist, dass es notwendig ist, diese Dringliche Anfrage heute hier einzubringen, sondern dass es sich doch eher um die Instrumentalisierung eines parlamentarischen Instrumentes handelt, um zu verhindern, dass ganz wichtige Dinge, die heute hier zur Aufklärung angestanden wären, nämlich die Aufklärung der Irak-Reise von Jörg Haider und die Stellungnahme der Außenministerin dazu, zur Sprache gebracht werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Reihen der Regierungsfraktionen sind wirklich sehr leer. Vielleicht kann man doch noch ein paar Leute von den Regierungsfraktionen hereinholen, damit wir dieses so wichtige und dringende Thema, auf das ich jetzt noch eingehen möchte, noch etwas erörtern können.

Herr Bundeskanzler! Sie haben sich am Anfang Ihrer Rede für die Möglichkeit bedankt, jetzt über das Thema EU-Konvent und EU-Reform zu sprechen. Ich habe Ihre Rede – das muss ich Ihnen offen sagen – als sehr oberflächlich empfunden. Es war eine Themenabhandlung in Schlagworten. Aber der Grund dafür, warum österreichische Anliegen jetzt beim EU-Konvent formuliert werden sollten, die Tatsache, um welche demokratischen Interessen es wirklich geht, ist mir auch im Nachhinein nicht klar geworden.

Ich möchte nun auf ein paar Themen eingehen, die mir sehr wichtig sind: erstens Bürgerrechte, zweitens Bürgerthemen und drittens Demokratie.

Zu Punkt 1, zur Frage der Bürgerrechte: Herr Bundeskanzler! Wenn Sie solche Sachen aufs Tapet bringen wie: Sie wünschen sich mehr Mitsprache von BürgerInnen in der Europäischen Union, Sie wünschen sich Klagsrechte von BürgerInnen beim Europäischen Gerichtshof, dann frage ich Sie, warum Sie das nicht einmal in Österreich zustande bringen, warum Sie sich dagegen wehren, dass bei uns Mitsprache- und BürgerInnenrechte und Bürgerinformation massiv ausgebaut werden.

Wenn Sie, Herr Spindelegger, von Renationalisierung sprechen und wenn Sie, Herr Schweitzer, vom "blauen Brief" sprechen, der an die deutsche Bundesregierung ergangen ist, dann frage ich Sie beide: Wie viele Verfahren sind denn gegen Österreich anhängig, weil wir EU-Rechte verletzen, weil wir Informationsrichtlinien verletzen, weil wir unsere Pflichten, die aus Richtlinien erwachsen, die BürgerInnen ermächtigen, mehr Information zu bekommen, nicht erfüllen? (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Es ist wirklich unglaublich, wie Sie hier im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen. (Beifall bei den Grünen.)

Sie stellen beim Thema Bürgerrechte Forderungen auf, die Sie nicht fähig sind hier im eigenen Land nur in Ansätzen nachzuvollziehen und zu verwirklichen. (Beifall bei den Grünen.)

Zum zweiten Punkt, zur Frage Demokratie: Meine Kollegin Lunacek hat es schon angesprochen, und auch ich finde es, Herr Bundeskanzler, empörend, wenn Sie den berechtigten Vorwurf und die berechtigte Kritik, dass der Rat ein "schwarzes Loch der Demokratie" ist, nicht ernst nehmen und wegwischen. Ich frage Sie: Wie steht es mit Ihrem Auffassungsvermögen von den Grundrechten eines Rechtsstaates, von Gewaltentrennung? Wie kann man dieses maßgebliche riesige Problem in der Demokratisierung der Europäischen Union nicht ernst nehmen, dass es keine Trennung von Legislative und Exekutive gibt? (Abg. Kiss: Das ist der beste Beweis, dass Sie nicht verstanden haben, worum es geht!) Wie kann man nicht dagegen auftreten und darauf hinwirken, dass es zu einer Vollrechtsausstattung des Europäischen Parlamentes kommen muss? (Abg. Kiss: Sie wissen nicht, wovon Sie reden!) Für mich ist das überhaupt nicht nachvollziehbar. (Beifall bei den Grünen.)

Sie sagen, ich weiß nicht, wovon ich spreche. Ich frage Sie: Sind Sie Jurist, Europarechtler? Haben Sie das studiert? Haben Sie dazu Dissertationen verfasst? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Ich möchte fortsetzen: Das Demokratieverständnis der Österreichischen Volkspartei spricht, wie ich meine, Bände, und ich finde es auch bemerkenswert, Herr Spindelegger ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Danke, ich würde gerne fortsetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Spindelegger, Sie haben als Beispiel für Renationalisierung die Naturschutzrichtlinien genannt – eine wirklich krause Idee. Ich finde das wirklich "bemerkenswert". Ich finde das nämlich deswegen "bemerkenswert", weil das die Lizenz zum weiteren Ausrotten von Tier- und Pflanzenarten, zum weiteren Töten wäre. In diesem Bereich sind gegen Österreich über 20 Verfahren wegen Verletzung von europäischem Naturschutzrecht anhängig. Ich weiß schon, warum die ÖVP das wieder zu den Länderkompetenzen zurückhaben möchte: damit sie ganz schlicht und ergreifend weiter ausrotten kann. (Abg. Kiss: Das ist eine Unterstellung!) Ich finde es wirklich bemerkenswert, dass Sie als Beispiel für Renationalisierung die Naturschutzrichtlinien nennen. Das ist der einzige Bereich, wo die Europäische Union wirklich unbestritten Positives für Österreich bewirkt hat und wo wir nicht fähig sind, das zu 100 Prozent in unser Recht umzusetzen. Das ist wirklich ein Armutszeugnis! (Beifall bei den Grünen.)

Die Aussage mit dem "blauen Brief" von Herrn Schweitzer habe ich schon erwähnt. Es ist wirklich lächerlich, wenn man sichtlich so wenig Wissen darüber hat, wie Österreich und die Europäische Kommission sich im Moment ... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Nein, Herr Kollege Schweitzer, das mit dem "blauen Brief" ist wirklich so absurd. Ich würde Sie bitten, dass Sie darauf achten, dass Österreich die Verpflichtungen, die aus EU-Recht erwachsen, zu 100 Prozent erfüllt.

Ich möchte auch noch kurz zu einem weiteren Thema kommen: Bürgerthemen, etwas, was auch Sie, Herr Bundeskanzler, angeschnitten haben. Sie haben bemerkenswerterweise zuerst vergessen, den letzten Punkt der Dringlichen Anfrage zu behandeln, und zwar die Reform des EURATOM-Vertrages. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie offensichtlich öfters über das Atomthema hinwegblättern. Es ist "erstaunlich", dass bei dem Konzept, das Sie hier anstreben, EURATOM zu reformieren, bei der Idee, die Gründungsverträge, die seit 1957 in einer anachronistischen Fortführung immer noch aufrecht sind, nämlich für die Europäische Gemeinschaft Kohle und Stahl auf der einen Seite und EURATOM auf der anderen Seite, endgültig zu ändern, nicht nur aus nuklearsicherheitstechnischen Überlegungen, sondern weil wir den europäischen Atomausstieg wollen, das Wort "Ausstieg" in Ihren Ausführungen überhaupt nicht vorgekommen ist.

Sie vertreten das Konzept von europäischen Sicherheitsstandards. Wenn wir darüber reden, die Gründungsverträge zu reformieren, EURATOM endgültig nach 50 Jahren zu reformieren, wo es eine Sonderwirtschaftszone für einen Industriezweig gibt, der intransparent ist, wo es massive Geldflüsse, Milliarden an Subventionen gibt, also eine Sonderwirtschaftszone, die durch nichts mehr zu rechtfertigen ist, dann darf am Ende dieser Diskussion nicht ein Sicherheitskonzept für neue Atomkraftwerke stehen, sondern dann muss am Ende dieser Diskussion endgültig der Atomausstieg stehen.

Ich habe es Ihnen schon einmal von diesem Rednerpult aus gesagt: Wenn Sie in diese Falle tappen, Sicherheitsstandards ohne Restlaufzeiten, ohne europäischen Atomausstieg auf der europäischen Ebene voranzutreiben, dann machen Sie sich zum Diener der europäischen Atomwirtschaft. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte Sie von dieser Stelle aus noch einmal dringend auffordern, das Konzept EURATOM zu reformieren. Die Gründungsverträge zu reformieren ist nur dann sinnvoll, wenn Sie dies mit der großen österreichischen Forderung nach einem europäischen Atomausstieg verbinden. Ich würde mir wünschen, das einmal aus Ihrem Mund zu hören.

Abschließend noch: Angesichts dessen, was heute teilweise auch an krausen Vorstellungen der Freiheitlichen hier zu erkennen war, muss man noch einmal sagen: Es ist keine rot-weiß-rote Kasterldebatte, sondern es geht hier um eine ganz andere Ebene, es geht hier um die Frage: Wie errichtet man ein Europa jenseits von nationalistischem Interessendenken?


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Herr Bundeskanzler! Wenn Sie sich dagegen sträuben, dass der Europäische Rat reformiert wird, dann ist das verständlich, denn es geht dabei auch um eine Machtbeschneidung der Exekutive. Es geht dabei um ein Europa, wo die BürgerInnenrechte, die Demokratie und die Mitsprache gestärkt werden und nicht die Macht der Regierungen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist so, wie wenn man die Weihnachtsgänse fragt, ob sie zu Weihnachten verspeist werden wollen oder nicht. So ungefähr ist der Vergleich. Natürlich sagen die nein so wie jene, die jetzt die Macht in Europa haben, und das sind nicht nur die Eliten und die Lobbys und die Industrie, sondern das sind Regierungen, das ist ein Rat, der durch nichts demokratisch legitimiert ist. Wir haben es in bestimmten Bereichen besser als in anderen Ländern, aber es geht um eine ganz andere Dimension der europäischen Demokratisierung, und das vermisse ich komplett bei dieser Diskussion hier.

Gerade bei den Freiheitlichen kommt immer nur das rot-weiß-rote Fahnderl und überhaupt keine Perspektive, einmal über diesen Tellerrand hinauszuschauen und eine Vorstellung zu formulieren, wie denn das funktionieren soll. Das ist enttäuschend. Und mein Eindruck im Nachhinein: Es wurde hier verhindert, über eine wichtige Aufklärung, über eine außenpolitisch extrem schädliche Reise zu diskutieren, es wurde hier ein Instrument instrumentalisiert, um eine wichtige Debatte zu unterbinden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es sind noch immer fast keine Abgeordneten anwesend, das tut mir wirklich Leid. Das Interesse an diesem wichtigen Thema, das Ihnen gestern eingefallen ist, das heute so dringend und wichtig ist, ist wirklich beschämend. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.01

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja ganz interessant, dass sich Frau Kollegin Glawischnig hier zur grünen Zuchtmeisterin aufspielt, just zu einem Zeitpunkt, zu dem zufälligerweise mehr als drei oder vier Grüne hier anwesend sind. Ich habe das ganz gut beobachtet: Als Sie zu Beginn der Debatte einen Antrag auf Beiziehung der Frau Außenministerin gestellt haben, da waren Sie auf einmal hier vertreten. Kaum war abgestimmt, waren nur mehr zwei Personen aus Ihrer Fraktion hier vertreten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Öllinger: Schauen Sie einmal in Ihre Reihen, Herr Krüger!) Das ist die Wahrheit. In puncto Präsenz brauchen Sie uns sicher kein X für ein U vorzumachen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Wo ist der Schweitzer?)

Frau Kollegin Glawischnig hat jetzt gerade versucht, uns hier die große Welt, die europäische Welt zu erklären, und hat in diesem Zusammenhang Kollegen Schweitzer kritisiert, der über den berühmten unterbliebenen "blauen Brief" gesprochen hat. Auch das ist durchaus bemerkenswert, dass Frau Kollegin Glawischnig ihre Beschützerinstinkte sofort zugunsten des deutschen Bundeskanzlers Schröder ausspielt, denn von ganz objektiven Kommentatoren, und zwar europaweit, ob das eher links angehauchte oder liberale Blätter – was auch immer – waren, in allen wesentlichen europäischen Zeitungen war zu lesen, dass Bundeskanzler Schröder durch die Ausübung von Druck auf die Europäischen Gemeinschaft, auf die Organe, den schon angekündigten "blauen Brief" nicht zu schreiben beziehungsweise nicht abzusenden, dem europäischen Gedanken, dem Einigungsgedanken insgesamt einen sehr, sehr schlechten Dienst erwiesen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den Grund dafür brauche ich Ihnen, Frau Kollegin Glawischnig, als Juristin ja nicht zu erklären – Sie haben uns ja den Unterschied zwischen Ihnen und den Freiheitlichen dargelegt –: weil damit ganz genau die Karte der Stärke ausgespielt wurde. Dies hat deutlich gemacht, dass es sich der, der in der Europäischen Union über entsprechendes Gewicht verfügt, richten kann. Über den Kleinen wird bei Bedarf drübergefahren – der Große hingegen kann es sich richten.


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Genau dieser Geist ist es, der Europa nicht einigt, genau dieser Geist war es auch, der letztlich die Sanktionen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft – mit Ausnahme Österreichs natürlich – gegen Österreich mit veranlasst hat, der dazu geführt hat, dass man einfach über einen relativ kleinen Staat drüberradiert hat. Wie war das jetzt beispielsweise mit Italien, wo auch eine Regierung an die Macht gekommen ist, die nicht im linken Mainstream beheimatet ist? – Darum hat man sich nicht geschert.

Meine Damen und Herren! Das, was ich sagen will, ist, dass es nicht so sein kann, dass sich zwei, drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu einer Pseudoelite aufspielen, selbst davon sprechen, dass sie zur Avantgarde Europas gehören, und die anderen dürfen nur mehr mitschwimmen, und bei Bedarf werden die Kleinen niedergestimmt. Meine Damen und Herren! So kann es nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn wir von der europäischen Verfassung sprechen, dann sprechen wir klarerweise auch von den Menschenrechten. Ich bin völlig d’accord mit dem geschätzten Kollegen Schieder, der davon gesprochen hat, dass es wohl das Einfachste wäre, wenn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten würden. Hier gibt es eine gesicherte Judikatur, auch wenn diese Judikatur manchmal durchaus Anlass zu Kritik gibt, wie etwa die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, auch in Fragen der Redefreiheit, der Meinungsfreiheit, etwa im Fall des Kollegen Dieter Posch, um nur einen Fall anzusprechen, wo man doch den Eindruck hat, dass bisweilen auch ein Freibrief zur Beleidigung von Politikern ausgestellt wird. Das ist meiner Meinung nach auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Dennoch gibt es hier die entsprechenden Rechtsnormen, gibt es eine gesicherte Judikatur, auf die man sich letztlich verlassen kann.

Ich darf nun die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers ganz kurz ergänzen. Ich kenne die derzeitigen Rechtsschutzmöglichkeiten, die Bürger, aber auch juristische Personen, Firmen und so weiter, in der Europäischen Gemeinschaft genießen, aus meiner anwaltlichen Praxis und bin nicht unzufrieden damit. Ich darf darauf hinweisen, dass erst vor einigen Jahren der Europäische Gerichtshof in Luxemburg quasi eine Unterabteilung eingerichtet hat, das so genannte Gericht der ersten Instanz, an das sich gerade der einzelne Bürger oder das einzelne Unternehmen wenden kann, der beziehungsweise das in seinen Rechten individuell und unmittelbar betroffen ist.

Ich darf darauf verweisen, dass etwa ein Bürger der Europäischen Union, wie etwa Herr Bosman, sein Recht durch eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gefunden hat, dass es wirklich relativ gut ausformulierte Rechtsschutzmöglichkeiten gibt, etwa die Untätigkeitsklage. Wenn sich ein Bürger an die Europäische Kommission wendet und die Europäische Kommission durch Untätigkeit glänzt, dann besteht die Möglichkeit, das entsprechende Organ der Europäischen Union zur Tätigkeit aufzufordern. Wenn dieses nicht tätig wird, kann man eine Untätigkeitsklage einbringen. Oder wenn eine Entscheidung etwa durch die Europäische Kommission ausgesprochen wird und ich damit nicht zufrieden bin, dann kann ich mich mit einer Nichtigkeitsklage an das Gericht der ersten Instanz wenden.

Ich glaube gar nicht so sehr, dass unsere innerstaatlichen Regeln, wie der einzelne Bürger zum Verfassungsgerichtshof kommt, unmittelbares Vorbild sein sollten, denn wir wissen – Kollegin Glawischnig wird mir als Juristin in diesem Fall sicher Recht geben –, dass Individualanträge auf Aufhebung eines Gesetzes in Österreich zwar gestellt werden können, aber nach der Statistik zu 85 Prozent wieder zurückgewiesen werden, weil der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur feststellt, dass man den Instanzenweg, der manchmal sehr kostspielig ist und auch lange dauert, beschreiten muss und erst nach einer letztinstanzlichen Entscheidung dann zum Verfassungsgerichtshof kommt. Es ist also relativ schwierig, unseren Verfassungsgerichtshof mit einem individuellen Anliegen eines Bürgers zu befassen. Das Gegenteil ist etwa bei den Gerichten der Europäischen Union, aber auch beim Deutschen Bundesgerichtshof der Fall.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Ich habe gesagt, wenn wir von einer europäischen Verfassung sprechen, dann sprechen wir auch von den Menschenrechten, und wenn wir von


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den Menschenrechten sprechen, dann sprechen wir auch davon, dass es einen Acquis Communautaire gibt und geben soll, der einzuhalten ist. Nur wenn dieser eingehalten wird, kommt ein Beitritt von neuen Mitgliedstaaten auch tatsächlich in Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, aus heutiger Sicht wird niemand so weit gehen, zu sagen, die Türkei, die zweifellos nicht Aspirant eines Beitritts ist, könnte theoretisch beitreten. Da es in der Türkei beispielsweise noch die Todesstrafe gibt, wäre das völlig undenkbar. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Land wie die Tschechische Republik beitreten kann, die heute noch die Beneš-Dekrete in ihrem Rechtsbestand hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann. )

Die Beneš-Dekrete waren nicht nur Anlass für eine Generalamnestie von Mördern, sondern auch die Rechtsgrundlage für die Enteignung von Generationen. Ich glaube, das ist das Problematische. Wenn man hier sagt, die Beneš-Dekrete gelten nicht mehr, dann braucht man nur ins Grundbuch zu schauen, wer denn dort im Grundbuch ist von den ehemaligen sudetendeutschen Gütern, wenn man das so ausdrücken darf. Dort steht dann: Die Rechtsgrundlage sind die Beneš-Dekrete aus dem Jahre 1945.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Ich bin ja insgesamt sehr froh darüber, dass es uns, aber auch anderen Staaten, wie etwa Ungarn, gelungen ist, das auf die europäische Ebene zu bringen. Es hat ja das Europäische Parlament soeben – das ist heute in der APA zu lesen – eine Prüfung dieser Frage auf europäischer Ebene beschlossen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Wittmann –: Der Datenklau! – Der Staatsanwalt ist schon unterwegs! – Abg. Dr. Wittmann  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: Struwwelpeter!)

17.10

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wir alle wissen, dass Klubobmann Khol ein Meister im Werfen von Nebelhandgranaten ist (Abg. Dr. Khol: Was?) und versucht, von den wirklichen Themen abzulenken. Es wurde hier ein Nebelschleier darüber erhoben (Abg. Jung: Gelegt!) – gelegt, wenn Sie wollen –, dass man ein Thema nicht auf die Tagesordnung setzen wollte, das von wirklicher Dringlichkeit gewesen wäre, nämlich die Irak-Reise des Landeshauptmannes von Kärnten. Man hat stattdessen ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das zwar wichtig ist, das man aber nicht mit einer Dringlichen Anfrage auf diese Tagesordnung hätte bringen müssen, sondern das es wert gewesen wäre, als normaler Tagesordnungspunkt in die Debatte eingebracht zu werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Dringlichkeit dieser Anfrage ist nicht einzusehen, obwohl das Thema wichtig ist. (Abg. Jung: Das merkt man!)

Auffallend ist natürlich das beschämende Auftreten der Außenministerin (Abg. Ing. Westenthaler: Datenklau!), die sich zu diesem Thema der Irak-Reise nicht geäußert hat (Beifall bei der SPÖ und den Grünen – Abg. Ing. Westenthaler: Datenklau! Datenklau!), die vor einem Scherbenhaufen der Außenpolitik steht und sich dazu nicht äußert. Auffallend ist auch, dass jeder, der an Herrn Haider anstreift, zu schweigen beginnt – sei es der Bundeskanzler, sei es die Frau Außenminister, ja sogar der "Struwwelpeter", wie er freundlicherweise von seinem Parteiobmann genannt wart, durfte fünf Tage lang nicht reden. (Abg. Dr. Khol: Das ist aber zu viel! Das ist zu viel!) Das ist auffallend! Offensichtlich bringt der Landeshauptmann von Kärnten diese Regierung zum Schweigen – nicht aber die Opposition! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Wenn hier davon gesprochen wird, dass die Großen über die Kleinen drüberfahren, dann möchte ich darauf hinweisen, dann man das Vorhaben dieser Dringlichen Anfrage genauso sehen muss: dass hier die beiden großen Regierungsparteien über die Anfrage der kleinen Oppositionspartei drüberfahren (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP – Abg. Schwarzenberger: "Über die Kleinen"! Sprechen Sie von der geistigen Größe?) und damit nichts anderes machen, als sozusagen von den eigenen Problemen abzulenken. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol.  – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Redners –: Das Sakko ist zu lang!)

Zum Thema: Hinsichtlich des angesprochenen Themenkomplexes kann man ja eigentlich keiner anderen Meinung sein, als dass man diese Themen wie Bürgernähe und mehr Transparenz und Demokratisierung der Europäischen Union (Abg. Ing. Westenthaler: Sprechen lernen!) als Ziele formuliert. Aber es wurden hier nur Schlagworte verwendet. Man hat nicht gesagt, wie man diese Ziele erreichen will. (Abg. Dr. Spindelegger: Kein Beitrag zur Sache!)

Ein großer Mangel in der Antwort des Bundeskanzlers war leider auch, dass er eben nicht Stellung dazu genommen hat, wie er sich vorstellt, dass das Europäische Parlament in Zukunft sein soll, welche Rechte dieses Parlament in Zukunft haben soll: Soll es ein Vollparlament sein, oder soll es kein Vollparlament sein?

Es wäre sinnvoll gewesen, wenn wir diesbezüglich die Meinung der Regierung gehört hätten, weil auch wir uns dann darauf einstellen könnten, wie diese Diskussion im Inland zu führen wäre. Wir sind für ein Vollparlament. Wir glauben, dass die Ausstattung des Europäischen Parlaments mit den Rechten eines Vollparlaments ganz einfach ein wesentlicher Schritt zur Demokratisierung der Europäischen Union wäre. Wir sind aber, wenn man diesen Schritt der Einrichtung eines Vollparlaments auf europäischer Ebene geht, durchaus auch dafür, dass man die Rechte der Europäischen Kommission erweitert, weil dann auch die Kontrollrechte des Parlaments gegeben wären. Man müsste diese Kontrollrechte natürlich auf die Kommission ausdehnen (Abg. Ing. Westenthaler: Der hat ja keine Ahnung!), aber auch auf den Rat. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. )

Ich glaube, dass auch der Europäische Rat gut beraten wäre, im Sinne der Transparenz ein Mitspracherecht des Europäischen Parlaments in vielen Fragen, in denen es jetzt keine Mitsprache gibt, zuzulassen.

Das wäre ein Schritt zur Demokratisierung. In welchem Ausmaß, in welchen Schritten, mit welchen Zielen, in welchen Zeitplänen – darüber kann man diskutieren. Aber all das wurde nicht angesprochen, und das ist schade.

Wo ich ganz mit der Meinung der Regierungsparteien konform gehe, das ist natürlich in der Frage der Ausgestaltung, der Weiterentwicklung der EU-Kompetenzen im Bereich der Menschenrechte. Hier wurden Individualklagen, individuell durchsetzbare Rechte angesprochen. Da kann man uneingeschränkte Zustimmung unsererseits erwarten. Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, diesen Problemkreis anzugehen.

Man sollte auch – ich glaube, Abgeordneter Khol hat das in seinem Beitrag angesprochen – den Weg verfolgen – ich glaube, das wäre der richtige Weg –, aus den Verträgen heraus in eine Europäische Verfassung zu gehen, die nachvollziehbar ist, die administrierbar ist und die letztendlich auch bedeuten würde, dass die Rechtssicherheit für die Staaten, aber auch für die Bürger und für die Regionen einfacher vollziehbar und einfacher feststellbar wäre.

Ich glaube, wir sollten uns vornehmen, diese drei Themenkreise auch als Diskussionsbeitrag auf europäischer Ebene einzubringen.

Letztendlich sollte man auch darüber nachdenken, wie man die europäische Diskussion oder die Diskussion über die europäischen Themen hier in diesem Parlament besser verankert – denn diese Dringliche Anfrage war der falsche Weg! Die ist Ihnen nur deshalb eingefallen, weil Sie ein anderes Problem haben, mit dem Ihre Außenministerin nicht fertig wird. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol.  – Abg. Ing. Westenthaler: Der hätte Dirigent werden sollen!)


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Das heißt, man sollte hier Europa-Angelegenheiten in eigenen Europa-Debatten behandeln (Abg. Dr. Rasinger: Europa endet für Sie in Wiener Neustadt! – Abg. Schwarzenberger: Aber die Wiener Neustädter sind froh, dass er in Wien ist!), für die es bestimmte Vorgaben geben soll, die gesetzlich festgelegt werden, damit wir auch dieses Thema regelmäßiger behandeln können. Man sollte Kurzdebatten darüber führen, und man sollte auch die Erweiterung der Minderheitsrechte bei Angelegenheiten, die die EU betreffen, mitdiskutieren. Es wäre eine vertrauensbildende Maßnahme, wenn man das tun würde, denn dann würde es zu einem solchen Vorgehen, wie wir es heute erlebt haben, nicht mehr kommen – ein Vorgehen, das meiner Meinung nach diesem Hause unwürdig war (Ruf bei der ÖVP: Das glaube ich!) und das nur dem Schutz der Außenministerin gedient hat, die in ihrer "Schweigestunde" wirklich keine gute Figur gemacht hat. Wahrscheinlich hat sie etwas zu verbergen (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), denn sonst hätte man dieses Thema heute behandeln und abschließen können.

Wir werden dieses Thema nicht abschließen. Wir werden uns genau anschauen (Abg. Ing. Westenthaler: Wer fürchtet sich?), welche Rolle das Außenministerium bei dieser Irak-Reise gespielt hat. Wir werden uns genau anschauen, welche Ergebnisse der Untersuchungsausschuss in Kärnten bringen wird. Und wir werden uns genau anschauen, wie man in diesem Haus mit der Wahrheit umgeht. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer fürchtet sich?) Es wird nicht immer gehen, dass man eine Dringliche macht zu einem Thema, das nichts mit den dringlichen Fragen dieser Republik zu tun hat.

In diesem Sinne glaube ich, dass das Thema zwar wichtig ist, die Vorgangsweise aber falsch. (Abg. Dr. Khol: Schlusssatz! – Abg. Ing. Westenthaler: Datenklau, setz dich nieder!) Man sollte sich wenigstens die Vorgangsweise in einem gemeinsamen Antrag erarbeiten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich bin dafür, dass man dem Wittmann eine extra Redezeit einräumt! Dann kann er reden, solange er will!)

17.18

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich danke dem Vorredner, weil er mir wieder einmal die absolute Sicherheit gegeben hat, dass die Wende notwendig war und geglückt ist. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Ein guter Start!)

Ich komme aus dem Weinviertel – das ist ein noch besserer Start –, und ich bin Bauer. Sie werden daher verstehen, dass mir die Europäische Union, seit ich politisch denken kann, eine Frage und seit einiger Zeit auch eine gute Antwort ist. Für uns ist Europa ein Thema unserer Existenz, denn wir sind vom Gemeinschaftsrecht in höchstem Maße betroffen, wir erleben die europäische Debatte bis in unsere Existenz. Das ist nicht etwas, das die anderen diskutieren, das mich nichts angeht, sondern das interessiert mich jeden Tag!

Deshalb will ich heute einige Punkte herausarbeiten, die vielleicht auch schon angesprochen worden sind, zu denen ich aber auch aus meiner Sicht noch Stellung beziehen möchte:

Wir brauchen in Europa verlässliche Grundlagen, und zwar deshalb, weil wir in der Landwirtschaft über lange Zeiträume denken, aber auch deshalb, weil es wichtig ist – ich komme aus dem Weinviertel, das ist eine ländliche Region, die sich entwickeln muss (Abg. Dr. Mertel: Das war der erste Satz! "Aus dem Weinviertel", das war der erste Satz!), und genau in dieser Region ist das wichtig –, dass wir vorhersehbare Bedingungen haben. Bei uns ist es nicht so, dass schnell investiert und schnell wieder verloren wird, sondern bei uns wird nachhaltig gearbeitet. Es geht uns um nachhaltige Entwicklung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Für uns ist sehr wichtig, dass der österreichische Input in diese Europäische Union abgesichert ist. Unter der Vorsitzführung Österreichs hat Bundesminister Molterer die ländliche Entwicklung


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in den entsprechenden Papieren verankert. Die ländliche Entwicklung ist gut vorangekommen, die ländliche Entwicklung ist in der Nachhaltigkeitsstrategie der heutigen Union fixer Bestandteil. (Abg. Marizzi: Bezirksgerichte! – Ruf bei der SPÖ: Alles zusperren!)

Uns geht es darum, dass diese nachhaltige Arbeitsweise in einem geordneten Wechselspiel zwischen Parlament, Kommission und Rat weiterentwickelt wird, und zwar so weiterentwickelt wird, dass wir uns darauf verlassen können und auch in Zukunft wissen, was auf uns zukommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir wissen, dass gerade unsere Regionen ihre Wertschöpfung aus der Vielfalt der Funktionen, aus der Vielfalt der Aufgaben und der Chancen heraus finden, und wir wissen, dass diese Chancen entwickelt werden müssen. – Herr Gusenbauer! Sie müssen nicht applaudieren, aber es ist gut, wenn Sie sich bereit machen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sagen Sie, Herr Abgeordneter, wissen Sie, wovon Sie reden? Hat man Ihnen das Thema mitgeteilt?)

Für uns in den ländlichen Regionen ist es wichtig, dass das, was unsere Grundlagen sind, im europäischen Recht abgesichert ist: dass es abgesichert ist in der europäischen Regionalpolitik, im Wert der Regionen, dass es abgesichert ist in der europäischen Außenpolitik, in der Vertretung unserer Interessen bei der WTO und auch bei den in der Folge des Kyoto-Prozesses geschlossenen Abkommen. Es ist wichtig, dass wir in den ländlichen Regionen Sicherheit aus Nachhaltigkeit haben.

Weil wir dieses europäische Modell (Abg. Dr. Gusenbauer: Der Khol hat jetzt zu applaudieren vergessen! – Abg. Dr. Khol: Danke! Ich hab gerade an ein Glasl Rotwein gedacht!) nicht nur für unsere Regionen, sondern auch für unser europäisches Gesellschaftsmodell absichern wollen, ist es uns von so entscheidender Wichtigkeit, dass der demokratische Prozess in Europa weiterentwickelt wird. Das europäische Gesellschaftsmodell ist keine Selbstverständlichkeit, und es wäre schön gewesen, wenn heute auch die Opposition dabei mitgewirkt hätte, dieses Gesellschaftsmodell auch in den demokratischen Vorgängen Europas zu verankern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wissen, dass wir in Europa vieles weiterzuentwickeln haben. (Abg. Dr. Cap: War das nicht gestern auf der Tagesordnung?) Wir wissen, dass wir in der Frage der nuklearen Sicherheit die Dinge weiterzuentwickeln haben. Ich selbst wohne nicht weit von einem slowakischen Kernkraftwerk entfernt, aber ich habe sehr wohl Interesse daran, dass auch die Slowakei irgendwann Mitglied der Union wird, damit dieses europäische nukleare Sicherheitsmodell dann auch dort gelten wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben gute Grundlagen in diesem Europa, und wir wissen, dass diese Grundlagen immer definiert werden müssen, immer weiterentwickelt werden müssen. Ich weiß, dass unsere Grundlagen, die Rechtsgrundlagen, die Spielregeln, die dieses europäische Gesellschaftsmodell ermöglichen, in den Vereinbarungen über eine Europäische Verfassung wiederzufinden sein müssen.

Deshalb können zumindest wir von den Regierungsparteien sehr froh sein, dass die Antworten, die uns unser Bundeskanzler heute auf diese Fragen gegeben hat, so gekommen sind, wie sie gekommen sind. Wir wissen, dass wir in diesem Europa einen guten Weg nehmen, wir wissen, dass wir uns auf dem Weg zu einem noch demokratischeren, stärkeren, bürgernahen Europa befinden, und das wird gut sein für Österreich, weil ein starkes Europa für uns Wohlstand und Sicherheit bedeutet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.24

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine Kollegin Eva Glawischnig hat über die Motive dieser so genannten


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Dringlichen Anfrage, glaube ich, schon alles gesagt. Ich möchte jetzt die Eindrücke, die sich während dieser Debatte ergeben haben, kurz zusammenfassen.

Diejenigen Abgeordneten, die Österreich beim Konvent vertreten werden, sind nicht da. (Abg. Böhacker: Sind gute Abgeordnete!) Gut, wir können natürlich den Kolleginnen und Kollegen bestellen, was hier diskutiert wurde, aber diese Vorgangsweise hat ja einiges zu bedeuten. Es ist jedenfalls recht drollig, wie Sie das inszeniert haben.

Ich habe auch unlängst Herrn Bösch im Fernsehen gesehen und war eigentlich sehr überrascht, dass er als Parlamentarier – als einziger! – die Notwendigkeit der Stärkung der Räte vertreten hat. Da scheint es keine Abstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler zu geben. Der hat heute sehr viel von Parlamentarismus gesprochen. (Abg. Jung: Er hat auch über die verstärkten Räte gesprochen!) Aber wir können es ihm ja ausrichten, wir können "Stille-Post"-Spiele einrichten zwischen dem Parlament und der Regierung – das ist auch etwas Neues. (Beifall bei den Grünen.)

Die FPÖ ruft so heftig dazwischen, weil vorhin der Abgeordnete Krüger eine ganz bedeutsame Rede gehalten hat. Meine Damen und Herren! Es muss schon ganz besonders wichtig gewesen sein, was Krüger uns hier zum Besten gegeben hat, aber ich will Ihnen auch noch etwas sagen: Wenn Sie im Hinblick darauf, dass es in der Zukunft um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gehen wird – und beim Konvent wird sicher auch die Frage sein: Wer wird Träger dieser Außen- und Sicherheitspolitik sein, wie weit werden die Linien vom Parlament vorgegeben, wie weit liegt sie in der Hand der Regierungen? –, so weitermachen, dass Sie zu den wichtigen Dingen, die Österreich bewegen, zu den offenen Fragen nicht reden, wird es schwierig. Da sitzt eine Außenministerin auf der Regierungsbank, die zwar manchmal schon so heftig leidet, dass sie dazwischenrufen möchte, sich aber nicht zu Wort meldet, weil sie nicht darf, weil es nicht geht, weil Sie dann Feuer am Dach haben. Da erzählt uns der Bundeskanzler hier eloquent über irgendwelche fernen Vorhaben im Rahmen des Konvents, während wir an den naheliegenden Fragen vorbei müssen – denn die tun weh, das halten Sie im Moment nicht aus; das wäre ja der nächste Krach, und der wäre wohl heftiger – ... (Abg. Kiss: Frau Kollegin Petrovic, das ist aber sehr drollig, was Sie sagen! Sehr drollig!)

Ja, dann melden Sie sich doch zu Wort! Sie haben doch noch so viel Redezeit. Nehmen Sie doch einmal Stellung zu diesen Fragen! Das wäre schön, denn ganz egal, welches Gremium dann im Rahmen des Konvents als zuständig beschlossen wird ... (Abg. Kiss: Sehr drollig!) – Ja, das wird von der ganzen Welt mittlerweile schon als drollig bis beschämend erlebt, leider! Leider für Österreich! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Solange der Kärntner Landeshauptmann die Außenministerin, seine eigene Parteiobfrau und den Bundeskanzler so demütigen kann, so desavouieren kann, ihnen Maulkörbe nach Belieben umhängen kann, so lange ist es ganz egal, was im Rahmen des Konvents beschlossen wird, denn Europa und wir hier werden leider nur wie gebannt auf ein grausames Schauspiel nach dem anderen zu schauen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen jetzt zur kurzen Debatte über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Cap, dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 609/A (E) der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtbeschaffung von Abfangjägern eine Frist bis 19. März 2002 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Klubobmann Dr. Cap. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

17.29

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Meine Damen und Herren! Es gibt schon seit Jahren eine Diskussion, nicht nur über die Frage der Abfangjäger, sondern überhaupt über das gesamte Beschaffungssystem des österreichischen Bundesheeres. Dass das ein Bereich ist, in dem Reformen notwendig sind, ist unbestritten. Faktum ist aber auch, dass in diesem Bereich nicht viel geschehen ist, denn viele aus dem Bundesheer mit unterschiedlichen Auffassungen zu dieser Thematik widersprechen sich permanent. Es gibt durchaus auch Offiziere im Heer, aber auch Funktionäre des Landesverteidigungsministeriums, die der Meinung sind, dass die Anschaffung der Abfangjäger überhaupt nicht prioritär ist. Es gibt sogar welche, die die Frage stellen: Was steht überhaupt für ein Konzept hinter dem Vorhaben, jetzt Abfangjäger anzuschaffen? (Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat denn die jetzigen gekauft?) Trägt das überhaupt den jetzt veränderten sicherheitspolitischen Bedingungen in Europa Rechnung? – Darauf wird überhaupt keine Antwort gegeben.

Wenn man heute sagt, wir müssen unseren Luftraum schützen, oder wenn man gar auf potentielle Terroranschläge hinweist: Der 11. September in New York ist der beste Beweis dafür, dass eines der bestausgerüsteten Länder der Welt (Abg. Dr. Pumberger: Wer hat die Draken gekauft?), nämlich die Vereinigten Staaten, nicht im Stande waren, wirklich Schutz gegenüber diesen Anschlägen gegen das World Trade Center in New York zu bieten. Das heißt, hier geht die Argumentation total ins Leere. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Kostenschätzung. Wir haben einmal in einer Anfrage die Frage releviert, was der Einsatz der Draken unter Berücksichtigung aller direkten und indirekten Ausgaben – Personalkosten, Sachaufwand, Zweckaufwand für Betrieb, Wartung, Instandhaltung der Flugzeuge und aller für die Flugzeuge erforderlichen Einrichtungen – jährlich kostet.

Die Antwort war, dass diese Frage in der gewünschten Differenzierung nicht beantwortet werden kann, weil die jährlichen Kosten für den Einsatz des Draken nicht gesondert erfasst werden, sondern in einer Vielzahl von Voranschlagsposten, welche alle Luftfahrzeuge betreffen, enthalten sind. Wir haben das ja in diesem Antrag formuliert; ich wollte es Ihnen nur noch einmal akustisch beibringen, damit Sie sich auch so ein bisschen einarbeiten können.

Wir haben also bei den bisherigen Abfangjägern nie wirklich Kostenwahrheit gehabt, und bei den Neuanschaffungsplänen gibt es keine Klarheit über die Finanzierung, keine Klarheit über die laufenden Kosten, ja es hat sogar einen anhaltenden Widerstand des Finanzministers dazu gegeben. Der hat gesagt, es seien die Unterlagen nicht ausreichend. Er hat die Frage gestellt: Wie ist das überhaupt mit den Gegengeschäften? Wie sieht überhaupt die Finanzierung aus? Eigentlich hat er sogar gesagt, die Sinnhaftigkeit sei auch zu hinterfragen.

Einmal mehr hat es also in dieser Frage eine Uneinigkeit in der Regierung gegeben – und das, kombiniert mit der Uneinigkeit unter den Militärs und unter den Experten, ist ausreichend dafür, dass man hier einen Stopp durchführen und die Anschaffung dieser Abfangjäger nicht weiterverfolgen sollte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler. )

Unterstützt wird das auch noch durch den Rechnungshof, der in mehreren Berichten schwerwiegende und kostspielige Mängel bei der Planung und Durchführung der Rüstungsbeschaffungen des Bundesheeres aufgezeigt hat. Also auch von dieser Seite her wird hier der Mangel auch wirklich bewiesen – quasi amtlich bestätigt.


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Man hat also gegen Terroranschläge kein Instrumentarium – siehe 11. September –, um solchen wirksam entgegenzuwirken. Es hat bisher keine Kostenschätzungen gegeben, und es gibt auch für das Künftige keine Kostenschätzungen. In Wirklichkeit weiß keiner, wie das Geschäft überhaupt ablaufen soll und – das Allerwichtigste – woher die 25 bis 30 Milliarden Schilling überhaupt kommen sollen.

Da denke ich an die Aussage der Frau Vizekanzlerin Riess-Passer vom 2. Juni 2001, als sie gemeint hat, es müsse endlich einen Belastungsstopp geben. – Und was war dann? – Eine Belastung hat die andere gejagt, bis dann der Klubobmann Westenthaler jetzt am Montag mit dem Klubobmann Khol und dem "Löschblatt" wieder verkündet hat: Wir müssen einen Belastungsstopp machen! (Ironische Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler. )  – Also wieder die Ankündigung: Es kommt ein Belastungsstopp!

Nun, wie soll dieser Belastungsstopp kommen? – Ich sehe jetzt einmal ab von all den mangelnden Reformen, die Sie gar nicht durchgeführt haben, weil Sie die Steuerreform gar nicht durchführen wollen, weil Sie die Steuersenkung für die mittleren und kleineren Einkommen gar nicht durchführen wollen. Und dann wollen Sie außerdem noch 25 bis 30 Milliarden Schilling für Abfangjäger ausgeben?! Wie soll das überhaupt vor sich gehen? – Es hat a) keinen Sinn, es ist b) daher unsinnig und c) nicht finanzierbar! (Ironische Heiterkeit des Abg. Jung. )

Aber Sie bleiben dabei und sagen: Wir haben Donau-Monitore, wir haben die schweren Panzer, mit denen wir die Spargel im Marchfeld zerquetschen, und daher brauchen wir auch Abfangjäger! – Das ist absurd, glauben Sie mir das! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt wollen wir zu einer Feinheit kommen: Wir haben auf Grund einer Anfrage auch herausgefunden (Abg. Ing. Westenthaler: Darf ich eine Zwischenfrage stellen: Wer hat denn die jetzigen finanziert?), dass es in den letzten fünf Jahren – da war eine andere sicherheitspolitische Situation in Europa – 48 Identifizierungsflüge gegeben hat. Für diejenigen, die das wissen wollen, sei angemerkt, dass es dabei um Folgendes geht: Da ist es doch 48 Mal gelungen, rechtzeitig hochzusteigen, bevor dieses unbekannte Flugobjekt unseren Luftraum wieder verlassen hat. Da kann man dann so ein bisschen mit den Flügeln wacheln, der andere wachelt zurück, und in der Fliegersprache ist das dann irgendwie die Identifikation, und man teilt dann mit, wer man ist. 19 Mal war es umsonst, denn da ist die Information früher gekommen, und er hat wieder landen müssen. Also 48 Identifikationen hat es in den fünf Jahren gegeben.

Wenn man das jetzt auf die Lebenserwartung eines dieser Flugzeuge, auf 20 Jahre, hochrechnet, kommen 192 Identifikationen heraus, wenn wir in den nächsten Jahren nicht gerade ein Hauptzielpunkt der Außerirdischen werden sollten. – Dann, das sehe ich ein, ist die Situation überhaupt eine andere, aber dann haben wir immer noch das elektronische Luftraum-Überwachungssystem, das im europäischen Kontext sehr wohl sinnvoll ist.

Wenn ich nun also die Zahl dieser Identifizierungsflüge mit den Kosten dieser Flugzeuge – ohne Personalkosten, ohne Treibstoff, ohne all diese Dinge – hochrechne, dann kostet ein Identifizierungsflug 130 Millionen Schilling! (Rufe bei der SPÖ: Was? Wie viel? So viel?) Das sollte man den Österreicherinnen und Österreichern sagen und sie fragen: Wollt Ihr, dass euch das Flügelwacheln in der Luft 130 Millionen kostet? (Ruf bei der SPÖ: Wie viel?)  – 130 Millionen Schilling für einen Identifizierungsflug! Das muss man wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen. (Abg. Dr. Fischer  – in Richtung seiner Fraktionskollegen –: 130 Millionen Schilling?! Habt ihr das gewusst?)

Das soll jetzt in dieser Form wiederum fortgesetzt werden – in Zeiten, in denen das Nulldefizit hier zur Staatsreligion erhoben wurde (Ruf bei der SPÖ: ... Ambulanzgebühren! – Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat denn die Draken gekauft?), wo von einem Belastungsstopp gesprochen wird und wo das wirklich keiner einsieht.

Wir wissen von wirklich wichtigen Medien in Österreich – also "NEWS", "Kronen Zeitung" –, die eine Untersuchung veröffentlicht haben, dass 75 Prozent der Österreicher nicht davon überzeugt sind, dass diese Abfangjäger notwendig sind. Das heißt, eine Dreiviertelmehrheit der Be


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völkerung sagt nein zu diesen Abfangjägern! Nur Sie sagen permanent ja zu ihnen – gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung, gegen die Vernunft, gegen den Rat der Experten, eigentlich auch gegen Ihren eigenen Finanzminister. Es ist wirklich absurd, was Sie hier vorhaben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir könnten da fast eine neue Währung einführen: Da kostet zum Beispiel die gesamte Unfallrentenbesteuerung mit ihren 2 Milliarden Schilling umgerechnet 15 Abfangjägerflüge, die gesamte beitragsfreie Mitversicherung zwei Flüge, die Ambulanzgebühren kosten acht Flüge, die Studiengebühren, die Sie eingeführt haben, kosten zwölf Flüge und die Autobahnvignette 1,5 Flüge.

Es muss also zum Beispiel jeder, der Studiengebühren zahlt, wissen: Mit zwölf Flügen ist das abgedeckt, was hier Tausende Studenten einzubezahlen haben.

Diese Beispiele könnte man endlos fortsetzen. Es ist daher, resümierend gesagt, eine pure Geldverschwendung! Hier werden Steuergelder verschwendet. Es ist überhaupt nicht klar, was die endgültigen Kosten dieser Anschaffung sind. Es ist nicht klar, was die Erhaltungskosten dieser Anschaffung sind. Es ist schon gar nicht klar, in welchem sicherheitspolitischen Konzept sich das abspielen soll – denn zu Ihrer Freude sind wir ja von lauter "befreundeten" Ländern umgeben. Wenn Sie mit Ihrer Außenpolitik so weitermachen, dann werde allerdings sogar ich selbst bald glauben, dass wir Abfangjäger nötig haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Murauer: Hoffentlich bleibt der Cap daheim, damit die Länder freundlich bleiben!)

Wie Sie mit den Nachbarn umgehen, das könnte vielleicht ein Grund dafür sein, dass ich nachdenklich werde. Aber ansonsten – da ich hoffe, dass Sie als Regierung bald abgelöst werden und dass das Verhältnis zu den Nachbarländern daher besser wird – ist der Kauf der Abfangjäger absolut sinnlos. Daher: Stopp! Stopp! Stopp! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. Die Redezeit beträgt nunmehr 5 Minuten. – Bitte.

17.39

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie von der Regierungsfraktion nehmen es uns immer wieder übel, wenn wir vom Chaos im Beschaffungswesen sprechen. Diese Beschaffung bestätigt, dass diese verfehlte Beschaffungspolitik fortgesetzt wird, die Kontinuität im wahrsten Sinne des Wortes gewahrt bleibt.

Das überrascht und verwundert mich etwas, denn gerade Minister Scheibner hat, als er noch Oppositionspolitiker war, als er noch Wehrsprecher der FPÖ war, immer wieder aus guten Gründen diese Beschaffungspraxis, die auch von uns immer wieder in Frage gestellt worden ist, zu Recht kritisiert. Man kann auch auf Rechnungshofberichte verweisen. Kaum im Ministeramt, bedient er sich derselben Vorgangsweise. Meine Damen und Herren! Das Missmanagement im Beschaffungsbereich findet also seine Fortsetzung.

Wir wissen, dass es in diesem Europa neue sicherheitspolitische Gegebenheiten gibt, und wir diskutieren daher gemeinsam eine neue europäische Sicherheitsarchitektur. Neue Aufgabenteilungen sind in diesem Europa im Gespräch. Wir arbeiten an einer Strukturreform, die wir längst gefordert haben, und setzen sie um. (Abg. Murauer  – in Richtung des Redners –: Toni, ich bitt’ dich!)

Lieber Kollege Murauer, du weißt, dass wir das seit Jahren immer wieder sagen. – Noch bevor all diese offenen Fragen gelöst worden sind, noch bevor man konkret weiß, wie es in Europa in der Sicherheitspolitik weitergeht, wird eine Rüstungsbeschaffung in Milliardenhöhe vorgenommen! Das belastet das Heeresbudget mit einem einzigen Posten auf Jahre hinaus. Es wird nur einem kleinen Teil des Bundesheeres geholfen, nämlich den Luftstreitkräften, aber andere, dringende Beschaffungen werden auf Jahrzehnte hinaus kaum mehr möglich sein.


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Meine Damen und Herren! Objektiv gesehen muss man also feststellen, dass diese beabsichtigte Anschaffung und die von Ihnen gewählte Vorgangsweise nichts anderes bedeutet, als die Zukunft mit einer Schuld zu belasten, ohne dafür auch die Verantwortung zu übernehmen. Dafür können Sie nicht mit unserer Zustimmung rechnen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Es muss Ihnen klar sein, dass die Versprechungen der Bundesregierung – Nulldefizit, Abfangjäger und Steuerreform – nicht einzuhalten sein werden. Und daher lehnen das auch zwei Drittel der Bevölkerung aus verständlichen Gründen ab, denn es wird wortwörtlich das Blaue vom Himmel versprochen, meine Damen und Herren.

Ich sagte bereits, dass andere dringende Beschaffungen, die ebenso notwendig wären, nicht getätigt werden können. Ich denke beispielsweise an die LKW-Flotte. Wir haben 20 Jahre alte Truppentransporter. Mittlerweile sind die Instandhaltungskosten so hoch, dass sich der Kauf neuer Laster längst amortisiert hätte. Wir bräuchten 1 200 dieser Fahrzeuge, um diesen Uraltwagenpark auf Vordermann zu bringen. Auch hierzu gab es eine Vielzahl konkreter Vorschläge von Seiten der Sozialdemokratie. Wir haben Konzepte erarbeitet, aber sie fanden keine Berücksichtigung. Wir haben immer wieder verlangt und bleiben auch dabei: Eine Neuordnung des Beschaffungswesens ist längst überfällig. Es geht darum, einen Investitionsplan für mehrere Jahre zu erstellen und darin auch eine Prioritätenreihung vorzunehmen, das heißt, begründet darzulegen, welche Beschaffungen unbedingt notwendig sind.

All das findet nicht statt. Es wird beispielsweise auch die Anschaffung von Transportflugzeugen diskutiert. Sie sind notwendig, aber woher das Geld dafür kommen soll, bleibt völlig unklar, meine Damen und Herren.

Ich könnte Beispiel an Beispiel reihen, meine Damen und Herren. Wir müssen jedenfalls festhalten, dass eine Politik betrieben wird, die nicht unsere Zustimmung finden kann. Ich habe bei den Budgetberatungen und im Plenum immer wieder darauf hingewiesen, und das auch dem Herrn Bundesminister Scheibner gesagt, und ich wiederhole es heute, meine Damen und Herren: Einem solchen Budget wird zugestimmt. Dabei wird in Kauf genommen, dass wir in der Einkommensentwicklung Schlusslicht in Europa sind, eine explodierende Arbeitslosigkeit, die höchste Abgabenquote und die höchste Steuerquote aufzuweisen haben. Es kommt zu Verschlechterungen in allen Politikfeldern beginnend mit Forschung, Bildung, Wirtschaft und Sozialem bis hin zur Sicherheitspolitik.

Meine Damen und Herren! Wer einem solchen Budget die Zustimmung gibt, schadet auch dem österreichischen Bundesheer, und daher findet diese Politik, diese Beschaffung nicht unsere Zustimmung und wird auch von der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung abgelehnt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

17.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

17.45

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, nur halb so polemisch zu sein wie Kollege Cap. Das reicht auch. (Abg. Dr. Cap: Das reicht schon! – Abg. Dr. Gusenbauer: Das werden wir sehen, ob das reicht!)

Sie haben offenbar alle noch die gestrige 75 Prozent-Schlagzeile der "Kronen Zeitung" in Erinnerung und glauben daher, Aufwind zu bekommen. Aber wenn man das schon zum Maßstab nimmt, Herr Kollege Cap, Herr Kollege Gusenbauer, dann rufen Sie sich doch auch in Erinnerung, dass zwar 75 Prozent aller Österreicher angeblich keine Abfangjäger-Beschaffung, aber 86 Prozent keinen Gusenbauer als Kanzler wollen. Schicken Sie ihn doch in die Wüste! Der ist viel unbeliebter als die Draken, das kann ich Ihnen sagen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Auch nicht schlecht!)


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Wir sind bereit, eine gewisse Unbeliebtheit der Entscheidung aus staatspolitischen Gründen auf uns zu nehmen, weil wir im Rahmen der europäischen Sicherheitspolitik, die Sie seit neuestem auch beschwören, einfach Notwendigkeiten folgen wollen und müssen, denn wir können uns nicht abseilen (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer in Richtung SPÖ – Gegenruf des Abg. Dr. Cap ), etwa in der Art: Die anderen Europäer schicken die Flugzeuge, die Panzer und die Leute, und wir schicken vielleicht die Köche und die Militärmusik. (Abg. Dr. Cap: Schüssel!) So geht das nicht, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Schreiben Sie sich das hinter die Ohren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Erläuterung: Kollege Cap hat vorhin gemeint, dass es die Diskussion schon seit Jahren gebe und nicht viel geschehen sei. Das ist richtig. Die Diskussion darüber gibt es seit der seinerzeitigen SPÖ/FPÖ-Regierung. Der Beschluss über die Nachfolgebeschaffung – die Drakenbeschaffung und die Nachfolge – wurde bereits damals zum ersten Mal gefasst, und es ist seither nicht furchtbar viel geschehen. Aber in den zwei Jahren der neuen Koalition bewegt sich vieles in diesem Bereich, und es werden die notwendigen Beschaffungen getätigt.

Ich bringe Ihnen ein paar Zitate. Sie dürfen dann raten, von wem sie stammen. Zum Thema Draken sagte der Bundeskanzler, die Anschaffung von Abfangjägern sei eine unbestrittene militärische Notwendigkeit. – Das sagte ein gewisser Vranitzky.

Toni, herhören! Gaál hingegen hatte erst Donnerstag in den "Salzburger Nachrichten" bekräftigt, keine Alternative zu neuen Jets zu sehen. Er lehnt auch eine Lösung mit gebrauchten Maschinen ab. – Toni, Toni, Toni! Vergesslichkeit? Nootropil ist ein gutes Mittel dagegen. (Abg. Mag. Schweitzer: Toni, du bist völlig unglaubwürdig!)

Es gibt noch mehrere solche Zitate, auch solche aus jüngster Zeit. Nehmen Sie beispielsweise die Äußerungen des Kollegen Einem, der seit neuestem sehr viel Einsicht in europäische Notwendigkeiten zeigt. Sie sagen doch immer, mit diesem Geld könne alles saniert werden, die Altersversorgung, die Sozialversicherung, einfach alles. Sie sagen allerdings nicht dazu, für welchen Zeitraum, für wie lange. Kollege Einem plädiert jedoch dafür, dass sich Österreich am militärischen europäischen Airbus-400-M-Projekt beteiligt. Die wichtigsten europäischen Staaten wollen in diesem Projekt gemeinsam eine Militärtransportmaschine entwickeln. Und da wäre die SPÖ dabei, auch wenn der Stückpreis bei 85 Millionen Euro, sprich 1,2 Milliarden Schilling, also noch über dem der Abfangjäger liegt.

Bitte erzählen Sie doch den Österreichern nicht jedes Mal etwas anderes, bleiben Sie zumindest ein bisserl seriös! Die SPÖ hat im Bereich der Wehr- und Sicherheitspolitik ohnehin schon jegliche Seriosität verloren. (Abg. Mag. Schweitzer: Toni, du wirst ja ganz rot im Gesicht!) Wer sitzt denn neben dem Obmann und Herrn Cap im Sicherheitsrat, dem Nachfolgegremium des Landesverteidigungsrats? – Die ehemalige Frauenministerin, eine wirklich anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Wehr- und Sicherheitspolitik, europaweit bekannt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Der Wehrsprecher dagegen hat darin nichts zu suchen. Der Mann, der für Sicherheitspolitik zuständig ist, der für die NATO zuständig ist, Kollege Einem, hat darin nichts zu suchen. Aber die ehemalige Frauenministerin spricht dort über Sicherheitspolitik. Das zeigt, welches Gewicht Sie diesem Bereich zumessen!

Nein, meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sind auf diesem Gebiet doch längst unseriös geworden, und es nimmt Ihnen wirklich niemand den Willen zu einer ernsthaften Sicherheitspolitik ab. Stattdessen versuchen Sie populistisch einige wenige Argumente, und das noch dazu verdreht und mit Mehrfachverrechnungen, anzubringen. Kollege Cap glaubt immer, dass das lustig ist. Aus Ihrer Sicht vielleicht, mag sein. Seriös ist es jedenfalls nicht.

Da Sie immer vorrechnen, was alles nicht gebraucht wurde: Die österreichische ABC-Truppenschule ist in dieser Republik bis zum vergangenen Jahr nie gebraucht worden. Seit vergangenem September sind wir alle heilfroh, dass wir diese Leute jahrzehntelang umsonst bezahlt und die Ausrüstung beschafft haben, weil wir sie plötzlich gebraucht haben. Wir haben das vorher nicht gewusst. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Mit militärischen Einrichtungen verbindet man immer die Hoffnung, dass sie nicht gebraucht werden. Wenn man sie dann aber doch einmal dringend braucht, dann kann man sie nicht plötzlich herbeischaffen. (Abg. Parnigoni: Schreien Sie nicht so! Reden Sie leiser!) In diesem Punkt hat die Politik die Verpflichtung, weiter zu denken, als ein momentanes Meinungsbild im "Spiegel" reicht. Wir sind bereit, diese Verantwortung auf uns zu nehmen – und Sie können weiter scherzen und blödeln, Kollege Cap. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Ausgezeichnet! – Abg. Ing. Westenthaler: Sehr gut!)

17.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

17.50

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich werde Ihnen jetzt etwas vorlesen, und Sie dürfen raten, von wem dieser Satz stammt. (Rufe bei der SPÖ: Das war schon! Haben Sie vielleicht die Reden vertauscht?) Bitte hören Sie zu, Sie werden es dann ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. ) Frau Kollegin, das ist auch für Sie interessant, auch für die Grünen. Die waren allerdings nicht dabei.

Da heißt es: "Die Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge wird möglichst durchgeführt." – Das steht im Regierungsübereinkommen von ÖVP und SPÖ, wurde diesem zu Grunde gelegt und vom SPÖ-Parteivorstand beschlossen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diskutieren wir einen Populismus, diskutieren wir eine Art der Sozialdemokraten, die schon sehr interessant ist. Ich gebe Ihnen sogar Recht – insbesondere dir, lieber Toni Gaál, aber auch deinen Kollegen und auch Ihnen, Herr Josef Cap, dass Sie es nämlich besser wissen. Sie wissen ganz genau, dass wir in Österreich den Luftraum nicht freigeben können, dass wir in Österreich nicht die Sicherheitspolitik aufs Spiel setzen dürfen, dass wir auf Grund des Neutralitätsgesetzes die Verpflichtung haben, unseren Luftraum zu überwachen. Sie könnten sicherlich auch Kostelka fragen, der die Luftraumverteidigung als wichtig ansieht. Allerdings bevorzugt er eine besondere Art der Luftraumüberwachung: Er will Raketen beschaffen, um jedes unbekannte Flugobjekt abschießen zu können. Das kann aber auch nicht unsere Sicherheitspolitik sein.

Meine Damen und Herren! Sie erinnern sich sicherlich an den Beschluss 1985, als die Draken beschafft worden sind, daran, dass damals auch die Nachfolge der Draken beschlossen wurde. Damals war die SPÖ dabei, und Sie, Herr Dr. Cap, ebenso. (Abg. Dr. Cap: Damals war die sicherheitspolitische Lage aber noch eine andere!)

Nunmehr sind Sie zu Konvertierern geworden, da Sie sicherheitspolitisch die Fronten gewechselt haben und jetzt dagegen sein müssen. Sie sagen: Ein sicherheitspolitisch notwendiger Flug kostet uns 130 Millionen Schilling. – Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich hoffe, wir brauchen überhaupt keinen solchen Flug. (Abg. Dietachmayr: Museum!)

Wenn ich ein Beispiel anführen darf: Kollege Dietachmayr: Ich weiß nicht, ob du die Feuerwehren in all jenen Gemeinden abschaffen würdest, in denen es noch nicht gebrannt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir sind alle froh, dass es sie gibt. Oder darf ich dir den Vergleich mit der Versicherungspolizze vor Augen halten, die auch nicht erst im Nachhinein ausgestellt wird. Ausbezahlt wird nur dann, wenn man eine entsprechende Polizze hat.

Meine Damen und Herren! Galtür hat uns gezeigt: Wir haben nicht das geeignete Fluggerät. Wir haben die Hubschrauber nicht gehabt, die wir gebraucht hätten, um die von der Lawinenkatastrophe betroffenen Menschen ausfliegen zu können. Wir haben sie uns ausleihen und selbstverständlich auch bezahlen müssen. Erst im Nachhinein, nach der Katastrophe Galtür, hat es Zustimmung dafür gegeben, dass wir auch Hubschrauber brauchen. Ich wünsche mir keine Katastrophe herbei, durch die wir auf die Notwendigkeit von Abfangjägern für unseren Staat


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gestoßen würden, auch wenn das noch so lustig ist für Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie.

Jetzt mit dem Argument zu kommen, dass man, statt die Flugzeuge zu kaufen, die Autobahnen mit zweiten Tunnelröhren ausbauen – natürlich, vieles könnte man machen –, das Autobahnpickerl abschaffen, das Kraftwerk Temelin kaufen oder auch einmal eine Steuerreform bezahlen könnte, das, meine Damen und Herren, ist politisch mehr als schäbig. (Abg. Dr. Glawischnig: Und was ist mit Wirtschaftskammerpräsident Leitl?)

Ich möchte zum Schluss kommen und noch auf das Argument aufmerksam machen, dass es keinen Staat, ob neutral oder im Bündnis, gibt, der auf die Luftraumüberwachung verzichtet. Und wir wollen das in Österreich auch nicht. Deswegen steht diese Regierung, deswegen steht die Österreichische Volkspartei für die Sicherheit Österreichs und für den Ankauf der Abfangjäger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Was sagt Grasser dazu? – Abg. Edler: Und wer finanziert das?)

17.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

17.55

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Es wird sich künftighin sicherlich noch um ein emotionalisiertes Thema handeln. Wenn Sie Kollegen Cap vorwerfen, dass er sich auch auf Meinungsumfragen beruft, dann sollte zumindest die FPÖ da ein bisschen vorsichtig sein, denn ihre Politik hat ja manchmal überhaupt nur den Charakter, als würde sie mit Herrn Dichand zusammen geschlossen hinter Meinungsumfragen hinterherhoppeln. Ich bin ja schon gespannt, wie sich in der Abfangjägerfrage ihr Verhältnis entwickeln wird. Es ist ja auch nicht grundsätzlich schlecht. Schlecht ist ja immer nur, dass Sie dann genau das nicht tun, was Sie ankündigen. Sie haben ja immer den kleinen Mann strapaziert, und wenn Sie dann da oben sitzen, dann passiert jedenfalls etwas ganz anderes als das, was dem kleinen Mann lieb sein könnte.

In der Sache selbst ist klar: Man kann verschiedene sicherheitspolitische Konzepte verfolgen. Keine Frage. Wir – und wir freuen uns, dass die SPÖ auch diese Meinung vertritt – halten das für sicherheitspolitisch sinnlos. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da diese Anschaffung selbst rein militärisch betrachtet umstritten ist, sollte das die Gegenargumente insgesamt nur verstärken und uns jedenfalls dahin führen, dass wir jetzt einmal – und das ist ja auch die Intention des sehr sinnvollen Antrags – alle Beschaffungsaktivitäten stoppen. Raus aus dem Kauf, bevor es zu spät ist, was die Nachbelastungen betrifft! Das ist die Intention dieses Antrags. Das deckt sich auch mit der Linie der Grünen, was Sie nicht überraschen wird. Deshalb verdient dieser Antrag inhaltlich Unterstützung. Und auch die Fristsetzung bis zum nächsten Mal, die hier vorgeschlagen ist, ist sehr sinnvoll, weil genau zu dieser Zeit die Bewertungskommission im Ministerium an ihr Werk gegangen sein und ihre Arbeit aufgenommen haben wird. Rechtzeitig raus, bevor es zu spät ist! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich werde Ihnen dazu noch kurz etwas sagen. Wenn wir auf der sicherheitspolitischen Ebene bleiben wollen, dann noch zu einem Argument, das ich durchaus gewillt bin, ernst zu nehmen: Eine europäische Sicherheitsarchitektur der Zukunft ist sicherlich Grund genug, darüber nachzudenken, welches Land was beiträgt. Aber ob es ausgerechnet Abfangjäger sein müssen, wie Sie das begründen, Kollege Jung, das ist wirklich die Frage. Wer wartet denn bei einem internationalen Einsatz auf die Beteiligung österreichischer Abfangjäger? Die werden eher von diesen Einsätzen ferngehalten werden, denn mit unseren 30 Abfangjägern werden wir bei irgendeinem internationalen Einsatz das Kraut sicherlich auch nicht fett machen. Vor allem auch die Koordinierungsprobleme, die dadurch entstünden, sind ein zusätzlicher Hinderungsgrund. Insgesamt scheint das jedenfalls aus unserer Sicht kein sicherheitspolitisch sinnvoller Beitrag Österreichs zu sein.


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Deshalb wäre es auch hoch an der Zeit, dass man ganz andere Sicherheitsbegriffe strapaziert. Die soziale Sicherheit ist in diesem Land massiv gefährdet, und das wissen Sie ganz genau. Dabei geht jeder Schilling ab, und Sie verschärfen das jeden Tag, weil Sie ständig neue Programme ersinnen, wie Sie jene kleinen Leute, von denen Sie immer reden, noch mehr schröpfen könnten. Das ist in Wahrheit das Obszöne an diesem Beschaffungsvorgang!

Unter der Parole "Keine neuen Schulden!" gibt es trotzdem Ankündigungen, 30 Milliarden Schilling und mehr – und das sind ja nur die Beschaffungskosten, also quasi "fly away" – auszugeben. Wissen Sie, wie viel das pro österreichischem Haushalt ist? – 10 000 S pro österreichischem Haushalt! Es wäre eigentlich sehr sinnvoll, dass man neben Ihrer Kinderscheck-Propaganda, die gerade im Fernsehen läuft, eine Abfangjägerscheck-Propaganda einführt: 10 000 S pro Haushalt, einzulösen bei der Opposition! Das wäre sinnvoll, und wir werden das auch machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Präsident, wie viel Zeit habe ich eigentlich noch? – (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn schaltet das rote Licht beim Rednerpult ein. – Abg. Ing. Westenthaler: Aus! Jetzt kommt es ihm selber schon zu lang vor!) Das Beschaffungschaos ist bereits angesprochen worden, das der Rechnungshof regelmäßig bei Großbeschaffungen des Bundesheers moniert. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Das Gequatsche kommt dir schon zu lang vor, gell!)  – Um Sie zu widerlegen, reichen auch 5 Minuten, Kollege Schweitzer! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sämtliche Beschaffungsvorgänge der Vergangenheit, die mit größeren Rüstungsinvestitionen zu tun gehabt haben, sind äußerst kritikwürdig. Sie sind auch kritisiert worden, und zwar vom Rechnungshof in einem eigenen Bericht, der sich genau mit jenen Großbeschaffungen befasst hat. Und was kam da zum Vorschein? Die Vorbelastungen durch die Investitionen, die Sie in den letzten Jahren ständig vorgenommen haben – und Scheibner ist da der schlimmste von allen Verteidigungsministern –, haben den investiven Spielraum völlig aufgebraucht. Das heißt, wir sind jetzt schon an der Grenze. Deshalb ist es dann auch nicht verwunderlich, dass Scheibner auch auf Grund dieser Abfangjägerbeschaffung 0,6 Prozent mehr für das Verteidigungsbudget fordert. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Das kann man sich jetzt eben aussuchen: Regierung oder Opposition. Wohin soll das Geld gehen? Das ist es! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Landesverteidigungsausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 609/A (E) der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtbeschaffung von Abfangjägern eine Frist bis 19. März 2002 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme nunmehr die Verhandlung über die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung wieder auf.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Was wir heute hier beschließen, stellt einen Durchbruch im Bereich der österreichischen Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit dar. Ich


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möchte ganz deutlich darauf hinweisen, was genau wir heute beschließen. Wir beschließen ein Gesetz, das regelt, welchen Kriterien und welchen Zielen entsprechend wir die Mittel der österreichischen Entwicklungspolitik – in welcher Höhe auch immer sie vorhanden sind – in Zukunft verwenden wollen. In der vorangegangenen Debatte schien es nämlich so, als würden wir heute ein Budgetgesetz beschließen. Das steht aber erst noch bevor.

Die Ziele wurden also endlich deutlich festgeschrieben, und als oberstes und in meinen Augen wichtigstes steht die Armutsbekämpfung im Zentrum. Ich freue mich, dass, wenigstens was Ziele und Kriterien betrifft, auch mit den Oppositionsparteien Einigkeit besteht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte darüber hinaus aber anmerken, dass dieser Zielekatalog – und das möchte ich ganz besonders Frau Lunacek noch sagen, weil es mir auch wichtig erscheint – ganz ausdrücklich für die gesamte Entwicklungspolitik Österreichs gilt, das heißt, dieser Ziele- und Kriterienkatalog bindet nicht nur das Außenministerium, sondern bindet auch andere Ministerien, weil die Rede ist von allen  – ich darf vielleicht kurz das Gesetz zitieren – "Maßnahmen des Bundes ..., die geeignet sind, die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer zu fördern oder eine Beeinträchtigung dieser Entwicklung hintanzuhalten." Ich meine also, dass eine entsprechende Kohärenz verstärkt zu erarbeiten sein wird, denn das wird umgesetzt werden müssen. (Abg. Mag. Lunacek: Und wer wird das kontrollieren?) Die Frau Bundesminister verfügt jetzt auch bereits gemeinsam mit dem Finanzministerium über eine aktive Arbeitsgruppe, das heißt, die Zusammenarbeit wird stetig besser.

Was die zusätzlichen Mittel betrifft, möchte ich schon bemerken, dass das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit zu reservieren, eines ist, dem wir uns auch verschrieben haben. Selbstverständlich! Aus diesem Grunde wurde auch in diesem Gesetz in den Erläuternden Bemerkungen im Allgemeinen Teil und im Besonderen Teil noch einmal verstärkt darauf hingewiesen, dass bei der Erreichung dieses Zieles auf die Entwicklung in der internationalen Gemeinschaft und in der EU Bedacht zu nehmen ist.

Innerhalb der EU wurde jetzt die Notwendigkeit der Erreichung dieses Zieles noch einmal bekräftigt, es wird also die gemeinsame Aufgabe von uns allen sein, schrittweise dieses Ziel zu erreichen. Im Budget für das Jahr 2003 werden 0,35 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe reserviert sein, ein Teil davon für die Entschuldung. Wenn auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit auch für mich der wesentlichste, weil unmittelbar wirksamste Teil der Entwicklungspolitik ist, müssen wir alle gemeinsam dennoch sagen, dass auch die Entschuldung für die Entwicklungsländer selbst von großer Wichtigkeit ist.

Was die Stellung der NGOs betrifft, so ist sie in meinen Augen durch dieses Gesetz noch einmal verstärkt worden, denn sie sind zum einen ausdrücklich darin verankert, zum anderen ist der Hinweis notwendig, dass in kaum einem anderen Land ein derart großer Teil der Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit von NGOs und über NGOs abgewickelt wird. Und das wird und das soll auch so bleiben.

Ich danke ganz ausdrücklich den Mitarbeitern des Ministeriums und vor allem Frau Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner dafür, wie dieses Gesetz, das seit zehn Jahren überfällig ist, vorbereitet und in der parlamentarischen Diskussion aufbereitet wurde. Es war nicht selbstverständlich, das Gesetz, bereits bevor die Regierungsvorlage erstellt war, im Ausschuss breit zu diskutieren und die NGOs und die AGEZ so oft und so intensiv einzubeziehen. Ich bin sicher, dass sich auch die NGOs, für deren Beitrag ich auch danken möchte, ganz wesentlich in diesem Gesetz wiederfinden werden, das für mich als das, was es ist, nämlich eine Beschreibung, wie die Mittel zu verwenden sind, ein durchwegs gelungenes Gesetz ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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18.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

18.06

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Seit dem Jahr 1974, das heißt seit 28 Jahren, ist es zum ersten Mal gelungen, ein neues Gesetz für Entwicklungszusammenarbeit zu erstellen. Seit zwei Jahren haben wir intensiv zum einen im Unterausschuss für Entwicklungszusammenarbeit und andererseits mit den NGOs, vor allem mit der AGEZ und auch mit anderen relevanten Gruppen, gearbeitet, um ein der neuen globalen Situation entsprechendes Gesetz zu schaffen. Ich meine, es ist ein gutes Gesetz geworden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf im Folgenden einige der Positionen, die mir positiv erscheinen, noch einmal Revue passieren lassen. Erstens: das Kohärenzgebot des § 1 Abs. 5. Ganz im Gegensatz zu dem, Frau Abgeordnete Lunacek, was Sie sagen, gibt es eine klare gesetzliche Festlegung, dass der Bund die Ziele und die Prinzipien der Entwicklungspolitik in den von ihm zu verfolgenden Politikbereichen, die die Entwicklungsländer berühren, zu berücksichtigen hat. Das ist eine fundamentale und weitreichende Bestimmung, die die gesamte Bundesregierung verpflichtet.

Wo ist das beste Koordinationsgremium dafür? – Selbstverständlich im Ministerrat! Es ist also kein zusätzliches technisches Gremium notwendig, obwohl es kleine Komitees gibt und informelle Koordination. Schon bisher waren wir um Kohärenz bemüht. Ich erinnere nur an zwei Beispiele, an die Studiengebühren für Studenten aus Entwicklungsländern oder an "Everything but Arms", wo es uns gelungen ist, durch die Koordinationsarbeit den Standpunkt der Entwicklungspolitik einzubringen.

Zum Zweiten: die Verankerung der Rolle der NGOs im Entwicklungsbereich, § 2 Abs. 4. Kaum ein anderes OECD-Land wickelt in seiner bilateralen Entwicklungszusammenarbeit so viel über die NGOs ab wie wir, nämlich zirka die Hälfte. Es handelt sich dabei nicht nur um den inzwischen stark ausgeweiteten Bereich der Kofinanzierungen, sondern vor allem auch um die häufige Form der direkten Betrauung von NGOs. Im Übrigen folgt die Textierung inhaltlich weitestgehend dem AGEZ-Vorschlag. Der einzige Unterschied gegenüber dem Vorschlag der AGEZ ist, dass die Regierungsvorlage vorsieht, dass "in erster Linie" die Kapazitäten der Entwicklungsländer zu nutzen sind. Ich frage Sie: Was ist denn daran schlecht? Glauben Sie wirklich, dass wir die Interessen der österreichischen NGOs über die der Partnerländer stellen sollen? Wo bliebe dann das Prinzip der Ownership?

Drittens: Dem Wunsch nach Verankerung der entwicklungspolitischen Bildungs- und Kulturarbeit – das ist der § 2 Abs. 3 –, der ausdrücklich von der AGEZ sowie auch von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, geäußert worden war, habe ich bewusst entsprochen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist der einzige Punkt!)

Viertens: Darüber hinaus habe ich auch einem von Ihnen immer wieder geäußerten Wunsch Rechnung getragen, denn ich habe jetzt nämlich vorgesehen, dass ich das Dreijahresprogramm einmal im Jahr dem Parlament übermittle und damit auch das Parlament im Bereich der EZA stärke.

Lassen Sie mich schließlich zu der Frage, die immer als die aus Ihrer Sicht wichtigste angesprochen wird, etwas sagen, nämlich zur Frage des 0,7-Prozent-Zieles. Meines Wissens gibt es kein Land, in dem das Ziel von 0,7 Prozent gesetzlich festgeschrieben ist. Die von Frau Abgeordneter Jäger und Frau Abgeordneter Lunacek heute genannte Zahl von 0,19 Prozent für das Jahr 2001 muss – das ist das Mindeste, was ich sagen kann – schlichtweg auf einem Missverständnis beruhen, denn die Zahlen der OECD sind erst im Juli 2002 bekannt. (Abg. Mag. Lunacek: Staatssekretär Finz!) Da muss er sich geirrt haben, oder da muss irgendetwas auf einem Missverständnis beruhen. Diese Zahlen können nicht vorher bekannt sein. Daher kann man seriöserweise, bitte, nur von den Zahlen des Jahres 2000 ausgehen, in dem Österreich eine Leistung von 0,23 Prozent des BIP erbracht hat, womit wir knapp über dem OECD-Durchschnitt liegen.

Im Zuge der Vorbereitungen – wenn ich jetzt an die Zukunft denke – für die Konferenz für die Entwicklungsfinanzierung in Monterrey in Mexiko vom 18. bis 22. März haben die Europäischen Räte in Göteborg und in Laeken festgehalten, dass auch seitens der EU-Mitglieder greifbare


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Fortschritte – so ist die Diktion – zur Erreichung des politischen Zieles von 0,7 Prozent gesetzt werden. Und dort haben wir, das wissen Sie, hat Österreich der Kommission mitgeteilt, dass wir im Jahr 2003 diesen EU-Durchschnitt, der derzeit bei 0,35 Prozent liegt, erreichen werden, was auch im so genannten Richelle-Bericht festgeschrieben ist.

Im Übrigen ist – das möchte ich auch noch einmal sagen; das wurde in der Debatte bereits von der Frau Abgeordneten Hakl erwähnt – im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zu diesem Gesetz bekräftigt, dass am politischen Ziel der Leistung von 0,7 Prozent, wie es 1970 im Rahmen der UNO formuliert wurde, von Österreich festgehalten wird. Diese Aussage wird im Richelle-Bericht noch einmal wiederholt.

Daher darf ich abschließend noch einmal sagen, dass ich es sehr, sehr bedauere, dass die Opposition diesem Gesetz die Zustimmung verweigert, obwohl wir hier so intensiv mit Ihnen gearbeitet haben, obwohl wir Vorschläge der AGEZ mit eingearbeitet haben und obwohl Iustitia et Pax dazu aufgefordert hat, dass wir dieses Gesetz hier einstimmig verabschieden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

18.13

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wie bekannt ist, hat sich die Staatengemeinschaft 1990 ein ehrgeiziges Ziel gesteckt, nämlich die Zahl der weltweit in Armut lebenden Menschen bis 2015 zu halbieren. Wie vor einigen Tagen der Präsident der Weltbank James Wolfensohn mitteilte, würde die Erreichung dieses Zieles eine Verdoppelung der gegenwärtigen Entwicklungshilfe erfordern.

Wörtlich sagte Wolfensohn: "Nach dem 11. September hat es eine starke globale Solidarität gegeben. Es ist deutlich geworden, dass eine bessere Versorgung und Erziehung der Armen auch mehr globale Sicherheit bedeutet. Diese Solidarität hat aber auch einen Preis." – Zitatende.

Darum, meine Damen und Herren, geht es heute – indirekt zumindest. Es geht um die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. – Wir haben dazu wieder einen Entschließungsantrag eingebracht.

Kollege Fallent, Sie haben da etwas missverstanden: Ich habe im Ausschuss gesagt, dass wir diese Bestimmung nicht im Gesetz haben wollen. Das ist richtig! Aber wir haben ja auch keinen Antrag in diese Richtung gestellt. Wir wollten einen Entschließungsantrag beschließen. Das, was wir wollen, ist eine Festlegung der Bundesregierung, dass sie tatsächlich schrittweise dieses Ziel anstrebt. Das ist, glaube ich, ein ganz zentraler Kern. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Nur einen Satz dazu, wie es zu diesen 0,19 Prozent kommt, die Kollegin Jäger erwähnt hat: Das sind Zahlen, die ihr Staatssekretär Finz zur Verfügung gestellt hat. Ich weiß nicht, wo da das Missverständnis liegt. Wenn die Zahlen falsch sind, was ich hoffe, dann ist es umso besser. Aber das sind Zahlen, die wir offiziell erhalten haben.

Ich bedauere, dass wir aus verschiedenen Gründen diesem Gesetzentwurf nicht die Zustimmung geben können. Ein Grund dafür ist schon erwähnt worden: weil es keine klare Aussage über die Aufstockung der Mittel gibt. (Abg. Böhacker: Wenn Sie es bedauern, dann stimmen Sie zu, dann können Sie Ihr Bedauern abbauen!) Es tut uns durchaus Leid, denn es gibt in diesem Gesetzentwurf Grundsätze der Entwicklungszusammenarbeit, die wir positiv finden und mit denen wir durchaus einverstanden sind. Allerdings hätten wir uns bei den Grundsätzen einige andere und zusätzliche Formulierungen gewünscht.

Vor allem haben wir verlangt, dass die Achtung von Gewerkschaftsrechten besonders hervorgehoben wird. Es ist gut dokumentiert, dass in Entwicklungsländern Menschen auch von internationalen Konzernen schamlos ausgebeutet werden, dass die Regierungen da oft


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zusehen und nichts dagegen unternehmen, dass sie sogar diese Konzerne unterstützen und freie Gewerkschaften verbieten beziehungsweise Gewerkschafter, die sich zur Wehr setzen, nicht beschützen, wenn diese bedroht werden. Menschliche Arbeitsbedingungen und Löhne, von denen man leben und seine Kinder ernähren kann, sind aber die Voraussetzung für jede Entwicklung. Es ist schade, dass Sie nicht einmal in diesem einen Punkt den Wünschen der Opposition nachgegeben haben. (Abg. Ing. Fallent: Den Wunsch haben Sie nie geäußert!)

Auch ein Wort zu den NGOs: Sie haben gesagt, dass die NGOs dem Entwurf zustimmen. – Es ist aber so, dass es in mehreren Punkten herbe Kritik gibt. Ich habe das Gefühl, dass die Leistungen dieser Organisationen durch die Bundesregierung in diesem Entwurf nicht entsprechend gewürdigt werden. Wenn zum Beispiel Förderungen für Projekte nur dann gewährt werden sollen, wenn seitens des Förderungswerbers auch eine Eigenleistung erbracht wird, so kann das dazu führen, dass es einfach nicht möglich ist, diese Projekte durchzuführen.

Wie wir wissen, sind in vielen NGOs Menschen ehrenamtlich tätig, denen es oft nicht möglich ist, Mittel selbst aufzutreiben, obwohl – das möchte ich schon betonen – die Österreicherinnen und Österreicher durchaus spendenfreudig sind.

Ich möchte diese Gelegenheit dazu nützen, den NGOs für diese engagierte Arbeit zu danken. Es ist wichtig, dass in Österreich Öffentlichkeitsarbeit über die Situation in den Entwicklungsländern geleistet wird, und es ist ebenso wichtig, dass im Kampf gegen die Armut Projekte eingesetzt werden. Daher meinen herzlichen Dank an diese Organisationen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage der Kompetenzen ist bereits gesprochen worden. – Ich hätte mir da eine eindeutigere Regelung gewünscht, hätte mir auch gewünscht, dass es weiterhin einen Bericht an den Nationalrat gibt, weil das für die Kontrollaufgaben, die wir erfüllen müssen, sehr wichtig ist.

Frau Ministerin, abschließend noch einen Satz zu einer aktuellen Frage: Sie kennen sicherlich den Fall der jungen Frau in Nigeria, die gesteinigt werden soll, weil sie ein uneheliches Kind bekommen hat. Ich möchte Sie, Frau Bundesministerin, sehr, sehr dringlich bitten, dass auch Sie sich für diese Frau einsetzen, passiert doch da ein ungeheuerlicher Verstoß gegen die Menschenrechte. Daher muss, wie ich meine, die ganze internationale Gemeinschaft dagegen protestieren und dagegenwirken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Burket. – Bitte.

18.19

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hlavac, ich bedauere auch sehr, dass Sie diesem Gesetz nicht zustimmen, und ich glaube, dass Sie damit jetzt wirklich Ihre Kompetenz im Bereich Entwicklungszusammenarbeit aufgegeben haben. Selbst wenn Sie von der SPÖ einen etwas anderen Zugang zu dieser Thematik haben als wir: Letztendlich bleibt unterm Strich die Notwendigkeit – dass Geld dazu notwendig ist, wissen wir –, dass die Hilfe, die gegeben werden muss, strukturiert sein muss, ebenso zielorientiert, nachhaltig und effizient. Das ist keine Frage der prozentuellen Höhe der Summe, die man gibt, sondern eine, was man daraus macht. – Das ist jedoch ein Zugang, der Ihnen von der SPÖ, Ihrer gesamten Partei, leider völlig fremd ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir können nur jene Gelder zur Verfügung stellen, die vorhanden sind – und das tun wir! Wir bekennen uns auch ganz klar zum Ziel von 0,7 Prozent des BIP – aber nach Möglichkeit und eben nicht jetzt. Für uns sind auch 0,35 Prozent des BIP inklusive des Entschuldungsanteils – selbstverständlich bis zum Jahr 2003 – durchaus kein Pappenstiel, sondern ein ernst zu nehmender Beitrag, der hier geleistet wird.

Um auf das Gesetz zurückzukommen: Wir haben ja heute im außenpolitischen Themenkomplex die Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus angesprochen; das war bereits Thema im


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Tagesordnungspunkt 3. Ich muss sagen: Jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema der Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt, wünscht sich, man könnte die Gelder, die in jenem Bereich im Überfluss vorhanden sind, für Zwecke der Entwicklungszusammenarbeit umleiten. Damit wäre sehr, sehr vielen Menschen geholfen. (Abg. Mag. Lunacek: Aber in Kärnten ist Landeshauptmann Haider dagegen!)  – Frau Kollegin Lunacek! Jetzt reden wir über die Entwicklungszusammenarbeit. (Abg. Mag. Lunacek: Die Entwicklungshilfe Kärnten ...!)  – Ich leiste nicht nach Kärnten Entwicklungshilfe, mir liegen jetzt eher die Länder der Dritten Welt am Herzen. Daher werde ich mir erlauben, nun in diesem Bereich mit dem Thema fortzufahren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem EZA-Gesetz, liebe Frau Kollegin Lunacek, sind gerade im § 1 die Zielsetzungen und Prinzipien festgeschrieben. Wichtig erscheint mir ganz besonders, dass auf Grund der Vielfalt der Hilfsaktionen die Notwendigkeit der Koordination und Kohärenz erkannt und berücksichtigt wurde.

Wichtig ist ebenso, dass in den Entwicklungsländern gewisse Rahmenbedingungen vorhanden sein müssen, damit der Aufbau angemessener wirtschaftlicher, bildungsmäßiger und sozialer Strukturen auch entsprechend nachhaltig gesichert ist. Das ist eben unsere Sicht der Dinge, und von dieser Sichtweise ausgehend glauben wir, dass Entwicklungshilfe auch wirklich zu rechtfertigen ist und dass gar nicht genug Geld in diese Projekte hineinfließen kann.

Aber nur Projekte, die später von der Bevölkerung der Entwicklungsländer selbständig weitergeführt werden können und eine bleibende Verbesserung der Lebensumstände bringen, sind wirklich zielführend. Man sollte bei der ganzen Thematik auch nicht vergessen, dass außer diesen offiziellen Geldern, die hier zur Verfügung gestellt werden, gerade von Österreich aus laufend noch viele weitere Hilfsprojekte durchgeführt werden – viele davon auf Basis von privaten Initiativen.

Bemerkenswert – was meiner Meinung nach auch besonders wichtig ist – ist, dass im Gesetz das Recht auf die Wahl des eigenen Entwicklungsweges und auch das selbst zu wählende Tempo dieser Entwicklung vorgesehen sind. Dies impliziert aber auch, dass nicht nur Geld – das braucht man selbstverständlich auch –, sondern auch ein sensibler Umgang mit den Menschen in den Entwicklungsländern sowie die Achtung und der Respekt vor deren Kultur und Lebensart notwendig sind.

In diesem Licht soll auch die so genannte Gleichstellung von Frauen betrachtet werden, denn gerade da ist es bei allem Verständnis für das dringende Bedürfnis, unterdrückten Frauen zu helfen, notwendig, den Sitten und Gebräuchen vor Ort mit Respekt zu begegnen.

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit soll der Begriff der Globalisierung positiv gesehen werden, da nur durch die Bündelung von Geldern und Ressourcen Strukturen in den Entwicklungsländern geschaffen und gewährleistet werden können, die den Menschen Hoffnung, Perspektiven und vor allem eine gesicherte Zukunft geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

18.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Bevor ich auf diesen Tagesordnungspunkt, auf die Debatte zum Entwicklungszusammenarbeitsgesetz eingehe, möchte ich schon noch einmal meiner Verwunderung darüber Ausdruck verleihen, dass Sie beim Tagesordnungspunkt 3, Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, so eisern geschwiegen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das kann ich als Abgeordneter, der seit zwei Jahren hier in diesem Haus ist, wirklich überhaupt nicht verstehen. (Abg. Böhacker: Genug mit dem Lamento! – Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: ... zweimal gesagt!)


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Selbst wenn Sie Fehler gemacht haben, Frau Bundesministerin, wäre es durchaus eine angemessene Verhaltensweise (Abg. Murauer: Was machen Sie, Herr Pirklhuber? – Abg. Böhacker: Zur Sache!), darauf auch in dem einen oder anderen Punkt einzugehen oder die Fragen, die die Kolleginnen und Kollegen hier gestellt haben ... (Abg. Dr. Khol: Das ist gestern alles beantwortet worden! Zur Sache, Herr Pirklhuber! Reden Sie über Landwirtschaft! Da verstehen Sie etwas davon!)

Herr Klubobmann Khol! Sie wissen genau: Gestern war die Frau Bundesministerin nicht im Hause. Auch wenn Sie es wiederholt hätten, Frau Bundesministerin, wäre es ein Akt der Höflichkeit gewesen, in diesem Haus den einfachen Fragen der Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Sie werden doch nicht der Bundesministerin Unhöflichkeit unterstellen! Das ist unglaublich! Was nehmen Sie sich heraus?)

Nun konkret zum Entwicklungszusammenarbeitsgesetz. Frau Bundesministerin! Wir haben sehr viele gute Anregungen gemacht. Meine Kollegin Lunacek – es ist schon einige Stunden her – hat sehr wohl auch die positiven Aspekte dieses Gesetzes angesprochen, aber wir haben eben nach wie vor wesentliche Kritikpunkte.

Meine Damen und Herren! Ein Land wie Österreich, das zu den reichsten der Welt gehört, hat eine moralische und politische Verantwortung, nicht Schlusslicht in der Entwicklungspolitik, in der Entwicklungszusammenarbeit zu sein, sondern auch in diesem Bereich, wie in manchen anderen Bereichen, voranzugehen, wirkliche Leitlinien zu entwickeln und nicht nur bei Begriffsbestimmungen und Grundsätzen stehen zu bleiben. – Diesbezüglich sind wir uns zumindest in wesentlichen Punkten einig.

Aber angesichts dessen, dass 800 Millionen Menschen hungern, alle 3,6 Sekunden ein Mensch auf der Welt verhungert – drei Viertel davon Kinder –, meine Damen und Herren, ist das ein politisches Feld, das unsere höchste Aufmerksamkeit verdient – dies auch, so glaube ich, gerade angesichts der internationalen Verhandlungen, die vor kurzem begonnen haben. Ich denke, die laufenden WTO-Verhandlungen wären Anlass dafür gewesen, neue Leitlinien, generelle Leitlinien für die österreichische Entwicklungspolitik zu verankern. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger. )

Ich möchte dazu auch Beispiele anführen. Aussagen zu einem gerechten Welthandel und zu einer ökologischen und sozialen Ausrichtung internationaler Finanzeinrichtungen wären ein Erfordernis der Zukunft. Da könnten wir auch als kleines Land Impulse in der internationalen Politik setzen, Frau Bundesministerin. Das fehlt aber völlig in diesem Gesetzentwurf, ganz abgesehen von den Argumenten, die schon mehrfach gekommen sind.

Noch eines zum Thema Kohärenz, Frau Bundesministerin: Dass der Beschluss des Ministerrates ausreichend wäre, um die Kohärenz der Maßnahmen sicherzustellen, das glauben Sie wohl selbst nicht. Ich denke zum Beispiel nur an Exportkredite. Es gibt zig Einrichtungen der Republik Österreich, über die nicht im Ministerrat entschieden wird. Es wäre klar und logisch, dass dafür eine Stabstelle unter Ihrer Zuständigkeit eingerichtet wird, die auf diese Prozesse ein Auge hat und die versucht, wenn Fehlentwicklungen vorkommen, rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verstehe nicht, dass Sie diesbezüglich gegen unsere Anregung waren, die Ihnen ja dienen würde, die Ihrem Zuständigkeitsbereich eine ganz wesentliche Koordinationsfunktion zukommen ließe. Das verstehe ich wirklich nicht.

Aber ich möchte jetzt noch kurz einen anderen Aspekt ansprechen, nämlich die Frage der Ernährungssouveränität. Meine Damen und Herren! Gerade in den nächsten WTO-Verhandlungen wird das ein Schlüssel für die globale Entwicklungsdebatte werden. Die Frage ist, was wir bezüglich der eigenständigen Entwicklung von Ländern, die entwicklungsmäßig weit hinter uns liegen, tun, ob wir ihnen gerade im Ernährungsbereich Souveränitätsrechte zugestehen.


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Meine Damen und Herren! Das ist ein ganz zentraler Punkt; da könnten wir durchaus mit – unter Anführungszeichen – "ökologischer Schlagseite" für diese kleinen Länder, für diese armen Bäuerinnen und Bauern – denn letztlich sind es ja Bäuerinnen und Bauern in diesen Agrargesellschaften – einen wesentlichen Beitrag leisten, wenn wir nämlich gegen Agrardumping eintreten, wenn wir uns vor allem auch, Frau Bundesministerin, für die Ratifizierung des Biosafety-Protokolls einsetzen. Ich würde Sie ersuchen, wirkliche Anstrengungen zu unternehmen, damit Österreich bald zu jenen Ländern gehört, die das Biosafety-Protokoll ratifiziert haben, damit eben die Möglichkeit besteht, für diese Länder, aber auch für Österreich, die Ernährungssicherheit zu einem wichtigen Thema der Lebensmittelpolitik zu machen. (Abg. Böhacker: Denken Sie an Ihre Kollegen! Die wollen auch noch Redezeit!)

Denn: Wer die genetischen Ressourcen und die biologische Vielfalt kontrolliert, der kontrolliert auch die menschliche Gesellschaft und deren Entwicklung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

18.30

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herzlichen Dank für die Vorlage dieses Gesetzes! Meine Damen und Herren von der Opposition! Bei allen Kritikpunkten, die seitens der Redner Ihrer Fraktionen angebracht worden sind: Wenn man Ihren Entschließungsantrag liest, dann muss man sagen: Es geht Ihnen wirklich nur um die 0,7 Prozent, um die Finanzierung. (Abg. Jäger: Haben Sie ihn durchgelesen?) – Ja, ich habe ihn gelesen.

Ich muss daraus schließen, dass Sie im Wesentlichen – und das haben auch die Diskussionen im Unterausschuss gezeigt – doch mit den großen Zielen, mit den Kriterien einverstanden sind. Ich glaube, es ist sehr positiv, dass jetzt im Parlament das Drei-Jahres-Programm vorgelegt wird. Man muss wirklich unterstreichen, dass es breitest diskutiert worden ist, mit allen Gruppierungen diskutiert worden ist und dass auch, wie die Frau Ministerin gesagt hat, die NGOs sehr gut eingebunden sind. Ich glaube, das muss man einfach akzeptieren und auch unterstreichen. Danke dafür!

Ich glaube, wir alle, die wir im Unterausschuss für Entwicklungszusammenarbeit mitarbeiten, kämpfen im Grunde dafür, dass es mehr Finanzmittel gibt. Das ist unbestritten. Das ist überhaupt keine Frage, und ich möchte hier auch noch einmal unterstreichen, dass es niemand – auch niemand von den Regierungsparteien! – jemals in Frage gestellt hat, dass 0,7 Prozent unser langfristiges Ziel sind, ein Ziel, auf das wir hinarbeiten.

Wir erkennen natürlich auch, dass sich die Problemstellung im Zeitalter der Globalisierung nicht wirklich verändert, sondern sich das – im Gegenteil! – noch verschärft hat. Ich denke hier zum Beispiel an den Vortrag von Prinz Hassan bin Talal, der mich sehr beeindruckt hat. Er hat gesagt, jede Minute verhungern auf der Welt 24 Menschen. Das heißt, es sterben pro Tag weltweit ungefähr 35 000 Menschen, weil sie nichts zu essen haben. Das ist mir wirklich unter die Haut gegangen, das macht betroffen. Und ich würde mich wirklich davor hüten, irgendjemandem hier im Haus zu unterstellen, dass er dem gegenüber gleichgültig ist, dass nicht jeder versucht, das Beste zu tun, um hier Abhilfe zu schaffen.

Es ist schlimm, dass wir im Westen, ein Viertel der Weltbevölkerung, drei Viertel der Produktionsgüter haben. Vier Fünftel des Energieverbrauchs gehen auf unsere Kosten und 90 Prozent – weil wir vorhin darüber diskutiert haben – der Weltrüstungsausgaben. Hingegen verfügen drei Viertel der Weltbevölkerung in Afrika, in Asien und Lateinamerika nur über ein Fünftel der Produktion und über ein Fünftel der Reichtümer dieser Erde. Ich glaube, es macht betroffen, dass 1,4 Milliarden Menschen auf der Welt in Armut leben, und besonders betroffen macht mich, dass das vor allem Frauen und Kinder sind.


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Wir wollen hier ansetzen, und ich glaube, dieses Gesetz, das Sie vorgelegt haben, Frau Ministerin, das die volle Unterstützung der Regierungsparteien hat, ist ein sehr guter Schritt in diese Richtung, auch, wie ich glaube, von der Finanzierung her. Dass wir 2003 den OECD-Durchschnitt erreichen, ist wirklich ein Zeichen des guten Willens. Das muss man auch sagen.

Ich möchte namens der Regierungsparteien noch einmal bekräftigen, dass wir 0,7 Prozent anstreben. Ich glaube allerdings – mein letzter Punkt –, wir müssen alles daransetzen, vermehrt Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, denn die Entwicklungszusammenarbeit und die Hilfe für ärmere Länder muss ein Auftrag nicht nur an die Regierungsparteien, sondern an uns alle sein. Hier gilt mein herzlicher Dank den NGOs, den zahlreichen Privatinitiativen, den Ländern und Gemeinden. Ich glaube, wir sind aufgefordert, in Zukunft alle Schritte zu unternehmen, um in diesem Bereich gute Leistungen zu erbringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

18.34

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich möchte zu einem weiteren Punkt, der heute auf der Tagesordnung steht, Stellung nehmen, nämlich zum Antrag betreffend Blindheitsverhütung in der Dritten Welt.

Dass sich die gesundheitliche Situation der Bevölkerung in den Entwicklungsländern signifikant von der Situation in Europa unterscheidet, ist, glaube ich, ein Faktum und wohl allgemein bekannt. Sie wissen vermutlich auch, dass ein hoher Anteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern an Erkrankungen leidet, die vermeidbar oder heilbar wären. So wurde die Zahl der blinden Menschen im Jahr 2000 auf rund 50 Millionen geschätzt; hauptsächlich davon betroffen sind Afrika und Asien. Bis zum Jahr 2020 wird diese Zahl auf 75 Millionen anwachsen; so die Voraussage. Daher ist der Aspekt der Prävention ein ganz wichtiger und von enormer Bedeutung.

An erster Stelle stehen also Prävention und Heilung. Es gibt aber durchaus auch einen volkswirtschaftlichen Aspekt, wenn Sie so wollen. Vorbeugung lässt Kosten erst gar nicht entstehen. Eine indische Studie rechnet vor, dass die jährlichen Kosten pro Million an erblindeter Bevölkerung rund 4 Millionen US-Dollar betragen.

Eines der Hauptprobleme in diesem Bereich liegt in der Entwicklung von angemessenen Technologien, in der Weitergabe von Wissen und in der Verfügbarkeit von Medikamenten. Ein weiteres und vielleicht sogar bedeutend wichtigeres Problem liegt in der Höhe der zur Verfügung gestellten bilateralen, multilateralen, aber auch nationalen Entwicklungshilfemittel. Da sollte sich Österreich, wie wir heute ja schon mehrfach gehört haben, doch einmal an der Nase nehmen und sich nicht nur in Lippenbekenntnissen erschöpfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die österreichischen Ausgaben für Entwicklungshilfe stagnieren, wie wir gehört haben, sind sogar rückläufig, und diese Kritik ist auch jüngst bei einer Vorbereitungskonferenz für die UN-Konferenz in Monterrey, Mexiko, laut geworden. Die Kritik lautete, erstens, dass diese Ausgaben in Österreich stagnieren beziehungsweise rückläufig sind, zweitens, dass Österreich noch immer keinen verbindlichen Zeitplan zur Anhebung dieser Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit hat. Das ist einer der Hauptkritikpunkte. Es gibt das Bekenntnis, ja, Sie haben das auch gesagt, Frau Ministerin, aber die Frage ist: Wie kommen Sie dahin?

Frau Gatterer, wenn Sie meinen, es sei so schlimm, dass Kinder, dass Menschen verhungern und sterben: Da gebe ich Ihnen Recht, aber da muss man dann eben auch Mittel zur Verfügung stellen. (Abg. Ing. Fallent: Seit 30 Jahren nichts getan!) Und ich denke, es muss das Budget für diese Entwicklungszusammenarbeit auch wirklich angehoben werden, denn Entwicklungszusammenarbeit muss als Politik internationaler Konfliktverhütung – und wir haben heute auch von der Bekämpfung des Terrorismus gesprochen – einfach einen Niederschlag in den entsprechenden Budgets finden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Daher: Zustimmung zum Antrag betreffend die Situation blinder Menschen in den Ländern der Dritten Welt, aber keine Zustimmung zum EZA-Gesetz, weil dieses Gesetz nichts beinhaltet, was die österreichische Entwicklungszusammenarbeit wirklich vorwärts bringt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

18.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 724 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jäger, Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Finanzierung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 998 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 124.)

6. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (900 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über die Beendigung der Tätigkeit des Internationalen Registeramts in Klosterneuburg (997 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (768 der Beilagen): Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik Lettland zum Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (999 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (952 der Beilagen): Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 15. Oktober 2001 betreffend die Vorrechte und Immunitäten


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des Instituts für Sicherheitsstudien und des Satellitenzentrums sowie ihrer Organe und ihres Personals (1000 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Freigaßner. Ich erteile es ihr.

18.40

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Der im Jahre 1989 zwischen Österreich und der Weltorganisation für geistiges Eigentum vereinbarte Vertrag zur internationalen Registrierung audiovisueller Werke, der zur Errichtung eines internationalen Registers für audiovisuelle Werke und zur Einrichtung eines Internationalen Registeramtes in Klosterneuburg geschlossen und dann ratifiziert wurde, führt uns wieder einmal Folgendes vor Augen:

Ein diplomatischer Wille ist gut, aber eine rechtliche Überprüfung diverser Abkommen zur effizienten und zielgerichteten Verwendung öffentlicher Mittel ist immer noch besser!

Von Österreich wurden dafür in den Jahren 1991 und 1992 Vorschüsse von insgesamt 13 Millionen Schilling geleistet. Das durch diese Mittel installierte Registrieramt konnte aber die erwarteten Einnahmen nicht erbringen. Diese Misere wird von der WIPO einerseits mit dem mangelnden Interesse der USA am Filmregistervertrag und andererseits mit den erwartungsgemäß unzureichenden Registrierungen und Abfragen von Produzenten aus beteiligten Staaten begründet beziehungsweise dadurch entschuldigt.

Man erkannte dann wohl auch auf beiden Seiten, dass dieses Konzept nicht ausreichend durchdacht und mit Registrierungen à la Hollywood nicht zu rechnen war. Die Notbremse wurde mit der Suspendierung des Vertrages im Jahre 1993 gezogen, durch welche wenigstens weitere Leistungen eingestellt wurden. Österreich konnte auf Grund vertraglicher Lücken keinen Rückforderungsanspruch geltend machen.

Da während der sozialdemokratischen Regierungsverantwortung Verträge derart schlampig ausgearbeitet wurden, wundert es mich nicht, dass wir einen solchen Schuldenberg übernehmen mussten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt endlich konnte ein Kompromiss erarbeitet werden, der wenigstens eine Rückzahlung von 50 Prozent der geleisteten Vorschüsse zum Inhalt hat. Wo kein Nutzen, da für Österreich wenigstens Schadensbegrenzung, kann ich da nur resümieren.

Meine Damen und Herren! Der Vertrag war ein verschwenderischer politischer Pfusch. Dieses Beispiel zeigt uns wieder einmal, dass man sich an der freiheitlichen Grundsatzpolitik zur sorgfältigen und zielgerichteten Vergabe öffentlicher Mittel schon in der Vergangenheit und auch angesichts des uns heute hinterlassenen Schuldenhaufens hätte orientieren sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

18.43

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da wir nun bei den letzten Punkten des Themenblocks Außenpolitik angelangt sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen, etwas auszusprechen, das mir sehr wichtig und notwendig erscheint.

Auch in außenpolitisch sehr sensiblen und angespannten Zeiten wie diesen – und in solchen befinden wir uns derzeit (Abg. Edlinger: Wieso? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), darüber


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können wir uns nicht hinwegtäuschen, das zeigen auch die Diskussionen von heute, der letzten Tage und der letzten Wochen – haben wir es im Hohen Hause aber dennoch zustande gebracht, in fast allen Punkten des Themenblockes zur Außenpolitik, der heute auf der Tagesordnung steht, von allen Parteien dieses Hohen Hauses ein Pro zu erreichen. Das zeigt, dass es sehr wohl ein Miteinander gibt. Dieses Miteinander ist außerordentlich wichtig, und diese Geschlossenheit sollte Österreich in seiner Außen- und Europapolitik immer an den Tag legen, so wie das bei diesen Punkten im Rahmen des Außenpolitischen Ausschusses der Fall war. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Bundesregierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel hat die Europapolitik samt der bevorstehenden EU-Erweiterung als Herzstück der Regierungsarbeit bezeichnet. Es wird auch keinerlei Abweichungen von der österreichischen Linie geben, sich solidarisch am Kampf gegen den Terrorismus zu beteiligen und die UNO zu stärken. An dieser Stelle gilt es, ein ganz großes Dankeschön an unsere hervorragende Frau Außenministerin für ihren stets engagierten und couragierten Einsatz für Österreich auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Gerade in der stürmischen Zeit der EU-Sanktionen gegen Österreich hat die Frau Außenministerin gezeigt, was man für eine Aufweichung der Front benötigt. Auch die letzten Wochen waren für sämtliche Mitarbeiter im Büro der Frau Außenministerin alles andere als leicht. Sie alle haben tadellose Arbeit geleistet, und dafür gebührt ihnen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

Zeigen wir eine geschlossene Haltung, und stimmen Sie daher, werte Kolleginnen und Kollegen, auch den letzten drei Vorlagen des Außenpolitischen Ausschusses zu! Den Inhalt hat meine Vorrednerin ausführlich erklärt, und Sie können ihn auch nachlesen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Sie wissen ihn nicht!)

18.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltorganisation für geistiges Eigentum über die Beendigung der Tätigkeit des Internationalen Registeramtes in Klosterneuburg, in 900 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik Lettland zum Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, in 768 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 15. Oktober 2001 betreffend die Vorrechte und Immunitäten des Instituts für Sicherheitsstudien und des Satellitenzentrums sowie ihrer Organe und ihres Personals, in 952 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.


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Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu beschließen, dass dieser Staatsvertrag in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen ist, dass er zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (924 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (E-Geldgesetz) erlassen und mit dem das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (1019 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Edlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

18.48

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nun ungefähr sieben Monate her, dass wir in diesem Hause die Frage der Finanzmarktaufsicht diskutiert haben. Der damaligen Vorlage war auch eine sehr intensive Debatte zwischen der Regierung und den Oppositionsparteien vorangegangen. Es war eigentlich von Anfang an unbestritten, dass es Handlungsbedarf gab, wenn wir den Finanzplatz Wien auch international entwickeln wollen, wenn wir verhindern wollen, dass sich Malheurs wie etwa bei der Rieger-Bank, bei der BHI, bei der Trigon Bank oder bei der Bank Burgenland wiederholen.

Die damals wie heute gleiche Zielsetzung, nämlich unabhängig, weisungsfrei, qualifiziert, kostengünstig durch maximale Synergien und international herzeigbar zu agieren, trennte Regierung und Opposition nicht, sondern es war die Umsetzung, nämlich die damals nach unserer Meinung zu schwache und vor allem seitens der Finanzmarktaufsicht nicht zwingend vorgesehene Einbindung der Oesterreichischen Nationalbank, einer Institution von hohem internationalem und nationalem Ansehen, einer Institution mit hoher Qualifikation und Erfahrung.

Ich habe es damals sehr bedauert, dass es zu keiner Übereinstimmung kam. Was für mich aber klar war – ich habe es damals in diesem Hohen Hause auch ausgeführt –, war der Umstand, dass dieses im Juli beschlossene Gesetz nicht der österreichischen Bundesverfassung entsprach, und zwar nicht deshalb, weil die Notenbank zu wenig eingebunden war, sondern deswegen, weil es dadurch zu weitgehenden Auslagerungen behördlicher Kompetenzen kam, und das ist gemäß der österreichischen Bundesverfassung nicht möglich.

Auf Grund der kurzen Redezeit möchte ich es mir ersparen, Ihnen jetzt alle Details in Erinnerung zu rufen, wie damals hier im Hause argumentiert wurde, aber einige wenige – um das auf Wienerisch zu sagen – Schmankerln hier anzuführen, das möchte ich mir doch nicht entgehen lassen.

Abgeordneter Dr. Stummvoll beispielsweise blockierte 1998, und zwar maßgeblich, die Einführung einer unabhängigen Bankenaufsicht, weil er fürchtete, wie er mir gegenüber sagte, dass bei einer Unabhängigkeit der Finanzaufsicht der Finanzminister, also damals Edlinger, aus


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der Verantwortlichkeit entlassen würde, was Herrn Abgeordnetem Stummvoll auf Grund der damaligen Struktur nicht so besonders passte.

Interessant war auch, wie überschwänglich, ja nahezu euphorisch, sich Herr Abgeordneter Stummvoll, den ich ja sonst sehr schätze (Abg. Böhacker: Jetzt wird es wieder gefährlich!), im Juli vorigen Jahres hier in diesem Hause dazu geäußert hat, indem er nämlich meinte, dass wir nun "endlich eine Reform im Bereich der Finanzmarktaufsicht" haben.

Wörtliches Zitat Stummvoll, 5. Juli 2001 hier im Nationalrat:

"Herr Finanzminister" – sagte Dr. Stummvoll, wie er eben in seiner dramatischen Art und Weise zu sprechen pflegt –, "ich habe das schon einmal gesagt: Ich gratuliere Ihnen zu dieser wirklich professionellen Vorgangsweise ..."

Und weiters sprach Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll damals vom "unglaublichen Know-how", das eingebracht wurde. (Abg. Dr. Stummvoll: Stimmt auch! Stimmt nach wie vor!)  – Und es war interessant, festzustellen, dass der Verfassungsgerichtshof ... (Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!) – Unglaublich, ja unglaublich, aber im zweifachen Sinne des Wortes! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll, ich weiß nicht, wie Sie das damals gemeint haben, jedenfalls: Der Verfassungsgerichtshof hat Ihre Euphorie nicht geteilt.

Interessant war auch, dass Sie damals, Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll – trotz all meiner Warnungen in dieser Sache –, Ihre Rede mit der Bemerkung beendet haben, "dass wir mit dieser Bundesregierung, mit diesen Mehrheitsverhältnissen solche großen Zukunftsreformen in unserem Land durchführen können". – Zitatende.

Bedauerlich ist nur, dass Sie sich dabei geirrt haben, Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll!

Herr Abgeordneter Mag. Firlinger sagte dazu in der gleichen Debatte, dass es diesbezüglich "sehr viele Expertengespräche gegeben hat, die wirklich professionell vorbereitet waren". (Abg. Mag. Firlinger: Stimmt!)

Der Verfassungsgerichtshof hingegen – die Vorbereitung war zweifelsohne professionell; das habe ich damals auch durchaus gewürdigt – konnte die ganze Umsetzung durch die Regierungsfraktionen nicht "würdigen", denn die Umsetzung war höchst unprofessionell, weil schlicht und einfach verfassungswidrig.

Letzte Bemerkung: Herr Finanzminister Grasser hat dann sozusagen in seinem Schlusswort hier im Nationalrat zum Thema Bankenaufsicht etwas gesagt, eine Formulierung verwendet zu etwas, was er wahrscheinlich wahnsinnig gerne gehabt hätte, was es aber wirklich nicht war – ich zitiere –:

Das zeige, so Grasser, "dass wir einen Quantensprung in der Finanzaufsicht erreichen werden, ..."

Meine Damen und Herren! Das war kein Quantensprung, sondern lediglich ein Hupfer, und seitens des Verfassungsgerichtshofes wurde Finanzminister Grasser gleich wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin jedoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, froh darüber, dass es uns gelungen ist, nun einen breiten Konsens nicht nur in Bezug auf die Zielsetzung, sondern auch in Bezug auf die Umsetzung zu erreichen, aber dies nicht deshalb, Herr Staatssekretär Dr. Finz – wenn Sie das bitte dem Herrn Minister ausrichten! –, um dem Herrn Finanzminister eine Freude zu bereiten – das ist auch nicht meine Aufgabe! –, sondern wir sind deshalb froh über diesen Konsens, weil wir davon überzeugt sind, dass diese Struktur und die operative Umsetzung im Bereich der Finanzmarktaufsicht dem Kapital- und Finanzmarkt Österreich dienlich sind.


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Zusammenfassend: Wir stimmen dem deshalb zu, weil wir Sozialdemokraten es immer für wichtig gehalten haben, die Notenbank verpflichtend mit der Markt- und Kreditrisikoprüfung zu beauftragen.

Die österreichische Notenbank wird ihre Ressourcen, ihr Know-how, ihre große Reputation und Qualifikation dafür einsetzen, dass jeder Verdacht – ein solcher bestand unserer Überzeugung nach zu Recht –, dass teure Parallelstrukturen aufgebaut werden, nun sozusagen hinfällig ist.

Für ebenso wesentlich – dazu noch einige Gedanken – halte ich die Ausschussfeststellung, was Finanzkonglomerate anlangt, ist es doch so, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren sicherlich eine Verstärkung der Finanzkonglomerate mit sich bringen wird.

In dieser Ausschussfeststellung wird festgehalten, dass dann, wenn die diesbezügliche EU-Richtlinie beschlossen sein wird, bei uns eine neue legistische Lösung, die gleichfalls eine starke Einbindung der Notenbank zwingend vorsieht, gefunden werden muss.

Nochmals: Ich freue mich, dass wir da einen Konsens erzielen konnten, und ich stehe auch überhaupt nicht an, hier zu sagen, dass ich persönlich den Eindruck habe, dass Herr Finanzminister Grasser bei Wiederaufnahme dieser Gespräche im Jänner dieses Jahres sehr daran interessiert war, dass es in dieser Frage zu einem Konsens kommt.

Allerdings: Nicht sehr häufig bemüht man sich seitens dieser Koalition um die Zustimmung der Opposition. Ich kann Ihnen jedoch garantieren: Klugen Gesetzen, klugen Lösungen stimmen wir selbstverständlich immer zu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Scheinheiligkeit! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

18.55

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich verstehe eigentlich die Aufregung nicht, Herr Kollege Nürnberger. (Abg. Nürnberger: Ich rede mit dem Präsidenten, doch nicht mit dir!) Herr Kollege Nürnberger, ich möchte auf eines aufmerksam machen: Es war nicht so, dass der Verfassungsgerichtshof die Finanzmarktaufsicht für verfassungswidrig erklärt hat, sondern einzelne Bestimmungen, die die Bundes-Wertpapieraufsicht betreffen. Jetzt ist natürlich schon klar, dass das damalige Konstrukt – aber es ist schon etwas anderes –, nämlich die Auslagerung einer Behörde, materiell auch Auswirkungen auf das neue Konstrukt hat, nämlich die Finanzmarktaufsicht. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Ich würde also Folgendes sagen, Herr Kollege Edlinger: Es haben sich alle Seiten bemüht, es sind alle Seiten aufeinander zugegangen, und das ist gut so. Ich bin auch froh darüber, dass es zu dieser Lösung gekommen ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin auch überzeugt, Herr Kollege Edlinger, dass wir diesen Schritt möglicherweise im Sommer des Vorjahres geschafft hätten oder schaffen hätten können, hätte man damals vielleicht noch einige Wochen Zeit gehabt, aufeinander zuzugehen. Aber das war nicht der Fall. (Abg. Dr. Cap: Kein Wort zur Provokation!)

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt ein Verfassungsgerichtshoferkenntnis vor. Kollege Cap, das, was jetzt als Einigung entstanden ist, ist ja nicht bloß eine Reparatur in Bezug auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, sondern geht wesentlich darüber hinaus. Wir haben also jetzt eine wirklich unabhängige Aufsichtsbehörde – das hat auch Kollege Edlinger erwähnt – mit all den erforderlichen Regelungen zur Gewährleistung der parlamentarischen Kontrolle. Es wird auch in periodischen Abständen ein Bericht erstellt, in dem über die Aktivitäten dieser Behörde berichtet wird. Es ist der Bestellmodus völlig klar, und es ist


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so, dass diese Behörde ihre Entscheidungen, von Einzelbescheiden bis hin zur Konzessionserteilung, ohne Eingriff von außen autonom treffen kann, und das ist gut so.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir von den Regierungsfraktionen waren immer daran interessiert, dass die Oesterreichische Nationalbank im Bereich der Banken in größtmöglichem Ausmaß in die Prüfungshandlungen vor Ort, also in die berühmten Markt- und Kreditrisikoprüfungen eingebunden ist. Wir haben halt damals im Juli noch einige Auffassungsunterschiede darüber gehabt, wie das bewerkstelligt werden soll.

Nun ist es aber so, dass wir eine Reihe von Entwicklungen durchgemacht haben. Es war ja nicht immer von Anfang an klar, dass auch wirklich eine Allfinanzaufsicht durchgesetzt werden kann. Und das war schon das Ziel, und das hat halt auch viele Interpretationen zugelassen, was die Frage betrifft, wo eine Allfinanzbehörde anfängt und wo sie aufhört. Jetzt haben wir das, meine sehr geehrten Damen und Herren, durch eine Kraftanstrengung, möchte ich sagen, in noch einigen Verhandlungsrunden bewerkstelligt. Ich bin froh für den Finanzplatz Wien, weil dies natürlich das Image des Finanzplatzes Wien erheblich zu steigern imstande ist.

Ich bin auch deshalb froh, dass es zu dieser Lösung kam, weil wir natürlich vor einer Liberalisierung der Finanzmärkte in Europa und insbesondere auch der Finanzdienstleistungen in Europa stehen und daher dieses Instrument einen besonders hohen Stellenwert hat und es daher nicht genügt, nur verfassungskonform zu agieren, eine verfassungskonforme Materie zu erstellen, sondern man muss eine weitreichende Lösung vorsehen, die auch für die Zukunft Bestand hat, sich ständig wechselnden Rahmenbedingungen anpasst und diesen erweiterten Anforderungen genügt.

Gestatten Sie mir abschließend einen Satz: Ich bin der Meinung, dass das jetzige Beispiel zeigt, dass das gegenseitige Aufeinanderzugehen sehr wohl dazu angetan ist, positive Reformen zustande zu bringen, und dass in solchen Momenten, in solchen Sternstunden parteipolitisch motiviertes Agieren eine Spur weniger wichtig zu sein scheint, als dies sonst manchmal in der parteipolitischen Diskussion üblich ist. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

19.01

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute, nach wochenlangen sehr intensiven Gesprächen und Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, die neue Finanzmarktaufsicht beschließen, dann gibt es einen klaren Sieger, und das ist der Finanzplatz Österreich. Ich bin sehr froh, Herr Kollege Edlinger – und ich habe das auch in der Ausschusssitzung zum Ausdruck gebracht –, dass Sie die Größe und die Einsicht gehabt haben, dem zuzustimmen. Wir haben uns bewegt, Sie haben sich bewegt, und damit haben wir einen Vier-Parteien-Konsens in einer Frage erzielt, die zweifellos im internationalen Scheinwerferlicht steht.

Ich würde glauben, Herr Kollege Edlinger, dass das aber kein Widerspruch zu meinen Ausführungen hier am Rednerpult im vergangenen Herbst ist, denn ich stehe dazu: Auch das, was wir im Herbst beschlossen haben, war professionell und hervorragend vorbereitet. Sie können sich erinnern: Wir haben damals das Know-how internationaler Experten mit einfließen lassen. Wir haben uns sehr bemüht – unter Vorsitzführung Ihres Kollegen Kurt Heindl, dem ich damals auch gedankt habe –, immer wieder auch informelle Beratungen im Finanzausschuss durchzuführen, weil wir schon damals bestrebt waren, auch die Zustimmung der Opposition zu bekommen, wohl wissend, dass die beste Lösung eine Verfassungslösung ist. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wahrscheinlich war aber im Herbst die Zeit noch nicht reif dafür. Einerseits haben wir uns wohl zu wenig bewegt, aber auch Sie haben sich zu wenig bewegt. Daher freue ich mich umso mehr, dass wir heute diese Regelung beschließen können.


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Ich möchte nur ganz kurz vier Merkmale hervorheben:

Erstens trägt die Regelung, die wir heute beschließen, den Intentionen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 21.12. des Vorjahres vollinhaltlich Rechnung. Sie bedeutet ganz klar eine operative Unabhängigkeit. Eine weisungsfreie Behörde gehört verfassungsrechtlich abgesichert, gar keine Frage.

Zweitens: Diese Lösung entspricht allen internationalen Kriterien, allen internationalen Standards, ist etwas, was man international herzeigen kann. Ich habe einmal gesagt – und Herr Kollege Edlinger weiß das genauso wie der Finanzminister –: Wenn wir das nicht zusammenbringen, wenn wir nur eine einfachgesetzliche Lösung erreichen, so wird das auf gut Wienerisch eine sehr "hatscherte" Lösung. – Gott sei Dank beschließen wir heute nicht die "hatscherte" Lösung, sondern eine, die quasi ein Gütesiegel für den Finanzplatz Österreich ist.

Das dritte Merkmal dieser Lösung – und darauf hat ja Herr Kollege Edlinger schon hingewiesen – war immer auch ein Anliegen der SPÖ. Ich gebe zu – Herr Kollege Edlinger, Sie wissen das –, ich selbst habe vor drei, vier Jahren die Auffassung vertreten, das Beste wäre eine Tochter der Notenbank. Ich gebe aber auch zu, man kann klüger werden. Ich habe mich dann für dieses Modell entschlossen, und dieses Modell wird ja heute auch von Ihnen akzeptiert. Wir sind also beide klüger geworden, wenn ich das so sagen darf, weil wir uns beide auch bewegt haben.

Diese Lösung stellt sicher, dass die Ressourcen, das Know-how und die Kompetenz der Notenbank voll genützt werden, ohne dass die neue Finanzmarktaufsicht eine leere Hülse ist. Ich habe immer gesagt, zwei Dinge scheiden für mich aus: Erstens darf es keine leere Hülse sein, und zweitens darf der Gesetzgeber vernünftige Kooperationen zwischen Finanzmarktaufsicht und Notenbank nicht verhindern. Das darf nicht sein! Es ist jetzt die Notenbank in einem hohen Ausmaß eingebunden, verpflichtend mit Markt- und Kreditrisikoprüfung beauftragt, und es sind weitere Kooperationen möglich. – Diesbezüglich gibt es hier, glaube ich, volles Einvernehmen.

Was den vierten Punkt angeht, so darf ich daran erinnern, dass schon unter Finanzminister Androsch in den siebziger Jahren die ersten Überlegungen im Hinblick auf eine Finanzmarktreform, auf eine Reform der Bankenaufsicht angestellt wurden. Daher ist diese heutige Beschlussfassung ein Beweis für zweierlei: Sie ist einerseits ein Beweis für die Reformkraft dieser Bundesregierung, aber auch ein Beweis dafür, dass diese Bundesregierung, wenn die Opposition gute Argumente hat, bereit ist, diese Argumente aufzugreifen und ihnen Rechnung zu tragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne bin ich selbst sehr froh, und ich spreche auch den beiden Oppositionsparteien meine Anerkennung aus. Kollege Kogler wird ja noch bestätigen, dass auch die Grünen zustimmen. Ich bin wirklich sehr froh darüber, dass wir hier ein Gesetz beschließen, bezüglich dessen wir sagen können: Der Sieger ist der Finanzplatz Österreich. Er hat ein neues Gütesiegel. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

19.05

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Stummvoll hat es bereits vorweggenommen: Wir werden zustimmen. Das ist aber nicht das Aufregende an der Sache. Aufregender ist ja eher ... (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )  – Nein, das ist nicht so verwunderlich. Sie werden ja vielleicht noch wissen – gehen wir doch kurz auf die Chronologie ein –, dass wir im Juli, als diese Vorlage ins Haus kam, noch einer Form zugestimmt haben, die, wenn man es jetzt nur als Match zwischen den Regierungsfraktionen und der SPÖ betrachten will, die Haltung der Regierungsfraktionen unterstützt hat. Das geschah aus dem Grund und aus der Einsicht heraus, dass wir erkannt haben, wo nicht nur langfristig, sondern mittelfristig die Entwicklung hingeht. – Wir alle kennen die weiteren Argumente.


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Letztlich soll aber noch darauf verwiesen werden, dass damals von den Grünen ein Kompromissvorschlag gemacht wurde, der sich fast nicht von dem unterscheidet, was jetzt vorliegt. Herr Kollege Stummvoll, ich glaube, es war letztlich auch der Druck der Verfassungsrichter, der uns dazu gebracht hat, aber das ist auch in Ordnung. Daher müssen wir uns mit dem Vaterschaftsstreit hier im Haus nicht länger herumschlagen, nachdem jetzt sogar ich noch etwas reklamiert habe.

Sachlich ist völlig klar: Es ist jetzt besser als vorher. Die Notenbank hat die Markt- und Kreditrisikoaufsicht. Das ist auch unserer Meinung nach immer die bessere Lösung gewesen. Deshalb ist für mich durchaus nachvollziehbar, warum die SPÖ da von einer Verbesserung spricht. Und eine personalpolitische Sache ist auch noch geklärt worden, über die Hintergründe will ich nicht philosophieren. Aber gescheit ist, dass trotz der damals völlig verfahrenen Situation – wir konnten uns eben damals nicht mehr bewegen – die Bestellung des Vorstandsmitgliedes, wie von der Notenbank vorgeschlagen wird, nun nicht mehr vom Finanzminister beeinsprucht werden kann. Und auch das war damals in unserem Kompromissvorschlag so enthalten. (Beifall bei den Grünen.)  – Jetzt entdeckt sogar die grüne Fraktion die Wichtigkeit der Finanzthemen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Spät, aber doch! – Heiterkeit.)

Ich will nur mehr ein letztes Argument bringen, weil das die einen oder anderen Abgeordneten, egal, ob von Regierung oder Opposition, ereilen kann. Mir ist in der letzten Woche schon dreimal untergekommen, dass, seit die Einigung bekannt wurde, manche Bürger der Meinung sind, dass sich offensichtlich das Parlament irgendwo, wo die Verfassungsrichter etwas anders sehen, einfach drüberstellt, quasi analog zum Taxigewerbe oder Ähnlichem. Und da ist es mir schon wichtig, jedenfalls für unsere Fraktion festzuhalten, dass es hier um mehr und um etwas anderes geht. Es geht hier um Lösungen, die wir im Kern sogar gemeinsam so wollten und wo es immer nur für diese Frage eine Verfassungsmehrheit gebraucht hätte. Das ist an ganz anderen Dringen gescheitert, und es ist wieder an anderen Dingen vom Verfassungsgerichtshof aufgemacht worden: an "Kleinigkeiten" – unter Anführungszeichen –, in Fragen des Ausübungsrechts der Aufsicht von einer anderen oder einer Teilaufsichtsbehörde.

Hier geht es um Allfinanz unter Einbindung der Notenbank und eine entsprechende Personalpolitik. Das alles halten wir für besser als vorher, und deshalb gibt es unsere Zustimmung. Und diese Feststellung wird allen Parlamentariern gut tun, dass wir nämlich nicht in die Verlegenheit kommen, uns vorhalten lassen zu müssen, dass uns so wie damals beim Taxi wieder nichts anderes eingefallen ist. Ganz falsch! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte.

19.09

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, manchmal macht ihr es einem schon schwer, obwohl man bereit ist, vieles zu tun. Wir haben uns mit diesem Thema wirklich länger als ein Jahr auseinander gesetzt, und der Weg bis zu dieser Entscheidung war nicht einfach, wie wir festgestellt haben. Nur: Uns jetzt Scheinheiligkeit vorzuwerfen, das ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich bin im Allgemeinen nicht kleinlich, aber bei solchen Dingen bin ich kleinlich, weil wir uns wirklich bemüht haben. (Abg. Böhacker: Sie haben Recht!)

Ich darf es nur sagen, weil Kolleginnen und Kollegen bei uns zu Recht sagen: Da stellt ihr euch hin und verhandelt so lang, und dann werfen sie euch noch Scheinheiligkeit vor! – Okay. Also wenn Sie es zurücknehmen und vielleicht auch begründen, wäre es ganz gut. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kollege Firlinger hat es ein bisschen angedeutet. Warum scheint oder ist uns dieses Thema so wichtig? – Das ist überhaupt keine Frage, aber es wird oft nicht gesagt: Wirtschaftswachstum und Stabilität bedeuten letztlich Arbeitsplätze, aber all das funktioniert nur, wenn der Finanzmarkt stabil und effizient ist.


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Ich war es ja, der die Basel-II-Diskussion auf die Tagesordnung gesetzt hat, und, meine Damen und Herren, nach Basel II – und bis dahin wird sich noch mehr radikal ändern – wird die Finanzwelt ganz anders aussehen. Was wir jetzt mit dieser Beschlussfassung tun, ist schon wichtig im Hinblick auf diese Entwicklung, die letztlich die Bankenwelt, aber nicht nur diese, sondern dann auch die Unternehmen, bis hin zur Eigenkapitalausstattung berühren wird.

Deswegen waren wir von vornherein davon überzeugt, dass dieser Weg richtig ist. Rudi Edlinger hat es schon gesagt: Wir waren von Anfang an der Meinung, dass diese Finanzaufsichtsbehörde unabhängig sein soll und weisungsfrei sein muss, und es war uns ein besonderes Anliegen, dass sie – Sie haben oft geglaubt, das ist kleinlich und hat personelle Konsequenzen oder Ursachen, was überhaupt nicht der Fall ist – eng mit der Nationalbank verbunden wird.

Grasser hat in der Ausschusssitzung im Mai, als wir damals nicht zusammengekommen sind, selbst gesagt – ich habe mir das aufgehoben, weil ich mir gedacht habe, irgendwann werden wir darüber noch reden, und jetzt ist es so –, dass der entscheidende unterschiedliche Schwerpunkt zwischen Regierungsfraktionen und SPÖ in der Frage der Einbeziehung der österreichischen Notenbank, insbesondere der Nutzung von deren Synergien und Effizienz gelegen ist.

Ich habe ihm damals Recht gegeben, und ich gebe ihm auch heute Recht: Uns ist daran gelegen, und nicht nur, weil Kollege Edlinger oder ich und unsere Kolleginnen und Kollegen immer so gedacht haben. Ich sage es Ihnen noch einmal, und ich kann es Ihnen zitieren – Sie haben es ja gelesen, aber Sie wollten es nicht zur Kenntnis nehmen –: Das war ja nicht nur unsere Meinung, sondern auch die EZB hat in ihrer Stellungnahme deutlich gesagt, dass die Einbeziehung der österreichischen Notenbank in Vor-Ort-Überprüfungen durch Übertragung der gesamten Aufsichtsaufgaben auf die FMA wesentlich eingeschränkt wird. Und sie hat weiters gesagt, dass auch die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass sich die Messung und das Management von Kredit- und Marktrisiken in ihren Methoden immer mehr annähern.

Die EZB hat hier eben die Oesterreichische Nationalbank reklamiert, aber Sie wollten nicht hören – weder uns, noch die Stellungnahme von dort. – Gott sei Dank können wir darunter jetzt einen Strich machen. Es hat sich eben ein gewisser Prozess vollzogen, bis wir dort gelandet sind, wo wir jetzt sind.

Ich möchte hier aber dennoch feststellen, wie es dazu gekommen ist. Es war unsere Überzeugung, dass es nur mit dieser Einbindung geht, meine Damen und Herren. Und wir haben auf noch etwas hingewiesen. Kollege Firlinger hat vorhin betont, dass es nicht wirklich die Finanzmarktaufsicht war, die aufgehoben worden ist, sondern dass zunächst einmal die Wertpapieraufsicht mit einer Entscheidung aufgehoben worden ist: Das stimmt schon. (Abg. Mag. Firlinger: Die wurde aber gegründet, da wusste man noch nicht, was man später macht!) Aber wir haben damals darauf hingewiesen, und ich könnte jetzt noch etliche Zitate namhafter Verfassungsrechtler bringen, die damals schon gesagt haben, das funktioniert so nicht, das hält nicht. Ich könnte dafür noch etliche Argumente zitieren.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss möchte ich aber noch etwas sagen, auf das ich besonderen Wert lege. Es ist gestern und auch in der Vergangenheit immer wieder von der so genannten Fundamentalopposition die Rede gewesen. – Wir stimmen nicht nur diesem Gesetz zu, sondern ich sage Ihnen auch, so wie Kollege Edlinger es schon betont hat: Wenn man auf uns hört, dann muss man nicht zum Verfassungsgerichtshof gehen. Hört doch vorher auf unsere Einwände (ironische Heiterkeit des Abg. Böhacker ) und auch auf die von Fachleuten! Dann ersparen wir uns einen langen Weg, und es kommt zu sachlich richtigen Entscheidungen. Es ist nicht notwendig, bitte sehr, dass erst eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Ihnen die Ohren öffnen! Hört in solchen Dingen auf uns!

Wir stimmen aber nicht nur bei der Finanzmarktaufsicht zu. Es war doch kein Zufall, dass wir im letzten Finanzausschuss alle zehn Punkte mit Zustimmung der SPÖ beschlossen haben und auch beim Bundesstraßengesetz zweimal einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit gefasst


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haben. Sie wissen, dass wir beim Kartellrecht mitgehen. Sie wissen, dass wir beim Abfallwirtschaftsgesetz mitgehen.

Und wenn Herr Kollege Khol – und damit komme ich zum Schluss – oft einmahnt, wir sollten unsere Vorschläge auf den Tisch legen: Wir haben euch – ich rede jetzt nur wieder von dieser Materie, aber ich könnte auch noch etliche andere Beispiele anführen – einen sehr ausgewogenen Gesetzesvorschlag unterbreitet. Es stimmt ja nicht, dass wir nichts auf den Tisch legen. Wir legen sehr wohl etwas auf den Tisch!

In einem Punkt stimme ich allerdings mit dir überein, Kollege Stummvoll: Jawohl, es ist ein Erfolg für den Finanzplatz Österreich und für sonst überhaupt niemanden! Das ist wichtig, denn es ist richtig für die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Frieser.  – Abg. Böhacker: Bei der Werkvertragsregelung habt ihr auch nicht auf uns gehört!)

19.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

19.14

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das im Sommer 2001 beschlossene neue Finanzmarktaufsichtsgesetz sollte am 1. April 2002 seine Rechtskraft erhalten. Mangels Zustimmung der großen Oppositionspartei konnte diese neue Finanzmarktaufsicht lediglich als juristische Person öffentlichen Rechtes eingerichtet werden. Unter einem Dach werden die Wertpapieraufsicht, die Banken- und Versicherungsaufsicht sowie die Pensionskassenaufsicht zusammengeschlossen.

Im Dezember 2001 hat nun der Verfassungsgerichtshof einen Teil des Wertpapieraufsichtsgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. (Abg. Hagenhofer: Schon wieder einmal!) Mit diesem Gesetz wären Aufgaben der Gewerbepolizei und der Wirtschaftsaufsicht sowie auch die Zuständigkeit zur Verhängung von damit zusammenhängenden Verwaltungsstrafen der BWA übertragen worden. Die Aufgaben würden damit aus der staatlichen Verwaltungsorganisation ausgegliedert und einer eigenen Anstalt des öffentlichen Rechts eingeräumt. Der Finanzminister hätte dank dieser Konstruktion nur eine beschränkte Leitungs- und Aufsichtsbefugnis bekommen.

Dies verletzt, wie der Verfassungsgerichtshof nunmehr festgestellt hat, die Verfassung und führte zur Aufhebung einzelner Bestimmungen dieses Gesetzes. Die Teilaufhebung hat große Bedeutung, da, wie ich schon eingangs festgestellt habe, in wenigen Monaten die Wertpapieraufsicht in eine allgemeine Finanzmarktaufsicht übergeleitet werden sollte.

Die rasche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes räumt dem Nationalrat die Möglichkeit ein, die Vorschriften für die FMA noch rechtzeitig an die Verfassung anzupassen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Österreichs neue Finanzmarktaufsicht kann nun am 1. April 2002 plangemäß mit ihrer Arbeit beginnen, und zwar in der von der Regierung ursprünglich geplanten Form: als weisungsfreie Behörde. Für den Status "weisungsfrei" ist im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Im letzten Augenblick gab es doch noch einen Konsens aller Parteien.

Den Durchbruch brachten unter anderem mehr Kompetenzen für die Oesterreichische Nationalbank im neuen Aufsichtssystem. Die Markt- und Risikoprüfungen im Bereich der Banken sollen nun Mitarbeiter der OeNB übernehmen. Die verpflichtende Beauftragung der Nationalbank mit Vor-Ort-Prüfungen im Bereich des Markt- und Kreditrisikos wird nun ebenso gesetzlich verankert wie die Möglichkeit, die OeNB auch noch mit darüber hinausgehenden Prüfungen zu beauftragen.

Aus einer Ausschussfeststellung geht auch die Regelung bei der Prüfung von Finanzkonglomeraten hervor. Auch da ist gesetzlich vorgesehen, dass die OeNB mit der Kredit- und Marktrisikoprüfung in einem bankdominierten Konglomerat betreut wird. Dadurch wird sicher


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gestellt, dass die bereits vorhandenen Ressourcen der OeNB im Bereich der Bankenaufsicht künftighin auch für die Beaufsichtigung der Finanzkonglomerate bestmöglich genutzt werden.

Die Verwirklichung dieser Punkte hat nun auch die SPÖ als größere Oppositionspartei dazu bewegt, ein Okay für eine weisungsfreie Behörde zu geben. Diese nun weisungsfreie FMA bedeutet einen Meilenstein für den österreichischen Kapitalmarkt. Sie entspricht auch den internationalen für die Finanzmarktaufsicht gültigen Standards. Zu diesen zählt etwa die operative und die budgetäre Unabhängigkeit der Aufsichtbehörde. Diese Unabhängigkeit wird durch die im Gesetz verankerte Weisungsfreiheit bestmöglich umgesetzt. Eine operativ unabhängige Behörde trägt nicht zuletzt auch zur Stabilität des Finanzmarktes bei. Gleichzeitig sind auch die Sparer- und Gläubigerinteressen bestmöglich geschützt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

19.18

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eines klarstellen: Es ist eindeutig so, dass uns bei dieser Materie gerade die SPÖ und auch die Grünen sehr entgegengekommen sind und auch dementsprechend mitgearbeitet haben. Daher mein Respekt an Herrn Kollegen Edlinger und an Herrn Kollegen Kogler! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen, der SPÖ und der Grünen.)

Man könnte zusammenfassend festhalten: Es ist erfreulich, dass doch auch eine positive Zusammenarbeit aller vier Parteien möglich ist, gerade bei einem so sensiblen Thema wie dem Finanzplatz Österreich. Es gibt, glaube ich, ganz wenige Bereiche, die so notwendig eine gemeinsame Lösung brauchen. Im Interesse einer international herzeigbaren Lösung wurde eine starke Behörde mit Autorität geschaffen. Ein Danke daher, wie gesagt, den Kollegen der Opposition, aber auch den Kollegen der Regierungsfraktionen im Finanzausschuss, und auch ein Danke den Repräsentanten der Nationalbank.

Meine Damen und Herren! Damit ist eine funktionierende Aufsicht sichergestellt, welche dringend notwendig ist. Denken wir nur an die Bank Burgenland, an die BHI, die Bank für Handel und Industrie in Graz, an die Rieger-Bank oder andere Bereiche, die nicht gerade zum Ruhm des Finanzplatzes Österreich und der Bankenszene Österreichs beigetragen haben.

Wichtig ist mir die Effizienz. Diese ist auf Grund dieser Vorlage gegeben. Dass Doppelgleisigkeiten vermieden werden, ist sichergestellt. Die Möglichkeit, sich sektoraler Prüfungsverbände zu bedienen, ist sichergestellt, ebenso eine klare Verantwortlichkeit und – durchaus positiv – der jährliche Bericht an den Finanzausschuss.

Zusammenfassend: Regierung und Opposition sind aufeinander zugegangen. Gemeinsame Zielsetzungen werden umgesetzt. Das ist herzeigbar, ein Qualitätszeichen, ein Gütesiegel, wie Kollege Stummvoll gesagt hat, denn Vertrauen in die Stabilität der Märkte soll und wird die Botschaft dieses Gesetzes, dieses gemeinsamen Beschlusses sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

19.20

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte ein paar Bemerkungen zu diesem hervorragenden Gesetz – weshalb es auch einstimmig verabschiedet werden wird – ergänzen und hinzufügen. Wir haben uns von allem Anfang an um einen Konsens bemüht. Das war in allen Gesprächen gegeben, und wir waren es, die immer auch die Bedeutung der weisungsfreien Behörde herausgearbeitet haben.


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Es wurde zunächst der "Umweg" über den Verfassungsgerichtshof gewählt, obwohl wir darauf hingewiesen hatten, dass das nicht halten wird, aber es wurde darauf bestanden. Durch die Aufhebung haben wir diese Materie zur neuerlichen Beschlussfassung vorliegen, wobei ich meine, dass es gut ist, dass wir jetzt im Interesse des Finanzmarktes Österreich dieses Gesetz gemeinsam beschließen.

Es sind hier die positiven Gründe durchaus schon erwähnt worden, nämlich Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und vor allem – was ich auch für wichtig halte und was auch von uns, vor allem von Herrn Kollegen Edlinger immer als wichtig hervorgestrichen wurde – die Einbindung der Nationalbank in die Bankenprüfung. Das ist gut so, denn da liegt das Know-how, und es wäre völlig sinnlos, in diesem Bereich Parallelstrukturen aufzubauen, die wir dann teuer bezahlen müssen.

Was die Parallelstrukturen betrifft, möchte ich noch ein paar kritische Anmerkungen machen. Wie man hört, soll diese Finanzmarktaufsicht einmal an die 170 Angestellte umfassen. Davon sollen etwa 62 im Bereich der Bankenaufsicht angesiedelt sein. Da wir jetzt durch lange Verhandlungen erreicht haben, dass das Know-how der OeNB bei Bankenprüfungen genützt werden muss und die Vor-Ort-Prüfung von der Nationalbank durchgeführt wird, könnte man im Rückschluss meinen, dass diese hohe Zahl von Mitarbeitern nicht erforderlich ist. (Abg. Böhacker: Das wird die Praxis zeigen!)  – Ja, die Praxis.

Ich bin auch auf eine andere Praxis neugierig, nämlich auf die Besetzungen der zweiten Ebene. Das ist auch wichtig. Wir sind für die zwei Geschäftsführer, aber dann stellt sich auch die Frage, wie diese zweite Ebene, die immerhin vier Bereiche umfassen wird, dann besetzt werden wird. Das ist auch noch ein wichtiger Vorgang.

Aber ich möchte auf diesen Zwischenruf nicht mehr besonders eingehen, sondern auf die Tatsache hinweisen, dass wir ja nicht nur heute dieses Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz mittragen, für das eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, sondern nach entsprechenden Verhandlungen auch das Abfallwirtschaftsgesetz mitgetragen haben. Es ist immer die Frage, wie stark man in Verhandlungen einbezogen wird und wie stark die Argumente berücksichtigt werden. Wenn die Opposition das Gefühl hat, dass man die Mitsprache und das Einbringen von Vorschlägen ernst nimmt, dann ist auch die Zustimmung möglich.

Aber ich habe in einem "Presse"-Interview eine Aussage von Dr. Schüssel gelesen, und die hat mich sehr gestört. Er hat hinsichtlich einer Aussage von Dr. Gusenbauer, dass wir einer Reihe von Gesetzen die Zustimmung geben, gemeint: Ja, das ist zwar gut, wenn da die Zustimmung erfolgt, aber für die weitere Kooperation hat dies keine Bedeutung.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das ist von Dr. Schüssel gegenüber der "Presse" gesagt worden, und hier ist fast der gleiche Zwischenruf von Seiten der FPÖ erfolgt, sozusagen nach dem Motto: Stimmt zu, aber Bedeutung hat das keine für die Kooperation! – In diesem Sinne wollen wir unsere Zustimmung nicht verstanden wissen! – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Mag. Kogler. )

19.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

19.25

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es wurde heute schon mehrfach betont, dass mit dem heutigen Gesetzesbeschluss über eine Neuordnung der Finanzmarktaufsicht die jahrelange Diskussion über eine notwendige Neuregelung abgeschlossen wird.

Es hat zwei Rechnungshofberichte gegeben, die anhand von aktuellen Fällen im Aufsichtswege darauf hingewiesen haben, dass ein Änderungsbedarf gegeben ist, dass hier eine Zersplitterung vorhanden ist, dass die nötigen Kräfte nicht gebündelt werden können, dass es einerseits Informationslücken zwischen der Bankenaufsicht und der Notenbank gegeben hat


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und man andererseits in bestimmten Aufsichtsfällen auch nicht immer richtig abgestimmt agiert hat.

Durch die neuen Entwicklungen am Finanzmarkt, wo das Versicherungswesen, das Bankenwesen, das Pensionskassenwesen immer mehr zusammenwachsen, entspricht es dem internationalen Trend, dass eine Neuregelung absolute Notwendigkeit geworden ist. Ich möchte mich bei der Opposition für die wirklich sachlichen und konstruktiven Gespräche ausdrücklichst bedanken. Ich möchte diesen Dank auch im Namen des Finanzministers aussprechen und möchte dabei ganz besonders den ehemaligen Minister, Herrn Abgeordneten Edlinger hervorheben, der durch seine Sachkenntnis, die er auf Grund seiner Vergangenheit natürlich hat, hier besonders wertvolle Beiträge leisten konnte. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen, der ÖVP und der Grünen.)

Ich möchte aber auch betonen, dass wir auch aus der Sicht des Finanzministeriums daran interessiert sind, dass jetzt auf dem operativen Wege keine Personalauswüchse entstehen. Die Regelung zielt ja darauf ab, dass die neue Finanzmarktaufsicht ihre Expertenteams nach Möglichkeit vor Ort operativ ergänzt und nach Möglichkeit wirklich bei vielen Prüfungen auch vor Ort zusammenarbeitet. Andererseits muss man natürlich auch der Finanzmarktaufsicht die Möglichkeit geben, dass sie durch die Nationalbank erhobene Prüfungen und Feststellungen selbst noch nachprüft oder Ergänzungen nachvollzieht.

Insbesondere erachten wir diese Neuregelung im Sinne von Basel II als äußerst wichtig, weil ja durch Basel II in Zukunft sehr bedeutende Änderungen auf dem Geld- und Kreditwesensektor entstehen.

In diesem Sinne nochmals herzlichen Dank. Ich glaube, das ist heute ein guter Tag für das Parlament. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

19.28

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich so beginnen: Danke! Gemeinsam haben wir es geschafft!

Auch wenn es nicht im ersten Anlauf war, wie Kollege Edlinger es bereits ausführlich dargestellt hat, so sollten wir doch nicht in der Vergangenheit wühlen, und ich werde nicht der Versuchung nachgeben, wie Kollege Edlinger hier in süffisanter Art und Weise Aussagen von früher zu zitieren. Ich halte es da mit Konrad Adenauer: "Was kümmert mich mein dümmlich Geschwätz von gestern? Was hindert mich daran, über Nacht gescheiter zu werden?" (Abg. Edlinger: "Geschwätz" hätte ich nie gesagt zu einer Rede des Kollegen Stummvoll!)  – Vielleicht zu meiner, ich habe ja von mir gesprochen.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, da im Wesentlichen schon alles gesagt wurde, hier mit einem "Rundumschlag" an Dank zu beginnen. Ich möchte aber auch eines klar und deutlich zum Ausdruck bringen: Ich stehe nicht an, den nach der Wortmeldung des ehemaligen Herrn Finanzministers Edlinger erfolgten Zwischenruf als unpassend und als in dieser Causa nicht zielführend mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückzunehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf mich bedanken beim Kollegen Edlinger und beim Kollegen Kogler, der schon relativ rasch erkannt hat, wie wichtig eine gemeinsame Lösung ist. Ich darf mich als freiheitlicher Finanzsprecher aber auch beim Kollegen Firlinger und beim Kollegen Stummvoll bedanken. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitern der Oesterreichischen Nationalbank, vor allem aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für Finanzen.


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Gemeinsam ist es uns gelungen, eine tragende Säule für den österreichischen Finanzmarkt in Form einer weisungsfreien Finanzmarktaufsicht zu schaffen. Gemeinsam haben wir es geschafft! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

19.30

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem, was meine Vorredner zur Finanzmarktaufsicht bereits vorgetragen haben, ist nichts hinzuzufügen, und ich kann nahezu alles vorbehaltlos unterstreichen.

Ich möchte aber der Opposition, nämlich den Sozialdemokraten, noch eine letzte Rose überreichen und mich herzlich dafür bedanken, dass sie diesem Gesetz ihre Zustimmung geben, indem ich den Kollegen Kurt Heindl zitiere. Es ist richtig, das ist kein Prestigeerfolg einer der vier Parteien, sondern ein Erfolg für den Finanzmarkt Österreich.

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig gilt es aber auch, in die Zukunft zu blicken, um möglichen Herausforderungen in Bezug auf Finanzmarktprobleme entgegenzutreten. Erinnern Sie sich an den Enron-Skandal in der Vereinigten Staaten? Da wurde deutlich aufgezeigt, dass Interessenkonflikte von Prüfungsgesellschaften zu katastrophalen Folgen für die Anleger führen können. In Amerika mussten 700 Bilanzen von Unternehmungen korrigiert werden, weil die Wirtschaftsprüfer nicht die notwendige Sorgfalt walten haben lassen und es so zu finanziellen Schädigungen der Anleger gekommen wäre.

Meine Damen und Herren! Auch in Österreich gibt es natürlich dieses Problem. Es wurden schon Namen genannt, wie die Rieger-Bank und auch vor Jahren die Bank für Handel und Industrie in Graz, aber neuerdings auch Libro und yline. Daher gilt es, auch in Österreich darüber nachzudenken, wie weit man durch eine unabhängigere Prüferauswahl solchen Schädigungen für Anleger entgegenwirken kann.

Um wieder Amerika zu zitieren: In Amerika, dem – wie wir alle wissen – Hort der freien Marktwirtschaft, wird darüber nachgedacht, für Unternehmungen, die börsennotiert sind, Prüfer von Staats wegen zu bestellen. Ich stelle das nur in den Raum, und ich glaube, man müsste irgendwann einmal dieses Problem auch hier in Österreich diskutieren.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, danke ich Ihnen allen für die Zustimmung zu diesem Gesetz. Ich glaube, wir haben wirklich einen großen Erfolg für den Finanzmarkt Österreich erreicht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1019 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinn des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme und damit die Erreichung der verfassungsmäßig erforderlichen Mehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme und damit auch das Erreichen der gesetzlich erforderlichen Mehrheit fest.

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (904 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (VAG-Novelle 2001) (1018 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Hagenhofer. Ich erlaube mir, auch gleich wieder einzuläuten, weil nur drei Redner dazu zu Wort gemeldet sind. – Bitte.

19.34

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Regierungsvorlage, mit der das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz geändert werden, werden maßgebliche EU-Richtlinien umgesetzt. Wir, die SPÖ, werden dieser Regierungsvorlage zustimmen, zustimmen auch deshalb, weil durch diese Regierungsvorlage beziehungsweise durch die Umsetzung der EU-Richtlinie wichtige Schutzmaßnahmen für Versicherungsnehmer gegenüber Versicherungen umgesetzt beziehungsweise in Kraft gesetzt werden.

Es sind dies Maßnahmen wie etwa, dass künftig die fixen Eigenmittel, die zur Berechtigung führen, eine Versicherungsgesellschaft zu betreiben, beträchtlich erhöht werden. Es werden auch die Schwellenwerte für die variablen Eigenmittelerfordernisse beträchtlich erhöht. Somit wird über die bestehenden versicherungstechnischen Rückstellungen hinaus eine so genannte Solvabilitätsspanne gebildet, die bei ungünstigen Geschäftsschwankungen als Kapitalreserve dienen soll.

Wir stimmen dem zu, fügen aber auch Kritik bei diesem Gesetz an, weil wir meinen, dass ein Gesetz Rechtssicherheit geben soll und nicht zur Verunsicherung führen soll. Unserer Meinung nach werden der Willkür insofern Tür und Tor geöffnet: Bei den Ausschließungsgründen für Vorstandsmitglieder wird zum einen die fachliche Voraussetzung erwähnt, die im Gesetz sehr klar determiniert ist und die erbracht werden muss. Das ist nachvollziehbar, nachprüfbar und nachweisbar.

Der zweite Punkt hingegen, der einen Ausschließungsgrund darstellt, ist das Fehlen der erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit, und bei der erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, ist nicht festgeschrieben, was der Begriff "erforderliche persönliche Zuverlässigkeit" genau bedeutet. Welche Kriterien sind da anzuwenden? Wer wird das prüfen? Wie kann nachgewiesen werden, dass jemand die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit nicht erbringt? – Es ist nichts festgeschrieben, daher meinen wir, dieses Gesetz lässt der Willkür Tür und Tor offen. (Abg. Dr. Pumberger: Dann stimmen Sie nicht zu!)  – Wir stimmen zu, aber berechtigte Kritik anzubringen wird der Opposition wohl noch erlaubt sein, Herr Kollege Pumberger. (Beifall bei der SPÖ.)

Des Weiteren üben wir Kritik an Folgendem: Zum einen ist es zwar positiv, dass der Versicherungsaufsicht schon vor Bestellung der Vorstandsmitglieder die Namen bekannt gegeben werden müssen. Angeführt ist dabei die praktische Möglichkeit für die Versicherungsaufsicht, dass sie ungeeignete Vorstandsmitglieder verhindern kann. Ich frage Sie aber: Wenn die persönliche Zuverlässigkeit durch nichts festgeschrieben, durch nichts nachweisbar, durch nichts überprüfbar ist, weil nicht festgeschrieben ist, nach welchen Kriterien diese auszurichten


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ist, wie soll dann die Versicherungsaufsicht ungeeignete Vorstandsmitglieder verhindern? – Das ist eine hochgradige Rechtsunsicherheit!

Dass Sie das nicht klarer niedergeschrieben haben, könnte vielleicht – ich könnte das persönlich hineininterpretieren – den Hintergrund haben, dass Sie damit ungeeignete Vorstandsmitglieder, vielleicht SPÖ-nahe Vorstandsmitglieder, per Gesetz legitimiert durch das Wort "ungeeignet" hinausreklamieren können. In Wirklichkeit wird sich doch kein Unternehmen vorschreiben lassen, welche Vorstandsmitglieder es in das Unternehmen aufnehmen wird oder für das Unternehmen nominieren wird.

Noch eine letzte Anmerkung zum Kollegen Firlinger, der von "seltenen politischen Sternstunden" gesprochen hat, weil die SPÖ jetzt endlich wieder einmal zustimmt. – Mit den "Sternstunden" möchte ich jetzt einmal aufräumen, Herr Kollege Firlinger. In den letzten zwei Tagen haben wir 32 Punkte abgearbeitet, und bei diesen 32 Punkten hat die Regierung von der SPÖ 25-mal die Zustimmung bekommen. Also wenn das noch politische Sternstunden sind, dann sind Sie eine politische Sternschnuppe! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

19.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

19.40

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollegin Hagenhofer, ich sehe eigentlich keinen Grund für diese Art von Aggressivität, denn ich habe das nicht im negativen Sinne gemeint. Es kommt eben, wenn man über ein Jahr parlamentarischer Arbeit Bilanz zieht, nicht so häufig vor, dass es diese Zustimmung gibt. (Abg. Hagenhofer: ... nur einen Tag!)

Es stimmt, dass bei diesen Finanzmaterien, als wir sie im Ausschuss zu verhandeln hatten, eine hohe Konsensbereitschaft gegeben war. Aber das ist nicht immer so. Es ist dieses Spiel zwischen Regierungsparteien und Opposition auch eine ganz natürliche Sache. Ich meine das durchaus wertfrei, und da gibt es nichts, was man hämisch hineininterpretieren könnte. Ich meine das völlig untergriffsfrei. Falls diese Botschaft vorhin falsch aufgefasst wurde, dann habe ich jetzt versucht, sie ins richtige Licht zu rücken. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Meine Damen und Herren! Der zweite Punkt betrifft die Bestellung von Vorstandsmitgliedern. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, in einer Versicherungsgesellschaft an der fachlichen Eignung eines Vorstandsmitglieds zu zweifeln, weil es einer bestimmten Partei angehört. (Abg. Edler: Ei, ei! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Nicht "ei"! Meine sehr geehrten Damen und Herren, lösen wir uns einmal von solchen Krampfvorstellungen! Kollege Edler, das sind wirklich Krampfvorstellungen, das muss ich sagen.

Es geht darum, dass wir in Österreich eine sehr bewährte Versicherungsaufsicht haben, die aber, wie es auch in anderen Aufsichtsbereichen der Fall ist, ständig weiterentwickelt werden muss, sodass sie wirklich eine Aufsicht mit Biss ist. (Abg. Edler: Was ist mit der Forstinger passiert?) Das ist es, worum es geht, meine sehr geehrten Damen und Herren, und um sonst nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Ich meine daher, dass die Maßnahmen, die hier eingeflossen sind – Erhöhung der Mindestgarantiefonds, Verschärfung der Solvabilitätsbestimmungen –, eine ganz natürliche Sache sind. Das ist ein Trend, der in ganz Europa gegeben ist und dem selbstverständlich auch wir uns nicht verschließen möchten. (Abg. Edler: Was macht denn die Forstinger?) Ich bin nur froh, Kollege Edler, dass wir mit der Anpassung der Gesetze nicht nachhinken, sondern zeitgerecht und zielgenau unterwegs sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edler: Die Forstinger ...!)  – Kollege, ich verstehe deine Zwischenrufe nicht. Tut mir Leid, ich bin vielleicht ein wenig schwerhörig auf dem linken Ohr; das macht aber nichts. Ich werde es im Protokoll nachlesen.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend sagen, dass es ein gutes Gesetz ist. Es ist ein Gesetz, das zur weiteren Stärkung des Finanz- und Versicherungsmarktes in Österreich dient, und es fällt daher in die gleiche Kategorie wie das vorhin beschlossene. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Mag. Kogler ist der nächste Redner. – Bitte.

19.43

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! In aller Kürze: Ob man sich für diese Gesetzesvorlage hier so rühmen muss, weiß ich nicht. Wir werden zustimmen, weil damit doch mehreres erreicht wird. Erstens wird damit zwei EU-Richtlinien Rechnung getragen. Es gibt etliche Verbesserungen – das ist keine Frage – in verschiedenen wichtigen Bereichen, gerade was den Mindestgarantiefonds oder etwa die Erhöhung der Schwellenwerte betrifft. Das ist auch relativ einsichtig.

Wieso Sie sich allerdings so aufregen, wenn Frau Kollegin Hagenhofer mit Recht auf einen Umstand hinweist, der doch eigenartig anmutet, ist mir auch deshalb nicht einsichtig, weil Sie das ja nicht einmal ansatzweise widerlegen wollen. Selbstverständlich ist es verdächtig, wenn eine Anzeigepflicht für die Bestellung von Vorstandsmitgliedern sozusagen normiert wird, dies aber mit dem Hintergedanken und Hinweis geschieht, dass die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit hat einzuschreiten – was bis hierher noch ganz gut sein könnte –, jedoch keinerlei Hinweis über irgendwelche Kriterien enthalten ist. Bitte schön, woher nimmt dann die Aufsichtsbehörde ihre unendliche Weisheit, wenn sie sich an überhaupt nichts mehr halten muss?

Hier steht ja nicht einmal das drinnen, was sozusagen in jedem "Pimperlgesetz" zu irgendeinem Beruf steht, nämlich dass man bestimmte Dinge erfüllen muss. Oder ist es jetzt so, dass wir zwar in der Gewerbeordnung noch alles Mögliche was weiß ich wie genau geregelt und überreglementiert haben, aber dass ausgerechnet für diese sehr sensible und von der Verantwortung her sehr weitreichende Sache plötzlich nicht ein Kriterium nachzulesen ist?

Das möchte ich schon auch anmerken und, da Frau Hagenhofer sich nicht mehr zu Wort melden wird, noch einmal unterstreichen. Sie tun sich nichts Gutes damit, wenn Sie hier zwar irgendwie herumfuchteln, aber das Argument nicht aufgreifen. – So viel dazu.

Trotzdem wird es unsere Zustimmung geben, weil es in mehreren Punkten zu Verbesserungen kommt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1018 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung einstimmig angenommen ist.

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 599/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein


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Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001, das Finanzausgleichsgesetz 2001, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesstraßengesetz 1971, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das ASFINAG-Gesetz, das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden und das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen erlassen wird (Bundesstraßen-Übertragungsgesetz) (1023 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Eder. Ich erteile es ihm hiemit.

19.47

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPÖ wird der Verländerung der Bundesstraßen zustimmen. Allerdings möchte ich hier trotzdem eine Reihe kritischer Punkte anmerken und hoffe, dass diese Kritik auch in den weiteren Gesprächen in den Ländern entsprechend berücksichtigt werden wird.

Es wird wieder einmal ziemlich pauschal gespart. Ich kann mich erinnern, es hat Verhandlungen darüber gegeben, dass die Länder 9,5 Milliarden Schilling gebraucht hätten, um die Bundesstraßen entsprechend zu bewirtschaften. Jetzt bekommen sie 7 Milliarden Schilling. Das führt auch für die Länder zu Schwierigkeiten in der finanziellen Situation und zu Einsparungen.

Es ergeben sich darüber hinaus auch weitere Fragen: Wird es weiterhin mit dem derzeit noch nicht ganz ausgereiften, aber doch in Diskussion stehenden Generalverkehrsplan Akkordierungen geben? Werden vor allem länderübergreifende Bundesstraßen und Schnellstraßen so koordiniert und gebaut, dass immer das eine Bundesland automatisch mit dem anderen Bundesland Kontakt aufnimmt? Oder wird dies weiterhin über das Wirtschaftsministerium koordiniert? – Ich glaube, das sind einige Dinge, die man noch berücksichtigen muss. Es hat ja keinen Sinn, wenn ein Land an einer bestimmten Stelle der Landesgrenze eine Straße errichtet, das andere Land dies aber an einer anderen Stelle tut. Ich hoffe, dass auch das geregelt wird. Das sind die Punkte, die wir kritisieren.

Ich kann aus der Praxis bereits ein Beispiel nennen. Das Land Steiermark hat an die Stadtgemeinde Trieben bereits mit Hinweis auf die Übertragung der Bundesstraßen an die Länder geschrieben, dass ein fixfertiges Baulos, nämlich der Ausbau des Abschnittes Trieben – Sunk auf der B 114, nicht gebaut werden kann, weil jetzt einfach zu wenig Mittel vorhanden sind.

Das passt zu dem, was Kollege Firlinger gestern so vehement gesagt hat: "Wir müssen dringend schauen, dass die Bauarbeiter Beschäftigung bekommen und dass gebaut wird!" Es tut mir einfach weh – obwohl wir unsere Zustimmung geben werden –, dass jetzt, weil zu wenig Mittel vorhanden sind, zum Beispiel ein fixfertig geplantes Baulos (Abg. Böhacker: Aber unzulässig, diese Kritik!)  – ich habe hier den Brief, der vom Land Steiermark an die Stadtgemeinde geschrieben wurde –, nicht in der Form gebaut werden kann. Ich hoffe, dass man hier rasch Abhilfe schafft: erstens im Sinne der Verkehrssicherheit und zweitens, damit es bald zu entsprechender Beschäftigung kommt.

Ich möchte darüber hinaus auch eine Anmerkung betreffend die Einsparungen machen. Es ist mir noch nicht ganz klar, wie dann, wenn man die Bundesstraßen an die Länder überträgt, auf einmal auf Beamtenebene enorme Einsparungen stattfinden werden. Ich kann nur hoffen, dass zumindest ein Teil dessen stimmt, was hier vorgesehen ist, damit das dann wirklich erfolgen wird.

Ein weiterer Punkt, den ich anführen möchte, betrifft eine Organisationsfrage. Wir sind immer dafür eingetreten, dass wir es bei der Schnellstraßenverwaltung – also bei der ASFINAG, der


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ÖSAG und der Alpenstraßengesellschaft – schaffen sollten, eine Gesellschaft für 1 500 Kilometer Autobahnen und Schnellstraßen zu schaffen. Es ist nun gelungen, dass ASFINAG und ÖSAG aneinander gekoppelt werden, aber die Alpenstraßengesellschaft Tirol ist nach wie vor nicht dabei. Das ist ein Wermutstropfen. (Abg. Böhacker: "Tirol isch lei oans"!)

Ich habe hier wieder festgestellt, dass es auch der Freiheitlichen Partei in der Regierung nicht besser geht, als es den Sozialdemokraten gegangen ist. Tirol hat schon damals eine Extrawurst gefordert, es hat sie jetzt gefordert, und es hat sie weiter behalten. (Abg. Böhacker: So war Andreas Hofer schon!) Ich kann nur hoffen, dass wir auch das einmal schaffen werden: dass wir die Alpenstraßengesellschaft in eine gemeinsame Gesellschaft einbringen werden.

Ich darf hier noch einmal darauf verweisen, dass das LKW-Road-Pricing endlich in Kraft gesetzt werden muss. In diesem Gesetz ist es zwar in einigen Anmerkungen wieder vorgesehen, aber es gibt bis jetzt keinerlei terminliche Festsetzung, sondern das ist dann mit Verordnungsermächtigung vorgesehen. Das bedeutet natürlich, dass man hier wieder flexibel ist, was den Einsetzungstermin anbelangt. Ich darf aber darauf verweisen, dass es höchste Zeit ist, das Road-Pricing endlich umzusetzen. Diese Milliarden Schilling werden doch – egal, wer die Regierung bildet – auf jeden Fall dem Land Österreich und dem Straßenbau in Österreich abgehen.

Einen Vorschlag möchte ich noch machen, den man ebenfalls diskutieren könnte. Ich glaube, es wäre sinnvoll und zielführend, dass man mit den Bundesländern dahin gehend weiterspricht, dass hochrangige Straßen – oder ein Teil der hochrangigen Straßen – eventuell doch noch der ASFINAG zugeführt werden, sodass dann die Bundesmittel in Höhe von rund 7,4 Milliarden Schilling, die man jetzt an die Länder überträgt, dann nur zu jenem Teil gegeben werden, der wirklich für den bei den Bundesländern verbleibenden Teil der Straßen vorgesehen ist. Die Differenz könnte man dann – je nach Verhandlungen bis zu 2 Milliarden oder 2,5 Milliarden Schilling – der Bahn zukommen lassen.

Wenn schon so viel davon gesprochen wird, dass die Bahn in den Vordergrund gerückt wird, dann sollte man vielleicht versuchen, einen Teil dieser hochrangigen Bundesstraßen der ASFINAG zur Bewirtschaftung zu geben, weil sie à la longue ein in sich revolvierendes Finanzierungssystem hat. Die Länder könnten dann nur noch einen kleineren Teil der Bundesstraßen bewirtschaften, und ein Teil dieser Gelder, die jetzt die Länder bekommen, könnte dann der Bahn gegeben werden. Dort werden wir es dringend für zukünftige Investitionen brauchen, vor allem im Hinblick darauf, was sich in Richtung Ostöffnung ergeben wird. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

19.52

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Trotz der vorsichtigen Kritik des Kollegen Eder bedanke ich mich bei Ihnen von den Sozialdemokraten dafür, dass Sie auch diesem Gesetz die Zustimmung erteilen werden.

Bei der Fraktion der Grünen ist es mir noch nicht klar: Kollege Kogler hat zwar im Ausschuss dagegen gestimmt, wird aber wahrscheinlich darüber nachgedacht haben, dass es durchaus eine praktikable und gute Lösung ist, weil erstmalig die Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung in einer Hand zusammengefasst worden ist und weil jetzt die Länder mittelfristig berechenbare Größen an Finanzmitteln zur Verfügung haben, sodass sie besser, rascher, effizienter, sparsamer und kostengünstiger planen und bauen können. Ich gehe davon aus, dass die Länder im Sinne des ökonomischen Prinzips mit den vorhandenen Mitteln ein höchstmögliches Ziel erreichen wollen und daher die eingesetzten Mittel wirklich aktiv und positiv verwenden werden.

Herr Kollege Eder! Sie meinen, die B 114 wird vernachlässigt, aber das stimmt nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass die Freiheitlichen in der Steiermark massiv dahinter sein werden, dass dieses Straßenbaulos entsprechend ausgebaut wird.


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Eines möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen. Das alte Argument, das es bisher seitens der Länder, der Landeshauptleute, der Straßenbaureferenten gegeben hat, nämlich wir bekommen vom Bund kein Geld, zählt nicht mehr. Tatsache ist, dass unter anderem auch der Salzburger Landeshauptmann erklärt hat: Wir haben sehr gut verhandelt und für Salzburg ein recht erfreuliches Ergebnis erreicht. – Daher werden der Salzburger Landeshauptmann oder Salzburgs Straßenbaureferent Blachfellner nicht mehr in der Lage sein, entsprechende Kritik am Bund zu üben.

Kollege Eder! Sie haben die Tatsache angeschnitten, dass es durch die Verländerung zu Maßnahmen kommen könnte, die nicht bundesländerübergreifend abgestimmt werden.

Ich darf, um dies zu verhindern, folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer zentralen Koordinationsstelle

Der Nationalrat möge folgende Entschließung beschließen:

Der Nationalrat ersucht den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, seine Bemühungen hinsichtlich einer Koordination der Fragen des übergeordneten Straßennetzes zwischen Bund und den Ländern fortzusetzen und eine Vereinbarung darüber anzustreben. Hiebei möge insbesondere auf die Angelegenheiten der übergeordneten umfassenden Verkehrspolitik, die Erfassung überregionaler statistischer Daten und die Angelegenheiten technischer Richtlinien und des Zulassungswesens Bedacht genommen werden und sichergestellt werden, dass die für die Bauwirtschaft und den Straßenbenützer erforderlichen Regelungen und Standards weiterhin zur Verfügung stehen, international ein zentraler Ansprechpartner vorhanden ist und das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie als zentrale Koordinationsstelle fungiert. In den Verhandlungen über die Vereinbarung möge eine Kostenteilung angestrebt werden, wobei davon ausgegangen wird, dass dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie insgesamt keine zusätzlichen Kosten entstehen.

*****

Ich glaube, das entspricht auch Ihren Intentionen, Herr Kollege Eder.

Zu den Einsparungsmaßnahmen: Es gibt seitens der Länder die Zusagen und die Auskünfte, dass sie mit den vorhandenen Personen in der Straßenverwaltung auskommen. Wenn man allein die Dienstreisen der Landesverkehrsreferenten und der Landeshauptleute aus den Bundesländern nach Wien, um Geld zu lukrieren, einsparen kann, dann ist schon ein wesentliches Einsparungspotential gegeben. (Zwischenruf des Abg. Eder. )

Zusammenfassend sei gesagt: Dieses Gesetz ist ein Meilenstein des Föderalismus und ein klassisches, positives Beispiel für eine gelungene Verwaltungsreform. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung steht.

Herr Abgeordneter Ing. Schultes ist der nächste Redner. – Bitte.

19.56

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätztes Hohes Haus! Zuerst möchte ich darauf hinweisen – und


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darauf bin ich etwas stolz –, dass dieser Schritt in der Verwaltungsreform unter Vorsitz von Landeshauptmann Dr. Pröll gesetzt wurde. Er hat in seiner Vorsitzführung in Zusammenarbeit mit Staatssekretär Finz und Frau Vizekanzler Riess-Passer ein gutes Ergebnis zustande gebracht. (Abg. Mag. Kogler: ... sagen wir es doch, wie es ist, Herr Kollege!) Eine mehr als zehn Jahre alte Forderung des Landes Niederösterreich konnte somit umgesetzt werden. Ich bedanke mich dafür sehr herzlich! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Können wir wieder 15 Kreisverkehre eröffnen!)

Sie werden auch auf dem Bild sein, und Sie werden froh sein, wenn Sie dabei sind. (Abg. Böhacker: Kummerer, ja selbstverständlich, er ist ... bekannt!) Kummerer ist gerne dabei, ja.

Ich möchte es aber nicht verabsäumen, einen Abänderungsantrag, der notwendig ist, einzubringen. Es ist dies der Abänderungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Kollegen zum Antrag 599/A der Abgeordneten Böhacker, Stummvoll und Kollegen. Der Antrag wurde ausgeteilt, ich muss ihn daher nicht zur Gänze vorlesen.

Ich will darauf hinweisen, dass von diesem Antrag zwei Kernpunkte und einige technische Änderungen berührt sind. Es geht um eine Änderung des Bundesstraßengesetzes 1971, und zwar um die Erwähnung des Knotens Pongau; dies muss in den Text eingefügt werden. Es geht um eine Änderung im ASFINAG-Gesetz, eine Ermächtigung für eine Lärmschutzwand, redaktionelle Änderungen und eine Änderung, die das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz betrifft. Durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfungen werden weiterhin Gültigkeit und Geltung haben.

So habe ich zu diesem Entschließungsantrag, der von Herrn Kollegen Böhacker eingebracht wurde, präzisierend Folgendes zu bemerken: Selbstverständlich wird diese Koordinationsplattform die Vorteile dieser Verwaltungsreform weiterhin gelten lassen. Es wird im Bundesministerium nicht mehr notwendig sein – ich hoffe, dass das auch tatsächlich der Fall sein wird –, dass Straßenverkehrszählungen betreut und ausgewertet werden, dass Straßenverkehrszählungen über Reparatur und Wartung stattfinden, dass Datenbanken gehalten werden und so weiter.

Es wird empfohlen – und wir alle sind uns darüber einig, dass diese Verwaltungsreformmaßnahme dann ihre Wirkung zeigen wird, wenn dies geschieht –, dass die Daten der Länder herangezogen werden und koordiniert ausgewertet werden, sodass diese Daten bestmöglich genutzt werden und keinerlei eigene Erhebungen oder Kosten verursachende andere Aktivitäten entwickelt werden. Wir wollen schließlich, dass diese Verwaltungsreformmaßnahme greift und der Spareffekt tatsächlich eintritt.

Sie müssen sich vorstellen, bis jetzt hatten wir – daran hat über all die Jahre niemand etwas gefunden – zwei verschiedene Beschaffungssysteme für dasselbe Schlagloch. Auch jetzt werden wieder die Frostaufbrüche zu reparieren sein. Üblich war es bis jetzt, Asphalt-Bitumen-Material anzuschaffen und im Verteilungsschlüssel für Bundesstraßen und Landesstraßen abzurechnen. Es gab zwei verschiedene Beschaffungsvorgänge, zwei verschiedene Rechnungswesen, zwei verschiedene Budgetplanungswesen, und das alles bis zur Abrechnung in derselben Landesregierung. Eine dieser beiden Spuren wird jetzt überflüssig werden. Das allein wird schon helfen, dass Geld gespart wird, weil künftig einfacher gearbeitet werden kann.

Abgesehen davon wird es zu rascheren Abläufen kommen. Es wird nicht mehr notwendig sein, jedes kleine Baustück im Ministerium genehmigen zu lassen. Mit der Bautätigkeit auf Baustellen, die bis jetzt erst im September begonnen werden konnten, wird vielleicht schon im Juni begonnen werden können, weil es einfach schneller geht. (Zwischenruf des Abg. Sodian. ) Es wird weniger Ausreden geben, wenn etwas nicht gelingt, und wir werden die Kompetenzen dort haben, wo auch die Verantwortung liegt. Im Straßenbau wird die Handbremse aufgemacht.

Es wird damit das niederösterreichische Motto "Näher zum Bürger, schneller zur Sache" verwirklicht. Darüber bin ich sehr froh, und ich bedanke mich bei allen, die verhandelt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.00


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95. Sitzung / Seite 178

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Ich gebe bekannt, dass der soeben vom Abgeordneten Schultes in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag, der schriftlich verteilt wurde, ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung steht.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 599/A der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001, das Finanzausgleichsgesetz 2001, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesstraßengesetz 1971, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das ASFINAG-Gesetz, das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden und das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen erlassen wird (Bundesstraßen-Übertragungsgesetz) in der Fassung des Ausschussberichtes (1023 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel 4 (Änderung des Bundesstraßengesetzes 1971) Z 28 lautet im Verzeichnis 1, Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), die Beschreibung der Strecke der A 10 Tauern Autobahn:

"Knoten Salzburg (A 1) – Altenmarkt/Pongau – Katschbergtunnel – Knoten Spittal-Millstätter See – Knoten Villach (A 2, A 11), einschließlich Knoten Pongau – Bischofshofen (ehemalige B 164, ehemalige B 311) sowie einschließlich Lieserhofen (ehemalige B 98) – Knoten Spittal-Millstätter See – Lendorf (ehemalige B 100)"

2. Im Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes ) hat Z 1 zu lauten:

"1. Artikel II § 8 lautet:

"§ 8. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft wird ermächtigt, im Bereich der Gemeinde Erl Kosten für die Errichtung einer Lärmschutzwand entlang der Autobahn Rosenheim – Kiefersfelden auf deutschem Staatsgebiet zu übernehmen.""

3. Nach dem neuen Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes) Z 1 ist folgende Z 2 einzufügen:

"2. Im Artikel II § 16 entfällt die Wortfolge "6, 8 und"."

4. Im Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes) erhält die bisherige Z 1 die Bezeichnung "3".

5. Im Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes) erhält die bisherige Z 2 die Bezeichnung "4" und lautet:

"4. Im Artikel XI § 2 wird die Wortfolge "14, 15 und 16" ersetzt durch die Wortfolge "6, 14, 15 und 16", wird die Wortfolge "2 Abs. 2, 9 und 10" ersetzt durch die Wortfolge "2 Abs. 2, 8, 9 und 10" und entfällt die Wortfolge "hinsichtlich des Artikel IX § 1 bis 3 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, hinsichtlich des Artikel IX § 4 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, hinsichtlich des Artikel IX § 5 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit" samt folgendem Beistrich."


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6. Im Artikel 11 (Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000) Z 3 wird nach dem Wort "Bundesminister" die Wortfolge "/der Bundesministerin" eingefügt.

7. Artikel 11 (Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000) Z 4 lautet:

"4. § 46 werden folgende Abs. 14 bis 17 angefügt:

"(14) Die §§ 23a und 24h Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2002 treten mit 1. April 2002 in Kraft.

(15) Für Vorhaben, die durch das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. XXXX/2002 Art. 5, in die Zuständigkeit der Länder übertragen werden und für die bereits vor dem 15. Februar 2002 eine Verordnung gemäß § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 erlassen wurde, ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung und kein konzentriertes Genehmigungsverfahren nach diesem Bundesgesetz durchzuführen. Für noch nicht rechtskräftig erteilte Genehmigungen im Sinn des § 2 Abs. 3 gilt § 24h Abs. 5 sinngemäß. Soweit die Ergebnisse einer bereits nach den §§ 24a bis 24f dieses Bundesgesetzes durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung nicht im Sinn des § 24h Abs. 5 in eine Genehmigung gemäß § 2 Abs. 3 einfließen, sind die sich aus der Verordnung gemäß § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 ergebenden Vorgaben einzuhalten. § 24h Abs. 6 erster und zweiter Satz gelten sinngemäß, die Bestimmungen der §§ 18 bis 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 sind anzuwenden. Eine Abnahmeprüfung gemäß § 20 ist nicht durchzuführen; für die Nachkontrolle ist § 24h Abs. 7 sinngemäß anzuwenden.

(16) Für sonstige Vorhaben, die durch das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. XXXX/2002 Art. 5, in die Zuständigkeit der Länder übertragen werden und für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach den §§ 24a bis 24f dieses Bundesgesetzes durchgeführt wurde, ist keine neuerliche Umweltverträglichkeitsprüfung und kein konzentriertes Genehmigungsverfahren nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, wenn die Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung in einem straßenbaurechtlichen Genehmigungsbescheid oder einer straßenrechtlichen Trassenverordnung sicher gestellt und gegen diesen Rechtsakt ein dem § 24 Abs. 11 gleichwertiger Rechtsschutz gewährt wird. Für noch nicht rechtskräftig erteilte Genehmigungen im Sinn des § 2 Abs. 3 gilt § 24h Abs. 5 sinngemäß. Soweit die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht im Sinn des § 24h Abs. 5 in eine Genehmigung gemäß § 2 Abs. 3 einfließen, sind die sich aus einer straßenrechtlichen Trassenverordnung ergebenden Vorgaben einzuhalten. § 24h Abs. 6 erster und zweiter Satz gelten sinngemäß, die Bestimmungen der §§ 18 bis 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 sind anzuwenden. Eine Abnahmeprüfung gemäß § 20 ist nicht durchzuführen; für die Nachkontrolle ist § 24h Abs. 7 sinngemäß anzuwenden.

(17) Für Vorhaben, die durch das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. XXXX/2002 Art. 5, in die Zuständigkeit der Länder übertragen werden und auf die der Bundesminister/die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie § 24 Abs. 3 angewendet hat, ist keine neuerliche Einzelfallprüfung durchzuführen. Die Bestimmung des § 3 Abs. 7 über das Feststellungsverfahren ist nicht anzuwenden.""

Begründung:

Zu Z 1:

Zur Klarstellung wird die bereits unter Verkehr stehende Strecke Knoten Pongau – Bischofshofen (ehemalige B 164, ehemalige B 311) in die Beschreibung der Strecke der A 10 Tauern Autobahn aufgenommen. Es handelt sich um eine Zubringerstrecke, in der eine Halbanschlussstelle situiert ist.

Zu Z 2:

Im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 31. Jänner 2002, in der die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht werden, ihre Bemühungen hinsichtlich einer Errichtung der


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Lärmschutzwand Erl fortzusetzen und im Rahmen ihrer Kompetenzen dafür Sorge zu tragen, dass der Bau so rasch wie möglich begonnen werden kann, wird das ASFINAG-Gesetz um eine Regelung über die Ermächtigung der Übernahme von Kosten für diese Baumaßnahme durch die ASFINAG ergänzt.

Zu Z 3 bis 5:

Es handelt sich um redaktionelle Änderungen, die sich aus der Neufassung des Artikel 7 Z 1 ergeben.

Zu Z 6 und 7:

Die im Initiativantrag vorgesehenen Übergangsbestimmungen zum UVP-G 2000 sollen klarer und besser vollziehbar gestaltet werden.

Die Trassenverordnung stellt für die betroffenen Vorhaben bisher den wichtigsten Genehmigungsakt dar, in dem die UVP hauptsächlich berücksichtigt wird und gegen den aus diesem Grund den Formalparteien (Umweltanwalt, Gemeinden, wasserwirtschaftliches Planungsorgan, Bürgerinitiativen) Rechtsschutz in Form der Beschwerdebefugnis beim Verfassungsgerichtshof gewährt wurde (§ 24 Abs. 11 UVP-G 2000). Die Übergangsbestimmungen der Abs. 15 und 16 stellen einerseits sicher, dass auch weiterhin ein grundsätzlicher Genehmigungsakt existiert, in dem die UVP umzusetzen ist und andererseits, dass der bisher gewährte Rechtsschutz der Formalparteien erhalten bleibt.

Abs. 15 betrifft jene Vorhaben, in dem bereits vor längerer Zeit eine Trassenverordnung nach § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 erlassen wurde. Hier erscheint eine Überleitung der Beschwerdebefugnis nicht mehr erforderlich.

Abs. 16 betrifft Vorhaben, für die eine solche Trassenverordnung erst kurz vor Inkrafttreten des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes oder nicht mehr erlassen wird. Für diese Fälle ist sicher zu stellen, dass ein grundlegender Genehmigungsakt vorgesehen ist, in den die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung in europarechtskonformer Weise einfließen. Dies kann eine Trassenverordnung sein (und zwar eine solche gemäß § 4 Bundesstraßengesetz 1971, die landesrechtlich weiter gilt oder eine Verordnung gemäß Landesstraßenrecht) oder ein landes(straßen-)rechtlicher Genehmigungsbescheid. Gegen diese Rechtsakte muss ein gleichwertiger Rechtsschutz bestehen wie derzeit gemäß § 24 Abs. 11 UVP-G 2000. Bei einem Bescheid wird dies etwa durch die Anwendung des § 24h Abs. 5 bereits gewährleistet (dieser Bescheid ist den Formalparteien des UVP-G 2000 zuzustellen; diese haben die Möglichkeit, Berufung bzw. Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.). Sind nach den anzuwendenden Materiengesetzen weitere Genehmigungen zu erteilen, so haben die Ergebnisse der UVP auch in diese Genehmigungen einzufließen und es gelten die zusätzlichen Genehmigungskriterien des UVP-G 2000 ebenso wie für den straßenrechtlichen Genehmigungsakt.

Abs. 15 und Abs. 16 stellen gleichlautende Erfordernisse für die Trassenverordnungen und Genehmigungsakte auf, die den Erfordernissen für Bundesstraßenvorhaben nach dem 3. Abschnitt des UVP-G 2000 entsprechen.

§ 46 Abs. 17 UVP-G 2000 ermöglicht die Vermeidung einer nochmaligen Durchführung einer Einzelfallprüfung für Vorhaben, bei denen bereits entsprechend § 24 Abs. 3 UVP-G 2000 vorgegangen wurde.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sodian. – Bitte.

20.01

Abgeordneter Andreas Sodian (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die nunmehr politisch paktierte Verländerung der Bundesstraßen B ab dem Jahr 2002 verwirklicht ein etwa zehn Jahre altes Anliegen, das


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die bisher damit befassten Bundesregierungen aus den verschiedensten Gründen nicht umzusetzen vermochten.

Von den nunmehr akkordierten Maßnahmen ist vor allem ein unmittelbarer, wiewohl kaum monetär quantifizierbarer Nutzen für den Bürger zu erwarten, weil die langwierigen Verfahrensabläufe zwischen Bund und Ländern entfallen werden und beabsichtigte Maßnahmen rascher und damit für den Bürger beziehungsweise Verkehrsteilnehmer unmittelbarer und wirksamer vollzogen werden können.

Darüber hinaus lässt die Übertragung der Bundesstraßen B in die Zuständigkeit der Länder beträchtliche Einsparungseffekte im Verwaltungsbereich des Bundes erwarten, ohne dass den Ländern dadurch gleich hohe Ausgaben zur Last fallen würden, weil sich diese nunmehr ausschließlich ihres eigenen im Zusammenhang mit Landesstraßen ohnedies bestehenden Verwaltungsapparates bedienen können.

Die bundesseitig angenommenen Einsparungseffekte setzen sich zusammen aus dem Einsparungspotential im Personalbereich, aber auch im Bereich der Sachaufwendungen. Hinzufügen möchte ich, dass die Zweckzuschüsse, die der Bund bis 2008 an die Länder leisten wird, 3,75 Milliarden € betragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Reform ist ein wichtiges Signal für den Föderalismus und ein Paradebeispiel gelebter Verwaltungsreform. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

20.03

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Ich begrüße es sehr, dass auch die Sozialdemokratische Partei diesem Gesetz zustimmt. Das ist eine positive Weichenstellung.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir viele, viele Jahre darum gekämpft haben, dass es dieses Mal gelungen ist, dass es zwar schon in der letzten Legislaturperiode eine grundsätzliche Einigung zwischen Ländern und Wirtschaftsminister gegeben hatte (Abg. Dietachmayr: Wer waren denn die Bremser, Herr Kollege?), aber die Realisierung am damaligen SPÖ-Finanzminister gescheitert ist, der den Ländern nicht die Finanzausstattung, die dafür notwendig ist, zugestehen wollte. Das ist jetzt Gott sei Dank geschehen, und deshalb kann das Gesetz in dieser Form jetzt endlich beschlossen werden. Es ist dies auch ein Meilenstein hin zu einem schlankeren Staat, zu einer entsprechend umfassenden Verwaltungsreform.

Was die Bedenken von Kollegen Eder hinsichtlich der Koordination zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den einzelnen Ländern betrifft, so ist in diesem Entschließungsantrag klargestellt, dass diese Aufgabe weiterhin der Bund wahrnehmen soll. Diesen Koordinationsbedarf wird es selbstverständlich geben, darüber braucht man nicht zu diskutieren. Ein Großteil der Bundesstraßen wird auch in Zukunft länderübergreifend sein. Deshalb wird es den Koordinationsbedarf hinsichtlich des Ausbaubedarfs, hinsichtlich gemeinsamer Standards und hinsichtlich technischer Richtlinien weiterhin geben.

Wir brauchen diese Koordination auch wegen der Tatsache, dass wir für das Ausland einen entsprechenden Ansprechpartner brauchen, auch für die internationalen Verkehrsabkommen, die abzuschließen sind. Das heißt, dies ist eine sinnvolle, notwendige Einrichtung, wenngleich sie selbstverständlich so sparsam und so schlank wie möglich gehandhabt werden muss.

Was die Bemerkungen zum Thema Road-Pricing betrifft, weißt du, Kollege Eder, dass diese Regierung intensiv daran arbeitet. Wir werden alles tun, damit dieser Termin eingehalten wird. (Abg. Parnigoni: So wie der Farnleitner!) Wir werden ein modernes, zukunftsorientiertes System schaffen, und wir werden Abstand nehmen von den alten Vorstellungen, die Sie noch ver


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treten haben, nämlich Mauthütten zu errichten, veraltete Mautstellen und händische Zählsysteme einzuführen. Das ist die Diskussion der Vergangenheit. Wir zeigen auch bei diesem Thema: Die Zukunft ist mit uns! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Böhacker: Jetzt bin ich aber gespannt! – Abg. Mag. Kogler  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Seien Sie ruhig gespannt, Herr Kollege Böhacker!)

20.06

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Zukunft ist wieder mit Ihnen? – Arme Zukunft! Jedenfalls in dieser Frage denke ich, Herr Kollege Kukacka, dass die Zukunft eher bei der Anlage der Verkehrspolitik der Grünen und der dahinter stehenden Philosophie ist.

Ich darf deshalb den Punkt mit dem Road-Pricing vorweg herausgreifen. Er reizt mich doch zu einer Feststellung, obwohl er jetzt an sich nicht Gegenstand der Verhandlung ist. Ihnen ist noch immer etwas eingefallen, um die Geschichte zu verzögern. Jetzt kommt es Ihnen zupass, dass Sie sich hier besonders modern präsentieren wollen, indem Sie eine andere technische Lösung favorisieren. Aber wir haben genügend Hinweise dafür, dass auch diese technische Lösung, die Sie favorisieren, rascher auf die Reihe hätte gebracht werden können. Deshalb sind Sie einfach unglaubwürdig – aber in Ihrer Klientel und in der Lobby, für die Sie hier unterwegs sind, selbstverständlich sehr glaubwürdig. Was das allerdings mit Zukunft zu tun hat, müssen Sie sich mit dem Rest der Bevölkerung ausmachen.

Was ist das Gute an dieser Sache, Herr Kollege Böhacker? Wir wollten es ja spannend machen. – Gut ist tatsächlich, dass Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung zusammengeführt werden. Das ist ganz klar, das sagen wir auch öfters. (Abg. Jung: 40 Jahre ...!)

Es wäre überhaupt gescheit, dass man noch weiter geht und Ausgaben- und Aufgabenverantwortung an mehreren Punkten zusammenbringt. Hier haben wir es jedenfalls damit zu tun, dass den Ländern die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden – deshalb Finanzierungsverantwortung – und dass sie auch einen Ausgabengestaltungsspielraum haben.

Aber das kann doch nicht alles gewesen sein! Das kann doch noch nicht alles an der ganzen schönen Musik gewesen sein! Die Misstöne fangen schon im zweiten Takt zu dominieren an. Die Verwaltungsvereinfachungen, die Sie uns versprechen, sind nicht mehr ohne weiteres erkennbar.

Herr Staatssekretär! Sie haben hier im Ausschuss gemeint, die Einsparung bezieht sich eben darauf, dass die Verwaltung vereinfacht wird; viel mehr haben Sie dazu nicht gesagt. Ich weiß aber, dass Sie dazu mehr zu sagen hätten und etwas vorhaben. Jedenfalls werden Sie nicht aus der Verantwortung entlassen, irgendwann darüber nachzudenken, dass wir auch eine Gesamtkoordinierung brauchen.

Es kann ja nicht sein, dass alles, was bisher aus halbwegs plausiblen Gründen "Bundesstraße" geheißen hat und offensichtlich etwas mit bundesweiten Belangen zu tun hatte, künftig plötzlich nur noch in der Länderverwaltung, in der Ländergestion liegt, weil es dann "Verländerung von Bundesstraßen" heißt. Es hat selbstverständlich etwas damit zu tun, dass diese Straßen über Ländergrenzen hinausgreifende Funktionen haben. Das ist ja ganz logisch.

Ich weiß mich daher schon wieder eins mit der SPÖ; schon nickt Kollege Eder, und zwar völlig zu Recht. Irgendwo muss das koordiniert werden, und ob diese neue Koordinierungsstelle dann so viel effizienter und billiger ist als das, was wir jetzt haben, ist eine andere Frage. Über die Ausgestaltung dieser Stelle ist mir noch nichts bekannt, und da wird Sie auch ein Entschließungsantrag nicht retten, den Sie hier jetzt eingebracht haben, weil Sie mittlerweile das Problem offensichtlich auch schon erkennen.


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Ein Kernpunkt allerdings besteht darin – und das ist eine kritische Anmerkung von uns an dieser ganzen Sache –, dass, mehr noch als Bundesstraßen verländert werden, Eigentumstransaktionen gar nicht kleiner Art an die ASFINAG passieren. Das hat im Zusammenhang selbstverständlich gute Gründe, aber es hat so, wie es gemacht wird, auch ein paar schlechte Begleiterscheinungen. Wir prophezeien Ihnen, dass wir im Rechnungshofausschuss wieder "viel Spaß" miteinander haben werden, was diese Ausgliederungen und Eigentumstransaktionen von Grundstücken betrifft.

Das scheint mir zu unausgegoren und zu angreifbar zu sein, bis hin zu dem Umstand, dass dadurch verschiedene Anrainerrechte verändert werden und dass wir damit noch im Nachhinein ein rechtliches Problem bekommen könnten. Es ist dies aber zu detailreich, um es jetzt auszuführen. Wir werden – insbesondere Frau Kollegin Lichtenberger – ja noch öfter Gelegenheit haben, darauf einzugehen. Hoffentlich kommt es nicht so schlimm, wie wir es an dieser Stelle befürchten.

Kommen wir zum zentralen Punkt unseres Vorwurfs: Es werden hier nicht nur Bundesstraßen verländert, sondern viele Gesetze in einem verändert. Das Erste, das Sie im Zusammenhang mit dieser Vorlage aufzählen, heißt Zweckzuschussgesetz 2001. Und was entdecken wir da? – Es gibt eine bestimmte Zuteilung von Mitteln an die Bundesländer, und es mag noch sinnvoll sein, dass sich die Bundesländer das selbst ausverhandeln und der Bund dann den Schlüssel übernimmt. Aber im Unterschied zur ersten Vorlage haben sich jetzt ein paar Länder Sonderdotationen  – nennen wir es so – herausreklamiert. Und wenn man nachsieht, welche Bundesländer das sind, dann wird man feststellen, dass das Vorarlberg und Kärnten ist. Voilà! (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer: Sind!)  – Okay: Sind. Kollege Schweitzer ist nicht nur gut in Geographie, er ist auch der Grammatik mächtig und hat mich hier völlig zu Recht korrigiert! (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Kollege Schweitzer sagt also auch, dass Vorarlberg und Kärnten bei diesen Verhandlungen offensichtlich privilegiert worden sind. Und das ist auch kein Wunder, wenn man schaut, zu welcher Zeit das ausverhandelt wurde. Es wird schon etwas gebraucht haben, um ausgerechnet Herrn Haider und Herrn Gorbach zufrieden zu stellen. Und das Ganze kommt dann unter dem Titel "Zweckzuschussgesetz" daher! Was war denn da der höhere Zweck, um Vorarlberg und Kärnten in dieser Weise besonders zu bevorzugen? – Das, was mir an dieser Stelle als Gegenargument serviert wurde, ist überhaupt nicht glaubwürdig! (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Es kam nämlich das Argument, dass das für bestimmte Projekte schon zweckgebunden sei. – Das war aber höchstens in der ersten Vorlage so, mittlerweile ist das jedoch, entgegen dem Titel des Gesetzes, nicht zweckgebunden. Die Zusatzkuchen, die sich Haider und Gorbach für Kärnten und Vorarlberg herausgeholt haben, sind nicht zweckgebunden! Das ist der "neue Föderalismus", und das passt auch zum Thema vom gestrigen Tag. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Wunderbar! Deshalb wird es Sie ja nicht wundern, dass wir da doch noch ein paar unappetitliche Fliegen in der Suppe gefunden haben, die an sich für Ihr überzogenes Lob dünn genug ist beziehungsweise dünn genug war, wie Kollege Schweitzer jetzt korrigieren hätte müssen. Jetzt haben wir also auch noch diesen Schmäh mit der Verländerung, und was ist das Resultat? – Kärnten und Vorarlberg bekommen Sonderdotationen!

Etwas ganz Bedenkliches zum Schluss – und ich weiß, dass ich auch da für meine Fraktion allein spreche –: Insgesamt wurde die Ausgabentranche für den Straßenbau mit diesem Gesetz – was man unter Verländerung der Bundesstraßen ja zunächst überhaupt nicht vermuten würde – für die nächste Zeit deutlich erhöht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Da wenden wir ein deutliches Nein ein, weil es eine grundsätzliche verkehrspolitische Frage ist, wie die Schwerpunktsetzung organisiert wird. Dann hätten Sie die Gesetze wenigstens richtig taufen und das nicht unter "Verländerung" laufen lassen sollen! (Abg. Ing. Westenthaler: Es sind keine Journalisten mehr da!) Was gibt es denn noch?


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"Verländerung der Bundesstraßen" ist jedenfalls ein irreführender Titel, den Sie hier darübergesetzt haben. In Wahrheit befriedigen Sie ein paar Bundesländerinteressen, und da können wir nicht mit, zumal Sie mit diesem Gesetz einseitig die Straße bevorzugen und die Tranchen für den Straßenbau ausweiten. Das geht uns einfach zu weit! (Beifall bei den Grünen.)

20.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der Abänderungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Kollegen in seiner ursprünglich eingebrachten Form zurückgezogen und nunmehr mit einer neuen Textierung vorgelegt wurde, nämlich einem neuen Punkt 6, der aussagt, dass im Artikel 9 die Ziffer 5 entfällt.

Punkt 6 lautet wörtlich:

"6. Im Artikel 9 entfällt die Ziffer 5." Daraus folgt eine neue Bezifferung: Der bisherige Punkt 6 wird zu Punkt 7 und der bisherige Punkt 7 wird zu Punkt 8.

Ich gebe bekannt, dass ich diesen Abänderungsantrag in der neuen Form zur Verteilung vorgesehen habe, und ich hoffe, dass diese noch rechtzeitig erfolgen kann.

In der Zwischenzeit erteile ich der nächsten Rednerin, Frau Abgeordneter Schoettel-Delacher, das Wort. – Bitte.

20.15

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit diesem Gesetz wurde einer Jahrzehnte alten Forderung der Bundesländer nach Übertragung der Bundesstraßenkompetenz in kürzester Zeit Rechnung getragen.

Die bisherige Kompetenzzersplitterung von Aufgaben auf mehreren Ebenen führte tendenziell zu ineffizienten und aufwendigen Verhältnissen. Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass die nun vorgesehene Übergabe der Bundesstraßen in die Länderkompetenz ab 1. April 2002 zu einem Abbau von Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung, einem erhöhten Entscheidungsspielraum der Länder, einem effizienteren, rascheren und damit kostengünstigeren Infrastrukturausbau sowie zu einer flexibleren, mit regionalen Bedürfnissen abgestimmten Umsetzung von Straßenbauprojekten führen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Finanzierung dieser zusätzlichen Aufgaben gewährt der Bund den Ländern einen Zweckzuschuss, der im Zweckzuschussgesetz geregelt ist und der sich nach der Höhe der bisherigen Bau- und Erhaltungsbudgets sowie der bisherigen Mittel aus dem Katastrophenfonds für Straßen richtet.

Diese Vereinbarung gilt vorerst bis 2008, wobei die Verteilung des Zweckzuschusses auf einem einvernehmlichen Vorschlag der Länder beruht. Die dem Land Vorarlberg gewährten Zweckzuschüsse belaufen sich von 2002 bis 2008 auf insgesamt 207 Millionen €. Das Ländle – und das ist für mich besonders erfreulich – konnte zusätzlich zwei Sonderzuschüsse für lang geplante und bereits avisierte Projekte, nämlich die Bregenzer Waldstraße neu und die Südumfahrung Feldkirch, in Höhe von insgesamt 113 Millionen € ausverhandeln. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Gesetz – und das kann man nicht oft genug erwähnen – ein starkes Signal für den Föderalismus und einen weiteren wesentlichen Schritt in der Verwaltungsreform darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

20.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

20.18

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem Titel "Verwaltungsreform" traten Sie an, und unter dem Titel "alles wird teurer" bestimmen Sie die Dinge heute.


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Das Problem ist, dass diese Verländerung der Bundesstraßen sehr wohl zusätzliche Mittel erfordert. Herr Minister Grasser selbst hat im November 2001 Folgendes festgehalten – ich zitiere aus seiner damaligen Aussage –: "Faktum ist, dass wir mit den Ländern einen Vertrag über 1 Milliarde Schilling abschließen müssen."

Das ist praktisch ein Mehraufwand! Eine solche Verwaltungsreform brauchen wir vor allem auch angesichts dessen nicht, dass Sie immer sagen, dass Verwaltungsreformen zu Verbilligungen, zu mehr Effizienz und insgesamt zu mehr Sparsamkeit führen sollen! Mit diesem Bundesstraßenverländerungsgesetz geht es jedoch in die gegenteilige Richtung, und deshalb können Sie unsere Zustimmung nicht haben.

Auf die Aspekte, wie einzelne Bundesländer Vorteile daraus schlagen, hat bereits mein Vorredner Kollege Kogler hingewiesen. Das brauche ich nicht zu wiederholen, sondern nur zu ergänzen. Es hat nämlich zum Beispiel auch das Land Niederösterreich, Herr Landeshauptmann Pröll, eine sehr fragwürdige Extrawurst zugestanden bekommen: Die Schnellstraße Stockerau – Tulln wird befristet von Strafbestimmungen für Vignettensünder ausgenommen.

Wieso wir deshalb eine Verländerung der Bundesstraßen brauchen, verstehe ich nicht ganz. Es handelt sich hiebei um irgendwelche Zuckerl für lokale Interessen- oder Lobbygruppen. Dafür ist mir der Aufwand zu groß. Da sollte man doch lieber klare Verhältnisse schaffen.

Es gibt noch zwei kleinere Details, die in diesem Zusammenhang kritisiert werden müssen: Zum Beispiel werden die Übergangsbestimmungen für die UVP-Gesetzgebung jetzt erst nach der Begutachtung gleichsam hinterrücks hineingeschoben, obwohl UVP-Prüfungen in diesem Zusammenhang an sich ein wichtiges Standbein bilden. Auch deswegen werden wir Ihrem Vorschlag auf keinen Fall zustimmen können.

Ich nenne noch ein letztes kleines Argument, das dagegen spricht. Die massiven habe ich bereits vorweggenommen. Wesentlich ist zum Beispiel auch, dass in Zukunft umwelt- und verkehrspolitisch sehr positive Regelungen wie zum Beispiel § 7a Abs. 5 des jetzigen Bundesstraßengesetzes entfallen. Gemäß dieser Bestimmung war es nämlich möglich, Finanzierungen aus Straßenmitteln für optimale ÖV-Projekte heranzuziehen, die die Straßen entlasten.

Auf diese Instrumentarien verzichten Sie nun, indem Sie das Ganze den Ländern überantworten. Ein Hebel in Richtung Verlagerung des Individualverkehrs und der Belastungen, die dieser verursacht, hin zum öffentlichen Verkehr wird durch dieses Gesetz sozusagen reduziert beziehungsweise außer Kraft gesetzt, und deshalb stellt das für uns weder eine Verwaltungsreform noch einen Effizienzgewinn dar, sondern ist eine reine Länder-Goodwill-Sache. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

20.21

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wie vom Präsidenten angekündigt, darf ich, um dem Protokoll in entsprechender Form Genüge zu tun, den zurückgezogenen Abänderungsantrag in der neuen Form neuerlich einbringen.

Ein neuer Punkt 6 wurde eingefügt. Er lautet: "Im Artikel 9 entfällt die Ziffer 5."

Dieser Abänderungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Kollegen zum Antrag 599/A der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Kollegen wurde vervielfältigt und verteilt. Ich brauche ihn daher nur in den Kernpunkten zu erläutern.

Im Wesentlichen geht es um technische Änderungen:

Punkt 1: Im Artikel 4 geht es um den Knoten Pongau.


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Punkt 2: Im Artikel 7 betreffend die Änderung des ASFINAG-Gesetzes geht es um eine Lärmschutzwand und um eine entsprechende Ermächtigung für die ASFINAG.

Laut Punkt 6 geht es um den Entfall von Ziffer 5 im Artikel 9.

Es folgen Punkte, welche die Übergangsbestimmungen zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz betreffen.

Damit ist der Antrag nun ordnungsgemäß eingebracht, und ich bitte Sie alle um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

20.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich stelle ausdrücklich fest, dass der eingebrachte und in den Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit auch zur Debatte beziehungsweise zur Abstimmung steht.

Der Antrag hat nunmehr folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 599/A der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001, das Finanzausgleichsgesetz 2001, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesstraßengesetz 1971, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das ASFINAG-Gesetz, das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden und das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen erlassen wird (Bundesstraßen-Übertragungsgesetz) in der Fassung des Ausschussberichtes (1023 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel 4 (Änderung des Bundesstraßengesetzes 1971) Z 28 lautet im Verzeichnis 1, Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), die Beschreibung der Strecke der A 10 Tauern Autobahn:

"Knoten Salzburg (A 1) – Altenmarkt/Pongau – Katschbergtunnel – Knoten Spittal-Millstätter See – Knoten Villach (A 2, A 11), einschließlich Knoten Pongau – Bischofshofen (ehemalige B 164, ehemalige B 311) sowie einschließlich Lieserhofen (ehemalige B 98) – Knoten Spittal-Millstätter See – Lendorf (ehemalige B 100)"

2. Im Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes ) hat Z 1 zu lauten:

"1. Artikel II § 8 lautet:

"§ 8. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft wird ermächtigt, im Bereich der Gemeinde Erl Kosten für die Errichtung einer Lärmschutzwand entlang der Autobahn Rosenheim – Kiefersfelden auf deutschem Staatsgebiet zu übernehmen.""

3. Nach dem neuen Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes) Z 1 ist folgende Z 2 einzufügen:

"2. Im Artikel II § 16 entfällt die Wortfolge "6, 8 und"."

4. Im Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes ) erhält die bisherige Z 1 die Bezeichnung "3".


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95. Sitzung / Seite 187

5. Im Artikel 7 (Änderung des Änderung des ASFINAG-Gesetzes ) erhält die bisherige Z 2 die Bezeichnung "4" und lautet:

"4. Im Artikel XI § 2 wird die Wortfolge "14, 15 und 16" ersetzt durch die Wortfolge "6, 14, 15 und 16", wird die Wortfolge "2 Abs. 2, 9 und 10" ersetzt durch die Wortfolge "2 Abs. 2, 8, 9 und 10" und entfällt die Wortfolge "hinsichtlich des Artikel IX § 1 bis 3 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, hinsichtlich des Artikel IX § 4 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, hinsichtlich des Artikel IX § 5 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit" samt folgendem Beistrich."

6. Im Artikel 9 entfällt die Ziffer 5.

7. Im Artikel 11 (Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000) Z 3 wird nach dem Wort "Bundesminister" die Wortfolge "/der Bundesministerin" eingefügt.

8. Artikel 11 (Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000) Z 4 lautet:

"4. § 46 werden folgende Abs. 14 bis 17 angefügt:

"(14) Die §§ 23a und 24h Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2002 treten mit 1. April 2002 in Kraft.

(15) Für Vorhaben, die durch das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. XXXX/2002 Art. 5, in die Zuständigkeit der Länder übertragen werden und für die bereits vor dem 15. Februar 2002 eine Verordnung gemäß § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 erlassen wurde, ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung und kein konzentriertes Genehmigungsverfahren nach diesem Bundesgesetz durchzuführen. Für noch nicht rechtskräftig erteilte Genehmigungen im Sinn des § 2 Abs. 3 gilt § 24h Abs. 5 sinngemäß. Soweit die Ergebnisse einer bereits nach den §§ 24a bis 24f dieses Bundesgesetzes durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung nicht im Sinn des § 24h Abs. 5 in eine Genehmigung gemäß § 2 Abs. 3 einfließen, sind die sich aus der Verordnung gemäß § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 ergebenden Vorgaben einzuhalten. § 24h Abs. 6 erster und zweiter Satz gelten sinngemäß, die Bestimmungen der §§ 18 bis 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 sind anzuwenden. Eine Abnahmeprüfung gemäß § 20 ist nicht durchzuführen; für die Nachkontrolle ist § 24h Abs. 7 sinngemäß anzuwenden.

(16) Für sonstige Vorhaben, die durch das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. XXXX/2002 Art. 5, in die Zuständigkeit der Länder übertragen werden und für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach den §§ 24a bis 24f dieses Bundesgesetzes durchgeführt wurde, ist keine neuerliche Umweltverträglichkeitsprüfung und kein konzentriertes Genehmigungsverfahren nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, wenn die Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung in einem straßenbaurechtlichen Genehmigungsbescheid oder einer straßenrechtlichen Trassenverordnung sicher gestellt und gegen diesen Rechtsakt ein dem § 24 Abs. 11 gleichwertiger Rechtsschutz gewährt wird. Für noch nicht rechtskräftig erteilte Genehmigungen im Sinn des § 2 Abs. 3 gilt § 24h Abs. 5 sinngemäß. Soweit die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht im Sinn des § 24h Abs. 5 in eine Genehmigung gemäß § 2 Abs. 3 einfließen, sind die sich aus einer straßenrechtlichen Trassenverordnung ergebenden Vorgaben einzuhalten. § 24h Abs. 6 erster und zweiter Satz gelten sinngemäß, die Bestimmungen der §§ 18 bis 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 sind anzuwenden. Eine Abnahmeprüfung gemäß § 20 ist nicht durchzuführen; für die Nachkontrolle ist § 24h Abs. 7 sinngemäß anzuwenden.

(17) Für Vorhaben, die durch das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. XXXX/2002 Art. 5, in die Zuständigkeit der Länder übertragen werden und auf die der Bundesminister/die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie § 24 Abs. 3 angewendet hat, ist keine neuerliche Einzelfallprüfung durchzuführen. Die Bestimmung des § 3 Abs. 7 über das Feststellungsverfahren ist nicht anzuwenden.""


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95. Sitzung / Seite 188

Begründung:

Zu Z 1:

Zur Klarstellung wird die bereits unter Verkehr stehende Strecke Knoten Pongau – Bischofshofen (ehemalige B 164, ehemalige B 311) in die Beschreibung der Strecke der A 10 Tauern Autobahn aufgenommen. Es handelt sich um eine Zubringerstrecke, in der eine Halbanschlussstelle situiert ist.

Zu Z 2:

Im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 31. Jänner 2002, in der die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht werden, ihre Bemühungen hinsichtlich einer Errichtung der Lärmschutzwand Erl fortzusetzen und im Rahmen ihrer Kompetenzen dafür Sorge zu tragen, dass der Bau so rasch wie möglich begonnen werden kann, wird das ASFINAG-Gesetz um eine Regelung über die Ermächtigung der Übernahme von Kosten für diese Baumaßnahme durch die ASFINAG ergänzt.

Zu Z 3 bis 5:

Es handelt sich um redaktionelle Änderungen, die sich aus der Neufassung des Artikel 7 Z 1 ergeben.

Zu Z 7 und 8:

Die im Initiativantrag vorgesehenen Übergangsbestimmungen zum UVP-G 2000 sollen klarer und besser vollziehbar gestaltet werden.

Die Trassenverordnung stellt für die betroffenen Vorhaben bisher den wichtigsten Genehmigungsakt dar, in dem die UVP hauptsächlich berücksichtigt wird und gegen den aus diesem Grund den Formalparteien (Umweltanwalt, Gemeinden, wasserwirtschaftliches Planungsorgan, Bürgerinitiativen) Rechtsschutz in Form der Beschwerdebefugnis beim Verfassungsgerichtshof gewährt wurde (§ 24 Abs. 11 UVP-G 2000). Die Übergangsbestimmungen der Abs. 15 und 16 stellen einerseits sicher, dass auch weiterhin ein grundsätzlicher Genehmigungsakt existiert, in dem die UVP umzusetzen ist und andererseits, dass der bisher gewährte Rechtsschutz der Formalparteien erhalten bleibt.

Abs. 15 betrifft jene Vorhaben, in dem bereits vor längerer Zeit eine Trassenverordnung nach § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 erlassen wurde. Hier erscheint eine Überleitung der Beschwerdebefugnis nicht mehr erforderlich.

Abs. 16 betrifft Vorhaben, für die eine solche Trassenverordnung erst kurz vor Inkrafttreten des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes oder nicht mehr erlassen wird. Für diese Fälle ist sicher zu stellen, dass ein grundlegender Genehmigungsakt vorgesehen ist, in den die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung in europarechtskonformer Weise einfließen. Dies kann eine Trassenverordnung sein (und zwar eine solche gemäß § 4 Bundesstraßengesetz 1971, die landesrechtlich weiter gilt oder eine Verordnung gemäß Landesstraßenrecht) oder ein landes(straßen)rechtlicher Genehmigungsbescheid. Gegen diese Rechtsakte muss ein gleichwertiger Rechtsschutz bestehen wie derzeit gemäß § 24 Abs. 11 UVP-G 2000. Bei einem Bescheid wird dies etwa durch die Anwendung des § 24h Abs. 5 bereits gewährleistet (dieser Bescheid ist den Formalparteien des UVP-G 2000 zuzustellen; diese haben die Möglichkeit, Berufung bzw. Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.). Sind nach den anzuwendenden Materiengesetzen weitere Genehmigungen zu erteilen, so haben die Ergebnisse der UVP auch in diese Genehmigungen einzufließen und es gelten die zusätzlichen Genehmigungskriterien des UVP-G 2000 ebenso wie für den straßenrechtlichen Genehmigungsakt.

Abs. 15 und Abs. 16 stellen gleich lautende Erfordernisse für die Trassenverordnungen und Genehmigungsakte auf, die den Erfordernissen für Bundesstraßenvorhaben nach dem 3. Abschnitt des UVP-G 2000 entsprechen.


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95. Sitzung / Seite 189

§ 46 Abs. 17 UVP-G 2000 ermöglicht die Vermeidung einer nochmaligen Durchführung einer Einzelfallprüfung für Vorhaben, bei denen bereits entsprechend § 24 Abs. 3 UVP-G 2000 vorgegangen wurde.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1023 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen den soeben besprochenen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Falls sich dagegen kein Einwand erhebt, ersuche ich jene, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist neuerlich die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer zentralen Koordinationsstelle.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 125.)

12. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (927 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (1020 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (968 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 geändert wird (1021 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 598/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (1022 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 bis 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.


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95. Sitzung / Seite 190

20.26

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir heute eine Änderung des Einkommensteuergesetzes beschließen, mit der auch die Problematik der Besteuerung von Pensionsabfindungen der Vorarlberger Grenzgänger gemildert, wenn auch nicht beseitigt wird, dann wird dies von meiner Fraktion ausdrücklich begrüßt. Meine Damen und Herren! Das freut uns, weil Sie mit dieser Gesetzesvorlage den Beweis dafür erbringen, dass Sie offensichtlich selbst zu der Erkenntnis gekommen sind, dass die noch kurz geltende gesetzliche Regelung eine höchst ungerechte Besteuerung der Grenzgänger in Vorarlberg war beziehungsweise ist.

Ich befinde mich diesbezüglich doch in prominenter Gesellschaft, denn auch der Herr Finanzminister hat anlässlich seines Aufenthaltes in Vorarlberg am 1. Dezember vorigen Jahres in Anwesenheit der Vertreter der Grenzgänger festgestellt, dass die derzeit gültige Regelung unbefriedigend und für die Betroffenen ungerecht sei. – Daher ist es umso erfreulicher, dass wir heute aus unserer Sicht zumindest eine Teilregelung beschließen können.

Herr Kollege Böhacker! Es hat das nichts mit Aufhussen zu tun, sondern ist eigentlich nur das Ausschöpfen legaler demokratischer Möglichkeiten, damit die davon betroffene Gruppe der Vorarlberger Grenzgänger wirklich zu ihrem Recht gekommen ist.

Ich glaube, Sie haben heute einen offenen Brief dieser Gruppe bekommen, in welchem klargestellt wird, dass sie in dieser Angelegenheit nicht nur die SPÖ, sondern auch die FPÖ und natürlich auch den Landeshauptmann angesprochen hat und dass es auch von dieser Seite Rückendeckung für die heutige gesetzliche Änderung gegeben hat.

Abschließend darf ich sagen, dass wir dieser gesetzlichen Regelung natürlich zustimmen werden. Wir betrachten dies allerdings nur als den ersten Schritt in die richtige Richtung.

Ich habe bereits im Ausschuss angekündigt, dass ich dazu folgenden Antrag einbringen werde:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Finanzausschusses (1020 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (927 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird.

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Novelle zum Einkommensteuergesetz vorzulegen, mit dem die massive Verschlechterung der Altersvorsorge der Grenzgänger rückgängig gemacht und die bis zum Budgetbegleitgesetz 2001 geltende Rechtslage wiederhergestellt wird."

*****

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz etwas erwähnen, weil das für die heutige Situation so bezeichnend ist, nämlich einen Artikel aus – Sie werden es nicht glauben, Herr Böhacker! – der Zeitung der Wirtschaftskammer vom 22. Februar mit dem Titel "Maßnahmen zur Verringerung der Grenzgängerzahl in Vorarlberg". Das ist wirklich signifikant für die Situation. Ich zitiere einen Punkt aus diesem Artikel:

"Eine Besteuerung der Pensionen von Grenzgängern in Vorarlberg wird gegenwärtig diskutiert. Dies würde die Attraktivität der Arbeitsplätze jenseits der Grenze für Vorarlberger Arbeitskräfte mindern."

Ich glaube, das muss nicht mehr kommentiert werden! Ich finde, dass in diesen Zeiten – wir haben etwa heute Nachmittag den EU-Konvent und dergleichen diskutiert – solche Äußerungen in einer Zeitung der Wirtschaftskammer weder angebracht noch zeitgemäß sind, meine Damen und Herren!


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Kollege Kukacka – und jetzt komme ich wirklich zum Schluss – hat gestern erwähnt, dass diese Bundesregierung keinen "blauen Brief" aus Brüssel erhalten hat. Dafür wird sie aber alsbald die Rote Karte der Wählerinnen und Wähler dieses Landes erhalten, und das ist für mich natürlich eine sehr gute Perspektive, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

20.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht auch in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit mit zur Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

20.30

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Lackner! Der Ankündigung Ihrer Zustimmung zu dieser Einkommensteuergesetznovelle entnehme ich, dass Sie unseren Antrag als durchaus richtig, zielführend und der Sachlage angemessen anerkennen. Es ehrt Sie, dass Sie und Ihre Fraktion das so sehen!

Allerdings, Herr KoIlege Lackner, Ihrem Entschließungsantrag werden wir nicht die Zustimmung erteilen, und ich möchte Sie bitten: Lassen Sie die Kirche im Dorf! Ich darf Sie daran erinnern, dass ab 2001 die Steuerbegünstigungen für Pensionsabfindungen für ausländische und inländische Arbeitskräfte gefallen sind. Als Übergangslösung gab es 2001 die Vorgangsweise, dass 25 Prozent steuerfrei waren. (Zwischenruf des Abg. Lackner. )

Herr Kollege Lackner, passen Sie bitte auf! Nunmehr wird diese Einkommensteuergesetz-Novelle dazu führen, dass Pensionsabfindungen zu einem Drittel steuerfrei sind, und zwar im Gegensatz zu inländischen Pensionsabfindungen, die voll steuerpflichtig sind und gemeinsam mit anderen laufenden Bezügen versteuert werden. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Was Sie wollen, wäre eine Diskriminierung der inländischen Bezieher von Pensionsabfindungen! Oder wollen Sie etwa jene Manager bevorzugen, die in der Vergangenheit enorme Pensionsabfindungen bekommen haben, wie etwa der BAWAG-Chef Helmut Elsner, der sich seine Pensionsansprüche mit 50 Millionen Schilling abfertigen ließ, und zwar noch rechtzeitig, bevor die neue Regelung in Kraft getreten ist? (Abg. Dr. Jarolim: Er hat keine Ahnung! – Abg. Parnigoni: Das ist blanke Unwissenheit!)

Er hat sich dadurch insgesamt 12,5 Millionen Schilling an Steuern erspart, das entspricht in etwa dem Jahresbezug von 100 österreichischen Durchschnittsrentnern! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Wenn das Ihr Wollen ist, dann sagen Sie es laut! (Zwischenruf des Abg. Lackner. ) Sie wollen den halben Steuersatz für alle Pensionsabfindungen haben, das ... (Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich würde bitten, keine Parallelreden zu den Ausführungen des Redners zu halten! Gegen einen Zwischenruf oder mehrere Zwischenrufe ist nichts einzuwenden. (Zwischenruf des Abg. Lackner. ) Herr Abgeordneter Lackner, Sie hatten bereits die Gelegenheit zu reden. Wenn wirklich parallel Reden gehalten werden, dann führt das dazu, dass der Redner in seinen Möglichkeiten beeinträchtigt wird.

Ich bitte Herrn Abgeordneten Böhacker, jetzt fortzusetzen.

Abgeordneter Hermann Böhacker (fortsetzend): Kollege Lackner will die geltende Rechtslage vor 2001 wiederhergestellt haben, mit anderen Worten: Er will den halben Steuersatz für alle Pensionsabfindungen, damit sich der BAWAG-Chef 12,5 Millionen Schilling an Steuern erspart, und zwar zu Lasten der kleinen Pensionsabfindungsbezieher. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lackner. )

Zusammenfassend kann ich sagen: Diese Einkommensteuergesetz-Novelle entspricht der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, sie ist gerecht und fair und stellt einen Gleichklang zwischen


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95. Sitzung / Seite 192

jenen Beziehern von Pensionsabfindungen her, die im Inland arbeiten, und jenen, die in der Schweiz oder in Liechtenstein arbeiten. Was Sie machen, wäre eine Diskriminierung der österreichischen Arbeitnehmer! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

20.34

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Meine Damen und Herren! Die Regelung, die wir jetzt beschließen, ist für österreichische Arbeitnehmer, die in Österreich arbeiten, und österreichische Arbeitnehmer, die in der Schweiz arbeiten, vollkommen gleichwertig.

Wir legen sehr viel Wert darauf, dass eine gleichwertige Regelung für alle Arbeitnehmer, ob sie nun in der Schweiz oder hier bei uns in Österreich arbeiten, zustande kommt. Diese Regelung sieht vor, dass Abfindungen aus gesetzlichen Pensionen, etwa auch Abfindungen an Witwen, die eine Pensionsabfindung erhalten, steuerlich begünstigt sind.

Herr Lackner, mit Ihrem Vorschlag würden die Grenzgänger einseitig begünstigt werden, und das können und dürfen wir nicht akzeptieren! Ich bedauere, dass ÖGB-Vertreter, insbesondere Herr Loacker, immer wieder für eine einseitige Begünstigung jener österreichischen Arbeitnehmer eintreten, die im Ausland arbeiten, und zwar zum Schaden der Arbeitnehmer, die in Österreich arbeiten. Das können wir nicht akzeptieren, und das werden wir auch in Zukunft nicht akzeptieren. Da können Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, unternehmen, was Sie wollen! Ich bedauere wirklich, dass die Gewerkschafter nicht mehr auf die Österreicher, die in Österreich arbeiten, schauen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir sind sehr froh darüber, dass diesbezüglich eine gerechte Lösung gefunden wurde, die alle gleich berücksichtigt, auch jene, die sich nicht abfinden lassen, sondern eine Rente aus der Schweiz beziehen. Meine Damen und Herren! Auch diesbezüglich waren die bisherigen Bestimmungen ungerecht. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Herr Finanzminister außer Dienst! Sie müssten von früher wissen, dass nach der früheren Regelung bestimmte Gruppen ungleich behandelt worden sind. – Insgesamt stimmen wir diesem Gesetz gerne zu, weil es fair und gerecht ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

20.36

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wir werden der letztgenannten Vorlage, die Kollege Feurstein erwähnt hat, zustimmen, wir werden auch der Bestimmung betreffend die Geldfälscher zustimmen, und wir werden auch dem dritten Gesetz, das da unter einem diskutiert wird, zustimmen, das noch nicht erwähnt wurde.

Das führt mich zu einer simplen Feststellung, die insofern zur Sache passt, als ich unser Zustimmungsverhalten noch einmal erklären möchte: Wenn wir die letzten zwei Tage Revue passieren lassen, dann ist festzustellen, dass es geradezu als Majestätsbeleidigung interpretiert worden ist, dass ein Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung gestellt wurde. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist vernünftig!) Es wurde von "Fundamentalopposition" geredet, und was weiß ich, was alles hier vorgeworfen wurde. Herr Kollege Khol! Wenn Sie mir bitte kurz Ihre Aufmerksamkeit leihen. – Noch ist er sehr vertieft. – Es wurde also von Fundamentalopposition gesprochen und so getan, als sei ein Misstrauensantrag beziehungsweise dessen Einbringung hier im Hause etwas Böses.

Davon ist relativ wenig richtig, wenn man betrachtet, wie sich die Opposition tatsächlich verhält. Dort, wo es aus Überzeugung zuzustimmen gilt, wird das auch geschehen. Das war heute sogar bei Verfassungsbestimmungen der Fall. In einem Fall haben heute die Grünen zugestimmt, und gestern erfolgte in einem zweiten Fall die Zustimmung der SPÖ. – Daher ist es


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völlig unglaubwürdig, wenn Sie hier von Diskussionsverweigerung sprechen und dauernd behaupten, die Opposition hätte keine Konzepte und Ähnliches mehr.

Heute wurde dieses Verhalten hinsichtlich der Einstimmigkeit bei der Finanzmarktaufsicht vom Kollegen Staatssekretär mit der Feststellung gelobt, dass das ein Tag des Parlaments, ein guter Tag des Parlaments ist. – Dem kann ich mich am Abend leider nicht anschließen: Es war ein schlechter Tag für das Parlament! (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht der ganze Tag!) Warum war es ein schlechter Tag für das Parlament? – Es war deshalb ein schlechter Tag für das Parlament, weil der alte von mir sehr geschätzte parlamentarische Haudegen Andreas Khol hier ein parlamentarisches Instrument im wahrsten Sinne des Wortes instrumentalisiert hat, um etwas anderes zu verhindern. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist nicht wahr!)

Herr Kollege Khol! Das Problem ist nicht die Tatsache, dass ein Dringlicher Antrag bestimmten Inhaltes gestellt wurde, sondern das Problem ist der Zeitpunkt. Dieser Antrag wäre fast an jedem Tag des Jahres dringlich und gut gewesen, er war es aber mit Sicherheit nicht am heutigen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr lasst euch furchtbar leicht ärgern!) Viel besser wäre er gestern gewesen, auch hinsichtlich der Dringlichkeit.

Herr Staatssekretär! Deshalb kann ich das nicht gelten lassen. Es war kein guter Tag für das Parlament! Ich sage: Die Opposition ist dort konstruktiv und stimmt dann nach ihrem Gewissen zu, wenn es so zu handeln gilt, nicht aber dann, wenn es Ihnen passt. Das wollte ich bei dieser Gelegenheit noch anbringen. Die parlamentarische Kooperation wird hoffentlich weitergehen. Was Sie jedoch heute hier gemacht haben, empfinde ich als sehr enttäuschend! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.39

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Mein Vorredner sprach von einem Dringlichen "Antrag". – Es wurde jedoch eine Dringliche Anfrage gestellt. Damit ist alles gesagt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung , die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, samt Titel und Eingang in 927 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die einstimmige Annahme.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme fest. Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Situation der Grenzgänger.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 geändert wird, samt Titel und Eingang in 968 der Beilagen.


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95. Sitzung / Seite 194

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dafür sind, um ein dementsprechendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme fest. Der Gesetzentwurf ist damit auch in der dritten Lesung angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird, samt Titel und Eingang in 1022 der Beilagen abstimmen.

Ich ersuche all jene Mitglieder, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist neuerlich die einstimmige Annahme. Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

15. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (771 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Kirgisischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1015 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (831 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Bundesregierung der Bundesrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen (1016 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (901 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1017 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 bis 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Der Berichterstatter hat auf eine Wortmeldung verzichtet. Andere Wortmeldungen liegen mir zumindest im Moment noch nicht vor. – Wie ich höre, gibt es doch eine Wortmeldung. Ich warte noch, wer es ist. – Nein, es gibt nun doch keine Redner zu diesen Punkten der Tagesordnung.

Die Debatte ist damit weder eröffnet noch geschlossen, und wir kommen sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen mit der Kirgisischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll in 771 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.


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95. Sitzung / Seite 195

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen mit der Bundesregierung der Bundesrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen in 831 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen mit Georgien über die Förderung und den Schutz von Investitionen in 901 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme fest.

18. Punkt

Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission betreffend mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen beziehungsweise Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen beziehungsweise durch Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende (1004 und Zu 1004 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen damit zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Ich erteile es ihr hiemit.

20.46

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte eingangs betonen, dass die Beratungen in der Enquete-Kommission in einem sehr sachlichen Klima, in einer sehr sachlichen Atmosphäre stattgefunden haben und dass es daher auch gelungen ist, zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen, zu dem ich kurz Stellung nehmen möchte.

Im ersten Bereich, mit dem sich die Enquete-Kommission zu befassen hatte, beim Thema Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen, ist es darum gegangen, ob gesetzliche Beschränkungen in diesem Zusammenhang notwendig sind. Wir haben die Auffassung vertreten, dass kein Handlungsbedarf besteht, zum einen aus sehr grundsätzlichen Erwägungen, weil hier nämlich die Frage der Pressefreiheit zu bewerten ist und, jedenfalls aus unserer Sicht, die Wahrung der Pressefreiheit Vorrang hat und wir uns gegen jeden Versuch stellen wollen, eine Einschränkung der Pressefreiheit wo auch immer vorzunehmen.

Zum Zweiten hat sich auch die Frage der Sinnhaftigkeit einer derartigen Maßnahme gestellt, weil die Befürchtung der Beeinflussung durch Meinungsumfragen sozusagen eine sehr relative ist. Meiner Meinung nach entsteht die Beeinflussung in diesem Zusammenhang nicht durch die Veröffentlichung von Zahlen, sondern durch die Bewertung dieser Zahlen einerseits in Aussagen von Politikern, die dadurch eine bestimmte Dynamik im Wahlkampf entfachen, und andererseits durch das Einfließenlassen in Kommentare von Journalisten, die auch eine entsprechende Dynamik in einen Wahlkampf in den letzten Tagen hineinbringen können.

Diese Aussagen von uns Politikern und der Journalisten kann man natürlich auch dann nicht verhindern, wenn die Zahlen nicht in den Zeitungen stehen. Das soll man auch nicht. Daher stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit, und dementsprechend ergibt sich aus unserer Einschätzung kein Handlungsbedarf.

Was wir sehr wohl diskutiert haben, auch mit den Experten, die seitens der Medienvertreter dort gesprochen haben, ist, dass es durchaus Sinn machen kann, zu freiwilligen Vereinbarungen der Medienvertreter zu kommen, dass sich die Medienvertreter freiwillig auf selbstgesetzte


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Spielregeln hinsichtlich der Veröffentlichung von Meinungsumfragen einigen. Dahin gehen jetzt auch die gemeinsamen Empfehlungen der Enquete-Kommission, dass wir den Medienvertretern empfehlen, sich an solche Richtlinien bei der Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen zu halten, die dem Leser, der Leserin die Bewertung, die Interpretation dieser Daten erleichtern sollen.

Zum Zweiten empfehlen wir die Einsetzung eines Weisenrates, der die Einhaltung dieses Abkommens, dieser Spielregeln auf freiwilliger Basis überwachen soll.

Zum zweiten Bereich, mit dem sich die Enquete-Kommission zu befassen hatte, zur Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teilergebnissen vor Wahlschluss am Wahltag: Dazu ist festzuhalten, dass unsererseits der Gedanke die Diskussion geleitet hat, dass am Wahltag alle Wähler auf Basis des gleichen Zugangs, der gleichen Zugangsmöglichkeiten zur Information entscheiden können sollen. Auch wenn selbstverständlich klar ist, dass immer mehr Wähler strategisch entscheiden wollen, soll trotzdem der Wähler oder die Wählerin, die in der Früh wählt, und der, der am Abend wählt, auf Basis der gleichen Informationsmöglichkeiten entscheiden können.

Daher wurde diskutiert, ob es sinnvoll ist, bei der Weitergabe der Daten anzusetzen beziehungsweise bei den Wahllokalen, bei der Auszählung oder beim einheitlichen Schließen der Wahllokale. Das einheitliche Schließen der Wahllokale wäre an sich eine grundsätzlich überlegenswerte Maßnahme, allerdings wurden dagegen seitens der Medienvertreter beachtenswerte Einwände vorgebracht, wie zum Beispiel, dass sie dann die Hochrechnungen nicht entsprechend veröffentlichen können und dass die Printmedien dann Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung der Wahlergebnisse am nächsten Tag hätten.

Ebenso wurden Probleme der Landgemeinden genannt, was sozusagen die Gewohnheit, in der Früh zu wählen, betrifft, beziehungsweise die Problematik der Pendler, die dann nicht mehr die Möglichkeit hätten, am Abend in ihrer Gemeinde zu wählen. In der Diskussion wurde von anderen Fraktionen eine Gewährleistung dieser Möglichkeiten durch Briefwahl in Aussicht gestellt. Gegen die Einführung der Briefwahl bestehen aber nach wie vor grundsätzliche Vorbehalte seitens der sozialdemokratischen Fraktion.

Daher lauten die Empfehlungen, dass die gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen ausreichend sind, dass man bis Ende des allgemeinen Wahlschlusses die Daten nur einem beschränkten Kreis weitergeben soll und dass dem, der gegen die Vereinbarung verstößt, dass Ergebnisse nicht vorzeitig zu veröffentlichen sind, der Zugriff auf die Daten entzogen wird.

Ich denke, dass das sehr gute Ergebnisse dieser Enquete-Kommission sind.

Zum Schluss möchte ich mich auch noch bei den zahlreichen Experten und Expertinnen bedanken, die uns bei den Beratungen in dieser Enquete-Kommission zur Verfügung gestanden sind und die durch die viele Zeit und die Informationen, die sie uns gegeben haben, sehr maßgeblich zu diesem Ergebnis beigetragen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

20.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wochesländer. – Bitte.

20.52

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Meiner Fraktion, der ein Mitglied wie Dr. Michael Krüger angehört, der wirklich ein Medienrechtsexperte ist, war es von Anfang an klar, dass ein direktes gesetzliches Verbot der Veröffentlichung von Meinungsumfragen sicherlich keine Berechtigung hat, denn das wäre wirklich eine Einschränkung der Medien- und Pressefreiheit.

Auf der anderen Seite aber – ich bin selbst Kommunikationswissenschaftlerin – gehe ich schon davon aus, dass gerade die Veröffentlichung von Meinungsumfragen speziell vor Wahlen, aber natürlich auch die Veröffentlichung der Momentergebnisse kurz vor Wahlende doch eine Gefahr


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in sich birgt, nämlich die Gefahr, dass man sich nicht eine Meinung bilden kann, sondern dass eine Meinungsbeeinflussung vor sich geht.

Ich muss da leider Gottes auch auf eine Zeitung verweisen, und das habe ich auch in der Enquete-Kommission offiziell getan und sage das auch hier explizit: Wenn ich zum Beispiel "NEWS" hernehme: Wie sieht es dort mit den Meinungsumfragen aus? Da gibt es natürlich eine Vielzahl dieser Tortendiagramme, Skalen und Tabellen. Daneben wird dann hingeschrieben, was das Zeug hält, und natürlich auch so viel veröffentlicht wie nur möglich, denn das steigert ja die Auflage. In den Kommentaren wird aber eigentlich nicht das wiedergegeben, was der Konsument, der Rezipient wissen muss, um sich wirklich ein Bild machen zu können: nämlich die Art der Meinungsbefragung.

Das ist das große Minus bei all diesen Geschichten, denn so kann man beeinflusst werden, ohne dass man weiß, worum es wirklich geht. Gerade das muss man wegzubekommen versuchen. Wie sieht es denn bei "NEWS" wirklich aus? – Da wird dann kommentiert, was sich die Herren Pelinka, Worm und dergleichen sozusagen von der Politik wünschen. Und das kann eine Meinungsumfrage ja wohl nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und des Abg. Kiss. )

Ich muss schon sagen, die Seriosität solcher Magazine bei Meinungsumfragen wird meist nur so gewahrt, dass ein von mir wirklich hoch geschätzter Meinungsforscher wie Dr. Karmasin vom Gallup-Institut auch einbezogen wird, und dessen Aussagen sind dann sozusagen der Seriositätsbeweis.

Meine Damen und Herren! Die Enquete-Kommission, und da darf ich mich den Ausführungen von Frau Kuntzl anschließen, ist wirklich in einer gesitteten Weise zu einem Ergebnis gekommen. Ich darf nur berichtigen: Experten waren zwar viele da, aber – und Frau Petrovic hat das auch gleich bemerkt – Frauen waren wenige da, das heißt, in der Meinungsforschung sind sie unterrepräsentiert, wenn ich mich auch einmal auf die Frauenseite stellen darf.

Auf der anderen Seite ist es so, dass es angesichts dessen, was da heute veröffentlicht wird, nur eine genaue Beobachtung geben kann, nämlich eine Beobachtung, was da vor sich geht. Dafür hat es eben in Schlagworten – ich will jetzt nicht noch einmal Frau Kuntzl zitieren – folgende Trennung gegeben: eine Splittung zwischen der Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen beziehungsweise die frühzeitige Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen. Und genau diese Splittung erbringt auch das, was notwendig ist, nämlich eine differenzierte Regelung beziehungsweise differenzierte Empfehlungen an jene, die involviert sind, nämlich die Demoskopen und die Medienleute.

Bezüglich der Veröffentlichung vor Wahlen im Zeitraum von drei, vier Wochen oder etwas mehr dürfte es eigentlich nur eine Chance geben, und zwar die, dass sich ein Weisenrat konstituiert und dieser dann auf die Einhaltung der Richtlinien von ESOMAR, einem führenden Institut, das für diesen Bereich Richtlinien ausgearbeitet hat, achtet.

Anders ist es dagegen bei der frühzeitigen Veröffentlichung von Meinungsumfragen am Wahltag selbst, für die ja die Wirkungsforschung die größten Möglichkeiten zur Beeinflussung konstatiert, wenn man sich beispielsweise amerikanische Ergebnisse ansieht. Da muss es auf jeden Fall so weit kommen, dass gesetzliche Regelungen zwar nicht notwendig sind, dass aber doch das gesetzliche Wahlende in Wahllokalen beziehungsweise Auszählungsvarianten entsprechend geregelt werden. Hierbei muss es zu einer Absprache zwischen den Städten und Gemeinden kommen, die ja damit befasst sind.

Auf eines darf ich noch hinweisen: Es gibt selbstverständlich auch im Ausland, etwa in den Ländern der Europäischen Union, Veröffentlichungsverbote: in Frankreich beispielsweise eine Woche, in Italien und Griechenland 15 Tage, in Luxemburg sogar einen Monat und in Spanien fünf Tage vor der Wahl. Dabei darf sicherlich auch nicht übersehen werden, was auf uns im Rahmen der EU noch zukommen könnte, weswegen wir gut beraten sind, keine gesetzlichen Regelungen für diesen Bereich zu schaffen.


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Zu erwähnen ist noch, dass Anfang Oktober vorigen Jahres in Frankreich der Cour de cassation, der dem Obersten Gerichtshof gleichkommt, ein Verbot der Veröffentlichung von Umfragen als nicht konform mit der Europäischen Menschenrechtskonvention bezeichnet hat. Ich meine, dass in unsere Entscheidungsüberlegungen auch einbezogen werden muss, wie es dort weitergehen wird.

Trotzdem sollte nicht verabsäumt werden, Meinungsforscher wie Medien immer wieder daran zu erinnern, dass bindende Qualitätsstandards und Validitätskriterien der Berichterstattung oberstes Gebot in einer Demokratie sein müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.57


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer ist die nächste Rednerin. – Bitte.

20.58

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg möchte ich noch einmal daran erinnern, was eigentlich der Grund für die Einsetzung dieser Enquete-Kommission war: Es waren die letzten Wahlen, und initiiert wurde das von den Regierungsparteien. Wir wollten abseits der Tagespolitik mit Experten so sachlich wie nur irgend möglich ohne parteipolitisches Hickhack eine für die demokratische Qualität unserer Meinung nach wichtige Frage sehr lange und sehr ausführlich erörtern. Das ist, denke ich, dieser Enquete-Kommission wirklich gelungen. Dafür gebührt allen Teilnehmern auch Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben eine Vielzahl von Experten, Meinungsforschern, Wirkungsforschern, Hochrechnern und auch viele Medienvertreter eingeladen, die außerordentlich engagiert diskutiert haben und die auch – Sie können das nachlesen – hervorragende Beiträge geliefert haben, die noch für viel Diskussion sorgen werden und mit denen man sich auseinander setzen kann und sollte.

Wir wollten die Wirkungen von Meinungsforschung und frühzeitiger Bekanntgabe von Wahlergebnissen durchleuchten und Konsequenzen für die Politik herausarbeiten. Letztlich ist herausgekommen – meine beiden Vorrednerinnen haben auch schon darauf hingewiesen –, dass wir einhellig der Meinung waren, es sollten keine gesetzlichen Maßnahmen vorgesehen werden, sondern Maßnahmen auf freiwilliger Basis. Das, so meine ich, ist ein gutes Ergebnis.

Wir wollen auch qualitätshebende Maßnahmen. Unser Appell geht an alle Beteiligten, natürlich auch an die Medien, für die diese Veröffentlichungen ja auch ein wichtiger Teil ihrer Unternehmenspolitik sind, mit der nötigen Verantwortung und Sorgfalt vorzugehen. Wir empfehlen daher die Einrichtung eines Weisenrates, und ich hoffe, dass dieser Weisenrat auch zustande kommen wird. Da alle Medienvertreter, die bei uns waren, sich im Prinzip für diese Qualitätskriterien und für freiwillige Maßnahmen ausgesprochen haben, bin ich eigentlich guter Hoffnung, dass das wirklich zustande kommen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Fallent. )

Abschließend möchte ich noch ganz kurz den Beginn dieser Enquete-Kommission rekapitulieren. Ich kann mich gut daran erinnern, dass es relativ schrille, sehr schrille Töne und auch Verdächtigungen seitens der Opposition gegeben hat, dass das wieder ein Anschlag der Koalitionsparteien auf die Meinungsfreiheit sein und Zensur ausgeübt werden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nichts davon ist der Fall, und das, so meine ich, sollten wir schon auch feststellen. Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, über Standards zu reden und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Thema zu betreiben, und genau das haben wir dann auch getan. Ich hoffe, dass es in Zukunft gelingen wird, bevor Sie "Zensur!" und "Angriff auf die Meinungsfreiheit!" schreien, sich sachlich mit uns auseinander zu setzen und uns vielleicht auch ausnahmsweise einmal zu glauben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Mag. Stoisits ist die nächste Rednerin. – Bitte.

21.01

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herzlich willkommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube der Frau Dr. Baumgartner-Gabitzer sehr gerne. Aber, liebe Frau Doktor, Sie sollten sich auch mit derselben Ernsthaftigkeit, mit der ich oder wir gerne bereit sind, uns Ihren Argumenten anzuschließen, unsere Argumente anhören.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Vorrednerinnen und Vorredner waren ganz offenkundig Teilnehmer der Enquete-Kommission, was ich nicht gewesen bin. Ich spreche stellvertretend für Frau Dr. Petrovic, die unser Mitglied in der Enquete-Kommission war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde von allen, selbst von Frau Wochesländer, betont, dass das höhere Gut der Presse- und Meinungsfreiheit vor Reglementierungen und gesetzlichen Eingriffen geschützt bleiben soll und dass das einhellige Meinung der Expertinnen und Experten, aber auch der Politikerinnen und Politiker in der Enquete-Kommission war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Baumgartner! Ich bin wirklich sehr gerne bereit, das ernst zu nehmen. Aber die Opposition fordert das ohnehin, und darum gehen Ihre retrospektiv mahnenden Worte völlig fehl. Die Opposition fordert in erster Linie von jenen ein, die Meinungs- und Pressefreiheit ernst zu nehmen, die an den Hebeln der Macht sitzen, denn ich kann mich an keine Situation erinnern, in der die Minderheit in einem Land es tatsächlich fertig gebracht hätte, Presse- und Meinungsfreiheit ernsthaft zu bedrohen. Die Gefährdung von Presse- und Meinungsfreiheit geht heute – und das möchte ich auch noch erläutern, wo ich sie orte – von jenen aus, die die Macht im Staat haben. Und die Macht im Staat hat jetzt in Österreich Blau-Schwarz, meine sehr geehrten Damen und Herren. Darum fällt auch das, was Sie, Frau Dr. Baumgartner, als Verdacht von Seiten der Opposition geortet haben, auf Sie zurück, denn seit Einsetzen der Enquete-Kommission – und da braucht man nicht Mitglied gewesen zu sein, um das zu konstatieren – hat sich in diesem Land einiges im Zusammenhang mit Presse- und Meinungsfreiheit getan, aber nicht zum Positiven, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern ausschließlich zum Negativen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich nenne nur Stichworte, denn ich will meine Ausführungen so kurz wie möglich halten. Stichwort Posttarife für Zeitungen: Halten Sie das für eine Glanzleistung im Sinne von demokratischer Vielfalt, demokratischer Meinungsvielfalt, was die Bundesregierung und das Parlament in willfährigem Nachvollzug der Regierungsvorgaben hier getan haben? – Nun wahrlich nicht! Halten Sie es für eine Sternstunde der Presse- und Meinungsfreiheit, wenn Minister Böhmdorfer den berühmt-berüchtigten § 56 der StPO vorschlägt, in dem es darum geht, wirklich die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken? Meine sehr geehrten Damen und Herren! Halten Sie es für vertretbar, dass durch die Presseförderung Meinungsvielfalt und damit auch Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, indem sie nämlich auf eine bestimmte Art und Weise ausgeschüttet und betrieben wird und somit Einfluss genommen wird?

Ich weiß, dass über diese Dinge in der Enquete-Kommission nicht gesprochen wurde, und teile deshalb die Zustimmung zu den Ergebnissen, die dort im Zusammenhang mit Meinungsumfragen vor Wahlen erzielt wurden, voll und ganz. Ich meine auch, dass die Einhaltung von Spielregeln, um die es hier geht, und die Selbstkontrolle und Selbstbeschränkung der Medien, aber auch der Institute, die die Meinungsumfragen durchführen, und die Empfehlungen, die die Enquete-Kommission hiezu gegeben hat, sehr sinnvoll sind.

Ich gehe, liebe Frau Dr. Baumgartner, davon aus, dass der so genannte Weisenrat, den das Parlament empfiehlt, nicht ein Weisenrat, sondern ein WeisInnenrat sein wird, denn ich habe mit Freude gelesen, dass in den Empfehlungen explizit drinnen steht, dass man empfiehlt, dass ein Richter, eine Richterin und so weiter diesem Gremium angehören sollen. Und ich hoffe, dass sich, nachdem die Experten in der Kommission ausschließlich männlich waren – das kann


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man ja schön in diesem dicken Stenographischen Protokoll nachlesen –, das dann auch einmal umkehren wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

21.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

21.06

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen meiner Vorrednerin möchte ich wieder zur Sachlichkeit und zu den Empfehlungen der Enquete-Kommission zurückkehren. Aber eines möchte ich ihr schon mitgeben: Die Bedrohung der Meinungsfreiheit in diesem Land geht meiner Meinung nach einzig und allein von der Gesinnungsdiktatur der "political correctness" aus und nicht von irgendeiner Regierung oder vom Gesetzgeber. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Wesentlichen – das wurde bereits festgestellt – empfiehlt die Enquete-Kommission keine Normierung, keinen Eingriff durch Gesetz. (Abg. Mag. Kogler: Gutmenschen!) Das Hochhalten der Freiheit der Berichterstattung ist selbstverständlich. Das Einzige, was wir empfehlen, aber nicht normieren, ist so eine Art Qualitätskriterium für die Information des Konsumenten, des Käufers einer Zeitung, einer Zeitschrift, für den Leser oder Hörer, so dass der Einzelne nachlesen kann, ob ein Umfrageergebnis den Aussagewert eines Horoskops hat oder ob tatsächlich eine nach den Kriterien der empirischen Sozialforschung gestaltete Umfrage zugrunde liegt. Dies ist einzig und allein zur Information gedacht, damit berichtet werden kann, mitberichtet werden muss, wann und wo wurde wer befragt, mit welcher Methode, wie sieht die Grundgesamtheit aus, wie viele Personen wurden befragt.

Das haben wir in der Enquete-Kommission nicht erfunden, sondern das entspricht genau den Empfehlungen der ESOMAR, der europäischen Vereinigung der Markt- und Meinungsforschung. Und ich wäre froh, wenn mehr so genannte Qualitätsblätter bei der Veröffentlichung nach diesen Richtlinien vorgehen würden.

Ich werde Ihnen das zum Abschluss an einem Beispiel zeigen. Zum Beispiel habe ich hier eine Umfrage vom Februar 2002 bei 1 070 Österreichern ab 16 Jahren nach Quotenstichprobe befragt. Der Aussage, zu Alfred Gusenbauer als Kanzler könne man kein rechtes Vertrauen haben, stimmten 64 Prozent zu. Das heißt aber, da es 1 070 Personen sind, dass man mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit sagen kann, dass dieser Wert zwischen 61 und 67 Prozent liegt, man aber mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit sagen kann, dass zwischen 60 und 68 Prozent der Österreicher über 16 Jahren zu einem Kanzler Alfred Gusenbauer kein Vertrauen hätten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Heindl: Die Arbeitnehmer haben zu Ihnen kein Vertrauen mehr!)

21.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

21.10

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Enquete-Kommission hatte zwei Themen zum Inhalt, nämlich einerseits die mögliche Beeinflussung des Wahlverhaltens durch manipulative Meinungsumfragen, die dann vor den Wahlen veröffentlicht werden. Das war der eine Problembereich.

Der zweite Problembereich betraf die mögliche Beeinflussung des Wahlverhaltens am Wahltag durch vorzeitige Veröffentlichung von Teilergebnissen direkt am Wahltag.

Zum ersten Problembereich habe ich – da bedurfte es nicht mahnender Stimmen der Opposition – von vornherein die Meinung vertreten, dass für mich das Recht auf freie Meinungsäußerung höherwertig ist gegenüber jenem durchaus auch beachtlichen Recht, dass Entscheidungen in der Demokratie unter möglichst fairen Umständen zustande kommen.


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Ich glaube, es ist daher richtig, dass die Enquete-Kommission zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es eine Selbstbeschränkung von Meinungsforschungsinstituten geben sollte, nämlich dahin gehend, dass gewisse Standards, die einzuhalten sind, geschaffen werden mögen, dass man das Sample angibt, die Quelle angibt, die Fragestellung angibt und dergleichen. Aber ich bin auch dafür, dass man diejenigen Meinungsforschungsinstitute, die dagegen verstoßen, nicht vor den Kadi zerrt. Das ist für mich ebenfalls keine Frage.

Die andere Frage scheint mir ernster zu sein, nämlich die Beeinflussung durch die vorzeitige Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen am Wahltag, beispielsweise von Wahllokalen, die schon um 12 Uhr oder um 13 Uhr sperren. Wir sehen das immer wieder (Abg. Kiss: Wir vom Land!), wir Vertreter der Parteien kennen ja diese Ergebnisse sehr frühzeitig. Da sieht man wirklich, dass sich diese Trends tatsächlich fortsetzen. Daher ist es meines Erachtens absolut nicht wünschenswert, dass diese Ergebnisse bekannt gemacht werden – jetzt noch dazu völlig frei im Internet – und damit der Bandwagon-Effekt, von dem die Meinungsforschung spricht, ausgelöst wird, nämlich dass die Leute ganz gern bei den Siegern dabei sind.

Allerdings wird man das nicht verhindern können. Das Internet ist ja unbeschränkbar, und es wäre völlig obskur und unzweckmäßig, wenn man hier Verbote erließe. Das Einzige, was man hier machen kann, ist, eine einheitliche Schließzeit für die Wahllokale festzulegen. Ich weiß, dass sich die Gemeinden und Städte dagegenstellen. Ich bin hier absolut der Meinung des Innenministeriums; dieses sagt, es wäre zweckmäßig, dass jede Gemeinde, jede Stadt den Beginn der Wahlzeiten selbst festsetzt, aber ein einheitliches Ende besteht. Dann gäbe es nur 17 Uhr oder 18 Uhr als Endzeitpunkt, und dann gäbe es keine vorzeitigen Veröffentlichungen.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit etwas sagen zu der Praxis, die ich als Wahlzeuge und Mitglied von Wahlkommissionen kennen gelernt habe und bei der ich hoffe, dass innerhalb des Hohen Hauses ein Konsens besteht. Es geht um die so genannten Stricherllisten, die insbesondere in den Städten weit verbreitet sind.

Damit meine ich Folgendes: In der Wahlkommission sitzen Vertreter der politischen Parteien. Wenn jemand seine Stimme abgibt, dann werden von einzelnen Parteien so genannte Stricherllisten angefertigt, die von den Parteien vorbereitet sind. Darin werden diejenigen abgezeichnet, etwa Bewohner eines bestimmten Hauses – beispielsweise Mozartstraße 5 –, die schon gewählt haben. Um 13 oder 14 Uhr kommen die hilfreichen Geister von der Partei, die nicht nur die Wurstsemmel und das Getränk – den Tee oder was auch immer – mitbringen, sondern die auch gerne bereit sind, diese Liste entgegenzunehmen. Sie marschieren dann in die Parteizentralen, und dort beginnt das Calling. Es beginnt die Intervention. Es werden Leute angerufen, und es wird ihnen gesagt: Ihr habt noch nicht gewählt, und das ist so wichtig, Genossen oder was auch immer.

Ich finde das falsch, ich finde das nicht richtig! Das Wahlrecht ist doch ein Recht  – und keine Pflicht. Wenn sich jemand versagt und keine Stimme abgeben will, dann ist auch das sein gutes Recht. Ich finde es unzumutbar, dass dann auf die Leute Druck ausgeübt wird. Daher bin ich persönlich dafür, dass man hier irgendeine Regelung schafft. Es gibt einen Handlungsbedarf im Datenschutz, dass man das einfach verbietet. Es ist doch nicht in Ordnung, dass man um 13 Uhr sagt: Du hast nicht gewählt, du komm gefälligst! – Allerdings gestehe ich gerne zu, dass sich das oft ins Gegenteil verkehrt, weil manch einer so zornig ist, wenn er wählen gehen muss, dass er dann erst recht jemand anderen wählt.

Ich glaube jedoch, hier sollte Einigkeit darüber bestehen, dass das abgeschafft werden sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

21.15

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Enquete-Kommission hat sich in vorbildlicher Zusammenarbeit mit zwei Problemkreisen befasst. Über


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den ersten – Prognosen, die vor dem Wahltag erstellt werden – haben meine Vorredner berichtet. Ich möchte mich daher – wenn ich so sagen darf, zuständigkeitshalber – zum zweiten äußern, der Bekanntgabe von Teilergebnissen beziehungsweise Hochrechnungen noch vor Schluss des Wahlvorganges.

Es ist nicht Selbstlob, sondern historisches Faktum, dass ich es war, der Hochrechnungen nicht nur in Österreich, sondern weltweit als Erster aufgebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Danke! – Diesbezüglich ist aber in Österreich seit der letzten Nationalratswahl eine neue Situation eingetreten, was auch der Anlass für die Einsetzung dieser Enquete-Kommission war. In den Jahrzehnten vorher hatte ein Gentlemen’s Agreement genügt, dass die Medien erste Hochrechnungen erst unmittelbar nach Schluss des letzten Wahllokales gebracht hatten. Im Zeitalter von PC und Internet kann aber kaum verhindert werden, dass – unrichtige oder richtige, genaue oder weniger genaue – Hochrechnungen bereits während der Wahlzeit ihren Weg in die Öffentlichkeit finden.

Hohes Haus! Auszuführen, was an Vorschlägen die Kommission ausgearbeitet hat, würde die mir verfügbare Redezeit erheblich überschreiten. Lassen Sie mich daher mit Karl Farkas sagen: Schauen Sie sich das an! – Der Bericht 1004 der Beilagen wurde Ihnen allen zur Verfügung gestellt. Ich selbst war mit dieser Problematik erstmals 1964 bei der niederösterreichischen Landtagswahl konfrontiert, als ich erstmals inoffiziell eine Hochrechnung versuchte und um 15 Uhr Nachmittag mit einigem Erschrecken feststellte, dass für mich mandatsmäßig das Endergebnis bereits feststand, während die Wähler noch zwei Stunden lang zu den Wahlurnen schritten.

Ein persönlicher Nachsatz, zu dem ich mehr Berechtigung als jeder andere habe: Ein Reformvorschlag findet sich in dem Bericht nicht, nämlich jener, auf Hochrechnungen einfach zu verzichten. Hochrechnungen sind eigentlich das Überflüssigste, was es gibt; es hat ja auch bis 1966 keine gegeben. Aber dieses Rad der Geschichte, Hohes Haus, wird sich nicht mehr zurückdrehen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission samt Anlagen 1004 und Zu 1004 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, dies ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 622/A (E) der Abgeordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung für den Kärntner Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Reisetätigkeit des Kärntner Landeshauptmannes eine Frist bis 19. März 2002 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 623/A (E) bis 628/A eingebracht wurden.


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Ferner sind die Anfragen 3532/J bis 3574/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Haidlmayr, 23/JPR, an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für heute, 21.19 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung –, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.19 Uhr