Stenographisches Protokoll

111. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 11. Juli 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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111. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 11. Juli 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Juli 2002: 9.05 – 22.35 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste, Bericht über das

Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete (III-146 d. B.) zum Thema "Der Weg zur vollen Rechtsfähigkeit der Universitäten", über das

Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete (III-104 d. B.) zum Thema "Die Universitätsreform", über den

Antrag 398/A (E) der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Reformschritte an den österreichischen Universitäten, über den

Antrag 444/A der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert wird, über den

Antrag 451/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der finanziellen Mittel für den Standort der Universität Salzburg ("Unipark Nonntal") sowie über den

Antrag 453/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Befreiung von Studiengebühren für behinderte Menschen

2. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und Bericht über den

Antrag 201/A der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und über den

Antrag 276/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der


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gesetzlichen Krankenversicherung durch Schließen der Lücken im Krankenversicherungsschutz und über den

Antrag 75/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ersatzlose Streichung der Krankenscheingebühr sowie über den

Antrag 693/A (E) der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Schutzimpfung für Feuerwehrleute

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und Bericht über den

Antrag 626/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung

6. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 1984 – LAG), BGBl. Nr. 287/1984 idF des BGBl. I Nr. XXXX/2002, geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesbe-rufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz), und Bericht über den

Antrag 460/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abmildung der schädlichen Folgen der Nachtarbeit und über den

Antrag 571/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines modernen Nachtarbeitsgesetzes

11. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird, und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz,


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das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

13. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 442/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufsbildes AltenfachbetreuerIn und einer zeitgemäßen, in Modulen aufgebauten, umfassenden Ausbildung zur AltenfachbetreuerIn

14. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 468/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende Reform der Gesundheitsberufe

15. Punkt: Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

16. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

17. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 583/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern

18. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 584/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird

20. Punkt: Ersuchen des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (12 U 251/02t) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl

21. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 45/02m) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Karl Schweitzer

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 16

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 102/A (E) betreffend Verurteilung ausländerfeindlicher, rassistischer und das NS-Regime verharmlosender Äußerungen von FPÖ-Politikern gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 18. September 2002 zu setzen 36

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 37

Zurückziehung des Fristsetzungsantrages sowie des Verlangens auf Durchführung einer kurzen Debatte darüber 138


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Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem von den Grünen gestellten Verlangen gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung auf Einberufung einer Sondersitzung:

Dr. Alexander Van der Bellen 37

Ing. Peter Westenthaler 37

Einberufung einer Präsidialkonferenz durch Präsidenten Dr. Heinz Fischer 37

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 38

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend das Ergebnis der Beratungen in der Präsidialkonferenz 101

Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung 153

Bekanntgabe 101

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 153

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 157

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 157

Dr. Alfred Gusenbauer 161

Ing. Peter Westenthaler 163

Dr. Andreas Khol 166

Dr. Alexander Van der Bellen 168

Dr. Josef Cap 170

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 173

Dr. Harald Ofner 173

Mag. Helmut Kukacka 176

Karl Öllinger 178

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche und politische Konsequenzen aus den untragbaren Äußerungen von Volksanwalt Mag. Ewald Stadler – Ablehnung 180, 180

Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen, die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (1183 d. B.) geändert wird, in der jeweiligen Fassung des Ausschussberichtes gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen – Ab-lehnung 152, 203

Zurückziehung des von den Grünen gestellten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung auf Einberufung einer Sondersitzung 152

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 204

Unterbrechung der Sitzung 205


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Fragestunde (25.)

Soziale Sicherheit und Generationen 16

Heidrun Silhavy (201/M); Mag. Rüdiger Schender, Mag. Dr. Josef Trinkl, Karl Öllinger, Norbert Staffaneller

Dr. Gottfried Feurstein (188/M); Theresia Haidlmayr, Harald Trettenbrein, Mag. Christine Lapp

Karl Öllinger (199/M); Doris Bures, Mag. Walter Tancsits

Edith Haller (192/M); Ridi Steibl, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dr. Ilse Mertel

Mag. Barbara Prammer (202/M); Edith Haller, Edeltraud Gatterer, MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Dr. Erwin Rasinger (189/M); Dr. Kurt Grünewald, Manfred Lackner, Dr. Alois Pumberger

Theresia Haidlmayr (200/M); Helmut Dietachmayr, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Gottfried Feurstein

Sigisbert Dolinschek (198/M); Edeltraud Gatterer, Theresia Haidlmayr, Gabriele Heinisch-Hosek

Franz Riepl (203/M); Mag. Beate Hartinger, Karl Donabauer, Karl Öllinger

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 16

Ausschüsse

Zuweisungen 36

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Martin Graf, Mag. Martina Pecher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Forschung und Technologie – sichern Arbeitsplätze und stärken den Wirtschaftsstandort (4190/J) 117

Begründung: Dr. Martin Graf 120

Bundesminister Ing. Mathias Reichhold 122

Debatte:

Mag. Martina Pecher 127

Friedrich Verzetnitsch 129

Mag. Dr. Udo Grollitsch 130

Dr. Kurt Grünewald 132

Peter Haubner 134

Mag. Maria Kubitschek 136

Mag. Gerhard Hetzl 137

Mag. Andrea Kuntzl 139

Ing. Kurt Gartlehner 140

Mag. Martina Pecher (tatsächliche Berichtigung) 141

Dr. Helene Partik-Pablé 141


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Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1134 d. B.): Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste, über das

Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete (III-146 d. B.) zum Thema "Der Weg zur vollen Rechtsfähigkeit der Universitäten", über das

Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete (III-104 d. B.) zum Thema "Die Universitätsreform", über den

Antrag 398/A (E) der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Reformschritte an den österreichischen Universitäten, über den

Antrag 444/A der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert wird, über den

Antrag 451/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der finanziellen Mittel für den Standort der Universität Salzburg ("Unipark Nonntal") sowie über den

Antrag 453/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Befreiung von Studiengebühren für behinderte Men-schen (1224 d. B.) 38

2. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (1225 d. B.) 39

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 39

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 42

Dr. Gertrude Brinek 42

Dr. Kurt Grünewald 54

Dr. Martin Graf 58

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 61

DDr. Erwin Niederwieser 64

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 66

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 68

Mag. Dr. Udo Grollitsch 73

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 75

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigungen) 79, 99

Mag. Andrea Kuntzl 79

Dr. Erwin Rasinger 81

Dr. Eva Glawischnig 82

Dr. Brigitte Povysil 84

Mag. Christine Lapp 85

Mag. Karin Hakl 87

Theresia Haidlmayr 89

Mag. Gerhard Hetzl 91

Dr. Robert Rada 93


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Dr. Andrea Wolfmayr 94

Mag. Barbara Prammer 95

Dr. Sylvia Papházy, MBA 9


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8

Ing. Kurt Gartlehner 99

Mag. Heribert Donnerbauer 100

Mag. Rüdiger Schender 101

Mag. Johanna Mikl-Leitner 102

Reinhold Lexer 103

Werner Amon, MBA 104

Mag. Andrea Kuntzl (tatsächliche Berichtigung) 106

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1224 und 1225 d. B. 106

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1183 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und über den

Antrag 201/A der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und über den

Antrag 276/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch Schließen der Lücken im Krankenversicherungsschutz und über den

Antrag 75/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ersatzlose Streichung der Krankenscheingebühr sowie über den

Antrag 693/A (E) der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Schutzimpfung für Feuerwehrleute (1193 d. B.) 109

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1184 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1200 d. B.) 110

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1185 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und über den

Antrag 626/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung (1199 d. B.) 110

6. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 1984 – LAG), BGBl. Nr. 287/1984 idF des BGBl. I Nr. XXXX/2002, geändert wird (1198 d. B.) 110

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1186 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (1197 d. B.) 110

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1187 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (1196 d. B.) 110

Redner:

Doris Bures 110

Mag. Walter Tancsits 112

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 114, 193

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) 142

Mag. Beate Hartinger 143

Karl Öllinger 150

Dr. Reinhold Mitterlehner 181

Heidrun Silhavy 182

Sigisbert Dolinschek 187

Dr. Kurt Grünewald 188

Karl Donabauer 190

Franz Riepl 192

Dr. Alois Pumberger 193

Helmut Dietachmayr 194

Dr. Erwin Rasinger 195

Josef Horn 197

Edith Haller 199

Manfred Lackner 200

Mag. Rüdiger Schender 201

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 202

Anna Elisabeth Achatz 203

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens – Ablehnung 185, 207

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gespräche des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen mit den Ländern zur Erreichung kos-tenloser Schutzimpfungen für Feuerwehrleute – Annahme (E 153) 188, 207

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren – Ablehnung 201, 207

Annahme der sechs Gesetzentwürfe in 1193 (namentliche Abstimmung), 1200, 1199, 1198, 1197 und 1196 d. B. 203

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1142 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamts-gesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG) (1201 d. B.) 209

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1180 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der


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Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz), und über den

Antrag 460/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abmildung der schädlichen Folgen der Nachtarbeit und über den

Antrag 571/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines modernen Nachtarbeitsgesetzes (1195 d. B.) 209

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (971 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit (1194 d. B.) 209

Redner:

Heidrun Silhavy 209

Edeltraud Gatterer 212

Theresia Haidlmayr 212

Sigisbert Dolinschek 2


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14

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 217

Sophie Bauer 218

Mag. Dr. Josef Trinkl 219

Karl Öllinger 220

Norbert Staffaneller 221

Renate Csörgits 222

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 223

Ridi Steibl 224

Friedrich Verzetnitsch 225

Mag. Christine Lapp 226

Mag. Dr. Udo Grollitsch (tatsächliche Berichtigung) 227

Rudolf Nürnberger 227

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abmildung der schädlichen Folgen der Nachtarbeit – Ablehnung 219, 228

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1201 und 1195 d. B. 228

Genehmigung des Staatsvertrages in 971 d. B. 229

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1140 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird, und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1262 d. B.) 229

13. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 442/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufsbildes AltenfachbetreuerIn und einer zeitgemäßen, in Modulen aufgebauten, umfassenden Ausbildung zur AltenfachbetreuerIn (1263 d. B.) 229

14. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 468/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende Reform der Gesundheitsberufe (1264 d. B.) 229

15. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1035 d. B.): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1265 d. B.) 229

16. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1266 d. B.) 229

17. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 583/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern (1267 d. B.) 229

18. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 584/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht (1268 d. B.) 230

19. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1143 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (1269 d. B.) 230

Redner:

Manfred Lackner 230

Dr. Erwin Rasinger 231

Dr. Kurt Grünewald 232

Dr. Alois Pumberger 233

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 234

Marianne Hagenhofer 235

Theresia Haidlmayr 235

Heidrun Silhavy 236

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 1262, 1266 und 1269 d. B. 238

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 1263, 1264, 1267 und 1268 d. B. 238

Genehmigung des Staatsvertrages in 1035 d. B. 239

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (12 U 251/02t) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl (1270 d. B.) 240

21. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 45/02m) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Karl Schweitzer (1271 d. B.) 240

Annahme der beiden Ausschussanträge in 1270 und 1271 d. B. 240


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Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Gottfried Feurstein, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert wird (733/A)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung einer Sonderprüfung des Rechnungshofes gemäß § 99 Abs. 1 GOG hinsichtlich der Vergabe der Mittel aus der Bundes-Jugendförderung an den Österreichischen Pennälerring (734/A)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend öffentliche Zugänglichkeit wichtiger Informationen über die Telekom-Marktsituation (735/A) (E)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung der gleich-heitswidrigen Haftungsregelungen im Krankenanstaltengesetz und Schaffung einer verschuldensunabhängigen Medizinhaftung (736/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kuratorium für Journalistenausbildung (KfJ) und Presseförderung (737/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwaltungsharmonisierung zwischen EU-Mitgliedstaaten (738/A) (E)

Dr. Andrea Wolfmayr, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über die österreichische Film- und Kreativwirtschaft (739/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die Patientinnenentschädigung nach Behandlungsfehlern (740/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende Reform der Gesundheitsberufe (741/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht (742/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufsbildes AltenfachbetreuerIn und einer zeitgemäßen, in Modulen aufgebauten, umfassenden Ausbildung zur AltenfachbetreuerIn (743/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Martin Graf, Mag. Martina Pecher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Forschung und Technologie – sichern Arbeitsplätze und stärken den Wirtschaftsstandort (4190/J)

Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend österreichische Beiträge zur Verbesserung der Situation in Bezug auf vernachlässigte Erkrankungen (4191/J)

Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend österreichische Beiträge zur Verbesserung der Situation in Bezug auf vernachlässigte Erkrankungen (4192/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schließung des Bezirksgerichts Matrei/Osttirol (4193/J)


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111. Sitzung / Seite 12

Ludmilla Parfuss, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Tierversuche in Österreich (4194/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen Missachtung von Umweltrichtlinien durch die Bundesländer (4195/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen Missachtung von Umweltrichtlinien durch die Bundesländer (4196/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend ausstehendes IGL-Sanierungsgebiet Arnoldstein (4197/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend neonazistische Aktivitäten am 13. April 2002 (4198/J)

Mag. Maria Kubitschek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kontingente und Genehmigungen im grenzüberschreitenden LKW-Güterverkehr (4199/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahren der Staatsanwaltschaft Wien gegen Karl Öllinger (4200/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend EQUAL-Prüfungsverfahren, Begleitausschuss, EQUAL-Projekt "dasEcho.at" und EQUAL-Projekt "Beschäftigung durch Digitalisierung von Kulturgütern" (4201/J)

Mag. Eduard Mainoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Bundesbetreuungsstelle für Asylwerber Gschwendt, Gemeinde Strobl, Bundesland Salzburg (4202/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vorfälle bei jugendlichen und jungen erwachsenen Straftätern (4203/J)


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111. Sitzung / Seite 13

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Missbrauch von Zentralschlüsseln der Post für Brieffachanlagen (4204/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ski-, Skistöcke- und Snowboarddiebstähle (4205/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend flächendeckende Versorgung mit Sonder-Briefmarken (4206/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sonderzahlung für Bundeskanzler, Minister und andere – zusätzlich zu Auslagenersatz und Repräsentationsbudget (4207/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Faustschlag ohne juristische Folgen (4208/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Kokain-Drogendelikt in ÖVP-Landesparteizentrale aus heutiger Sicht (4209/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Faustschlag ohne juristische Folgen (4210/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kokain-Drogendelikt in ÖVP-Landesparteizentrale aus heutiger Sicht (4211/J)

Dr. Eva Glawischnig , Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend "Abdrehen des Radio dva" durch den Kärntner Landeshauptmann (4212/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend ein "Pilotprojekt" der Integration der Schülerfreifahrt in die Verkehrsverbünde (4213/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Auflösung der Sektion IX (4214/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Abwicklungs- und Auszahlungsmodalitäten beim Kinderbetreuungsgeld (4215/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Jugendförderung (4216/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Absicht der Regierung, bei der Postbus-"Privatisierung" ein kartell- und EG-rechtlich fragwürdiges Beinahe-Monopol "Austro-Bus" im österreichischen Kraftfahrliniensektor herbeizuführen (4217/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Absicht der Regierung, bei der Postbus-"Privatisierung" ein kartell- und EG-rechtlich fragwürdiges Beinahe-Monopol "Austro-Bus" im österreichischen Kraftfahrliniensektor herbeizuführen (4218/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Absicht der Regierung, bei der Postbus-"Privatisierung" ein kartell- und EG-rechtlich fragwürdiges Beinahe-Monopol "Austro-Bus" im österreichischen Kraftfahrliniensektor herbeizuführen (4219/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Absicht der Regierung, bei der Postbus-"Privatisierung" ein kartell- und EG-rechtlich fragwürdiges Beinahe-Monopol "Austro-Bus" im österreichischen Kraftfahrliniensektor herbeizuführen (4220/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ein "Pilotprojekt" der Integration der Schülerfreifahrt in die Verkehrsverbünde (4221/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Presseförderung und Förderung des Kuratoriums für Journalistenausbildung (4222/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Übertragung des Fund- und Passwesens an die Gemeinden (4223/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Raps-, Sonnenblumen-, Kürbiskern- und Olivenöle (aus dem Handel) mit Rückständen von Trifluralin,


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Chlorkohlenwasserstoffen (OCP und PCBs) und Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs) – weitere Maßnahmen (4224/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Raps-, Sonnenblumen-, Kürbiskern- und Olivenöle (aus dem Handel) mit Rückständen von Trifluralin, Chlorkohlenwasserstoffen (OCP und PCBs) und Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs) – weitere Maßnahmen (4225/J)

Wolfgang Jung, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausstellung von amtlichen Dokumenten (4226/J)

Wolfgang Jung, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Bericht der "Presse" vom 5.7.2002 (4227/J)

Wolfgang Jung, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Anfragebeantwortung 3834/AB (4228/J)

Mag. Rüdiger Schender, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tendenzen der zunehmenden Fundamentalisierung in der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und im Speziellen in Oberösterreich (4229/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bericht der Bundesregierung zur Durchforstung der österreichischen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen (III-178 der Beilagen, XX. Gesetzgebungsperiode) (4230/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bericht der Bundesregierung zur Durchforstung der österreichischen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen (III-178 der Beilagen, XX. Gesetzgebungsperiode) (4231/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend den kulturpolitischen Auftrag im Zusammenhang mit der Restaurierung und Revitalisierung des Schlosses Neugebäude in Wien-Sim-mering (4232/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend soziale Lage der österreichischen Kunstschaffenden (4233/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Künstlersozialversicherung – Künstlerkommission (4234/J)

Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Liquidation von fünf Bundesanstalten per E-Mail durch den Generalsekretär (4235/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (4236/J)


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DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Auswirkungen der Hauptwohnsitzmeldung von Strafgefangenen am Ort des Vollzuges (4237/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Volkszählung 2001 und den Vollzug des Meldegesetzes (4238/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Hauptwohnsitzmeldungen von Insassen der Justizanstalt Garsten/OÖ (4239/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Verleihung von Wittgenstein- und START-Preisen (4240/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf des Österreichischen Bundesverlages (4241/J)

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend die österreichische Entwicklungszusammenarbeit (4242/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Firma Bencun Transporte GesmbH (4243/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Firma Bencun Transporte GesmbH (4244/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Firma Bencun Transporte GesmbH (4245/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Firma Bencun Transporte GesmbH (4246/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ernennung eines Bezirksinspektors zum Major (4247/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend neue Planstellen in Niederösterreich (4248/J)

Zurückgezogen wurden die Anfragen der Abgeordneten

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend FPÖ-Arbeiterkammervorstand, FPÖ-Nationalratsabgeordneten, Mitglied der Generalversammlung der Kärntner Gebietskrankenkasse, stellvertretenden Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt und damit FPÖ-Multifunktionär und FPÖ-Multiverdiener Gaugg (4092/J) (Zu 4092/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend stellvertretenden Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt, Mitglied der Generalversammlung der Kärntner Gebietskrankenkasse, FPÖ-Nationalratsabgeordneten, FPÖ-Arbeiterkammervorstand und damit FPÖ-Multifunktionär und FPÖ-Multiverdiener Gaugg (4093/J) (Zu 4093/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen (3847/AB zu 3930/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (3848/AB zu 3945/J)

 


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Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie alle herzlich begrüßen und eröffne die 111. Sitzung des Nationalrates, die für heute einberufen wurde.

Das Amtliche Protokoll der 109. Sitzung vom 9. Juli 2002 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Antoni, Dobnigg, Dr. Einem, Dr. Spindelegger und Dr. Bösch.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt folgende Mitteilung über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung gemacht: Frau Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner wird durch Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer vertreten. – Ich bitte um Kenntnisnahme.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Fragestunde, und ich beginne mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage der heutigen Fragestunde hat Frau Abgeordnete Heidrun Silhavy eingebracht. Ich bitte sie, diese Anfrage an den Herrn Sozialminister vorzutragen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Guten Morgen! Meine Frage betrifft, Herr Bundesminister, wie Sie sich vorstellen können, aus aktuellem Anlass den blau-schwarzen Postenskandal. (Abg. Böhacker: Vorlesen! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) In diesem Zusammenhang frage ich ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Verlesung der Anfrage.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (fortsetzend): In diesem Zusammenhang frage ich Sie, Herr Minister:

201/M

Bekleidet der Nationalratsabgeordnete Reinhart Gaugg neben seiner neuen Funktion als Generaldirektor-Stellvertreter der fusionierten Pensionsversicherungsanstalt noch weitere Funktionen innerhalb der Sozialversicherung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Abgeordneter zum Nationalrat Reinhart Gaugg hat derzeit noch die Funktion eines Versicherungsvertreters in der Generalver


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111. Sitzung / Seite 17

sammlung der Kärntner Gebietskrankenkasse. Nach einer Information der Kärntner Gebietskrankenkasse wurde das gesetzlich vorgesehene Enthebungsverfahren aber bereits eingeleitet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie sehen Sie angesichts der gestern verkündeten Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich des Eingriffes in die Selbstverwaltung und der Unvereinbarkeitsregelungen von Vorsitzenden von Gewerkschaften und dergleichen den § 420 ASVG, der ja vorsieht, dass Versicherungsvertreter nicht zugleich auch Angestellte eines Sozialversicherungsträgers sein können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Frau Abgeordnete! Das Gesetz ist in diesem Punkt eindeutig, und ich habe schon in meiner Beantwortung darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit dem Gesetz das Enthebungsverfahren bereits eingeleitet wurde.

Ich werde in aller Ruhe abwarten, wie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nach dem Prüfungsverfahren schlussendlich aussieht. Die Aufnahme eines Prüfungsverfahrens allein ist nämlich noch kein Grund anzunehmen, dass auch das Ergebnis in einer Aufhebung endet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Schender, bitte.

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hier im Hohen Haus sitzen viele Interessenvertreter und Angestellte von Sozialversicherungsträgern. Finden Sie es vertretbar, Herr Bundesminister, dass Herr Abgeordneter Reinhart Gaugg wie auch viele andere Abgeordnete in diesem Haus, insbesondere von der Fraktion der Kollegin Silhavy, von der SPÖ, neben seiner Funktion als Generaldirektor-Stellvertreter sein Nationalratsmandat weiter ausübt, oder sind Sie der Meinung, dass eine generelle Unvereinbarkeitsbestimmung Sinn machen würde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die derzeitige Verfassungslage ist eindeutig: Beide Positionen sind kompatibel. Ein Verfassungsgutachten, das ich von Herrn Universitätsprofessor Mayer eingeholt habe, weist im Übrigen darauf hin, dass auch die Dienstordnung der Pensionsversicherungsanstalt die Berücksichtigung der Wahrnehmung von Abgeordnetentätigkeiten klar vorsieht.

Meine private Meinung ist, dass es durchaus Sinn machen würde, Überlegungen betreffend Unvereinbarkeitsbestimmungen anzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Trinkl, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! Auf der einen Seite sieht die Opposition überall einen Skandal, aber auf der anderen Seite ist der Wechsel bei den Funktionen in den verschiedenen Sozialversicherungsträgern gang und gäbe und täglich an der Tagesordnung. (Abg. Haidlmayr: Frage!)

Ich darf Sie Folgendes fragen: Hat es, sehr geehrter Herr Bundesminister, Ihren Informationen zufolge einen Wechsel von der Funktionärsebene auf eine geschäftsführende Ebene auch schon in anderen Sozialversicherungsträgern gegeben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Solche Wechsel von der einen Ebene auf die Geschäftsführungsebene hat es schon gegeben, sogar eine Reihe davon. Ich darf Ihnen, weil Sie steirischer Abgeordneter sind, als Beispiel die steirische Gebietskrankenkasse in Erinnerung rufen, bei welcher der seinerzeitige Obmann in die Funktion des leitenden Angestellten gewechselt ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Abgeordneter Dr. Graf ist Versichertenvertreter der Arbeitgeberseite in der neu geschaffenen Pensionsversicherungsanstalt, er ist, wie wir wissen, Nationalratsabgeordneter, Rechtsanwaltsanwärter und daher Angestellter, und er ist, soweit wir wissen, Kommanditist eines Café-Restaurants.

Ich habe deshalb in der letzten Dringlichen Anfrage schon eine Frage an Sie gestellt und wiederhole diese: Haben Sie die Versichertenvertreter-Eigenschaft des Dr. Michael Graf geprüft? (Abg. Ing. Westenthaler: Dr. Michael Graff weilt nicht unter uns! Martin! – Abg. Dr. Martin Graf: Martin!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Ich darf das wiederholen, was ich Ihnen auch das letzte Mal gesagt habe: Es ist Aufgabe der entsendenden Vertretung, die Versicherten-Eigenschaft des Kollegen Abgeordneten Dr. Graf zu überprüfen. Mir ist bis dato nichts Gegenteiliges bekannt, nämlich dass Kollege Graf die Bedingungen nicht erfülle. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung des Abg. Öllinger –: Jetzt merken Sie sich endlich meinen Namen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie bespitzeln den Graf! – Abg. Ing. Westenthaler: Der hat den Michael Graff gemeint!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 2. Anfrage, die Herr Abgeordneter Dr. Feurstein vortragen wird. (Rufe bei den Freiheitlichen: Zusatzfrage!) – Entschuldigung, Kollege Feurstein, es ist noch eine Zusatzfrage offen, und die müssen wir berücksichtigen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Auch ich habe eine Frage zu den Sonderverträgen der Sozialversicherungsträger: Ist es üblich, dass in Sonderverträgen eine 20-prozentige Erhöhung des Gehaltes bei gleichzeitigem Verzicht auf die Einbeziehung in das Pensionsrecht der Dienstordnung für Angestellte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs vorgesehen ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege! Jetzt haben Sie mich überrumpelt, denn die Freiheitlichen hatten schon eine Zusatzfrage gestellt, und zwar durch Kollegen Schender. Aber: Sie haben eine Frage gestellt, der Herr Minister wird sie beantworten, und dann ist Kollege Dr. Feurstein an der Reihe. (Abg. Dr. Petrovic: Dann kriegen wir auch zwei! – Abg. Öllinger: Wir wollen auch zwei!)

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Mitarbeiter, die älter als 35 Jahre sind, ausschließlich mit Sonderverträgen in den Bereich der Sozialversicherungsträger aufgenommen werden können. Zweitens hat es bei Sonderverträgen in der Vergangenheit eine Reihe von Ausnahmebestimmungen gegeben, die in der Öffentlichkeit durchaus unter dem Motto "Privilegien" diskutiert wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Feurstein, bitte.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich möchte Sie Folgendes fragen:


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111. Sitzung / Seite 19

188/M

Welche Maßnahmen haben Sie für Behinderte mit der Behindertenmilliarde gesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Mit der Behindertenmilliarde wurde eine Fülle von positiven Maßnahmen für die behinderten Menschen gesetzt. Ich darf Ihnen auszugsweise die wichtigsten zu Gehör bringen:

Es erfolgten die Maßnahmen der Integrationsbeihilfe mit befristeter Übernahme der Lohnkosten als Anreiz für die Einstellung junger behinderter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es wurde die Entwicklung von Projekten der begleitenden Hilfe am Arbeitsplatz, Job-Coaching für geistig behinderte Menschen oder Arbeitsassistenz, durchgeführt. Weiters erfolgten der Aufbau von Nachreifungsprojekten für behinderte Jugendliche, die Gewährung von Arbeitsplatzsicherungsbeihilfen für ältere behinderte Menschen und der verstärkte Ausbau von Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojekten.

An begleitenden Maßnahmen wurden solche zur Erhöhung der Mobilität von Menschen mit Behinderungen durchgeführt, Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu Informations- und Kommunikationstechnologien, Internetprojekte für Menschen mit Behinderungen. Weiters: Schaffung eines Unternehmerservices als Dienstleistung zur Beratung für Arbeitgeber, etwa über optimale Einsatzmöglichkeiten behinderter Mitarbeiter. Hinzu kommen der Aufbau und Ausbau der Arbeitsassistenz, die verstärkte Förderung der behindertengerechten baulichen, technischen Ausstattung von Betrieben und Arbeitsplätzen und die Übertragung bestimmter Informationsmaterialien in eine leicht verständliche Sprache.

Herr Abgeordneter! Mit der Behindertenmilliarde hat die Bundesregierung aus meiner Sicht das wichtigste Instrument zur Integration von behinderten Menschen in die erste Arbeitswelt zur Verfügung gestellt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Minister! Es ist sicher richtig, dass hier, wie Sie erwähnt haben, wichtige Initiativen zur Integration von behinderten Menschen auf dem Arbeitsmarkt gesetzt wurden.

Da man immer wieder hört, dass Ansuchen abgelehnt werden mussten, lautet meine Zusatzfrage folgendermaßen: Ist es tatsächlich so, dass Sie aus finanziellen Gründen Ansuchen ablehnen mussten, oder waren, wenn ein Ansuchen nicht positiv erledigt werden konnte, rein inhaltliche Gründe maßgebend? Wie verhält es sich mit den nicht positiv erledigten Anträgen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die nicht positiv erledigten Anträge sind generell in zwei Gruppen zu unterteilen: Sie wurden entweder als nicht interessant genug gesehen, um den Zweck der Behindertenmilliarde zu erfüllen, oder sie waren außerhalb der Behindertenmilliarde angesiedelt und konnten auch langfristig nicht das Ziel garantieren, dass Menschen mit Behinderung etwa über die Zwischenstufe von geschützten Arbeitsplätzen in der ersten Arbeitswelt Platz finden.

Die Ablehnungsquote ist je nach Bundesland unterschiedlich, bewegt sich aber zwischen 10 und 25 Prozent. Ich habe in meinem Haus zwei Mitarbeiter, die sich mit abgelehnten Projekten beschäftigen, um etwas, was für den Arbeitsmarkt eines Bundeslandes nicht interessant oder sinnvoll ist, unter Umständen für ein anderes Bundesland, wenn es dort als sinnvoll betrachtet wird, noch zu berücksichtigen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte.


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111. Sitzung / Seite 20

Abgeordnete Theresia Haidlmayr
(Grüne): Herr Minister! Sie haben davon gesprochen, dass es voriges Jahr die Behindertenmilliarde gegeben hat. Aus einer Anfragebeantwortung ist aber ersichtlich, dass nicht eine Milliarde, sondern lediglich 558 Millionen Schilling vergeben wurden.

Deshalb meine Frage: Herr Minister! Warum wurden nur 558 Millionen Schilling aus der Behindertenmilliarde vergeben, obwohl die Behinderten-Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres, nämlich von 1. Jänner 2001 bis 1. Jänner 2002, um 2 811 Personen beziehungsweise 10 Prozent gestiegen ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich darf darauf hinweisen, dass es bei der Implementierung der Behindertenmilliarde einen Vorlauf von fünf bis sechs Monaten gegeben hat, bis die Projekte vorgelegt wurden und genehmigt werden konnten. Auf Grund dieser Zeitverzögerung ist das erste Jahr kein komplettes Jahr, und es konnte auch nicht die gesamte Milliarde, sondern nur die von Ihnen genannte Summe erreicht werden.

Wir bemühen uns aber, im Follow-up und auch auf Grund der langfristigen Weiterverwendung – schließlich werden die Menschen mit Behinderung nicht nur temporär, sondern über längere Zeit in Beschäftigung gehalten – die gesamte geplante Summe auszuschöpfen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Trettenbrein, bitte.

Abgeordneter Harald Trettenbrein (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wie sieht der derzeit aktuelle Planungs- und Umsetzungsstand der Beschäftigungsoffensive aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf darauf hinweisen, dass wir derzeit 8 495 Personen gefördert haben, wobei 44 Prozent davon Frauen sind. Wir haben 2 248 Personen, 65 Prozent davon weiblich, an den Arbeitsmarkt herangeführt. Wir können betreffend die Arbeitsplatzerlangung 3 170 Personen, davon 41 Prozent Frauen, und bezüglich der Arbeitsplatzsicherung 1 046 Personen mit einem weiblichen Anteil von 43 Prozent anführen.

Wir möchten in der Zukunft besondere Schwerpunkte für ältere und jugendliche Arbeitskräfte setzen. Zweitens wollen wir auch das Angebot für Frauen mit Behinderung deutlich verstärken.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Lapp, bitte.

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Minister! Die Behindertenmilliarde hat im vergangenen Jahr eine halbe Milliarde ausgemacht und macht im heurigen Jahr auch nur eine Dreiviertelmilliarde aus, die die Behinderten zum Großteil selbst zahlen, obwohl die Arbeitslosigkeit bei behinderten Menschen steigt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!)

Ich denke, um professionell zu regieren, müsste man die Maßnahmen der Behindertenmilliarde evaluieren. Warum weigern Sie sich, die Evaluation dieser Maßnahme voranzutreiben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wir haben zunächst die Behindertenmilliarde implementiert, und wir werden in der Folge die Projekte der Behindertenmilliarde und die Erfolge dieser Projekte selbstverständlich auch evaluieren. Ich denke aber, es wäre Verschleuderung von Steuergeld, wenn man mit der Evaluierung beginnt, ehe überhaupt noch die Projekte implementiert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist der 2. Fragenkomplex erledigt.


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111. Sitzung / Seite 21

Die 3. Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Öllinger.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

199/M

Warum wurde von Ihrem Ministerium ein Sondervertrag für Reinhart Gaugg entworfen, der keine Verpflichtung zur Dienstprüfung, dafür aber die faktische Unkündbarkeit ab dem ersten Tag enthält?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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111. Sitzung / Seite 22

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass das Abschließen von Dienstverträgen Angelegenheit des Dienstgebers und des Dienstnehmers ist. Meinem Hause sind Entwürfe zugegangen, die sehr unterschiedlich waren und die ich nicht kommentieren möchte. Bei mir und meinen Beamten wurde als Aufsichtsbehörde nachgefragt, ob von mir eine Genehmigung oder eine Nicht-Genehmigung in diesem Bereich zu erwarten ist, aber keinesfalls sind von meinem Hause entsprechende Anträge ausgearbeitet worden.

Ich habe mir von meinem Mitarbeiter eine Aufstellung anhand eines Mustervertrages geben lassen, welche Möglichkeiten die Dienstordnung insgesamt vorsieht. Dieser Vorschlag des Kollegen Sommer ist weder beziffert noch mit irgendwelchen Namen versehen. Das ist die Arbeit meines Hauses zur Information für mich als Entscheidungsträger.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir werden jetzt in der Fragestunde nicht klären können, was das für ein Vertrag war, den Ihr Ministerialrat Sommer entworfen hat. Unabhängig davon, Herr Bundesminister, glaube ich, dass alle Österreicherinnen und Österreicher – oder die Mehrheit von ihnen – der Meinung sind, dass man, bevor man einen Vertrag abschließt, eigentlich wissen sollte, wie hoch der Lohn oder die Gehaltsforderung des Betreffenden ist.

Hat Herr Abgeordneter Gaugg, bevor der Vertrag für ihn abgeschlossen wurde, gegenüber der PVA oder gegenüber Herrn Jenewein Gehaltsvorstellungen geäußert? Wenn ja, in welcher Höhe?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.


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111. Sitzung / Seite 23

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass nach meinem Informationsstand sämtliche Bewerber Gehaltsvorstellungen gegenüber dem Büro Jenewein formuliert haben. Meiner Ansicht nach sind diese Gehaltsvorstellungen Angelegenheit des Dienstnehmers und unterliegen auch dem Amtsgeheimnis. Ich sehe mich daher nicht in der Lage, diese Frage hier zu beantworten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bures, bitte.

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundesminister! Medien ist zu entnehmen, dass Sie intensiv an der Ausarbeitung eines lukrativen Sondervertrages für Herrn Abgeordneten Gaugg beteiligt waren.

Ich frage Sie: Warum musste eigentlich ein Enthebungsverfahren des Herrn Gaugg in seiner Funktion bei der Kärntner Gebietskrankenkasse eingeleitet werden? Heißt das, dass Herr Gaugg nicht freiwillig zurückgetreten ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Das heißt es nicht, sondern es ist im Gesetz klar festgehalten, dass ein Enthebungsverfahren vorzusehen ist, wenn inkompatible Beschäftigungsverhältnisse und Vertretungen in der Versicherungsvertretung vorhanden sind. Die Paragraphen des ASVG sind eindeutig. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung der Abg. Bures –: Nicht einmal das wissen Sie! Es ist traurig, wie uninformiert Sie sind! – Abg. Ing. Westenthaler: Keine Ahnung!)

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die nächste Sitzung der Kärntner Gebietskrankenkasse nach Auskunft von Direktor Löberbauer mit 7. November dieses Jahres geplant ist, sodass bis zu diesem Zeitpunkt Zeit genug ist, nicht nur das Enthebungsverfahren entsprechend durchzuführen, sondern auch eine ordnungsgemäße Nachnominierung durch die Arbeiterkammer Kärnten vorzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Mag. Tancsits, bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ist es richtig, dass bei der Bestellung der leitenden Angestellten und Ärzte der PVA das erste Mal in der Geschichte der Sozialversicherung ein außenstehendes und unabhängiges Beratungsinstitut mit Auswahl und Bewertung betraut wurde? (Abg. Öllinger: Der war gut!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Kollege Tancsits! Meines Wissens haben Sie damit Recht. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Es wurde das Institut Jenewein beauftragt. Ich darf hier zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass Herr Vorsitzender Haas mit seinen beiden Stellvertretern dieses Institut beauftragt hat und keinesfalls – wie oftmals in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde – das Ministerium oder sonst jemand.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Wir kommen zum 4. Thema. – Frau Abgeordnete Haller, bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

192/M

Wie gestaltet sich der aktuelle Verlauf der Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Beim Kinderbetreuungsgeld ist eine zunehmende Inanspruchnahme zu verzeichnen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass mit Juli dieses Jahres mehr als 25 857 Anträge vorliegen. Im März waren es noch 3 670 Anträge, im April 10 000 Anträge – am 25. April wurde diese Grenze überschritten –, am 3. Mai waren es 11 751 Anträge, am 9. Juli waren es 25 857 Anträge.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Nach einem historischen Tief bei der Geburtenrate scheint sich jetzt eine Steigerung in diesem Bereich abzuzeichnen.

Deshalb meine Frage: Welche Tendenzen zeichnen sich in Bezug auf die Geburtenrate und auf Teilzeitbeschäftigung ab?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Seit April dieses Jahres ist eine erfreuliche Zunahme bei den Geburten zu beobachten. Ich würde mir als zuständiger Sozialminister wünschen, dass dieser Trend anhielte, denn die erste Säule unseres Pensionsversicherungssystems ist auf dem Generationenvertrag aufgebaut, der ursprünglich bei einer Geburtenrate von 150 000 Geburten eingeführt worden ist. Jetzt sind wir bei einer Geburtenrate von knapp über 75 000. Es wäre zur Absicherung unseres Pensionssystems höchst erfreulich, wenn die Geburtenrate in Österreich wieder zunähme. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Steibl, bitte.

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie weit hat sich durch das Kinderbetreuungsgeld die soziale wie auch die wirtschaftliche Lage von Müttern und Vätern in Österreich positiv entwickelt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir vor kurzer Zeit für das Kinderbetreuungsgeld ein Evaluierungsprogramm anhand des Kinderbetreuungsgeldes in Öblarn in der Steiermark vorstellen konnten. Nach diesem Evaluierungsbericht, aber auch nach Ansicht der Europäischen Union hat sich die Einkommenssituation der Familien deutlich verbessert: Die Regionalbanken in der Steiermark haben uns mitgeteilt, dass das erste Mal Familien mit Kindern in der Lage waren, Kredite pünktlich und zeitgerecht zurückzuzahlen.

Für die Nahversorger hat sich eine bessere Situation in der Form ergeben, dass auch das oftmals geringfügig teurere Angebot der Nahversorger in Anspruch genommen werden konnte und das Geld nicht nur sparsamst für kostengünstigere Großmarkt-Angebote ausgegeben wurde.

Ich gehe davon aus, dass das Kinderbetreuungsgeld in dieser Funktion gerade für die untersten Einkommensschichten eine Verbesserung gebracht hat und dass darüber hinaus mehr als 60 Prozent dieses Kinderbetreuungsgeldes im Nahbereich in den Konsum geflossen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Alle Verkehrsmittel streichen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Sie wissen offenbar sehr gut über die materiellen Auswirkungen des Kinderbetreuungsgeldes Bescheid. Besonders bedürftige Personen und Familien erhalten dieses Kinderbetreuungsgeld aber nicht, nämlich ausländische Eltern von Kindern, für die kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, sowie Alleinerzieherinnen, die über der Zuverdienstgrenze liegen.

Wie viele Kinder wurden geboren, für die kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht? Wie sind da die materiellen Auswirkungen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wenn ich von der Antragstellung in meinem Ministerium ausgehe, so liegt derzeit der Anteil der Anträge, die abgelehnt werden mussten, unter 1 Prozent. Das sind also bei 25 000 Geburten, für die bis dato Anträge bei uns im Ministerium eingelangt sind, weniger als 250, die bis dato abgelehnt worden sind.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass all jenen ausländischen Mitbürgern, die Familienleistungen bekommen, auch das Kinderbetreuungsgeld zusteht.


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Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, dass die Zuverdienstgrenze von 200 000 S eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Zustand darstellt, als man nämlich beim Karenzgeld ausschließlich bis zur Zuverdienstgrenze von 9 600 S dazuverdienen durfte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Mertel, bitte.

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Minister! Was sagen Sie zu den Berichten der Beratungsstellen, dass nach einem halben Jahr Kinderbetreuungsgeld die meisten Frauen nicht wissen, dass der Kündigungsschutz kürzer ist als der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes, dass viele Väter gar nicht wissen, dass sie im dritten Lebensjahr des Kindes gar keinen Karenzurlaubsanspruch haben, und dass für fast alle Eltern die Regelung der Zuverdienstgrenzen völlig undurchschaubar ist?

Herr Minister! Werden Sie darauf Einfluss nehmen, dass arbeitsrechtliche Fristabläufe wie der Kündigungsschutz, die Dauer der Karenzzeit und der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes, die unterschiedlich hohen Beträge der Zuverdienste, wie sie sich nach dem Geburtsdatum der Kinder ergeben, beseitigt und den Fristabläufen des Kinderbetreuungsgeldes angepasst werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Mertel! Wir sind mit allen neun Bundesländern und den zuständigen Regierungsmitgliedern übereingekommen, die Antworten auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragen in einer neuerlichen Informationswelle den betroffenen Kreisen in Österreich zur besseren Verständigung zu übermitteln. Ich hoffe, dass, da auch Ihrer Fraktion angehörige ReferentInnen auf Landesebene dieser Meinung sind, dann die Haltung Ihres Klubs, die von Kollegem Cap formuliert worden ist, der solche Informationskampagnen als Verschwendung von Steuergeldern betrachtet, relativiert werden wird und Sie die zur Beseitigung des bestehenden Informationsdefizits notwendigen Maßnahmen mittragen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger.  – Abg. Dr. Mertel: Unterschiedliche Rechtslage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 5. Anfrage. – Frau Abgeordnete Mag. Prammer, bitte.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Minister! Meine Frage lautet:

202/M

Nach welchen Grundsätzen beziehungsweise Richtlinien werden Förderungen Ihres Ressorts für Frauenprojekte vergeben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Kollegin Prammer! Die für Frauenprojekte zur Verfügung stehenden Fördermittel, der Ansatz 1/15006, sind Ermessensausgaben. Die verfahrenstechnische Abwicklung und Kontrolle dieser Mittel erfolgen in Entsprechung der von der Bundesregierung beschlossenen Allgemeinen Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Minister! Bei allen Frauenprojekten wissen die dafür Zuständigen, dass es hier einen Richtlinienentwurf gibt. Sie wissen jedoch nicht, woran sie sind, ob dieser Richtlinienentwurf gilt oder nicht. Aus welchem Grund nehmen Sie diesen nicht wieder zurück?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Kollegin Prammer! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir im entsprechenden Ausschuss schon darüber diskutiert haben. Ich bin daran interessiert, dass nicht nur alteingeführte Frauenprojekte sozusagen ein Monopol auf Förderungen haben, sondern dass auch neue und zusätzliche Angebote gefördert werden. Dazu wird es auch notwendig sein, die vorhandenen Mittel, die nicht ad infinitum vermehrbar sind, so aufzuteilen, dass auch neue und nach Ansicht dieser Bundesregierung wichtige Initiativen gefördert werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haller, bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Welche besonderen Schwerpunkte haben Sie heuer in Bezug auf Förderung von Frauenprojekten gesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Haller! Einer der Schwerpunkte wird wie auch in den Vorjahren die Unterstützung von frauen- und mädchenspezifischen Beratungseinrichtungen sein. Auch die Unterstützung von Gewaltschutzmaßnahmen ist als vordringliches Ziel in diesem Bereich zu sehen. Ein weiterer Schwerpunkt werden das Gender Mainstreaming und die Chancengleichheit sein. Ich glaube, dass wir damit ein sehr ausgewogenes Programm, das auch nach den Bedürfnissen der Frauen ausgerichtet ist, haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Gatterer, bitte.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Wie Sie schon ausgeführt haben, ist es bei vielen Frauenprojekten dringend notwendig, dass es eine längerfristige Planung gibt. Umgekehrt ist es genauso notwendig, dass neue Frauenprojekte eine Chance auf Finanzierung und Unterstützung haben.

So kurz vor der Budgeterstellung lautet meine Frage natürlich: Wie sieht Ihre persönliche Budgetplanung beziehungsweise wie sehen Ihre Budgetwünsche im Bereich Frauenprojekte aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Kollegin Gatterer! Ich bemühe mich darum, dass ich in den Budgetverhandlungen mit dem Herrn Finanzminister eine langfristige Absicherung sehr vieler erfolgreicher Frauenprojekte erreichen kann – so wie es mit dem Herrn Finanzminister und dem Herrn Innenminister auch möglich war, die Absicherung der Kriseninterventionszentren durch Umstellung auf Fünf-Jahres-Verträge zu verlängern –, sodass auch die Unwägbarkeiten, denen Frauen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen langfristiger und lange bewährter Frauenprojekte ausgesetzt sind, endlich ein Ende hat und sie nicht mehr von einem Subventionsjahr auf das andere um die Existenz ihrer sinnvollen und wichtigen Organisation zittern müssen.

Darüber hinaus glaube ich, dass es auch notwendig sein wird, Mittel freizubekommen, um in der Zukunft auch neue Initiativen setzen zu können.

Ich darf Sie etwa darauf hinweisen, dass derzeit in sehr vielen Bundesländern alle frauenspezifischen Einrichtungen fast ausschließlich auf die Landeshauptstädte konzentriert sind. Ich meine, dass gerade im Bereich der Gewaltprävention die Situation im ländlichen Bereich keine sehr gute ist und dass es dringend notwendig wäre, flächendeckend in Österreich in diesem Bereich Initiativen zu setzen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang das Burgenland hervorheben, das bereits ein gutes System hat und wo in jeder Bezirksstadt entsprechende Einrichtungen vertreten sind. Eine


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ähnliche flächendeckende Vorgangsweise würde ich mir auch für die anderen Bundesländer wünschen. Das würde allerdings auch bedeuten, dass man in den Landeshauptstädten das bestehende Überangebot durch Harmonisierung und Zusammenlegung etwas konzentriert. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das glaube ich!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Im so genannten Euroteam-Untersuchungsausschuss wurden Frauenbildungsprojekte, feministische Bildungsprojekte vor allem von ÖVP-Abgeordneten, namentlich von Herrn Kukacka, stark kritisiert, als nicht förderungswürdig bezeichnet und sogar als verfassungswidrig erklärt, weil sie ausschließlich Frauen beschäftigen.

Teilen Sie diese Rechtsauffassung, beziehungsweise halten Sie derartige feministische Bildungsprojekte für förderungswürdig?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich würde oft im Spannungsfeld der Kritik dieses Parlaments stehen, wenn ich solche Projekte nicht weiter fördern würde. Dort, wo sie sinnvoll sind, habe ich die Geldmittel dafür sogar aufgestockt.

Ich sage in der gleichen Deutlichkeit aber auch, dass mir klarerweise dort, wo wir das neue Bild des Mannes in der Gesellschaft fördern wollen, rein männerspezifische Projekte gleich viel wert sind. Ich sehe da keinen Gegensatz zur Bundesverfassung, auch nicht bei Organisationen, die auf der einen Seite ausschließlich für Frauen und auf der anderen Seite ausschließlich für Männer zugänglich sind. (Abg. Öllinger: Was ist so neu? Das wollen wir jetzt wissen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 6. Anfrage. – Herr Abgeordneter Dr. Rasinger, bitte.

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

189/M

Welche Aktivitäten planen Sie, um dem verstärkten Vorsorgegedanken in der Gesundheit Rechnung zu tragen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Kollege Rasinger! Sie wissen, dass ich als Abgeordneter immer ein Anhänger der Auffassung war, dass Prävention ein wichtiger Beitrag im Rahmen der Gesundheitspolitik ist; nicht so sehr, um die Kosten einzudämmen – auch die Kostenfrage spielt hier eine Rolle –, sondern vor allem, um die Lebensqualität der betroffenen Österreicherinnen und Österreicher über einen längeren Zeitraum auf hohem Niveau zu gewährleisten.

Ich glaube daher, dass wir in Österreich einiges an wichtigen Beiträgen in diesem Bereich geleistet haben. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir auf Grund der 2. Österreichischen Gesundheitskonferenz, die im Mai 2001 unter dem Titel "Prävention und Vorsorge" stattgefunden hat, zwei gravierende Schwerpunkte konkret bearbeitet haben: Wir haben zum Ersten die gesunde Ernährung und zum Zweiten die Kampagne "Pro Nichtraucher" als Schwerpunkte für das heurige Jahr festgelegt.

Darüber hinaus haben das Staatssekretariat für Gesundheit und die Geschäftsführung des Hauptverbandes vereinbart, die Gesundheitsuntersuchungen laufend dem Stand der Wissenschaft anzupassen und zu verbessern.


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Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldes den Mutter-Kind-Pass deutlich verbessert und auch im Vorschulalter für Kinder im fünften Lebensjahr eine Untersuchung vorgesehen haben, um schon im vorschulischen Alter Verbesserungen des Gesundheitszustandes von Kindern so rechtzeitig zu erreichen, dass sie beim Schuleintritt nicht durch Haltungsschäden oder sensorische Schäden daran gehindert sind, voll am Schulunterricht teilzunehmen.

Ich gehe davon aus, dass darüber hinaus im Rahmen des im Mai 2002 bei der Österreichischen Gesundheitskonferenz angekündigten "Nationalen Gesundheitsplans für Österreich" Szenarien festgesetzt werden, die für diesen Bereich wichtig sind. Wir haben gemeinsam mit der AUVA, mit dem Fonds "Gesundes Österreich" eine Reihe von Präventionsmodellen entwickelt und Forschungsaufträge erteilt, die den Bereich psychische Gesundheit betreffen und die im Zusammenhang mit Stress am Arbeitsplatz stehen. Auch der Arbeitnehmerschutz wurde im Vorfeld besser berücksichtigt.

Ich meine daher, dass diese Bundesregierung – und hier besonders mein Staatssekretär für Gesundheitsfragen – gerade im Bereich der Prävention eine wichtige Schwerpunktsetzung vorgenommen hat, die schon höchst an der Zeit war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Planen Sie, die Teilnahmeraten an den Vorsorgeuntersuchungen auf das Niveau von Vorarlberg anzuheben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es wäre für mich wünschenswert, würde bei den gesamten Bemühungen eine Anhebung nach oben erfolgen. Es wäre für mich zum Zweiten auch wünschenswert, würde den neuesten medizinischen Erkenntnissen entsprochen, dass Vorsorgeprogramme unterschiedlich nach Geschlechtern zu gewichten sind, was dann für das weitere Leben mit eingeplant werden könnte.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es eine Reihe von Studien gibt, wonach es im bestehenden Gesundheitssystem in Österreich, das diese Bundesregierung übernommen hat, einen erheblichen Nachteil für Frauen gibt. Die Beseitigung dieses Frauennachteils sollte man im Bereich des österreichischen Gesundheitssystems endlich angehen, gerade im Bereich der Prävention, im Hinblick auf Tumorerkrankungen, Krebserkrankungen, die frauenspezifisch sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Alle ExpertInnen sind sich einig, dass auf Grund der Fortschritte der Medizin, der steigenden Zahl alter Menschen und damit chronischer Erkrankungen das Gesundheitssystem zweifellos teurer werden wird, als das durch Einsparungen wettgemacht werden kann. Sind Sie ernsthaft der Meinung, dass die Gebietskrankenkassen in Zukunft nicht über mehr Mittel verfügen müssen, um den chancengerechten Zugang zu Leistungen weiter garantieren zu können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wenn Sie alleine die 60. ASVG-Novelle, die heute hier behandelt wird, betrachten, sehen Sie, dass wir dem Gesundheitssystem selbstverständlich neue Mittel zur Verfügung stellen, etwa aus der Tabaksteuer.

Ich weise darauf hin, dass auch die Gebühr, die ab Einführung der E-Card entrichtet werden muss, dem System neue Mittel zuführt. Somit sehen Sie, dass ich nicht so wie Sie der Meinung bin, dass unserem Gesundheitssystem in Zukunft nicht die entsprechenden Mittel zugeführt werden. Aber ich sage auch in aller Klarheit, dass vorher alle Einsparungspotentiale, die inner


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halb unseres Gesundheitssystems vorhanden sind, so zu lukrieren sind, dass man es mit ruhigem Gewissen den Österreicherinnen und Österreichern, also den Beitragszahlern und Steuerzahlern, nicht nur schmackhaft machen kann, sondern es ihnen gegenüber auch verantworten kann, wenn in Zukunft Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lackner, bitte.

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Minister! Nachdem Sie vorher doch einige Aktivitäten im Bereich der Vorsorgemedizin beziehungsweise im Bereich des verstärkten Vorsorgegedankens genannt haben, wäre nunmehr auch noch die Frage der Finanzierung anzudiskutieren. Gibt es in Ihrem Ministerium Vorstellungen dahin gehend, wie die doch verstärkten Aktivitäten in diesem Bereich auch finanziert werden können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Kollege Lackner! Es steht heute die 60. ASVG-Novelle zur Abstimmung. Im Rahmen der 60. ASVG-Novelle ist einerseits geplant, dem System Mittel zur Verfügung zu stellen. Zum Zweiten ist innerhalb des Systems das Lukrieren von Einsparungspotentialen mit klaren Zielsetzungen und auch mit Steuerungselementen, wie sie in der Privatwirtschaft gang und gäbe sind, vorgesehen.

Mit der heutigen 60. ASVG-Novelle werden meiner Ansicht nach manche enttäuscht werden, die in der Vergangenheit geglaubt haben, dass sie die Einsparungspotentiale, die andere Gebietskrankenkassen schon längst lukriert haben, nicht erbringen müssen. Es werden sich jene, die bis dato sehr wenig getan haben, um das gesetzliche Ziel, nämlich den Verwaltungsaufwand 1999 am 31. Dezember 2003 zu erreichen, schlussendlich verstärkt bemühen müssen.

Das Benchmark der Controlling-Gruppe des Hauptverbandes sagt klar, dass wir auf der Zielplanung liegen. Aber wie es bei einer Zielplanung im Durchschnitt eben ist, gibt es solche, die besser sind, die also die Ziele jetzt schon erreicht haben, und solche, die von diesen Zielen noch weiter entfernt sind.

Jene, die von diesen Zielen noch weiter entfernt sind, werden die Ziele erreichen müssen, denn das Gesetz, das heute hier zur Beschlussfassung vorliegt, ist in dieser Situation eindeutig. Gerade für Sie als Vorarlberger Abgeordneten sollte es, wie ich meine, besonders bedeutsam sein, dass die Einsparungsziele von jenen, die sie bis heute nicht in der gleichen Form wie die Vorarlberger Gebietskrankenkasse lukriert haben, in Zukunft nach dem Gleichheitsprinzip zwischen den einzelnen Trägern umgesetzt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pumberger, bitte.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich freue mich, dass Sie Vorsorgemedizin zu einem Schwerpunkt in Ihrem Ressort gemacht haben. Nun meine Frage: Kommt es durch diese Betonung zu Mehrkosten für die Krankenkassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Pumberger! Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen. Eine österreichweite flächendeckende Impfung der Risikogruppen, also der Kinder und der Senioren, gegen Grippe würde nach den vorliegenden Zahlen 386 Millionen Schilling kosten, aber volkswirtschaftlich gesehen ein Einsparungspotential von 1,2 bis 1,4 Milliarden bedeuten.

Ich glaube daher, dass man in diesem Fall die Rechnung nicht so verkürzt machen sollte, wie es manche in der Vergangenheit getan haben, die die 386 Millionen Schilling Startkapital nicht zur Verfügung stellen wollten, wodurch die Einsparungseffekte und Gesundheitseffekte für die Bevölkerung nicht lukriert werden konnten.


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Einige Gebietskrankenkassen haben dankenswerterweise ihren Versicherten diese Möglichkeiten bereits eröffnet. Aus diesen Versicherungsgemeinschaften kennen wir die Zahlen. Mein Bemühen wird es sein, das flächendeckend und epidemiologisch richtig auf ganz Österreich auszudehnen, um allen Österreicherinnen und Österreichern, die den Risikogruppen angehören, diese kostenlosen Impfungen in Zukunft zur Verfügung zu stellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Ich darf Frau Abgeordnete Haidlmayr aufrufen, Anfrage Nummer 200 vorzutragen.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Minister! Sie wissen, dass es in Österreich im Bereich der Rehabilitation einen großen Unterschied gibt, je nachdem, welche Behinderung wie entstanden ist.

Deshalb meine Frage:

200/M

Bis wann werden Sie dem Nationalrat ein Gesetz vorlegen, das einen einheitlichen Rechtsanspruch auf Rehabilitation unabhängig von Ursache und Art der Behinderung sowie Alter der betroffenen Person einräumt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.


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111. Sitzung / Seite 30

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrte Frau Kollegin Haidlmayr! Es bestehen derzeit in meinem Haus eine Reihe von Arbeitskreisen, die sich mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Neuordnung beschäftigen. In diesem Zusammenhang gibt es auch einen, der sich mit der von Ihnen gestellten Frage beschäftigt.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es letztendlich auch eine Frage der Finanzierbarkeit ist, wie weit man vom bestehenden Kausalitätsprinzip abgehen und Ihrer Intention nachgehen kann. Es ist mir aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass schon die bestehende gesetzliche Vorsorge dafür ausreichend ist, dass die Leistungen der medizinischen Rehabilitation auch einem Versicherten und dessen Angehörigen, die in der Freizeit verunfallt sind, zugänglich gemacht werden. Diese Möglichkeit wird durch stete Verbesserungen der Abstimmung und Zusammenarbeit der unterschiedlichen Rehabilitationsträger laufend schrittweise weiter ausgebaut.

Abstimmung und Zusammenarbeit der verschiedenen Rehabilitationsträger haben bereits zu einer weiteren Vereinheitlichung bei der Behandlung von Leistungsansprüchen und der Erbringung von Leistungen im Rahmen der Rehabilitation geführt. Aber ich gebe Ihnen Recht, Frau Abgeordnete, dass wir in diesem Bereich noch sehr weit von dem von Ihnen formulierten Ziel entfernt sind.

Andere Länder, wie etwa die Schweiz, haben, um das Finanzproblem zu lösen, eine verpflichtende Freizeitversicherung eingeführt. Auch dies ist für mich diskutierbar, um dieses soziale Problem einer endgültigen und umfassenden Lösung zuzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Minister! Es ist schon klar, dass Rehabilitation Geld kostet. Noch mehr Geld kostet es aber, wenn Rehabilitation nicht angeboten wird. Meine Frage ist: Wie viel Geld, unabhängig von menschlichem Leid, könnten wir uns in Österreich ersparen, wenn für Menschen mit Behinderung, für Menschen mit Krankheiten eine ausreichende Rehabilitation sichergestellt wäre?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.


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111. Sitzung / Seite 31

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es ist immer äußerst schwierig, derartige Berechnungen anzustellen. Ich kann hier nur einiges von dem angeben, was wir bereits aufgewendet haben. Die Krankenversicherungen haben bisher 181 Millionen € für Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge aufgewendet, die Unfallversicherungen haben einen Betrag von 350 Millionen € aufgewendet, sodass der Gesamtaufwand derzeit 894 Millionen € beträgt.

Ich darf Sie aber darauf hinweisen, dass dort, wo die Rehabilitation nicht, nur unvollständig oder gar nicht erfolgt, das menschliche Leid, das damit verbunden ist, noch gar nicht zu beziffern ist. Menschliches Leid, die Sorgen der Familie und das Aussteigen aus dem Arbeitsmarkt, um für nicht rehabilitierte Angehörige da zu sein, das sind Dinge, die nur äußerst schwierig zu beziffern sind. Ich bitte daher um Verständnis dafür, dass mir diese Zahlen nicht vorliegen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dietachmayr, bitte.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundesminister! Rehabilitation ist äußerst wichtig, ist aber, wie Sie gesagt haben, auch kostenintensiv. Wie stehen Sie daher zu dem Plan, dass die Unfallversicherungsbeiträge gesenkt werden sollen, wodurch der Rehabilitation eine finanzielle Grundlage entzogen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.


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111. Sitzung / Seite 32

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass die österreichische Prävention auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahrzehnten so erfolgreich war, dass das, was zur Gründung der Unfallversicherungsanstalt und zur Mittelzurverfügungstellung geführt hat, heute Gott sei Dank in weiten Bereichen obsolet geworden ist.

Ich darf Sie darauf hinweisen – Sie als Vorsitzender des Sozialausschusses wissen das ja ganz genau –, dass wir die Zahl der Todesopfer drastisch senken konnten, dass wir darangehen, die 120 000er-Grenze von Unfallopfern auf dem Arbeitsmarkt zu unterschreiten, und dass daher der Bedarf auf diesem Sektor laufend – ich sage: Gott sei Dank – sinkt.

Es kann allerdings nicht Aufgabe der AUVA sein, sämtliche vorstellbare gesellschaftspolitische Aufgaben zu übernehmen, weil das nicht Angelegenheit der Wirtschaft ist, sondern Angelegenheit der gesamten staatlichen Volkswirtschaft. Ich glaube daher, dass man bei einer Senkung vorsichtig sein wird, damit keine Gefährdung in der von Ihnen angesprochenen Richtung aufritt, dass man auf der anderen Seite aber auch sehen muss, dass es unverantwortlich wäre, die Beitragsleistungen in gleicher Höhe beizubehalten, wenn wir auf der anderen Seite durch die Prävention, durch die bessere Ausgestaltung der Arbeitsplätze eindeutige Erfolge im Interesse der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erzielen konnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé, bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Ich bedanke mich dafür, dass Sie eine Arbeitsgruppe eingerichtet haben, die eben die Gleichstellung von Arbeitsunfällen und Freizeitunfällen behandeln soll. Frühere Sozialminister haben diesem Problem eigentlich sehr wenig Beachtung geschenkt.

Es gibt ja ganz skurrile Entscheidungen, was ein Arbeitsunfall und was ein Freizeitunfall ist. Meine Frage lautet nun: Haben Sie ohne grundlegende gesetzliche Änderung die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, dass es eben im Einzelfall nicht mehr diese skurrilen Entscheidungen gibt, die man überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich muss zugeben, dass es in diesem Rechtsrahmen sehr viele Entscheidungen gibt, die für den durchschnittlichen österreichischen Staatsbürger nicht mehr nachvollziehbar sind. Meine Möglichkeit, als Aufsichtsorgan in diesen Bereich direkt einzugreifen, ist äußerst beschränkt. Ich kann die entsprechenden Träger nur auffordern, die Situation zu überdenken und diese Dinge neu zu bearbeiten, wie ich es etwa im Zusammenhang mit den Asbestopfern getan habe.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass es für mich als Minister gänzlich unmöglich ist, in Fällen, wo etwas von den Arbeits- und Sozialgerichten bereits ausjudiziert ist, einzugreifen. Auf Grund verfassungsgesetzlicher Bestimmungen ist eine Korrektur von Gerichtsentscheiden überhaupt nicht möglich. Ich sehe allerdings einen dringenden Bedarf, diesen Bereich endlich zu harmonisieren. Es ist, wie ich meine, für niemanden in Österreich mehr nachvollziehbar, dass angesichts einer immer flexibler werdenden Arbeitswelt bei den einzelnen Berufsgruppen derart unterschiedliche Möglichkeiten, aber auch derart unterschiedliche Benachteiligungen bestehen bleiben sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Feurstein, bitte.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Minister! Ich bin Ihnen für das klare Bekenntnis zu einer Harmonisierung, und zwar dahin gehend, dass allen, die einen Unfall erlitten haben, in gleicher Weise Rehabilitation gewährt werden soll, dankbar, denn ich betrachte das auch als ganz wichtiges Ziel der Sozialpolitik. Das Problem sind die Freizeitunfälle, wie Sie gesagt haben. Da gibt es die medizinische Vollrehabilitation nicht, allerdings im beruflichen Bereich.

Darf ich Sie jetzt Folgendes fragen: Können Sie ad hoc gewisse Vorschläge dieser Kommission, die schon seit vielen Jahren eingesetzt ist, nennen, wie man zu einer vollen Gleichstellung der Freizeitunfälle kommen könnte, um somit eben diesem Ihrem Anliegen zu entsprechen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es gibt einige Vorschläge, etwa jenen, einen Zuschlag auf den Preis von Liftkarten oder Sportgeräten für Extremsportarten einzuheben. Bei all diesen Modellen muss allerdings erwogen werden, dass auf Grund des kleinen österreichischen Wirtschaftsraumes der Ankauf von Sportgeräten etwa im grenznahen Raum, allerdings jenseits der Grenze, erfolgen könnte, wodurch die österreichische Wirtschaft geschädigt würde.

Ein Problem bleibt bei all diesen Vorschlägen allerdings nach wie vor unberücksichtigt: Das ist die eminent hohe Zahl von Haushaltsunfällen, die gänzlich unberücksichtigt bleiben und die heute die Spitzenposition in der Unfallstatistik einnehmen. Ich meine daher, dass ohne eine entsprechende Einbeziehung des Problems der Haushaltsunfälle, die hauptsächlich Frauen und Kinder erleiden, all diese Überlegungen nur Stückwerk bleiben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zur 8. Anfrage. Herr Abgeordneter Dolinschek, ich bitte um deren Formulierung.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wir alle wissen, dass Ihnen Menschen mit Behinderungen ein besonderes Anliegen sind.

Meine Frage lautet daher:

198/M

Welche Ziele werden mit der Reform der Bundessozialämter verfolgt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Mit der Reform der Bundessozialämter wollen wir zentrale Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen schaffen, wobei wir mit den Ländern vereinbart haben, dass wir gemeinsame Leistungen auch gemeinsam zu verwalten gedenken, sodass die behinderten Menschen nicht etwa beim Ankauf eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges in manchen Bundesländern sieben Dienststellen aufsuchen müssen, in manchen Bundesländern sogar neun, sondern von einer Dienststelle dieses ihr Begehren erledigt bekommen. Wir wollen durch die regionale Zuteilung von Bundessozialämtern in Niederösterreich und im Burgenland diese Vernetzung mit den Landesstellen verbessern und intensivieren, um schlussendlich den behinderten Menschen in Österreich nach dem One-Desk-Prinzip eine einzige Anlaufstelle für Angelegenheiten der behinderten Menschen zu bieten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Es werden jetzt zahlreiche Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern, was Angelegenheiten von behinderten Menschen betrifft, beseitigt. Welche Einsparungen sind durch diese Maßnahmen im Rahmen der Verwaltungsreform zu erwarten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Die üblichen Einsparungen bei Verwaltungsvereinfachungen im Rahmen der Verwaltungsreform liegen im Bereich von etwa 10 Prozent der heutigen Verwaltungskosten, und zwar langfristig. Ich darf aber darauf hinweisen, dass die so eingesparten Mittel den behinderten Menschen nicht entzogen werden sollen, sondern das Gegenteil ist der Fall, sie werden für die behinderten Menschen verstärkt zur Verfügung gestellt. Ich darf also sagen, dass es das gemeinsame Bemühen der Bundesländer und des Bundes ist, statt Geld für Verwaltung aufzuwenden, mehr Geld für die behinderten Menschen zur Verfügung zu stellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Gatterer. – Bitte.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Minister! Eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung in der Behindertenpolitik ist, wie ich meine, Auftrag an jede Regierung. Inwieweit sehen Sie jetzt die Reform der Bundessozialämter wirklich als große Chance, beziehungsweise wo sehen Sie die größte Erleichterung für Menschen mit Behinderung durch diese Reform?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Was die mittelfristige Umsetzung betrifft, meine ich, dass die Bundessozialämter eine Anlaufstelle für behinderte Menschen vor Ort sein sollten, also dem Wohnsitz möglichst nahe sein sollten, samt den mobilen Einrichtungen der Bundessozialämter, damit die Menschen vor Ort begutachtet und betreut werden können. Das wichtigste Element ist also, dass sie endlich nahe am Wohnsitz der behinderten Menschen und ohne großen Aufwand tätig werden können.

Ich darf darauf hinweisen, dass es nach der Pfeilstudie in Österreich ein großes Gefälle zwischen den Bundesländern auch im Bereich des sozialen Umfeldes für behinderte Menschen gibt, ohne das jetzt werten zu wollen. Daher ist es für mich auch wichtig gewesen, die Bundessozialämter zu erhalten, um ein einheitliches Niveau in Österreich zum Wohle der behinderten Menschen auf möglichst hoher Stufe weiterhin zu garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Minister! Im Rahmen der Reform der Bundessozialämter wurde die soziale Rehabilitation, die früher Sache des Bundes war, jetzt zu den


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Ländern verlagert. Das wird dazu führen, dass behinderte Menschen, die zum Beispiel Mittel für eine Wohnungsadaptierung brauchen, Mittel in jener Höhe erhalten, die sich unter Umständen an der Sozialhilfe orientiert. Das ist natürlich ein gravierender Einschnitt.

Deshalb meine Frage, Herr Minister: Bis wann werden Sie dem Parlament einen Entwurf zuleiten, der sicherstellt, dass soziale, medizinische und berufliche Rehabilitation für alle Menschen, die behindert sind, die alt sind, die krank sind, im selben Ausmaß zur Verfügung steht?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wir haben über das Problem, das Sie hier angeschnitten haben, auch schon im Ausschuss mehrfach diskutiert. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass meine Fachbeamten und auch die Mitarbeiter der Bundessozialämter diese Ihre Befürchtung, die Sie formuliert haben, nicht teilen. Das von Ihnen aufgeworfene Problem stellt sich auf Grund der gesetzlichen Grundlage aus Sicht meiner Fachbeamten und aus Sicht der Betroffenen, etwa auch des ÖZIV, nicht in der Form.

Ich möchte angesichts dieser Fragestellung die Gelegenheit benützen, die behinderten Menschen dahin gehend zu beruhigen, dass die Neuorganisation der Bundessozialämter und die Zusammenlegung der Aufgaben von Bund und Ländern nicht zu Einsparungen führen werden, sondern auf gleicher gesetzlicher Grundlage zu einer Harmonisierung und zu einer Erleichterung für die behinderten Menschen, aber nicht zu einer Mittelreduktion.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek, bitte.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage ist ähnlich. Mit der Reform der Bundessozialämter sollen ab jetzt nur noch die Länder Maßnahmen der sozialen Rehabilitation behinderter Menschen setzen. Ich frage Sie: Wird es Richtlinien seitens des Bundes geben, damit gewährleistet ist, dass von Wien bis Vorarlberg behinderte Menschen gleich behandelt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek! Wir sind mit den Landessozialreferenten schon seit geraumer Zeit in einem Dialog, um das österreichische Sozialsystem zu harmonisieren und den Anregungen der Pfeilstudie Rechnung zu tragen. Ich glaube, dass wir da auf einem guten Wege sind, dass das, was die Pfeilstudie zu Recht als Ungleichgewichtung zwischen den Bundesländern anführt, sukzessive und Schritt für Schritt, so wie es uns die Bundesverfassung erlaubt, beseitigt wird. Wir sind auch angewiesen, dort, wo die Aufgaben bei den Ländern liegen, mit den Ländern gemeinsam diese Harmonisierungsschritte zu setzen.

Ich glaube daher, dass die behinderten Menschen, aber auch die sozial schwachen Menschen in diesem Land beruhigt sein können, weil sich die Bundesländer und der Bund dessen bewusst sind, dass die Pfeilstudie hinsichtlich ihres Harmonisierungsbedürfnisses umgesetzt werden muss.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Da die 60 Minuten der Fragestunde noch nicht abgelaufen sind, weil wir erst um 9.05 Uhr begonnen haben, rufe ich noch die letzte Anfrage auf. Ich bitte, wenn möglich, um kurze Fragen und kurze Antworten. – Bitte, Herr Abgeordneter Riepl.

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

203/M

Planen Sie, die Gebiets- und Berufskrankenkassen – so wie von einigen Ihrer Parteikollegen gefordert – zusammenzulegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Eine Zusammenlegung der von Ihnen apostrophierten Kassen ist für mich dann sinnvoll, wenn auch die gesamten Überlegungen Sinn machen und das entsprechende Umfeld harmonisiert ist. Wenn dem so ist, dann ja.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Immer höher, Herr Bundesminister, werden die Schulden der Betriebe bei den Gebietskrankenkassen, unglaubliche 10,5 Milliarden Schilling betragen die Außenstände bereits. Ich frage Sie daher: Haben Sie Vorschläge, um die Zahlungsmoral der Unternehmer zu verbessern und dadurch die Finanzsituation der Krankenkassen zu erleichtern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass nunmehr in Zukunft sowohl die Krankenversicherungen als auch das Finanzministerium gemeinsame Prüfungsteams einsetzen werden, um auf Basis der Kollektivverträge die Prüfungen zwischen Finanzbereich und Krankenversicherungsbereich zu harmonisieren. Ich darf Sie aber auch darauf hinweisen, dass die von Ihnen genannte Höhe der Schulden aus sehr vielen Insolvenzen resultiert und die Summen aus Insolvenzen teilweise über 25 Jahre in den Bilanzen bleiben, weil, wie Sie, Herr Abgeordneter, sicherlich wissen, Insolvenztitel bis zu 25 Jahre aufrecht bleiben und auch dann, wenn kein Geschäftsführer und auch kein Vermögen greifbar sind, eine Insolvenz abgewickelt wird.

Ich glaube daher, dass diese Zahl, die Sie genannt haben, und jene Aspekte, die Sie mit in die Diskussion gebracht haben, unter diesem Blickwinkel betrachtet werden sollten. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass gerade die Wiener Gebietskrankenkasse einen mehrstelligen Milliardenbetrag – in Schilling gerechnet – in ihrer Bilanz bereinigt hat, der aus Titeln nicht einbringlicher Forderungen aus Insolvenzen der letzten Jahre resultiert. Ich meine, man sollte zwischen jenen Summen, die sich aus Insolvenzen ergeben, und tatsächlichen Zahlungsverzögerungen unterscheiden.

Ich denke, diese Bundesregierung ist bemüht, diese Zahlungsverzögerungen und die Zahlungen unter dem Kollektivvertrag in die KV durch das gemeinsame Team von Krankenversicherungsprüfern und Finanzprüfern endlich anzugehen und das zu bereinigen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Hartinger, bitte.

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Minister! Der Leistungseinkauf in den einzelnen Sozialversicherungsträgern ist sehr unterschiedlich. Welche Maßnahmen oder Schritte werden Sie zur Leistungsharmonisierung setzen, damit endlich ein Steirer oder ein Vorarlberger beispielsweise gleich behandelt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es ist, so glaube ich, für niemanden in Österreich nachvollziehbar, dass jemand als Beitragszahler der Gebietskrankenkasse in Burgenland bei gleichen Beitragssätzen 4 000 S Zahnersatzzuschuss bekommt und in Vorarlberg 20 000 S. Mein Ziel muss es sein, durch die Harmonisierung aller Träger und durch das Lukrieren der Einsparungspotenziale soviel Geld freizumachen, dass alle Menschen in Österreich die hohen Zuzahlungen, die derzeit in Vorarlberg bezahlt werden, bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Donabauer, bitte.


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Abgeordneter Karl Donabauer
(ÖVP): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die Diskussion über die zu schaffenden Länderfonds? Sollen diese neue Aufgaben bekommen oder nur neue Verwaltungsstrukturen werden oder sollen diese Ersatz für die heutigen KV-Trägerschaften sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bin bemüht, sukzessive in diesem Bereich bei nahezu gleichen Beitragszahlungen und gleichen Möglichkeiten die Verwaltungsstrukturen zu harmonisieren und zusammenzuführen. Als Anhänger des Subsidiaritätsprinzips glaube ich nicht, dass es Sinn macht, einen einzigen bundesweiten Moloch in diesem Bereich in Österreich einzurichten, weil bei einem ausufernden Zentralismus erfahrungsgemäß die Kosten der Verwaltung nicht geringer, sonder höher werden. Ich tendiere dahin, Strukturen, die harmonisiert und sinnvoll sind, so zusammenzulegen, dass man auf Grund der kleinen Strukturen und der Kontrolle durch die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und durch die Versichertengemeinschaft den bestmöglichen Erfolg hat, das Geld für Gesundheitsleistungen und für Pensionsleistungen zu bekommen und nicht für die Verwaltung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Aus Ihrem Haus kamen in der Vergangenheit immer wieder Anregungen beziehungsweise Vorschläge zur Zusammenlegung von Unfallversicherung und Krankenversicherung, was eine bedeutende Entlastung für die Arbeitgeberseite mit sich brächte. Heute haben Sie einen anderen Vorschlag vorgestellt, nämlich eine Freizeitunfallversicherung, das heißt einen Eigenbeitrag der Arbeitnehmer und eine Entlastung der Arbeitgeberseite. Was genau planen Sie: die Zusammenlegung, eine Beitragsentlastung oder eine Mischung aus beiden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ich gefragt worden bin, welche Pläne und welche Vorschläge von der Arbeitsgruppe diskutiert werden. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass eine Zusammenlegung der Unfallversicherungen mit den Krankenversicherungsträgern nur dann eine Entlastung der Wirtschaft brächte, wenn man die Beitragszahlungen in die Unfallversicherung per Gesetz reduzieren oder per Gesetz überhaupt abschaffen würde. Davon, sehr geehrter Herr Abgeordneter, war meinerseits nie die Rede.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre die Fragestunde für beendet, da die 60 Minuten der Fragestunde abgelaufen sind. Ich danke dem Herrn Bundesminister. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen:

Zurückziehung: 4092/J und 4093/J.


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2. Anfragebeantwortungen:
3847/AB und 3848/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Justizausschuss:

Antrag 732/A (E) der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend begleitende Maßnahmen nach der Aufhebung von § 209 StGB;

Kulturausschuss:

Antrag 730/A (E) der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maßnahmenpaket für den österreichischen Film;

Unterrichtsausschuss:

Antrag 731/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer SchülerInnenanwaltschaft.

*****

Ankündigung von Dringlichen Anfragen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich Dringlicher Anfragen gebe ich bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler eine Dringliche Anfrage betreffend rechtliche und politische Konsequenzen aus den Äußerungen von Volksanwalt Mag. Ewald Stadler eingebracht haben.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Martin Graf, Mag. Martina Pecher und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie eine Dringliche Anfrage betreffend Forschung und Technologie – sichern Arbeitsplätze und stärken den Wirtschaftsstandort eingebracht.

In diesem Fall sind die Bestimmungen des § 57b Abs. 1 und 2 anzuwenden. Abs. 1 besagt, dass an einem Sitzungstag nur eine Dringliche Anfrage oder ein Dringlicher Antrag zum Aufruf gelangen kann. Abs. 2 besagt: Werden mehrere Dringliche Anfragen eingebracht, so gelangt die Anfrage jenes Klubs zum Aufruf, bei dem die letzte aufgerufene Dringliche Anfrage länger zurückliegt. (Abg. Dr. Petrovic: Reife Leistung!)

Daher hat die Anfrage der Freiheitlichen nach § 57b Abs. 2 Vorrang. Die Dringliche Anfrage der grünen Fraktion wurde vor Eingang in die Tagesordnung zurückgezogen.

Was die Anfrage der Freiheitlichen betrifft, so hat sie die Nummer 4190/J und ist, wie schon gesagt, an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie gerichtet.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich vor Eingang in die Tagesordnung bekannt, dass Frau Abgeordnete Dr. Petrovic beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 102/A (E) betreffend Verurteilung ausländerfeindlicher, rassistischer und das NS-Regime verharmlosender Äußerungen von FPÖ-Politikern eine Frist bis zum 18. September 2002 zu setzen.


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Es liegt in diesem Zusammenhang ein Verlangen gemäß § 43 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte vor.

Da für die heutige Sitzung, wie soeben bekannt gegeben wurde, die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage festgelegt wurde, wird die Kurzdebatte im Anschluss an die Beratungen zur Dringlichen Anfrage stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag findet nach Schluss der Debatte statt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, was die heutige Tagesordnung betrifft, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 3 bis 8, 9 bis 11, 12 bis 19 sowie 20 und 21 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Somit gehe ich nunmehr in die Tagesordnung ein. (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäftsordnung!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

10.11

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Da es die Regierungsparteien neuerlich verhindert haben, dass die unsäglichen Äußerungen von Volksanwalt Stadler hier im Parlament behandelt werden, haben wir gemäß § 46 Abs. 6 ein Verlangen auf eine so genannte Sondersitzung eingebracht.

Um den Kolleginnen und Kollegen hier im Haus die Zeitplanung zu erleichtern, schlage ich vor, dass ehest möglich eine Präsidialkonferenz zur Festsetzung des Termins dieser Sondersitzung nach § 46 Abs. 6 einberufen wird.

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung? – Bitte, Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler.

10.12

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann den Vorwurf des Herrn Abgeordneten Van der Bellen, dass die Regierungsparteien irgendetwas verhindert hätten, nur auf das Schärfste zurückweisen.

Wahr ist vielmehr, dass die Freiheitliche Partei ihr geschäftsordnungsmäßiges Recht in Anspruch genommen hat, eine Dringliche Anfrage zum Thema Technologie, Forschung und Arbeitsplätze einzubringen. (Rufe bei den Grünen: Ja, ja!)

Herr Kollege Van der Bellen hat einmal mehr seine Unkenntnis der Geschäftsordnung unter Beweis gestellt, und ich finde es ungeheuerlich, dass er einen solchen Vorwurf im Rahmen einer Meldung zur Geschäftsordnung aus den Bankreihen erhebt – noch dazu, da wir alle wissen, dass Herr Kollege Van der Bellen und seine gesamte Fraktion am Dienstag ab Mittag das Plenum verlassen haben, ihrer Freizeitbeschäftigung nachgekommen sind und ihre Arbeit als Abgeordnete vernachlässigt haben. Das ist ein Skandal, Herr Präsident! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Van der Bellen: Unwahr! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung Grüne –: Hätten Sie gearbeitet am Dienstag! Jetzt müssen wir eine Sondersitzung machen! Am Dienstag arbeiten Sie nicht!)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir noch einige schwierige Stunden vor uns haben, und daher möchte ich jetzt Folgendes sagen: Wenn ein


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Verlangen auf Einberufung einer Sitzung nach § 46 Abs. 6 vorliegt, so hat das gewisse geschäftsordnungsmäßige Konsequenzen.

Der Präsident ist nach der Geschäftsordnung dazu verpflichtet, bestimmte Dinge in einer Präsidialkonferenz zu beraten und zu diskutieren. Daher ergibt sich für mich die Pflicht, eine Präsidialkonferenz einzuberufen. Ich hätte das auch gemacht, wenn es nicht verlangt worden wäre. Aber es ist legitim, das zu verlangen. Ich habe vorgestern in einer gleichen Situation eine Präsidialkonferenz für 11.30 Uhr vorgeschlagen, das hat Konsens gefunden, denn da kann man sich noch ein wenig vorbereiten. (Zwischenruf der Abg. Wochesländer.  Abg. Dr. Khol: 13 Uhr!) – 13 Uhr?

Wir verhandeln jetzt, das ist aber gut so, weil Konsens gut ist. – Gibt es gegen 13 Uhr einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Klubobmänner und die ... (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Wochesländer. ) – Frau Abgeordnete, wenn wir die Präsidiale um 11.30 Uhr machen, dann werden wir um eineinhalb Stunden früher eine Entscheidung haben. Wenn sie für 13 Uhr vorgeschlagen wird, und es gibt Konsens darüber, dann ist mir die Meinung der Klubobleute maßgeblich, und ich bitte, das zu verstehen.

Die Präsidialkonferenz wird also um 13 Uhr stattfinden, und wir werden uns bemühen, Ihnen so rasch wie möglich die notwendigen Termininformationen zu geben. Damit, so glaube ich, können wir dieses Kapitel abschließen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf Sie darüber informieren, dass es erfreulicherweise einen Konsens in folgender Frage gibt: Wir haben eine Tagesblockzeit von 8 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 156 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 116 Minuten und Grüne 92 Minuten.

Für die Zeit von 9.05 Uhr bis 13 Uhr wurden Redezeitvereinbarungen getroffen, die identisch sind mit jenen, die wir gestern vereinbart haben, und ich glaube, ich erspare mir daher eine Verlesung. Die Redezeiten der Minister, die Redezeiten der Abgeordneten, der Zeitpunkt allfälliger tatsächlicher Berichtigungen und die Aufteilung der Restredezeit vor 13 Uhr sollen so erfolgen wie gestern.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Ich frage Sie daher, meine Damen und Herren: Gibt es einen Einwand gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so festgelegt.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1134 der Beilagen): Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste,

über das Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete (III-146 der Beilagen) zum Thema "Der Weg zur vollen Rechtsfähigkeit der Universitäten",

über das Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete (III-104 der Beilagen) zum Thema "Die Universitätsreform",

über den Antrag 398/A (E) der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Reformschritte an den österreichischen Universitäten,

über den Antrag 444/A der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert wird,

über den Antrag 451/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der finanziellen Mittel für den Standort der Universität Salzburg ("Unipark Nonntal") sowie


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über den Antrag 453/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Befreiung von Studiengebühren für behinderte Menschen (1224 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (1225 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zu den ersten beiden Punkten der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

10.17

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute das neue Universitätsgesetz. Es ist in den letzten Jahren öfters vorgekommen, dass sich der Nationalrat mit Universitätsreformen auseinander gesetzt hat. Das ist zum Teil auch ein Problem, denn wenn permanent die Universitäten reformiert werden, dann führt das dazu, dass jene, die an den Universitäten tätig sind, sehr viel Zeit für Selbstbeschäftigung aufwenden müssen und dass die Energie nicht darauf gelenkt wird, was die eigentliche Aufgabe der Universitäten ist, sich nämlich um Lehre und Forschung zu kümmern.

Daher, so glaube ich, besteht auch eine Gefahr in der Versuchung, dauernd die Universitäten zu reformieren, weil damit von der eigentlichen Aufgabe abgelenkt wird. Ich habe die Befürchtung, dass das auch mit diesem Gesetz so sein wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine aber, dass nicht zu bestreiten ist, dass wir einige Probleme im Bereich der Universitäten zu lösen haben. Es ist nach wie vor so, dass Österreich eine relativ geringe Akademikerquote im internationalen Vergleich hat. Es ist leider nach wie vor so, dass trotz Frauenförderung zu wenige Frauen in Professorenpositionen an den österreichischen Universitäten sind. Es ist leider nach wie vor so, dass die Drop-out-Raten relativ hoch sind und dass es eine Reihe von Schwierigkeiten für Studenten im Studienablauf gibt, was etwa das Warten auf Prüfungstermine und das Gerangel um Laborplätze betrifft. Es gibt eine Reihe von praktischen Fragestellungen, die zu lösen sind.

Was vielleicht am allerdeutlichsten ist, das ist meine eigene Erfahrung. Ich kann mich erinnern, ich habe zu Beginn der achtziger Jahre an der Universität Wien studiert, und zu diesem Zeitpunkt gab es an unserem Institut 500 Studenten. Voriges Jahr habe ich "mein" Institut wieder besucht, und die Anzahl der dort Lehrenden, Professoren und Assistenten, war identisch mit jener vor 20 Jahren, die Zahl der Studenten hat sich jedoch in der Zwischenzeit verzehnfacht.

Aus diesem Grund, meine sehr verehrten Damen und Herren, besteht natürlich auch ein Problem im Verhältnis, wie viele Lehrende an den Universitäten zur Verfügung stehen und wie viele Studenten an den Universitäten es gibt. Daher ist es berechtigt, zu sagen, dass wir bei den Universitäten einen gewissen Handlungsbedarf haben, auch wenn die Leistungen, die unsere Universitäten erbringen, international einem höchsten Niveau und einer Bewertung standhalten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage das vor allem auch deswegen, weil bei jeder Reformdebatte immer der Hang zur Übertreibung besteht und diejenigen, die eine Reform durchführen, immer so tun oder so tun müssen, als ob der derzeitige Zustand ein besonders schlechter wäre. Aus der Beschreibung


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des derzeitigen Zustands und der so genannten Alternative der Weltklasse-Universität soll der Eindruck erweckt werden, jetzt werde die Universität mit einem Reformschritt von einem möglichst schlechten Zustand in einen optimalen Zustand übergeführt.

Ich glaube, das ist keine faire Bewertung, denn man muss ganz offen sagen, dass sowohl in einzelnen Bereichen der Forschung als auch vor allem in der Lehre das, was die österreichischen Universitäten in ihrer Gesamtheit leisten, durchaus international respektabel und herzeigbar ist und dass die Absolventen österreichischer Universitäten sowohl in Österreich als auch im internationalen Rahmen ausgezeichnete Beschäftigungsmöglichkeiten finden. Bei allen, die dazu beigetragen haben, möchte ich mich auch herzlichst für diese Leistung bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin auch nicht der Auffassung, dass alles, was es an leitenden Ideen bei dieser Universitätsreform gibt, von vornherein falsch ist. Frau Bundesministerin, Sie wissen es: Ich halte die Idee der Autonomie der Universitäten für eine vernünftige, weil ich der Meinung bin, dass sich die Universitäten unter einem Statut der Autonomie besser entfalten können als unter dem Gängelband des Ministeriums. Ich bin auch der Meinung, dass einige studienrechtliche Angelegenheiten durchaus zufrieden stellend gelöst sind. Wenn die Frauenförderung an den Universitäten das hält, was Sie verbal bekundet haben, was ich allerdings im Text noch nicht finden kann, dann bin ich durchaus optimistisch, dass der Weg, der in der Frauenförderung eingeschlagen wurde, fortgesetzt werden kann.

Das heißt, das Problem liegt nicht darin, dass diese Universitätsreform von vornherein die falschen Zielsetzungen hätte. Ich sehe das Problem eher in der Umsetzung dieser Zielsetzungen und in der Art und Weise, wie dieses Universitätsgesetz zustande gekommen ist.

Frau Bundesministerin! Sie haben darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz nach den Prinzipien der offenen Planung entwickelt wurde. Ich finde das keine sehr faire Bewertung dessen, was stattgefunden hat, wenn man sich daran erinnert, dass es nur zwei Unterausschusssitzungen gegeben hat, in denen letztendlich dieses Gesetz durchgeboxt wurde, und dass gerade bei einer solch grundsätzlichen Reform die Zeit der Auseinandersetzung mit allen Betroffenen bedeutend geringer war, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Ich möchte schon darauf hinweisen, dass auch in diesem Prozess sehr viele der Bedenken, die aufgetaucht sind, von Ihnen einfach nicht ernst genommen wurden. Ich möchte ein Beispiel dafür nennen: Sie können sich sicherlich daran erinnern, dass man sich im Ausschuss einvernehmlich darauf geeinigt hat, sechs Experten einzuladen, die bewerten, wie es mit der Ausgliederung der Medizinischen Fakultäten beziehungsweise mit der Gründung eigener Medizin-Universitäten aussieht. Alle sechs Experten haben das für keinen sinnvollen Schritt erachtet.

Da stelle ich mir die Frage, welchen Sinn eine Beratung hat, wenn wir uns nicht nach parteipolitischen Kriterien, sondern im Konsens auf sechs Experten geeinigt haben, alle sechs Experten gesagt haben, sie halten das nicht für den richtigen Weg, und der Einfluss auf das Gesetz gleich null ist. – Ich finde, das entspricht nicht den Prinzipien eines fairen demokratischen Diskussionsprozesses, denn es müssen letztendlich die Bedenken der Betroffenen auch ernst genommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

An diesem Beispiel wird auch offenkundig – das ist die Befürchtung, die viele haben –, dass es hinter dieser Universitätsreform eine versteckte Tagesordnung gibt, dass es nicht darum geht, dass es neue Medizin-Universitäten gibt, weil man das sachlich für sinnvoll hält, sondern weil manche möchten, dass die Zahl der Leitungsfunktionen erhöht wird. Es gibt in den Äußerungen des Abgeordneten Dr. Graf durchaus immer wieder den Hinweis darauf, dass die FPÖ stärker an den Universitäten vertreten sein möchte. Da ist die Überlegung gar nicht so illegitim, Herr Abgeordneter Graf, dass man annimmt, dass die Gründung der Medizin-Universitäten eine Möglichkeit ist, FPÖ-nahen Professoren in Zukunft auch Rektoratspositionen zu verschaffen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist, so finde ich, eine Belastung dieser Reformdiskussion, weil es damit zu einer Vermischung mit höchst parteipolitischen Aktivitäten und Anlie


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gen kommt. Und das tut unseren Universitäten nicht gut, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie der Schelm denkt, so ist er!)

Immer wenn es um den Postenschacher der FPÖ geht, meine Damen und Herren, merken Sie, dass die Unruhe immer größer wird. Offensichtlich erträgt es die FPÖ nicht, wenn man ihr den Spiegel vorhält. Das ist eine Angelegenheit, die ihr besonders unangenehm ist. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was heißt moderne Unternehmensphilosophie, da Sie auch gerne moderne Managementpraktiken einführen wollen? – Jedes moderne Unternehmen legt auf die Mitbestimmung, auf die Mitwirkung und auf das Engagement ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen größten Wert. Am allerdeutlichsten und am allerwichtigsten ist das gerade im Wissenschaftsbetrieb oder in Unternehmungen, in denen man fast ausschließlich darauf angewiesen ist, wie engagiert die einzelnen Mitarbeiter sind.

In diesem Zusammenhang ist es kein guter Schritt, dass die Teilnahmerechte von Tausenden Arbeitnehmern an den Universitäten eingeschränkt werden und dass auch habilitierte Universitätslehrer, die einen Großteil der Arbeit an den österreichischen Universitäten machen, der so genannte Mittelbau, diejenigen, die einen Großteil der Seminare, Proseminare et cetera, die reale Arbeit mit den Studenten leisten, durch dieses Universitätsgesetz in ihren Mitwirkungsrechten herabgesetzt werden und dass sich viele, die dort tätig sind, durch ein solches Gesetz eher demotiviert als motiviert fühlen. Das ist schade, denn die Konsequenzen daraus werden letztendlich die Studentinnen und Studenten zu tragen haben. Daher, Frau Bundesministerin, hätten Sie diese Menschen lieber motivieren und nicht demotivieren sollen! Das wäre der richtige Weg gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Wenn Sie mit Recht sagen, die Autonomie wäre der richtige Weg – ich teile diese Meinung –, dann stellt sich die Frage, wieso diese Autonomie nach wie vor so deutlich durch eine sehr klare Präsenz von zwei Regierungsvertretern in diesen Universitätsräten eingeschränkt wird, die in Zukunft die Leitung der Universitäten darstellen werden. Sie wissen ganz genau, zwei sollen es wahrscheinlich deswegen sein, damit sich nach dem Neuproporz ein Schwarzer und ein Blauer nicht streiten müssen und diese an jeder Universität vertreten sind.

Es besteht der Eindruck, dass diese neuen Universitätsräte einerseits durch sachkundige Menschen und andererseits durch zwei Politkommissare beschickt werden, die von der Bundesregierung nominiert werden. Frau Bundesministerin! Das ist keine Autonomie! Das heißt, dass dort zwei Politkommissare schauen sollen, wie die Leitung der Universitäten aussieht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) An der Unruhe bei der FPÖ merken Sie, das ist genau die Intention hinter diesem Gesetz, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum nächsten Punkt: Es geht natürlich auch bei den Universitäten um Kosten. Viele haben darauf hingewiesen, dass durch dieses Universitätsgesetz rund 20 Prozent an Mehrkosten entstehen werden. Wenn man budgetäre Nöte hat, vor allem dann, wenn man das Geld lieber für den "Teurofighter" ausgibt als für die Bildung der österreichischen Jugend, dann stellt sich die Frage, wie diese Mehrkosten abgedeckt werden, oder zu welchen Zuständen es kommen wird, wenn die Mehrkosten nicht abgedeckt werden.

Ich sage schon heute: Wenn die Budgets für die Universitäten gedeckelt bleiben und diese Mehrkosten nicht abgedeckt werden, werden wir in ein oder zwei Jahren eine Debatte führen – es sind heute auch Zuhörer von den Universitäten hier anwesend –, in der dann Vorschläge betreffend Zugangsbeschränkung vorgebracht werden, weil man das nicht mehr finanzieren kann und die Zahl der Studenten reduziert werden muss. Es wird auch eine Diskussion geben, ob die Universitäten nicht autonom ihre Studiengebühren auf einem höheren Niveau festlegen können, weil sie mit dem Geld nicht mehr auskommen.

Das heißt, die direkte Konsequenz dieses Universitätsgesetzes kann durchaus sein, dass wir in zwei Jahren vor einer Situation stehen, in der es neue Bildungsbarrieren in Österreich gibt und


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der Zugang zu den Universitäten nicht mehr frei ist. Ich glaube, das ist am Beginn des 21. Jahrhunderts der völlig falsche Weg. Wir wollen, dass mehr Menschen die Chance haben, an die Universitäten zu gehen und etwas zu lernen – und nicht weniger! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Ich gratuliere Ihnen, dass Sie den versuchten Anschlag der Freiheitlichen abgewehrt haben, die in Wirklichkeit die Österreichische Hochschülerschaft abschaffen wollten. Aber trotzdem ist es zu einer Einschränkung der Mitwirkungsrechte und Mitbestimmungsrechte der Studierenden gekommen, was auch kein Fortschritt ist. Es ist zwar gut, dass verhindert wurde, was die Freiheitlichen wollten, aber in Zeiten wie diesen Mitwirkungsrechte der Studierenden und des Mittelbaus einzuschränken, halten wir Sozialdemokraten nicht für den richtigen Weg.

Daher haben wir Ihnen schon vor Monaten einen sozialdemokratischen Alternativvorschlag unterbreitet, der von vielen Angehörigen der Universitäten als der bedeutend bessere Vorschlag angesehen wurde, weil er nämlich Mitbestimmung mit Autonomie und der Möglichkeit, dass wir die Universitäten in Richtung Zukunft entwickeln, kombiniert. Ich diskutierte an mehreren österreichischen Universitäten mit Professoren, mit den Vertretern des Mittelbaus, mit den allgemeinen Bediensteten und mit den Studierenden. Unser Entwurf ist dort auf sehr breite Zustimmung gestoßen.

Frau Ministerin! Wenn es Ihnen darum geht, etwas Gutes für die Universitäten zu tun, dann hätten Sie sich weniger dieser parteipolitischen Anleitung von Seiten der FPÖ unterziehen sollen, sondern hätten den Ratschlägen der Betroffenen an den Universitäten und den Vorschlägen folgen sollen, die wir Ihnen unterbreitet haben.

Daher, Frau Bundesministerin, ist dieses Universitätsgesetz leider nicht gelungen. Es erfüllt nicht die Erwartungen, weil es nicht zur versprochenen Autonomie führt, weil es die Mitbestimmung einschränkt und weil es die an den Universitäten Tätigen leider demotiviert. Uns sind die Universitäten deswegen so wichtig, weil wir der Meinung sind (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen)  – das ist mein Schlusssatz –, für unsere Jugend muss es die allerbeste Ausbildung in unserem Land geben, und dazu brauchen wir motivierte Mitarbeiter an den Universitäten! (Beifall bei der SPÖ.)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. Er kennt die Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

10.33

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles an der Rede des Kollegen Gusenbauer wäre tatsächlich zu berichtigen.

Ich beschränke mich auf eine Feststellung, die Kollege Gusenbauer gemacht hat, indem er behauptet hat, Kollege Graf wolle die Hochschülerschaft abschaffen. – Vielmehr hat Kollege Graf vorgeschlagen, dass das System der Hochschülerschaft und der Vertretung der Hochschülerschaft modernisiert werden soll und mehr Instrumente der direkten Demokratie zum Einsatz gebracht werden sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Burschenschaften!)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Gleiche Redezeit von 15 Minuten. – Bitte.

10.34

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Gäste, vor allem Ehrengäste! Ich begrüße mit großer Freude den Vorsitzenden der Rektorenkonferenz Magnifizenz Winckler und den Reformrektor Leopold März (Beifall bei der ÖVP) und alle übrigen Gäste, auch aus dem Bereich der Kunstuniversitäten und der ÖH.


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Meine Damen und Herren! Wir stehen heute vor dem Abschluss eines großen Reformwerkes. Eine große österreichische Tageszeitung hat zusammengefasst: Vor 153 Jahren ist eine ähnlich große Veränderung vollzogen worden.

Was geschieht mit diesem Reformwerk? – Die österreichischen Universitäten hören auf, abhängige, nachgeordnete Dienststellen des Ministeriums zu sein. Sie sind keine "Ministerialuniversitäten" mehr, sondern selbständige Bildungseinrichtungen, die auf der Basis dreijähriger Globalbudgets Leistungsvereinbarungen abschließen und ihr eigenes Personal nach einem eigenen Angestelltenrecht anstellen können – inklusive der Möglichkeit einer Pensionskasse.

Die Leitung der Universität wird auch modernisiert: Das Rektorat – ähnlich einem Vorstand, aber eben nur ähnlich –, der Uni-Rat – ähnlich einem Aufsichtsrat – und der Senat – ähnlich dem akademischen Parlament – werden künftig in einer ausgewogenen Aufgabenverteilung und in einem ausbalancierten Machtverhältnis auf effiziente Weise die neue selbständige Universität führen: auf der Basis der österreichischen Bundesverfassung.

Diese Reform ist notwendig geworden, weil sich die Universitäten in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu unübersichtlichen, staatlich zentralistischen Großbetrieben entwickelt haben, in denen die Gremien immer mehr zunahmen – bis zu 200 und mehr waren es allein an der Universität Wien –, die Entscheidungen aber immer undurchsichtiger und unnachvollziehbarer wurden. Der Freiheitsillusion der 68-iger-Bewegung entsprach eine Gremien- und ständisch organisierte Gruppenuniversität, die sich vielfach selbst lähmte und dann bei Nicht-Funktionieren das Ministerium dafür verantwortlich machte. Das war sehr bequem. Diesen bequemen, aber unehrlichen Weg wollen wir beenden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Heute gibt es gegenüber den sechziger Jahren etwa doppelt so viele Studierende und Lehrende. Kein Betrieb, kein Unternehmen in der Wirtschaft würde sagen, dass man in einem doppelt so großen Betrieb mit denselben beziehungsweise mit den gleichen Strukturen arbeiten kann. Kleine Anpassungen reichen nicht aus, um den genannten großen Veränderungen Rechnung zu tragen.

Kleine Veränderungen gab es 1993 mit dem UOG und der damit verbundenen Teilautonomie. Es war eben eine Teil autonomie und nicht die notwendige Autonomie, die wir heute mit dem Gesetz 2002 ermöglichen. Es gab nach wie vor Überreglementierung, Überlagerung von monokratischen und demokratisch-berufsständischen Entscheidungen, Intransparenz und Ineffizienz, und die Studierenden hatten manchmal das Gefühl, dass sie mehr zum Verweilen eingeladen waren als zum raschen und effizienten Studieren.

Ich bin Frau Bundesministerin Gehrer sehr dankbar dafür, dass sie mutig und entschlossen in Bezug auf das Regierungsprogramm 2000 festgelegt hat: Wenn wir etwas umsetzen wollen, dann müssen wir diese Reform fortsetzen und zu einer finalen Form bringen. Wir müssen den Universitäten die volle Rechts- und Geschäftsfähigkeit geben! – Ihnen ist es zu verdanken, Frau Bundesministerin, dass dieser Entschluss Eingang in das Regierungsprogramm fand und wir heute vor der Verabschiedung dieses Reformwerks stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch die Bevölkerung hat mittlerweile diese Reformabsicht unterstützt. Man geht davon aus, dass die gestiegenen und plural gewordenen Leistungsansprüche der Wissensgesellschaft an die Universitäten sowie die Herausforderungen der Internationalisierung von Forschung und Bildung nur durch dieses neue Bewusstsein, durch eine Struktur-Veränderung, bewältigt werden können.

In ganz Europa, meine Damen und Herren, werden die Universitäten reformiert. Das reicht von den nordöstlichen Nachbarstaaten bis in den Westen. Was heute zählt, ist der moderne Wettbewerb, die kluge Struktur, der engagierte Entwurf – und nicht die nationale Grenze. Im gleichberechtigten Europa kommt man mit simplen Ausreden und traditionellen Sentimenten nicht zum Ziel. Der Wegweiser auf die Insel der Seligen führt schnurgerade in die Irre.


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Jede Regierung – so hat es eine Expertin im Rahmen der Diskussion gesagt –, ob sie nun schwarz-blau oder gelb-grün getupft wäre, müsste diesen Reformweg gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es gab einen ersten Entwurf, der auf eine offene Diskussion, auf eine Einladung zum Mitreden angelegt war. Diese Möglichkeit zum Mitreden, dieses Kritik-Äußern wurde auch genützt. Es wurden auch Ängste artikuliert. Es ist gut, dass sie artikuliert wurden, denn so konnten wir mit ihnen umgehen, und wir konnten sie bewältigen. Es ist die Angst geäußert worden, dass undurchsichtige Finanzierungsmächte nun wie Aasgeier über die Universitäten herfallen würden, dass die Grundlagenwissenschaften verkümmern würden, dass die ao.-Professoren, der habilitierte Mittelbau, zu versklavten Dienern der Ordinarien verkommen würden, dass die Assistenten marginalisiert werden würden, dass das allgemeine Personal vor die Türe gesetzt werde – weiß Gott, was noch alles an Gespenstern an die Wand gemalt wurde.

Es wurde auch diagnostiziert, dass das Universitätsziel, wie es Wilhelm von Humboldt formuliert hatte, verschwinden werde, die Frauen würden wieder ins finstere Mittelalter zurückfallen und die Studierenden den wilden Ordinarien und Universitätsräten ausgesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Es gab eine ausführliche Diskussion in einer guten Kooperation zwischen dem Ministerium, dem Hohen Haus, den Koalitionsparteien und auch den Oppositionsparteien. Wir haben, Herr Abgeordneter Gusenbauer, schon zu Beginn dieses Kalenderjahres einen Diskussionsfahrplan einvernehmlich fixiert. In dieser guten und ausführlichen Diskussionsphase haben wir viele Expertinnen und Experten gehört. Sie haben uns allesamt bestätigt, dass wir mit diesen Reformen auf dem richtigen Weg sind. (Abg. Dr. Grünewald: Geh bitte!)  – Sie können, Herr Kollege Grünewald, zur Medizinischen Universität einen anderen Standpunkt einnehmen. (Abg. Dr. Grünewald: Auch sonst!) Diese ist eine pragmatische Lösung. Aber Experten haben bestätigt, dass dieser Weg der richtige ist. (Abg. Dr. Grünewald: Ja, Ihre!) Sie können das in den Protokollen der Enqueten nachlesen.

Es ist dieser Weg – und wenn Sie Kollegem Gusenbauer zugehört haben, dann haben Sie es mit vollziehen können –, nämlich Autonomie und Selbstverwaltung, alternativlos, und zwar so alternativlos wie überhaupt kein anderes Vorhaben dieser Koalitionsparteien hier im Hohen Haus. Die SPÖ ist demgemäß in Wirklichkeit einen Alternativvorschlag schuldig geblieben. Wenn Sie sich an einen ersten Entwurf erinnern, dann sehen Sie: Die Uni-Räte waren mehrheitlich fremdbeschickt, und zwar von Arbeiterkammern, Wirtschaftskammern und Landesregierungen. Da frage ich Sie: Wo ist denn da die Freiheit der Universität? – Wenn Sie alle Räte zusammengezählt haben, dann müssen Sie obendrein auf über 100 Prozent Mitglieder gekommen sein. Das muss erst einmal mathematisch bewältigt werden.

Herr Kollege Grünewald! Die Grünen haben gesagt, eine "große Lösung" müsse her. – Sie haben aber nicht einmal die kleinen Versprechen eingelöst. Sie haben gesagt, Sie würden einen Vorschlag machen, wie die Tätigkeit der Uni-Räte abgegolten werden soll. (Abg. Dr. Grünewald: Haben wir!) Das ist hier im Parlament nicht eingelangt, aber lassen wir dieses Detail. Wo ist die "große Lösung" der Grünen? (Abg. Dr. Lichtenberger: Fragen Sie Ihren Klubobmann! Der hat es in der Schublade!) Sie werden noch Gelegenheiten haben, dazu Stellung zu nehmen.

Ich möchte an dieser Stelle danke sagen, und zwar nicht nur den erwähnten Expertinnen und Experten, sondern auch der Frau Ministerin im Besonderen. Herzlichen Dank für das Engagement! Sie, Frau Ministerin, haben alle bei der Stange gehalten und mit Ihrer Entschlossenheit den richtigen Weg gewiesen. Ich möchte stellvertretend für alle anderen kompetenten, engagierten, nimmermüden Kräfte folgenden Personen danken: Herrn Sektionschef Höllinger, Frau Ministerialrätin Sebök, Herrn Günter Simonitsch und Herrn Roman Kunyik. Stellvertretend für all die vielen an dieser Arbeit Beteiligten herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit dem vorliegenden Gesetz, meine Damen und Herren, werden alle Vorurteile und Verunsicherungen ausgeräumt. Mein Dank gilt auch jenen Personen, die sich einem rationalen Dis


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kurs und fachkundigen Argumenten gestellt, aber hart verhandelt haben: der Rektorenkonferenz, der Gewerkschaft und auch der ÖH. Bis zuletzt haben wir mit vielen Gruppen diskutiert, und nun sind etwa 98 Prozent der Forderungen eingelöst. Das ist ein gutes Ergebnis! Ich lade Sie sehr herzlich dazu ein, doch bei den restlichen 2 Prozent über Ihren Schatten zu springen und zuzustimmen.

Es ist nun klar, dass die Universitäten die Mehrheit im Uni-Rat stellen, dass im Senat die Höchstqualifizierten sitzen und die Verantwortung übernehmen – so wie in ganz Europa und in der übrigen Welt. Vom österreichischen Spezifikum der Kurien-Universität werden wir uns verabschieden müssen.

Der Senat kann aber unterhalb der Senatsebene die Mitsprache, das Mitwirken teilen, das heißt großteils selbst festlegen und organisieren. Die Habilitierten haben alle Rechte und Pflichten gesichert. In einem besonderen Programm werden "Vorziehprofessoren" vergeben. Mit 300 Millionen Schilling aus dem Budget des Rates für Forschung und Technologieentwicklung wird es die Möglichkeit geben, besondere Angebote für die Habilitierten zu machen, Professoren und Professorinnen zu werden. Ich hätte es für ungerecht gehalten, wenn sich eine Gruppe der Professoren einem Berufungs- und Ernennungsverfahren hätte stellen müssen und eine andere mit Hilfe einer Zeile im Gesetz zu Ordinarien geworden wäre.

Auch die Frauenrechte sind gesichert. Die Ansprüche und Bedingungen, die im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz verankert sind, werden weiterhin gelten und bestehen. Auch die Zukunft des allgemeinen Personals ist gesichert, und alle Rechte und Chancen der Studierenden sind gewahrt.

Möglicherweise sehen uns jetzt Eltern zu, verfolgen diese Debatte und fragen sich: Was ist der Gewinn für meinen Sohn, für meine Tochter? Der Gewinn ist Folgender: schneller, effizienter, verlässlicher, transparenter studieren und mit dem Ruf Schluss machen, dass Österreich zu jenen Ländern gehört, die die längsten Studienzeiten aufweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist schon richtig, dass eine Organisation nur durch das Engagement der Betroffenen lebt. Ich fordere alle Betroffenen auf, alle Universitätslehrerinnen und -lehrer, alle weiblichen und männlichen Studierenden, alle, die sich für die Universität, für die hohen Schulen engagieren: Gehen Sie mit uns den Weg: weg vom staatlichen Gängelband! Die Aufgaben der Universitäten sind vielfältiger geworden, und es müssen vor Ort die besten Lösungen entwickelt werden.

Der renommierte Soziologe Rudolf Stichweh hat in seinen Forschungen darauf hingewiesen, dass das der richtige Weg ist, nämlich vor Ort und autonom zu agieren, weil sich die Aufgaben und die Zusammensetzung der Studierenden wesentlich geändert haben.

Die Universität weiß selbst am besten, wofür sie welche Mittel ausgibt, für welche Schwerpunkte sie eintritt. Der neue Wissenschaftsrat, den wir auf Basis der Abänderungen hier im Parlament verankern werden, wird eine wichtige Beratungsfunktion übernehmen und in der Öffentlichkeit eventuelle Gesamtperspektiven vorstellen. Ich meine, dass die Angst vor einer ubiquitären Nützlichkeitserwartung, wie sie vielfach formuliert wurde, unbegründet ist. (Abg. Dr. Khol: Was heißt "ubiquitäre Nützlichkeitserwartung"?)  – Das ist die Vereinnahmung durch unkalkulierbare ökonomische Kräfte, die Auslieferung der Universität an die Ökonomie, die vielfach als Vorwurf genannt wurde.

Meine Damen und Herren, die Sie sich vielleicht nicht im Einzelnen mit der Materie beschäftigt haben, ich darf Ihnen sagen: Wir verfügen bereits über eine erste Evaluierung. Das Universitätenkuratorium beurteilt den vorliegenden Gesetzentwurf als – ich zitiere – "ein in seinen Grundzügen mutiges und kohärentes Konzept für eine moderne Universität mit ‚unternehmerischer’ Verfassung – im Gegensatz zur Verfassung einer traditionell staatlichen Anstalt –, das aus erfolgreichen Modellen in anderen Ländern interessante Elemente ableitet".

Das ist genau das, was wir wollten: eine Sui-generis-Lösung, eine aus sich heraus, eine österreichische, aber moderne Lösung.


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Meine Damen und Herren! Günther Anders, der scharfe und unerbittliche Denker, wäre heuer 100 Jahre alt geworden; seiner These von der Antiquiertheit des Menschen setzte er den Satz entgegen: "Wer zu früh kommt, kommt auch nicht zur rechten Zeit."

Zwischen Antiquiertheit – das heißt, dem Zuspätkommen – und dem Zufrühsein liegt das richtige Maß. Frau Bundesministerin, ich glaube, Sie haben und wir haben mit Ihnen das richtige Maß und den richtigen Augenblick getroffen. "Kairos" – der richtige Zeitpunkt! Jetzt ist der richtige Augenblick für die Reform, der richtige Augenblick für die Umsetzung der Universitäts-Idee. Humboldt ist tot, die Idee lebt, ist auf neue, moderne Beine gestellt!

Meine Damen und Herren! Ich darf am Schluss einen Abänderungsantrag einbringen, wobei ich darum bitte, dass der Präsident wegen des Umfanges die Verteilung dieses Antrages gemäß § 53 Abs. 4 GOG vornimmt.

Mit diesem Abänderungsantrag – ich skizziere seine wesentlichen Grundzüge – wird die Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof eingefügt, das Hearing im Berufungsverfahren klargestellt, werden Klarstellungen hinsichtlich der Arbeitszeit getroffen, wird der Ausschluss von der Mitgliedschaft für den Wissenschaftsrat präzisiert, ein Kündigungsschutz von zwei Jahren sowie ein Optionsrecht von drei Jahren für das allgemeine Personal festgeschrieben, werden die Sonderregelungen für Prüfungswiederholungen an Universitäten der Künste rückgeführt, und schließlich wird eine partnerschaftliche Lösung für das IFA-Tulln verabschiedet.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, es ist mir ein wenig gelungen, zu beweisen, dass das UOG 2002 der richtige Weg ist, dass das Gesetz das richtige Ziel verfolgt. Stehen wir heute dazu, einer modernen Form der Universität zum Durchbruch zu verhelfen, damit Österreich einer guten Zukunft entgegengehen kann! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Brinek hat einen Abänderungsantrag zur Vorlage 1224 der Beilagen eingebracht und ihn in seinen Grundzügen dargelegt. Da er sehr umfangreich ist, werde ich diesen, weil er auch alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt, in schriftlicher Form verteilen lassen; er steht damit mit in Verhandlung.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung 1224 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats XXI. GP (Universitätsgesetz 2002)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Gesetzesentwurf des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) in der Fassung des Ausschussberichtes (1224 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

1. Im Inhaltsverzeichnis lautet die Überschrift zu § 37: "Veterinärmedizinische Lehrinstitute und Organisationseinheit für Wildtierkunde und Ökologie".

2. Im § 13 Abs. 2 Z 6 wird das Wort "Rechenschaftsfestlegung" durch das Wort "Rechenschaftslegung" ersetzt.

3. Der im 3. Unterabschnitt des 1. Abschnitts des 1. Teils enthaltene § 14 mit der Überschrift "Finanzierung der Universitäten" entfällt samt Überschrift.

4. Dem § 15 wird folgender Abs. 6 angefügt:

"(6) Die Gebarung der Universitäten unterliegt der Prüfung durch den Rechnungshof."


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5. Im § 20 Abs. 3 dritter Satz entfallen die Worte "oder die Bundesministerin oder der Bundesminister".

6. Im § 20 Abs. 3 wird nach dem dritten Satz folgender Satz eingefügt:

"Kommt der Senat seiner Verpflichtung zur Wahl der Mitglieder des Universitätsrats gemäß § 21 Abs. 6 Z 1 oder Abs. 7 nicht zeitgerecht nach, hat die Bundesministerin oder der Bundesminister dem Senat eine einmalige Nachfrist zur Nachholung der Wahl zu setzen."

7. Im § 42 Abs. 4 wird das Wort "Kopien" durch das Wort "Fotokopien" ersetzt.

8. Im § 54 Abs. 1 Z 2 und im § 55 Abs. 4 wird jeweils nach dem Wort "Diplom-Ingenieurin" das Wort "oder" durch das Wort "bzw." ersetzt.

9. § 60 Abs. 6 lautet:

"(6) Universitäten gemäß § 6 Z 1 bis 15 stellen ausländischen Antragstellerinnen und Antragstellern, die zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind oder über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügen, den Zulassungsbescheid direkt zu. Langen an österreichischen Berufsvertretungsbehörden Anträge anderer ausländischer Antragstellerinnen und Antragsteller auf Zulassung zum Studium zur Weiterleitung an die zuständige Universität ein, können die Berufsvertretungsbehörden auf die Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Antrags sowie darauf hinwirken, dass die Zulassung zum Studium und der Erstaufenthaltstitel zeitgleich zugestellt werden können. Hiebei ist der Antragstellerin oder dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, auf ihre oder seine Kosten Ergänzungen und Klarstellungen vorzunehmen."

10. § 77 Abs. 1 letzter Satz lautet:

"An den Universitäten gemäß § 6 Z 16 bis 21 dürfen zwei positiv beurteilte Lehrveranstaltungsprüfungen aus dem zentralen künstlerischen Fach während der gesamten Studiendauer je einmal wiederholt werden."

11. § 77 Abs. 2 letzter Satz entfällt.

12. Im § 87 Abs. 5 wird die Wendung "bei einem Studienumfang bis zu 120" durch die Wendung "bei einem Studienumfang von bis zu 120".

13. § 98 Abs. 6 lautet:

"(6) Die Rektorin oder der Rektor hat allen geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten Gelegenheit zu geben, sich in angemessener Weise zumindest dem Fachbereich und dem fachlich nahe stehenden Bereich zu präsentieren."

14. Im § 98 entfällt der Abs. 7, der bisherige Abs. 6 erhält die Bezeichnung als Abs. 7.

15. Im § 103 Abs. 6 werden nach dem Wort "Universitätsprofessoren" die Worte "des Fachbereichs und" eingefügt.

16. Im § 103 Abs. 9 und 10 werden jeweils die Worte "Die Rektorin oder der Rektor" durch "Das Rektorat" ersetzt.

17. Im § 107 Abs. 2 Z 2 wird das Wort "und" durch das Wort "wenn" ersetzt.

18. § 110 Abs. 2 Z 1 lautet:

"1. Arbeitszeit: die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen und die Ruhezeiten, sie umfasst die Normalarbeitszeit und die Überstundenarbeit;"

19. Im § 110 wird nach dem Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

"(2a) Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt 40 Stunden, soweit nicht durch Kollektivvertrag abweichende Regelungen getroffen werden."


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20. Im § 110 wird nach dem Abs. 7 folgender Abs. 7a eingefügt

"(7a) Soweit betriebliche Erfordernisse nicht entgegenstehen, sind Sonntage und gesetzliche Feiertage (§ 7 Abs. 2 und 3 des Arbeitsruhegesetzes) arbeitsfrei zu halten."

21. § 119 Abs. 6 Z 1 lautet:

"1. akademische Funktionärinnen und Funktionäre der Universitäten gemäß § 6 sowie der in Österreich gemäß Universitäts-Akkreditierungsgesetz, BGBl. I Nr. 168/1999, akkreditierten Privatuniversitäten;"

22. Im § 121 Abs. 20 entfallen im ersten Satz die Wendung "gemäß § 6 Z 1 bis 15" und der zweite Satz.

23. Im § 125 Abs. 8 und 9 werden jeweils die Worte "von fünf Jahren" durch die Worte " von drei Jahren" ersetzt.

24. Im § 125 Abs. 12 werden die Worte "Nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes" durch die Wendung "Ab 1. Jänner 2004" ersetzt.

25. Dem § 126 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:

"Innerhalb von zwei Jahren ab dem vollen Wirksamwerden dieses Bundesgesetzes an der Universität ist eine Kündigung aus einem der im § 32 Abs. 4 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 angeführten Gründe nicht zulässig."

26. Im § 126 Abs. 5 und 7 werden jeweils die Worte "von fünf Jahren" durch die Worte " von drei Jahren" ersetzt.

27. Dem § 136 Abs. 5 werden folgende Sätze angefügt:

"Die an dieser Interuniversitären Einrichtung beteiligten Universitäten haben bis spätestens 31. Dezember 2003 basierend auf ihrer Zusammenarbeit und ihren daraus resultierenden Rechten und Pflichten mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2004 einen Vertrag über die weitere Zusammenarbeit auf diesem Fachgebiet abzuschließen. Kommt dieser Vertrag nicht zeitgerecht zustande, ist das Vermögen der Interuniversitären Einrichtung mit 1. Jänner 2004 entsprechend den von den beteiligten Universitäten bis zum 31. Dezember 2003 eingebrachten Ressourcen aufzuteilen."

28. § 143 Abs. 4 lautet:

"(4) Die Bestimmungen des UOG 1993 mit Ausnahme der Verfassungsbestimmungen treten mit Ablauf des 31. Dezember 2003 außer Kraft."

29. Im § 144 Z 7: wird das Zitat "106 Abs. 2 bis 4" durch "106 Abs. 2 und 3" ersetzt.

Begründungen

Zu § 37:

Im Gesetzestext wurde die Überschrift bereits im Zuge der Ausschussberatungen geändert.

Zu § 13 Abs. 2 Z 6:

Schreibfehlerkorrektur

Zu § 14:

Redaktionsversehen. Der Inhalt dieses § 14 in der Fassung der Regierungsvorlage wurde auf die neuen §§ 12 und 13 aufgeteilt, der § 13 der Regierungsvorlage trägt nunmehr die Bezeichnung als § 14 (neu). Damit ist der § 14 in der Fassung der Regierungsvorlage überholt.


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Zu § 15 Abs. 6:

Klarstellung, dass der Rechnungshof wie bisher berechtigt ist, die gesamte Gebarung der nunmehr vollrechtsfähigen Universitäten zu prüfen.

Zu § 20 Abs. 3:

Es soll klargestellt werden, dass zur Setzung einer Nachfrist grundsätzlich der Universitätsrat berufen ist. Nur dann, wenn es um die Bestellung der Mitglieder des Universitätsrats durch den Senat geht, hat die Bundesministerin oder der Bundesminister eine Nachfrist zu setzen.

Zu § 42 Abs. 4:

Anpassung an die Formulierung ähnlicher Bestimmungen in diesem Bundesgesetz.

Zu § 54 Abs. 1 Z 2 und zu § 55 Abs. 4:

Sprachliche Korrektur zur Anpassung an alle anderen entsprechenden Gesetzesstellen.

Zu § 60 Abs. 6:

Abs. 6 normiert die Möglichkeit, dass Antragstellerinnen und Antragstellern, die zur sichtvermerksfreien Einreise in Österreich berechtigt sind, ihre Zulassung zum Studium an Universitäten gemäß § 6 Z 1 bis 15 direkt zugestellt werden kann. Dies ermöglicht entweder eine Zustellung im Inland oder im Ausland. Genauso soll verfahren werden, wenn sich die Antragstellerin oder der Antragsteller bereits mit einem Aufenthaltstitel im Inland aufhält. In der geplanten Novelle der Fremdengesetzdurchführungsverordnung wird die entsprechende Verbindung im Fremdenrecht geschaffen werden. Ausländerinnen oder Ausländer, die zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, soll die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums auch im Inland erteilt werden können.

Darüber hinaus wird allen anderen Ausländerinnen und Ausländern die Möglichkeit eröffnet, ihren Antrag auf Zulassung zum Studium bei der österreichischen Berufsvertretungsbehörde zur Weiterleitung an die zuständige Universität zu deponieren. Das für die Zulassung maßgebliche Datum ist immer das Einlangen des Antrages bei der zuständigen Universität (§ 61 Abs. 4). Die Berufsvertretungsbehörde unterstützt die Antragstellerin oder den Antragsteller hinsichtlich der Vollständigkeit und Schlüssigkeit ihrer oder seiner Unterlagen vor Weiterleitung derselben an die Universität (analog zu § 90 Abs. 3 FrG) und kann die Betroffenen auch bereits zu diesem Zeitpunkt über die Erfordernisse zur Erlangung eines Erstaufenthaltstitels(Aufenthaltserlaubnis für Studierende) informieren, sodass der Aufenthaltstitel – wenn der Antrag zeitnah gestellt wird – zeitgleich mit der Zulassung zum Studium zugestellt (§ 90 Abs. 3a FrG) werden kann."

Zu § 77:

Mit der Änderung wird die Regelung der Wiederholung von Lehrveranstaltungsprüfungen gemäß dem geltenden Recht gestaltet (§ 58 Abs. 1 letzter Satz UniStG).

Eine Sonderregelung für die Universitäten der Künste ist auch für das zentrale künstlerische Fach nicht erforderlich, weil die Wiederholungen für die Prüfungen aus dem zentralen künstlerischen Fach schon bisher auf drei beschränkt waren.

Zu § 87 Abs. 5:

Redaktionsversehen.

Zu § 98 Abs. 6 und 7:

Die Regierungsvorlage sieht die Möglichkeit eines Hearings vor, allerdings erst nach der Erstellung des Besetzungsvorschlags und daher eingeschränkt auf die im Besetzungsvorschlag enthaltenen Kandidatinnen und Kandidaten. Das Hearing soll nun in die Phase vor der Erstellung


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111. Sitzung / Seite 50

des Besetzungsvorschlags vorverlegt werden, der Kreis der Personen, die sich präsentieren sollen, ist daher auf alle Kandidatinnen und Kandidaten auszudehnen, die dem Anforderungsprofil laut Ausschreibungstext entsprechen. Klargestellt soll außerdem werden, dass die Präsentation nicht nur gegenüber dem fachlich nahe stehenden Bereich, sondern selbstverständlich auch gegenüber dem Fachbereich erfolgen soll.

Zu § 103 Abs. 6

Es soll klargestellt werden, dass nicht nur die Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren des fachlich nahe stehenden Bereichs, sondern selbstverständlich auch jene des Fachbereichs Stellungnahmen zu den Gutachten abgeben dürfen.

Zu § 103 Abs. 9 und 10:

Redaktionsversehen, Anpassung an die Zuständigkeitsbestimmung des § 22 Abs. 1 Z 11.

Zu § 107 Abs. 2 Z 2: sprachliche Korrektur.

Zu § 110:

Diese Ergänzungen dienen der Klarstellung des Ausmaßes der Wochenarbeitszeit sowie der Sonn- und Feiertagsruhe für das wissenschaftliche und das künstlerische Personal.

Zu § 119 Abs. 6 Z 1:

Es soll klargestellt werden, dass sich die Ausschlussbestimmungen nur auf akademische Funktionärinnen und Funktionäre an Universitäten in Österreich bezieht. Darunter sind an den Universitäten gemäß § 6 die Mitglieder der Leitungsorgane gemäß § 20 Abs. 1 (Universitätsrat, Rektorat, Rektorin oder Rektor, Senat) zu verstehen. An den in Österreich akkreditierten Privatuniversitäten zählen dazu all jene Personen, die vergleichbare Funktionen ausüben.

Zu § 121 Abs. 20:

Anpassung an den geänderten Wirksamkeitstermin für die Universitäten der Künste. Die sich aus der aus der Vereinheitlichung des Wirksamkeitstermins für die Universitäten und die Universitäten der Künste ergebenden budgetären Verschiebungen sind der folgenden Übersichtstabelle zu entnehmen.

FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN DES UNIVERSITÄTSGESETZES

FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN AUF DAS RESSORTBUDGET

EUR Mio.

BVA

1420*

1430*

2002

Davon

nicht f.

universit.

Zwecke

BVA

Universi-

täten

2002

Universitäten

nach

Organisation

2004

2005

2006

AUSGABEN

Personalausgaben


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- Aktivitätsaufwand

-997,455

14,518

-982,937

Sachausgaben

-Anlagen

-134,828

31,806

-103,022

-Aufwendungen / gesetzl. Verpflichtungen

-69,548

4,375

-65,173

-sonstige Aufwendungen

-541,828

305,074

-236,754

Summe Sachausgaben

-746,204

341,255

-404,949

GESAMTAUSGABEN

-1.743,659

355,773

-1.387,886

GESAMTEINNAHMEN

158,296

-6,728

151,568

RESSORTBUDGET VOR ANPASSUNG

-1.585,363

349,045

-1.236,318

ANPASSUNGEN (unabh. v. Vollrechtsfähigkeit)

Umschichtung v. d. zentralen DKZ zu Universitäten

-39,745

-39,745

-39,745

Korrektur Studienbeiträge

-39,995

-39,995

-39,995

BIG Mieten

-Umschichtung von VA-Ansatz 1/14018

-133,626

-133,626

-133,626

-Transfer von Kapitel 12

-0,990

-0,990

-0,990

-Transfer von Kapitel 54

-55,363

-55,363

-55,363

-Transfer von Kapitel 64

-2,953

-2,953

-2,953

Überbauungsentgelte Umschichtung aus 1/14108

-2,111

-2,111

-2,111

Klinischer Mehraufwand – Geräte *

-20,700

-20,700

-20,700

KA-AZG Klinikvergütung

-2,976

-2,976

-2,976

Gehaltserhöhung 2001

-11,271

-11,271

-11,271

Gehaltserhöhung 2002

-8,029

-8,029

-8,029

SUMME ANPASSUNGEN

-317,759

-317,759

-317,759

RESSORTBUDGET NACH ANPASSUNG

-1.554,077

-1.554,077

-1.554,077


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FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN DER VOLLRECHTSFÄHIGKEIT

LAUFENDE AUSGABEN

-Pensionsbeitrag Beamte (DG-Anteil)

-106,789

-106,789

-106,789

SUMME LAUFENDE AUSGABEN

-106,789

-106,789

-106,789

GLOBALBETRAG gem. § 141 Abs. 1

-1.660,866

-1.660,866

-1.660,866

AUSGABEN gem. § 141 Abs. 2 und 4

Abs. 2 Ziffer 1 (Bezugserhöhungen)

dzt. nicht quantifizierbar

Abs. 2 Ziffer 2 (Mietaufwendungen aus bis 28.2.2002 abg. Verträgen)

-5,204

-6,213

-6,213

Abs. 2 Ziffer 3 (Hochschulraumbeschaffung) **

-59,915

-56,515

-54,875

Abs. 2 Ziffer 4 (Klinischer Mehraufwand)

nicht angebbare Variable

Abs. 4 (Implementierungskosten)

-15,000

-4,000

-4,000

SUMME

-80,119

-66,728

-65,088

SUMME AUSGABEN RESSORT

-1.740,985

-1.727,594

-1.725,954

* durch Umschichtung aus VA-Ansatz 1/14208 bedeckt

** davon 35,763 Mio € durch Umschichtung von VA-Ansätzen 1/14108 und 1/14208 bedeckt; darin enthalten ein Betrag von

43,6 Mio € für das UZA II unter der Annahme, dass kein Kauf durch die BIG erfolgt.

WEITERE FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN AUF DAS BUNDESBUDGET

BVA

Universität.

Universitäten nach Organisation

2002

2004

2005

2006

Ressortbudget für die Universitäten

-1.236,318

-1.740,985

-1.727,594

-1.725,954

dav. Umschichtungen innerhalb Kapitel 14

231,945

231,945

231,945

RESSORTBUDGET

-1.236,318

-1.509,040

-1.495,649

-1.494,009

Ausgaben


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-Entfall von Ausgaben (Kapitel 12)

0,990

0,990

0,990

-Entfall von Ausgaben (Kapitel 54)

55,363

55,363

55,363

-Entfall von Ausgaben (Kapitel 64)

2,953

2,953

2,953

Summe Ausgaben

59,306

59,306

59,306

Einnahmen

-Pensionsbeitrag Beamte (DG-Anteil)

106,789

106,789

106,789

Summe Einnahmen

106,789

106,789

106,789

SALDO BUNDESBUDGET

-1.236,318

-1.342,945

-1.329,554

-1.327,914

FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN AUF ANDERE GEBIETSKÖRPERSCHAFTEN

EUR Mio.

2004

2005

2006

0,000

0,000

0,000

VERFÜGBARES BUDGET DER UNIVERSITÄTEN

EUR Mio.

2004

2005

2006

Studienbeiträg


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e

126,450

126,450

126,450

Sonstige Einnahmen

6,223

6,223

6,223

Ausgaben gem. § 141 Abs. 4

80,119

66,728

65,088

Pauschalabgeltung des Bundes

1.660,866

1.660,866

1.660,866

VERFÜGBARES BUDGET DER UNIVERSITÄTEN

1.873,658

1.860,267

1.858,627

Zu § 125 Abs. 12:

Redaktionsversehen. Diese Bestimmung über den Ersatz des Aktivitätsaufwands und des Beitrags zur Deckung des Pensionsaufwands kann nicht bereits mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes am 1. Oktober 2002, sondern erst mit dem vollen Wirksamwerden am 1. Jänner 2004 zur Anwendung kommen.

Zu §§ 125 Abs.  8 und 9 sowie zu § 126 Abs. 4, 5 und 7:

Die GÖD fordert einen über die "Betriebsübergangs"-Richtlinie der EU (Richtlinie 98/50/EG vom 29.6.1998 zur Änderung der Richtlinie 77/187/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen) hinausgehenden Schutz vor einer Kündigung wegen einer Änderung des Arbeitsumfangs, der Organisation des Dienstes oder der Arbeitsbedingungen (§ 32 Abs. 4 VBG).

Im Gegenzug soll das Optionsrecht der Beamtinnen und Beamten sowie der derzeitigen Vertragsbediensteten, das im Begutachtungsentwurf mit einem Jahr vorgesehen war und in der Regierungsvorlage auf fünf Jahre verlängert wurde, auf drei Jahre reduziert werden. Das in der Diskussion zum Vergleich herangezogene Bundesmuseengesetz 2002 sieht ein Optionsrecht für Beamte für die Dauer von fünf Jahren, für Vertragsbedienstete aber nur für ein Jahr vor.

Zu § 136 Abs. 5

Die Kooperation zwischen den Universität für Bodenkultur Wien, der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Technischen Universität Wien beim Betrieb des Interuniversitären Forschungsinstituts für Agrarbiotechnologie Tulln soll fortgeführt werden. Die Gesamtrechtsnachfolgerin nach dieser Interuniversitären Einrichtung gemäß UOG 1993 wird die Universität für Bodenkultur Wien. Die drei Universitäten sollen eine Kooperationsvereinbarung abschließen, die mit 1. Jänner 2004 wirksam werden soll. Kommt es bis zum 31. Dezember 2003 zu keiner solchen Vereinbarung, ist das Vermögen der Interuniversitären Einrichtung mit 1. Jänner 2004 in dem Verhältnis auf die beteiligten Universitäten aufzuteilen, das den von ihnen eingebrachten Ressourcen (Personal und Sachmittel) entspricht.

Zu § 143 Abs. 4:

Redaktionsversehen. Durch den Entfall des Abs. 6 des § 143 in der Fassung der Regierungsvorlage ist Abs. 4 anzupassen.

Zu § 144 Z 7:

Redaktionsversehen.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

10.49

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe und geschätzte Vertreter der Universitäten! Frau Abgeordnete Brinek, Sie wissen, dass sich die Universitäten darum bemühen, in Forschung und Lehre der Wahrheit zu dienen. Ähnliches würde ich mir auch bei Debattenbeiträgen erwarten. Es schüttelte sogar Kollege Graf den Kopf, als Sie sagten, ich hätte gewisse Forderungen nicht eingebracht. Das spricht Bände! Aber das sind natürlich absolute Nebensächlichkeiten bei einen "Jahrhundertgesetz", wie Sie es nennen und das heute beschlossen werden soll.

Es ist für mich eindeutig und klar, dass Universitäten einem ständigen Reformprozess unterliegen, dem sie sich auch immer unterziehen. Man kann darüber streiten, ob das in der nötigen Geschwindigkeit und in der nötigen Gründlichkeit geschieht, aber wenn man reformieren will, dann sollte man sich immer dazu äußern, wohin die Reise gehen soll und was die Ziele sind. Über solche Dinge würde ich, weil ich sie für wichtig erachte, zuerst ganz gerne reden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Erstaunlich ist für mich aber schon einiges an Ihrer Vorgangsweise. Wenn Sie und die Bundesregierung das Argument vorbringen: weg von einer Ministerialuniversität! – ich gebe Ihnen in einem Teil Recht; wir sind für Autonomie, für mehr Freiheit, für mehr Flexibilität, für mehr Selbstbestimmung und für weniger Bürokratie – und wenn die Regierung sich und den Staat als Feind offeriert, der Forschung behindert, der Denken behindert, der Lehre behindert, dann frage ich mich schon, welches Selbstverständnis Regierungsmitglieder und Regierungsparteien haben. Vielleicht sogar das "richtige", stelle ich jetzt kryptisch in den Raum. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich möchte nun über die Rolle der Universität reden und darüber, ob diese Reformen wirklich einer Verwirklichung von Zielen dienen, denen wir uns anschließen könnten. Ich möchte auch über die Stärken und Schwächen des Systems reden, genauso aber über Irrtümer und zentrale Kritikpunkte.

Beginnen möchte ich mit einem Zitat; das ist eine kleine Denksportaufgabe für Regierungsmitglieder. (Oje-Rufe bei der SPÖ.) Na ja, die Chance besteht! – Ich zitiere:

"Die geplante Organisationsform bedeutet eine weitgehende Zurückdrängung universitärer Autonomie und gewachsener, bewährter Selbstverwaltungsstrukturen, die mit der Frage der Identität und des Selbstbewusstseins der Universität, mit demokratischer Meinungsfindung, mit Subsidiarität und akademischer Freiheit zusammenhängen. Geplant ist eine Art wissenschaftliche Fabrik, deren Produktionsbedingungen und Produkte im Sinne wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit und im Sinne der Bedarfsträger aus der Wirtschaft verbessert werden sollen." – Zitatende.

Ich räume Ihnen jetzt nicht viel Zeit zum Nachdenken ein und werde das Rätsel lösen: Das ist die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung bezüglich Wünsche nach egalitären Strukturen, Wünsche nach Freiheit, Wünsche nach weniger absoluten Mehrheiten. Sie ist sicher nicht ein Kronzeuge von uns, aber das sollte Ihnen zu denken geben.

Ich glaube – und das ist wichtig für die Besucher auf der Galerie –, dass die Universitäten eine ungeheure Bedeutung haben, denn sie prägen Zehntausende junger Menschen jährlich in ihrer Sicht über die Welt, über Berufe, über Orientierungsmöglichkeiten. Sie sind mehr als nur Orte, wo man Wissen sammelt. Sie sollten Orte sein, wo man aus Wissen so etwas wie Verstehen und Begreifen macht, was die Handlungsspielräume und die Chancen junger Menschen erhöht und was auch Österreich als Republik nutzt, weil Wissen zunehmend eine der wichtigsten Ressourcen, und zwar nicht nur von Kleinstaaten, wird.

Das heißt: Auch der volkswirtschaftliche Wohlstand wird durch Universitäten, durch ihr Wissen, ihre Forschung und ihre Lehre vermehrt. Aber Universitäten dürfen sich nicht, wie ich meine, darauf reduzieren, nur unter dem Gesichtspunkt der Ökonomie, des Bruttoinlandsproduktes und des Wirtschaftswachstums gesehen zu werden, sondern es darf durchaus etwas mehr sein. Die Welt kritischer zu betrachten und sich in einer immer komplexer werdenden Welt zu orientieren und dadurch wehrhafter zu werden, weniger verführbar zu sein, scheint mir ein ganz wichtiger Punkt zu sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn ich jetzt sozusagen das lebenslange Lernen anschneide, dann komme ich auch auf eine andere Bedeutung der Universität zu sprechen, und ich kratze jetzt keine Kurve, aber ich nenne doch die Diskussion über "Tyrannei und Befreiung". Die Leute, die darüber den Diskurs führen, können nun sehen, welche Bedeutung lebenslanges Lernen hätte. Bei der Debatte über Forschung und Entwicklung heute Nachmittag könnten diese Äußerungen durchaus Thema sein, denn sie sind auch Gegenstand der Forschung. Dass sie Gegenstand einer Entwicklung sind, das wage ich allerdings bei diesem Herrn zu bezweifeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das heißt, Universitäten sollten, ganz grob gesprochen, auch dazu dienen, die Probleme der Menschen zu lösen und zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft beizutragen. Da darf es natürlich unterschiedliche Meinungen geben, aber Meinungen müssen argumentierbar sein.

Meine Damen und Herren! Was mich bei diesem Gesetz massiv irritiert, ist der Umstand, dass im Sektor der Wissenschaft absolute Mehrheiten von Kleingruppen die Macht von Argumenten schlichtweg niederbügeln. Wenn bestimmte Herren und Damen, die am Einfluss ihrer Macht und ihrer Hierarchie festhalten, glauben, sie könnten im Kampf um bessere Argumente und um pfiffigere Ideen und um kreativere Gedanken nicht gewinnen, wenn sie keine Mehrheit haben, dann muss ich sagen: Das ist einer Debatte über eine Universitätsreform einfach unwürdig und ein völlig falsches Instrument, das hier schlichtweg nichts zu suchen hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich halte es bei Universitäten und Bildung für essentiell, dass sie chancengerecht möglichst vielen Menschen weitergegeben werden. Es ist ein fataler Irrtum, zu glauben, Eliten und Massenuniversitäten schließen einander per se aus. Das ist nicht wahr! Je mehr Menschen studieren, desto breiter könnten auch – wenn Sie es unbedingt hören wollen, verwende ich eben dieses Wort  – so genannte Eliten werden. Das sagt allein die Statistik aus. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen den Zugang zu Bildung haben und ihnen die Latte nicht zu hoch gelegt wird. Da wird vieles aufs Spiel gesetzt, auch wenn es immer wieder von einigen Personen zu widerlegen versucht wird – allerdings auch mit intellektuell nicht ungeheuer unterfütterten Argumenten.

Da gestern die ÖVP den Mut hatte, hier ein Schild hinzustellen, auf welchem die Worte "stark", "schwarz", "sozial" standen, dann muss ich sagen: Unter "stark" und "schwarz" verstehe ich einen doppelten Espresso, denn von "sozial" ist nichts mehr da, wenn man solche Sachen macht, wenn man nicht weiß, dass Studiengebühren natürlich die unteren Einkommens- und ferneren Bildungsschichten betreffen. Das ist so, und das können Sie nicht widerlegen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es grenzt an ein wirklich simples Täuschungsmanöver, wenn man sagt: Schaut, die Studiengebühren dienen euch allein, und davon bekommt ihr ohnehin wieder sehr viel über Stipendien zurück! Faktum ist – jetzt nenne ich eine runde Zahl –: Man zieht Studierenden und ihren Eltern, sagen wir einmal, 10 000 S aus der Tasche, gibt ihnen dann 3 500 S zurück und sagt: Jetzt sind wir wieder quitt! – In der Öffentlichkeit, selbst in der Justiz würden solche Argumente nicht punkten, würde ich meinen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es haben sich die Universitäten diese Debatte nicht verdient. Ich stelle fest, dass Schüssel nicht mehr da ist! Ich habe gesagt: Die klügsten Ideen sollen siegen, und das kann einmal – so bescheiden bin ich schon, dass ich das sage – auch eine Idee sein, die nicht von mir kommt, und die statistische Wahrscheinlichkeit wird sogar groß sein, denn es gibt viele kluge Leute. Aber wenn ich merke, dass immer nur Schlagworte Argumente ersetzen, dann muss ich sagen: Da hört sich bei mir der Spaß wirklich auf! "Wettbewerb", "Konkurrenz", "leistungsorientiert", "Output", "Hebelwirkung", "Benchmarking" und so weiter: Zu all dem kann man nur "no na net!" sagen.

Glauben Sie wirklich, dass Universitäten bislang im internationalen Wettbewerb ohne Leistung hätten überleben können? Glauben Sie nicht, dass diese Schlagworte für jede Fastfood-Kette genauso geeignet wären? Natürlich ist McDonald’s auch Weltklasse, aber wollen wir diese Art von Weltklasse? – Ich glaube nicht, und es soll auch nicht so gesund sein, darf ich als Gesundheitssprecher sagen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube daher, dass es nicht Aufgabe der Universitäten ist, möglichst schnell pflegeleichtes Personal für die Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Ich meine, es darf ein bisschen mehr sein.

In der Debatte sind Schlagworte gefallen, wie zum Beispiel: Demokratie ist kein Qualitätsmerkmal, man könne nicht demokratisch abstimmen, ob eine Suppe kalt oder warm ist. Ein Appell lautete: Ich würde allen raten, auf den Zug aufzuspringen, bevor man sich davor auf das Gleis legt! – Ich meine, das ist eine Aufforderung zum kollektiven Selbstmord von allen, die nicht dieser Meinung sind. Es wurde das Argument vorgebracht: Von der Wiege bis zur Bahre sind alle pragmatisiert. – Das ist ein völliger Unsinn! Weiters ist von "Verstopfung" die Rede gewesen. Dazu kann ich nur sagen: Ich kann das nur als einen medizinischen Begriff interpretieren. Aber all das, was ich jetzt angeführt habe, stimmt nicht so, wie es dargestellt wurde.

Wenn ich dann noch höre, dass Schüssel – und das ist wirklich ein Ärgernis, lassen Sie das auf der Zunge zergehen! – den Universitäten vorwirft, in der Diskussion eine Sprache zu entwickeln, die ihrer unwürdig ist, und dann im Satz darauf den Universitäten die Ausgliederung schmackhaft macht, indem er ihnen sagt, wie rosig es sich ausgewirkt hat, dass man die Marchfeld-Schlösser ausgegliedert hat, dass man den Schönbrunner Zoo ausgegliedert hat, dann muss ich wirklich sagen: Wenn ich an das Marchfeld, an Schlösser und an einen Zoo denke, erinnert mich das an eine Debatte über Primatenhaltung beim Spargelessen. So ist es! (Heiter


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keit bei den Grünen und der SPÖ.) Und das hat mit Universität wirklich relativ wenig zu tun! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn wir schauen, woher diese "tollen" Wortspenden und diese Ideen der universitären Entwicklung kommen, so erinnert mich diese Debatte wieder an etwas, nämlich an den ORF und die Krankenkassen – aber die Universitäten sind keine Krankenkassen, und sie haben auch keine riesige Kamera-Ausstattung, vielleicht mit Ausnahme der Kunstuniversität.

Sehr viele Wortspenden kommen aus der Industriellenvereinigung, deren Bildungsbeauftragter hier eine Ausnahme darstellt, aber andere Leute vergessen etwas, was sich Glashaus nennt.

Ich sage Ihnen jetzt ganz harte Daten und Fakten von der europäischen Forschungskommission: Wir liegen mit 4,8 ForscherInnen pro 1 000 Einwohner weit im Hinterfeld Europas, ganz weit! Ja, raten Sie: Wer ist der Bereich, der auch Forscherinnen und Forscher beschäftigen könnte? – Das ist die Industrie! Davon spricht sie nicht. Finnland hat 10 ForscherInnen pro 1 000 Erwerbstätigen, Schweden 8 und die BRD 6. Wenn man schaut, wie viel unsere Industrie und Wirtschaft für Forschung und Technologieentwicklung aus eigener Kasse hineinsteckt, sieht man, dass Österreich vier Positionen unter dem EU-Schnitt liegt! Aber die Industrie hat das Geld und annonciert als einzige völlig unkritisch, die Reform solle besser heute als morgen kommen, es sei alles hervorragend und super. – Ich verstehe, dass Sie jetzt verzweifelt schauen, aber das darf man schon sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man dann sieht, dass Österreich hinsichtlich der Zahl der Publikationen, hochgerechnet auf in Österreich investiertes Geld, hochgerechnet auf 1 Million Einwohner und hochgerechnet auf die Zahl der wirklich tätigen Forscherinnen und Forscher in Österreich, vor den USA und der BRD liegt, bei der prozentuellen Steigerung im wissenschaftlichen Output sogar an fünfter Stelle unter 17 Staaten – weil man zu den EU-Staaten Japan und die USA dazugenommen hat –, dann frage ich mich schon: Wie fatal war denn die Demokratie, wie fatal war diese Mitbestimmung, wenn sich hier etwas entwickelt hat, das Sie nun irgendwie unterbrechen?

Ich komme zum Schluss – leider. (Heiterkeit. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war der beste Satz der ganzen Rede!) Der beste Satz der ganzen Rede wäre wahrscheinlich, wenn Sie keinen sprechen würden, aber das wäre dann keine logische Argumentation.

Es hat Verbesserungen gegeben, trotzdem sage ich Ihnen: Wenn Sie es als Verbesserung betrachten und darstellen, allen beteiligten Gruppen zuerst mit der Faust eine auf die Nase zu geben und ihnen dann ein Aspirin zu verkaufen, halte ich das auch für gewagt. Die Mehrzahl der tätigen ForscherInnen – höhergradig, mit Habilitation – wird vor den Kopf gestoßen, nennt sich Mitarbeiter. Da kann ich herumkritzeln, was ich will, sie sind es de facto: Sie sind aus der Meinungsbildung ausgeschlossen – und das in einer wissensorientierten Gesellschaft, die sich Universität nennt. Das leistet sich sonst niemand! Hören Sie bitte auf mit Ihren ausländischen Beispielen! Das gibt es dort nicht, dass Habilitierte aus den Entscheidungsgremien ausgeschlossen sind! Das ist einfach Unsinn! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Sie sind doch nicht ausgeschlossen! Das ist falsch!)

Ich sage Ihnen noch einmal, dass dieser Dialog Zeit gebraucht hätte. Was Sie mit der Medizin-Universität gegen die Mehrheit der Experten aufgeführt haben, ist unbeschreiblich! Frau Brinek, ich bitte Sie wirklich, zitieren Sie nicht nur jene Experten, die Sie eingeladen haben! Es gibt in der Welt noch andere Leute außer jenen, die bei Ihrer Enquete für Sie argumentieren.

Sie sollten den Universitäten Vertrauen schenken, Sie sollten den Dialog aufnehmen, und dann können Sie bei der Autonomie bleiben, wenn Sie daraus keinen Etikettenschwindel konstruieren.

Bei der Medizin-Universität – ich komme nun wirklich zum Schluss – ist es de facto so, dass wirklich Papiere vorliegen, die zeigen, wie Freiheitliche die Hand nach ihnen ausgestreckt haben. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Ich möchte, dass sich Heil


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111. Sitzung / Seite 58

kunst immer noch als zusammengesetztes Hauptwort und nicht getrennt mit einem Rufzeichen dazwischen präsentiert. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Die Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte.

11.05

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es ist jetzt etwas schwierig, auf die Argumentation des Kollegen Grünewald einzugehen (Abg. Riepl: Das ist richtig!), weil man die ganze Zeit gemerkt hat, dass er sich sehr schwer tut, diese Reform abzulehnen. Sie haben, Herr Kollege, diese Reform im Wesentlichen gelobt (Abg. Dr. Lichtenberger: Es ist unglaublich!), die Ziele auch als richtige Ziele erkannt. Wir werden über die Ziele noch sprechen. Sie haben immer davon geredet, dass man Argumente zählen und nicht abwägen soll – und das ist der große Irrtum, weil das kein wissenschaftlicher Zugang ist.

Ich bleibe zu Beginn meiner Rede kurz bei den Ausführungen meiner Vorredner.

Herr Kollege Grünewald, Sie haben sich bei der Kritik an Reformen bei den Universitäten stets vergriffen. Das ist das Problem, unter dem Sie leiden. Sie waren Spitzenvertreter des wissenschaftlichen Mittelbaus, also im Jahre 1993 noch auf Universitäten-Ebene und nicht hier im Hohen Haus, und haben die seinerzeitige Reform, das UOG 1993, damals scharf kritisiert. Sie haben unter anderem gemeint, es würde eine Universität ohne Gemeinschaft geschaffen, das UOG 1993 würde eine Universität ohne Gemeinschaft bringen; Sie haben dazu publiziert. – Und heute verteidigen Sie diese Reform, und das ist das Seltsame. (Abg. Dr. Grünewald: Weil diese noch schlechter ist als die bestehende! – Abg. Öllinger: Man muss sich nicht zurückentwickeln so wie Sie!)

Sie haben schon damals nur Befürchtungen gehegt und haben immer gesagt: Man darf niemandem Möglichkeiten, Verantwortung und Macht übertragen, denn er könnte sie ja ausnützen. Sie haben damals in der Diskussion wortwörtlich gesagt: Wie schwach muss man sein, um nach der starken Hand zu rufen, und wie unverfroren, Befürworter der Universitätsorganisationsreform zu Fachleuten und Kritiker zu leistungsfeindlichen Ignoranten zu stempeln!? (Abg. Dr. Grünewald: Trifft heute zu!)

Sie haben damals die gleiche Argumentation verwendet wie heute, und Sie haben damals geirrt, und Sie werden auch in Zukunft irren! – Und das werde ich Ihnen auch nachweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung Grüne –: Peinlich! Peinlich!)

Sie haben beklagt, dass es in Österreich zu wenige Forscher gibt. – Das ist eine richtige Ist-Stand-Analyse. Wir wollen das mit einer entsprechenden Universitätsreform ändern, das ist unser Ziel. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Grünewald: Wie?)  – Wie, das werde ich Ihnen auch noch sagen.

Kollege Gusenbauer hat das allergrößte Problem in der Debatte um die tertiäre Bildungs- oder Wissenschaftsreform, wenn er erkennt, dass das größte Problem jenes ist, dass sich die Universitäten permanent reformieren müssen oder reformiert haben. – Erstens war er bei keiner Ausschusssitzung dabei, moniert jedoch, dass es zu wenige für den Dialog gegeben hat. Herr Kollege Gusenbauer, wären Sie zu denen gekommen, die stattgefunden haben! Sie waren bei keiner Enquete hier im Parlament dabei, und Sie haben nahezu alle Diskussionen versäumt. Sie wollen Ihre Profillosigkeit hier heute im Fernsehen im Rahmen einer Bildungsdebatte etwas kaschieren, wurden aber dabei entlarvt, dass Sie nahezu gar keine Ahnung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: Kommen Sie einmal zur Sache!)

Sie, Herr Kollege Gusenbauer, wissen nicht einmal, wie viele Vertreter die Bundesregierung in den Universitätsrat entsendet, und Sie wissen auch nicht einmal, dass es namhafte Vertreter


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aus Ihrer Fraktion gibt, die selbstverständlich dahinter stehen, dass dann, wenn öffentliche Gelder – 99 Prozent der Gelder an den Universitäten sind Steuergelder – zum Einsatz kommen, selbstverständlich ein Mindestmaß an öffentlicher Kontrolle gegeben sein muss. Auch Ihre Kollegen stimmen darin überein!

Sie wünschen sich dort andere Vertreter. Die Vertreter sollen nicht durch die Bundesregierung entsendet werden, weil diese derzeit blau-schwarz ist, sondern Sie wollen, dass Landesregierungen entsenden und Mehrheiten bilden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Politkommissare sind das!) Sie wollen, dass Bürgermeister Häupl entsendet, an acht Universitäten, zukünftig an neun Universitäten am Standort Wien, um dort Mehrheiten und Landes- und Parteiinteressen alten Zuschnitts weiterhin zu fördern. (Abg. Ing. Westenthaler: Politkommissar Häupl!) Sie wollen Politkommissare des Bürgermeisters Häupl einsetzen. – Dafür sind wir nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie, Herr Kollege Gusenbauer, sagen, das Gesetz sei durchgeboxt worden. – Ich halte Ihnen hier vor: Es gab einmal einen Wissenschaftsminister Einem – heute ist er Abgeordneter, Gott sei Dank, sage ich in diesem Zusammenhang, aber in der Wissenschaftspolitik hat er richtige Reformansätze gesetzt. Er hat im Jahre 1999 der "Presse" gegenüber gesagt, er hat zwar ein Reformprodukt vorgelegt, das in der Luft zerrissen wurde – es hat schon die richtigen Ansätze gehabt –, aber er wird diese Reform in der neuen Legislaturperiode, nämlich in dieser, umsetzen, diese Reform, die unserer ähnlich gewesen wäre. Er war der Meinung, dass im Oktober 2000 die ersten Universitäten in diese neue Universitätsreform überzutreten haben.

Wir schreiben heute das Jahr 2002! Wir haben uns zwei Jahre mehr Zeit genommen, zu diskutieren, als Sie sich selbst vorgenommen haben, und das ist lobenswert und anerkennenswert und eine Leistung dieser schwarz-blauen Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Universitäten sind während ihres Bestehens und ihrer Entwicklung von der mittelalterlichen Lehrkorporation bis zum modernen Großbetrieb schon immer und kontinuierlich Reformen unterworfen gewesen, und das ist gut und richtig so. Allein im Zeitraum 1948 bis 1999 hat es 31 Organisationsreformen an Universitäten gegeben – unter Ihrer Ägide! Und heute beklagen Sie, dass es eine neue einschneidende Reform gibt. Zwölfmal wurde das Studienrecht reformiert, und siebenmal wurde in dieser Zeit das Personalrecht reformiert. Sie sehen: Reformen an Universitäten sind nichts Bösartiges. Ein lebender Organismus reformiert und erneuert sich immer wieder.

Wenn man zu den Zielen kommt, die, glaube ich, unbestritten sind, dann muss man festhalten: Die Universitäten wollten von sich aus Budgethoheit im Rahmen von Globalbudgets und die Herausnahme der einjährigen Budgetkameralistik. – Sie bekommen diese Budgethoheit, und das ist gut und richtig so.

Die Universitäten wollten Personalhoheit – und sie bekommen diese Personalhoheit. Die Universitäten wollten eine Organisationshoheit – und sie bekommen diese Organisationshoheit durch diese Reform. Die Universitäten wünschten sich unternehmerische Elemente in die Universitätsreform eingebaut – und sie bekommen sie. Das Vieraugenprinzip ist durchgängig verankert, wodurch auch ein Kontrollmechanismus gewährleistet ist. Die Zusammenführung von Leitung und Verantwortung – von den Universitäten selbst gewünscht – ist verwirklicht.

Haftungsbestimmungen des Handelsgesetzbuches werden eingeführt. Das Leistungsprinzip wird durchgängig verankert. Ich weiß nicht, was schlecht daran sein soll, wenn man auch auf Universitäten ein Leistungsprinzip verankert – etwas Selbstverständliches, nun erstmals verankert.

Schlanke Entscheidungsstrukturen wurden gewünscht – schlanke Entscheidungsstrukturen werden letztlich auch eingesetzt.

Die hoheitlich organisierte, weisungsgebundene, ständestaatlich organisierte Kurien- und Gremialuniversität, die von ausschließlich fraktionierten Gruppeninteressen geprägt war und nicht


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mehr dem Anspruch einer modernen, wissenschaftsorientierten Universität gerecht wurde, muss abgelöst werden.

Ich bin kein Anhänger der so genannten Demokratisierung der Verwaltung, das wissen Sie. Ich glaube, niemand, der sich je eine Verwaltung angesehen hat, kann ein Anhänger der Demokratisierung der Verwaltung sein, wie wir sie heute an den Universitäten, durch Gruppeninteressen geprägt, haben; niemand kann dieser den Vorzug gegenüber anderen geben.

Ich glaube, dass die Verwaltung – und wir haben das letztendlich auch verankert – künftig auf Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit aufgebaut sein muss und dass es Verantwortungsträger geben muss, die für ihr Tun einstehen und die sich nicht hinter Beschlüssen von Kollegialorganen verstecken können. Es ist nicht notwendig, dass, wenn über die Ausmalung eines Hörsaals entschieden wird, ein Riesengremium zusammentreten muss! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich vertraue der Verwaltung, vertraue darauf, dass es Spezialisten gibt, die eigenverantwortlich handeln und dafür auch geradestehen werden, dass sie das Richtige für die Universitäten im Verwaltungswesen tun werden. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mitbestimmung – ein Schlagwort, nichts anderes. Sie kritisieren, auch heute gibt es zu wenig Einfluss. Sie verweisen immer darauf, dass gewisse Momente der Mitbestimmung – bei der Demokratisierung der Verwaltung, die abzulehnen ist – abgeschafft werden. Ja, dazu bekennen wir uns, das ist gut und richtig so! Im Gegenzug wird auch von Kollegem Gusenbauer gefordert, dass man eine betriebliche Mitbestimmung an Universitäten einsetzen soll. Wir tun es, wir verankern das Arbeitsverfassungsrecht mit all den Bestimmungen der betriebsrätlichen Struktur an den Universitäten und schaffen dadurch ein neues Moment der betrieblichen Mitbestimmung in Personalangelegenheiten der Belegschaft, wie Sie es letztendlich nie geschafft haben. Das ist neues unternehmerisches Denken, auch im Sinne der Belegschaft, wie Sie von der SPÖ das in der Vergangenheit jedoch nie praktiziert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Mitwirkung in den akademischen Gremien ist nach wie vor gesichert. Wir haben festgelegt, dass auch die Studierenden nach wie vor ein Viertel der Mitwirkungsrechte in den akademischen Gremien – Kollegialorganen, die eingesetzt werden – haben werden. Wir haben aber auch verankert, dass dort, wo der Nichtqualifizierte keinen Auftrag zu erfüllen hat, dieser von der Mitbestimmung ausgeschlossen ist. Das halte ich, gelinde gesagt, für gut und richtig. (Abg. Dr. Niederwieser: Ein Habilitierter ist nicht qualifiziert?)

Ich halte es nicht für unbedingt erforderlich, dass in Berufungs- und Habilitationsverfahren ein überbordendes Mitbestimmungsrecht von Studierenden und Nichtqualifizierten gegeben ist. Die Studenten sollen die Möglichkeit haben – und diesen Bereich haben wir gestärkt –, an der Evaluierung der Lehre und auch der Forschung mitwirken zu können. Das ist gewährleistet und gesichert, weil wir erstmals eine Evaluierung mit Konsequenzen, bis hin zu personellen und dienstrechtlichen Konsequenzen, für Lehre und Forschung in diesem Gesetz verankert haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Kollege Gusenbauer hat sich beschwert, dass man bei einer allfälligen Ausgliederung unter Umständen in finanzielle Nöte kommen könnte. Er unterstellt, dass man eine Ausgliederung mit gedeckelten Budgetstrukturen vornimmt, was überhaupt nicht stimmt! Es ist das die erste Ausgliederung in der Zweiten Republik, bei der auf Basis des höchsten tertiären Bildungsbudgets ausgegliedert wird, mit der Zusicherung, dass selbstverständlich Indexanpassungen im Mietzinsbereich, im Personalkostenbereich und so weiter vorgenommen werden, mit der Zusicherung der öffentlichen Hand, für Pensionskassen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals aufzukommen. Das ist kein gedeckeltes Budget!

Aber ich rufe Ihnen in Erinnerung, was im SPÖ-Programm steht, heute noch auf der SPÖ-Homepage abzurufen, und zwar in Bezug darauf, wie Sie die Universitäten in finanzieller Angelegenheit reformiert hätten. Unter dem Titel "Universitäten" steht, auf der Homepage der SPÖ nachzulesen, gleich als zweiter Satz: Wir wollen die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln, aber


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Kostendeckelung. – Das ist Ihr Programm! Wir wollen das nicht, wir wollen keine Kostendeckelung, wir haben es auch nicht so festgeschrieben. Das ist im SPÖ-Programm auf der Homepage der SPÖ verankert.

Sie sind noch keine wirkliche Oppositionspartei. Herr Kollege Niederwieser, ich empfehle Ihnen: Machen Sie wieder die Wissenschaftspolitik und nicht Kollege Gusenbauer, denn Sie werden sich wahrscheinlich das SPÖ-Programm in Sachen Wissenschaft ansehen! Als Oppositionspartei hat man solche Aussagen nicht vorzunehmen, sonst ist man in seinen Zielsetzungen entlarvt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Immer wieder wird gesagt: Nur dann, wenn alle Beteiligten mitstimmen, kann eine Reform vorgenommen werden. Herr Kollege Grünewald, Sie wissen es besser, denn Sie waren in den letzten 20 Jahren immer auf der Seite der Kritiker und Reformgegner, Sie wissen, dass es bis dato keine einzige Universitätsreform gegeben hat, der die fragmentierten Gruppeninteressen ungeteilt zugestimmt haben. Das hat es überhaupt noch nie gegeben! Diese Reform ist die erste Reform, zu der es in weiten Bereichen Zustimmung gibt – nur verschweigen Sie das der Öffentlichkeit. (Abg. Dr. Grünewald: Sie verstärken die Kurien! – Abg. Dr. Niederwieser: 5 Prozent!) Nicht 5 Prozent stimmen zu! Ich bin überzeugt davon, dass die überwiegende Mehrheit der Steuerzahler zustimmt, und deren Meinung interessiert mich auch. Vielleicht Sie nicht, das hat man ja in der Vergangenheit an Ihrer Schuldenpolitik erkannt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir verabschieden heute nach einem langen Weg, der sich mindestens seit 1993 abgezeichnet hat, eine Universitätsreform, bei der die Bezeichnung "Reform" nicht nur als Überschrift da steht, sondern sich tatsächlich auch im Inhalt widerspiegelt. Wir haben die Universitäten gemeinsam mit Frau Bundesminister Gehrer und ihrem gesamten Mitarbeiterstab – es wurde heute dazu schon gratuliert; allen voran Sektionschef Höllinger und vielen anderen, die daran beteiligt gewesen sind – durch unermüdliche Arbeit reformiert, auch in der Diskussionsphase und im Dialog.

Ich danke auch der Opposition und allen Gruppen und Standesvertretern, dass sie sich diesem Dialog über Jahre  – über Jahre!  – gestellt haben. Sie wissen ganz genau, dass wir über diesen Dialog, den wir über Jahre hier im Parlament, an den Universitäten, in den diversen Institutionen gepflogen haben, viele gute Gedanken aufgenommen haben. Und dafür sei auch der Opposition gedankt.

Wir haben nicht 100 Prozent umgesetzt. Sie sind die Opposition, wir sind die Regierung – es muss Unterschiede geben! Sie feilen diese Unterschiede selbstverständlich heraus, wir auch, und zwar im positiven Sinn.

Da wir jetzt allen Beteiligten gedankt haben, schließe ich meine Ausführungen mit einem Zitat aus der renommierten Zeitung "Die Zeit" vom 2. Mai 2002, in der über eine Seite lang über die österreichische Hochschulreform berichtet wurde, indem es da heißt: "Österreich setzt in der Hochschulpolitik all das um, worüber in Deutschland nur debattiert wird."

Ich danke allen Beteiligten dafür, dass wir handeln und nicht bloß debattieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

11.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Bevor ich Frau Bundesminister Gehrer das Wort erteile, begrüße ich sehr herzlich Besucher aus Korea auf der Besuchergalerie. Es sind dies ein Mitglied des Parlaments der Republik Korea, Herr Lee Bu Young, sowie Seine Exzellenz Botschafter Dr. Choi Young-Jin. Willkommen – Hasn Koz Hayong Hamnida! (Allgemeiner Beifall. – Abg. Dr. Khol: Der Prinzhorn kann Koreanisch! Kann er auch Chinesisch?)

Bitte, Frau Bundesminister.

11.21

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Europa ist auf dem Weg zu einem europäischen Hochschulraum 2010. Dieser


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europäische Hochschulraum 2010 wurde von allen Wissenschaftsministern in Prag beschlossen. (Besucher auf der Galerie erheben sich von ihren Sitzen und halten – begleitet von Rufen – Transparente mit der Aufschrift "Nein zum UOG 2002" sowie "Scheinreform nein danke" in die Höhe.)

Mit dem Universitätsgesetz 2002 setzt Österreich einen wichtigen Meilenstein auf diesem Weg zum europäischen Hochschulraum. Das, meine Damen und Herren, wird inzwischen im Inland anerkannt, das wird inzwischen auch im Ausland anerkannt. Ich darf heutige Pressemeldungen zitieren: Das Universitätsgesetz ist die größte Veränderung seit 153 Jahren! – Dass das manche nicht gerne sehen, verstehe ich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es sind diejenigen, die hinter den Mauern sitzen und sich fürchten vor den neuen Herausforderungen. Sie wollen, dass es bleibt, wie es ist, sie wollen mauern. – Aber wir wollen das nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf einen Artikel aus der "Süddeutschen Zeitung" vom 9. Juli 2002 zitieren, in dem geschrieben wird:

"Neidvoll blicken deutsche Reformer nach Österreich, wo ein neues Gesetz die Hochschulen in die Freiheit entlässt." – Und das, meine Damen und Herren, in der "Süddeutschen Zeitung". (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. )

Vorweg möchte ich feststellen: Die derzeitige Situation unserer Universitäten bei der wissenschaftlichen Leistung, bei den Forschungsleistungen ist sehr gut. Es werden hervorragende Leistungen erbracht, und ich danke allen an den Universitäten, die dazu beitragen.

Aber was hat den Universitäten das Leben schwer gemacht? – Die Rektoren haben es in ihrem Gelbbuch sehr klar herausgearbeitet: Die Arbeit gegängelt nach Gesetzen, Verordnungen und Erlässen, das macht das Leben schwer. Es macht das Leben schwer, wenn in vielen Kommissionen und in vielen Gremien alles stundenlang beraten werden muss. Es macht das Leben schwer, wenn man keine eigenen Entscheidungsmöglichkeiten hat, wenn man ständig fragen muss, wenn man ständig angeleitet wird. Es macht das Leben schwer, wenn man für jede Personalentscheidung Rücksprache mit dem Ministerium halten muss.

Deshalb hat uns die Rektorenkonferenz in einer sehr wichtigen Analyse in ihrem Gelbbuch auch den Weg aufgezeigt, wohin es gehen soll, wofür ich mich bedanke. Es ist klar gesagt worden: weniger Regulierung, mehr Wettbewerb, stärkere Leistung, nach Kompetenz und Verantwortung differenzierte Mitbestimmung und strategische Zielvereinbarungen mit dem Staat. Das sind die wesentlichen Faktoren für die verbesserte Aufgabenerfüllung der Universitäten.

Bei diesem Punkt haben wir am 15. Dezember 2000 unsere grundsätzliche Diskussion begonnen, die schließlich zur Universität der Zukunft geführt hat, zu einer Universität, in der es Eigenständigkeit bei gesicherter Finanzierung gibt, in der es Zusammenführung von Entscheidung und Verantwortung und internationale Standards für Forschung und Lehre gibt. Das sind die Grundsätze, die wir in unserem Universitätsgesetz verankert haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben Sie alle dazu eingeladen, in einer offenen Planung mitzureden, mitzudiskutieren, Ihre Vorschläge einzubringen. Ich danke allen Abgeordneten in diesem Haus, die sich daran beteiligt haben. In mehr als 1 300 Besprechungen und Diskussionen, Enqueten, parlamentarischen Unterausschüssen und Arbeitsgruppen ist die Universitätsreform in allen Phasen intensivst besprochen worden. Ich bedanke mich bei allen, die Meinungen und Vorschläge eingebracht haben. Ich bedanke mich auch bei jenen, die kritisch waren, denn ich glaube, auch kritische Rückmeldungen sind wichtige Rückmeldungen.

Mir war es aber ganz besonders wichtig, dass wir die Grundpfeiler, auf denen wir diese Universitätsreform aufgebaut haben, nicht verwässern. Diese Grundpfeiler sind: Die Universitäten werden juristische Personen des öffentlichen Rechts und keine GmbHs. Es ist für mich ein Grundpfeiler, dass wir die Gesamtverantwortung des Staates durch ein dynamisches Budget im


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Gesetz sicherstellen. Es ist für mich ein weiterer Grundpfeiler, dass wir mit einer schlanken Verwaltung in den Universitäten arbeiten, wo es strategische, wissenschaftliche und operative Gewaltentrennung gibt.

Da habe ich jetzt eine große Bitte an Sie, Herr Partei- und Klubvorsitzender Gusenbauer! Sie haben gesagt, dass die Regierung daran denke, "Politkommissäre" in den Universitätsrat zu schicken. (Abg. Dr. Khol: Eine starke Sache!)  – Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich frage Sie ernsthaft: Haben Sie in der Zeit der großen Koalition in den Fachhochschulrat, in den Akkreditierungsrat, in alle Gremien, die wir beschickt haben, Politkommissäre geschickt? (Abg. Dr. Stummvoll: Gusenbauer schon!) Ich glaube, die Menschen, die dort konstruktiv und positiv arbeiten, bedanken sich dafür. – Wir werden jedenfalls danach trachten, dass wir fachlich bestens qualifizierte Experten in den Universitätsrat schicken. Ich bitte Sie daher wirklich, das Wort "Politkommissäre" nicht mehr zu verwenden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weitere wichtige Eckpfeiler dieser Universitätsreform: die Zusammenführung von Entscheidung und Verantwortung, die konsequente Umsetzung des neuen Dienstrechtes, das hier beschlossen wurde, der Weg von einer Anordnungskultur zu einer Verantwortungskultur, die neuen Formen der Mitsprache und die ständige Beurteilung von Lehrangeboten durch die Studierenden, woraus auch Konsequenzen folgen müssen.

Diese Prinzipien, diese Grundpfeiler sind das Gerüst dieses Gesetzes, und diese Grundpfeiler haben wir erhalten. Rundherum haben wir sehr viele gute Weiterentwicklungen, die von Ihnen eingebracht worden sind, im Gesetz umgesetzt.

Mit diesen Grundpfeilern und mit diesem Gesetz entsprechen wir dem, was auf europäischer Ebene von zukunftsorientierten Universitäten verlangt wird, nämlich: mehr Autonomie – die nicht bedeutet, jeder macht, was er will, laisser-faire, sondern diese Autonomie ist eine verantwortete Freiheit gegenüber dem Staat und der Gesellschaft –, mehr persönliche Verantwortung anstelle einer Gremienuniversität, eine Gewaltenteilung, wie wir sie vorgenommen haben, und die Subsidiarität, die Abgabe von Verantwortung an untergeordnete Gremien.

Meine Damen und Herren! Es ist mir ganz besonders wichtig, Folgendes festzuhalten: Im Universitätsgesetz wird klar ersichtlich, welche Verantwortung für die gesamte Gesellschaft die Universitäten in unserem Land haben. Forschung und Lehre sind ganz entscheidende Elemente kultureller Entfaltung. – Das ist gesichert.

Ein breites Studienangebot, das die Breite unseres Geisteslebens widerspiegelt, ist gesichert. Die Universitäten sind weiterhin der Hort von Humanismus und Toleranz. Sie werden weiterhin dem Abbau von Vorurteilen dienen, und sie müssen selbstverständlich weiterhin kritisch Entwicklungen in Gesellschaft und Wissenschaft reflektieren. Die Universitäten sind in höchstem Maße internationale Institutionen, die einen grenzüberschreitenden Auftrag haben, den Auftrag, in den gemeinsamen europäischen Hochschulraum hineinzugehen. Außerdem ist im Gesetz das grundsätzliche Bekenntnis zur Freiheit von Forschung und Lehre gesichert. Und ich meine, damit ist die hohe gesellschaftliche Aufgabenstellung für unsere Universitäten in der gesamten Breite abgesichert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte an diesem Tag, der doch für die Universitäten einen sehr großen Schritt in eine Zukunft des dritten Jahrtausends bedeutet, an diesem Tag, an dem wir uns alle freuen, auch herzlich danke sagen. Es war für mich eine sehr intensive Arbeit, eine sehr aufwendige Arbeit, eine sehr interessante Arbeit. Es war eine Arbeit, von der man sagen kann, lebensbegleitendes Lernen wurde umgesetzt.

Ich danke allen, die sich aktiv an der offenen Planung beteiligt haben. Ich danke vor allem allen Universitätsangehörigen, den Professoren und Professorinnen, den Assistenten und Assistentinnen, den Studenten und Studentinnen. Ich danke vor allem auch dem allgemeinen Universitätspersonal, das sehr viel zum Gelingen dieser Herausforderung beigetragen hat. Ich danke den Vertretern der Wirtschaft und der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Ich danke der


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GÖD, die positiv mitgearbeitet hat. Ich danke allen Experten und Expertinnen aus dem In- und Ausland. Ich danke allen hier im Hohen Haus. Ich danke speziell den beiden Klubs der Regierungsparteien. Ich danke den Klubobleuten und den Wissenschaftsverantwortlichen und Wissenschaftssprechern.

Ganz besonders danke ich der Rektorenkonferenz, dem Vorsitzenden der Rektorenkonferenz. Wir haben in einem wirklich sehr intensiven, sehr aktiven Prozess diese Universitätsreform miteinander entwickelt. Ich danke aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, in meinem Haus, die unglaublich gefordert worden sind, die eine sehr große Leistung vollbracht haben, und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in meinem Büro. – Allen ein herzliches Danke, es ist ihr Werk, es ist unser Werk! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Universitätsgesetz 2002 gibt den Universitäten den Handlungsspielraum zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, zur Fortführung ihrer exzellenten Arbeit, zur Steigerung aber auch der Qualität in Forschung und Lehre. Was meiner Ansicht nach aber ganz wichtig ist: Wir sichern damit den Wissenschafts- und Forschungsstandort Österreich. Mit diesem Universitätsgesetz fördern wir die positive Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Wir sichern damit Arbeitsplätze in unserem Land. Wir sichern damit Arbeit für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Mit diesem Universitätsgesetz 2002 sichern wir auch die Zukunftschancen der jungen Menschen in unserem Land, und das ist die wichtigste Aufgabe von Politik: die Zukunft eines Landes und die Zukunftschancen der jungen Menschen zu sichern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen sagen, ich freue mich darauf, mit allen aktiven und positiven Kräften in unserem Land die neuen Universitäten bis zum 1. Jänner 2004 zu verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.35

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Lassen Sie mich zunächst auf die Ausführungen einiger Vorredner eingehen. Die Frau Bundesministerin hat vielen gedankt. Für die geleistete Arbeit ist tatsächlich zu danken. Man muss aber dazusagen, dass die meisten, die Sie genannt haben, ob die GÖD oder die Studierenden, auch danke sagen, aber diese sagen "nein, danke" zu diesem Gesetz. Das ist hier auch anzumerken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Kollege Graf hat gemeint, die Mehrheit der Steuerzahler jedenfalls werde dieses Gesetz begrüßen. – Wir wissen aus Umfragen an den Universitäten, dass es ungefähr 90 bis 95 Prozent ablehnen. Bei den Steuerzahlern insgesamt gibt es keine Umfragen, Herr Kollege Graf, aber ich bin mir ganz sicher, dass die Steuerzahler lieber die Universitäten finanzieren als die Abfangjäger. Dessen können Sie sicher sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die von Ihnen erwähnte Homepage der SPÖ, der Text mit der Deckelung, ist keine Fälschung – ich hatte zuerst gedacht, es sei eine –, aber auch kein SPÖ-Programm, sondern das ist ein Beitrag aus einer Netzwerkdiskussion, wo viele Menschen Ideen eingebracht haben. – Das nur zur Klarstellung.

Was waren die wichtigsten Botschaften, die Sie anlässlich dieser Reform uns gegenüber argumentiert haben? – Autonomie, Verantwortung, Weltklasse, Meilensteine, offene Planung, sichere Finanzierung. Schauen wir uns das etwas genauer an!

Statt der Autonomie sehen wir ein politisches Gängelband, von dem Rektorenchef Winckler, der hier anwesend ist, im Ausschuss gesagt hat, das habe es seit dem Jahr 1365 an der Uni Wien nie mehr gegeben. (Abg. Dr. Brinek: Das hat er auf etwas anderes bezogen!) Im Kleid der Ver


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antwortung versteckt sich ein breitflächiger Abbau von Mitbestimmung und Demokratie. "Weltklasse" wollen Sie dadurch erreichen, dass Sie sich an das europäische Mittelmaß anpassen. Die "Meilensteine" entpuppen sich bei näherem Hinschauen als Hinkelsteine.

Die "offene Planung" war so offen, dass Ideen und Vorschläge, die Ihnen nicht ins Konzept gepasst haben, in den unendlichen Weiten der Sitzungen verschwunden sind. Sie war so "offen", dass wir bei der Universitätsplattform im Verhandlungsraum gesessen sind, während Kollege Graf im Hinterzimmer über die Texte verhandelt hat. – So viel zur "offenen Planung".

Die "sichere Finanzierung", geschätzte Damen und Herren, ist ein sicher gehütetes Staatsgeheimnis, sodass bis heute niemand weiß, was diese Reform eigentlich kostet. Ich habe gehört, dass Rektorenchef Winckler mit Ihnen, Frau Ministerin, heute einen Apfelbaum als Symbol des neuen Werdens der Universitäten gepflanzt hat. Ich finde, das ist eine hervorragende Idee, Sie sollten viele solche Apfelbäume pflanzen, denn wenn die Universitäten einmal kein Geld mehr haben, dann haben sie wenigstens ein paar Äpfel zum Essen, und das ist immerhin etwas wert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Du bist schon in der Früh etwas müde!) – Kollege Schweitzer! Sie reden so, machen aber etwas anderes.

Der Hauptvorwurf, den nicht nur wir gegenüber diesem Gesetz erheben, ist, dass die Universitäten eben nicht autonom werden und keine gesicherte Finanzierung haben.

Frau Bundesministerin! Ich habe ein Buch mitgebracht, "Lobpreis der Demokratie". Ich habe dieses Buch als 15-jähriger Gymnasiast vom damaligen Unterrichtsminister Piffl-Percević bekommen. Lassen Sie mich aus der Rede des Perikles an die gefallenen Athener zitieren:

"Die Verfassung, nach der wir leben, ist kein Abklatsch dessen, was bei unseren Nachbarn rechtens ist. Statt andere nachzuahmen, sind eher wir selbst für manche ein Vorbild. Mit Namen heißt unsere Verfassung Demokratie, weil die Macht nicht einigen wenigen, sondern einer größeren Anzahl zusteht."

Heute wird diese Demokratie an unseren Universitäten zu Grabe getragen (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), und das Buch, das uns die heutige Unterrichtsministerin schenken müsste, heißt nicht "Lobpreis der Demokratie", sondern "Abgesang auf die Demokratie". (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass die Sozialdemokratische Partei als eine Partei, die dem Grundwert der Demokratie verpflichtet ist, zu diesem Gesetz nicht ja sagen kann, sondern dieses Gesetz in seiner Grundstruktur ablehnt. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Dieses neue Universitätsgesetz bringt nur einigen wenigen Macht – und das in einer Zeit, in der das Mitdenken aller gefordert wäre. Wenn wir im internationalen Wettbewerb weiter bestehen wollen, dann dürfen wir nicht die Entscheidungsbefugnis auf ein paar Professoren konzentrieren, sondern müssen danach trachten, dass alle mitarbeiten können, die am Gelingen der Universität, an der Entwicklung der Universität Interesse haben. Aber Sie machen das Gegenteil, Kollege Fasslabend: Sie konzentrieren die Macht auf die rund 1 200 ordentlichen Professoren.

Kollege Graf meint, jene, die qualifiziert sind, sollen mitarbeiten. Daher frage ich Sie, Herr Kollege Graf: Sind habilitierte Dozentinnen und Dozenten nicht qualifiziert genug? Ist ihre Qualifikation nicht erwiesen? Und warum sind Sie nicht den Schritt mit uns gegangen, all diese Personen in einer Kurie der Lehrenden zusammenzufassen? Das wäre nämlich der bessere Weg gewesen, weil auf diese Weise viele, die an einer Mitarbeit interessiert sind, auch weiterhin mitarbeiten und weiterhin Leitungsfunktionen übernehmen hätten können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Das, was wir heute an den Universitäten brauchen und was wir auch mit unserem Konzept vorgeschlagen haben, ist kein Flaschenhals, bei dem dann in einem obersten Leitungsorgan alle Entscheidungen zusammenlaufen, sondern für die heutige Wissensgesellschaft ist es notwendig, dass es viele autonome Einheiten gibt, die sehr rasch reagieren können und in einem Netzwerk der Universitäten und über die Universitäten hinausgehend verbunden sind. Das wäre ein zukunftsweisendes Projekt gewesen.


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Aber dieses Gesetz sieht einen Flaschenhals vor, wo letztlich der Universitätsrat, die Rektoren und der Senat entscheiden, und wo über den Flaschenhals des Universitätsrates alle Entscheidungen getroffen werden müssen. Das ist leider kein zukunftsweisendes Konzept, sondern ein Konzept, das in der Wirtschaft – Kollege Stummvoll, Sie müssten das eigentlich wissen – bereits ausgedient hat, in jenen Betrieben, wo man das probiert hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf.) – Es ist eine andere Form von Autonomie, die Herr Dr. Gusenbauer hier gemeint hat, nicht diese Form der Autonomie.

Aber kommen wir zum Universitätsrat und zum parteipolitischen Einfluss, den ÖVP und FPÖ damit bis weit in die Zeit nach ihrer Abwahl, nämlich bis ins Jahr 2007 für sich sicherstellen wollen. (Abg. Schwarzenberger: Einen Einfluss bis zur Abwahl 2007 sicherstellen!)

Die Regierung entsendet zwei Vertreter in einen fünfköpfigen Universitätsrat. Nicht die Wissenschaftsministerin entsendet diese Vertreter in den Universitätsrat, wie das ursprünglich vorgesehen war, sondern die FPÖ hat darauf bestanden, dass dieses Entsendungsrecht die Bundesregierung hat. Ein Blinder sieht, Herr Kollege Schwarzenberger, dass es dabei nur darum geht, den parteipolitischen Einfluss der FPÖ in den Universitäten sicherzustellen. Und mit dem Universitätsrat hat Kollege Graf der FPÖ den Fuß in 21 österreichische Universitäten hineingesetzt. (Abg. Öllinger: Den Säbel! Burschenschaften!)

Ich sage "den Fuß", Kollege Graf. Aber es ist eher ein bequemer Sessel, in dem Sie dort im Universitätsrat sitzen, und noch nie in der österreichischen Geschichte hat eine 20-Prozent-Partei einen derart starken Einfluss direkt an den Universitäten gehabt. (Abg. Öllinger: Säbel!)

Sie reden vom Zurückdrängen des Parteieneinflusses, zugleich aber schicken Sie 21 Vertrauensleute der FPÖ direkt in jedes Leitungsgremium jeder österreichischen Universität. Das nennt man "Wasser predigen und Wein trinken"! Da brauche ich gar nicht auf den Kollegen Gaugg hinzuweisen, der auch ein hervorragendes Beispiel dafür ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Klubobmann Gusenbauer hat schon auf ein paar Positiva hingewiesen. Ich nenne dazu auch noch die Vorsitzführung des Kollegen Graf, das Studienrecht, die Frauenförderung in weiten Bereichen. Sie haben auch in weiten Teilen den Bedenken des Verfassungsdienstes Rechnung getragen. Das alles ist durchaus anzuerkennen. Dieses Gesetz ist nicht mehr so, wie es am Beginn ausgesehen hat. Aber von Weltklasse, offener Planung und einer gesicherten Finanzierung sind wir weit entfernt! Und wir befürchten tatsächlich, dass, weil die Finanzierung nicht gesichert ist, erhöhte Studiengebühren den Zugang zum Studium weiter belasten werden.

Fassen wir zusammen: Dieses Universitätsgesetz lehnen wir deshalb ab, weil es nicht zukunftsweisend ist. Es gibt vor allem jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern keine gerechte Chance auf Selbständigkeit und Mitwirkung. Es erschwert nach wie vor durch die Festlegung der Studiengebühren den Studierenden der Mittelschicht und aus ärmeren Familien den Zugang zur universitären Bildung. Es belebt wiederum die Ordinarien-Universität der sechziger Jahre, und das ist kein zukunftsweisendes Konzept, weil Sie damit nur einigen wenigen alle Macht in die Hände geben. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Die SPÖ sagt nein zu diesem Gesetz, und wir halten uns damit für die Zukunft die Möglichkeit offen, nach der nächsten Wahl entscheidende Verbesserungen bei der Universitätsreform anzubringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Es ist ein ständestaatliches Modell! – Lebhafter Widerspruch der Abgeordneten Kiss, Murauer und Mag. Mühlbachler. )

11.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

11.45

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute bei dieser Diskussion über die große Uni-Reform ein wunderschönes Beispiel dafür, dass Politik Zukunftsgestaltung ist.


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Herr Kollege Niederwieser! Politik ist mehr als Tageshickhack. Politik ist mehr als Polemik um Sonderverträge in der Sozialversicherung. Politik ist mehr als die Diskussion über Äußerungen eines Volksanwaltes. Politik ist Zukunftsgestaltung, und das erleben wir am Beispiel dieser großen Reform, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn wir immer sagen, dass Bildung das Kapital des 21. Jahrhunderts ist, so ist das schon lange kein Schlagwort mehr, sondern täglich erlebte Realität. (Abg. Edler: Du sagst bei allem immer dasselbe! Deine Reden kann man abspulen!)

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute weltweit umsehen, dann erkennen wir, dass Arbeitsplätze, Einkommenschancen und soziale Sicherheit dort am besten aufgehoben sind, wo die beste Qualität der Ausbildung besteht. Und mit dieser Reform stellen wir die Weichen für eine wissensbasierte Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Wir tragen der Erkenntnis Rechnung, dass Bildung das Kapital der nächsten Jahrzehnte ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Österreich hat als kleines Land im Wettbewerb eine sehr gute Ausgangsposition. Wir liegen sehr gut im Bereich des Pflichtschulwesens. Wir haben hier vor einigen Wochen die PISA-Studie diskutiert, die nachgewiesen hat, dass wir im Bereich der Pflichtschulen an der Spitze der europäischen Staaten liegen. Kein Land der OECD investiert mehr in die Bildung seiner Schüler als Österreich.

Wir haben ein hervorragendes System der beruflichen Ausbildung. Man sieht es quantitativ daran, dass wir seit Jahren zu jenen Ländern gehören, die die geringste Jugendarbeitslosigkeit haben. Wir sehen es qualitativ daran, dass bei allen Berufsolympiaden der letzten Jahre Österreich immer auf Platz eins, zwei oder drei war.

Wir haben nur einen Bereich, in dem wir die Chancen zur Weltspitze noch nicht genutzt haben, und zwar im Bereich der Hochschulen und Universitäten. Wir haben sie deshalb nicht genutzt, weil dieser Bereich bis heute mit antiquierten, erstarrten Strukturen belastet war, die das Gegenteil moderner Unternehmensführung, das Gegenteil modernen Managements sind.

Mit dieser großen Reform, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen wir heute die Weichen dafür, dass unsere hohen Schulen, unsere Universitäten herauskommen aus der Umklammerung durch die Ministerialbürokratie. Das ist an sich eine Kulturrevolution, eine Kulturwende: weg von der Verordnungskultur hin zur Leistungsvereinbarung, zur Vereinbarungskultur.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen das nicht nur für die Zukunft unserer Jugend, sondern wir brauchen es auch für die Universitäten selbst, die ja auch im Wettbewerb stehen. Rektor Winckler hat dies dankenswerterweise aufgezeigt.

Die Welt ist klein geworden. Es gibt nicht nur den Wettbewerb der Betriebe, sondern es gibt weltweit den Wettbewerb der Standorte. Und es gibt natürlich auch den Wettbewerb der Bildungsstandorte.

Es gibt heute viele junge Menschen in unserem Land, die sagen: Ich will die beste Ausbildung; ich muss nicht unbedingt in Österreich studieren, ich kann in die USA gehen, nach England oder auf eine Elite-Hochschule nach Frankreich. – Es ist also auch im Interesse der Hochschulen selbst, dass wir sie im internationalen Wettbewerb stärken. Das ist im Interesse der Jugend unseres Landes, aber auch der hohen Schulen selbst. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir sehen heute – und damit spreche ich etwas an, was die Frau Minister dankenswerterweise auch erwähnt hat –, dass sich die Betriebe im weltweiten Standortwettbewerb der Wirtschaft vor allem dort ansiedeln, wo sie die Sicherheit haben, dass dort die höchste Qualität der Ausbildung besteht.

Wenn es uns gelungen ist – um nur ein Beispiel aus meinem Wahlkreis zu nennen –, das Pharma-Unternehmen Baxter in Krems anzusiedeln, dann deshalb, weil Krems in den letzten


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Jahren ein Bildungsstandort geworden ist. Die Betriebe, die Arbeitsplätze gehen dorthin, wo es die beste Ausbildung gibt. Und insofern hat diese Reform aus meiner Sicht, neben allen bildungspolitischen Aspekten, einen unglaublich wichtigen wirtschaftspolitischen Aspekt: im Interesse der Arbeitsplätze, der Einkommenschancen und der sozialen Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mich freut es auch ordnungspolitisch (Abg. Edler: "Ordnungspolitisch" – überall Schwarz rein!), dass wir an dieser Reform sehr schön nachweisen können, dass sie auf Basis unserer ordnungspolitischen Grundsätze erfolgt, die da lauten: mehr Eigenverantwortung und weniger Bevormundung! Mehr Freiheit und weniger Weisungen! Mehr Leistung und weniger Bürokratie! Mehr Subsidiarität und weniger Zentralismus! – Das sind unsere Grundsätze, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, diese Grundsätze im Bereich der Universitäten entsprechend umzusetzen. Und ich freue mich auch, dass die Ziele dieser Reform hier verwirklicht werden: Autonomie, Eigenständigkeit bei gesicherter Finanzierung – ich erinnere Sie: Drei-Jahre-Globalbudgets, gesicherte Finanzierung!

Ich freue mich darüber, dass die Zusammenführung von Entscheidung und Verantwortung, wie in jedem modernen Unternehmen notwendig, hier verwirklicht wird, dass wir eine schlanke Führungsstruktur mit klar abgegrenzten Kompetenzen haben, mit dem Universitätsrat als strategischem Organ, mit dem Rektorat als operativem Organ und mit dem Senat als akademischer Leitung.

Das ist eine moderne Führungskonzeption, und dazu kann ich nur sagen: Das ist meiner Überzeugung nach die Sicherheit, dass unsere Hochschulen in Zukunft auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch, dass der Zeitpunkt für diese Reform richtig gewählt ist. Wir leben in einer Zeit, in der sich Europa neu gestaltet, die Welt immer kleiner und der weltweite Wettbewerb immer intensiver wird. Wir müssen realistischerweise zur Kenntnis nehmen: Billigarbeitsplätze, billige Produktionsarbeitsplätze verlieren wir an jene Länder, in denen die Arbeitskraft billiger ist. Unsere einzige Chance besteht darin, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich hoch qualifizierte Arbeitsplätze, dass sich High-Tech-Produktionen bei uns ansiedeln. Und dafür ist diese Reform eine ganz, ganz wichtige Voraussetzung. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage ganz offen: Wir müssen darauf Acht geben, dass die Umsetzung dieser Reform nicht so erfolgt, wie oft frühere Umsetzungen von Reformen erfolgt sind. Der letzte Schritt der Umsetzung des UOG 1993 ist im Jahr 2000 erfolgt, meine Damen und Herren, und ich erwarte mir bei diesem Gesetz, dass wir zu einer rascheren Umsetzung kommen.

Mein Appell und mein Zuruf an die hohe Schulen und Universitäten lautet: Nützen Sie diese neue Freiheit! Nützen Sie diese Chance, die Ihnen der Gesetzgeber gibt! Nützen Sie diese Chance im Interesse der Jugend unseres Landes, im Interesse der Zukunftssicherung für unser Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist ein Gesetz, das die Tore in die Vergangenheit öffnet!)

11.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

11.53

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der bisherige Verlauf der Debatte hat mir erst so richtig deutlich gemacht, dass wir wirklich von verschiedenen Grundlagen ausgehen und dass der Versuch, diese verschiedenen Zugänge zusammenzuführen oder auch festzustellen, sie sind in manchen Bereichen nicht zusammenführbar, nicht unternommen worden ist.


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Mein Vorredner, Herr Dr. Stummvoll, hat in einer sehr apodiktischen Art und Weise deutlich gemacht, was nach dem Verständnis der Regierung Leistung, Leistungsvereinbarung, Qualität und damit auch Wissenschaftlichkeit ist.

Es ist meiner Ansicht nach kein Zufall, dass Sie den Begriff "Wissen" nicht mehr mit Wissenschaft verknüpft haben, sondern mit Wissenskapital, und dass Sie ihn unter dem Aspekt der Standortqualität gebracht und dann gesagt haben: Baxter hat sich für einen bestimmten Standort entschieden. (Abg. Dr. Brinek: Das ist auch eine Perspektive!)

Ja, Frau Kollegin Brinek, das ist eine bestimmte Wertigkeit. Ich sage nur, für mich ist es nicht die allerhöchste – und das sage ich durchaus auch als Betriebswirtin! –, und insofern meine ich, dass wir verschiedene Grundlagen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich denke, Personen und Persönlichkeiten wie Sokrates, wie Kant oder wie Simone de Beauvoir wären wahrscheinlich für die Firma Baxter und deren Standortwahl ziemlich irrelevant gewesen. Aber ich hoffe – oder: bis heute habe ich gehofft –, dass wir uns einig sind, dass diese Menschen nicht ganz unbedeutend waren, auch wenn ihr Output, wenn ihr Beitrag zum "return on investment" möglicherweise gar nicht quantifizierbar oder in diesen Termini nicht vorhanden ist.

Das, so würde ich meinen, sollten die Qualitäten sein, die universitäre Bildung mindestens in gleichem Maße verfolgt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Dr. Stummvoll! Sie haben auch auf die schulische Bildung zurückgegriffen. Ich halte es für wichtig, dass wir stärker versuchen sollten – auch wenn das hier durch eine Bundesministerin vertreten ist, oder gerade deswegen –, einen Konnex herzustellen.

Herr Dr. Stummvoll, Sie haben sehr undifferenziert gesagt, die PISA-Studie stelle Österreich ein hervorragendes Zeugnis aus. – Aber es gibt Bereiche, über die Sie immer hinweglesen, weil Sie diese Bereiche eben nicht hören, nicht lesen und nicht wissen wollen und weil diese offenbar in Ihrem Wertesystem keine Bedeutung haben.

Die PISA-Studie stellt Österreich ein ziemlich katastrophales Zeugnis aus (Abg. Schwarzenberger: Das beste im deutschen Sprachraum!)  – deuten Sie nicht, hören Sie lieber zu! –, was die Gleichstellung von Burschen und Mädchen, was die Gender-Sensibilität betrifft. (Abg. Hornek: Das ist unrichtig! – Abg. Dr. Stummvoll: Sie sehen nur das Negative!)

Einfach zu sagen, wir entlassen die Universitäten, in die ja die Kinder, die Buben und Mädchen aus den Schulen kommen, in die Autonomie, aber wir schauen uns nicht an, wie die Ausgangssituation ist, was vorher passiert ist, wie vorher diskriminiert worden ist, das, würde ich sagen, ist ein gewaltiger "blinder Fleck" in Ihrer Analyse! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben bezeichnenderweise einmal mehr, Herr Abgeordneter Stummvoll, nur von den Schülern gesprochen und geflissentlich übersehen, dass es auch Schülerinnen gibt, die tatsächlich von diesem unseren österreichischen Schulsystem – und das wissen Sie – nicht adäquat gefördert werden. Ich sage gar nicht, dass das böser Vorsatz ist oder bewusst geschieht, aber die versteckten Diskriminierungen, das Zurücksetzen von Mädchen, all das findet statt, und das ist ein "blinder Fleck", der vollständig ausgeklammert ist. (Widerspruch bei der ÖVP.)

Das scheint Sie fürchterlich zu empören, aber meine Antwort darauf ist: Tun Sie etwas dagegen, anstatt diesen Befund einfach zu ignorieren und zu leugnen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Das ist ein falscher Befund, Sie können hier nicht reihenweise falsch befinden!) – Nein, das ist kein falscher Befund! Bitte, das sind die ganz offiziellen Zahlen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist die falsche Diagnose!)

Es beginnt in der Schule, wo eben bestimmte Festlegungen, bestimmte Qualitäten jeweils stärker den Mädchen oder stärker den Burschen zugeschrieben werden. Das setzt sich fort: Im unteren Bereich haben die Wissenschafterinnen in den verschiedenen Fakultäten teilweise sehr beachtliche Anteile, ist der Frauenanteile also hoch; bei den Geisteswissenschaften sogar über


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60 Prozent. Beim habilitierten Mittelbau wird der Anteil dann schon etwas geringer, aber er ist immer noch sehr beachtlich. Und dann passiert plötzlich etwas bei den Professoren und Professorinnen, denn in diesem Bereich ist der Frauenanteil sehr gering oder gar nicht vorhanden, etwa bei den Wirtschaftswissenschaften und der Informatik null Prozent. Ich wiederhole: null Prozent! Bei den Naturwissenschaften sind es 2,6 Prozent. Da ist offenbar etwas dazwischen passiert! (Abg. Dr. Brinek: Das ist ein Strukturproblem, nicht ein Problem der Universität!)

Aber das, was dazwischen passiert ist, scheint schon ein Problem der Politik und der Universitäten zu sein, nämlich das Problem, dass das eben nicht als politisches Problem wahrgenommen wird! Das passiert offenbar irgendwie, gottgewollt. (Beifall bei den Grünen.)

Dass das aber eben nicht "irgendwie" passiert, sondern dass Ihre Politik – fairerweise muss man zugeben: auch die Politik der vergangenen Regierungen – etwas damit zu tun hat, zeigt der Anteil der Wissenschafterinnen in anderen Ländern, nämlich der "full professors", so heißt es in den Statistiken im EU-Vergleich.

Dieser Anteil beträgt dort teilweise deutlich über 10 Prozent: Finnland: 18 Prozent, Frankreich: 14 Prozent, Spanien: 14 Prozent, und Österreich liegt hier (die Rednerin zeigt Bundesministerin Gehrer eine Graphik) im Schlussfeld der europäischen Länder. Aber ich glaube nicht, dass die österreichischen Frauen, die österreichischen Wissenschafterinnen dümmer, fauler oder weniger geeignet sind, sondern sie werden politisch stärker diskriminiert.

Der "blinde Fleck", mit dem Sie sich nicht auseinander setzen wollen, ist in diesem Land größer, und er offenbart sich auch in dieser heutigen Debatte. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Wir haben sogar eine Unterrichtsministerin ...!)

Wir haben eine Ministerin, und deswegen hätte ich ja die große Hoffnung gehabt, dass diese Reform stärker auf die Anliegen der Frauen eingeht. Ich konzediere zwar, dass in einigen Paragraphen oben irgendwo "Frauenförderung" oder "Gleichstellung" steht; aber, Frau Kollegin Brinek, wenn wir uns nicht den Status quo anschauen, wenn wir uns nicht die PISA-Studie unter dem Aspekt des Geschlechts anschauen und die darin enthaltenen Aussagen ernst nehmen (Abg. Hornek: Wenn sie sonst nichts mehr findet, ist das ein tolles Zeugnis für die Universitätsreform!), sondern nur sagen: jetzt geht in eure Autonomie!, jetzt macht eure Leistungsvereinbarungen!, den Rahmen, den habt jetzt ihr!, ihr könnt in dieser Vollzugsautonomie eure Entscheidungen treffen! – wobei aber in den Leitungsorganen eben Professoren sind und davon nur 7 Prozent weiblichen Geschlechts sind –, dann weiß ich, wie diese Leitungsorgane weiter zusammengesetzt sein werden: Es werden die weiblichen Vertreterinnen unterrepräsentiert bleiben, und dieser "blinde Fleck" wird fortgeschrieben werden!

Das hat natürlich auch sehr viel mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun. Das hat auch damit zu tun, dass sich etwa der Umstand, dass eine Person Kinder hat, ganz unterschiedlich auswirkt: je nachdem, ob es sich um eine Frau handelt oder um einen Mann. Von den Professoren an den Universitäten haben nämlich über 80 Prozent Kinder. Das heißt, für den männlichen Professor ist es kein Karrierenachteil, Kinder zu haben. Bei den Frauen hingegen sieht es anders aus: Da sind es gerade einmal die Hälfte der ohnehin wenigen Professorinnen, der 7 Prozent, die es geschafft haben, diesen Status zu erreichen, und Mutter sind. (Abg. Dr. Stummvoll: Sollen die Männer jetzt Kinder kriegen, oder wie?)

Das heißt, da wird ganz einfach im System diskriminiert, und deshalb mache ich Ihnen, Frau Bundesministerin, ganz besonders den Vorwurf, dass diese ganze Gesetzesnovelle nicht im Vorfeld unter dem Geschlechtskriterium, unter dem Kriterium Frau/Mann und Diskriminierung geprüft worden ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Stummvoll: Sollen jetzt die Männer die Kinder kriegen? Das wird im Gesetz festgeschrieben? – Mein Gott! So eindimensional!)

Deshalb verweise ich am Schluss meiner Ausführungen auf den Antrag der Grünen, der in diesem Zusammenhang gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion eingebracht worden ist, der die Rechte der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen sehr deutlich aufwertet, der ihnen ein Teilnahmerecht an allen universitären kollegialen


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Gremien einräumt, der Mindeststandards für die Frauenförderpläne schafft und bei den gesellschaftlichen Zielsetzungen die Gleichstellung als ein nicht verrückbares Prinzip erklärt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von der Rednerin in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Grünewald, Niederwieser, Petrovic, Prammer und FreundInnen ist ausreichend unterstützt.

Auf Grund des Umfangs des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen; darüber hinaus wird er auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Grünewald, Niederwieser, Petrovic, Prammer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste (1134 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. In § 13 Absatz 2 lautet die Überschrift zu Ziffer 1.d):

"gesellschaftliche Zielsetzungen, insbesondere die Gleichstellung von Frauen und Männern:"

2. § 19 Absatz 2 Ziffer 7 lautet:

"Einrichtung einer Organisationseinheit zur Unterstützung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Gleichstellung sowie Einrichtung einer Organisationseinheit zur Koordination der Aufgaben der Frauenförderung sowie der Geschlechterforschung;"

3. In § 21 Absatz 1 entfällt die Ziffer 6.

4. § 21 Absatz 15 lautet:

"Das Rektorat, der/die Vorsitzende des Senats, der/die Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen und der/die Vorsitzende der Hochschülerschaft an der betreffenden Universität sowie die Vorsitzenden der Betriebsräte sind zu allen Sitzungen des Universitätsrates einzuladen. Diese Personen sind zu Tagesordnungspunkten, die ihren Arbeitsbereich betreffen bzw. die Betriebsräte im Rahmen der ihnen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zukommenden Aufgaben anzuhören."

5. § 25 Absatz 1 Ziffer 19 lautet:

"Nominierung von drei Mitgliedern für die Schiedskommission."

6. In § 25 Absatz 3 wird nach Satz 2 folgender Satz 3 angefügt:

"Weiters gehört dem Senat mit beratender Stimme die/der Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an".

7. In § 25 Absatz 7 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 angefügt:

"Jedem eingerichteten Kollegialorgan gehört ein Mitglied des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen, das aus dem Arbeitskreis entsandt wird, mit beratender Stimme an."


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8. In § 42 Absatz 2 lautet Satz 3:

"Die Entsendung der Mitglieder erfolgt auf Vorschlag des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen."

9. Der derzeitige Satz 3 des § 42 Absatz 2 entfällt.

10. In § 42 Absatz 2 wird folgender Satz 4 angefügt:

"Mindestens die Hälfte der Mitglieder des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen müssen Frauen sein."

11. In § 42 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

"(2a) Aus dem Kreis der Mitglieder des Arbeitskreises ist eine Vorsitzende oder ein Vorsitzender zu wählen. So lange die Frauenquote im Senat der jeweiligen Universität unter 50% beträgt, ist der Vorsitz im Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen von einer Frau wahrzunehmen."

12. In § 42 wird folgender Absatz 3a eingefügt:

"(3a) Die Universitätsleitung hat für die administrative Unterstützung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen und für die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen (Personal-, Raum- und Sachaufwand) zu sorgen. Außerdem ist den Mitgliedern des Arbeitskreises für ihre Tätigkeit eine Funktionszulage zu bezahlen, über deren Höhe der Senat bei Einrichtung des Arbeitskreises entscheidet."

13. § 42 Absatz 8 lautet:

"Hat der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen Grund zur Annahme, dass die Entscheidung eines Universitätsorgans eine Diskriminierung von Personen aufgrund ihres Geschlechts darstellt, ist er berechtigt, innerhalb von vier Wochen die Schiedskommission anzurufen."

14. § 43 Absatz 5 lautet:

"Kann kein Einvernehmen erzielt werden, hat die Schiedskommission in den Angelegenheiten gemäß Abs. 1 Z 2, welche die Entscheidung über die Begründung, eine wesentliche Veränderung oder die Beendigung eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses betreffen, innerhalb von 12 Wochen ab Einbringung der Beschwerde mit Bescheid darüber abzusprechen, ob durch die beabsichtigte Entscheidung des Universitätsorgans eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt."

15. § 43 Absatz 9 lautet:

"Die Schiedskommission besteht aus sechs Mitgliedern, die keine Angehörigen der betreffenden Universität sein müssen. Jeweils drei Mitglieder sind vom Senat und vom Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen für eine Funktionsperiode von zwei Jahren zu nominieren. Mindestens die Hälfte der Mitglieder der Schiedskommission müssen Frauen sein. Zwei der Mitglieder müssen rechtskundig sein."

16. Dem § 121 wird folgender Absatz 26 angefügt:

"Die derzeit bestehenden Arbeitskreise für Gleichbehandlung bleiben bis zur Einrichtung von Arbeitskreisen nach diesem Gesetz in Funktion. Bei der Einrichtung von Arbeitskreisen nach diesem Gesetz haben die bestehenden Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen ein Vorschlagsrecht."

17. Dem § 121 wird folgender Absatz 27 angefügt:

"Die von den Senaten gemäß § 19 Absatz 2 Ziffer 6 zu erlassenden Frauenförderpläne haben als Mindeststandard den des derzeit geltenden Frauenförderplanes für die Universitäten zu erfüllen."


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Begründung:

Im derzeitigen Gesetzesentwurf zur Universitätsreform sind die Rechte der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen, sowohl was ihre Struktur (Bestellung, Ausstattung, etc.), als auch ihre Kompetenzen betrifft, gegenüber der bestehenden Gesetzeslage stark eingeschränkt.

Der vorliegende Antrag nimmt daher einige Anregungen, die aus dem Bereich der Arbeitskreise für Gleichbehandlung an den Universitäten selbst gekommen sind auf, um die Rechte der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen auch in Zukunft gut abzusichern und auszubauen, anstatt sie zu beschneiden.

Konkret ist vorgesehen:

Vorschlagsrecht der Arbeitskreise bei der Mitgliederentsendung in den Arbeitskreis

Übergangsregelungen für die Arbeitskreise für Gleichbehandlung

Funktionsgebühr für die Mitglieder der Arbeitskreise

Sicherung einer administrativen Ausstattung zur Unterstützung der Arbeitskreise

Frauen- bzw. Männerquoten, die an den entsprechenden Quoten des Senates orientiert sind

Teilnahmerecht für Vorsitzende/n bzw. ein Mitglied des Arbeitskreises im Universitätsrat und im Senat sowie in sämtlichen Kollegialorganen

Mindeststandards für die zu erlassenden Frauenförderpläne

Hervorhebung des Zieles der Gleichstellung von Frauen und Männern bei den gesellschaftlichen Zielen, die in den Leistungsvereinbarungen festgehalten werden

Veränderte Zusammensetzung der Schiedskommission

Verlängerung der Entscheidungsfrist der Schiedskommission von 4 auf 12 Wochen

Verlängerung der Anrufungsfrist der Arbeitskreise von 2 auf 4 Wochen.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim  – in Richtung ÖVP –: ...! Aber ist die Frage nicht: Sokrates oder Schüssel? – Ruf bei der ÖVP: Gusenbauer oder "Eurolim"! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

12.04

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Rufe und Pfiffe von der Galerie.) – Auch Sie auf der Galerie: Seien Sie herzlich begrüßt! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Solche Begleiterscheinungen gibt es und gab es während jeder Universitätsreform-Debatte. Auch ich selbst bin im Jahr 1964 als Studentenvertreter, zwar nicht in dieser Form, aber durchaus demonstrierend gegen die damalige Novelle auf die Straße gegangen. Ich habe auch im Jahr 1975 als bereits an der Universität Tätiger dieses Firnberg-Gesetz äußerst kritisch erwartet und habe damals auch meinen Unmut bekundet. Das gehört einfach dazu. Das gehört zum Leben einer Universität, dass sie im Suchen nach Reformen auch "grenzüberschreitende Maßnahmen" ergreift. – Ich nehme es Ihnen also in diesem Sinne nicht übel, zumal deshalb, weil Sie sich möglicherweise nicht ausreichend über die Inhalte dieses heute zu beschließenden Gesetzes informiert, sondern eher jenen Zündlern zugehört haben, die vor allem aus der linken Hälfte dieses Hohen Hauses an den Universitäten unterwegs waren, um dort die StudentInnen


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und FunktionärInnen aufzuputschen und ihnen ihre eigene Sicht der Dinge zu zeigen. Hätten Sie das Gesetz gelesen, hätten Sie die möglichen Auswirkungen, diesen Befreiungsschlag für Ihre Universität und auch für sich selbst erkannt, müssten Sie nicht hier demonstrieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich zitiere diesbezüglich einen unverdächtigen Zeugen, Professor Stefan Karner, der in der "Presse" meint:

"Die ... Universitätsreform schlägt ... hohe Wellen." "Ein Streik ist angesagt. Viele werden daran teilnehmen, ohne zu merken, dass sie gegen ihren eigenen Vorteil streiken!"

Das sagt Herr Professor Karner, und er bestätigt, wie eigentlich alle vernünftig Denkenden innerhalb und außerhalb der Universität, dass die Situation an den Universitäten im Argen liegt:

"Die Studien dauern viel zu lange", "Die Qualität der Ausbildung ... ist schlecht", "Ein ... unflexibles und pragmatisiertes Uni-Personal" behindert den Fortschritt, und: "Eine zunehmend starke Konkurrenz im Inland (Fachhochschulen ...) und im Ausland (Colleges ...) baut sich auf".

Gefordert sind "Leistung, Effizienz, mehr Wettbewerb, klarere Entscheidungsstrukturen ..., eine bessere ... Ausbildung".

Das fordert Herr Professor Karner, und er, der auch das Gesetz in seiner Entstehung mitverfolgt hat, ist vom Ergebnis beeindruckt, wie wir aus einer jüngsten Pressenachricht erfahren.

Meine Damen und Herren! Was ist also "Verbrecherisches" geschehen? – Die Universitäten hatten in den letzten Jahren durchaus zu Kostensteigerungen geführt – und ich spreche das Thema Kosten sehr bewusst an, habe ich doch vor wenigen Tagen anlässlich einer Verteilung von Maturazeugnissen von einem sozialdemokratischen Schuldirektor erfahren, dass, wer so weit gehe, die Kosten der Bildung anzusprechen, die Bildung zu einer Ware mache. Und die Bildung zur Ware zu machen, ohne die Auswirkungen dessen zu erkennen, das sei – seiner speziellen Ansicht nach – das Ziel dieser Reform beziehungsweise das Ziel des Bildungswesens in Österreich überhaupt.

Aber wir sollten uns nicht scheuen, den Steuerzahlern, der Bevölkerung auch zu sagen, was Bildung kostet! – Derzeit zahlt der Österreicher für einen Studierenden an einer österreichischen Universität für seine gesamte Ausbildung im Durchschnitt 1,1 Millionen Schilling. Der OECD-Schnitt beträgt 620 000 S. In Euro: 87 000 € in Österreich, 45 000 € im OECD-Durchschnitt. Von den OECD-Ländern greifen die Vereinigten Staaten, die Schweiz und Kanada für die Studierenden tiefer in die Tasche, aber weit hinter Österreich liegen etwa Deutschland, Italien, selbst Japan, aber auch England und andere Länder.

Das heißt, sie ist uns schon etwas wert, die Bildung, sie sind uns schon etwas wert, die Universitäten, und das ist gut so. Aber man darf doch die Zahlen auch vergleichen! Das Studium dauert in Österreich zu lange, und es ist teuer: 17 Milliarden Schilling oder 1,3 Milliarden € wurden im Jahre 2001 für die Universitäten ausgegeben. Vor 20 Jahren waren es weniger als die Hälfte! Es ist richtig: Die Universitäten haben einen beträchtlichen Zuzug erfahren – man spricht von den Massenuniversitäten, und diese kosten mehr. Aber es ist nicht richtig, wenn Herr Kollege Gusenbauer einleitend das Beispiel "seines" Institutes als die Norm für Österreich verkauft. Er hat gesagt, es gibt dort zehnmal mehr Studierende, und die Menge der Lehrenden ist gleich geblieben.

Wahr ist, dass sich von vor 20 Jahren – das, nehme ich an, war etwa die Zeit, als Sie an der Universität waren – bis heute die Zahl der Universitätsangehörigen von damals 8 000 auf inzwischen 19 000 erhöht hat. Zugegebenermaßen ist in erster Linie das nichtwissenschaftliche Personal, das Verwaltungspersonal an den Universitäten in seiner Zahl explodiert, und das ist schlecht.

Es wird an den Universitäten selbst liegen, diese Verhältnisse in die richtige Ordnung zu bringen. Sie haben jetzt Personalhoheit, sie haben jetzt Budgethoheit, sie haben ein Dreijahres


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budget, das sie immer wollten. Die Universitäten haben – ganz im Sinne derer, die diese Reform vorbereitet haben – selbst eine Lösung gefordert, die weiter geht als die bisherige. Es ist ja nicht so, dass hier nach dem Motto "Speed kills" vorgegangen worden wäre, wie wir überall lesen: Schon im Jahr 1993, mit der Einführung der Teilrechtsfähigkeit, erfolgten die ersten Wortmeldungen dahin gehend, dass diese halbe Lösung eine ganze Lösung notwendig mache. Spätestens im Jahr 1998 haben wir ein Weißbuch des Bundesministers Einem in die Hand bekommen, welches im Grundsatz exakt das vorgibt, was wir heute beschließen. – Es ist bemerkenswert, dass Herr Ex-Minister Einem an dieser Debatte nicht teilnimmt. (Abg. Dr. Niederwieser: Der ist beim Konvent, wie Sie wissen!) Er müsste eigentlich bei dieser Beschlussfassung mitfeiern!

Herr Kollege Niederwieser, dass Ihre heutige Rede nicht von Ihnen stammen kann, ist ganz offensichtlich, denn Sie waren bisher in den langen Debatten und Verhandlungen zum Uni-Gesetz und auch in der Vorbereitung wirklich sehr sachlich. Die heutige Rede hat Ihnen Herr Kollege Cap geschrieben! Das war uns schon klar, als wir sie gehört haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser. )

Aber, Herr Kollege Niederwieser, ich darf Sie daran erinnern, dass Sie im Jahr 1999 mit der ÖVP eine Entscheidung in dem damaligen Pakt, in der damaligen Koalitionsvereinbarung – die schlussendlich aber nicht daran gescheitert ist! – getroffen haben, im Rahmen deren all die Kernpunkte – Weiterentwicklung der Universitätsreform hin zu einer echten Selbständigkeit, Evaluierung, Leistungsverträge, Selbstentscheidungen über Personal und über Budgets für die Universitäten – vorgesehen waren (Abg. Dr. Niederwieser: Selbst entscheiden! Nicht: Der Haupt soll entscheiden! – Jetzt entscheidet ja der Haupt!), ganz so, wie sie jetzt umgesetzt werden. Sie hätten es ja wirklich schwer – hätten Sie sich, wie gesagt, nicht jetzt diese Rede offenbar von Kollegem Cap liefern lassen –, jetzt gegen ein solches Gesetz zu stimmen, in das Sie sich durchaus auch konstruktiv eingebracht haben.

Ich möchte schlussendlich den Vorwurf aus der Welt schaffen, den Herr Gusenbauer klarerweise im Mund führte, denn wie der Schelm denkt, so ist er, und so spricht er auch! Er hat von den "Politkommissaren", von jenen "zwei Politkommissaren" gesprochen, die jetzt über den Beirat hier sozusagen eingeschmuggelt werden. Er weiß nicht, dass die Universitäten inzwischen die Möglichkeit haben, drei oder vier Personen – auch aus Ihrer Richtung – in einen flexibel gestalteten Beirat zu entsenden, aber er geht einfach von seiner immanenten Vorstellung aus (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), dass das doch nur Politkommissare sein können, die von der Regierung dort hingeschickt werden. – Es wären sowohl das Ressort als auch die Universitäten schlecht beraten, würden sie auf hohlköpfige Kommissare setzen, wenn es darum geht, dieses Gesetz mit all seinen Möglichkeiten der Autonomie umzusetzen! – Danke schön, und alles Gute, Frau Ministerin und Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.15

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal bei Frau Abgeordneter Petrovic herzlichst dafür bedanken, dass sie hier eins zu eins die negative Übergabebilanz des Kollegen Einem dokumentiert hat. Die Zahlen, Frau Kollegin Petrovic, die Sie hier vor etwa 20 Minuten über die Situation der Frauen an den österreichischen Universitäten zum Besten gegeben haben, sind nämlich jene Zahlen, die Kollege Einem – der übrigens auch heute an dieser Debatte nicht teilnimmt (Abg. Dr. Niederwieser: bitte, das ist unfair! Er ist beim EU-Konvent!)  – zu verantworten hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Ich sage das als zuständiger Bundesminister für Generationen in dieser Klarheit, weil ich hier nicht den Eindruck entstehen lassen möchte, dass das die aktuellen Zahlen sind und jene Zahlen, die dieser Bundesregierung zuzuordnen sind.


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Sehr geehrte Frau Kollegin Petrovic! Ich glaube, dass man, wenn nunmehr die Kritiker an den durch das Universitätsgesetz 2002 geschaffenen neuen Gremien im Saal stehen, auch anerkennen muss, dass heute etwa bei den Wahlen an den einzelnen Fakultäten oder an den Kliniken die Drittelparität auf Seiten der Studentenvertretungen – in völlig legitimer und demokratischer Art und Weise auf Grund der Hochschülerschaftswahlen – überwiegend von Vertreterinnen und Vertretern der beiden Oppositionsparteien auf Hochschulebene wahrgenommen wird. Ich glaube daher, wenn Sie, Frau Abgeordnete Petrovic, Ihre Kritik an den neuen Institutionen und an der neuen Organisation am Argument der Frauenquote an unseren Universitäten unter den Habilitierten und Ordinarien festmachen, dann sollten Sie nicht vergessen, dass Sie auch ein Erziehungsproblem bei Ihren Studentinnen- und Studentenvertretern haben, wenn es darum geht, das, was Sie hier im Hohen Hause im Interesse der Frauen vertreten, auch dort, wo diese StudentInnenvertreter wahlberechtigt sind, entsprechend zu berücksichtigen.

Das ist etwa in meinem Bereich unübersehbar, und Herr Professor Grünewald wird mir Recht darin geben, dass im medizinischen Bereich die Frauen in den letzten 20 Jahren einen erheblichen Durchmarsch durch die Institutionen bis hin zu bestqualifizierten Habilitationen geschafft haben, dass sie aber dort eingebremst worden sind, wo die Drittelparität sie im Wege der Wahl auch in leitende Positionen hätte bringen können. Denken Sie an die Universitätsklinik in Innsbruck: Wie viele Frauen haben Sie dort in den leitenden Positionen? Oder: Wie viele Frauen haben Sie an der Universitätsklinik in Graz, und wie viele Frauen haben wir an der Universitätsklinik in Wien?

Ich glaube daher, wenn man einerseits die Anzahl der Habilitierten betrachtet und andererseits die Anzahl jener Habilitierten, die dann tatsächlich auch erfolgreich sind, dann werden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, dass hier noch immer – auch durch die Wahl auf der Grundlage der Drittelparität – eine Disparität zum Nachteil der Frauen besteht. Es kann also die derzeitige Struktur alleine nicht ausschlaggebend dafür sein, das vorliegende Gesetz als positiv oder negativ für die Frauen zu betrachten.

Ich glaube vielmehr, dass die Zahlen, die diese Bundesregierung im sekundären Bildungsbereich vorzuweisen hat – wonach nämlich bei den Mittelschulen nunmehr die weiblichen eindeutig vor den männlichen Jugendlichen liegen, auch in Relation zur Gesamtpopulation –, in Zukunft auch erwarten lassen, dass sich im Bereich der universitären Ausbildung der in der derzeitigen Statistik noch als solcher zu betrachtende Rückstand sukzessive abarbeiten wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, dass in dem seit dem Jahr 1992 mit den Universitäten konkurrierenden Bereich, in den auch die Wirtschaft – die hier im Parlament von manchen Rednerinnen und Rednern der Opposition immer ganz besonders wegen ihrer angeblichen Frauenfeindlichkeit angegriffen wird – eingebunden ist, nämlich im Bereich der Fachhochschulen, die Frauenquoten, und zwar auch in den technischen Studienrichtungen der Fachhochschulen, deutlich höher liegen als in den drittelparitätisch bestellten Gremien der Universitäten.

Ich glaube daher, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir auch im Zusammenhang mit der Autonomie, wenn wir Frauenpolitik an den Universitäten betreiben wollen, nur dann erfolgreich sein werden, wenn wir diesbezüglich einen Umdenkprozess bei den Verantwortlichen im Bereich der Autonomie – und nicht nur bei den Verantwortlichen hier im Parlament und an den politischen Schaltstellen dieser Republik – herbeirufen, denn die Zahlen sprechen deutlich dafür.

Ich glaube auch, dass die Behauptung, dass es primär die Wirtschaft ist, die frauenfeindlich sei, nicht haltbar ist, denn im Bereich der Fachhochschulen, wo die Wirtschaft einen maßgeblichen Einfluss bei ihrer Gründung gehabt hat und auch heute noch im Fachhochschulrat und bei der Gründung neuer Studienrichtungen die Überlegungen betreffend die zukünftige Bildungslandschaft in diesem Staate sehr einflussreich mitgestaltet, haben wir diesbezüglich deutlich bessere Zahlen als im autonomen Bereich.


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Ich meine daher, dass die Universitätsreform 2002 auch eine sinnvolle Maßnahme sein kann, wenn man die Zeichen der Zeit in der Autonomie erkannt hat und dort, wo die Qualifikation durch Habilitation nachgewiesen ist, auch diese Nachteile, die heute noch laut Statistik gegeben sind, beseitigt.

Ich glaube auch, sehr geehrte Damen und Herren, dass die neuen medizinischen Universitäten beachtenswert sind und auch von meiner Seite als Bundesminister, der auch für Gesundheit zuständig ist, beleuchtet werden sollen. Ich sage das in aller Klarheit, weil ja an manchen Universitäten das Gerücht ausgestreut worden ist, dass ich und Kollegin Gehrer hier in einem Gegensatz stünden. Nein! Wir haben eine klare Einteilung auf Grund des Ministeriengesetzes: Ich bin für die Krankenanstalten und für die entsprechenden Standesgesetze zuständig, und Frau Kollegin Gehrer ist – was von mir auch nicht eine Minute in Frage gestellt oder nicht akzeptiert worden wäre – für die universitäre Ausbildung, für die Universitäten, für die Forschung und für die Lehre zuständig.

Ich glaube, sehr geehrte Damen und Herren, dass es höchste Zeit war, diese medizinischen Universitäten zu bilden, denn wenn ich die so viel zitierte interdisziplinäre Zusammenarbeit der medizinischen Fakultät in Wien mit den Teilbereichen der Naturwissenschaft auf der einen Seite betrachte und sie mit der Zusammenarbeit mit anderen universitären Einrichtungen im Wiener Raum vergleiche, so ist unübersehbar, dass die Zusammenarbeit im Bereich der Gentechnik, im Bereich von experimenteller Chirurgie, in Bereichen, die heute schon bis weit in die Operationssäle hineinreichen – ich denke etwa an meine eigene Universität, die Veterinärmedizinische Universität, oder auch an die Bereiche der Gentechnik und der Mikrobiologie der Universität für Bodenkultur –, weiter gediehen ist als die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereiche der Naturwissenschaften und der medizinischen Fakultät.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir uns vor Augen halten, dass die nächsten 30 Jahre nach Meinung namhafter Wissenschafter unter dem Einfluss der Gentechnik als neuer Leittechnologie stehen werden, und wenn wir wissen, dass es in der österreichischen Gesellschaft einen Grundkonsens gibt und es unbestritten ist, dass die Gentechnik aus der Medizin in der heutigen Form nicht wegzudenken ist, und dass sie nachweislich auch schon erhebliche Vorteile sowohl in der Behandlung als auch in der Lebensrettung und in der Lebensqualität für Tausende Patientinnen und Patienten in Österreich mit sich bringt – 6 500 Organtransplantierte in Österreich, die heute bei durchwegs guter Lebensqualität eine neue, eine zweite, oftmals sogar schon eine dritte Chance bekommen haben, ein Leben in lebenswerter Qualität zu führen –, so glaube ich, dass diese Ausgliederung und diese Neuformierung der medizinischen Universitäten dringend notwendig ist. Das ist auch im Hinblick darauf zu sehen, dass Wien ehemals zur Spitze oder mit zu den Spitzen der medizinischen Wissenschaften auf der gesamten Welt gehörte und heute nur mehr den 27. Platz in der gentechnologischen Forschung auch im medizinischen Bereich einnimmt.

Durch diese Reform, durch diese Zusammenarbeit und durch diese neuen Möglichkeiten, die die Universitätsreform bietet, kann und soll gewährleistet werden, dass dieser wichtige Zukunftsbereich, der allen Menschen in diesem Staate zugute kommen soll, Österreich wieder in eine Spitzenposition bringt und die österreichische Medizin in Zukunft wieder an eine bessere Position stellt als jene, an der sie heute zu finden ist.

Ich mache kein Hehl daraus, dass meiner Überzeugung nach die Ausgliederung der medizinischen Universitäten ein erster wichtiger Schritt ist. Ich sage aber auch in aller Klarheit: Dieses vorliegende Gesetz gibt den medizinischen Universitäten auch die Chance, über die bestehenden Grenzen der heutigen und über die bestehenden Grenzen der morgigen Universitäten hinaus interdisziplinäre Zusammenarbeit zu suchen, zu formulieren und erfolgreich weiterzubetreiben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus meiner Sicht als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen ist diese Universitätsreform 2002 daher nicht nur unterstützenswert, sondern es ist gerade im medizinisch-gesundheitlichen Bereich höchste Zeit, diesen Schritt zu setzen. Ich glaube, dass Österreich mit seinen Leistungen im medizinischen Bereich, aber auch im Be


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111. Sitzung / Seite 78

reich der Pharmazie, der Pharmakognosie, der Toxikologie und in den Wirtschaftsbereichen, die eng damit zusammenhängen, und mit den Tausenden und Hundertausenden Arbeitsplätzen in diesem Bereich auch durch diese Universitätsreform eine Chance bekommen sollte, seinen Spitzenplatz in Europa und seinen Spitzenplatz weltweit zurückzuerobern.

Unbestritten ist, dass die Universitätsreform 2002 und die Autonomie den Universitäten auch eine straffere Führung des Studiums in der Berufsausbildung und eine deutliche Verbesserung in manchen Bereichen der Forschung, Wissenschaft und Lehre bringen muss. Ich sage aber auch in aller Klarheit als ehemaliger Vertreter der Studentenschaft der Jahre 1968 bis 1972 Folgendes: Auch wir, sehr geehrte Damen und Herren, haben an den Universitäten die Früchte einer Verbesserung, einer Straffung und einer Intensivierung der wissenschaftlichen Tätigkeiten nicht durch Demonstrationen auf der Straße bekommen, sondern durch Engagement in den akademischen Gremien, durch verantwortungsvolle, kompetente Mitwirkung in den akademischen Gremien (Abg. Dr. Niederwieser: Aber das gibt es ja heute nicht mehr! Das gibt es heute alles nicht mehr, Kollege Haupt!), dort, wo wir gerufen waren und dort auch Verbesserungen geschafft haben.

Ich weiß, wovon ich rede. (Abg. Dr. Niederwieser: Ja, aber das gibt es heute alles nicht mehr!) Als ich auf meine Universität gekommen bin, hat es keine Skripten gegeben, keine Lehrbücher, keine ausreichenden Stipendien, und es hat Rahmenbedingungen gegeben, unter denen die Studiendauer gleich lange war, wie sie heute ist, aber am Ende des Studiums nach Verlassen der Universität niemand in der Lage war, in dem Zweig, für den er die Berufsausbildung gemacht hat, ohne Zwischenstufe einer Ausbildung seinen Beruf zu ergreifen.

Ich glaube daher, sehr geehrte Damen und Herren, dass das, was in den sechziger Jahren in vielen Universitäten existiert hat und was wir heute auch wieder sehen, durchaus von manchen Universitäten auch schon in der Nutzung der letzten Universitätsreform positiv gestaltet worden ist. Ich darf darauf hinweisen: Meine Universität, die Veterinärmedizinische Universität, hat seinerzeit als eine der wenigen die Chance genutzt, mit einer Studieneingangsphase den Studienzweig Veterinärmedizin tatsächlich so zu straffen, dass sie hinsichtlich der Drop-out-Quoten, die dort ehemals zu den höchsten gehört haben, heute im Mittelfeld liegt und dass eine Studiendauer, die ehemals bei mehr als 17 Semestern gelegen ist, heute wieder unter 14 Semester gedrückt werden konnte. Und das, sehr geehrte Damen und Herren, geschah nicht zum Nachteil der Frauen, denn mein Berufsstand hat sich in der Zwischenzeit von einem fast reinen Männerberuf zu einem zu 60 Prozent von Frauen dominierten Beruf gewandelt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, daran kann man ersehen, dass es, wenn die universitären Gremien und die dort Verantwortlichen in der Lage sind, die Autonomie und den Auftrag dieses Parlaments richtig zu verstehen, weder zum Nachteil der Wissenschaft und der Qualifikation zu gehen hat und schon gar nicht zum Nachteil der studierenden Frauen und ihrer Berufsaussichten sowohl im Berufsleben als auch auf den Universitäten gehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube daher, sehr geehrte Damen und Herren, dass die Position, die heute hier vertreten worden ist, eine geradezu klassische Oppositionspolitik darstellt, dass sie aber nicht von Verantwortung getragen ist für jene, die heute an den Universitäten sind, und für jene, die morgen das akademische Kapital dieser Republik Österreich darstellen werden und diese als Wirtschaftsstandort in allen Bereichen der Wissenschaft, der Lehre, der Forschung und der Berufsausübung an der Spitzenposition, die wir derzeit weltweit innehaben, halten sollen.

Ich meine daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Universitätsreform 2002 gelungen ist, dass sie den Universitäten im Rahmen der Autonomie sehr viele Chancen gibt. Ich wünsche mir, dass wir sehr viele akademische Lehrer haben, die das Gleiche tun wie die akademischen Lehrer an meiner Universität, nämlich den Auftrag dieses Parlaments sowohl gesellschaftspolitisch als auch fachspezifisch und wissenschaftlich umzusetzen. In diesem Sinne ein "Glück auf!" der Universitätsreform 2002. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.28


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111. Sitzung / Seite 79

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, bitte halten Sie den § 58 der Geschäftsordnung ein.

12.28

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Hohes Haus! Mehrere tatsächliche Berichtigungen: Sie haben gesagt, es gebe den Proporz nicht mehr an den Universitäten, von dem wir unterstellt haben, dass Sie ihn einführen.

Ich stelle tatsächlich richtig: Hier (sich zur Regierungsbank wendend) sitzt der Proporz, hier live. Ich frage mich, was der Minister Haupt zur Universitätsreform zu sagen hat, wenn nicht als Proporzminister. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Böhacker: Das ist eine Bewertung und keine tatsächliche Berichtigung!)

Kollege Grollitsch hat behauptet, dieses Gesetz wäre jene Reform, die Caspar Einem bereits vorgehabt hätte, der übrigens beim Europa-Konvent in Brüssel ist und heute Vormittag entschuldigt war. – Sie bräuchten gar nicht zu fragen, wo er ist, wenn Sie da gewesen wären.

Ich stelle tatsächlich richtig: Das ist von den Begriffen her das, was teilweise zwischen Caspar Einem und der ÖVP vereinbart worden ist, ist aber vom Inhalt her eine ganz andere Reform. Der Universitätsrat hat auch bei uns Universitätsrat geheißen, aber wir hätten niemals einen gemacht, um den Parteieneinfluss in den Universitäten zu verstärken. Das haben wir immer abgelehnt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Gemäß einer in der Präsidiale getroffenen Vereinbarung wird die restliche Redezeit – nämlich die Redezeit bis 13 Uhr, das ist das Ende der Fernsehübertragung – zu gleichen Teilen zwischen den Fraktionen aufgeteilt. Ich schlage daher vor, dass wir vier Redner à 7 Minuten aufrufen.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

12.30

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir nur kurz auch noch ein Wort zum Thema Frauen an den Universitäten. Ich stimme mit Kollegin Petrovic vollkommen überein, dass die Frauen an den Universitäten auf allen Ebenen – und je höher, desto trauriger ist die Situation – viel zu wenig repräsentiert sind.

Herr Bundesminister! Sie haben den Vorgänger der Ministerin Gehrer, Caspar Einem, angesprochen. Gerade er hat einen Schwerpunkt der Frauenförderung an den Universitäten gesetzt. Es kommt immer darauf an, welche Weichenstellungen man vornimmt, und in Ihrer Regierungsphase wurde die Frauenpolitik nicht nur an den Universitäten abgeschafft, sondern Sie, Herr Frauenminister, haben dafür gesorgt, dass sie zur Gänze abgeschafft ist: auch an den Universitäten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Wir machen Frauenpolitik, nicht feministische Politik! Das verwechseln Sie!)

Wenn Sie heute alte Papiere herauskramen und sagen, das seien die gleichen Zielsetzungen, wir hätten die damals auch vertreten, darf ich Ihnen sagen: Zu den Zielsetzungen, wie Sie sie heute darstellen, stehen wir nach wie vor. Das ist überhaupt kein Kunststück. Das Problem ist nur, dass Sie etwas völlig anderes unter dem Etikett dieser Zielsetzungen machen, das Sie völlig fälschlicherweise verwenden. Warum Sie Ihre eigenen Zielsetzungen nicht wirklich beim Namen nennen, darauf kann sich jeder selbst einen Reim machen.

Sie sagen zum Beispiel, dass Sie jetzt neue Formen der Mitbestimmung auf den Universitäten eingeführt haben, und "neue Formen der Mitbestimmung" heißt schlicht und einfach, dass die Mitbestimmung auf vielen Ebenen abgeschafft worden ist und dass wichtige Gruppen der Universitäten aus der Mitbestimmung ausgeklammert sind. Das nennen Sie "neue Formen der Mitbestimmung"!


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111. Sitzung / Seite 80

Da wundert es mich nicht, dass die Studenten mit großer Sorge erfüllt sind, wenn sie hören, dass die FPÖ die ÖH "modernisieren" will, wie Sie gesagt haben. Die ÖH "modernisieren", was bedeutet das, wenn "neue Formen der Mitsprache" Mitbestimmung abschaffen bedeutet? Ich glaube, da ist wirklich Anlass zu großer Sorge und zu großer Vorsicht in den nächsten Wochen und Monaten gegeben.

Der Prozess, in dem diese Universitätsreform in den letzten Monaten diskutiert wurde, ist tatsächlich bemerkenswert, gibt er doch ein sehr klares Sittenbild darüber ab, was "neues Regieren" bedeutet. Es wurde von "offener Planung" gesprochen, und es stimmt, es sind sehr viele Diskussionen geführt worden, viele Leute gehört worden, viele Stellungnahmen zur Kenntnis genommen worden, jedenfalls durften sie abgegeben werden. Die Frau Bundesministerin selbst hat von 1 300 Arbeitsgruppen, Enqueten et cetera gesprochen. Aber wenn wir heute schauen, was unter dem Strich übrig bleibt, müssen wir feststellen, dass so gut wie nichts aus diesen hauptsächlich sehr kritischen, aber konstruktiven und Reformbereitschaft widerspiegelnden Stellungnahmen in Ihre Reform eingeflossen ist.

Diese "offene Planung" ist leider zu einer Beschäftigungstherapie für die meisten verkommen. Heute dürfen sich diejenigen, die in den 1 300 Arbeitsgruppen an Stellungnahmen et cetera mitgearbeitet haben, anhören, dass die Frau Bundesministerin Gehrer ihnen ausrichten lässt, dass sie die Leute sind, die hinter den Mauern sitzen und sich fürchten, die mauern und gegen jede Reform sind. – Das, meine Damen und Herren, ist wirklich nicht die Vorgangsweise, die man sich unter einem konstruktiven, offenen Diskussionsprozess vorstellt, sondern Sie haben gemauert, sehr geehrte Damen und Herren von den Koalitionsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Unterausschuss hat die Frau Bundesminister gemeint, nach diesem offenen Diskussionsprozess könne man natürlich nicht machen, was Einzelne wollen. – Das verstehen wir auch, denn das ist natürlich das Wesen der Demokratie, dass man nicht machen kann, was jeder Einzelne will. Aber, Frau Bundesministerin – sie ist noch im Saal, aber sie schenkt mir leider nicht ihr Ohr –, warum muss man etwas machen, was so gut wie niemand will? Sie wissen genauso gut wie ich, wenn Sie an den Universitäten waren und dort Diskussionen geführt haben, dass dort eine große Ablehnung Ihrer Reform gegenüber besteht. Es hat an einzelnen Universitäten Umfragen und Urabstimmungen gegeben. In Linz waren bei einer Urabstimmung 91 Prozent dagegen, in Innsbruck waren laut einer Umfrage 95 Prozent dagegen. Aber das alles beeindruckt Sie nicht. Es wird das einfach durchgezogen.

In den parlamentarischen Behandlungen im Unterausschuss bot sich ein ähnliches Bild. Besonders eindrucksvoll war das, als es um die medizinischen Universitäten gegangen ist, zu denen gerade Herr Bundesminister Haupt gesprochen hat. Alle, einhellig alle Ausschussexperten haben diesen Weg klar abgelehnt. Nur die von Ihnen eingeladenen Fraktionsexperten, die Sie selbst aussuchen konnten, haben Ihnen Recht gegeben. Alle anderen, die gewählten Vertreter der unterschiedlichen Gruppen haben es klar abgelehnt, aber Sie haben, wie man auf gut Wienerisch sagt, nicht einmal mit dem Ohrwaschl gewackelt.

Und da, meine Damen und Herren, stellen sich Regierungsvertreter her und reden davon, dass Sie weniger Bevormundung an die Universitäten bringen. – Genau das Gegenteil ist der Fall! Das kann man ganz klar nachvollziehen.

Noch ein letzter Punkt: Sie haben es nicht einmal geschafft, hier eine Reform vorzulegen, bei der wir davon ausgehen können, dass sie verfassungsrechtlich hält. Wir werden dieses Gesetz prüfen, und wir werden es vor den Verfassungsgerichtshof bringen.

Sie muten den Universitäten einen Weg zu, der sie dazu zwingt, diese Reform jetzt in einem unglaublichen Tempo zu implementieren, umzusetzen, obwohl sie gar nicht wissen, ob diese Reform in einem Jahr überhaupt noch halten wird. Sie führen die Universitäten sehenden Auges in einen Besorgnis erregenden Zustand. Das, meine Damen und Herren, ist verantwortungslose Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

12.37


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111. Sitzung / Seite 81

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Ihre Redezeit beträgt 7 Minuten, Herr Abgeordneter. – Bitte.

12.37

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich bin bei der falschen Veranstaltung, wenn ich der Frau Abgeordneten Kuntzl heute zuhöre (Beifall bei der ÖVP), denn sie malt ja wirklich an die Wand, dass jetzt alles schlechter wird und eigentlich Chaos herrschen wird. (Abg. Schwemlein: Da sind Sie schon bei der richtigen Veranstaltung!)

Haben Sie nicht die Aussendung des Vorsitzenden der Rektorenkonferenz gelesen, der die Uni-Reform ausdrücklich lobt und von einer tragbaren Basis spricht? Sogar Ihr Abgeordneter Niederwieser war sich nicht ganz klar, was er da sagen soll. Er hat die Uni-Reform verhalten eigentlich sehr wohl gelobt, indem er nur gesagt hat: Wir behalten uns vor, irgendwelche Änderungen irgendwann vorzunehmen. – Also ich würde sagen, es war fast ein Lob für eine Oppositionspartei, die halt Opposition üben muss. Aber ich glaube, neben dieser Zwangsübung, Opposition üben zu müssen, sollte man dieses tolle Werk heute nicht aus den Augen verlieren.

Frau Ministerin Gehrer hat Mut zu Neuem bewiesen. Dafür sei ihr ausdrücklich gedankt. Das wird sich in den Geschichtsbüchern sicher wiederfinden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich als Arzt werde mich jetzt natürlich nicht über die Uni-Reform ausbreiten, sondern nur über einen Teil, nämlich über die Ausgliederung der Medizinuniversitäten sprechen. Jawohl, auch hier hat die Frau Ministerin Mut zu Neuem bewiesen. Jawohl, meiner Überzeugung nach ist das notwendig. Wir hatten auf meinen Druck hin schon damals in das Regierungsprogramm hineingeschrieben, dass wir die Frage eigener Medizin-Universitäten prüfen wollen.

Meiner Meinung nach, Herr Rektor, ist das notwendig, denn die Fakultäten haben eine Größe erreicht, die eigene Einheiten sehr wohl notwendig macht. Wenn Sie zum Beispiel das AKH nehmen: Das ist ein Betrieb mit 10 Milliarden Schilling Umsatz, also etwa 0,8 Milliarden €, 10 000 Mitarbeitern, etwa 1 500 Ärzten. Das kann ein Nicht-Mediziner nicht einfach so nebenbei führen wie einen Schrebergartenverein. (Abg. Dr. Cap: Schildbürgerstreich!)

Die neue Medizin-Uni Wien wird die viertgrößte in Österreich sein, und glauben Sie mir: Klare Verantwortung, schnelle Entscheidungswege werden natürlich den Patienten nützen. Das kann nicht sein, wenn man die alte Gremien-Universität mit den riesigen aufgeblähten Gremien hat, wo sich jeder auf jeden ausgeredet hat, wo Entscheidungen zerredet, aber letztendlich nicht getroffen wurden. Klare Entscheidungen ermöglichen es auch den Forschern und Lehrern dort, besser zu arbeiten.

Das Schuh-im-Schuh-Modell der Rektoren und der Dekane hat ja nicht einmal 24 Stunden gehalten. Zu glauben, dass man sich mit einer Teilautonomie da durchschwindeln kann, ist nur der halbe Mut. Frau Ministerin Gehrer hat eben den ganzen Mut bewiesen, und dafür sei ihr gedankt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Schildbürgerstreich!)

Jeder, der sich nur halbwegs im Medizinbetrieb auskennt, weiß, dass es da nicht nur um Forschung und Lehre geht, sondern auch um Patientenbetreuung. Darum ist das besonders kompliziert und erfordert eine Sonderstellung, die ja de facto schon bisher gegeben war. Da ist das Ärztegesetz zu beachten, da ist das Ärzte-Arbeitszeitgesetz zu beachten, das Krankenanstaltengesetz ist zu beachten, da besteht meistens ein Konnex mit den Betreibergesellschaften der jeweiligen Länder. Das macht es komplizierter; es geht eben nicht nur um Forschung und Lehre.

Da der Herr Rektor beklagt, dass dann Kooperationen schwerer möglich sind, möchte ich ihm sagen: Sehr geehrter Herr Rektor – ich weiß nicht, ob Sie da sind –, was hindert eine eigene Medizin-Uni, eine Kooperation weltweit einzugehen, eine Kooperation österreichweit oder EU-


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111. Sitzung / Seite 82

weit einzugehen, nur weil sie jetzt nicht mehr hauptverantwortlich am Haupthaus hängt? – Das Gegenteil ist wahr: Es wird nämlich erleichtert!

Wir stellen mit unserer Reform sicher: schlanke Entscheidungswege, klare Verantwortung, kein Zerreden in Gremien, abgesicherte Budgets. (Abg. Dr. Jarolim: Eine blaue Entscheidung! – Abg. Dr. Glawischnig: Da brauchen wir nicht mehr darüber zu reden!)

Und wenn Sie mich jetzt als Arzt fragen: Nützt das den Patienten? – Ich habe eine lange Diskussion mit Herrn Professor Grünewald geführt, und am Schluss ist nur herausgekommen: Eigentlich sollten die Fakultäten eigenständig sein – dass das nicht "Uni" heißen darf, war ihm eigentlich klar –, aber er hat gemeint, wir brauchen Kontrolle über die Drittmittel. – Wenn das der einzige Grund ist, eine eigene Medizin-Uni zu verhindern, ist das, glaube ich, ein schwaches Argument.

Lieber Kollege Grünewald! Du hast heute auch in deiner Rede mit keinem einzigen Wort irgendwie sachlich argumentieren können, warum eine Medizin-Uni das Schlechteste auf der Welt ist. (Abg. Dr. Jarolim: Sie wissen, dass Sie falsch liegen!) Ich als Arzt bin für meine Patienten stolz, sagen zu können, dass in Zukunft Forschung, Lehre und vor allem Patientenbetreuung wahrscheinlich leichter und besser möglich sein werden.

Ich hoffe, sehr geehrte Frau Ministerin Gehrer, dass wir dann vielleicht in Österreich wieder einmal einen Nobelpreisträger begrüßen dürfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Ihre Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

12.43

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Sehr geehrte Abgeordnete! Das Universitätsgesetz 2002 ist relativ kompliziert, auch die Debatte darüber ist teilweise kompliziert. Ich möchte versuchen, Herr Kollege Rasinger, anhand eines sehr konkreten Beispiels einmal zu belegen, wie wenig durchdacht, wie ineffizient und wie falsch diese Reform eigentlich geworden ist, und zwar an einem Bereich, der unbestritten, glaube ich, bereits Weltklasse besitzt, nämlich die Kunstuniversitäten.

Ich brauche Ihnen, glaube ich, nicht viel dazu zu sagen. Dieses Gesetz, auf Universitäten wie Mozarteum, Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien, Hochschule für angewandte Kunst angewendet, führt dermaßen zu Widersprüchlichkeiten, sodass man sehr gut nachvollziehen und sehr gut verstehen kann, dass dieses Konzept der ausschließlichen marktwirtschaftlichen Orientierung, Marktorientierung, völlig an dem vorbeigeht, was eine Universität eigentlich sein soll, nämlich eine bildungspolitische Einrichtung. (Beifall bei den Grünen.)

Im Jahr 2000 hat es eine Resolution der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien mit dem Titel "Speed kills music" gegeben, in der fast schon prophetisch die Gefahren der nächsten zwei Jahre – also der jetzt vergangenen zwei Jahre – dargestellt worden sind: Privatisierungen, Systemwechsel im Dienstrecht, Budgetkürzungen, Studiengebühren. Und dann behaupten sie – und auch das hat sich bestätigt –, dass es völlig unterblieben ist, eine Leitbilddiskussion und eine politische Diskussion darüber zu führen, wohin man eigentlich will, wohin man mit einzelnen Teilen des universitären Gebildes will. Gerade für die Kunstuniversitäten ist diese Diskussion bis zum heutigen Tag unterblieben.

Warum ist das so dramatisch und warum ist das eigentlich so extrem ineffizient? – Die Kunstuniversitäten haben erst viele Jahre nach der Reform des Universitätsgesetzes im Jahre 1993 mit ihrer Reform begonnen. Ihr Gesetz ist erst 1998 in Kraft getreten, und sie sind mit der gesamten Umformierung ihrer Verwaltungsstrukturen gerade erst vor drei Monaten fertig geworden. (Abg. Hornek: Da haben sie fünf Jahre dazu gebraucht?) Nun wurde versprochen, dass für diese Universitäten das neue Reformgesetz nicht zur Anwendung kommt, denn es ist,


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111. Sitzung / Seite 83

glaube ich, sehr gut nachvollziehbar, dass es extrem ineffizient, extrem aufwendig ist und dass es auch als politischer Misstrauensvorschuss verstanden wird, wenn man die neuen Strukturen gerade drei Monate in Anwendung hat und jene Leute, die gerade damit fertig geworden sind, eine Reform zu implementieren, jetzt schon wieder mit dem nächsten Ding beauftragt. Das würde kein einziges Unternehmen der Welt machen, eine Organisationsreform durchzuführen und drei Monate später schon wieder mit der nächsten anzufangen. Das belegt, wie ineffizient und undurchdacht dieses Gesetz eigentlich ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Sie waren zu langsam!)

Ich möchte noch anhand von ein paar Beispielen zu belegen versuchen, wie kurios das wirklich ist und wohin das führt, wenn man Universitäten ausschließlich mit Ihrem Leitbild begreift.

Die Debatte ist sehr kontroversiell verlaufen, aber ich glaube, eines kann man schon feststellen: Diese ausschließliche Orientierung an Liberalisierung, Marktöffnung, Knowledge Economies, diese Diskussionsbeiträge gehen dermaßen an dem vorbei, was ein Ort der Forschung, der Lehre, der Wissenschaft, der ästhetischen Bildung sein soll, dass man damit auch einen wesentlichen Teil der Motivation jener Leute, die in solche Universitäten hineingehen und sich für Aufnahmeprüfungen vorbereiten, zerstört.

Ich glaube, viele von Ihnen kennen Familien, die ihre Kinder mit extrem hohem organisatorischem Aufwand in Musikschulen bringen, von dort abholen, mit extrem hohem finanziellem Aufwand eine Begabung, die es zu entwickeln gilt, bis an eine Kunsthochschule heranführen. Und dann stoßen sie auf ein Gebilde, das Ihrer Meinung nach Leistungsvereinbarungen machen soll, das sich an wirtschaftlichen Kennzahlen orientieren, das Drittmittel auftreiben soll für die angewandte Kunst oder für Dirigentenausbildungen. (Abg. Böhacker: Das ist hervorragend! – Abg. Hornek: Was stört Sie daran?) Das ist eine dermaßen skurrile Vorstellung davon, was eine Universität sein soll und sein kann, dass mir teilweise die Haare zu Berge stehen (Abg. Ing. Westenthaler: Das geht bei Ihnen gar nicht!), wenn ich mir vorstelle, wie das bei den Kunstuniversitäten, am Mozarteum und so weiter in den nächsten Jahren auch nur ansatzweise funktionieren soll. (Beifall bei den Grünen.)

Erklären Sie mir das einmal, Herr Westenthaler: Wie stellen Sie sich denn das vor? – Wenn Sie als junge Geigerin zum Beispiel Einzelunterricht haben bei Ernst Kovacic (Abg. Ing. Westenthaler: Was?)  – als junge Geigerin; Geige, ein Instrument, ja? (Abg. Ing. Westenthaler: Es gibt auch Flöten!)  –, und dann sollen Sie zum Beispiel Ihren Lehrer, der ein anerkannter Künstler ist, evaluieren? Was glauben Sie, was das in diesem Bereich bedeutet, wenn Sie im Mittelbau die Leute, die nicht habilitiert sind, aber den Kernbereich der Lehre in Meisterklassen und so weiter darstellen, degradieren? Das ist eine ungeheure Demotivation für so viele Ausbildende in diesem Bereich! Arnulf Rainer zum Beispiel wird nach Ihrem Modell degradiert. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, das stimmt nicht!) Ich verstehe das alles nicht, das passt überhaupt nicht zusammen mit dem Ansehen, das Österreich im Bereich Kunstuniversitäten, ästhetische Ausbildung weltweit genießt und für die Zukunft auch beibehalten sollte.

Noch ein Beispiel, Herr Westenthaler – Sie können sich das, glaube ich, nicht so gut vorstellen (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten besser lesen!)  –, die Studienzeitverkürzung bei Konzertfachstudien. Glauben Sie, dass man das auf einmal beliebig beschleunigen kann? Feinmotorik etwa muss man sich in sehr langen Übungszeiten aneignen. Da üben die Leute bis zu acht Stunden am Tag. Das kann man nicht beliebig verkürzen und beschleunigen und marktkonform machen. Man kann nicht etwas, was man in 16 Semestern lernt – zum Beispiel Technik und Interpretationsgabe beim Konzertfachstudium Orgel –, auf einmal in zwölf Semestern lernen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Aber bei Geige schon!) Das ist Ihnen völlig fremd, weil Sie sich mit diesen Dingen, mit diesen ästhetischen, bildungspolitischen Fragen einer Kunstuniversität überhaupt nicht beschäftigen.

Ich gehe jetzt auf die anderen Fragen, die vorher schon angesprochen worden sind, etwa auf die grundsätzliche Problematik der Zurückdrängung der Mitbestimmung, nicht mehr ein, aber ich denke, an diesem Beispiel Kunstuniversitäten in Österreich, die Weltruf genießen, kann man sehr gut nachvollziehen, dass diese Reform verfehlt ist, dass die grundsätzliche Orientierung an


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diesem Mainstream Marktorientierung so wenig nur zutreffen kann. Das ist sehr schade, weil wir damit auch etwas zerstören, etwas an Klasse und an Qualität zerstören, das über Jahre gewachsen ist und wo es nie dieses Kuriendenken und so weiter gegeben hat. Das ist noch ein Bereich, der sehr frei organisiert war und wo Qualitäten produziert worden sind. Das kann man nicht vergleichen mit einer Technischen Universität, mit einer Wirtschaftsuniversität.

Das werfe ich Ihnen vor, das ist unverständlich, und ich glaube, viele Familien – und es gibt viele begabte Kinder in Österreich –, viele begabte Menschen, die vor dem Eintritt in ein Kunststudium stehen, werden es Ihnen auch einmal vorwerfen, dass Sie bei diesem Gesetz so wenig Rücksicht auf diesen Bereich von Bildungspolitik genommen haben. (Beifall bei den Grünen.)

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich eine Delegation des außenpolitischen Ausschusses der italienischen Abgeordnetenkammer unter der Leitung des Vorsitzenden Gustavo Selva begrüßen. (Allgemeiner Beifall. Abg. Dr. Khol: Niente Italiano, Herr Präsident?)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

12.51

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysi


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(Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Flieg, Vogel, flieg! – So lautete der Zuruf eines Politikers an die Universitäten, die ihre Autonomie jetzt in die Hand nehmen und nützen sollen. Diese Bundesregierung, meine Damen und Herren, verleiht Flügel! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zwei Reformschritte im Bereich des Medizinstudiums und der Medizin liegen mir als Medizinerin ganz besonders am Herzen: zum einen die Reform des Medizinstudiums selbst, das wesentlich praktikabler und praxisorientierter werden soll, und zum anderen die Ausgliederung der medizinischen Fakultäten.

Diese Ausgliederung beziehungsweise die Entstehung von medizinischen Universitäten aus diesen medizinischen Fakultäten ist die logische Konsequenz der letzten UOG-Novelle, in der die medizinischen Fakultäten ja schon eine Sonderstellung im gesamtuniversitären Bereich hatten.

Meine Damen und Herren! Stunden, Tage und Wochen sind meine Kollegen – allen voran Dr. Graf und Dr. Grollitsch – und ich mit den Rektoren, den Dekanen, den Professoren und den Vertretern aller Universitätsgremien zusammengesessen und haben diskutiert. Es haben sogar die Dekane der drei medizinischen – jetzt – Universitäten, vorher Fakultäten, ganz klar gesagt, sie befürworten ganz eindeutig die Entstehung einer eigenen medizinischen Universität, wenn eine Gesamtlösung innerhalb einer Universität für sie nicht möglich ist.

Was sind denn die Vorteile davon? – Eine operative Unabhängigkeit, eine grundsätzlich bessere Lenkbarkeit, eine einfachere und transparentere Verwaltung des Budgets und – ein sehr wichtiger Ansatz – die Tatsache, dass sich die medizinischen Universitäten den Krankenanstalten nun als wirklich starke Partner präsentieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie waren bisher immer eher der schwächere Partner in den Verhandlungen mit den Krankenanstaltenträgern, etwa wenn es um die Finanzierung oder das Dienstrecht der im Gesundheitsbereich Arbeitenden gegangen ist. Nun sind sie als starke Partner konstituiert, haben eine eigene Rechtspersönlichkeit, haben die Möglichkeit und sind in der Lage, Zusammenarbeitsverträge mit den Krankenanstalten selbst zu formulieren und diese ebenso wie Verträge über eigene Betriebsführungsgesellschaften zwischen den Universitäten und den Kliniken abzuschließen.

Meine Damen und Herren! Natürlich besteht Angst, und zwar Angst vor der eigenen Courage! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!) Natürlich ist es nicht leicht, eigene Strukturen aufzubauen. Natürlich gibt es sehr viele Diskussionen innerhalb der einzelnen medizinischen Universitäten darüber. Es ist jedoch die einzige Chance, im internationalen Wettbewerb zu bestehen, und damit die einzige Chance, wieder in der Weltklasse mitzuspielen.

Die eigene medizinische Universität ist eine Voraussetzung für die Sicherstellung der Qualität, der Leistungsfähigkeit und der Anpassungsfähigkeit an die Herausforderungen der modernen medizinischen Wissenschaften. Die medizinischen Universitäten sollen sich endlich wieder als eigene handelnde Institutionen etablieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wurde letztens in der "Presse" die Frage gestellt, warum denn Österreichs Universitäten keinen Nobelpreisträger hervorbringen. Dieses neue Gesetz, diese Reform soll – das ist vor allem im Bereich der Medizin Ziel – dafür sorgen, dass es wieder österreichische Nobelpreisträger auf dem Gebiet der Medizin gibt. (Abg. Dr. Jarolim: Im Villacher Fasching können Sie das sagen!)

Wir haben uns aber auf viel profanere Weise noch für einen anderen ganz wichtigen Bereich im Universitätsbereich eingesetzt. Viel profaner war vor allem Dr. Grollitsch – "profaner" ist in dem Fall natürlich nur auf den Nobelpreis bezogen, nicht auf die tatsächliche Wirksamkeit –, der dafür Sorge getragen hat, dass es auch einen wichtigen Gesundheitsvorsorgeschritt an den Universitäten gibt. (Abg. Dr. Jarolim: Reichen Sie doch den Professor Grollitsch ein zum Nobelpreis!)

Es ist nämlich dank der Diskussionen und der Verhandlungen meiner Fraktion nun auch gelungen, dass die Universitätsreform eine Sonderbestimmung für den Universitätssport enthält, die beinhaltet, dass mehr als 50 000 Universitätsstudenten – mit den Angehörigen sogar 60 000 – eine gesunde und medizinisch sinnvolle Freizeitgestaltung durchführen können. (Abg. Mag. Posch: Grollitsch leckt sich schon die Lippen!)

Vision, meine Damen und Herren, ist aber die Schaffung einer medizinischen Gesamtuniversität, einer Gesundheitsuniversität, an die die Institute für Pharmazie, Ernährungswissenschaften, Mikrobiologie, Medizinrecht und -ethik angegliedert sind.

Sie fragen sich wahrscheinlich, ob denn diese ganze Reform jetzt wirklich sein muss und ob sie auch so schnell sein muss. Es gab ja immer wieder Kritik dahin gehend, dass wir zu schnell vorgehen. Man fragt, ob das jetzt sein müsse, ob nicht auch ein bisschen davon genug sei und ob man dieses bisschen nicht vielleicht auch ein wenig später realisieren könne. – Nein!

Österreich stand im internationalen Hochschulvergleich bereits zehn Meter hinter der Startlinie. – Jetzt ist es wieder fit für den Neustart! Ich danke und gratuliere der Frau Bundesministerin und der Bundesregierung ganz herzlich zu diesem wirklich wichtigen, einzigartigen und klaren Reformschritt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. Abg. Dr. Povysil begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesministerin Gehrer sowie Bundesminister Mag. Haupt die Hand. Abg. Dr. Jarolim: Das war der Startschuss für den Lauf zurück!)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

12.57

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorrednerin, Frau Abgeordnete Primaria Dr. Povysil, hat jetzt "politisches Valium" verteilt, denn in den Diskussionen im Unterausschuss hat die Frau Ministerin ganz klar darüber gesprochen, wie die demokratische Entscheidung bei diesem Gesetz stattgefunden hat: Sie hat gemeint, es haben sich sehr viele an den Diskussionen beteiligt, aber mitzubestimmen bräuchten sie nicht, denn die Regierung entscheide ohnehin alles mit diesem Reformschritt. Ich denke, diese Reform ist eine Reform, die in die Vergangenheit weist, und ich will Ihnen dies anhand eines Beispieles demonstrieren. (Abg. Hornek: Sie denken falsch!)


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Üblicherweise diskutieren wir mit Frau Minister Gehrer immer über den Bereich der schulischen Integration. Sie hat auch hier in diesem Hause gemeint, was wir von der Opposition uns denn vorstellen, dass wir behinderte Menschen durch das Schulsystem "durchschleifen" wollen. Genauso ist es auch bei den Universitäten: Die Integration von behinderten Menschen – schon eine Staatszielbestimmung – wird übersehen und an den Rand gedrängt. Ich meine, das ist Ausdruck von arroganter Handhabung politischer Macht. (Beifall bei der SPÖ.)

Durch diese Arroganz verzichtet man auf Talente und Fähigkeiten, obwohl man meiner Meinung nach in einem kleinen Land wie Österreich damit nicht verschwenderisch umgehen kann. Neben vielen Verschlechterungen für Universitätsangehörige, Studentinnen und Studenten gibt es auch Benachteiligungen für behinderte Studierende. – Auch da wieder der Verzicht auf Talente und Fähigkeiten mit einer Arroganz, die sich auch hier in diesem Gesetz niederschlägt. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Dr. Brinek: Woraus schließen Sie das?)

Im Begutachtungsentwurf wurde der Begriff "Behinderte" nicht einmal erwähnt, obwohl, wie gesagt, seit einigen Jahren im Artikel 7 B-VG verankert ist, dass behinderte Menschen keine Benachteiligung erfahren dürfen. Durch die Intervention von sehr vielen engagierten Interessengruppen ist es nun gelungen, dass in den § 2 die Formel eingefügt wird, dass es eine besondere Berücksichtigung der Erfordernisse von behinderten Menschen gibt, und dass auch besondere Prüfungsbestimmungen für behinderte Menschen je nach dem Grad beziehungsweise der Art ihrer Behinderung eingeführt wurden.

Diesen Interessengruppen wollen wir recht herzlich für ihr Engagement und für ihren Einsatz danken, denn sie haben sich in kleinen Bereichen gegen die Arroganz der Macht eingesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen nun jedoch durch ein Zitat zeigen, wie von Seiten der Regierungsparteien mit Fragen der Integration in unserer Gesellschaft umgegangen wird. Auf sehr viele Briefe hat Herr Abgeordneter Dr. Graf folgendermaßen geantwortet:

Wenn wir für eine Gruppe, wenn auch begründet, eine Regelung verankern würden, dann kommen die anderen Gruppen und wollen ebenfalls eine Regelung. Dies würde das Gesetz überfrachten und die Reform ad absurdum führen. – Zitatende.

Das zeigt die wahre Geisteshaltung der Freiheitlichen und der gesamten Regierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dass behinderte Menschen durch diese Regelung ebenfalls in diesem Verfassungsgesetz verankert sind, ist an Herrn Abgeordnetem Graf offensichtlich vorbeigegangen. (Abg. Dr. Martin Graf: Ich habe alle Briefe beantwortet!)

Es ist auch jetzt sehr wichtig, zu beachten, dass die Universitäten autonom entscheiden können, ob sie Behindertenbeauftragtenstellen einrichten und nachbesetzen. Dies hängt aber wieder vom Budget ab. In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage hat Frau Ministerin Gehrer auch offen gelegt, dass sehr viele Planstellen an den Universitäten für Behindertenbeauftragte gar nicht besetzt, also vakant sind und dass es halbe Planposten gibt. Es besteht also auch da sehr großer Aufholbedarf. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Es wird aber schließlich der Finanzminister entscheiden, ob behinderte Menschen Ansprechpartner an den Universitäten haben werden. – Auch da zeigt sich wieder die Arroganz der Macht, da in diesen Themen überhaupt keine positiven Ergebnisse erzielt wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiteres Beispiel: An der Universität Innsbruck haben Integration und Selbstbestimmung einen Rückschlag erfahren: Dort wird schon seit sehr langer Zeit die Besetzung einer Professur für Behindertenpädagogik hin- und her geschoben, obwohl an der Universität Innsbruck, und zwar am Institut für Erziehungswissenschaften, sehr gute Arbeit geleistet wird, solche Arbeit nämlich, die weit in die Gesellschaft hineinreicht. Es wird mit Eltern behinderter Kinder, mit behinderten Menschen, mit LehrerInnen, mit Vereinen und mit Organisationen zusammengearbei


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tet, und das Universitätsinstitut ist eine sehr wichtige Drehscheibe. (Abg. Dr. Brinek: Warum bestellen die Universitäten dann nicht?)

Diese Bestellung wird nicht vorgenommen, es wird lapidar gemeint, man müsse erst die Evaluierung abwarten. (Abg. Dr. Brinek: Sie wollen, dass es so bleibt, wie es ist!) Ich denke, das ist ein weiteres Zeichen dafür, wie Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die Arroganz der Macht ausnutzen und behinderte Menschen dabei auf der Strecke bleiben. – Dem können wir sicher nicht zustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

13.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

13.03

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Grüß Gott auf der Galerie! Wir haben ausgezeichnete Universitäten, und viele Fakultäten und Institute sind auch tatsächlich im internationalen Vergleich exzellent. Jetzt könnte man sich natürlich – ich habe den Eindruck, dass die Oppositionsparteien der Meinung sind, das wäre richtig – zurücklehnen, die Arme verschränken und sagen: Mein Gott, sind wir gut! Man könnte einfach die Chance, noch besser zu werden, nicht nützen.

Wir müssen jedoch jede Chance nützen, im Bereich der Universitäten besser zu werden, und zwar deswegen, weil Wissen, Forschung, Innovation und das Entwickeln neuer Technologien quer durch alle Wissensbereiche die Lebensgrundlage und den Lebensnerv Österreichs für die Zukunft darstellen.

Wir werden in Zukunft die Universitäten noch viel dringender brauchen als bisher, und wir brauchen noch viel dringender exzellente Unis und exzellente Forschungsergebnisse. Sehr oft waren es nicht die Mitarbeiter – die Forscher, die Lehrer, der Mittelbau – an den Universitäten, die verursacht haben, dass wir in einigen Bereichen nicht ganz so gut sind, wie wir es sein könnten, sondern schuld war oft eine viel zu starre Organisation und ein viel zu enges Korsett, in dem viel an Kreativität und an Initiative gerade von den jungen Forschern stecken geblieben ist. Dieses Korsett, diesen Panzer werden wir heute sprengen. (Abg. Haidlmayr: Das glaubt ja nicht einmal die eigene Partei!)

Wir sprengen ihn und wir wissen, dass trotzdem auch für den Mittelbau, für die außerordentlichen Professoren, dadurch neue Chance entstehen. Mir ist völlig unbegreiflich, dass gerade an den Universitäten, wo unsere geistigen Eliten ausgebildet werden und beheimatet sind, mit so viel Ängstlichkeit an diese Reform herangegangen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Mit dem "sprengen" müssen Sie vorsichtig sein, sonst könnten die Leute glauben ... Terroristen!)

Viele ausgezeichnete österreichische Forscher sind in andere europäische Länder oder nach Amerika gegangen, und zwar mit dem Argument, um in Österreich ein zusätzliches Reagenzglas zu bekommen, muss man diesen zusätzlichen Mittelbedarf durch etliche Gremien boxen, wobei sich nur die Hälfte derer, die in diesen Gremien sitzen, in dem jeweiligen Fach auskennt und die Bedeutung der Forschung überhaupt überblickt. Viele sind weggegangen, und ich bin sicher, viele von ihnen kehren jetzt bald wieder nach Österreich zurück. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die guten Mitarbeiter, die guten außerordentlichen Professoren haben jetzt endlich die Chance, durch vorgezogene Professuren und durch frei werdende Planstellen zu ordentlichen Professoren zu werden. – Das haben sie auch verdient. Sie werden sich bewerben und dann der Professorenkurie angehören. Alle anderen außerordentlichen Professoren werden wie bisher Institutsvorstand werden können, und sie werden zusätzlich eigene Forschungsmittel einbringen können. Sie werden wie bisher Forschung und Lehre betreiben und ihr wissenschaftliches Fach eigenständig vertreten.


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Ganz besonders wichtig war die Reform aber, wenn man betrachtet, wie denn diese Mitbestimmung bei uns ausgesehen hat. Es hat sich eine "Kommissionitis" entwickelt. (Abg. Mag. Posch: Ist das eine Krankheit? Ist das das Gleiche wie Meningitis?) Da waren die einen, die gesagt haben, sie können sich bei der vielen Arbeit für Forschung und Lehre nicht auch noch in Kommissionen engagieren, und es gab andere, die in umso mehr Kommissionen saßen. (Abg. Dr. Niederwieser: Das waren Einzelfälle! Vielleicht!)  – Das ist auch eine sehr wichtige Tätigkeit. Es hat aber gleichzeitig dazu geführt, dass wirkliches Engagement zum Teil gestorben ist und zum Teil gar keine Chance bekommen hat.

Jetzt können sich alle wieder engagieren. Auch dann, wenn man in keiner Kommission sitzt, wird man gehört werden, denn jeder weiß, eine Universität ist – wie auch andere Unternehmen – nur so stark wie die Summe aller einzelnen Mitarbeiter. Die Universitäten werden sich zurechtlegen, wie dieses Engagement organisiert wird. Ich bin sicher, dass es unzählige bessere Möglichkeiten gibt als diese "Kommissionitis" der Vergangenheit. (Abg. Dr. Niederwieser: Jetzt wird es wieder Zeit zum Radeln!)

Wie hat denn diese herbeigeschworene Mitbestimmung beispielsweise bei den Studenten ausgesehen? Es ist wichtig, dass Studenten ein Mitspracherecht haben, wenn es um ihre Studienangelegenheiten geht, und im Gesetz wurde geregelt, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird. Aber warum muss ein Student die wissenschaftliche Qualifikation eines Professors beurteilen? – Der Lehrling beurteilt doch auch nicht, ob der Meister eine Meisterprüfung ablegen darf oder nicht (Abg. Dr. Grünewald: Das ist falsch!), und das akzeptierten die Studenten auch in vielen Diskussionen mit einer breiten Mehrheit. Wichtig ist aber, dass die Studenten viel mehr als in der Vergangenheit dort mitreden dürfen, wo es sie betrifft. (Abg. Dr. Niederwieser: Wenn nur die abstimmen würden, die sich auskennen, dann stimmen nicht viele mit!)

Sie werden erstens die Professoren in der Lehre beurteilen dürfen und beurteilen müssen, und endlich und erstmals wird diese Beurteilung auch Konsequenzen haben. (Abg. Dr. Niederwieser: Dann dürfen auch nur die mitstimmen, die an der Uni waren!) Sie müssen außerdem über die Inhalte der Lehrpläne mitreden dürfen. – Das haben wir gewährleistet. Das ist eine Selbstverständlichkeit, und ich freue mich, dass hier das Engagement auch weiterhin bestehen bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Über die Universitätsreform hinaus beschließen wir heute auch noch in einer Änderung des Universitäts-Studiengesetzes zwei neue Studiengänge. Zum einen wird an der Montanuniversität in Leoben Industrielogistik eingeführt und zum Zweiten – und das freut mich als Absolventin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck ganz besonders – ein eigenes Studium für Wirtschaftsrecht an der Universität Innsbruck.

Die Bedarfs- und Akzeptanzerhebung hat gezeigt, wie wichtig solch eine zukunftsorientierte Studienrichtung ist. Durch deren Einführung ist jetzt auch gewährleistet, dass sie wahlweise als Bakkalaureat-Studium oder als Magister-Studium betrieben werden kann.

Das Wirtschaftsrecht ist auch Teil dieser Reform. Man sieht, dass den Studierenden nicht alles aufoktroyiert wird, sondern dass deren Bedürfnisse in Zukunft auf Wunsch der Universitäten wahrgenommen werden. So wie der Bedarf nach dem Fach Wirtschaftsrecht, dem jetzt endlich begegnet wird, in Innsbruck seit langem groß ist, wird es die Universitätsreform auf der anderen Seite ermöglichen, gerade in der Lehre viel mehr zu berücksichtigen, was die Studenten brauchen, um später einen guten Job zu bekommen. Das ist zusätzlich zu der Betonung auf Wissenschaft und Forschung notwendig, denn man bildet nicht nur Wissenschafter aus, sondern auch Menschen, die später Arbeit finden müssen. (Abg. Dr. Grünewald: Das weiß ich!)

Viel zu oft ist es in der Vergangenheit passiert, dass die Studiengänge und der Studienplan danach ausgerichtet wurden, welche Dozenten gerade da waren, und viel zu wenig danach, was die Studenten lernen wollen, was wichtig ist und wo die Forschung der Zukunft tatsächlich stattfindet. (Abg. Dr. Grünewald: Wo? – Abg. Öllinger: Wo denn?)  – Das werden wir ermöglichen.


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Da mich Herr Kollege Grünewald darauf anspricht, möchte ich betonen: Besonders wichtig ist es selbstverständlich, in Zukunft Grundlagenforschung in allen Bereichen zu betreiben. (Abg. Öllinger: Da schaut es aber düster aus!) Bevor diese Regierung im Amt war, hatten die Fonds für Grundlagenforschung noch nie so viele Mittel, wie sie sie heute haben. Dazu bekennen wir uns.

Wir müssen dieses Geld aber auch noch besser einsetzen als in der Vergangenheit. Wir müssen zusätzlich zu den Schillingbeträgen, die wir in Forschung, Technologie und in die Universitäten stecken (Abg. Öllinger: Euro!), nach Möglichkeit – und es ist nicht überall möglich – auch noch zusätzliche privatwirtschaftliche Mittel lukrieren, um die Forschungsquoten zu erreichen, die in den skandinavischen Ländern üblich sind und denen wir nur deswegen nachhinken, weil der private Forschungsanteil bei uns viel zu gering ist. (Abg. Dr. Grünewald  – in Richtung ÖVP –: Da sitzen die Privaten!)

Das wiederum ist wichtig, weil man an den "Benchmarking in Europe"-Berichten deutlich ablesen kann, dass in den kleinen und mittleren Unternehmen, in denen Innovation passiert, die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen werden und sonst nirgendwo. (Abg. Dr. Grünewald: Die vom Staat gefördert werden!)  – Die Forschung wird dort vom Staat gefördert, es werden nicht direkt die Unternehmen vom Staat finanziert, Herr Kollege! Das ist ein Weg, den wir in Österreich gehen.

Dort tut man sich natürlich schon wesentlich leichter, weil es dort bereits die Budgetüberschüsse gibt, die wir uns in dieser Legislaturperiode noch nicht erarbeiten konnten. (Abg. Dr. Niederwieser: ... steht vor der Pleite! Das ist der Weg, den ihr geht!) Wir werden den Weg jedoch so weitergehen, dass wir in Zukunft für diesen Bereich auch Budgetüberschüsse zur Verfügung haben werden, um hier noch zusätzlich einen Motor anzuwerfen.

Insgesamt bin ich besonders der Frau Bundesminister sehr dankbar dafür, dass sie das, was Sie von den Oppositionsparteien sich offensichtlich wünschen, diese Einstellung: Wir sind sowieso so gut, lassen wir es gut sein! (Abg. Mag. Posch: Ja, lassen wir es gut sein!), nicht aufgegriffen hat, sondern dass sie offensiv die Herausforderungen angenommen hat und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, den Forschern, den Lehrenden und den Studierenden an den Universitäten dadurch die Möglichkeit gegeben hat, die neuen Chancen aktiv zu nutzen. Frau Bundesminister, herzlichen Dank! Ich beglückwünsche alle, die dazu beigetragen haben, im Namen der Jugend Österreichs. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

13.14

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz daran erinnern, dass bei diesem Gesetz Menschen mit Behinderung nicht berücksichtigt wurden. Sie, Herr Dr. Graf, haben dazu einen wesentlichen Teil beigetragen. Natürlich sind Sie das nicht alleine gewesen, denn die Haltung von Frau Ministerin Gehrer, wenn es um die Integration von Menschen mit Behinderung geht, kennen wir natürlich auch. (Abg. Mag. Kukacka: Positive Haltung!)

Frau Ministerin! Ich möchte Sie wieder einmal daran erinnern, dass am 9. Juli 1997 hier in diesem Hohen Haus beschlossen wurde, dass niemand auf Grund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Bund, Länder und Gemeinden haben dafür zu sorgen, die Gleichstellung behinderter Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens sicherzustellen. Diese Verfassungsbestimmung wurde hier in diesem Hohen Haus einstimmig beschlossen. Sie, Frau Ministerin, haben sich an diese Verfassungsbestimmung zu halten (Abg. Mag. Kukacka: Das tut sie auch!), und Sie sind es auch, die Sie diese Verfassungsbestimmung gebrochen haben! (Beifall bei den Grünen. Abg. Mag. Kukacka: Die Frau Bundesministerin hält sich an alle Verfassungsregeln! Abg. Dr. Brinek: Was haben Sie für ein Problem?)

Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Brinek: Das ist ja unerhört! Abg. Mag. Kukacka: Was soll diese Unterstellung?)  – Wie sonst könnte es sein, dass im 4. Abschnitt die Gleichstellung


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von behinderten Menschen nicht berücksichtigt wurde? (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt ja nicht! Lesen Sie § 2!) – Frau Brinek! Wenn Sie sagen, das stimme ja nicht, dann frage ich Sie: Wo in diesem Gesetz steht denn etwas über den gleichberechtigten Zugang für behinderten Menschen? Wo ist denn sichergestellt, dass der barrierefreie Zugang zu allen Universitäten, Hörsälen, Seminarräumen, Labors und Praktikumsplätzen gegeben ist? (Abg. Dr. Brinek: Das steht in der Bundesbauverordnung! Barrierefreies Wohnen! Barrierefreies Bauen!) Wurden die Prüfungsbedingungen an gehörlose und an blinde Menschen angepasst? (Abg. Dr. Brinek: Das ist angepasst! Das ist geprüft! Ich habe das überprüft!)  – Ist sichergestellt, dass Vorlesungen auf Tonband aufgenommen werden, damit sie auch von Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung nicht so schnell im Schreiben sind, wirklich bearbeitet werden können? Wo steht denn das? (Ruf bei der ÖVP: Die werden im Internet veröffentlicht!) – Nirgends, und die Diskriminierung an den Universitäten haben Sie mit diesem Gesetz weiterhin verankert! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Dafür gebührt Ihnen kein Lob, sondern es muss aufgezeigt werden, wie Sie mit den Interessen behinderter Menschen und mit der Verfassung umgehen. Ich bringe deshalb einen Abänderungsantrag bezüglich Gleichstellung behinderter Menschen an den Universitäten ein. Dieser Abänderungsantrag wurde verteilt, ich brauche ihn daher nicht zu verlesen.

Frau Ministerin! Ich möchte aber auch noch auf die Situation eingehen, die derzeit in Innsbruck im Bereich der Integrationspädagogik herrscht. Integration heißt Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft. Was Sie wollen, das ist keine Integrations pädagogik, sondern eine Sonder- und Heil pädagogik. (Abg. Mag. Schweitzer begibt sich zur Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Gehrer und Bundesminister Mag. Haupt.)  – Herr Schweitzer! Bitte unterbrechen Sie mich nicht, ich habe etwas Wichtiges zu sagen, und das gilt auch für Sie. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Na, na! Ich habe Sie ja nicht unterbrochen! Sie können ruhig weiterreden!)

Frau Ministerin! Wir brauchen Integrationspädagogik, und wir haben das Recht, als behinderte Menschen in alle Bereiche des täglichen Lebens integriert zu werden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. ) Sie wollen Sonder- und Heilpädagogik. Nehmen Sie zur Kenntnis: Ich bin behindert, das ist mein Sein, und das gilt auch für alle anderen behinderten Menschen. Sie können mich nicht heilen und ich will nicht geheilt werden, sondern das ist meine Lebensform, und die ist gut so. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Was haben Sie dann für ein Problem?)

Sonder pädagogik bedeutet nichts anderes als Aussonderung, Sondermaßnahmen. (Abg. Dr. Brinek: Lesen Sie die Literatur! Da heißt es Sonder - und Heilpädagogik!)  – Wir wollen nicht ausgesondert, sondern Teil dieser Gesellschaft sein. Das heißt, wir brauchen eine Integrations pädagogik und keine Sonder pädagogik. (Abg. Dr. Brinek: So ein Sammelantrag hilft Ihnen da auch nicht!) Frau Ministerin! Nehmen Sie zur Kenntnis, dass behinderte Menschen auch weiterhin für ihre Rechte kämpfen werden, da können Sie ihnen noch so viele Prügel vor die Räder oder vor die Füße schmeißen! Wir werden nicht aufgeben, und Sie haben zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie die Verfassung gebrochen haben! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Das ist ein Humbug! Das ist doch unerhört! – Abg. Dr. Martin Graf: Sie stellen sich immer außerhalb der Gesellschaft! Das ist Ihr Problem! – Ruf bei den Freiheitlichen: Genau! – Abg. Mag. Kukacka: Ein Wahnsinn!)

Herr Abgeordneter Graf! Ihren Zwischenruf möchte ich jetzt nur dahin gehend kommentieren, dass ich mich nicht außerhalb der Gesellschaft stelle, sondern Sie haben behinderte Menschen außerhalb der Gesellschaft gestellt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Sie persönlich doch! – Abg. Mag. Kukacka: Das stimmt ja gar nicht!) Sie waren es, stehen Sie dazu! Ich stehe nicht, sondern ich sitze seit 37 Jahren, und das haben Sie auch zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei den Grünen. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf.  – Abg. Dr. Petrovic: Das ist so wie der Eingang in dieses Haus! Sehr behindertengerecht!)

13.21


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111. Sitzung / Seite 91

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Der von Frau Abgeordneter Haidlmayr in den Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in einem ausreichenden Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur Verhandlung. Er wird verteilt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Grünewald, Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage: Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste (1134 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"1. Zwischen § 44 und § 45 wird folgender § 44a eingefügt:

‚4. Abschnitt

Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

§ 44a (1) Alle Organe der Universität haben darauf hinzuwirken, dass für Menschen mit Behinderungen der gleichberechtigte Zugang zu allen Arbeitsbereichen, Einrichtungen und Angeboten der Universität gewährleistet ist.

(2) In der Satzung jeder Universität ist festzuschreiben, dass eine eigens budgetierte Stelle einzurichten ist, die bestehende Diskriminierungen aufzeigt und die Aktivitäten zu deren Beseitigung koordiniert und überwacht. Diese Stelle ist mit einer/einem Behindertenbeauftragten zu besetzen und in alle diesbezüglichen Entscheidungsprozesse einzubinden.

(3) Universitäten und deren Institute, Hörsäle, Seminarräume, Labor- und Praktikumsplätze, Bibliotheken und für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Räume (Mensen, etc.) müssen barrierefrei zugänglich und benutzbar sein.

(4) Für Studierende Behinderungen müssen angepasste Prüfungsbedingungen ermöglicht werden. Dies umfasst auch die Bereitstellung zusätzlicher Studienmaterialien oder z.B. eines Gebärdendolmetschers.

(5) Sehbehinderten und blinden Studierenden muss bei Bedarf geeignetes Studienmaterialien (Seminar- und Prüfungsunterlagen, Grundlagen- und Studientexte, Darstellungen, Tabellen u.a.) zur Verfügung gestellt werden.

(6) Studierenden, die aufgrund ihrer Behinderung nicht mitschreiben können, muss es gestattet sein, z.B. Vorlesungen auf Tonband aufzunehmen.’

2. § 45 wird wie folgt geändert:

‚5. Abschnitt’

3. § 63 (1) Z 5 wird gestrichen."

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hetzl. – Bitte.

13.21

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Vorrednerin, Kollegin Haidlmayr, hat in ihrer Rede


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nicht zum ersten Mal Behauptungen aufgestellt, die nicht der Realität entsprechen und auf das Entschiedenste zurückzuweisen sind. Ich werde den Gegenbeweis antreten, was im Gesetz tatsächlich über Behinderte steht.

Im 1. Teil – Organisationsrecht – im § 2 – Leitende Grundsätze für die Universitäten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben – wird es sehr klar definiert. Hier findet sich nicht nur unter Punkt 9 die Gleichstellung von Frauen und Männern, die selbstverständlich in diesem Gesetz verankert sein muss, sondern auch unter Punkt 11 die besondere Berücksichtigung der Erfordernisse von behinderten Menschen. Dieser Passus muss in den Satzungen der Universitäten nach den individuellen Bedürfnissen der Unis ausgestaltet werden.

Frau Kollegin Haidlmayr! Sie hätten das Gesetz lesen müssen, dann hätten Sie nicht solche Behauptungen aufstellen können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Universitätsgesetz 2002: Wir sind mit den Massenuniversitäten, mit dem Zustand der Massenuniversität in eine Sackgasse geraten, aus der wir wieder herauskommen müssen. Diese Sackgasse ist ohne Autonomie entstanden, und ich bin davon überzeugt, dass man Visionen haben muss, so wie sie seinerzeit auch Humboldt hatte. Allein bei Humboldt war eine Massenuniversität nie eingeplant, und von dieser wollen wir auch wegkommen. Wir wollen im Zusammenhang mit dieser Universitätsreform wieder Leistungen, wir wollen wieder Effizienz und wir wollen wieder – und bekennen uns auch dazu – Eliten. Wir bekennen uns zu einem Zugang für alle zu den Universitäten. (Abg. Dr. Petrovic: Das haben wir schon einmal gehabt!)

Viele Beispiele zeigen ja auch, dass Autonomie an den Universitäten von den Entscheidungsträgern selbst längst gelebt und vorgegeben wird. Ich nenne dazu nur zwei Beispiele:

Das eine ist die Medizinische Fakultät an der Uni Graz. Dort wird in Zukunft praxisnäher, fächerübergreifend in Modulen unterrichtet werden. Der Student/die Studentin wird bereits im ersten Semester ein Pflegepraktikum absolvieren, und damit bereits Kontakt zu Patienten haben. Vorbilder für diese Studienpläne sind Universitäten in Holland oder Kanada. Der Abschluss erfolgt nach zwölf Semestern mit einer Diplomarbeit. Ein Doktoratsstudium kann selbstverständlich angeschlossen werden. Das ist eines der Beispiele dafür, dass die Universitäten längst erkannt haben, in welche Richtung der Weg geht und diesen bereits vorgeben, ohne dass noch die gesetzliche Grundlage dafür bestünde.

Ein zweites Beispiel ist die WU Wien, die im Studienjahr 2002/03 mit vier neuen Studiengängen, Studienrichtungen startet. Sie hat modernisiert, sie hat entrümpelt, sie hat sich mit einer zweisemestrigen Einführungsphase, um einerseits die Drop-out-Rate zu senken und andererseits die Studiendauer zu verkürzen, an europäische Standards angepasst.

Meine Damen und Herren! Es wird auch in Zukunft für die Studentenvertreter möglich sein, die Richtung der Universitäten mitzubestimmen und in den Gremien mitzureden, auch wenn die ÖH-Vertretung momentan eine starke linke Schlagseite aufweist.

In diesem Zusammenhang muss man schon auch sagen: Der Ton macht die Musik, und es herrscht in der Auseinandersetzung, die die ÖH mit den politischen Vertretern und den Vertretern der Universitäten führt, manchmal ein Stil, den man doch auch kritisieren muss. Wenn man etwa in Pressemeldungen liest, dass die Zeit gekommen sei, die Glacé-Handschuhe auszuziehen, wenn ständig von Boykott-Maßnahmen gesprochen wird, wenn davon gesprochen wird, dass die Regierung nun eben spüren müsse, wenn sie nicht zu Kompromissen bereit sei, wenn man von Überlebenskampf oder von einer "Unireform des Grauens" spricht, so würde ich meinen, dass diese Diktion in einer konstruktiven Auseinandersetzung absolut nichts verloren hat.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass mit diesem UOG ganz wesentliche Dinge umgesetzt werden, dass die Unis fit für die Zukunft gemacht werden, damit sie ihrem Auftrag auch in Zukunft entsprechen können, nämlich Eliten hervorzubringen und der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, junge Menschen auf die Berufswelt und auf die wissenschaftliche Welt vorzubereiten.


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Deswegen werden wir diesem UOG 2002 auch gerne zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geschätzte Damen und Herren! Man gewöhnt sich im Laufe der Zeit innerhalb einer Debatte an einiges, aber was die Vorredner der Regierungsparteien eben zum Universitätsgesetz von sich gegeben haben, das ist schon eine starke Sache. (Ruf bei den Freiheitlichen: Stimmt genau!) Sie haben sich völlig demaskiert, dass es Ihnen gar nicht um Fortschritt geht, sondern eigentlich – und mein Vorredner hat das ja klar und deutlich gesagt – um die Elitenbildung. Da geht es wieder um die geistige Auslese. (Abg. Dr. Brinek: Wer hat das gesagt?) Es geht nicht um die Massenuniversität – die ist ja nicht gefragt –, es geht nur darum, ob der allgemeine Zugang zu den Universitäten gewährleistet ist, und das hat der Vorredner der Freiheitlichen Partei offensichtlich klar und deutlich ausgeschlossen.

Wenn ich dann noch die Halleluja-Rede der Abgeordneten Hakl gehört habe, die auch noch sagte: Ein Dankeschön für dieses Universitätsgesetz im Namen der Jugend Österreichs!, dann frage ich sie schon, wer sie denn dazu legitimiert, dieses im Namen der österreichischen Jugend zu sagen. (Abg. Dr. Brinek: Viele Briefe!) Ich vermute, Frau Abgeordnete Hakl dürfte die Sitzungen des Unterausschusses geschwänzt haben oder vielleicht geistig abwesend gewesen sein, denn es haben dort alle Experten bis auf einige wenige Ausnahmen in langen Diskussionsrunden festgestellt, dass sie von dieser Universitätsreform nichts bis wenig halten. (Abg. Dr. Brinek: Das ist pauschal! Das stimmt nicht!)

Sie haben es geschafft, sehr geschätzte Damen und Herren von den Regierungsparteien, alle, die von diesem Universitätsgesetz betroffen sind, in eine ablehnende Haltung zu versetzen. (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt überhaupt nicht!) Die Aussagen der Studenten sind klar und deutlich, die Aussagen des Mittelbaus sind klar und deutlich, und auch von den betroffenen Professoren wurde klar und deutlich ausgedrückt, was sie von diesem Universitätsgesetz halten, nämlich, wie ich eingangs sagte, wenig bis gar nichts. (Abg. Dr. Brinek: Dann waren Sie nicht im Ausschuss!)

Wenn wir uns diese Novelle insgesamt anschauen, so müssen wir feststellen: Sie zielt auf eine Ökonomisierung. Wirtschaftlichkeit soll einkehren, Wirtschaftlichkeit aber nicht bei den Ausgaben, sondern über wirtschaftliches Sponsoring. Eines wird allerdings vergessen – ich habe das weder im Ausschuss noch im Unterausschuss gehört –: Wie können wir die Verweilzeiten unserer Studierenden an den Unis verkürzen? Diese werden nämlich immer länger. (Abg. Dr. Martin Graf: Das haben wir schon gehabt!)

Jetzt wurden Studiengebühren eingeführt, Herr Abgeordneter Graf. (Abg. Dr. Martin Graf: Es geht um Leistungszeiten, um Arbeitszeiten!) Wir haben aber überhaupt keine Lösung dafür gefunden, dass die Studierenden rechtzeitig zu Prüfungsterminen kommen. Wir bräuchten nur zu fragen, und wir hätten oder haben viele Beispiele und Beweise dafür, dass junge Menschen im Juni Prüfungen ablegen wollten, aber schlicht und einfach keinen Prüfungstermin bekommen haben. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist das alte Gesetz! Das ist der Ist-Zustand! Deswegen ändern wir das jetzt!)

Stattdessen wollen Sie viel mehr Wirtschaftlichkeit. Wenn man jetzt also noch mehr Sponsoren suchen soll, ein Beispiel dazu: Der Sportartikelhersteller Nike hat viel, viel Geld in amerikanische Universitäten investiert. Als es Kritik daran gegeben hat, dass diese Sportartikelhersteller Jugendarbeit und Kinderarbeit benützen, um günstig und gewinnbringender zu produzieren, wurde das Sponsoring eingestellt. Damit wurden die Universitäten tief an ihren Wurzeln getroffen. (Abg. Dr. Brinek: Das geht bei uns gar nicht, weil die Universitäten voll finanziert sind!)

Ich bin fest davon überzeugt: Wirtschaftlichkeit ist wichtig, Wirtschaftlichkeit ist notwendig, aber Bildung, Forschung und Technologie sind ureigenste Anliegen des staatlichen Gemeinwesens.


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Daher können wir diese Bereiche nicht einfach ausgliedern, weil wir dann nämlich nicht mehr sicher sein könnten, dass Bildung, Forschung und Wissenschaft auch gesichert sind.

Ich schließe mich durchaus der Meinung Professor Wincklers an, wenn er meint, die Universitäten bräuchten mehr Flexibilität. Das ist durchaus im Sinn der Sache, und das ist auch angebracht, aber das darf nicht zur derzeitigen Regierungsphilosophie werden, die wir aus anderen Bereichen kennen: zerschlagen, ausverkaufen, zerstören. Das haben wir ja heute auch schon für den Bereich der Medizinischen Fakultäten gehört.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zum Schluss möchte ich den Rektor der Universität für Angewandte Kunst in Wien zitieren, der sagte, dass die Ausgliederung der Universitäten grundsätzlich ein falscher bildungs- und kulturpolitischer Weg sei. Dem schließe ich mich vollinhaltlich an. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Nike sponsert jetzt österreichische Unis!)

13.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. – Bitte.

13.32

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Universitäten der Künste sind den anderen Universitäten vollkommen gleichwertig und gleichrangig, auch wenn sie einige Besonderheiten von den wissenschaftlichen Universitäten unterscheiden, und sie sollen ihnen deshalb von Anfang an gleichgestellt werden. (Abg. Dr. Martin Graf: Die Firnberg’sche Aufnahmeprüfung!)

Mir ist bewusst, dass es von einigen Kunstuniversitäten, auch von jener, die mir als Steirerin am nächsten steht, der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Wünsche nach einer Implementierung zu einem späteren Zeitpunkt gegeben hat. Die Argumente dafür finde ich aber letztendlich weniger überzeugend als die dagegen.

Zum Beispiel: In einem Artikel in der heutigen Ausgabe der "Presse" finde ich den Wunsch, zunächst einmal das UOG 93 gänzlich vollziehen zu wollen, weil man doch erst 1997 mit der Umsetzung habe beginnen können. – Das ist zwar verständlich, und ich gebe auch zu, dass das in der Ausführung nicht besonders lustig ist, aber seien wir ehrlich: Die Prolongierung eines Verschiebens und Hinauszögerns bei einem so wichtigen Reformschritt wäre vorprogrammiert.

Bei genauerem Hinsehen überwiegen die Vorteile einer gleichzeitigen Reform für alle Universitäten eindeutig. Der erste und wichtigste Vorteil ist: Es ist für die Profilbildung notwendig, zum gleichen Zeitpunkt in die Budgetverhandlungen zu gehen. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf die Ausführungen von Kollegin Glawischnig kurz eingehen, die ihre Ängste um die Qualität der künstlerischen Ausbildung und ihre Befürchtung, dass der Trend in Richtung Marktwirtschaft gehe, zum Ausdruck gebracht hat. Ich finde diese Ängste in dieser Diskussion wirklich überflüssig, sie emotionalisieren nur unnötig. Es geht darum, mit dem UOG 2002 Rahmenbedingungen zu schaffen. Die autonome Universität bestimmt ihre Inhalte, ihre Güte, ihre Klasse dann nämlich selbst.

Gleicher Zeitpunkt deswegen, weil es sonst zu einem Nachhinken und zu Ungleichgewichtigkeiten zwischen den einzelnen Universitäten kommt. Diese könnten auf lange Zeit hin nicht mehr ausgeglichen werden. Bei gleichzeitiger Einführung gibt es hingegen Mitsprache bei der Konzeption der Verordnung über das indikatorenbestimmte Budget. Eine ein Jahr später erfolgende Einführung würde lediglich Korrekturen für die Universitäten der Künste an einer bereits erlassenen Verordnung erlauben.

Zweitens: Es ist nicht zu erwarten, dass ein Jahr im alten Recht ein Mehr an Erfahrungen bringt. Das haben sogar Rektoren der Kunstuniversitäten wiederholt in der Praxis festgestellt. Das wäre nur eine Atempause, eine Verzögerung, wiederum ein Hinausschieben.


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Drittens wird als Argument von den anderen Universitäten ins Treffen geführt, dass gerade die Kunstuniversitäten auf Grund ihrer Größe beziehungsweise ihrer Kleinheit und ihrer inneren Struktur eher dazu prädestiniert sind, schneller in das neue Recht überzutreten, weil sie doch überschaubarer und flexibler sind und ihre Zahl auch geringer ist.

Viertens wurde das Studienrecht auch nicht so wesentlich verändert, dass größere Umstellungsprobleme entstehen könnten. Beispiel: Die Implementierung des KUOG 1998, des UniStG 1997 und der Novelle 1999, das ging an allen Kunstuniversitäten sehr schnell vonstatten.

Noch einmal zusammengefasst: Die Universitäten der Künste sollen nicht anders behandelt werden, sie sollen nicht den anderen nachziehen, sie sollen keinesfalls benachteiligt werden, denn sie sollen so früh wie möglich von den Vorteilen der vollen Rechtsfähigkeit profitieren können, als da sind: ein Jahr früher Globalbudget und mehr Handlungsspielraum, volle Organisationsautonomie, volle Personalautonomie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn man sich endlich zu einem grundsätzlichen Ja zur Reform durchgerungen hat – und das ist meiner Meinung nach in weiten Teilen der Fall –, dann werden die Umsetzungen vielleicht schneller und leichter vonstatten gehen, als man sich das vorgestellt hat, und man wird sehen, welche Vorteile diese Eigenständigkeit bringen wird.

Ich gratuliere Ministerin Gehrer zu dieser notwendigen und mutig durchgezogenen großen Reform und danke für die vielen, vielen Hintergrundgespräche, die sie und die Beamten ihres Ressorts mit allen Beteiligten und Interessierten geführt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

13.37

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich bedauere zutiefst, dass Herr Bundesminister Haupt nicht mehr anwesend ist. Er hat sich ja heute auf wenige Minuten hierher gesetzt, um eine Wortmeldung abzugeben. (Abg. Schwarzenberger: Er war schon länger da! – Abg. Mag. Kukacka: Eine Stunde ist er da gesessen!) Ich hätte schon ganz gerne auf diese Wortmeldung repliziert.

Der Herr Minister hat anscheinend wirklich nicht verstanden, worum es bei der Gleichstellungspolitik und bei der Frauenförderung geht. Es ist wirklich bezeichnend, dass so eine Person, so ein Minister für Gleichbehandlung und Frauenfragen zuständig ist, meine Damen und Herren.

Was hat er gesagt? – Er hat gesagt: Die Strukturen sind nicht ausschlaggebend, wenn es Benachteiligung von Frauen gibt. Die Strukturen sind nicht ausschlaggebend, die sind vollkommen belanglos. Darum braucht man auch in der Strukturfrage nichts zu tun, weil irgendwie wird sich das schon irgendwann einmal lösen – vielleicht.

Genau das Gegenteil ist der Fall! Das wissen all jene, die sich mit der Thematik beschäftigen. Vor allem an den Universitäten hat sich ganz deutlich gezeigt, dass es sich langsam, wirklich langsam, viel zu langsam doch durchgesetzt hat, dass Frauen ihre Chancen bekommen. Um nur ein Beispiel zu nennen – die Zahlen sind von der Kollegin Petrovic ja schon präsentiert worden –: An der Universität Wien haben die Frauen gerade bei den Habilitationen unglaublich aufgeholt. Gerade da ziehen Sie ihnen jetzt mit diesem Gesetz den Boden unter den Füßen weg. Genau dort, wo sie jetzt die Chance hätten, darauf aufbauend dorthin zu gelangen, wo wir sie haben wollen, nämlich auch in der Professorenschaft, genau dort machen Sie ihnen einen Strich durch die Rechnung. (Abg. Dr. Brinek: Nicht für Vertragsprofessorinnen!)

Dieses Universitätsgesetz ist ein Gesetz gegen die Frauen. Sie sind im letzten Moment draufgekommen, dass Sie die Frauen gar nicht berücksichtigt haben, dann ist ein wenig korrigiert worden. (Abg. Dr. Brinek: In der Regierungsvorlage war das schon!) Frau Kollegin Brinek! Ich


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wundere mich wirklich sehr, dass nicht einmal Sie in der Lage und bereit dazu waren, auf all jene Punkte einzugehen, die die Frauen in der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen immer wieder aufgezeigt haben. Es ist nicht zu viel verlangt, auf die Punkte einzugehen, die die Frauen dort vorgeschlagen haben. Das ist wirklich nicht zu viel verlangt! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht erklärt, was mit dem Frauenförderplan in Zukunft geschieht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. ) Es ist nicht geklärt, in welcher Form im Rahmen der Leistungsvereinbarungen die Gleichstellungspolitik in Zukunft tatsächlich Priorität haben wird. Es ist nicht geklärt, wie und in welchem Ausmaß Frauen in den Universitätsräten Mitsprache erhalten werden. Es ist dies auch in Bezug auf den Senat klarerweise nicht geklärt. Es gibt definitive Verschlechterungen bei den Arbeitskreisen für Gleichbehandlungsfragen. Sie werden es dem Zufall überlassen, ob eine Universität Spielräume hat, ein bisschen etwas in Sachen Gleichbehandlung zu machen, oder ob sich diese Spielräume nicht herausstellen werden. Dann wird man nichts in Sachen Gleichbehandlung machen!

Meine Damen und Herren! Aus diesem Grund bringe ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald, DDr. Niederwieser, Dr. Petrovic, Mag. Prammer und KollegInnen ein, der sich um diese Thematik dreht und der genau diese Thematik beinhaltet. Ein Teil davon beschäftigt sich mit den Mitwirkungsrechten der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen. Ein Teil befasst sich überhaupt mit der Arbeitsfähigmachung der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen. Vor allen Dingen – das ist ganz wichtig – würde und wird mit diesem Abänderungsantrag auch geklärt werden, dass im Rahmen der Leistungsvereinbarungen die Gleichstellung und Gleichbehandlung einen entsprechenden Platz findet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Nach dem Motto: Wenn Prammer in die Regierung kommt, wird sie auch etwas umsetzen!)

13.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in einem ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher mit zur Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung. Gemäß § 53 Abs. 4 wird er auf Grund seines Umfanges verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Grünewald, DDr. Niederwieser, Dr. Petrovic, Mag. Prammer und KollegInnen zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste (1134 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. In § 13 Abs. 2 lautet die Überschrift zu Z 1d):

"gesellschaftliche Zielsetzungen, insbesondere die Gleichstellung von Frauen und Männern:"

2. § 19 Abs. 2 Z 7 lautet:

"Einrichtung einer Organisationseinheit zur Unterstützung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Gleichstellung sowie Einrichtung einer Organisationseinheit zur Koordination der Aufgaben der Frauenförderung sowie der Geschlechterforschung;"

3. In § 21 Abs. 1 entfällt die Z 6.


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4. § 21 Abs. 15 lautet:

"Das Rektorat, der/die Vorsitzende des Senats, der/die Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen und der/die Vorsitzende der Hochschülerschaft an der betreffenden Universität sowie die Vorsitzenden der Betriebsräte sind zu allen Sitzungen des Universitätsrates einzuladen. Diese Personen sind zu Tagesordnungspunkten, die ihren Arbeitsbereich betreffen beziehungsweise die Betriebsräte im Rahmen der ihnen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zukommenden Aufgaben anzuhören."

5. § 25 Abs. 1 Z 19 lautet:

"Nominierung von drei Mitgliedern für die Schiedskommission."

6. In § 25 Abs. 3 wird nach Satz 2 folgender Satz 3 eingefügt:

"Weiters gehört dem Senat mit beratender Stimme die/der Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an".

7. In § 25 Abs. 7 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 eingefügt:

"Jedem eingerichteten Kollegialorgan gehört ein Mitglied des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen, das aus dem Arbeitskreis entsandt wird, mit beratender Stimme an."

8. In § 42 Abs. 2 lautet Satz 3:

"Die Entsendung der Mitglieder erfolgt auf Vorschlag des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen."

9. Der derzeitige Satz 3 des § 42 Abs. 2 entfällt.

10. In § 42 Abs. 2 wird folgender Satz 4 angefügt:

"Mindestens die Hälfte der Mitglieder des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen müssen Frauen sein."

11. In § 42 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

"(2a) Aus dem Kreis der Mitglieder des Arbeitskreises ist eine Vorsitzende oder ein Vorsitzender zu wählen. So lange die Frauenquote im Senat der jeweiligen Universität unter 50 Prozent beträgt, ist der Vorsitz im Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen von einer Frau wahrzunehmen."

12. In § 42 wird folgender Abs. 3a eingefügt:

"(3a) Die Universitätsleitung hat für die administrative Unterstützung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen und für die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen (Personal-, Raum- und Sachaufwand) zu sorgen. Außerdem ist den Mitgliedern des Arbeitskreises für ihre Tätigkeit eine Funktionszulage zu bezahlen, über deren Höhe der Senat bei Einrichtung des Arbeitskreises entscheidet."

13. § 42 Abs. 8 lautet:

"Hat der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen Grund zur Annahme, dass die Entscheidung eines Universitätsorgans eine Diskriminierung von Personen aufgrund ihres Geschlechts darstellt, ist er berechtigt, innerhalb von vier Wochen die Schiedskommission anzurufen."

14. § 43 Abs. 5 lautet:

"Kann kein Einvernehmen erzielt werden, hat die Schiedskommission in den Angelegenheiten gemäß Abs. 1 Z 2, welche die Entscheidung über die Begründung, eine wesentliche Verände


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rung oder die Beendigung eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses betreffen, innerhalb von 12 Wochen ab Einbringung der Beschwerde mit Bescheid darüber abzusprechen, ob durch die beabsichtigte Entscheidung des Universitätsorgans eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt."

15. § 43 Abs. 9 lautet:

"Die Schiedskommission besteht aus sechs Mitgliedern, die keine Angehörigen der betreffenden Universität sein müssen. Jeweils drei Mitglieder sind vom Senat und vom Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen für eine Funktionsperiode von zwei Jahren zu nominieren. Mindestens die Hälfte der Mitglieder der Schiedskommission müssen Frauen sein. Zwei der Mitglieder müssen rechtskundig sein."

16. Dem § 121 wird folgender Abs. 26 angefügt:

"Die derzeit bestehenden Arbeitskreise für Gleichbehandlung bleiben bis zur Einrichtung von Arbeitskreisen nach diesem Gesetz in Funktion. Bei der Einrichtung von Arbeitskreisen nach diesem Gesetz haben die bestehenden Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen ein Vorschlagsrecht."

17. Dem § 121 wird folgender Abs. 27 angefügt:

"Die von den Senaten gemäß § 19 Abs. 2 Z 6 zu erlassenden Frauenförderpläne haben als Mindeststandard den des derzeit geltenden Frauenförderplanes für die Universitäten zu erfüllen."

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

13.42

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Mag. Prammer! Ihr Debattenbeitrag hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, dass jetzt diese Uni-Reform durchgeführt wird. Ich finde es kühn, dass Sie sich als ehemalige Frauenministerin hier herstellen und gemeinsam mit Ihren Kollegen Gusenbauer, Kuntzl – Petrovic zähle ich gleich dazu, und wie sie alle heißen – hier die Frauenpolitik, den Frauenanteil an Österreichs Unis beklagen. Es ist unglaublich, weil dies das Ergebnis sozialistischer Wissenschaftspolitik ist! Sie wissen ganz genau, dass es mehr weibliche Studierende und mehr weibliche Absolventinnen gibt und dass die Frauen in der Wissenschaft unterrepräsentiert sind. Das möchte ich Ihnen als Ihre Leistung als Frauenministerin ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Prammer: Und deswegen drehen Sie ...! Jetzt fällt all das weg, was da gemacht wurde! – Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. )

Sie haben diese Unausgewogenheit zu verantworten: 7 Prozent Wissenschafterinnen, 7 Prozent Professorinnen, das ist wirklich zu wenig! Dass es zum Beispiel an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in mehr als 600 Jahren lediglich eine Dekanin gab – auch da hätten Sie versuchen können, dies in andere Bahnen zu lenken, und ebenso, dass es derzeit 18 Rektoren, aber keine einzige Frau als Rektorin gibt. (Abg. Dr. Jarolim: Aber zwischen ’38 und ’45 war es besonders arg!) Das ist auch ein Ergebnis der "geglückten" sozialistischen Wissenschaftspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Dr. Niederwieser und Dr. Martin Graf. )

Das Universitätsgesetz bringt jetzt eine Gleichstellung von Frauen und Männern mit sich. Sie können sicher sein: Die jetzige Regierung wird darauf achten, dass die Chancengleichheit für Frauen und Männer in der Wissenschaft ab sofort gegeben ist!


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111. Sitzung / Seite 99

Ich habe meinen Ohren nicht getraut, als ich gehört habe, wie hier die Kollegen Gusenbauer und Niederwieser offensichtlich Wissenschafter und Persönlichkeiten, die nicht ihrer eigenen Gesinnungsgemeinschaft angehören, in Zukunft von universitären Funktionen ausschließen wollen. Das ist skandalös! Das kann wohl nicht Ihr Ernst sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Sie können sich gerne das Protokoll Ihrer eigenen Rede besorgen, Herr Niederwieser. Ich habe gut zugehört.

"In der Wissenschaft ist absoluteste Freiheit notwendig", hat Johann Wolfgang von Goethe gesagt. (Abg. Dr. Jarolim: ... zu Ihrem Bedauern sagen!) Die Uni-Autonomie schafft dafür die Basis.

Immer wieder wird das Tempo der Reformen angesprochen. Es ist richtig, die Uni-Reform wird zügig betrieben. Dass Ihnen das alles nach Jahrzehnten des Stillstandes ungeheuer schnell vorkommt, ist menschlich begreiflich.

Die Uni-Reform war notwendig, und die Uni-Reform ist durch und durch geglückt! Für mich persönlich ist als ganz besonders positiv hervorzuheben, dass die Uni-Reform für die Unis mehr Eigenverantwortung, mehr Kundenorientierung und mehr Marktorientierung bringt (Abg. Öllinger: Wer sind die Kunden?), dass die Universitäten in Österreich mit inländischen und ausländischen Unis in einen positiven Wettstreit um Studierende treten können und werden und dass Österreich als Bildungsland im internationalen Kontext an Bedeutung gewinnen wird.

Frau Minister! Die Universitätsreform ist ein großer Wurf, der von der Opposition leider nicht verstanden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich mache Sie auf die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. (Abg. Böhacker: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, Kollege Niederwieser! – Abg. Dr. Niederwieser  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Jetzt habe ich noch nicht einmal angefangen! – Abg. Böhacker: Ich weiß! Bei dir ist es immer schon so gewesen! – Abg. Dr. Niederwieser: Es ist unglaublich! Herr Präsident, er weiß schon, was ich sagen werde! – Weitere Zwischenrufe.)

13.46

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Meine Vorrednerin, Kollegin Papházy, hat gesagt, dass nach Jahrzehnten des Stillstandes jetzt endlich reformiert wird. (Abg. Böhacker: Da sind wir schon bei der Wertung!)

Dazu stelle ich tatsächlich richtig: Im letzten Jahrzehnt, nämlich zwischen 1990 und 2000, wurde unter anderem das UOG 1993, ein nicht kleines Reformwerk, beschlossen. Es folgte das Fachhochschul-Studiengesetz, das Sie genau kennen. Es folgten das Akkreditierungsgesetz mit der Zulassung privater Universitäten und nicht zuletzt 1997 das Universitäts-Studiengesetz, das so gut war, dass es sogar dieses Gesetz weitgehend überlebt hat.

Das als "Stillstand" zu bezeichnen, ist kühn, Frau Kollegin! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Ja, das war jetzt eine "klassische" Berichtigung: nicht "unrichtig", nicht "richtig", sondern "kühn"! – Abg. Dr. Martin Graf: ... ’97 haben Sie vergessen!)

13.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

13.47

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte Frau Kollegin Papházy daran erinnern: Über weite Strecken dieser sozialistischen Regierungsära waren die Wissenschaftsministerien von Ihrem jetzigen Koalitionspartner besetzt. Wenn Sie damals nicht damit zufrieden gewesen sind, dann muss ich Sie darauf hinweisen: Passen Sie in Ihrer Zusammenarbeit mit Ihrem


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Koalitionspartner auf, vielleicht werden auch Sie einmal nicht damit zufrieden sein! (Abg. Dr. Martin Graf: Aber Sie haben immer gebremst! Die SPÖ hat immer gebremst!)

Grundsätzlich möchte ich keine inhaltlichen Kommentare zu diesem neuen Gesetzeswerk mehr abgeben. Ich möchte mich ein bisschen mit der monetären Problematik auseinander setzen.

Meine Damen und Herren! Es sind im Statistischen Taschenbuch 2001 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Wissenschaftsausgaben, die Universitätsausgaben im Budgetanschlag 2001 mit rund 2,3 Milliarden € vorveranschlagt – 2,3 Milliarden €, das möchte ich hier noch einmal betonen! Im Abänderungsantrag Brinek/Graf werden für die Universitäten ab 2004 ganze 1,87 Milliarden € budgetiert, bis 2006 mehr oder weniger eine stabile Budgetierung für den Universitätsbereich. Das heißt, dass wir ein negatives Delta von fast einer halben Milliarde € an den österreichischen Hochschulen und Universitäten haben werden!

Ich denke, dass auf Grund dieser Veränderungen, über die heute noch nicht diskutiert wurde, möglicherweise große Probleme entstehen werden. Entweder wird das Personal entsprechend reduziert werden und es gibt weniger Angebote für die Studenten, oder es wird höhere, wesentlich höhere Studiengebühren geben. Ich bin im Gegensatz zu der Argumentation, die jetzt kommen wird: Es wird mehr Drittmittel als bisher geben!, der Meinung, dass dies nicht in dem angenommenen Ausmaß stattfinden kann, sodass in Zukunft eine Unterdotierung gegenüber dem Jahresbudget 2001 gegeben sein wird. Ich sehe damit sehr große Probleme für die Leistungsfähigkeit unserer Universitäten auf uns zukommen und wäre sehr daran interessiert zu erfahren, Frau Bundesminister, wie Sie uns das darstellen können. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. – Bitte.

13.50

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir befreien mit dieser Vorlage, die wir heute hier diskutieren, die Universitäten von einem schweren Joch. Wir befreien die Universitäten vom Joch übermäßiger staatlicher Einflussnahme und Gängelung, wir befreien die Universitäten vom Joch bürokratischer Hemmnisse und starrer, unflexibler Strukturen, und wir befreien die Universitäten letztlich auch vom Joch eines kameralistischen und unflexiblen Finanzierungssystems.

Aber wir befreien die Universitäten nicht nur im Sinne von Forderungen, die in den vergangenen Jahren sehr oft – und zwar auch innerhalb der Universitäten – erhoben wurden, sondern wir bringen den Universitäten mit dieser Reform und mit diesem Reformgesetz sehr viel. Wir geben den Universitäten Selbstständigkeit und Autonomie sowie die Möglichkeit, selbstständig und selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, wie dies in den vergangenen Jahren innerhalb und außerhalb der Universitäten sehr oft verlangt worden ist. Wir geben den Universitäten die Chance, ihre Schwerpunkte und ihre zukünftige Entwicklung selbst festzulegen und damit auch im schärfer gewordenen internationalen und nationalen Wettbewerb verschiedener Ausbildungs- und Bildungsstätten zu bestehen und Spitzenpositionen einzunehmen.

Aber entgegen vielen Stellungnahmen im Zuge der Diskussion um diese Universitätsreform und auch am heutigen Tage im Hohen Haus heißt die Befreiung vom staatlichen Einfluss auf autonome Entscheidungen nicht, dass sich der Staat auch aus seiner finanziellen Verantwortung für die Universitäten, für Lehre und Forschung in Österreich davonstiehlt. Es heißt dies vielmehr, dass sich der Staat, dass sich die Republik Österreich mit diesem Universitätsgesetz ausdrücklich zu ihrer finanziellen Verantwortung für die Universitäten bekennt! Es ist im diskutierten Entwurf vorgesehen, dass der Bund die Universitäten finanziert, und eine solche ausdrückliche gesetzliche Finanzierungsgarantie ist etwas ganz Neues.

Aber die finanzielle Verantwortung der Republik wird in diesem Reformgesetz nicht nur grundsätzlich fixiert, sondern diese finanzielle Verantwortung wird auch der Höhe nach festgelegt und sichert und garantiert den Universitäten auf dem jetzigen hohen Niveau zukünftig fixe Budgets


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samt Valorisierungen, samt den Studiengebühren und samt sämtlichen Einsparungen, die durch dieses Reformgesetz für die Universitäten möglich sein werden. Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade durch dieses neue Universitätsgesetz wird den Universitäten sogar neuer, zusätzlicher finanzieller Spielraum geschaffen.

Im Vorfeld dieses Universitätsgesetzes wurde in den Verhandlungen mit der Rektorenkonferenz und mit ihrem Vorsitzenden, Herrn Rektor Winckler, der ja auch Ökonom ist, noch sehr viel bewegt. Es wurde sehr vieles auch im Sinne der Rektorenkonferenz verändert. Dass hier einvernehmlich ein Ergebnis erzielt werden konnte, zeigt, dass die Universitäten die Zukunft in finanzieller Hinsicht nicht zu fürchten brauchen, sondern dass sie besser fahren und gleichzeitig auch die Möglichkeit haben werden, ihre finanziellen Mittel viel selbstständiger und autonomer festzulegen und einzusetzen und damit effizienter zu sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.53

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Geschäftsordnung entsprechend habe ich heute vor Eingang in die Tagesordnung bekannt gegeben, auf welche Weise die heutige Sitzung ablaufen wird. Wir hatten jetzt eine Präsidialsitzung, um über das Verlangen der Fraktion der Grünen auf Sondersitzung zu beraten, und haben in dieser Präsidialsitzung einvernehmlich und konsensual folgenden Vorschlag entwickelt, den ich dem Hohen Haus bekannt geben muss:

Es ist bekanntlich für 15 Uhr eine Dringliche Anfrage angesetzt. Die Beratungen über die Dringliche Anfrage werden um 17 Uhr unterbrochen – sei es, dass die Anfrage schon fertig debattiert ist, oder sei es, dass die Debatte noch nicht abgeschlossen ist.

Um 17 Uhr wird der Herr Bundeskanzler eine Erklärung zu jenem Thema abgeben, das Gegenstand des Sondersitzungs-Verlangens der Grünen-Fraktion ist. Diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers wird zirka 20 Minuten dauern. Im Anschluss daran wird in der Debatte ein Redner der Grünen-Fraktion zu Wort kommen, und zwar zu einem Beitrag im Ausmaß von ebenfalls 20 Minuten. Danach wird eine Rednerrunde mit einer Redezeit von je 10 Minuten für jede Fraktion sowie eine weitere Rednerrunde mit ebenfalls je 10 Minuten pro Fraktion vorgesehen sein. Dies bedeutet nach unserer Einschätzung, dass eine Debatte im Ausmaß von etwa zwei Stunden zum Gegenstand des Verlangens der Grünen-Fraktion stattfinden wird.

Danach wird die Debatte über die Dringliche Anfrage fortgesetzt werden, falls sie noch nicht beendet worden ist, und dann wird die von den Grünen verlangte Fristsetzungsdebatte stattfinden. Im Anschluss daran wird die normale Tagesordnung weitergeführt werden.

Unter diesen Voraussetzungen wird die Grünen-Fraktion ihr Verlangen auf eine Sondersitzung am morgigen Tag zurückziehen, weil das Thema heute vom Herrn Bundeskanzler in einer Erklärung abgehandelt wird.

Es besteht auch Konsens darüber, dass damit der eingebrachte Antrag der Grünen auf Sondersitzung nicht als ein konsumiertes Verlangen gilt. Das heißt, dass die Möglichkeit, eine Sondersitzung zu verlangen, durch diesen eingebrachten, aber nicht realisierten Antrag nicht konsumiert ist, sondern es bleibt eine gleichartige Möglichkeit für einen anderen Termin offen.

Diese Lösung haben wir einstimmig zwischen den Präsidenten und den Klubobmännern ausgearbeitet. Ich persönlich halte sie für eine vernünftige Lösung. – Ich bitte, die Debatte fortzusetzen. (Allgemeiner Beifall. – Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir setzen jetzt in der Debatte fort.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

13.57

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist seitens einiger Oppositionsabgeordneter heute davon die Rede gewesen, dass dieses Gesetz "durchgeboxt" worden


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sei und dass es in übertriebener Eile und ohne ausführliche Diskussionen verabschiedet werden soll. Meine Damen und Herren, ich glaube, davon kann beim besten Willen keine Rede sein!

Es gibt wohl kaum ein Gesetz, das derartig ausführlich diskutiert wurde und mit derart breiter Willensbildung zustande gekommen ist. Es hat ausführlichste Diskussionen mit allen betroffenen Gruppen gegeben. Es hat eine lange und intensive Behandlung dieses Themas in den Medien und damit in der breiten Öffentlichkeit gegeben. Es haben 1 300 Veranstaltungen stattgefunden. Es wurde eine parlamentarische Enquete abgehalten. Es hat eine ausführliche Begutachtungsphase gegeben. Es wurde ein eigener Unterausschuss mit Experten-Hearings eingesetzt, der über dieses Universitätsgesetz 2002 beraten hat. Es hat schlichtweg eine ordentliche, umfassende und gründliche Beratung gegeben. Ich glaube, Kollege Niederwieser, du wirst mir darin Recht geben, dass diese Redebeiträge von Oppositionsabgeordneten nicht den Tatsachen entsprochen haben. (Abg. Dr. Niederwieser: ... nicht immer so gesagt!)

Ich glaube auch, dass es gut und richtig ist, dass wir dieses Gesetz ausführlich diskutiert haben, weil es um eine sehr, sehr wichtige Materie geht. Es geht um Zukunftschancen der österreichischen Wissenschaft, es geht um Zukunftschancen unserer universitären Jugend, und es geht vor allem um die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Universitäten. Daher ist dieses Universitätsgesetz 2002 ein wichtiger und notwendiger Schritt in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren! Es wird dadurch aber auch gewährleistet werden, dass unsere Studenten weiterhin eine gute, solide Ausbildung auf hohem internationalem Niveau erhalten werden, und zwar durch ein wesentliches Mehr an Qualität. Es wird für Studenten weiterhin alle Mitbestimmungsrechte geben. Es wird Mitsprache in allen Studienangelegenheiten geben, vor allem auch erstmalig in der Evaluierung von Lehre und Forschung. Es gibt einen vollen und durchsetzbaren Rechtsschutz der Studierenden, der im Universitätsgesetz verankert ist. Es wurden somit letztlich auch alle Forderungen der Studentenvertreter berücksichtigt, was das Studienrecht, was die Evaluierung von Lehre und Forschung betrifft.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann mit gutem Gewissen sagen – und das haben mir auch Studentenvertreter bestätigt –, dass es selten eine so intensive Beratungsphase, selten so ernste und intensive Verhandlungen mit der ÖH, mit den Studentenvertretern gegeben hat, wobei letztlich auch berechtigte Anliegen, berechtigte Anregungen mit aufgenommen wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dafür möchte ich der Studentenvertretung durchaus danken und ihr meinen Respekt aussprechen, doch möchte ich auch darauf hinweisen, dass dieses Gesprächsklima nicht von Anfang an ein so konstruktives und gutes war, weil die linke ÖH-Führung zuerst auf Konfrontation und Polarisierung, auf Frontalopposition gesetzt hatte. Es hat dann vernünftiger Studentenvertreter wie jener des Ringes Freiheitlicher Studenten bedurft, die zwar zugegebenermaßen in den Gremien eine weniger bedeutende Rolle spielen, die aber bei den Regierungsparteien darauf gedrungen haben, dass die berechtigten Anliegen berücksichtigt werden, dass Gespräche mit der Studentenvertretung stattfinden und dass es zu einer Einbindung der Studierendenvertreter kommt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir mit diesem Universitätsgesetz 2002 einen wichtigen Schritt zur Qualitätssicherung der österreichischen Wissenschaft und vor allem einen wichtigen Schritt zur Sicherung der Ausbildung unserer universitären Jugend setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

14.01

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Hohes Haus! Das Universitätsgesetz 2002, das wir heute beschließen, ist wohl einer der größten Erfolge seit Bestehen dieser


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Bundesregierung. Wir haben hier eine Reform zustande gebracht, die diesen Namen wahrlich verdient! Wir geben mit dieser Reform den Universitäten neue Strukturen, die zukunftsfähig und zukunftsträchtig sind, und wir geben ihnen solche Strukturen, dass sie dem internationalen Wettbewerb gewachsen sind und sich im internationalen Wettbewerb bewähren können.

Gerade das Gut Bildung ist in einem Land, das nicht sehr reich an Rohstoffen ist, äußerst wichtig. Die Bundesregierung hat dem Bereich Bildung einen außerordentlichen Stellenwert eingeräumt. Man braucht dazu nur das Budget anzuschauen: So viel wie in diesem Jahr wurde in der Geschichte der Zweiten Republik noch nie in die Bildung unserer Jugendlichen investiert!

Aber damit ist es nicht getan. Österreichs Universitäten sind in den letzten Jahren massiv unter Druck geraten, und zwar auf Grund des internationalen Wettbewerbs, auf Grund der Privatuniversitäten und auf Grund der erfolgreichen Fachhochschulen. Ich darf in diesem Zusammenhang einen Sidestep zur Donauuniversität machen, und zwar deswegen, weil es die Donauuniversität auf Grund ihrer effizienten Strukturen und ihrer hochqualifizierten Lehrenden geschafft hat, sich in den letzten Jahren einen Top-Ruf zu erwerben. (Abg. Dr. Niederwieser: Wieso habt ihr es dann nicht hineingeschrieben?)

Doch nun zurück zum Thema. Die starren Strukturen und das staatliche Gängelband haben unseren hohen Schulen bei Gott nicht gut getan. Aber mit dem heutigen Universitätsgesetz 2002 bekommt Österreichs Universitätslandschaft durch die international bewährten Strukturen und durch die Entlassung in die Autonomie endlich die Dynamik, die sie braucht, um im internationalen Wettbewerb reüssieren zu können. Das heißt natürlich nicht, dass sich der Staat aus der Verantwortung für die Bildung zieht, sondern das heißt, dass sich der Staat nur dort zurückzieht, wo er nichts verloren hat beziehungsweise wo er in den letzten Jahren und Jahrzehnten eher als Bremsklotz gewirkt hat.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Das große internationale Lob für unsere Frau Bundesminister und für unser Universitätsgesetz zeigt, dass Sie wieder einmal falsch liegen. Eine gute Reform wird nicht schlecht, indem man sie schlecht redet. (Abg. Dr. Niederwieser: Das wird die Geschichte zeigen!) Ich darf aus dem Reigen des Lobes nur ein Lob herausgreifen, ein Lob von Ludwig Kronthaler, dem Kanzler der Technischen Universität München, der letzte Woche in Österreich über die Reform Folgendes gesagt hat: Die vier Prinzipien, durch die sich international erfolgreiche Unis auszeichnen, nämlich Autonomie, persönliche Verantwortung, Gewaltenteilung und Subsidiarität, sind im Universitätsgesetz in nahezu idealer Weise erfüllt.

Ich darf es wiederholen: Die Prinzipien für international erfolgreiche Universitäten sind in nahezu idealer Weise erfüllt. – Meine Damen und Herren, das ist zukunftsweisende Wissenschaftspolitik, das ist "Neu Regieren"! (Beifall bei der ÖVP.)

Besonders freut es mich, dass die Rektorenkonferenz, die anfangs etwas skeptisch war, dieses Gesetz nun als tragfähiges Gesetz erachtet und diesem Gesetz ausdrücklich zustimmt.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich darf ein herzliches Danke sagen für die großartige Arbeit, für das Engagement von Ihnen, aber auch für das Engagement und die Arbeit des gesamten Teams des Ministeriums! Ein Danke auch an all jene, die sich bei dieser Diskussion konstruktiv eingebracht haben! Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Universitätsreform den Wissenschaftsstandort Österreich auf positivste Art und Weise nachhaltig verändern wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lexer. – Bitte.

14.06

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Als Sportsprecher der Volkspartei möchte ich zum Schluss der Debatte zur Universitätsreform kurz auf den Sport an unseren Universitäten eingehen.


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Ich freue mich sehr, dass die Sportinstitute an unseren Universitäten auch in Zukunft einen besonderen Platz einnehmen werden. Im vorliegenden Gesetzestext ist es gelungen, den Sport an unseren Unis nicht nur grundsätzlich zu verankern, sondern auch abzusichern. Die theoretische Gefahr der Aushöhlung der Sportinstitute durch die Vollrechtsfähigkeit der Universitäten ist durch die Zweckbindung der Mittel von vornherein ausgeschlossen. Die Einnahmen aus den Sportstätten müssen zweckbestimmt wieder zurück in den Sport an unseren Universitäten fließen.

Darüber hinaus haben die USIs in Zukunft durch die Autonomie die Möglichkeit, zusätzliche Finanzquellen anzusprechen und zusätzliche Sponsoren aufzutreiben. Damit können unsere Studierenden auch in Zukunft auf ein attraktives und innovatives Sportangebot zu leistbaren Preisen zurückgreifen.

Der Universitätssport dient der körperliches Fitness und der Kommunikation aller Studierenden untereinander. Er ist aber auch Bindeglied zwischen den Studierenden und den Lehrenden. Er ist Wegbereiter für viele neue und alternative Sportarten. Ein großer Teil des Sportangebotes ist anfängerorientiert, andere Einheiten setzen aber auch eine gewisse Leistungsstufe voraus. Die Möglichkeit zum Leistungsvergleich ist zahlreich gegeben. Ich denke zum Beispiel nur an die Universiade, die in Kürze in Tarvis stattfinden wird. Zahlreiche Bewerbe werden auch in Kärnten, in Villach, über die Bühne gehen. Darüber freuen wir uns natürlich ganz besonders.

Die USIs versuchen, im Sinne einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung und des Campus-Gedankens auch Sozialisations- und Integrationsaspekte einzubeziehen. Mögliche kulturelle und intellektuelle Querverbindungen werden eingeflochten, und es werden kommunikative Schwerpunkte gesetzt. Grundsätzlich wird ein wesentlicher Beitrag zur stabilen Gesundheit der Universitätsangehörigen geleistet. Es kommt zu einer starken Motivation zu lebensbegleitender, gesunder sportlicher Aktivität innerhalb und außerhalb der Institutionen.

Die sportspezifische Gestaltung der Veranstaltungen und Einrichtungen erfolgt unter Berücksichtigung aktueller sportpädagogischer und moderner sportwissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Methodik und Didaktik des Breiten- und Leistungssports, der Sportmedizin, der Trainingslehre, der Biomechanik, der Sportsoziologie und der Sportpsychologie finden eine zeitgemäße Anwendung. Der Universitätssport wird daher auch in Zukunft ein wesentlicher Schrittmacher im Sport insgesamt sein.

Ich möchte mich bei unserer Wissenschaftssprecherin, Frau Gertrude Brinek, und unserer Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer recht herzlich dafür bedanken, dass sie dem Sport an den Unis auch in Zukunft eine so große Bedeutung einräumen. Ich stimme auch aus diesem Grund der Universitätsreform gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

14.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

14.09

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Wir verabschieden heute nicht nur eines der bedeutendsten Gesetze dieser Legislaturperiode und nicht nur – wie es heute in einem wahrscheinlich eher zynisch gemeinten Zwischenruf hier schon gesagt worden ist – eines der bedeutendsten Gesetze seit Bestehen der Republik, sondern in der Tat ist das eine der bedeutendsten Reformen seit fast 160 Jahren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe weite Teile dieser Debatte wirklich sehr aufmerksam verfolgt und muss sagen: Wenn man es mit dem Kommunikationswissenschafter Paul Watzlawick sagen möchte, der einmal gemeint hat: Was A über B sagt, sagt deutlich mehr über A als über B aus!, dann muss man die Feststellung treffen: In diesem Watzlawick’schen Sinne war die heutige Kritik der Opposition in der Tat mehr als entlarvend. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Niederwieser: Kollege Amon! Du hast das Weihrauchfass vergessen!)


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Wenn sich etwa Herr Abgeordneter Niederwieser darüber alteriert, wie unmöglich das sei, wenn sich der Gesundheitsminister im Rahmen einer Wissenschaftsdebatte zu Wort meldet, und meint, dass das alles andere als das Ende der Proporzuniversität sei, es gleichsam der gelebte Proporz wäre, weil sich der Gesundheitsminister hier zu Wort meldet, dann sagt das, muss ich sagen, sehr viel über das Selbstverständnis der Wissenschaftspolitik der SPÖ aus.

Wo sind wir denn, dass sich der Gesundheitsminister in einer Wissenschaftsdebatte nicht mehr zu Wort melden darf, meine Damen und Herren!? Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, was Sie damit gemeint haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl hat gemeint, die Implementierung dieses Gesetzes sei in einem unglaublichen Tempo erfolgt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Kuntzl. ) Meine Damen und Herren! Wir diskutieren dieses Gesetz seit nunmehr eineinhalb Jahren in einem mehr als offenen und breiten Diskussionsprozess – langsamer können wir es für die SPÖ wirklich nicht mehr machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Universitätsreform ist in der Tat ein Meilenstein. Wir werden den Universitäten in Zukunft einen deutlich größeren Handlungsspielraum bei der Eigengestaltung geben – und das bei einem gesicherten Budget.

Meine Damen und Herren! In unzähligen Podiumsdiskussionen, an denen ich schon teilgenommen habe, ging es immer wieder auch um die Frage der Kameralistik im System, und ich habe eigentlich noch niemanden erlebt, der gesagt hat, dass die Kameralistik für Institutionen etwas so Positives wäre. Wir schaffen jetzt die Kameralistik für die Universitäten ab – mit gesichertem Boden –, und das ist ein Fortschritt für die Universitäten, und dem sollten Sie Rechnung tragen.

Ich möchte abschließend noch einen Punkt ansprechen, der mir wichtig erscheint und der in der Debatte doch ein wenig zu kurz gekommen ist. Die Universität ist nicht in erster Linie für den Mittelbau da, die Universität ist nicht in erster Linie für die sehr geschätzten Universitätsprofessoren da, sondern sie ist in erster Linie für die Studierenden da. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: MBA! MBA!)

Mit diesem Bundesgesetz wird eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die den Studierenden entgegenkommen. Es werden die drei Prüfungstermine im Semester gesetzlich garantiert. Aber nicht nur das, es wird auch sichergestellt, dass es die Möglichkeit von vier Prüfungsantritten gibt. Es wird sichergestellt, dass bei einer negativen letzten Prüfung nicht die Möglichkeit des Weiterstudierens an der Universität gegeben ist. Es wird sichergestellt, dass die Studienbeiträge mit der festgelegten Grenze fixiert werden. Darüber hinaus ist sichergestellt, dass die Studienbeiträge, wie es diese Bundesregierung versprochen hat, an den Universitäten verbleiben. (Abg. Dr. Khol: Das war der Schlusssatz!)

Meine Damen und Herren! Diese Universitätsreform hat viele verdienstvolle Mitarbeiter, ich möchte drei nennen: Ich danke herzlich unserer Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek, die sich mit unglaublichem Einsatz und großer Fachkenntnis an dieser Reform beteiligt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke dem Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses Dr. Martin Graf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke und gratuliere unserer geschätzten Frau Bundesministerin Liesl Gehrer, die in ihrem Büro, wie ich weiß, einen Kalender aufgehängt hat, den sie heute abnehmen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bevor ich Frau Abgeordneter Mag. Andrea Kuntzl das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile, möchte ich den Besuchern auf der Galerie sagen, dass wir uns sehr freuen, wenn Besucher da sind, dass aber sowohl Beifallskundgebungen als auch Missfallenskundgebungen von der Galerie aus nicht erlaubt sind.


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111. Sitzung / Seite 106

Ich bitte jetzt Frau Abgeordnete Kuntzl, im Sinne der GO-Bestimmungen ihre tatsächliche Berichtigung zu beginnen.

14.16

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Kollege Amon hat soeben behauptet, ich hätte in meinen Ausführungen gesagt, die Implementierung der Universitätsreform sei in einem unglaublichen Tempo erfolgt und das stimme nicht, weil doch so lange diskutiert worden sei. – Das ist falsch.

Ich habe selbstverständlich gesagt: Die Implementierung wird in kurzer Zeit erfolgen müssen, denn die Implementierung dessen, was Sie jetzt beschließen, ist die Umsetzung dessen auf der Universität und kann erst ab sofort beginnen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek. – Die Frau Abgeordnete verzichtet auf ihre Wortmeldung.

Somit ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet und die Debatte geschlossen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass wir einen sehr umfangreichen Abstimmungsvorgang vor uns haben und ersuche daher um entsprechende Aufmerksamkeit, damit bei der Abstimmung keine Fehler passieren. (Abg. Dietachmayr begibt sich zu Präsidenten Dr. Fasslabend, um ihm etwas zu sagen. – Abg. Ing. Westenthaler: Stören Sie die Abstimmung nicht, Herr Abgeordneter, die Debatte ist geschlossen!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Universitätsgesetz 2002 sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste in 1224 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Dr. Grünewald, Dr. Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf das Inhaltsverzeichnis bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Dr. Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 13 Abs. 2 Z 1d eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über § 13 Abs. 2 Z 1d in der Fassung des Ausschussberichtes.


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Wer dafür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 13 Abs. 2 Z 6 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des im dritten Unterabschnitt des ersten Abschnitts enthaltenen § 14 mit der Überschrift "Finanzierung der Universitäten" beinhaltet.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Anfügung eines neuen Abs. 6 in § 15 bezieht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Dr. Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 19 Abs. 2 Z 7 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 20 Abs. 3 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Dr. Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung der Z 6 im § 21 Abs. 1 sowie auf die §§ 21 Abs. 15, 25 Absätze 1, 3 und 7 sowie 42 Abs. 2 bezieht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Dr. Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Absätze 2a und 3a in § 42 beinhaltet.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.


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111. Sitzung / Seite 108

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 42 Abs. 4 eingebracht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Dr. Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die §§ 42 Abs. 8, 43 Absätze 5 und 9 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung eines neuen § 44a sowie auf die dadurch bedingte Änderung der Abschnittsbezeichnung im I. Teil bezieht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 4 sowie 60 Abs. 6 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Z 5 in § 63 Abs. 1 beinhaltet.

Wer dafür eintritt, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 77, 87, 98, 103, 107 und 110 Abs. 2 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung neuer Absätze 2a und 7a in § 110 bezieht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend §§ 119 Abs. 6 und 121 Abs. 20 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.


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111. Sitzung / Seite 109

Die Abgeordneten Dr. Grünewald, Dr. Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung neuer Absätze 26 und 27 in § 121 bezieht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung der restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest. (Unter lang anhaltendem Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP begeben sich die Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol, Dr. Graf und Dr. Brinek zur Regierungsbank und gratulieren Bundesministerin Gehrer.)

Meine Damen und Herren! Es wurde zwar der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen, der Abstimmungsvorgang ist aber noch nicht beendet.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1225 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Na also, es geht ja! Es geht ja!)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1183 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und

über den Antrag 201/A der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und

über den Antrag 276/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch Schließen der Lücken im Krankenversicherungsschutz und

über den Antrag 75/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ersatzlose Streichung der Krankenscheingebühr und


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über den Antrag 693/A (E) der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Schutzimpfung für Feuerwehrleute (1193 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1184 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1200 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1185 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und

über den Antrag 626/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung (1199 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 1984 – LAG), BGBl. Nr. 287/1984 idF des BGBl. I Nr. XXXX/2002 geändert wird (1198 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1186 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (1197 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1187 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (1196 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr hiemit.

14.31

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir verhandeln heute die 60. ASVG-Novelle – eine ASVG-Novelle, die nach Wunsch der Regierung den Eindruck erwecken soll, dass damit die Finanzierung des Gesundheitssystems gesichert wird. Das wäre auch eine sehr wichtige Aufgabe, aber mit dieser Vorlage, die heute im Hohen Hause zu behandeln ist, wird das nicht Realität werden.

Sie werden durch diese hier vorliegende Novelle das Notwendige, nämlich die Finanzierung des österreichischen Gesundheitssystems, leider nicht erreichen. Sie haben diese Zusage schon vor mehr als zwei Jahren gemacht. Im April 2000 hat der Ministerrat ein Konzept für ein Kassensanierungspaket vorgelegt. Es ist aber im Zuge einer Änderung im Plenum vor genau


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zwei Jahren ein massives Belastungspaket für Patienten und kranke Menschen beschlossen worden.

Von nachhaltiger Finanzierung war damals keine Rede, leider kann auch von nachhaltiger Finanzierung des Gesundheitssystems durch diese Vorlage keine Rede sein. (Abg. Böhacker: Sie haben nachhaltig Schulden gemacht!)

Das sind Finanztransaktionen, die Sie hier vornehmen, Scheinlösungen und Bilanztricks, die in Wirklichkeit getätigt werden, die nicht nur von der Opposition kritisiert werden, sondern, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Vorlage ist auch massiv von Politikern und Abgeordneten der ÖVP aus Oberösterreich und Salzburg sowie von freiheitlichen Politikern aus Vorarlberg kritisiert worden. Diese haben gesagt, diese 60. ASVG-Novelle sei ausschließlich ein Budgettrick, ein Finanztrick und werde das Gesundheitssystem finanziell leider nicht absichern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Verschwendung in der Wiener Gebietskrankenkasse haben Sie ...!)

Ich weiß, dass Sie hier einem Pseudokompromiss die Zustimmung geben wollen, aber die Bevölkerung weiß natürlich, dass Sie sich über den Tisch haben ziehen lassen, dass Sie hier einer Regelung zustimmen, bezüglich derer es massive Bedenken gibt. Es gibt im Übrigen nicht nur Bedenken von Sozialdemokraten, Grünen, Teilen der ÖVP und FPÖ, sondern auch Bedenken des Rechnungshofpräsidenten, des Rechtsanwaltskammertages und von Experten der Krankenversicherung. Aber Sie wischen diese Bedenken, wie auch in der Vergangenheit, vom Tisch! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ein Riesenpfusch!)

Ich sage das mit den gleichen Bedenken wie früher: Diese heutige Novelle ist eine logische Fortsetzung (Abg. Böhacker: Ihrer Schuldenpolitik!) Ihrer verfehlten Gesundheitspolitik, Ihrer unsozialen Gesundheitspolitik! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das kann man sich nicht anhören!) Sie haben schmerzhafte Belastungen eingeführt: Sie haben die Ambulanzgebühren eingeführt, Sie haben die Rezeptgebühren erhöht (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist unerträglich!), Sie werden heute zusätzlich eine Arztbesuchsgebühr in Form der Chipkarte einführen. Alles massive Belastungen! (Abg. Mag. Hartinger: Was würden Sie tun, Frau Kollegin?)

Sie haben massive Leistungskürzungen vorgenommen; das bedeutet zum Beispiel, dass die Krankengeldfortzahlung gekürzt wird. Das trifft Schwerstkranke, Krebspatienten bekommen durch Ihre Politik in Zukunft kürzer Krankengeld ausbezahlt. (Abg. Dolinschek: Denken Sie an Ihre Belastungspakete 1996/97!) Sie haben auch Leistungskürzungen bei Zuzahlungen getätigt: für Rollstühle, Krücken, Brillen, Zahnersatz – weniger Leistungen für die Bevölkerung, Leistungskürzungen und Belastungen. Das ist Ihre Bilanz! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist beschämend! Das ist sehr beschämend!)

Es gibt aber einen Bereich, um den Sie sich sehr intensiv gekümmert haben: Das war der brutale Ausbau Ihrer Machtbastion. In diesem Bereich hat auch Geld keine Rolle gespielt. Was hat denn im Hauptverband der Sozialversicherungsträger stattgefunden? – 34 Funktionäre hat es gegeben, Hauptverband neu: 104 Funktionäre, 60 Prozent mehr Kosten! Wenn es darum geht, dass Sie sich bedienen, dann spielt Geld keine Rolle, aber bei der Bevölkerung wird gespart. (Beifall bei der SPÖ.)

Diesen Selbstbedienungsladen, siehe lukrative Sonderverträge für Herrn Gaugg – das kennen ja ohnedies bereits alle.

Aber lassen Sie mich kurz Folgendes sagen: Was ist denn die Hauptursache für die Finanzierungsschwierigkeiten die Kranken betreffend? – Die Hauptursache ist Ihre Gesetzgebung. Die Hauptursache ist die, dass die Krankenkassen in Zukunft noch mehr an Privatspitäler zahlen müssen. Die Hauptursache für die Finanzierungsnöte ist (Abg. Dr. Pumberger: Die SPÖ!), dass durch Lohnnebenkostensenkung weniger Arbeitgeberbeiträge in die Krankenversicherung fließen. Und da sagt Herr Bartenstein: Ich habe die Unternehmen entlastet. – 200 Millionen € sind bereits im Jahre 2000 durch die Senkung des Dienstgeberbeitrages zur Krankenversicherung gespart worden.


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Weniger Geld durch die Krankenkassen, durch politische Maßnahmen, die Sie im Jahre 2000 getroffen haben, das heißt: Hauptursache für die Finanzierungsschwierigkeiten ist Ihre verfehlte Gesundheitspolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur irgendwie Husch/Pfusch und Pallawatsch und Dinge, die selbst der Verfassungsgerichtshof nachher reparieren muss, das kann es nicht sein. (Abg. Großruck: Nehmen Sie Nachhilfe!) Ich habe den Verdacht, dass Sie ganz bewusst das hervorragende österreichische Gesundheitssystem schwächen wollen. Ich habe den Verdacht, dass Sie die Fundamente eines solidarischen Gesundheitssystems ganz bewusst schwächen wollen, weil Sie den politischen Weg zu einer Zwei-Klassen-Medizin einschlagen. Nur mehr die Wohlhabenden sollen den Zugang zur Erste-Klasse-Medizin haben. Das ist Ihr politisches Ziel; zu diesem Ziel sagen die Sozialdemokraten ein klares Nein.

Die Sozialdemokraten stehen nämlich für faire Chancen. Wir wollen, dass alle Menschen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsvorsorge haben. Das muss unabhängig vom Einkommen sein und nicht nur für die Wohlhabenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Man kann es kurz zusammenfassen: Die vorliegende 60. ASVG-Novelle bedeutet keine nachhaltige Konsolidierung und ist kein Beitrag zur Modernisierung des Gesundheitssystems. Es wird keine einzige Leistung ausgebaut, die zum Beispiel in der Prävention notwendig wäre.

Das ist ausschließlich eine Scheinkonstruktion und ein weiterer Beweis dafür, dass Sie immer das eine sagen und das andere tun, dass Sie von Solidarität reden und ausschließlich kranke Menschen durch Ihre Politik belasten, dass Sie von Problemlösungen reden und in Wirklichkeit permanent die Probleme verschärfen, dass Sie von Sanierung reden und in Wirklichkeit das politische Modell haben, das Gesundheitssystem in die Krise zu steuern. Sie sagen das eine und tun das andere.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich konnte bisher stolz auf sein solidarisches und modernes Gesundheitssystem sein. Seit Sie in der Regierung sind, muss Österreich Sorge um dieses gute Gesundheitssystem haben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

14.38

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Das war schon interessant: Die Bundesgeschäftsführerin der SPÖ erzählt uns etwas über Finanzierung und darüber, wie man Finanzierungsprobleme löst. (Abg. Dr. Pumberger: Da gackern ja die Hühner!) Ich bin froh darüber, dass ich das hören durfte, da kann man wirklich noch dazu lernen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Sie hat es ja geschafft! Sie kann darüber reden! – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Es ist ein Glück, dass die Finanzierung und die Verantwortung für das hervorragende österreichische Gesundheitssystem seit nunmehr über zwei Jahren nicht mehr in den Händen und in Abhängigkeit der Sozialistischen Partei ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit dieser 60. ASVG-Novelle und ihren nebengesetzlichen Änderungen gibt es natürlich Fortschritte und Verbesserungen. Das Sozialsystem ist nicht auf einen Schlag ausbaubar, sondern muss in kleinen Schritten verändert und weiter ausgebaut werden: unabhängige Heilmittelkommission, was zu einer transparenten Richtlinie führt, klare Verbesserung der Schülerunfallversicherung – das zählt aber alles nicht –, wahrscheinlich zwei Drittel höhere Unfallrenten, volle Rehabilitation und die Klarstellung, dass auch die Universitätsbediensteten im ausgliederten Bereich bei der BVA bleiben. Wir werden aber auch die Solidarität der BVA einfordern; dazu komme ich noch später.

Ebenso – ich nehme an, dass noch andere Kollegen darauf eingehen werden – ist eine Senkung der Mindestbeitragsgrundlage für die wichtigen Jungunternehmer vorgesehen. Da wird


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niemandem etwas geschenkt, aber es wird niemand mehr zahlen, als es seiner Leistungskraft entspricht. Daher werden wir auch die Solidarität der Gewerblichen Versicherung einfordern. (Abg. Silhavy: Das ist nicht richtig, was Sie sagen, Herr Tancsits!)

Meine Vorrednerin hat die Chipkartengebühr angesprochen, die ein Ersatz für die Krankenscheingebühr ist. Allerdings ist sie etwas niedriger als diese und beträgt 10 €. (Abg. Silhavy: Das hängt davon ab, wie oft ...!) Aber das sind ja alles keine Fortschritte, wenn man von den Finanzierungsgrundsätzen der SPÖ in der Sozialversicherung in Österreich ausgeht.

Nun aber zur tatsächlichen Frage: Neukonstruktion des Ausgleichsfonds. Das war das zentrale Problem. Immerhin hatten ja die Verantwortlichen für die Sozial- und Gesundheitspolitik in diesem Land vor zwei Jahren in einer Prognose von einem Abgang von 6 Milliarden Schilling auszugehen, der mit den bisher gesetzten Maßnahmen ohne Leistungskürzungen und ohne Beitragserhöhungen schon wesentlich geringer ist. Das sind wichtige Zwischenschritte, wozu man für das bisher Erreichte den Verantwortlichen in der Regierung gratulieren muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist eine gute Ausgangsposition, um auch weiterhin die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Beitragserhöhungen und ohne Leistungskürzungen sicherzustellen. Wir haben uns dabei an einem Modell orientiert, das die Sozialpartner vor nunmehr anderthalb Jahren vorgeschlagen und das die Obmänner der Gebietskrankenkassen am 28. Mai 2001 in einem einhelligen Beschluss empfohlen haben (Abg. Silhavy: Sie sagen nicht die Wahrheit!), nämlich einen entsprechenden Ausgleich durch den Rückgriff auf die Rücklagen der einzelnen Kassen und nicht durch die Erhöhung der Beiträge oder Kürzung der Leistungen durchzuführen.

Es hat einiges an Diskussion in Österreich darüber gegeben. Es wurden auch Verbesserungen erreicht: nämlich klarer Tilgungsplan, klares Vorgehen nach dem Darlehensprinzip und Gegenrechnen der eigenen Fondsbeiträge der Kassen, und jene, die durch besonders effizientes Wirtschaften nicht im Minus sind, müssen für den Strukturausgleich Gelder aus dem Fonds erhalten können. Das ist ein hoffnungsvoller Weg.

Die am meisten davon profitierende Kasse ist eigentlich die Wiener Gebietskrankenkasse, wobei ich schon fairerweise darauf hinweise, auch als Wiener Abgeordneter, dass Wien natürlich durch seine Ärztedichte als medizinisch- wissenschaftliches Zentrum besonders hohe Kosten hat, aber insgesamt müsste der Wiener Krankenkassenobmann eigentlich für die jetzt gesetzten Maßnahmen danke sagen. Was aber sagt er? – Er lehnt sie ab! (Abg. Öllinger: Das glaube ich! – Abg. Edler: Das ist ja keine Gesamtlösung!) Er fordert dazu auf, dies nicht durchzuführen, und er droht den Versicherten mit Leistungskürzungen.

Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren: Wenn die Wiener Gebietskrankenkasse genug Geld hat, um derartige Dinge zu finanzieren (der Redner hält die Zeitschrift "People" in die Höhe), ist das fragwürdig. Das ist eine Informationsbroschüre der Wiener Gebietskrankenkasse, die in all ihren Dienststellen aufliegt. Es handelt sich beim hier Abgebildeten nicht um einen europäischen Verwandten von Kim Il-sung, sondern es handelt sich um den Wiener Gebietskrankenkassenobmann Bittner, der in dieser Broschüre der Wiener Gebietskrankenkasse für Medikamente wirbt, die die Kasse nicht bezahlt, sondern die chefarztpflichtig sind, der weiters für Kurzentren wirbt, mit denen kein Kassenvertrag besteht, der schlicht und einfach den Weg in die Zwei-Klassen-Medizin öffnet (Abg. Öllinger: Schaut aber Ihnen ähnlich!) und offensichtlich die Gelder der Versicherten dafür einzusetzen gedenkt, dass er auf diese Weise eine eigene Personality-Kampagne für die Präsidentschaft des ÖGB im nächsten Jahr finanzieren lässt. (Abg. Edler: Brems dich ein!)

Das, meine Damen und Herren, lehnen wir mir Entschiedenheit ab! Wir stehen für dieses solidarische und soziale Krankenversicherungssystem, für seine Verbesserung und seinen Ausbau. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Das hat man eh gesehen!)

14.45


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

14.45

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Kollegin Bures, wenn ich mir Ihre Rede zur 60. ASVG-Novelle vergegenwärtige, die Sie vor einigen Minuten hier gehalten haben, so muss ich aus meiner Sicht feststellen, dass ich selten eine Rede im Hohen Haus gehört habe, in der so viel Unzutreffendes enthalten war. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie ist ja nicht informiert!)

Frau Kollegin Bures! Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass diese Bundesregierung keine einzige Leistung gestrichen hat! Dort, wo Leistungskürzungen erfolgten, sind sie ausschließlich auf Grund von Beschlüssen der Selbstverwaltung erfolgt und nicht auf Grund der Beschlüsse dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Kollegin Bures! Jene, die ihren Versicherten gegenüber die Leistungen besonders drastisch kürzen mussten, sind die Landesorganisationen jener Gebietskrankenkassen, die im Benchmark der Kontrollversammlung des Hauptverbandes eine besonders schlechte Struktur ihrer Verwaltungen haben. Das muss den Österreicherinnen und Österreichern endlich in aller Deutlichkeit gesagt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sehe durchaus ein, Frau Kollegin Bures, dass Sie es heute immer noch bejammern, dass Sie nach dem Wahlergebnis bei den Arbeiterkammerwahlen mit 56 Prozent nicht mehr 100 Prozent der Mandate in der Selbstverwaltung bei den Arbeitnehmern besetzen können. Dass die jetzige Besetzung der Mandate dem demokratischen Abstimmungsergebnis nicht besser entspricht als die vorherigen Ergebnisse, werden Sie mir bei einem Vergleich zwischen den Ergebnissen der Arbeiterkammerwahlen und den Prozentsätzen der Vertretungen in der Selbstverwaltung nicht klarmachen können. (Abg. Dr. Mertel: Wieso schreien Sie so mit uns, Herr Minister?) 56 Prozent und 53 Prozent sind komplementär, auch 53 Prozent und 56 Prozent Funktionäre. Genau so ist es und nicht anders, sehr geehrte Frau Kollegin Bures. (Abg. Edler: Aber nicht dort, wo Entscheidungen ...!) Vielleicht sollten Sie sich das einmal ausrechnen.

Ich sehe ein, dass es für Sie ein Nachteil ist, dass Sie nicht mehr 100 Prozent der Mandate mit knappen Mehrheiten bei den Arbeiterkammerwahlen besetzen können, aber ich sehe nicht ein, dass Sie das der österreichischen Öffentlichkeit als undemokratische Zustände verkaufen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Bures! Wenn Sie und die Sozialdemokratie an Solidarität interessiert wären, müsste es endlich eine Solidarität zwischen den Berufsgruppen und zwischen den Bundesländern geben und nicht nur eine Solidarität innerhalb der Berufsgruppen.

Ich habe eigentlich in 16 Jahren parlamentarischer Debatte, die ich als Abgeordneter verfolgt habe, immer gedacht, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, mit dem Ständestaat sehr wenig am Hut haben. Dass Sie sich aber nunmehr Solidaritätsmodelle vorstellen können, die aus dem Ständestaat herüberreichen, sehr geehrte Frau Kollegin Bures, verwundert mich leicht.

Wenn ich mir manche der Kritiken des heutigen Tages, auch von Ihren Landesreferentinnen und -referenten, ansehe, dass sie sich Landessolidaritätsmodelle vorstellen, in denen es genau diese Zwei-Klassen-Medizin gibt, die Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ablehnen, so mutet mich das seltsam an. Wie ist es anders zu verstehen, dass alle in Oberösterreich im ASVG sein sollen, die Landeslehrer und die Gemeindebediensteten aber besser gestellt sein sollen?

Sehr geehrte Damen und Herren! Für so eine Solidarität bin ich nicht zu haben – in aller Klarheit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Sehen Sie sich die Unterschiede in den Bundesländern an, sehen Sie sich die Unterschiede in den Zahlen der niedergelassenen Ärzte an! Ich sage in aller Klarheit: Wenn man sieht, dass nach Berichten des ÖBIG und der WHO in manchen Bundesländern die Zahl der niedergelassenen Ärzte bedeutend geringer ist, als sie das ÖBIG und die WHO für die jeweilige Bevölkerung pro 1000 Einwohner vorschreibt, wenn man sich auch die entsprechenden Zahlen der Gesundheitsstatistiken ansieht, so kann man doch nicht dafür sein, dass der ländliche Raum und der nichtstädtische Raum im österreichischen Gesundheitssystem weiterhin schlechter behandelt werden als der großstädtische Raum und die Ballungszentren in dieser Republik.

Jetzt ist endlich Zeit, mit dieser Zwei-Klassen-Politik aufzuhören, die sich auf Kosten des ländlichen Raumes in Österreich etabliert hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass wir den ländlichen Raum und die Lebensqualität in den kleinen Städten und Gemeinden nur dann werden stärken können, wenn wir auch die gesundheitlichen Rahmenbedingungen, die Gesundheits- und Sozialsprengel mit jenem Leben erfüllen, von dem hier im Parlament immer die Rede ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sehe nicht ein, dass in einem Bundesland wie dem Burgenland, das in seinen eigenen Verwaltungsstrukturen in der Gebietskrankenkasse Hervorragendes geleistet hat und das nach dem Benchmark der österreichischen Controllinggruppe des Hauptverbandes heute an der Spitze, was die Kriterien Sparsamkeit, Kundennähe und Patientenfreundlichkeit betrifft, die die Controllinggruppe entwickelt hat, liegt, Strukturschwächen, die auf Grund der schlechten Struktur des Burgenlandes – mehr als fünf Jahrzehnte Eiserner Vorhang, eine Bevölkerung, die auspendelt, wo die Aktiven hier in Wien, in Niederösterreich und in der Steiermark ihr Einkommen lukrieren und die Mitversicherten und die Pensionisten die Leistungen der Gebietskrankenkasse vor Ort in Anspruch nehmen – zustande gekommen sind, nicht ausgeglichen werden sollen von jenen, denen es besser geht und die eine bessere Einkommenssituation haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wer von Solidarität spricht, der sollte aus meiner Sicht eine umfassende Solidarität meinen und nicht nur Solidarität mit sich selbst, aber nicht mit den anderen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube daher, dass diese 60. ASVG-Novelle eine gute ASVG-Novelle ist. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass jene, die in der Vergangenheit die Einsparungspotentiale in ihrem Bereich gemeinsam – Patienten, Gesundheitsberufe und Träger – verwirklicht haben, eine gewisse Skepsis dahin gehend haben können, ob sie ihr Geld und ihr Einsparungspotential auch in der Form zurückbekommen.

Wir haben hier ausführliche Gespräche bis zum Schluss geführt. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist – ich nehme an, dass das eher nicht der Fall war –, alle zu überzeugen und manche Ressentiments, die noch aus der Vergangenheit herüberreichen, dass Maßnahmen des Bundes schlussendlich immer zu einer weiteren Andrehung der Beitragsschraube führen, zu zerstreuen. Faktum ist jedenfalls, dass das durch diese 60. ASVG-Novelle unterbrochen wird.

Aber ich darf auch in aller Klarheit sagen: Es hat noch nie eine Controllinggruppe gegeben, die federführend ein Controlling durchführt, wie es in der Privatwirtschaft möglich ist, und deren Bestand mit der 60. ASVG-Novelle auf fünf Jahre verlängert wird. Es hat noch nie eine entsprechende Finanzkontrolle gegeben mit genauen Finanzierungszielen, die nunmehr auch im ASVG nachvollziehbar Kriterien wie Sparsamkeit und andere Kriterien, die im ASVG von Anfang an festgeschrieben sind, endlich mit Leben erfüllen.

Was die Modalitäten betrifft, hat es noch nie die Möglichkeit gegeben, innere Kredite in der Form für finanzstrukturschwache Kassen zu bekommen, bei Veräußerung von veräußerbarem Vermögen, das nicht betriebsnotwendig und wirtschaftlich ist, auch Rückzahlungsmodalitäten, die klar definiert sind. Es gibt für mich in einem Rechtsstaat nichts Klareres als das Gesetz und die darin enthaltenen Rückzahlungsverpflichtungen, die klar und deutlich umschrieben sind,


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wobei finanzwirtschaftliche Instrumente zur Kontrolle und zur Überprüfung zur Verfügung stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es kann mir keiner vorwerfen, dass ich in jenen 19 Monaten, in denen ich dieses Amt bekleide, dort, wo es sinnvolle, bessere und günstigere Kreditmöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt gegeben hat, mit meinen Aufsichtsbehörden nur ein einziges Mal einer schlechteren Kreditaufnahme das Wort geredet habe. Aber ich verlange mit der gleichen Konsequenz auch, dass die Sozialversicherungsträger, die wie Banken in der Lage sind, sich jeden Tag umzuschulden, diese gesetzlichen Möglichkeiten, die sie seit Jahren und Jahrzehnten haben, lukrieren und nutzen. Sie sollten auf der einen Seite nicht Kredite aufwerten und ihre Darlehensleistungen senken und auf der anderen Seite Rücklagen, die sie haben, besser anlegen, als sie sie in der Vergangenheit angelegt haben. Ich glaube, es würde dem Hauptverband und sehr vielen Trägern nicht schaden, wenn sie ein besseres und akkurateres Finanzmanagement hätten, weil da mehrere Millionen Schilling für die Versichertengemeinschaft zu lukrieren wären.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben einen Hauptverband und Sozialversicherungsträger übernommen, die im Bereich der EDV-Organisation teilweise potemkische Dörfer errichtet hatten. Wir mussten feststellen, dass Programme, die auf Grund der Umstellung auf das Jahr 2000 zeitgerecht hätten abgeschlossen sein sollen, 2001 noch immer nicht umgestellt waren und vermutlich auch 2002 nicht fertig werden. Wir haben Vergaben im EDV-Bereich übernommen, die rechtsanhängig waren, wodurch uns mehrmonatige Verzögerungen ins Haus stehen. Wir haben EDV-Systeme übernommen, die nicht vernetzt waren, also keine Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den Trägern geboten haben, wodurch das Lukrieren von Einsparungspotentialen nicht möglich war, auch nicht die elektronische Abrechnung mit allen Partnern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Allein auf Grund der Einführung der Chipkarte liegt nach Angaben der Wirtschaft für die Wirtschaft ein Einsparungspotential von 250 bis 360 Millionen Schilling auf dem Tisch, nach Angaben der Ärztekammer für die dortigen Gesundheitsberufe ist ein Einsparungspotential von 240 bis 260 Millionen Schilling jährlich möglich, für die Träger in gleichem Ausmaß nochmals. Angesichts dieser Zahlen wäre es meiner Ansicht nach höchst sinnvoll, wenn alle Träger und alle EDV-Verantwortlichen die engagierten EDV-Planungen dieser Bundesregierung zeitgerecht umsetzten, um innerhalb des Systems Millionenbeträge in Euro freizumachen, womit Gesundheitsleistungen finanziert werden könnten, anstatt auseinander driftende EDV-Programme weiterzuentwickeln, die das System noch inkompatibler, noch unübersichtlicher und damit noch teurer machen.

Ich glaube daher, dass diese 60. ASVG-Novelle mit ihren Rahmenbedingungen ein wichtiger Schritt ist. Ich sehe schon ein, dass sie manche Gewohnheiten innerhalb des Systems massiv in Frage stellt und manche innerhalb des Systems auch massiv beunruhigt, wenn man endlich mit Managementmethoden der Privatwirtschaft auch in der Selbstverwaltung zu rechnen hat.

Meiner Ansicht nach ist die Neugestaltung des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger der bessere Weg als die Alternative, die lauten würde: in der heutigen Situation, in der wir wissen, dass wir Einsparungspotentiale in den nächsten zwei bis vier Jahren lukrieren können, Erhöhung aller Beiträge in das gesamte Sozialversicherungssystem, um die finanzschwachen Träger über die Runden zu bringen. Das würde eine Belastung für die Bundesländer, für den Wirtschaftsstandort Österreich insgesamt und für jeden einzelnen Beitragszahler bedeuten, was aus meiner Sicht in der heutigen Wirtschaftssituation Europas für den Wirtschaftsstandort Österreich, damit aber auch für die Arbeitsplätze und die Qualität des Gesundheitssystems bedeutend gefährlicher wäre als die Neuregelung des Ausgleichsfonds innerhalb der Sozialversicherungsträger.

Dass darüber hinaus im vorliegenden Paket der 60. ASVG-Novelle auch wichtige Verbesserungen für die Bevölkerung enthalten sind, übersehen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, in Ihrer Diskussion gänzlich. Ich darf etwa daran erinnern, dass die Bundesregierung bereit ist, Menschen, die die Pflege von Angehörigen übernehmen, ab der Pflegestufe 3 und nicht wie bisher ab der Pflegestufe 4 die Inanspruchnahme von Sozialver


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sicherung und Pensionsversicherung zu ermöglichen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir mit der Einrichtung einer unabhängigen Heilmittelkommission dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mehrere Milliarden Schilling an Retorsionszahlungen ersparen, die auf Grund einer Klage aus dem Jahre 1996 zu bezahlen gewesen wären.

Ich darf Sie daran erinnern, dass ich auch in der Steiermark durch die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalt der Betriebskrankenkasse Pengg mit der Krankenversicherung des österreichischen Bergbaus nicht nur eine gute Lösung für die Versicherten, sondern auch eine gute Lösung im Sinne der Verwaltung gefunden habe, weil dieser Personenkreis – etwa 2 500 Versicherte – heute schon in den Computern der Krankenversicherung des österreichischen Bergbaus gespeichert ist, dort erfolgt auch die Abwicklung, und es sind auch die passenden Strukturen vorhanden.

Ich darf darauf hinweisen, dass in der 60. ASVG-Novelle auch die Absenkung der Bemessungsgrundlage für die Unfallversicherung enthalten ist – ein Vorteil für Gewerbetreibende, Schüler und Studenten, der von der AUVA getragen wird.

Ich darf des Weiteren darauf hinweisen, dass in diesem Bereich neben den erwähnten Angelegenheiten innerhalb des Hauptverbandes auch noch ein einheitlicher Vollzug im Meldewesen, im Versicherten- und im Beitragswesen als weitere Steigerung der Verwaltungsökonomie enthalten ist.

Ich darf darauf hinweisen, dass eine Anhebung der Amtsdauer der Controlling-Gruppe im Hauptverband von zwei Jahren auf fünf Jahre erfolgt, wodurch Kontinuität geschaffen wird, damit aber auch die Sicherheit, dass dieses Controlling effizient weitergeführt wird.

Ich darf darauf hinweisen, dass wir auch etwas Unpopuläres machen mussten, nämlich die Einhebung einer Gebühr von 10 € bei Einführung der Chipkarte beschließen. Aber auch das gehört dazu: dort, wo es notwendig ist und die Einsparungspotentiale durch die Strukturänderung nicht ausreichend sind, die Mittel im System zu halten und das System schlussendlich auf dem hohen österreichischen Niveau zu stabilisieren.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Bundesminister! Ich mache darauf aufmerksam, dass wir um 15 Uhr eine Dringliche Anfrage behandeln, und bitte Sie daher um Ihren Schlusssatz.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Ich darf auch darauf hinweisen, dass es in dieser ASVG-Novelle noch eine ganze Reihe von Verbesserungen gibt, die ich Ihnen gerne im Anschluss an die Debatte zur Dringlichen Anfrage und zur Erklärung des Herrn Bundeskanzlers noch näher erläutern werde, denn eine Debatte ausschließlich über den Ausgleichsfonds ist mir eine zu verkürzte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 8 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Martin Graf, Mag. Martina Pecher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Forschung und Technologie – sichern Arbeitsplätze und stärken den Wirtschaftsstandort (4190/J)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4190/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung.


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Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Bedeutung von Forschung und Entwicklung in Hinblick auf nachhaltige Standortsicherung, die Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie die Stärkung der Wirtschaftskraft nimmt immer mehr zu. Die Multiplikatoreffekte, die von Investitionen und Aufwendungen im Bereich Forschung und Technologie, insbesondere hinsichtlich der Umsatzentwicklung der heimischen Unternehmen sowie der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze ausgehen, sind unbestritten. Der sogenannte Förderungsmultiplikator zeigt an, wie hoch die durch ein Forschungsprojekt zusätzlich akquirierten Umsätze im Verhältnis zu den eingesetzten Forschungskosten sind. So ergibt beispielsweise ein Förderungseuro bei geförderten FFF-Projekten rund 23 zusätzliche Umsatzeuros, wie entsprechende Berechnungen des Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft zeigen.

Trotz dieser Erkenntnisse wurde es von dem seinerzeit zuständigen sozialistischen Wissenschaftsminister verabsäumt, eine nachhaltige Forschungs- und Technologiepolitik  – nicht zuletzt im Sinne der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze – in der Realität umzusetzen.

Anstatt effektive Maßnahmen einzuleiten, ließ der zuständige sozialistische Bundesminister wertvolle Zeit ungenützt verstreichen, und beließ es bei bloßen Ankündigungen.

Die Aussage des damaligen sozialistischen Bundeskanzlers Klima vom 18.11.1998 (OTS213): "Forschung ist eine Investition in die Zukunft. Was wir heute in die Forschung und Entwicklung investieren, erhalten wir für kommende Generationen mehrfach durch Fortschritt und Beschäftigung wieder zurück," ist angesichts der damaligen Untätigkeit als blanker Zynismus zu bezeichnen.

Entgegen der verantwortungslosen sozialistischen Ankündigungspolitik hat diese Bundesregierung die Konsequenzen gezogen und endlich den jahrelangen Ankündigungen Taten und Maßnahmen im Bereich Forschung und Technologie folgen lassen.

Hiedurch war es möglich, das im Regierungsprogramm vom Februar 2000 festgeschriebene Ziel einer Forschungsquote von 2,0 % des BIP bis zum Jahr 2002 mit einer Quote von 1,91 % bereits ein Jahr früher annähernd zu erreichen.

Im ersten Jahr dieser Koalitionsregierung konnte Österreich mit 1,79 % F&E-Ausgaben erstmals zum EU-Durchschnitt aufschließen und mit 1,38 % F&E-Personalanteil den EU-Durchschnitt sogar übertreffen. Die für 2001 erhobene F&E-Quote von 1,91 % zeigt, daß durch die Maßnahmen der Bundesregierung die Dynamik der F&E-Entwicklung fortgesetzt werden konnte.

Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß gerade die österreichischen KMU im EU-Vergleich einen sehr hohen Innovationsgrad aufweisen. Gemäß einer EU-Innovationserhebung liegt Österreich bei der Anzahl der innovativen KMU auf dem 2. Platz in der EU (Österreich 59,1 %, EU-Durchschnitt 44 %). Dazu kommt noch, daß die mittelständischen Unternehmen des produzierenden Sektors auch bei Innovationskooperationen über dem EU-Durchschnitt liegen. Österreichische KMU führen schwerpunktmäßig ihre F&E-Tätigkeiten vor allem im Bereich der experimentellen Entwicklung durch.

Trotz dieser Erfolgsbilanz der Bundesregierung erfordern die zunehmende Bedeutung von Forschung und Technologie für Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichen Fortschritt sowie die Herausforderung eines rasch entstehenden europäischen Forschungsraumes eine Weiterentwicklung der Forschungspolitik. Die Forschungs-, Innovations- und Technologiepolitik macht klare Rahmenbedingungen und Kompetenzen im nationalen wie auch im internationalen Bereich notwendig. Mittelfristige Planungssicherheit, verstärkte Ergebnisorientierung und die Erstellung eines langfristigen Finanzierungsplanes sind unabdingbare Kriterien für eine zukunftsorientierte und von Nachhaltigkeit getragene Forschungs- und Förderungspolitik der Zukunft.

Aufbauend auf den bereits erfolgten Maßnahmen erscheint es darüber hinaus unabdingbar, daß die im FTI-Bereich tätigen Institutionen in einer zeitgemäßen, übersichtlichen und kunden


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orientierten Struktur zusammengefaßt und die Koordination und Abstimmung zwischen nationalen und internationalen Technologieprogrammen verbessert werden.

Darüber hinaus ist es notwendig, eine zentrale Strategie-, Finanz- und Steuerungskompetenz im FTI-Bereich aufzubauen, sowie die Kompetenzen von FTI-Infrastrukturbeteiligungen zu bereinigen.

Die wesentlichen Versäumnisse der sozialistischen Forschungspolitik erfordern es, die im Jahr 2000 von dieser Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen im Bereich Forschung und Technologie mit Nachdruck weiterzuverfolgen, um die aktuellen Herausforderungen des europäischen Forschungsraumes, basierend auf den Beschlüssen des Rates von Barcelona, auch tatsächlich bewältigen zu können. Die Dringlichkeit von nachhaltigen Reformen im Forschungsbereich wird insbesondere auch durch die nunmehr zur Beschlußfassung anstehende Universitätsreform bekräftigt. In diesem Zusammenhang sind unter anderem die Förderinstrumente zu adaptieren bzw. zu evaluieren und an die Herausforderungen der geänderten Wissenschaftslandschaft anzupassen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die nachstehende

Dringliche Anfrage

1. Welche Maßnahmen haben Sie als Bundesminister im Bereich Forschung und Technologie gesetzt, um der zunehmenden Bedeutung von F&E gerecht werden zu können?

2. Wie beurteilen Sie den Stand der österreichischen Forschungspolitik im europäischen Vergleich?

3. Welche Maßnahmen planen Sie um eine Steigerung privater F&E Ausgaben zu erreichen?

4. Beabsichtigen Sie Maßnahmen zu setzen, um ein verbessertes Monitoring und eine Evaluierung im Forschungsbereich zu erreichen?

5. Planen Sie die Ausweitung von internationalen bzw. europäischen Forschungskooperationen?

6. Welchen Stellenwert räumen Sie den Beteiligungen Österreichs an internationalen bzw. europäischen Forschungskooperationen im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Österreichs ein?

7. Welche Maßnahmen planen Sie zur Verbesserung der Koordination und Abstimmung zwischen nationalen sowie internationalen Technologieförderprogrammen im Einflußbereich Ihres Bundesministeriums?

8. Welche Maßnahmen gedenken Sie in Richtung einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Bundesländern im Bereich F&E zu setzen?

9. Wie beurteilen Sie die außeruniversitäre wirtschaftsbezogene Forschungsinfrastruktur im Hinblick auf die Herausforderungen des europäischen Forschungsraumes?

10. Wie beurteilen Sie die bisherigen Tätigkeiten des Rates für Forschung und Technologieentwicklung?

11. Welche Maßnahmen planen Sie im Einflußbereich Ihres Bundesministeriums um für die im FTI-Bereich tätigen Institutionen eine zeitgemäße und effiziente Struktur erreichen zu können?

12. Welche Maßnahmen gedenken Sie im Hinblick auf die Notwendigkeit des Aufbaues einer zentralen Strategie-, Finanz- und Steuerungskompetenz im FTI-Bereich zu setzen?


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13. Welche forschungsbezogenen Schritte zur Stärkung der KMU´s haben Sie bereits gesetzt bzw. gedenken Sie noch zu setzen?

14. Werden Sie Maßnahmen setzen, um die Synergien zwischen Ihren Zuständigkeiten im Verkehrs- und Innovationsbereich noch besser zu nutzen?

15. Welche Bedeutung messen Sie dem Projekt "Forschung-Technologie-Marketing" bei?

16. In welchen F&E-Bereichen sehen Sie besondere Chancen für die österreichische Wirtschaft und Wissenschaft?

In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Graf als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung das Wort. Redezeit: 20 Minuten. (Abg. Gradwohl: Die ist so "wichtig", die Dringliche, dass nicht einmal der Minister da ist!)

15.02

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Der heutige Tag steht ganz im Zeichen der Wissenschaft. Um dieses Zeichen auch nach außen sichtbar zu machen, beschäftigen wir uns heute allumfassend mit der Wissenschaft. Mit Lehre, Bildung und einem Teil der Forschung haben wir uns heute schon beschäftigt. Nunmehr sehen wir es als dringlich an, auch jenen Teil der Forschung, der sich um die außeruniversitäre Forschung, um die wirtschaftsnahe Forschung, um die Technologie dreht, näher zu beleuchten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat sich wie schon die Bundesregierungen davor der Förderung der Forschung, der Technologie und der Innovation verschrieben, mit dem einzigen Unterschied, wie wir heute nach einer durch sämtliche Forscher, aber auch durch Parlamentarier, die sich dieses Bereiches annehmen, durchgeführten Evaluierung schon feststellen können: dass so viel Geld wie noch nie für Forschung, Technologie und Innovation eingesetzt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die magische Grenze der Zwischenmarke einer Forschungsquote von 2 Prozent gemessen am BIP ist nahezu erreicht. Die öffentliche Hand, insbesondere der Bund, hat den Beitrag geleistet, der erwartet wurde. Eben aus diesem Grunde ist es notwendig, nunmehr an die weiteren Schritte zu denken.

Wir sind auf gutem Weg. Diese Bundesregierung hat 509 Millionen €, also 7 Milliarden österreichische Schilling, als Sondermittel zur Verfügung gestellt, die über Empfehlungen des Rates für Forschung und Technologieentwicklung in dieser Periode nicht nur bereitgestellt werden, sondern bereits im Vergabestadium sind.

Netzwerke, Menschen, Wissenschaftler, Forscher sind der Motor für Forschung, Technologie und Innovation. Netzwerke, Strukturen wurden geschaffen, um letztendlich diesen enormen Betrag, den wir hiefür bereitgestellt haben, abzuarbeiten. Wir haben ausgezeichnete Forscher und Forschungseinrichtungen, aber wir haben nach wie vor auch Defizite.

In der Europäischen Union sind die Entscheidungen gefallen. Das 6. Rahmenprogramm ist beschlossen. Nunmehr müssen wir innerstaatlich dringlich darangehen, zu strukturieren und die Förderinstrumente zu organisieren.

Die österreichische außeruniversitäre Forschungslandschaft muss vorbereitet werden, um die Zugangsvoraussetzungen der kleinen und mittleren Unternehmungen, der orientierten For


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schungsunternehmen für die Teilhabe an den Großforschungsprojekten der Europäischen Union effizienter zu gestalten.

Die Budgetmittel, die allein im Rahmen der Förderinstrumente zur Verfügung gestellt wurden, können sich sehen lassen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein vom Budgetjahr 2000 auf 2001 wurden die Mittel im FFF um 26,47 Prozent erhöht und im FWF um 28,15 Prozent, und in den Folgejahren wurden ähnliche Steigerungen vorgenommen, sodass in den letzten drei Jahren eine durchschnittliche Steigerung von jährlich 10,34 Prozent beim FFF und von 12,2 Prozent beim FWF zu verzeichnen ist. Daran sehen wir, dass wir tatsächlich auf dem richtigen Weg sind, auch da die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Was jetzt noch fehlt, ist, dass wir die Klein- und Mittelbetriebe, die Wirtschaft, die Industriebetriebe motivieren oder stimulieren, sodass auch die Wirtschaft letztendlich ihren Beitrag dazu leistet, dass das sehr ambitionierte Ziel, nämlich bis zum Jahr 2005 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung, Technologie und Innovation zu verwenden, erreicht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Niederwieser! Ich nehme an, Sie werden dann noch zu diesem Thema sprechen. Sie werden die Zahlen nicht entkräften können, Sie müssen sie bestätigen.

Allein im Ressort des Bundesministers Reichhold, also im BMVIT, wurden 225,17 Millionen € als Sondermittel für die wirtschaftsnahe, aber auch außeruniversitäre Forschung bereitgestellt. Das ist gerade im Zusammenhang mit der heute beschlossenen Universitätsreform eine sehr gute Zahl, weil ein Großteil dieser Gelder letztendlich auch über die Universitäten und über die Menschen, über die Forscher und Wissenschafter abgearbeitet und von diesen verwendet wird. Es werden hervorragende Leistungen erzielt, die uns auch helfen, international – wir haben proklamiert, dass wir es so haben wollen – zumindest in sechs Bereichen unter die Top 6 und in drei Bereichen der Forschung, Technologie und Innovation unter die Top 3 in Europa zu kommen. Wir sind auf dem richtigen Weg dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie ich bereits gesagt habe, ist es nunmehr äußerst dringlich, dass wir die Förderinstrumente, aber auch die Infrastruktur der Forschungslandschaft dort, wo öffentliche Gelder zum Einsatz kommen, neu strukturieren und eine neustrukturierte Forschungslandschaft bereitstellen, um den Klein- und Mittelbetrieben den Zugang zu den Großprojekten, die über die EU mit neuen Geldern finanziert werden, letztendlich auch in Österreich zu ermöglichen.

Da dürfen wir jetzt keine Zeit verlieren. Sie sind aufgerufen, gemeinsam mit den Sie auch beratenden Institutionen, wie Sie es schon in Auftrag gegeben haben, einen Generalinnovations- und -technologieplan für Österreich auszuarbeiten. Es ist aber auch notwendig, dass die Förderinstrumente neu strukturiert und adaptiert werden, in die Gesamtheit mit eingebunden werden und dass erstmalig für die Zukunft – das ist in der Vergangenheit leider eben nicht passiert – eine Evaluierung dieser Förderinstrumente in begleitender und nachhaltiger Form vorgenommen wird, damit man letztlich auch den Bedarf ständig anpassen kann.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage eine Vielzahl von Fragen an Sie gestellt, um ganz einfach auch dem interessierten Publikum der Abgeordneten einmal darzustellen, wie die Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik Ihres Ressorts in den nächsten Jahren aussehen soll, und die Gelegenheit wahrzunehmen, die neuen Strukturen vorzustellen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben heute in der Diskussion über die Universitätsreform gehört, dass lediglich Forschung, Technologie und Innovation nachhaltig und dauerhaft neue Arbeitsplätze schaffen – und dies ist nicht nur ein Schlagwort. Gerade in einem kleinen Land wie Österreich müssen wir in diesem Bereich schneller sein als große Länder, um die Herausforderungen der Zukunft annehmen zu können.


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Wir haben hervorragende Wissenschafter, wir haben hervorragende Forscher, wir müssen sie nur in den Netzwerken, die schon vorhanden sind, effizient zum Einsatz bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bin mir sicher, dass wir mit den geplanten Initiativen auch in Ihrem Ressort einer guten Zukunft entgegengehen, und ersuche Sie um Beantwortung der Fragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erteile ich nunmehr dem Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie das Wort. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.11

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wie in der Einbegleitung dieser Dringlichen Anfrage schon dargestellt wurde, wird im Rahmen des 6. EU-Rahmenforschungsprogramms der Zugang zu Förderungen für die kleinen und mittleren Unternehmungen erschwert werden. Die Projekte werden größer, und die internationalen Kooperationen werden gefragter. Die österreichische Forschungslandschaft ist aber für diese neuen Herausforderungen nicht richtig gerüstet.

Die Struktur in Österreich ist nicht mehr zeitgemäß, vor allem hinsichtlich der schwierigen Zielsetzungen, die uns die Europäische Union mit auf den Weg gegeben hat. Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass ich in meiner Antrittsrede, also zu Beginn meiner Tätigkeit vor wenigen Monaten, hier in diesem Hohen Haus schon darauf hingewiesen habe, dass es in diesem Bereich einen Reformbedarf geben wird und dass Maßnahmen im Bereich Forschung und Entwicklung ganz wichtige politische Maßnahmen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt eine Vielzahl von Förderungseinrichtungen, die derzeit wenig übersichtlich und wenig transparent sind. Es gibt wenige Kooperationsnetzwerke, insbesondere mit internationalen Forschungseinrichtungen. Hinzu kommt noch, dass viele dieser Programme zu wenig evaluiert sind – nur 20 Prozent der gesamten Forschungsprogramme werden überhaupt auf ihre Effizienz hin bewertet –, was natürlich dazu führt, dass die eingesetzten Forschungsförderungsmittel nicht die gewünschte Hebelwirkung entfalten.

Das ist ein österreichisches Spezifikum, das wir zu ändern haben. Ich denke nur allein an die außeruniversitäre Forschung im Rahmen unseres Hauses, des BMVIT: Wir haben derzeit sieben Gesellschaften, 14 Untergesellschaften, unzählige Beteiligungen in den Ländern, sehr viele Kompetenzzentren, in die wir auch unseren Impuls und Input einbringen. Das kann dazu führen, dass im Rahmen der veränderten Bedingungen in Europa die Fokussierung auf wenige Schwerpunkte vernachlässigt wird und somit die entsprechende Effizienz auf europäischer Ebene nicht erreicht wird.

Das sind Maßnahmen, die wir jetzt rasch reformieren müssen. Das sind Maßnahmen, die schon längst hätten reformiert werden sollen, und es wird auf Grund der österreichischen Tradition, die sich in der Forschungswelt entwickelt hat, sicher keine leichte Aufgabe werden, diese Reformmaßnahmen umzusetzen.

Allein in meinem Ressort gibt es den FFF, den FWF, den ITF, die TIG, die ASA, das BIT, das ARC und verschiedene andere Beteiligungen, von denen ich schon gesprochen habe. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da gibt es einfach Handlungsbedarf. Da müssen wir bündeln – das hat auch Herr Abgeordneter Graf in seiner Einbegleitung schon gemeint –, da muss es einfach eine bessere Fokussierung auf die Schwerpunkte geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Rechnungshof kritisiert die derzeitige Situation auch in seinen Berichten, und er spricht davon, dass es viele Einzelideen und wenig Programmdesign gibt, dass sich im Laufe der Jahre


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sehr viele Parallelstrukturen aufgebaut haben und dass ähnlich wie in anderen europäischen Staaten auch in Österreich sehr viele Doppelgleisigkeiten vorhanden sind.

Ziel dieser Bundesregierung ist es, die 7 Milliarden Schilling, die zusätzlich in die Forschung gepumpt werden, so einzusetzen, dass die Hebelwirkung in der Wirtschaft möglichst groß ist und dass die Effizienz dieser Mittel auch eine entsprechende Wirkung in der Wirtschaft erzielt.

Wir haben auch inhaltlich versucht, uns den europäischen Herausforderungen anzupassen. Es gibt sehr viele Programme, die erst vor kurzem im Rahmen des so genannten "Big Bangs" zur Ausschreibung gekommen sind. Das ist auch eine großartige Leistung unserer Mitarbeiter, denen ich einmal von dieser Stelle aus danken möchte (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), weil sie über ihre dienstlichen Verpflichtungen hinaus mit großem Engagement auch inhaltlich tätig sind.

Was die strukturellen Maßnahmen betrifft, so hat es eine ganze Reihe von Vorgesprächen und Vorberatungen auch in unserem Haus gegeben; ich denke da an den industriepolitischen Ausschuss, an die vielen Gespräche, die ich in der Zwischenzeit mit den Vertretern des Rates für Forschung und Technologieentwicklung geführt habe, und an die vielen Gespräche, die auf Expertenebene stattgefunden haben. All diese Gespräche mündeten in einen Ministerratsvortrag, der bereits am 14. Mai dieses Jahres beschlossen wurde und das Ziel hat, diese Bündelung im außeruniversitären Forschungsbereich auch zu erreichen.

Ähnliches haben auch Finanzminister Grasser und Minister Bartenstein angestrebt. Auch sie wollen eine übersichtliche Forschungsförderungs- und Wirtschaftsförderungslandschaft in Österreich schaffen. Bezüglich jener Entwicklung, die mit dem Schlagwort "One-Stop-Shop" bezeichnet wird, glauben wir, dass dies eine Serviceleistung für die Wirtschaft sein wird, um auch im Konzert der europäischen Mitgliedstaaten mithalten zu können.

Die Ziele unserer Strukturierungsmaßnahmen sind klar umrissen: Schaffung einer übersichtlichen, kundenorientierten und effizienten Struktur, Verbesserung der Koordination und Abstimmung zwischen nationaler Programmförderung und den internationalen Technologieprogrammen, Aufbau der notwendigen Programm- und Institutionenevaluierung, Kompetenzbereinigung von FTI-Infrastrukturbeteiligungen und neue Schwerpunktsetzungen im Zusammenwirken mit den Bundesländern, Harmonisierung der Förderungsstrukturen und -abläufe, Vermeidung von Doppelgleisigkeiten, Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Bundesländer und Einrichtung eines Förderkompasses.

Die Projektarbeit ist derzeit im Laufen. Es wird morgen Vormittag eine große Projektgruppe tagen, die sich aus verschiedensten Vertretern der Forschungslandschaft und der ministeriellen Einrichtungen zusammensetzt. Wir gehen davon aus, dass nach dieser morgigen Sitzung auch die Eckpunkte für diese Reform stehen werden, sodass im Herbst bereits ein entsprechender Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht werden kann und die Zielsetzungen, von denen ich vorhin gesprochen habe, auch legistisch verankert werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der operative Start dieses neuen Modells ist mit 1. Jänner 2003 geplant.

Hohes Haus! Nun komme ich zur Beantwortung der in dieser Dringlichen Anfrage gestellten Fragen. (Abg. Edler: Sind sie dringlich?) – Sehr!

Zur Frage 1:

Ich habe bereits in meiner Antrittsrede darauf hingewiesen, wie wichtig die Forschung und Entwicklung in unserem Land ist, und habe seit meinem Amtsantritt folgende Maßnahmen gesetzt:

Zunächst einmal wurde ein gebündelter Start von neun Programmlinien veranlasst:

Zum ersten Thema, "Nachhaltigkeit und Ökologie", sind insbesondere zwei Programme zu erwähnen: das "Haus der Zukunft" und die "Fabrik der Zukunft".


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Der zweite Bereich ist eine Programmlinie zum Thema "Informationstechnologieprogramm".

Der dritte Bereich umfasst den gesamten Verkehrsbereich. Das ist eine Programmlinie, die insofern auch ressortübergreifend wirkt, als innovative Systeme im Bereich der Bahn erforscht werden, intelligente Infrastruktur im Bereich der Telematik und automotive Technologien im Programm A3 angedacht werden. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Bereich, der vor allem Österreich als Binnenland in den Vordergrund stellt, und wir können auch darauf verweisen, dass die wirtschaftliche Kraft im Bereich des Verkehrswesens und der Verkehrsindustrie im Durchschnitt eine viel größere ist als jene im Bereich anderer Industrien in Österreich.

Eine vierte große Programmlinie wird mit dem Luftfahrtprogramm eröffnet, eine fünfte mit dem Satellitennavigationsprogramm und den Anwendungen der Satellitennavigation und eine weitere mit der Weltraumtechnologie, wo Österreich in Nischen heute schon Weltmarktführer, Global Player ist. Ich glaube, wir sollten auf unsere Kompetenzen, auf unsere Stärken aufbauen.

Es gibt dann ein weiteres Programm, das seit meinem Amtsantritt sozusagen in die Wege geleitet wurde: Das ist die dritte Ausschreibung für das Kompetenzzentrenprogramm "K plus". Weiters gibt es das Gründerzentrenprogramm "A plus B", und ich habe erst gestern das Fachhochschulprogramm "FH plus" sowie "REG plus" unterschrieben. Das heißt, dass insgesamt 120 Millionen € sozusagen auf die Reise geschickt werden, und das wird einen kräftigen Impuls für die österreichische Wirtschaft nach sich ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im Bereich der Forschungsinfrastruktur soll es eine klare Zielsetzung für alle Forschungseinrichtungen in Österreich geben, die meinem Haus unterstehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass in Seibersdorf ein sehr hoher Sanierungsbedarf gegeben war, dass Seibersdorf mittlerweile saniert ist, dass viele Maßnahmen notwendig waren, die auch auf legistischer Ebene eingeleitet worden sind, um diesen Sanierungsprozess zu erreichen. Der neue Vorstand wurde von mir beauftragt, klare Zielsetzungen, auch strategische Zielsetzungen zu formulieren, um auch im Konzert der österreichischen Forschungseinrichtungen mithalten zu können. Ich erwarte mir entsprechende konkrete Vorschläge im Herbst dieses Jahres.

Zur Frage 2: "Wie beurteilen Sie den Stand der österreichischen Forschungspolitik im europäischen Vergleich?"

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass zwar im europäischen Benchmarking die KMUs sehr gut abschneiden – da liegen wir an zweiter Stelle –, dass aber im Bereich der industriellen Forschung Österreich einen gewaltigen Aufholbedarf hat. Das hängt damit zusammen, dass die österreichische Industrie lange Zeit sehr grundstofforientiert war, und es wird hier auf Grund der von uns geplanten Reformschritte in der außeruniversitären Forschung auch eine Wende geben.

Zur Frage 3: "Welche Maßnahmen planen Sie, um eine Steigerung privater F&E-Ausgaben zu erreichen?"

Das ist eine Frage, die mit Frage 2 korrespondiert. Wir wollen mittels gezielter Projektförderungen im Rahmen des FFF diese Steigerung erreichen. Wir haben auch Programmförderungen in unserem Ressort neu konzipiert, wie etwa das Programm "K plus". Ich möchte schon darauf hinweisen, dass es mittlerweile gelungen ist, in 18 "K plus"-Zentren flächendeckend in Österreich über 300 österreichische und internationale Firmen zu bündeln, die sehr eng  (Abg. Gradwohl: Wie lange gibt es "K plus" schon?) – Das gibt es schon länger, aber es wird von uns noch einmal stark unterstützt und auch reformiert, weil es gerade in den "K plus"-Zentren – Sie haben diesen Zwischenruf gemacht – viele Doppelgleisigkeiten gibt, die ich abstellen werde, die ich abstellen muss, weil es sonst nicht möglich ist (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), den neuen Anforderungen, die die Europäische Union an uns stellt, auch gerecht zu werden.

Ich kann Ihnen sagen, ich werde keine Rücksicht auf irgendwelche politischen oder sonstigen Seilschaften nehmen, die sich offenbar am Förderungstopf bedienen wollen. Es muss zu einer


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klaren Ausrichtung und auch zu einer klaren Schwerpunktsetzung kommen. Ich kann Ihnen sagen, weniger ist oft mehr; und da sind unsere Instrumente gefordert, um auch entsprechende Maßnahmen zu erreichen.

Die Förderung von Unternehmensgründungen durch Frühphasenfinanzierungen über das Programm "Seedfinancing" gibt es auch schon länger. Auch da ist es zur Gründung von 117 neuen High-Tech-Unternehmen gekommen. Aber gerade in diesem Bereich möchten wir ansetzen, um die Reformen rasch zu verwirklichen.

Zur Frage 4:

Es gibt bereits einheitliche Richtlinien für die Projektevaluierung und für die entsprechenden Auswahlverfahren von eingereichten Projekten. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe, der wir uns mit großer Aufmerksamkeit widmen werden. Natürlich können diese Evaluierungsmaßnahmen erst dann ihre Wirksamkeit entfalten, wenn es zur Gründung beziehungsweise Installierung dieser neuen Einrichtungen kommen wird.

Zur Frage 5:

Die österreichischen Beteiligungen sind in internationalen Forschungsprogrammen verankert. Wir bemühen uns auch sehr stark um Projektkooperationen, insbesondere im Rahmen der beiden internationalen Forschungsprogramme EUREKA und COST.

Zur Frage 6:

Es ist wichtig für uns, dass der Stellenwert der europäischen Forschungskooperationen richtig eingeschätzt wird. Sie sind natürlich eine Aufwertung für den österreichischen Wirtschaftsstandort, und Österreich hat sich im Rahmen des internationalen Standortwettbewerbes auch durchzusetzen. Deshalb ist ein attraktives F&E-Umfeld immer wichtiger. Das bedeutet, dass der österreichische Forschungsstandort auch von internationalen Konzernen hoch geschätzt wird, und zwar deshalb, weil es auch eigene Förderungsprogramme geben soll, um Headquarters in Österreich anzusiedeln und auch den steuerlichen Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Sie wissen ja, diese Regierung hat es möglich gemacht, dass Forschung und Entwicklung steuerlich besser behandelt wird, als es im europäischen Benchmarking üblich ist.

Zur Frage 7:

Wir haben dieses Jahr bereits große Erfolge bei der Rückholung von europäischen Forschungsmitteln erreicht. Wir haben auch vergangenes Jahr feststellen können, dass 100 Prozent der von Österreich eingezahlten Mittel aus der Europäischen Union zurückgeholt werden konnten.

Das 6. Rahmenforschungsprogramm ist natürlich eine ungleich schwierigere Aufgabe, da, wie bereits erwähnt, zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit Europas im Rahmen der Globalisierung vor allem Großprojekte gefördert werden, und Österreich wird mit dieser neuen Struktur und mit einer völlig neuen inhaltlichen Ausrichtung der Forschung punkten können.

Zur Frage 8:

Zwischen Bund und Ländern gibt es sehr viele und sehr intensive Gespräche. Wir werden möglicherweise im Herbst noch mit den Ländern zu einer Einigung gelangen, was die Beteiligungen des Bundes an den Ländergesellschaften betrifft.

Zur Frage 9:

Die abgeschlossene Sanierung der Austrian Research Centers in Seibersdorf wurde von mir schon erwähnt. Sie ist in die Gründung einer Holding-Gesellschaft gemündet, und wir haben jetzt die Voraussetzungen auch für notwendige internationale Kooperationen geschaffen.


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Zur Frage 10:

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung hat seine Aufgabe sehr gut gemacht. Er hat wirkliche Schwerpunkte gesetzt. Die Aufgabe des Rates ist jetzt auch in Absprache mit Kollegin Gehrer genau umrissen. Ich habe ihn gebeten, mir bis zum Herbst dieses Jahres ein entsprechendes Rahmenkonzept für die Ausrichtung der gesamten Forschung in Österreich zu liefern. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung ist beauftragt, ein Gesamtforschungskonzept für Österreich zu erstellen, von dem ich meine, dass es mögliche Synergieeffekte zwischen den einzelnen Ressorts verbessern wird.

Zur Frage 11:

Allein in unserem Bereich sind viele Institutionen entweder zu 100 Prozent oder zu einem maßgeblichen Anteil im Bereich der Forschungsförderung, der Beratung oder der Entwicklung von Forschungsergebnissen tätig. Es werden jährlich rund 335 Millionen € oder 4,6 Milliarden Schilling umgesetzt. Es ist mir deshalb ein großes Anliegen, diese Neuordnung der Forschungslandschaft rasch umzusetzen.

Zur Frage 12:

Die Maßnahmen für eine zentrale Strategie-, Finanz- und Steuerungskompetenz werden in einem Vorschlag einer Führungsholding münden. Wir möchten die operativen Aufgaben unseres Hauses in eine eigene Gesellschaft auslagern, sodass die strategischen Entscheidungen, die forschungspolitischen Entscheidungen im Haus getroffen werden können, und glauben, dass dadurch die Abwicklung unserer strategischen, aber auch unserer operativen Zielsetzungen effizienter erfolgen wird.

Zur Frage 13:

Bis heute beträgt der Anteil der durch den FFF geförderten Projekte bei den KMUs 80 Prozent. Sie sehen allein an dieser Tatsache, wie wichtig dieser Fonds für die KMUs ist. 53 Prozent der FFF-Mittel fließen ausschließlich in den Bereich der KMUs, und 47 Prozent der Antragsteller beim FFF reichen das erste Mal ein.

Zur Frage 14:

Wir haben in unserem Ressort in der Vergangenheit sowie heute deutliche Schritte zur Nutzung vorhandener Möglichkeiten zwischen Verkehrs-, Telekom- und Forschungsbereich gesetzt. Ich habe Ihnen bereits einige dieser Projekte genannt, etwa Telematik-Projekte der ÖBB, Telematik-Offensiven im Verkehrsbereich, etwa das Telematik Testbed der Via Donau, die Einrichtung eines taktilen Leitsystems für behinderte Menschen. Das sind Programme, die im Forschungsbereich entwickelt werden und dann natürlich nahe an der Industrie umgesetzt werden können.

Zur Frage 15:

Das Kernstück unserer Aktivitäten wird ein Förderungskompass sein, der einen übersichtlichen Zugriff über das Internet auf das Bündel unserer Forschungsförderungsmaßnahmen bieten wird.

Zur Frage 16:

Die Chancen des österreichischen F&E-Bereiches liegen in mehreren Feldern, die, wie gesagt, auch mit den Zielsetzungen der Europäischen Union korrelieren müssen. Hier seien Nano- und Mikrotechnologie, Mobilität und Verkehr, Umwelt und Energie, Life Sciences, Medizintechnik und selbstverständlich auch die Informations- und Kommunikationstechnologien genannt. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.31


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Herr Bundesminister. 19 Minuten 58 Sekunden! (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Es gibt auch Sachpolitik, Herr Kollege! Im Gegensatz zu Ihnen – Sie wissen nicht, was das ist!)

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf und kein Klub mehr als 25 Minuten Redezeit hat.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.32

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Staats- und Regierungschefs aller EU-Länder haben sich im März 2000 in Lissabon ein neues strategisches Ziel gesetzt: Die Europäische Union soll bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt entwickelt werden – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen zu erzielen und einen europäischen Forschungs- und Innovationsraum zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung hat bei ihrem Amtsantritt im Jahr 1999 diese wichtige Zielsetzung erkannt und sich zum Ziel gesetzt, die Forschungsquote bis zum Jahr 2005 auf 2,5 Prozent des BIP anzuheben. Die Ausgangssituation war jene, dass 1998 die Forschungsquote bei nur 1,79 Prozent lag, 2001 lag sie bereits auf 1,91 Prozent, und für 2002 sind 1,95 Prozent des BIP geplant. Man sieht sehr genau die gute Entwicklung.

Eines sei auch noch erwähnt: Bei Amtsantritt lag Österreich, was die Forschungsquote anlangt, eindeutig unter dem EU-Durchschnitt. Wir haben das aufgeholt und sind nun endlich sozusagen auf dem EU-Durchschnitt, was die Forschungsquote anlangt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung hat aber nicht nur erkannt, dass Österreich tatsächlich Nachholbedarf hat und ein Nachzügler war, sondern diese Bundesregierung schaut auch in die Zukunft, arbeitet zukunftsorientiert, weil sie den Wohlstand und die soziale Sicherheit auch in der Zukunft garantieren will.

Ich komme noch einmal auf den gestrigen Gedanken der Nachhaltigkeit zurück, als wir über das Gaswirtschaftsgesetz und das Ökostromgesetz diskutiert haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sollte uns wirklich gelingen, das Wirtschaftswachstum von dem Energie- und Ressourcenverbrauch, den wir haben, zu entkoppeln. Ich gebe zu bedenken, dass, wenn wir nichts ändern, die Erdölreserven der Welt nur mehr 40 Jahre halten. Ich glaube, viele von uns sind etwa 40 Jahre alt und hoffen, noch weitere 40 Jahre zu leben. Wenn man sich das durch den Kopf gehen lässt, dann weiß man, wie dramatisch diese Situation ist.

Wir wollen weiterhin ein Wirtschaftswachstum, und wir brauchen es, das heißt aber, wir müssen es vom Energie- und Ressourcenverbrauch entkoppeln. Dann wird einem klar, dass das nur durch neue Produkte mit höherer Wertschöpfung und auf der anderen Seite aber auch durch Schaffung von neuen Technologien möglich sein wird, um den Konsumenten weiterhin zu attraktiven Preisen Produkte zur Verfügung zu stellen.

Meine Damen und Herren! Forschung und Entwicklung sind kein Selbstzweck. Sie sind notwendig zur Sicherung der Zukunft. Wir brauchen drei Dinge, um Forschung und Entwicklung zu ermöglichen: Wir brauchen einerseits Geld, wir brauchen die besten Köpfe, und wir brauchen klare Strategien und Prioritäten. Ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass diese Bundesregierung genau bei diesen drei wichtigen Dingen für Forschung und Entwicklung angesetzt hat.


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Zum Punkt Geld: Es wurden weitere 7 Milliarden Schilling, 509 Millionen €, für ein Offensivprogramm in Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt. Es ist die Anschlussfinanzierung natürlich enorm wichtig, weil Forschungs- und Entwicklungsprojekte mehrjährige und langfristige Projekte sind. Es ist auch wichtig, dass die Wirtschaft zu mehr Investition angeregt wird, damit diese Hebelwirkung von 1 : 2 – ein Teil kommt aus der öffentlichen Hand, zwei Teile kommen aus der Wirtschaft – tatsächlich erreicht werden kann.

Es war auch das im Dezember 2001 vorgestellte Konjunkturprogramm wichtig, in dem für die Wirtschaft die Forschungsfreibeträge erhöht wurden, nämlich um plus 10 Prozent. Es wurden neue Möglichkeiten für zusätzliche Forschungsfreibeträge geschaffen, und auch für kleine Unternehmen oder für Unternehmen, die keine Gewinne machen, wurde erstmalig eine Forschungsprämie eingeführt. Es ist auch sehr erfreulich, dass Gouverneur Liebscher von der Oesterreichischen Nationalbank in einer Pressekonferenz mitgeteilt hat, dass er bereit sei, 20 Prozent der Dividende der Oesterreichischen Nationalbank für Forschung zweckzuwidmen.

Zweiter Punkt: Wir brauchen die besten Köpfe im Land. Da ist es erfreulich, dass auf der einen Seite die Entwicklung der Fachhochschulen sehr positiv voranschreitet. In diesen Fachhochschulen werden richtige Prioritäten gesetzt, auch durch den installierten Fachhochschulrat, dem ein sehr kompetenter Wirtschaftsmann in der Person des Herrn Raidl vorsitzt. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, dass die Fachhochschulen die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sehr gut anbieten und ein kürzeres Studium und damit einen schnelleren Einsatz von Fachkräften ermöglichen.

Wichtig ist auch die Universitätsreform, die heute beschlossen wurde. Ich danke auch Ministerin Gehrer für diesen wichtigen Schritt zur Autonomie der Universitäten und zur besseren Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen universitärer Forschung und der Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte das Integrationspaket erwähnen, das ebenso den Zuzug von Schlüsselarbeitskräften erleichtert und vereinfacht.

Zum dritten Punkt: Strategie und Prioritäten. Meine Damen und Herren! Ich meine, es war ganz wichtig, dass diese Bundesregierung in dieser zersplitterten Forschungslandschaft einen Rat für Forschung und Technologieentwicklung gegründet hat, dem ebenso Experten und Wirtschaftstreibende angehören – mit einem sehr profunden Kenner der Szene als Vorsitzendem, Knut Konsemüller.

Dieser Rat für Forschung und Technologieentwicklung hat bereits 2001 eine Forschungsstrategie Austria vorgelegt und wird im September des heurigen Jahres einen nationalen Forschungs- und Innovationsplan erarbeiten und vorlegen, der ebenfalls die Prioritäten und Schwerpunkte festlegt, wohin die Forschungsgelder fließen sollen. Ich finde es auch sehr positiv, dass Minister Reichhold vorhat, diesem Rat für Forschung und Technologieentwicklung eine Rechtspersönlichkeit zu verleihen und ihn dadurch selbständiger beziehungsweise beamtenunabhängiger zu machen.

Positiv erwähnt wurde schon die Kooperation zwischen den Bundesministern Bartenstein und Grasser in der Forschung Austria, wo auch die Zugänge zur Forschungsförderung gebündelt und vereinfacht werden sollen.

Wichtig ist auch ein Mapping, das heißt, eine Evaluierung der Forschungsgelder, um eine Wirkungsanalyse erstellen zu können, um messen zu können, wie effizient die Forschungsmittel eingesetzt sind und sozusagen den Output tatsächlich feststellen zu können.

Ganz besonders erwähnen möchte ich aber auch noch den FFF als besondere Anlaufstelle für Klein- und Mittelbetriebe. Hier wird seit vielen Jahren gerade die wirtschaftsnahe Forschung sehr intensiv umgesetzt. Es gibt auch eine große Hebelwirkung, das heißt, alles, was über den FFF fließt, ist sicherlich von der Wirtschaft in dem gewünschten Verhältnis 2 : 1 umgesetzt.


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Abschließend möchte ich noch ein heikles Thema ansprechen, nämlich das Thema Biotechnologie. Österreich wird ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, was den Standort für Biotechnologie anlangt, weil wir MBAs haben – Krems ist hier in Bezug auf Biotechnologie zu erwähnen –, weil wir wissenschaftliche Fachkräfte haben und haben werden, vor allem auch durch die Osterweiterung, weil wir eine große Zahl an Patentanmeldungen haben, weil wir große Pharmakonzerne haben, die sich für den Standort Österreich interessieren, und weil wir öffentliche Finanzierung von Forschungsprojekten haben, wie zum Beispiel das GEN-AU-Projekt.

Meine Damen und Herren! Diese Branche, dieser Bereich macht einen Umsatz von 2,5 Milliarden € aus und wird bis 2015 12 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Das heißt, es ist wichtig, auch in diesem Bereich weiterzuentwickeln und die europäische Biopatentrichtlinie bald umzusetzen, wie das auch die Ethikkommission oder der Rat für Forschung und Technologieentwicklung empfiehlt.

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung sorgt dafür, dass Schritt für Schritt nachhaltiges Wirtschaften möglich gemacht wird und damit Wohlstand und soziale Sicherheit auch in Zukunft gesichert sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

15.42

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dringliche Anfragen sind, wie man aus der Erfahrung berichtet, in der Regel Instrumente der Opposition und nur in seltenen Fällen Anlass für Regierungsparteien. Aber es ist auch ein sehr seltener Fall, dass so klar wie nie zu erkennen ist, dass es in Wirklichkeit bei dieser Dringlichen Anfrage nicht um die Forschungs- und Technologiepolitik in Österreich geht, sondern nur um das Hinauszögern der Beschäftigung mit den nicht tolerierbaren Äußerungen des Volksanwaltes Stadler. Das steckt in Wirklichkeit dahinter! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Grollitsch: Das ist Ihnen wichtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, aber ich habe Sie schon besser erlebt, und zwar am 7. Mai, als Sie im Industrieausschuss Ihre forschungspolitischen Vorhaben vorgelegt haben. Wo ist Ihr Engagement heute? – Sie haben damals gesagt, die derzeitige Forschungslandschaft könne aus Ihrer Sicht nicht dazu beitragen, dass 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung überhaupt abgearbeitet werden – kritisch, ganz konkret angemerkt. Die derzeitige Forschungslandschaft ist so zersplittert, denn im Gegensatz zur Vorgänger-Regierung sind es nicht mehr zwei Ministerien, die sich mit Forschungspolitik beschäftigen, sondern bereits vier plus. Wo liegen die Kompetenzen heute? – Es ist von den Vorrednern gesagt worden, die derzeitige Bundesregierung habe eine klare Struktur geschaffen. Der Bundesminister, der für einen Teil der Forschung zuständig ist, hat das am 7. Mai dementsprechend kritisiert und gesagt: Wir müssen mehr konzentrieren, besser zusammenarbeiten!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist Ihre Struktur, die Sie geschaffen haben! Herr Bundesminister! Mit Verlaub gesagt, ich hoffe, es ist nicht der Abgesang Ihrer Ministerzeit, denn wir haben bereits drei Minister im Industrieausschuss erlebt. Ich würde Sie gerne ein wenig länger behalten und nicht noch einen vierten miterleben müssen, der das umzusetzen hat, denn das hat in Wirklichkeit einiges verhindert. (Abg. Böhacker: Ihr habt mehrere gehabt!)

Die ÖVP erklärt in der Einleitung zu dieser so genannten Dringlichen, jetzt sei es endlich Zeit, dass man die sozialistische Blockadepolitik auflöst. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ! Es war nicht die F, aber es war ein Bundesminister, der Farnleitner geheißen hat, der blockiert hat. Wir haben fast zwei Jahre lang keine Sitzung des Industrieausschusses zustande gebracht, um über Forschung und Entwicklung und Forschungsvorhaben der vergangenen Jahre zu diskutieren. Das sind in Wirklichkeit die Ansätze, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn Sie schon sagen, dieses Thema sei so dringlich, dann würde ich Ihnen empfehlen, doch einfach in die Parlamentskorrespondenz hineinzuschauen! Das, was heute hier gesagt worden ist, was angesprochen worden ist, können Sie in der Parlamentskorrespondenz nachlesen. Am 7. Mai wurde dies auch veröffentlicht. – Was an Ihrer Fragestellung dringlich ist, das bleibt zu hinterfragen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dennoch bietet sich dadurch die Chance, ein paar Dinge anzumerken. Wir haben in diesem Ausschuss am 7. Mai auch über die Frage Abfangjäger und Forschungspolitik gesprochen. Kollege Krünes hat damals gemeint, 10 Prozent werde es geben. Aber das passt dazu, was auch jetzt in diesen Tagen wieder in den Medien zu sehen ist.

Auf den Vorwurf, dass der Magna-Konzern ein Profiteur dieser Eurofighter-Entscheidung sei, antwortet Bundesminister Grasser – ich zitiere –:

"Das ist völliger Schwachsinn. Magna würde so etwas nicht machen und müsste auch gar nicht den Eurofighter favorisieren, weil sie die gleichen Kompensationsgeschäfte in der Steiermark mit Saab-Gripen gehabt hätten." – Zitat aus "NEWS" vom 4. Juli dieses Jahres.

Demgegenüber ein Zitat aus der heutigen Ausgabe der "Presse": "Aus den Unterlagen der Bewertungskommission geht allerdings hervor, daß beim Gripen-Kauf keinerlei Folgeaufträge für Magna vorgesehen wären." – "Die Presse" von heute.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die Dinge, die man eben hinterfragen muss. Dient Forschung und Entwicklung tatsächlich den Arbeitsplätzen, oder werden hier einzelne Betriebe begünstigt? – Das müssen wir ansprechen!

Ich bin froh, dass wir in diesem von mir schon mehrmals angesprochenen Industrieausschuss ohne irgendeine Regierungsvorlage durch das Zusammenarbeiten und das Drängen immer wieder in dieser Richtung, sich tatsächlich mit Forschung zu beschäftigen, bereits zehn Sitzungen hatten – keine einzige Regierungsvorlage, nur die Initiative im Ausschuss selbst, die letztendlich die Beschäftigung mit dieser Materie möglich macht. Genauso wichtig ist es, dass wir uns am 7. Oktober – so weit ist das zumindest bis jetzt abgeklärt – auch mit der Frage der Biopatentrichtlinien beschäftigen.

Das halte ich für wichtig, aber die Dringlichkeit dieser Anfrage heute kann ich überhaupt nicht erkennen. Es ist kein neuer Ansatz, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Herr Bundesminister! Was mich gefreut hätte, das wäre heute eine klarere Ansage von Ihnen, die Sie am 7. Mai angekündigt haben. Sie haben gesagt, Sie werden einen Generalforschungsplan vorlegen. Das wäre schön gewesen, hätten wir das heute erfahren. Wir haben auch vereinbart, dass wir, sobald dieser da ist, sofort eine Sitzung des Industrieausschusses einberufen. Ich hoffe, dass die Blockadepolitik mit den Finten von Terminen in der Koalitionsregierung nicht weiter anhält. Konkrete Vorhaben – das ist unsere Aufgabe im Industrieausschuss! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch einmal zum Abschluss: Die Taktik war erkennbar und ist für jeden durchschaubar. Sie wollen nicht über Forschung und Entwicklung diskutieren, sondern nur eine Debatte über diese verurteilenswerten Aussagen des Volksanwaltes Stadler hinauszögern. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte. (Abg. Dr. Niederwieser: Jetzt möchte ich einmal etwas Neues hören! Nicht immer den alten Schmarren! – Gegenruf des Abg. Dr. Khol. )

15.47

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Zeit lang bin ich auch schon da, und ich muss


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sagen, ich habe es noch nie erlebt, dass im Rahmen einer Dringlichen der jeweils politisch Andersdenkende nicht die Unbegründetheit einer Dringlichen bestätigt hat. Dass sich alle über etwas Dringliches einig waren, hat es nie gegeben. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Die Ausrede, dass es ein Privileg der Opposition wäre (Abg. Edler: Das hat überhaupt niemand gesagt!), Dringliche zu stellen (Abg. Verzetnitsch: Zuhören! Zuhören!), entspricht auch nicht der Praxis in der Vergangenheit und der Tradition. (Abg. Verzetnitsch: Sie haben die Dringliche benutzt, um Taktik zu machen! Das ist der Punkt!)

Herr Präsident! Für mich ist das Thema einer Dringlichen politischer Ausdruck der Wertigkeit. Sie haben Ihre hier klar deponiert. Sie möchten über die historische Dimension der Aussage eines tüchtigen Volksanwaltes zum Jahr 1938 oder 1945 hier dringlich debattieren, anstatt am Ende eines Tages, an dem wir ein zukunftsorientiertes Universitätsgesetz beschlossen haben und jetzt über Forschung debattieren wollen, nach vorne zu schauen. Schauen Sie weiterhin zurück, Herr Präsident! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schauen Sie auch zurück, Herr Präsident, im Zusammenhang mit dem Industrieausschuss, den Sie gerade angesprochen haben! Wie viele Sitzungen haben Sie als Vorsitzender dieses Ausschusses nach der Konstituierung bewältigt? (Abg. Verzetnitsch: Zehn! Zehn!) Reden wir über die Inhalte derselben! (Abg. Dr. Khol: Zehn in den letzten zehn Jahren!)

Seit wann beginnt Forschungspolitik zu laufen?  Bundesminister Farnleitner habe Sie daran gehindert, Sie nicht lassen, haben Sie gesagt. – Wir lassen uns nicht behindern, Herr Präsident! Wir lassen uns auf dem Sektor Forschung nicht behindern. Sie waren zwar in der Analyse – auch Ihre Vorgänger – Meister: Österreich ist Schlusslicht, vor allem in der außeruniversitären Forschung. Da muss etwas geschehen, aber da kann man halt nichts machen, auf gut österreichisch. – Nein, so eine Dringliche ist Ausdruck der politischen Wertigkeit, und Sie haben die Ihre in einer Anmerkung deponiert.

Von den Grünen wissen wir ja nachhaltig, wo ihr Hauptinteresse liegt.

Kollege Edlinger, der gerade "abgetaucht" ist, nachdem er gekommen war, würde wahrscheinlich lieber über den Sieg (Abg. Gradwohl: Was heißt "abgetaucht", Herr Grollitsch? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), über seine Dimension, die ihm derzeit wichtig ist, reden. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich will ihm gratulieren, dass Rapid gegen Sturm Graz gestern gewonnen hat. Er ist deshalb als Volksvertreter aus dem Hohen Haus weggegangen. Ich wollte ihm zu diesem Sieg gratulieren. Aber vergessen Sie es! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident Verzetnitsch hat in seiner Analyse, dass eine Zersplitterung der Forschungskompetenz in der Vergangenheit existierte und jetzt verstärkt existiert (Abg. Verzetnitsch: Dank Ihrer Regierungspolitik!), hundertprozentig recht. Das weiß nicht nur der Herr Minister, der das am 7. Mai gesagt hat. Ich gebe Ihnen Recht! Wir werden daher für die nächste Zusammenarbeitsperiode diesbezüglich lehrreich neue Gestaltungen finden müssen. Es ist ja nicht verboten, gescheiter zu werden.

Herr Präsident Verzetnitsch! Es ist unrichtig, wenn Sie behaupten, dass die Forschungsinitiativen in der letzten Legislaturperiode auf zwei Ministerien beschränkt waren. Es gab Ressortforschung in mindestens vier oder fünf Bereichen. Aber ich gebe Ihnen Recht, dass eine bessere Konzentrierung Not tut, als sie bisher bestand, und das wird auch geschehen. (Abg. Dr. Niederwieser: Wie machen Sie denn das?)

Nun zur Aktualität noch ein Wort: Sie bezweifeln, dass Forschungsaktivitäten Arbeitsplätze bedeuten. (Abg. Verzetnitsch: Ich hätte es gerne gehört!) Ja, ich sage es Ihnen, hören Sie zu!

Der Herr Minister hat auf die gestellten Fragen geantwortet, daher ist es ungerecht, ihm den Vorwurf zu machen, dass er Dinge nicht angesprochen hat, die nicht gefragt wurden. (Abg. Gradwohl: Man hat schlecht die Fragen gestellt!) Nichtsdestoweniger möchte ich sagen: Als Steirer bin ich gerade auf diese K.plus-Zentren-Aktivität ausgesprochen stolz. Es gibt in


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kürzester Frist Kontakte zu 300 Firmen. Es gibt diesbezüglich ein erkleckliches Ausmaß an Arbeitsplätzen.

Als einer, der an der Montanuniversität tätig ist und die Zusammenhänge zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung vor Ort miterlebt und weiß, dass dort das Zusammenspiel gelebt wird, weiß ich auch, dass gerade bei uns in der Steiermark diese K.plus-Zentren einen ungeheuren Innovationsschub bedeutet haben. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass unser Landeshauptmann-Stellvertreter, Kollege Schöggl, in der Steiermark der Innovationslandesrat ist. Er ist auch derjenige, der in diesem Hohen Hause – das haben Sie vielleicht noch miterlebt, Herr Präsident Verzetnitsch und meine Damen und Herren – den Rat für Forschung und Technologie geradezu impertinent so lange gefordert hat, bis wir ihn eingeführt haben. Es gibt ihn nun dank Initiative der Freiheitlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nach der Einführung dieses Rates hat es den Beschluss auf Sondermittel gegeben, und diese Sondermittel für Forschung laufen derzeit. Ich habe hier die Aufschlüsselung, wo überall das bisher gelandet ist und wo es noch landen wird. Natürlich kann man sagen, es sei noch nicht in voller Länge ausbezahlt worden. Wie Sie wissen, hat Forschung Vorlaufzeit, aber wir sind guten Mutes. Es ist schließlich der nationale Forschungs- und Innovationsplan als Ausfluss der Forschungsstrategie Austria mit ein Anlass, dass wir uns gerade heute, wenn morgen der Startschuss erfolgt, über Forschungsfragen unterhalten sollen, unterhalten haben, unterhalten werden.

Ich danke, Herr Bundesminister, für die Beantwortung der Fragen, und ich lade Sie alle ein, so initiativ bei unserer Forschungspolitik mitzumachen, wie wir gestartet haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. 10 Minuten Redezeit. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen: 10 Minuten?)

15.54

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie hören, die Freiheitliche Partei wundert sich, wenn man zu ihren dringlichen Dingen 10 Minuten braucht. Sie sollten sich doch freuen! (Abg. Jung: Wir hätten gerne 15 Minuten!) Ich komme nun zur Sache.

Wenn ich Ihnen zuhöre, so denke ich schon, dass Fragen des Glaubens, der Hoffnung und paradiesischer Verkündigungen im Prinzip dringliche sein könnten, allerdings nur an theologischen Fakultäten. Dass sie Hauptinteresse der Freiheitlichen Partei sind, wundert mich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was hier gesagt wurde, das ist nicht neu. Ich kann mich noch erinnern: Als die Bundesregierung ganz großartig – ich glaube, es war in den Redoutensälen – den Reformdialog in Österreich zur Technologie- und Wissenschaftsförderung begonnen hat, hat man dasselbe gehört. Es hieß damals: Wir möchten 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung! Das ist ja gut, was aber nicht gesagt wurde, ist, welche Summen dafür nötig sind. Dort haben Hutschenreiter – sicher ein Experte –, Statistik Austria, der FWF-Präsident und andere ExpertInnen ganz klar ausgerechnet, dass man mit 7 Milliarden Schilling dahin nie kommen wird, sondern dass es jährlich eines zweistelligen Milliardenbetrages bedarf, um dieses hehre und durchaus begrüßenswerte Ziel zu erreichen. Heute höre ich dasselbe.

Wenn ich die APA-Meldungen des Rates für Forschung und Technologie, den Sie hier so loben beziehungsweise preisen, lese, dann möchte ich ihn in einem Punkt auch noch loben. Er hat gesagt, er habe für nächstes Jahr keine fixen Budgetsummen mehr zur Verfügung. Dann schauen wir uns an, wohin wir damit kommen!

Herr Bundesminister Reichhold! Es sind viele Vorgänger von Ihnen auf Reisen gegangen. Sie sagen auch, Sie haben etwas auf die Reise geschickt, aber das Ziel der Reise ist, dass man


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einmal irgendwo ankommt, denn sonst ist das ein Ringelspiel und keine Reise. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Jung. ) Ja, der Weg ist das Ziel – bei Ihnen! Aber über diesen Weg diskutieren wir in eineinhalb Stunden.

Was man da hört, ist an und für sich ein Potpourri großer Worte. Jetzt werden wir uns die Realitäten einmal anschauen! Wie verteilen sich die Finanzierungsquellen, die der Forschung und Technologie zugute kommen sollen? – Da muss man schon sagen, dass der Staat Österreich, und zwar nicht nur, seit Sie in der Regierung sind, relativ – ich sage relativ, nicht absolut – erkleckliche Mittel zur Verfügung gestellt hat, wenn man sie mit dem privaten Sektor, insbesondere mit Wirtschaft und Industrie, vergleicht. International ist es üblich, dass deutlich über 60 Prozent dieser Ausgaben von Unternehmen im privaten Sektor getragen werden. In Österreich sind das knapp über 50 Prozent. Das ist jene Branche, die eigentlich immer die Hände am weitesten ausstreckt, ihre Begehrlichkeiten am deutlichsten ausdrückt, wenn es um Querfinanzierungen aus öffentlicher Hand geht.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da ein Wissenstransfer in Richtung Wirtschaft stattfindet, und das würde ich mit Ihnen schon ganz gern diskutieren, zumal immer von einer notwendigen Balance zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung, technisch-naturwissenschaftlichem Sektor und Geistes- und Kulturwissenschaften gesprochen wird. Wie schaut das wirklich aus? Wie viel Ihrer angewandten Forschung ist nichts anderes, als den Stand des gegenwärtig technischen Wissens in die Industrie zu shiften. Das ist nicht Forschung, das ist ein Wissenstransfer!

Wenn Projekte auf diesem Sektor gefördert werden, dann sollten Sie – und darum würde ich Sie sehr bitten, und ich hoffe, dass Sie das auch tun werden – Interesse daran haben, dass die Projekte nach ihrer Kreativität und nach ihrem Potential für die Forschung und ihre Zukunft beurteilt werden und nicht danach, ob man sie für Querfinanzierung einsetzen kann, bei welcher man dem Staat die teure Risiko- und Grundlagenforschung überlässt und die Gewinne in dem Bereich privatisiert, in welchem günstige Transfers laufen. Da müssten Sie mehr Durchsetzungskraft beweisen. (Beifall bei den Grünen.)

Nicht ganz unauffällig ist auch, dass ein prominentes Mitglied des Rates für Forschung und Technologie einer der Hauptlukrateure dieser Forschungsmittel ist. Man kann sagen: zu Recht!, aber die Optik ist nicht optimal.

Wenn ich mir anschaue, was Wirtschaft und Industrie wirklich leisten könnten, und es in irgendeinen internationalen Kontext stelle, dann meine ich, dass Industrie und Wirtschaft den wissenschaftlichen Nachwuchs vermehren beziehungsweise die Zahl der Stellen für Forscherinnen und Forscher in ihren Sektoren erhöhen sollten.

Es ist auffallend, dass sich drei Viertel aller Investitionen im Sektor Forschung- und Technologieentwicklung in Österreich auf nur vier Branchen aufteilen. Das ist keine gute Bilanz. Man müsste wirklich schauen, dass da auch andere Sektoren in der Wirtschaft und in Unternehmen etwas machen. Bis jetzt punktet da nur Elektrotechnik, Informationstechnologie, Textil, Maschinenbau, Stahl und dann noch etwas die Automobilindustrie. Rundherum ist eher internationale Wüste, muss man sagen. Da könnte man strukturell schon eingreifen.

Wenn ich sehe, was die Industrie für universitäre Forschung tut, dann muss ich sagen: Ohne Grundlagenforschung ist eine Anwendung von Forschung nicht möglich. Wenn die Grundlagenforschung sistiert wird, dann wird einmal alles Erforschte angewandt sein, und dann ist, um es auf Österreichisch auszudrücken, Sense mit der angewandten Forschung. Sie müssen Universitäten fördern, und da leisten Industrie und Wirtschaft in Österreich knapp 2,6 Prozent. So viel Geld geht an die Universitäten vom gesamten universitären Sektor. In anderen Ländern liegt das zwischen 5 und 11 Prozent! Also wenn schon Kooperationen, dann soll das kein One-way sein, glaube ich. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Öllinger  – auf die Sitzreihen der Freiheitlichen zeigend –: Das Thema ist für die Freiheitlichen nicht sehr interessant!) Aha, interessant! Ja, Sie haben Recht.


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Ich glaube, es sind gerade intensive Forschungstätigkeiten bei den Regierungsparteien im Gange, wahrscheinlich dahin gehend, welche Argumente Sie finden, um um 17 Uhr irgendetwas Vernünftiges hier vorbringen zu können. Man sollte vielleicht einmal die Forschungen des Volksanwaltes Stadler über die Zeitgeschichte hier erläutern. Von persönlicher Entwicklung sehe ich da nichts. (Beifall bei den Grünen.) Aber schauen Sie einmal hin (auf die Sitzreihen der Freiheitlichen zeigend), das ist bei den Freiheitlichen eine dringliche Sache!

Was aber interessant ist und für Österreich spricht, ist, dass ... (Abg. Öllinger: Der Klubobmann der Freiheitlichen fehlt! Das ist genant! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen und anhaltende Gegenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie können Ihre Kraft (in Richtung der Freiheitlichen) für später aufheben! Ich weiß nicht, was Sie so aufregt? Wenn Sie schwache Nerven haben, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte, meine Damen und Herren, die Forschungstätigkeit, wer wann warum wie viel fehlt, ist jetzt eingestellt, und am Wort ist wieder der Herr Professor. (Abg. Brosz: Ganze 27 Regierungsabgeordnete!)

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Wenn die Nerven schwach sind, warten Sie (zu den Freiheitlichen gewandt), bis die Gesundheitsdebatte läuft, vielleicht findet man dann für Sie eine Antwort. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Es wird davon gesprochen, dass in Ihrem Ressort eine Art Dachkonstruktion eingerichtet wird, wo FWF und FFF sozusagen eine Heimat finden sollen. – Nicht wenige Leute machen sich Sorgen, dass da doch eine gewisse Imbalance der Verteilung stattfinden könnte. Das würde auch andere Ressorts betreffen, wie zum Beispiel das von Ministerin Gehrer. Ich bin nicht ihr Pressesprecher, aber wie Sie wissen, macht man sich darüber Gedanken, und die sind nicht alle nur positiv.

Sie haben auch erwähnt, dass Doppelgleisigkeiten abzustellen sind. – Dem wird man sicher teilweise zustimmen können, nur finde ich, zumal die Regierungsfraktionen immer die Konkurrenz und den Wettbewerb auf dem silbernen Tablett vor sich hertragen: Wenn es keine Doppelgleisigkeiten gibt, gibt es auch keinen Vergleich, keine Evaluierung und auch keine Konkurrenz – und all das soll ja an und für sich beleben, meine ich.

Es steht in dem Papier von Ihnen noch etwas, was in diesem Reformdialog – und dieser ist ja von der Bundesregierung, nicht von mir einberufen worden – hinterfragenswert ist. Sie sprechen da von Hebelwirkungen, davon, dass ein investierter Euro beim FFF 23 € an Benefit auslöst. – Dazu muss ich sagen: Da sind Sie Weltklasse! Alle Experten, die an dieser Plattform teilgenommen haben, haben gesagt, der Faktor betrage zwischen 1,3 und 2, darüber hinaus ginge es nicht. Vielleicht haben Sie ein "Dezimalstellchen" vergessen, dann sehe ich Ihnen das gerne nach.

Sie haben dort auch das Wort "Ergebnisorientierung" gebraucht. – "Ergebnisorientierung" heißt aber, dass man ganz gerne wüsste, welche Ergebnisse da erwartet werden. Ist es wirklich Förderung der angewandten Forschung oder doch der Transfer von längst bekanntem Wissen in die Wirtschaft? Im letzteren Fall ist es Wirtschaftsforschung. – Bitte, da hätte ich ganz gerne exaktere Definitionen!

Was ebenfalls in Ihrem Papier steht, das ist der Wunsch nach langfristigen Konzepten und Finanzierungsplänen. – Diesen Wunsch teilen wir alle. Dieser Wunsch wurde schon in der Plattform geäußert, und es liegt einzig und allein an Ihnen, ihn zu erfüllen. Aber dazu brauchen Sie wohl keine Dringliche Anfrage. (Beifall bei den Grünen.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

16.05

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zu einem positiven Bereich der Forschungsförderung Stellung nehmen: Österreich hat eine hohe Anzahl an innovativen KMUs. Die


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EU-Innovationserhebung zeigt das eindrucksvoll. Ich war in den vergangenen Wochen im Land Salzburg unterwegs, wo ich eine Reihe von jungen Technologie-Betrieben besucht habe, und ich habe dort eine sehr positive Stimmung festgestellt. Die jungen Unternehmer investieren in ihre Betriebe und sind mit der wirtschaftlichen Lage zufrieden. Sie haben vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung viel geleistet und schaffen sichere und qualifizierte Arbeitsplätze.

Ein junger Unternehmer in der Nähe der Stadt Salzburg hat in vier Jahren im Jahr 2000 ein spezielles leiterfähiges Beschichtungsverfahren entwickelt, das er heute weltweit vertreibt. Die Zahl seiner Mitarbeiter hat er nun innerhalb von zwei Jahren versechsfacht, und in den nächsten zwei Jahren wird er diese Zahl nochmals verdoppeln. Er hat Mittel aus dem Forschungsförderungsfonds in Anspruch genommen. Auf diese jungen Forscher können wir, glaube ich, wirklich stolz sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf meine Frage, warum er sich in Salzburg niedergelassen hat, sagte er, er habe sich deshalb dazu entschlossen, weil die Rahmenbedingungen stimmen und weil in Österreich hoch qualifiziertes Personal auf Grund einer hervorragenden Ausbildung vorhanden ist. – Ich meine, genau das ist wichtig!

Die Benchmarking-Europe-Studie zeigt zwei Dinge auf:

Erstens: Es gibt in jenen Ländern, in denen Budgetüberschüsse erzielt werden und in denen diese in Forschung und Entwicklung gelenkt werden, ein höheres Wirtschaftswachstum.

Zweitens: Neue Arbeitsplätze werden nur mehr in Klein- und Mittelbetrieben geschaffen, die innovativ in Forschung und Entwicklung investieren.

Dazu kann ich sagen: Die Regierung ist mit ihren Maßnahmen auf dem richtigen Weg!

Auch bei uns in Salzburg wird viel in Forschung und Entwicklung aus Mitteln, die aus der Wirtschaft kommen, und mit Unterstützung des Bundes investiert. So entsteht zurzeit um 350 Millionen € unter dem Titel "Studieren, Forschen, Arbeiten" einer der größten Technologie- und Science Parks Österreichs. Dort werden alle in Salzburg angebotenen Fachhochschul-Studienlehrgänge – von Telekommunikationstechnik bis hin zu Informationsmanagement – untergebracht, und es werden neue innovative Betriebe im Bereich Forschung und Entwicklung im Science Park angesiedelt. Das ist eine optimale Verbindung zwischen Ausbildung und Praxis in den Unternehmen für 1 500 Studentinnen und Studenten und für viele Unternehmer, und das ist eine neue Form der Organisation von Forschungsleistung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Meine Damen und Herren! Es wurde zwar bereits gesagt, aber ich möchte es nochmals betonen: Noch nie hat Österreich so viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert wie heuer. Die Forschungsquote liegt heuer bei 1,91 Prozent. Bis 2005 soll die Forschungsquote auf 2,5 Prozent angehoben werden. Dies wurde im Regierungsübereinkommen fixiert, und ich bin mir sicher, dass wir dieses ehrgeizige Ziel auch erreichen werden.

Auf dem EU-Gipfel dieses Jahres in Madrid wurde das ehrgeizige Ziel angepeilt, dass jedes Land bis 2010 3 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung ausgeben sollte. – Auch wir werden alles daransetzen, dieses Ziel zu erreichen.

Viel Geld wurde in Forschung und Entwicklung investiert, denn Forschung und Entwicklung sind für Österreich so wichtig wie noch nie. Gerade durch die kommende EU-Osterweiterung entsteht rund um unser Land ein dynamischer Wirtschaftsraum, in dem Investitionen in Bildung und Forschung hohe Priorität genießen. Darum ist es wichtig, dass auch unsere KMUs, die jetzt schon einen hohen Innovationsgrad aufweisen, noch mehr entwickeln und forschen. Wir müssen uns auf innovative Produkte und Dienstleistungen spezialisieren, die sowohl im Inland als auch im Ausland erfolgreich einsetzbar sind.


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111. Sitzung / Seite 136

Budgetsanierung und Forschung und Entwicklung sind kein Widerspruch, sondern sind Säulen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

16.09

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Technologiepolitik ist eines der wenigen noch verbleibenden wirtschaftspolitischen Instrumente und daher besonders wichtig. Ich glaube, das ist einer der wenigen Punkte, auf die wir uns heute einigen können. Aber wenn ich mir Ihre Reihen anschaue und die Lustlosigkeit sehe, mit der von Ihnen diese Debatte geführt wird, dann bin ich mir auch diesbezüglich nicht mehr sicher. (Abg. Ellmauer  – in Richtung SPÖ zeigend –: Von Ihnen!) Ja, gut, aber Sie haben die Dringliche Anfrage eingebracht und diese Debatte verlangt! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt wirklich wenige Themen, bei denen die Regierung ihre Zielsetzungen so klar wie in der Technologiepolitik formuliert hat. Und es gibt wirklich wenige Bereiche, wo diese Zielsetzungen genauso klar verfehlt worden sind. Daher finde ich diese fast krampfhafte Selbstdarstellung in dieser vorliegenden Dringlichen Anfrage ausgesprochen peinlich. Das muss ich wirklich sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Vielleicht können wir uns gemeinsam ein bisschen an diese drei Ziele zurückerinnern, die sich die Regierung in der Technologiepolitik gesetzt hat. Das erste Ziel ist, die Forschungs- und Entwicklungsquote anzuheben, und zwar mit dem Zwischenziel, im Jahr 2002 auf 2 Prozent, und mit dem Endziel, im Jahr 2005 auf 2,5 Prozent. Das zweite Ziel ist, den Anteil der Unternehmen an der F&E-Finanzierung zu erhöhen, und das dritte Ziel ist, die Kompetenzzersplitterung in der Technologiepolitik zu beseitigen.

Seit Juni gibt es den Forschungs- und Technologiebericht 2002, der auch schon den Ministerrat passiert hat. Wenn man sich den anschaut, dann lässt sich sehr eindeutig verifizieren, dass die Regierung keine einzige dieser drei ganz klar definierten Zielsetzungen erreicht hat.

Beginnen wir mit Punkt 1, der Anhebung der F&E-Quote. Da möchte ich gleich Ihre Darstellung in der Dringlichen korrigieren. Die massive Steigerung der F&E-Quote, die Sie da so herausgestrichen haben, ergibt sich aus einer Umstellung in der Statistik. Im Jahr 2000 hat die Statistik Austria ihre Zeitreihen korrigiert, mit dem Ergebnis, dass die F&E-Quote einen Sprung gemacht hat, den sich jetzt die Regierung auf ihre Fahnen heften will. Das ist der Punkt, den ich in Ihrer Darstellung besonders peinlich finde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Tatsächlich ist es so, dass die Steigerung der F&E-Quote seit Regierungsantritt ziemlich genau 0,1 Prozent beträgt, und das ist, glaube ich, nicht unbedingt ein Grund zum Feiern, insbesondere dann nicht, wenn man sich so hoch gesteckte Ziele setzt, wie das diese Regierung ganz klar getan hat. Abgesehen davon muss man schon auch anmerken, dass bei einer Quote von 1,91 Prozent das Zwischenziel von 2 Prozent als schon fast erreicht definiert wird. Das ist ungefähr das Gleiche, wie Sie das Nulldefizit definieren. Mittlerweile definieren Sie ja auch das Nulldefizit mit einem Spielraum von 0 bis 0,9. Ich würde gern wissen, was das bedeuten würde, wenn zum Beispiel die Polizei bei Alkoholtests so vorgehen würde. Diese Vorgangsweise ist einfach unseriös. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, in den nächsten drei Jahren wird es notwendig sein, mehr als fünf Zehntel zuzulegen, um die Ziele zu erreichen, die Sie sich selbst gesteckt haben. Nachdem in den letzten drei Jahren ein Zehntel erreicht worden ist, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das gehen soll. Zur Erreichung dieser 0,1 Prozent haben Sie 7 Milliarden Sonderfinanzierung benötigt. Das heißt, für die nächsten drei Jahre werden ungefähr 35 Milliarden notwendig sein, um diese Zielsetzungen zu erreichen. Ich glaube also, wir brauchen das Thema gar nicht weiter zu behandeln. Das Ziel, die F&E-Quote auf 2,5 Prozent zu steigern, ist klar verfehlt worden, ebenso ist auch das Zwischenziel eindeutig verfehlt worden. Hier sind Sie gescheitert.


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111. Sitzung / Seite 137

Das zweite Ziel möchte ich nur ganz kurz ansprechen, weil die Zeit schon sehr vorgeschritten ist: Der Anteil der Unternehmen an der F&E-Finanzierung soll deutlich erhöht werden. Auch da genügt ein Blick in den Forschungs- und Entwicklungsbericht 2002, der zeigt, dass auch dieses Ziel eindeutig nicht erreicht worden ist. Wir sind heute genauso wie vor drei Jahren in der Situation, dass Österreich immer noch 10 Prozentpunkte unter dem Schnitt von Vergleichsländern wie zum Beispiel Dänemark oder den Niederlanden liegt. Es hat sich da überhaupt nichts verändert. Ich glaube, darüber herrscht auch Einigkeit. Wir haben das sehr ausführlich und sehr oft im Industrieausschuss diskutiert. Auf Initiative der SPÖ haben wir ungefähr zehn Sitzungen abgehalten, wo wir alle diese Fragen, die Sie heute gestellt haben und dringlich behandelt wissen wollen, ausführlich und sehr konstruktiv diskutiert haben.

Ich möchte auch noch auf das dritte Ziel kurz zu sprechen kommen, das ist das Thema Kompetenzbereinigung. Auch das ist schon angesprochen worden. Tatsache ist, dass die Kompetenzen nicht bereinigt worden sind, sondern die Anzahl der zuständigen Ministerien ist von zwei auf vier erhöht worden. Das ist also genau das Gegenteil von der ursprünglichen Zielsetzung.

Ich möchte zum Abschluss noch ganz kurz eingehen auf die Initiativen, die Förderinstrumente zusammenzuführen. Wir haben gestern ein Gesetz beschlossen, das die Zusammenführung der Wirtschaftsförderungen unter einem Dach zum Inhalt hat. Herr Minister Reichhold plant eine ähnliche Konstruktion für die Technologieförderungen. Allerdings finde ich es auch nicht sehr ermutigend, wenn diese Initiativen nicht gemeinsam, sondern eigentlich parallel erfolgen. Ich finde es nicht sehr ermutigend, wenn nicht eine gemeinsame Konstruktion angestrebt und eine gemeinsame Diskussion darüber geführt wird, sondern zwei Minister hier vorpreschen.

Ich finde auch die Konstruktion nicht sehr logisch, denn unter dem Dach, das wir gestern beschlossen haben, sind sehr wohl Technologieförderungen eingebracht. Da ist die Innovationsagentur drinnen, da wird auch die Technologiepolitik dezidiert als Zielsetzung hervorgehoben. Parallel dazu bemüht sich Herr Minister Reichhold, ein zweites Dach für die Technologiepolitik zustande zu bringen. Also die Kompetenzbereinigung sehe ich auch bei dieser Initiative nicht.

Abschließend bleibt mir nur noch zu sagen: Herr Minister Reichhold! Ich glaube durchaus, dass Sie sehr engagiert sind. Ich glaube aber, dass es bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr gelingen wird, das Ruder in der Technologiepolitik herumzureißen. Ich kann Ihnen nur viel Glück für die Budgetverhandlungen im Herbst wünschen, denn das werden Sie wirklich brauchen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hetzl. Er hat das Wort.

16.17

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Präsident Verzetnitsch macht uns den Vorwurf, dass wir diese Diskussion benutzen würden, um von etwas anderem abzulenken, wie er das wörtlich sagte. Herr Präsident! Es kann eine Diskussion über Investitionen in die Zukunft und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen niemals ein Missbrauch sein! Ihnen als Präsidentem müsste das auch ein Anliegen sein, hier über Investitionen zu reden, die letztlich Umsätze steigern, die letztlich Arbeitsplätze schaffen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )

Wenn Ihre Bruder- oder Schwesterpartei hier in der Mitte nicht in der Lage ist, einen geschäftsordnungsgemäßen Dringlichen Antrag einzubringen, und sich dann auf die Donauinsel oder wohin auch immer verabschiedet, so impliziert das nicht, dass Sie uns jetzt Vorwürfe machen können, wenn wir eine sachliche Diskussion über Forschungs- und Technologiepolitik führen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie waren dazu nicht in der Lage und sind dann beleidigt ausgezogen. Das ist die Tatsache, vor der wir heute stehen.

Professor Grünewald hat hier, da er Mediziner und sicherlich nicht Mathematiker und schon gar nicht Wirtschaftswissenschaftler ist, einige Zahlen durcheinander gebracht. Er war ziemlich in


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der Nähe der richtigen Zahl, er hat nur zwei Dinge verwechselt: dass ein Förderungsschilling oder ein Förderungseuro, wie immer Sie wollen, 1,7 Förderungsschilling oder -euro an F&E-Ausgaben impliziert, dass aber ein Förderungseuro, aus welchem Fonds auch immer, 23 Umsatzeuro impliziert. Genau das ist der Unterschied, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der hier von Ihnen verwechselt und etwas missverständlich dargestellt wurde.

Meine Damen und Herren! Wir reden heute über Investitionen in Forschung und Entwicklung. Es steht innerhalb dieser Periode eine Summe von 510 Millionen € zur Verfügung, die in die Wirtschaft fließen und die mehrere positive Effekte haben. Sie sind auf jeden Fall im Interesse der Wirtschaft. Sie sind im Interesse der Unternehmer. Sie sind aber auch im Interesse der Forscher. Sie stärken die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Sie stärken den Wirtschaftsstandort. Die österreichische Wirtschaft hat hervorragende Mitarbeiter, sie hat eine hervorragende Forschungslandschaft, die es auch auszunützen und zu fördern gilt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf ein Programm hinweisen, das jetzt in Kürze umgesetzt wird, das so genannte FH plus-Förderungsprogramm. Das ist ein Plan, der Fachhochschulen mit Klein- und Mittelbetrieben vernetzen soll und damit auch einen großen Impuls auslöst, was regionale Strukturen, was regionale Förderungen anlangt. Dieses Programm wird in Kürze im Sinne unserer Wirtschaft umgesetzt. Mittel sind vorhanden. Woran es scheitert, ist vielfach die Vernetzung. Da ist sicherlich noch Handlungsbedarf gegeben. Zahlreiche Technologieparks, die in den letzten Jahren in Österreich gegründet wurden, sind natürlich auch in diesem Zusammenhang anzuführen.

Ich bin natürlich als Abgeordneter aus der Steiermark stolz, dass wir auch hier eine führende Rolle übernommen haben, dass wir mit dem Standort der TU Graz einen hervorragenden Standort haben, der sich auch immer wieder sehr intensiv in diesem Bereich engagiert.

Ich möchte zum Schluss noch auf einen begrüßenswerten Akzent eingehen, den Gouverneur Liebscher von der Oesterreichischen Nationalbank angeführt hat. Er hat, wenn ich die "Wiener Zeitung" vom 10. Juli zitieren darf, darauf hingewiesen, dass er nichts dagegen hätte, wenn etwa 20 Prozent der Dividenden der Oesterreichischen Nationalbank für Forschung zweckzuwidmen wären. Eine großartige Idee, die man nur tatkräftig unterstützen kann.

In diesem Sinne alles Gute für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Bevor ich in der Rednerliste fortsetze, darf ich Folgendes mitteilen: Wir haben gerechnet, dass die Behandlung der Dringlichen Anfrage bis 17 Uhr oder länger dauern wird. Es sind vorläufig nur mehr drei Redner gemeldet. Das würde bedeuten, dass die Debatte über die Dringliche Anfrage in 12 bis 15 Minuten zu Ende ist. Dann käme geschäftsordnungsmäßig die Fristsetzungsdebatte dran.

Zurückziehung eines Fristsetzungsantrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass die grüne Parlamentsfraktion den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 102/A (E) eine Frist zu setzen und darüber eine Debatte durchzuführen, zurückgezogen hat.

Da wir für Punkt 17 Uhr die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vereinbart haben, werde ich mit der Normaldebatte in 10, 12 Minuten fortfahren. Ich mache darauf aufmerksam: Die nächsten Abgeordneten auf der Rednerliste sind die Abgeordneten Silhavy, Öllinger, Hartinger. Diese müssten dann im Sitzungssaal sein, damit ihre Wortmeldung nicht verloren geht.

*****

In dieser Debatte jetzt ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl zu Wort gemeldet. – Bitte.


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16.23

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben sich offensichtlich mit ihrer eigenen Dringlichen in Tiefschlaf versetzt, zumindest die wenigen, die von ihnen noch übrig geblieben sind. Ich denke, der nächste Tagesordnungspunkt wird dann schon dafür sorgen, dass Sie wieder munter werden. (Abg. Dr. Ofner: Ihr werdet munter werden!) Ich halte es für einen Erfolg des Parlamentarismus, dass es nicht gelungen ist, den Tagesordnungspunkt, die politisch wirklich untragbaren Äußerungen des Volksanwaltes Stadler hier zu diskutieren, wegzuschieben, sondern dass es nur ein Hinausschieben war. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Thema Ihrer Dringlichen wäre zu sagen, dass es ein wichtiges Thema ist, aber eines, wo es weniger darum ginge zu reden, sondern wo es schon seit langem darum ginge zu handeln, und das geht uns ab.

Zu den Erfolgsmeldungen, die der Herr Bundesminister uns präsentiert hat: Da wäre einmal das angebliche Ansteigen der F&E-Quote, wozu Kollegin Kubitschek schon ausführlich Stellung genommen hat. Von wegen Anstieg! Laut APA vom 3. Mai 2002 wurde das Etappenziel verfehlt.

Wenn man sich die Daten in der chronologischen Abfolge anschaut, dann sieht man, dass es ein Wachstum der F&E-Quote bis 1999 gegeben hat, dass es seither eine Stagnation gibt. Der "großartige" Anstieg, den Sie hier feiern, ist nichts anderes, als dass wir jetzt wieder das Niveau von 1999 erreicht haben, und das ist wahrlich ein bescheidener Erfolg, Herr Bundesminister.

Die Erfolgsmeldung zwei, die Sie uns präsentiert haben: Sie haben erwähnt, es gibt das "Haus der Zukunft", es gibt die "Fabrik der Zukunft". – Ja, vorbildliche Projekte, Herr Bundesminister, nur haben Sie sich mit fremden Federn geschmückt, denn das sind nicht Ihre Projekte oder Projekte von Ihren zahlreichen Vorgängern in dieser Regierungsperiode. Das sind Projekte, die Bundesminister Einem seinerzeit initiiert und realisiert hat. Wir warten vergeblich auf vergleichbare Projekte in dieser Regierungsperiode. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man auf die ForscherInnenquote eingehen will, muss man natürlich zurückkommen auf ein Thema, das uns heute Vormittag beschäftigt hat, nämlich auf die Reform der Universitäten, die Sie beschlossen haben. Die Reform ist unter anderem deshalb äußerst zweifelhaft, weil heute nach wie vor die Folgekosten dieser Reform nicht absehbar sind. Man spricht an den Universitäten nach groben Schätzungen von plus 20 Prozent, und es ist völlig offen, wie diese Folgekosten abgedeckt werden sollen.

Die Experten im Ausschuss haben uns gesagt, was das zur Folge haben kann: Das kann zur Folge haben, dass es Zugangsbeschränkungen an den Universitäten geben wird, dass es zu einer Verknappung der Zahl der Lehrveranstaltungen an den Universitäten kommen wird, dass die Universitäten unter Druck kommen werden, autonom die Studiengebühren zu erhöhen – als ob 10 000 S als Hürde nicht genug wären!

Das heißt, wir brauchen dringend Forscher und Forscherinnen in diesem Lande, aber die Weichen, die Sie stellen, gehen in Richtung Zugangsbeschränkung an den Universitäten. (Abg. Dr. Martin Graf: Also ist es doch dringlich, oder?) Kollege Grünewald weist mit Recht immer wieder darauf hin, dass man, wenn man eine breite Elite anstrebt, die Basis nicht verknappen darf. Das kann sich nicht ausgehen, und daher ist das eine völlig verfehlte Politik, die hier betrieben wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Eine weitere Entwicklung, die Sie an den Universitäten einleiten, ist, dass Sie sie zunehmend in wirtschaftliche Abhängigkeit von Auftragsforschung treiben. Sie kennen vielleicht das Beispiel einer Universität in Amerika, die stark gesponsert wurde von der Firma Nike. Als diese Universität eines Tages eine Veranstaltung zum Thema Kinderarbeit gemacht hat, waren auf einmal die Förderungsmittel der Firma Nike versickert. – Das zum Thema Freiheit der Forschung bei starker Abhängigkeit durch Auftragsforschung.


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Noch zum Dritten, zur außeruniversitären Forschung. Wir haben gestern über den Integrationsvertrag diskutiert, und Sie haben ihn beschlossen. Herr Minister, Sie haben von internationalen Netzwerken gesprochen. – Jawohl, sehr, sehr wichtig! Genau deshalb war es ein Anliegen, die Forscher, die kommen und an Projekten mitarbeiten wollen, die wir dafür gewinnen können, die wir dringend brauchen, von der Verpflichtung, einen Sprachkurs zu besuchen, auszunehmen. Diesem Wunsch sind Sie nicht nachgekommen. Es gibt diese Ausnahmeregelung nicht. Sie haben sich mit diesem Integrationsvertrag ganz klar gegen das Hereinholen von internationalem Know-how entschieden. Auch daran sieht man, wie dringlich Ihnen dieses Thema ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gartlehner. – Bitte.

16.29

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen ja, dass die Technologiepolitik dieser Bundesregierung ein wirklich großartiges Desaster darstellt. (Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Der Verbrauch und der Verschleiß an Ministern in diesem Ressort waren ja ganz eklatant. (Abg. Auer: Denk an deine Heimat!)

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat es geschafft, aus zwei Kompetenzbereichen vier Kompetenzbereiche zu machen. (Abg. Auer: Denk an Steyr!)  – Ja, ich bin wirklich mit dieser Materie vertraut und auch konfrontiert, und daher leiden wir auch darunter; das will ich ja hier auch sagen.

Wir haben inzwischen also vier Ministerien, die dafür verantwortlich zeichnen und sich gegenseitig auch immer wieder austricksen, wie wir wissen. Wir haben bisher drei Minister-Anlernphasen in dieser Regierungsperiode gehabt, und wie wir heute gesehen haben, hat der Herr Bundesminister seine Anlernphase auch noch nicht abgeschlossen.

Wir haben das selbst gewählte Ziel, 2 Prozent F&E-Quote für das heurige Jahr zu erreichen – großartig angekündigt im Vorjahr bei den Technologietagen in Alpbach –, schon jetzt verfehlt. (Abg. Gradwohl: Schall und Rauch!) Es ist wirklich Schall und Rauch, Herr Kollege Gradwohl unterstützt mich. Es ist auch schon angesprochen worden, dass die F&E-Quote gesunken ist.

Meine Damen und Herren! Heute erst haben wir ein neues Universitätsgesetz beschlossen. Sie haben im Rahmen dessen mit beschlossen, dass die Universitäten in den nächsten Jahren rund eine halbe Milliarde € weniger an Budget zur Verfügung haben werden. Diese halbe Milliarde € wird der österreichischen F&E-Quote, wenn Sie das wirklich realisieren, aber massiv abgehen. Ich kann Ihnen heute schon prognostizieren: Sollten Sie in die Situation kommen, weiter zu regieren, werden Sie größte Probleme haben, die bisherige Quote wieder zu erreichen!

Die einzige Aktivität im Technologiebereich war die Einrichtung des Rates für Forschung und Technologie. Kollege Schöggl, der das damals – das muss man ihm wirklich zugestehen – massiv betrieben hat, ist heute auch nicht mehr hier.

Es gibt null neue Programme, seit Sie regieren; es gibt nur die Neuauflage von Programmen. Es gibt auch null neue gesetzliche Vorlagen, meine Damen und Herren! Wir ersehen daraus, dass die Technologie kein Thema dieser Bundesregierung ist, dass die Technologiepolitik in Summe auf einem Nebengleis transportiert und bearbeitet wird und man bestenfalls die Interessen von Lobbys abdeckt, wie man ja heute schon gehört hat. Beim Abfangjägerkauf beispielsweise hat sich wieder einmal sehr deutlich gezeigt: Wenn man jemanden bedienen kann, einen Freund, dann ist es egal, wie viel es kostet, Hauptsache man kommt ins Geschäft! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Androsch!)

Meine Damen und Herren! Was die größte Chuzpe an dieser Dringlichen war ... (Abg. Mag. Schweitzer: Meinst du den Androsch?) Nein, es war nicht Herr Androsch, aber du weißt schon, wen ich meine! (Abg. Gradwohl: Karli, du warst die ganze Zeit nicht da, also red jetzt nicht mit!)


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Die größte Chuzpe zeigt sich, wenn es darum geht, eure Technologiepolitik, die jetzt gemacht wird, in Kontext mit Arbeitsplatzpolitik zu stellen. Ich möchte aufzeigen, wie dramatisch sich die Arbeitsmarktsituation in den naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen entwickelt hat, seit Sie regieren. Allein gegenüber dem Vorjahr ist die Arbeitslosenrate bei den Absolventen der mittleren gewerblichen technischen Schulen um 35 Prozent explodiert, bei den HTL-Absolventen um 39 Prozent, bei den Fachhochschul-Absolventen – und darüber sollte man wirklich auch einmal nachdenken, Herr Bundesminister – ist ein Anstieg bei den Arbeitslosen um 193 Prozent zu verzeichnen, und bei den Universitäts-Absolventen ist auch eine um fast 40 Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit zu vermerken.

Meine Damen und Herren! Eine Politik, die höher Qualifizierten keine Chance mehr gibt, auf dem Arbeitsmarkt zu reüssieren, ist abzulehnen. Aus diesem Grund denken wir, dass Sie abgewählt gehören, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

16.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Pecher gemeldet. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

16.33

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Frau Abgeordnete Kuntzl hat in ihrer Rede erwähnt, dass die Forschungs- und Entwicklungsquote wieder auf das Niveau von 1999 gesunken sei. Das ist nicht so!

Wie im Bericht der Statistik Austria festgestellt wird, sind die Forschungsausgaben von 1998 auf 2002 um 24 Prozent gestiegen, die Forschungsquote von 1,79 auf 1,95 Prozent. Wir haben damit endlich auf EU-Durchschnitt aufgeholt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Ich erteile es ihr.

16.34

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Bei jeder Ihrer Wortmeldungen merkt man, dass Sie nicht zugeben wollen, dass es einfach gut läuft in diesem Ministerium. Herr Gartlehner beispielsweise stößt sich daran, dass mehrere Minister tätig waren, dass es eine Anlernphase gibt, anstatt sich mit uns über die Anfragebeantwortung zu freuen, denn dabei hat sich ja herausgestellt, dass es sehr viele positive, optimistische Ansätze und Erfolge gibt (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp); die Neuorganisation von Seibersdorf beispielsweise, zahlreiche Initiativen und Infrastrukturverbesserungen, die der österreichischen Wirtschaft zugute kommen.

Etwas hat der Herr Minister in Angriff genommen, was schon jahrelang ein Plan der Sozialisten war – ein guter Plan –, nämlich die Restrukturierung im außeruniversitären Forschungsbereich. Sie (in Richtung SPÖ) haben immer einen Plan vorgelegt, aber dieser Minister hat das in Angriff genommen und wird das wahrscheinlich auch mit Erfolg durchziehen. – Und das lassen wir uns nicht schlecht machen. Wir sind, und das müssen Sie zugeben, vom beinahe Schlusslicht in der Forschung in Europa auf die Überholspur gekommen und liegen jetzt im guten Mittelfeld, eben weil diese Bundesregierung einen Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung gesetzt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Wie gesagt, es sind Ihnen die absurdesten Argumente eingefallen, wie Sie das alles mies machen können. Herr Präsident Verzetnitsch hat gesagt, er bemängle, dass es keinen Generalforschungsplan gibt. Herr Abgeordneter, Herr Präsident Verzetnitsch! Jetzt gibt es endlich – auch im freiheitlich geführten Ministerium! – einen Generalverkehrsplan (Zwischenrufe bei der SPÖ), und Sie können sicher sein, in naher Zukunft wird es auch einen Generalforschungsplan geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)


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Seien Sie nicht ungeduldig, diese Bundesregierung kann nicht all das, was Sie 30 Jahre lang nicht zuwege gebracht haben, in zweieinhalb Jahren erledigen. Nehmen Sie das doch bitte einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Herr Abgeordneter Grunewald (Rufe bei den Grünen: Grü newald!) hat auch schon wieder geunkt: Es wird alles schlechter werden! Er hat gesagt, der Rat für Forschung und Technologieentwicklung habe festgestellt, dass er für das nächste Jahr noch kein Budget hat. – Wir haben das Budget auch noch nicht verhandelt! Herr Abgeordneter, Herr Professor Grünewald! Haben Sie hier im Nationalrat schon über das Budget abgestimmt? Selbstverständlich hat der Rat für Forschung und Technologieentwicklung noch kein Budget, aber das wird schon kommen. Es gibt keinen Stillstand in der Forschungs- und Entwicklungspolitik. Bitte, nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! Ich kann nur hoffen, dass Herr Professor Grünewald mitstimmt, wenn wir im Nationalrat die Forschungsquote festlegen.

Frau Abgeordnete Kubitschek meint, es hätte sich nicht sehr viel geändert. Frau Abgeordnete! Im Jahr 1999 betrug die Forschungsquote 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es ist ein Riesensprung auf die jetzigen 1,91 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. ) Das sind nämlich ungefähr 2 Milliarden Schilling. Das müssen Sie doch auch akzeptieren! (Abg. Gradwohl: Nach hinten springen Sie!)

Herr Abgeordneter! Ich sage Ihnen Folgendes: Die Bundesregierungen, in denen Sozialisten Finanzminister waren, haben ein unendlich großes Budgetdefizit hinterlassen, und das wissen Sie ganz genau. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Wir mussten dieses Budgetdefizit bereinigen und haben trotzdem 7 Milliarden Schilling für die Forschungsförderung flüssig gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Bei den Sozialisten war die Forschungsförderung ein Stiefkind. Offensichtlich haben sie sich nicht genügend mit der Zukunft beschäftigt und nicht genügend Wert darauf gelegt, Investitionen in die Zukunft zu tätigen, sonst würde es bei der Forschungsförderung nicht so ausschauen. Diese Bundesregierung hat schon im Regierungsübereinkommen den besonderen Stellenwert der Forschungs- und Entwicklungspolitik erkannt, um den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil Sie kritisiert haben, dass wir heute eine Dringliche Anfrage eingebracht haben, möchte ich sagen: Die Dringlichkeit liegt in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit! Sie wollen immer über die Vergangenheit diskutieren und nicht über die Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Daher erkläre ich die Debatte zur Dringlichen Anfrage für beendet.

Fortsetzung der Beratungen über die Tagesordnungspunkte 3 bis 8

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 8 der Tagesordnung betreffend Sozialversicherungsgesetze wieder auf.

Die erste Wortmeldung betrifft eine tatsächliche Berichtigung. Frau Abgeordnete Silhavy ist dazu zu Wort gemeldet. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

16.39

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Abgeordneter Tancsits hat behauptet, dass die Verbandskonferenz am 28. Mai 2001 die von der Bundesregierung geplante Finanzierung der Krankenversicherung beschlossen hätte. – Das ist unwahr!

Wahr ist vielmehr, dass die Verbandskonferenz eine Neugestaltung des Ausgleichsfonds im Struktur- und Zielerreichungstopf für vorstellbar befunden hat. Aber es ist niemals ein Beschluss zur Verdoppelung der Zahlung und schon gar nicht für das Schuldenkarussell, das Sie nun aufbauen wollen, gefasst worden.


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Zweitens: Bundesminister Haupt hat behauptet, die Leistungskürzungen der Sozialversicherungsträger beruhen auf Beschlüssen der Selbstverwaltung. – Wahr ist vielmehr, dass ÖVP und FPÖ durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz die Träger gesetzlich zu Leistungskürzungen gezwungen haben.

Drittens: Bundesminister Haupt hat behauptet, dass der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse Franz Bittner für den "People"-Artikel Geld der Versicherten verwendet hätte. – Das ist unwahr!

Wahr ist vielmehr, dass Foto und Artikel in der Patientenzeitschrift des AKH im redaktionellen Teil sind und kein Cent der Wiener Gebietskrankenkasse, geschweige denn von den Versicherten dafür verwendet wurde. Fraglich ist, ob das bei dem Waneck-Artikel, der in dieser Ausgabe (die Rednerin hält eine Ausgabe der Druckschrift "PEOPLE" in die Höhe) abgedruckt ist, auch der Fall war! (Beifall bei der SPÖ.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister Haupt wird in 1 bis 2 Minuten hier sein. Er konnte bis vor 15 Minuten nicht wissen, dass diese Debatte schon vor 17 Uhr fortgeführt wird. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Da kann er nichts dafür, wir haben jetzt die Dispositionen geändert.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )  – Haben Sie ein Problem? (Abg. Öllinger: Und der Minister?)

Darf ich Frau Abgeordnete Hartinger fragen, ob ich ihre Wortmeldung vorziehen kann? (Abg. Mag. Hartinger: Ich habe kein Problem!)  – Bitte, dann erteile ich Frau Abgeordneter Hartinger das Wort. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Der Öllinger hat immer Probleme!)

16.41

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Öllinger! Wir hätten Ihnen auch zugehört, aber wahrscheinlich sind wir für Sie nicht so wertvoll wie der Herr Minister.

Die nun vorliegende 60. ASVG-Novelle, meine Damen und Herren, ist in vielen Bereichen ein Meilenstein menschlicher Sozialpolitik – einer Sozialpolitik, die sozial und nicht sozialistisch ist. Ich denke da an viele Punkte, die leider Gottes in den Medien nicht so übermittelt werden konnten, nämlich an die Erhöhung der Schülerunfallversicherung oder beispielsweise an die Möglichkeit, dass in den Krankenanstalten auch Rezepte ausgestellt werden. Es ist wirklich ein Vorteil für die Patienten, auch am Wochenende zu den notwendigen Medikamenten zu kommen. Das müsste wohl im Sinne aller sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp. – Abg. Gradwohl: Seit wann ist das so, Frau Kollegin?)

Einfach gesagt: Das ist eine soziale Politik mit Herz und Verstand! Dass sich die Diskussion in den Medien leider Gottes ganz anders ausgewirkt hat und man "nur" – unter Anführungszeichen – über den Ausgleichsfonds spricht, schockiert mich etwas. Reich/arm, Geber/Nehmer, gut/böse, Rücklagen/Darlehen, Enteignung – das waren die häufigsten Wörter im Zusammenhang mit dieser ASVG-Novelle.

Worum geht es eigentlich, meine Damen und Herren? – Uns, den Freiheitlichen, unserer Regierung geht es um den Versicherten und dessen optimale Versorgung im Krankheitsfall. (Abg. Gradwohl: Sofern er Gaugg heißt!) Ich verspreche Ihnen Folgendes, meine Damen und Herren gerade von den Sozialdemokraten: Solange die Freiheitlichen an der Regierung sind, gibt es keine Beitragserhöhungen, bis nicht alle Rationalisierungspotentiale ausgeschöpft sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dass es diese gibt, werte Kollegen, hat sogar Ihr Genosse Sallmutter erst vor kurzem gesagt. Es gibt genug Rationalisierungspotentiale, und diese werden wir ausschöpfen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Gradwohl. ) – Hören Sie zu, Herr Kollege, vielleicht können Sie noch etwas lernen.


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111. Sitzung / Seite 144

Wir Freiheitlichen unterscheiden nicht, ob jemand in der Steiermark, in Oberösterreich, in Vorarlberg oder in Wien versichert ist, wir wollen, dass jeder Österreicher, egal in welchem Bundesland er lebt oder arbeitet, von seinem Arzt mit gleicher Qualität und gleichen Leistungen behandelt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber was ist Faktum, meine Damen und Herren? Das war bis jetzt nie transparent! – Faktum ist, dass der einfache Pflichtversicherte mit einer Neun-Kassen-Klassengesellschaft leben muss und nicht mit einer Zwei-Klassen-Medizin. Neun Klassen haben wir, nehmen Sie das bitte auch einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei Zahnproblemen ist man in Tirol am besten aufgehoben. Bei Regulierungen bitte nur nicht in Vorarlberg versichert sein, denn dort werden nur 40 Prozent der tatsächlichen Kosten ersetzt. Für den Fall der Mobilisierung durch Ergotherapie empfiehlt sich die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse. Braucht man Krücken oder andere Heilbehelfe, ist man wiederum in Wien besser dran. – Ich frage Sie: Sollen die Österreicher den Wohnort beziehungsweise den Arbeitsort nach ihren körperlichen Gebrechen auswählen?

Ich frage Sie: Ist jene Kasse eine gute Kasse, die auf Kosten der Leistungen an den Versicherten spart und Rücklagen bildet oder diese Rücklagen in Wertpapieren anlegt und verspekuliert, oder ist jene Kasse eine gute Kasse, die ihren Versicherten im Vergleich zu anderen Leistungen vorenthält? (Zwischenruf des Abg. Reheis. ) Diese Politik ist sozialdemokratische Sozialpolitik, aber nicht unsere, meine Damen und Herren! (Abg. Reheis: Ändern Sie es!) – Wir ändern das, keine Sorge!

Diese Diskussion hätten wir nicht, wenn wir einen Teil der Kassen zusammenlegen würden, Herr Kollege. Drei Viertel der Krankenversicherten sind bei neun Gebietskrankenkassen versichert, und rund 50 000 Versicherte sind bei neun Betriebskrankenkassen versichert (Abg. Silhavy:  ... Leistungsverbesserung!), wobei die kleinste Betriebskasse 1 426 Versicherte betreut, die jetzt aber Gott sei Dank mit der Bergbauernversicherung zusammengeschlossen wird. Auch das ist ein Teil der 60. ASVG-Novelle. (Abg. Dr. Povysil  – in Richtung der Abg. Silhavy –: Neun Kassen!)

Ich sehe bei manchen Kassen auf Grund der Versichertenstruktur, dass eigene Organisationsstrukturen notwendig sind. Aber sind auch neun Betriebskassen und neun Gebietskrankenkassen notwendig? Es könnte vor allem im so genannten Back-Office-Bereich, zum Beispiel: gemeinsamer Einkauf, gemeinsame EDV, gemeinsames Personalwesen, einiges verbessert werden. (Abg. Silhavy: Demokratieabbau nennt man das!)

Wenn Herr Kollege Gusenbauer und Herr Kollege Cap – jetzt sind sie an der Debatte anscheinend nicht interessiert (Abg. Dr. Mertel und Abg. Dietachmayr: Und der Westenthaler?)  – meinen, das wären Zentralismus oder UdSSR-Methoden, so frage ich schon, liebe Kollegen: Wissen Sie, was Ihr Genosse Häupl, Bürgermeister der Stadt Wien (Abg. Dietachmayr: Zu mir brauchen Sie nicht Genosse sagen!), am 26. Juni gesagt hat?

Ich zitiere: Häupl – für Zusammenlegung von Gebietskrankenkassen: "Ich akzeptiere die Aufteilung nach Berufsgruppen, das hat durchaus auch seinen entsprechenden Sinn, aber grundsätzlich meine ich, dass neun Gebietskrankenkassen für ein kleines Land wie Österreich zu viel sind." (Ruf bei der SPÖ: Wer hat das gesagt?) – Bürgermeister Häupl.

Auch der Wiener Gebietskrankenkassen-Obmann Bittner schließt sich dieser Meinung an. Da frage ich mich schon, werte Kollegen, ob das nicht vielleicht auch in Ihrem Sinn ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Hat er das nicht gesagt, Frau Kollegin? (Abg. Silhavy: Der Bittner hat das gesagt?) Bittner hat auch gesagt, es wäre sinnvoll, einen Teil zusammenzulegen. Es tut mir Leid. (Abg. Silhavy: Nein, der kann das nicht gesagt haben! Zitieren Sie diese Stelle! – Abg. Gradwohl: Frau Kollegin Hartinger! Würden Sie bitte vollständig zitieren! Zitieren Sie bitte vollständig!)


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111. Sitzung / Seite 145

Die Gegner dieser Finanzierung begründen dies, wenn nicht mit Polemik, meist mit dem Argument, dass die Verwaltungskosten ohnehin schon so niedrig seien und es bei der Verwaltung keine Synergieeffekte gäbe.

Meine Damen und Herren! Wissenschaftliche Studien belegen, dass es Rationalisierungspotentiale von 20 bis 30 Prozent gibt. Gerade beim Einkauf gibt es sehr viele einheitliche Leistungen und natürlich auch bei den Medikamenten. Auch hier wäre sehr viel Einsparungspotential notwendig. Können Sie sich erklären, weshalb Medikamente wie zum Beispiel Aspirin in Österreich um ein Drittel mehr kosten als in einem anderen europäischen Staat?

Faktum ist, meine Damen und Herren, dass derzeit bei den Sozialversicherungsträgern noch immer ein Machtdenken und ein Föderalismusdenken im Vordergrund stehen und der Bevölkerung mit Androhung von Leistungskürzungen begegnet wird. Wir Freiheitliche garantieren, dass die Versicherten, egal wo in Österreich sie leben, jene Leistungen bekommen, die sie brauchen, und dass die Sozialversicherungen endlich für die Bürger arbeiten und für niemanden sonst. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Abschließend darf ich noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1193 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1183 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, einbringen.

Dieser Antrag wurde bereits verteilt und beinhaltet in erster Linie die gesetzliche Festlegung von Tilgungsplänen für Darlehen an den Ausgleichsfonds. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, über den Frau Abgeordnete Hartinger gesprochen und den sie daher erläutert hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1193 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1183 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Dem Gesetzestitel wird der Klammerausdruck "(60. Novelle zum ASVG)" angefügt.

2. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck "82/2002" durch den Ausdruck "100/2002" ersetzt.

3. Die Z 1 bis 3 lauten:

"1. § 5 Abs. 1 Z 5 lautet:

,5. die ArbeitnehmerInnen der Universitäten nach dem Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. xxxx;‘

2. Im § 7 Z 4 wird der Punkt am Ende der lit. d durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende lit. e wird angefügt:

,e) die ArbeitnehmerInnen der Universitäten nach dem Universitätsgesetz 2002.‘


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111. Sitzung / Seite 146

3. Im § 8 Abs. 1 Z 1 lit. a sublit. aa wird der Ausdruck ,Z 18‘ durch den Ausdruck ,Z 18 und 22‘ ersetzt."

4. Die bisherigen Z 1 bis 3 erhalten die Bezeichnungen Z 3a bis 3c.

5. Nach der Z 16 wird folgende Z 16a eingefügt:

"16a. Im § 73 Abs. 1 Z 2 wird der Ausdruck ,Z 18‘ durch den Ausdruck ,Z 18 und 22‘ ersetzt."

6. Die Z 30a lautet:

"30a. Dem § 179 wird folgender Abs. 5 angefügt:

,(5) Die nach den Abs. 1 bis 4 ermittelte Bemessungsgrundlage ist mit dem Anpassungsfaktor des Kalenderjahres des Eintrittes des Versicherungsfalles zu vervielfachen.‘"

7. Nach der Z 50 wird folgende Z 50a eingefügt:

"50a. Dem § 421 Abs. 7 wird folgender Satz angefügt:

,Ruht die Funktion des Versicherungsvertreters wegen Unvereinbarkeit nach § 441e Abs. 1, so ist auch für dessen Stellvertreter auf Dauer ein Stellvertreter zu bestellen.‘"

8. Die Z 62 lautet:

"62. § 447a Abs. 2 Z 2 lautet:

,2. das Mehraufkommen an Tabaksteuer des Jahres 2002, das sich aus Preiserhöhungen zwischen 1. Juli 2002 und 31. Dezember 2002 ergibt.‘"

9. Die Z 63 lautet:

"63. Im § 447a Abs. 3 erster Satz wird im ersten Halbsatz der Ausdruck ,und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern‘ durch den Ausdruck , , die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter‘ und im zweiten Halbsatz der Ausdruck ,und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern‘ durch den Ausdruck , , der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter‘ ersetzt."

10. Dem § 447c Abs. 1 in der Fassung der Z 70 wird folgender Satz angefügt:

"Weiters ist die Zuerkennung von Mitteln an defizitäre Krankenversicherungsträger nur unter den Voraussetzungen zulässig, dass diese

nicht betriebsnotwendige Vermögensbestandteile zur Finanzierung des Gebarungsabganges veräußern und

kurzfristig nicht veräußerbare Vermögensbestandteile zur Besicherung der von ihnen zur Finanzierung des Gebarungsabganges aufgenommenen Darlehen heranziehen und

die im Rahmen der Zielvereinbarungen nach Z 2 festzulegenden Einsparungen im Bereich der Verwaltungskosten und der eigenen Einrichtungen einhalten;

darüber hinaus hat der betreffende defizitäre Krankenversicherungsträger alle ihm zur Verfügung stehenden betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten zur Sanierung seiner finanziellen Lage zu nützen und dies durch einen Finanzplan nachzuweisen."

11. Im § 447c Abs. 5 dritter Satz in der Fassung der Z 70 wird der Ausdruck "die Geschäftsführung" durch den Ausdruck "der Verwaltungsrat auf Vorschlag der Geschäftsführung" ersetzt.


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12. Die Z 73 lautet:

"73. Im § 447f Abs. 12 Z 2 letzter Satz wird der Ausdruck ,der Verbandskonferenz‘ durch den Ausdruck ,des Verwaltungsrates‘ ersetzt."

13. Die Überschrift zu § 600 in der Fassung der Z 83 lautet:

"Schlussbestimmungen zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxxx/2002 (60. Novelle)"

14. Im § 600 Abs. 1 Z 1 in der Fassung der Z 83 wird nach dem Ausdruck "420 Abs. 2," der Ausdruck "421 Abs. 7," eingefügt.

15. Im § 600 Abs. 1 Z 3 in der Fassung der Z 83 wird der Ausdruck "179 Abs. 1 bis 4, 180a samt Überschrift" durch den Ausdruck "179 Abs. 1 bis 5" ersetzt.

16. Im § 600 Abs. 1 Z 4 in der Fassung der Z 83 wird der Ausdruck "31 Abs. 5 Z 16, 58 Abs. 6," durch den Ausdruck "5 Abs. 1 Z 5, 7 Z 4 lit. d und e, 8 Abs. 1 Z 1 lit. a sublit. aa, 31 Abs. 5 Z 16, 58 Abs. 6, 73 Abs. 1 Z 2," ersetzt.

17. Nach § 600 Abs. 4 in der Fassung der Z 83 wird folgender Abs. 4a eingefügt:

"(4a) Der Hauptverband hat dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen bis längstens 30. September 2003 über den Zeitpunkt der flächendeckenden technischen Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft des ELSY zu berichten. Auf Grund dieses Berichtes kann der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen durch Verordnung den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der §§ 31 Abs. 5 Z 16, 58 Abs. 6, 135 Abs. 3, 153 Abs. 4 und 361 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002 bzw. des Außer-Kraft-Tretens des § 31 Abs. 5 Z 12 abweichend von Abs. 1 Z 4 bzw. von Abs. 4 festsetzen."

18. § 600 Abs. 9 bis 11 in der Fassung der Z 83 lauten:

"(9) Die §§ 178 Abs. 2, 179, 181 Abs. 1 und 181b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002 sind nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2002 eintreten.

(10) § 447a Abs. 3 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002 ist für die Geschäftsjahre 2003 und 2004 so anzuwenden, dass an die Stelle von 2,0 % der Prozentsatz von 4,0 % tritt. Im Geschäftsjahr 2002 sind der Rücklage zur Deckung eines außerordentlichen Aufwandes aus den in § 447c Abs. 1 lit. a angeführten Gründen keine Mittel nach § 447a Abs. 4 zuzuführen. Werden in einem Geschäftsjahr die Mittel der besonderen Rücklage nach § 447a Abs. 5 nicht ausgeschöpft, so ist der Rest dieser Mittel der allgemeinen Rücklage des Ausgleichsfonds zuzuführen.

(11) Folgende am Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger nach § 447a beteiligte Träger haben dem Ausgleichsfonds ein verzinsliches Darlehen in folgender Höhe zu gewähren:

1. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse 29 Millionen €

2. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse 37 Millionen €

3. Salzburger Gebietskrankenkasse 17 Millionen €

4. Vorarlberger Gebietskrankenkasse 12 Millionen €

5. Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues 5 Millionen €

6. Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft 72 Millionen €

7. Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen 17 Millionen €

8. Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter 26 Millionen €.


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Das Darlehen ist von den in den Z 1 bis 6 genannten Trägern längstens bis 1. Oktober 2002, von den in den Z 7 und 8 genannten Trägern längstens bis 31. Dezember 2003 zuzuzählen. Ab dem Jahr 2005 bis zum Ablauf des Jahres 2009 sind das als Darlehen überlassene Geld sowie die zusätzlichen Einnahmen aus der Beitragserhöhung nach Abs. 10 samt Verzinsung vom Ausgleichsfonds an den jeweiligen Träger zurückzuzahlen. Die Verzinsung ist nach dem jeweils von der Europäischen Zentralbank für die Einlagefazilität erstellten Zinssatz, erhöht um 0,8 Prozentpunkte, zu berechnen. Auf Vorschlag der Controllinggruppe beschließt der Verwaltungsrat bis 31. Oktober 2003 einen für die gesamte Laufzeit geltenden Plan zur Tilgung des Darlehenskapitals (Tilgungsplan), der die vollständige Rückzahlung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2009 sicherstellt. Die Tilgungen beginnen im Jahr 2005; bis 31. Dezember 2007 sind jedenfalls 50% des als Darlehen überlassenen Geldes sowie der zusätzlichen Einnahmen aus der Beitragserhöhung nach Abs. 10 zu tilgen. Die Tilgungszahlungen an die einzelnen darlehensgewährenden Versicherungsträger sind im Verhältnis der jeweils aushaftenden Darlehenssumme vorzunehmen. Sollte der Tilgungsplan nicht eingehalten werden, so sind die darlehensgewährenden Versicherungsträger berechtigt, ihre laut Tilgungsplan jeweils ausständigen Rückzahlungs- und Zinsenraten gegen die Beitragsforderung des Ausgleichsfonds nach § 447a Abs. 3 aufzurechnen."

Begründung

Zu den Z 1 und 13 (Gesetzestitel und § 600 Überschrift):

Um die vorliegende umfangreiche ASVG-Novelle fortan einfach und leicht verständlich zitieren zu können, soll sie den Kurztitel "60. Novelle zum ASVG" erhalten.

Zu Z 2 (Einleitungssatz):

Am 10. Juli 2002 wurde im Bundesgesetzblatt I unter der Nr. 100/2002 das Bundesgesetz über die Neuordnung des Abfertigungsrechtes kundgemacht, mit dem ua. auch das ASVG geändert worden ist. Der Einleitungssatz ist daher entsprechend anzupassen.

Zu den Z 3 bis 5 und 16 (§§ 5 Abs. 1 Z 5, 7 Z 4 lit. e, 8 Abs. 1 Z 1 lit. a sublit. aa, 73 Abs. 1 Z 2 und 600 Abs. 1 Z 4):

Im Zusammenhang mit der Einbeziehung der ArbeitnehmerInnen der Universitäten nach dem Universitätsgesetz 2002 in den Versichertenkreis nach dem B-KUVG werden die notwendigen Anpassungen im ASVG vorgenommen (Ausnahme von der Vollversicherung und Teilversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG).

Zu den Z 6, 15 und 18 (§§ 179 Abs. 5, 180a und 600 Abs. 1 Z 3 und Abs. 9):

Die Bemessungsgrundlage in der Unfallversicherung soll in Hinkunft für alle Dienstnehmer – und nicht bloß für Schwerversehrte – mit dem Anpassungsfaktor vervielfacht werden. Diese Erhöhung wird im Endausbau voraussichtlich Mehrkosten in der Höhe von rd. 1 Mio. € für die Unfallversicherung mit sich bringen. Für den Bund erwächst daraus keine finanzielle Belastung.

Zu den Z 7 und 14 (§§ 421 Abs. 7 und 600 Abs. 1 Z 1):

Nach § 441e Abs. 1 ASVG ruht eine Funktion als Versicherungsvertreter bei einem Versicherungsträger für die Dauer der Ausübung einer Funktion in bestimmten Verwaltungskörpern des Hauptverbandes (zB. Tätigkeit in der Controllinggruppe). Da im Fall eines solchen Ruhens der Stellvertreter an die Stelle des Versicherungsvertreters tritt, und zwar regelmäßig für die gesamte Amtsdauer, soll nun auch für diesen Stellvertreter ein ständiger Stellvertreter bestellt werden.

Zu Z 8 (§ 447a Abs. 2 Z 2):

Mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 soll mit Wirkung vom 17. August 2002 die Tabaksteuer erhöht werden. Das dadurch bewirkte Mehraufkommen an Tabaksteuer in der Höhe von


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ca. 23 Mio. € im Jahr 2002 und ca. 82 Mio. € in den Folgejahren soll zur Gänze dem Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger zugeführt werden. Da ab 1. Jänner 2003 das erhöhte Aufkommen an Tabaksteuer wie oben angeführt in der Höhe von ca. 82 Mio. € durch eine Verordnung, die vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen erlassen wird, über eine Anhebung des Beihilfen- und Ausgleichsprozentsatzes nach dem Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz (GSBG) auch in den Folgejahren an den Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger auf systematisch richtige Weise weitergegeben wird, ist die Bestimmung des § 447a Abs. 2 Z 2 mit 31. Dezember 2002 zu beschränken.

Zu den Z 9 und 12 (§§ 447a Abs. 3 und 447f Abs. 12 Z 2):

Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen redaktionelle Klarstellungen getroffen werden.

Zu Z 10 (§ 447c Abs. 1):

Die Versicherungsträger wurden mit Erlass des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 8. Mai 2001 angewiesen, sämtliche nicht betriebsnotwendige Immobilien unverzüglich gewinnoptimierend zu verwerten.

Nunmehr soll gesetzlich festgeschrieben werden, dass ein Anspruch auf Zielerreichungs-Zuschüsse nur dann besteht, wenn nicht betriebsnotwendiges Vermögen – im Sinne des erwähnten Erlasses – veräußert und zur Bedeckung des Abganges verwendet wird. Mittels Finanzplanes ist zudem nachzuweisen, dass alle Sanierungsmöglichkeiten aus betriebswirtschaftlicher Sicht ausgeschöpft werden.

Die vorgeschlagene Änderung steht in engem Zusammenhang mit den im Gesetzesentwurf bereits enthaltenen Bestimmungen:

Demnach ist in § 447c Abs. 1 ASVG in der Fassung der Regierungsvorlage 1183 d.B. festgehalten, dass Zuschüsse aus dem Zielerreichungstopf insbesondere dann gebühren, wenn die nach § 32a ASVG vom Verwaltungsrat für den betreffenden Versicherungsträger zu beschließenden Ziele und die Zielvereinbarungen auf der Grundlage der Kennzahlen eingehalten wurden. Diese als Richtlinie des Hauptverbandes festgelegten Kennzahlen umfassen nach § 31 Abs. 3 Z 13 ASVG die Kosten der Verwaltung und der eigenen Einrichtungen sowie die jährliche Auswertung dieser Kennzahlen einschließlich Berichterstattung. Grundlage dieser Auswertungen und Berichte sind nach den §§ 31 Abs. 3 Z 13 ASVG sowie 32b Abs. 3 ASVG die Ergebnisse der Kostenrechnung, die Erfolgsrechnung, die Finanzcontrolling- und die Kosten- und Leistungsberichte sowie die Informationstechnologie-Berichte der Versicherungsträger. Bei der Zielvereinbarung sowie bei der Auswertung der Ergebnisse und der Berichterstattung wird auf die vom einzelnen Krankenversicherungsträger nicht beeinflussbaren strukturellen Unterschiede Bedacht zu nehmen sein.

Die nunmehr vorgeschlagene weitere Änderung verdeutlicht, dass Zuschüsse aus dem Zielerreichungstopf an Krankenversicherungsträger mit Gebarungsabgang nur dann zulässig sind, wenn diese zunächst nicht betriebsnotwendige Vermögensbestandteile, das werden insbesondere Liegenschaften sein, zur Bedeckung des Gebarungsabganges verwenden, z.B. durch Veräußerung. Damit soll vermieden werden, dass Zuschüsse aus dem Ausgleichsfonds gewährt werden, obwohl noch "stille Reserven" vorhanden sind. Weiters ist als Voraussetzung für Zuschüsse ausdrücklich vorgesehen, dass Krankenversicherungsträger mit Gebarungsabgang die im Rahmen der oben beschriebenen Zielvereinbarungen festzulegenden Einsparungen im Verwaltungsbereich auch tatsächlich vornehmen.

Der Vollständigkeit halber wird im Zusammenhang mit den in § 600 Abs. 11 ASVG in der Fassung des Ausschussberichtes vorgesehenen Darlehen und unter Hinweis auf die Übergangsbestimmung in § 600 Abs. 12 ASVG noch Folgendes bemerkt:

Die Genehmigung von Bauvorhaben der Krankenversicherungsträger durch den Hauptverband nach § 31 Abs. 7 Z 1 ASVG und das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generatio


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nen bzw. das Bundesministerium für Finanzen nach § 447 ASVG, die der Senkung des Verwaltungsaufwandes, erhöhter Effizienz und besserem Kundenservice dienen, sollen durch die im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung geänderte Liquiditätslage der Träger nicht berührt werden.

Zu Z 11 (§ 447c Abs. 5):

Wie schon über die Höhe der Zielerreichungs-Zuschüsse soll auch über Vorauszahlungen auf Zielerreichungs-Zuschüsse der Verwaltungsrat (auf Vorschlag der Geschäftsführung) entscheiden.

Zu Z 17 (§ 600 Abs. 4a):

Um auf allfällige technische Schwierigkeiten in der Startphase der Einführung der e-card reagieren zu können, soll eine Verordnungsermächtigung geschaffen werden, die auch in diesem Fall den nahtlosen Nachweis der Anspruchsberechtigung für die Versicherten zB. eines Bundeslandes sicherstellt und die Möglichkeit der Erstattung der im Kalenderjahr 2004 angefallenen Krankenscheingebühr in jenen Fällen vorsieht, in denen in diesem Kalenderjahr auch ein Service-Entgelt angefallen ist.

Zu Z 18 (§ 600 Abs. 10 und 11):

Mit dieser Änderung stellt der Hauptverband 20 Millionen € aus seiner Rücklage zur Krankenkassenfinanzierung zur Verfügung. Diese 20 Millionen € senken den Darlehensbetrag, den die einzelnen Gebietskrankenkassen an den Ausgleichsfonds leisten müssen. Der Umstand, dass durch die vom Hauptverband zu leistenden 20 Millionen € nur die Gebietskrankenkassen begünstigt werden, liegt darin begründet, dass diese auf Grund ihrer Natur nicht in der Lage sind – so wie dies die anderen Krankenversicherungsträger nach den Z 5 bis 8 des § 600 Abs. 11 ASVG tun können – regionale Unterschiede selbst auszugleichen.

Gleichzeitig wird eine Verzinsung für die gewährten Darlehen nach den von der Europäischen Zentralbank für die Einlagefazilität erstellten Zinssatz normiert.

Darüber hinaus enthält die vorgeschlagene Änderung eine Konkretisierung der Tilgungspläne für die Rückzahlung der Darlehen durch den Ausgleichsfonds, eine Bestimmung über die Gleichbehandlung der darlehensgebenden Versicherungsträger bei den Tilgungen und eine zusätzliche Sicherheit durch die Möglichkeit der Aufrechnung von trotz Fälligkeit allenfalls ausständigen Tilgungsraten gegen fällige Verpflichtungen zur Zahlung von Beiträgen an den Ausgleichsfonds.

Diese Bestimmungen scheinen für eine mittel- und längerfristige Finanzplanung der Träger zweckmäßig.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.50

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben ja lange vor 15 Uhr gesprochen und auch im Detail Maßnahmen vorgestellt, Kritik geäußert an der bisherigen Praxis der Sozialversicherung, aber eines ist Ihnen damit nicht gelungen: klarzumachen, dass das, was Sie mit der 60. ASVG-Novelle vorhaben, tatsächlich ein Beitrag zur Sanierung der Sozialversicherung beziehungsweise der Krankenkassen sein könnte. Das ist Ihnen beim besten Willen nicht gelungen, Herr Bundesminister! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Haupt. )

Herr Bundesminister! Machen wir uns nichts vor: Das, was Sie mit der 60. ASVG-Novelle beschließen werden, ist ein kleines Teilstück einer Reihe von Maßnahmen, die alle nur einer


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111. Sitzung / Seite 151

Intention dienen: mittelfristig – ich kann Ihnen auch das Datum sagen, nämlich mit dem Jahr 2005 – die Krankenkassen in den Ruin zu treiben. Das ist das Ergebnis, das ist das, was Sie intendieren, was Sie mit dem Jahr 2005 beabsichtigen.

Herr Bundesminister! Ich werde versuchen, den Beweis zu führen. Ich könnte es mir einfach machen, aber es wäre ungerecht, Sie für alles verantwortlich zu machen – das weiß ich. Aber Ihr Ressort, der Herr Gesundheitsstaatssekretär und die Personen um ihn, tragen nicht wirklich dazu bei, dass es dem Gesundheitssystem beziehungsweise den Sozialversicherungen in Österreich besser geht.

Herr Bundesminister! Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Schauen wir uns doch die Meinung der österreichischen Bevölkerung an, schauen wir uns an, was sie dazu sagt, ob die Regierung, ob das Sozialministerium kompetent ist, die Kassen zu sanieren und das Gesundheitssystem weiterzuentwickeln. Der Befund wäre eindeutig, es wäre mir aber trotzdem zu billig.

Ich gehe den komplizierteren Weg und sage Ihnen Folgendes: Maßnahme eins: BeitragszahlerInnen werden aus dem Bereich der Gebietskrankenkassen "abgezwickt" und zu anderen Krankenkassen umgesiedelt, zu Betriebskrankenkassen, zur Beamtenversicherung, zur Bauernversicherung, zur gewerblichen Wirtschaft. Die Konsequenz ist, dass den Gebietskrankenkassen junge BeitragszahlerInnen fehlen, und die alten kommen dann wieder zu den Gebietskrankenkassen zurück. – Maßnahme eins, mit der man eine gegebene Kassenstruktur zumindest schwächen kann.

Maßnahme zwei: Sie haben schon 2000/2001 eine Reihe von Maßnahmen entwickelt, Maßnahmen des Gesetzgebers, mit denen Sie die Finanzstruktur der Kassen kurzfristig, aber auch mittelfristig, nämlich mit dem Jahr 2005, geschwächt haben. Einnahmenverlust: Pauschalabgeltung der Mehrwertsteuer auf Medikamente: 750 Millionen Schilling, Arbeitsrechtsänderungsgesetz: 200 bis 400 Millionen Schilling, Budgetbegleitgesetz: Verringerung der Zahlungen der Pensionsversicherung an die Krankenversicherung: 150 Millionen Schilling, zusätzliches Geld zur Spitalsfinanzierung: 550 Millionen Schilling, und so weiter und so fort. – Das ist das, was Sie im Jahr 2000 den Krankenkassen an Einnahmen entzogen haben!

Und dann gibt es den Brocken im Jahr 2005, nämlich die Vorhaben im Bereich des Kinderbetreuungsgeldes sowie die geplanten Maßnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung, die alle nur eines bewirken: Im Jahr 2005 haben die Krankenkassen noch einmal, also zusätzlich weniger Einnahmen. Und dann kommen Sie mit einem Sanierungsplan, bei dem die Rückzahlungen der Kassen für den Kredit, den sie über den Hauptverband erhalten, über die Zahlungen der einzelnen so genannten Sanierten-Maßnahmen, genau im Jahr 2005 beginnen, in dem die Kassen zusätzlich weniger Einnahmen haben.

Es gibt schon jetzt, im Jahr 2002, wie Sie vor wenigen Tagen der Zeitung "Die Presse" entnehmen konnten, Defizite in den einzelnen Gebietskrankenkassen, in den neun Ländergebietskrankenkassen, die es mehr als wahrscheinlich erscheinen lassen, so die Zeitung "Die Presse", dass im Jahr 2002 nicht die bisher identifizierten Defizitträger unter den Krankenkassen, sondern genau jene Gebietskrankenkassen, die bisher kein bis wenig Defizit erwirtschaftet haben, zu den am stärksten am Defizit Leidenden gehören werden. – Und das ist Ihr Sanierungsplan?

Im Jahr 2002 wird die Tiroler Gebietskrankenkasse, der es jetzt schon nicht gut geht, genauso wie die Kärntner Gebietskrankenkasse, die Vorarlberger Gebietskrankenkasse und alle Krankenkassen im Westen zusätzlich stark steigende Defizite haben. Und Sie sagen: In diesem Jahr 2002 müssen alle Krankenkassen, denen es gut geht, jenen, denen es schlecht geht, etwas geben, und ab dem Jahr 2005 beginnt die Rückzahlung. – Das geht sich nie und nimmer aus, meine Damen und Herren, und das wissen Sie genau! Dahinter kann man nur einen Masterplan sehen und verstehen, der mittelfristig einer einzigen Intention dient: eine gute Kassenstruktur und die Finanzierung und Sanierung der Kassen nachhaltig zu verhindern! Und das ist das Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Ich habe in der vorigen Debatte gehört – ich habe der Kollegin Brinek aufmerksam zugehört –, dass die Regierung deshalb bei den Universitäten die Reform macht, weil sich die Unis zu unübersichtlichen staatlich-zentralistischen Großeinrichtungen entwickelt haben. Deshalb sagt Kollegin Brinek: Nein, wir wollen keine unübersichtlichen, keine zentralistischen staatlichen Großeinrichtungen.

Was macht der Herr Bundesminister gerade mit seinen Vorschlägen bei der Krankenkasse? – Er möchte aus den neun Länderkrankenkassen eine einzige zentralistische Organisation machen! (Abg. Dr. Brinek: Eine staatliche Organisation!) Dahinter steht das Konzept einer Freiheitlichen Partei, die schon immer besser mit dem Staatsdirigismus zurechtgekommen ist als mit den Prinzipien von Selbstverwaltung und Selbstorganisation. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. ) Das sei Ihnen gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

So wie der Herr Bundesminister in der Causa Gaugg jetzt wieder einen neuerlichen Versuch macht, nämlich die Pensionsversicherung pflichtgemäß zu dem Termin zu vergattern, den Frau Riess-Passer schon verkündet hat – binnen einer Woche muss dieses Gremium zusammentreten! –, so hätten Sie gerne die gesamte Sozialversicherung, so wollen Sie dieses Land regieren, dass man nur noch mit dem Finger zu schnippen und zu sagen braucht: So, das macht ihr jetzt! – Auf Knopfdruck! Und jeder Funktionär, dem das nicht passt und der nicht spurt, wird ersetzt durch einen, der der Regierung und dem Bundesminister lieb ist.

Das ist Ihr Konzept dafür, wie Sie in dieser Republik die Demokratie "entwickeln wollen" – zwischen Anführungszeichen. Das ist ein Konzept zur Verstaatlichung, zum staatlichen Dirigismus, aber nicht zum Ausbau der Selbstverwaltung.

Abschließend sage ich gerichtet an die Vertreter der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, die Recht haben, und auch – sollte es so sein – an die Abgeordneten aus Vorarlberg, die dagegen stimmen, und die Vertreter der Vorarlberger Landesregierung, die möglicherweise diese 60. ASVG-Novelle einklagen werden: Sie haben Recht! Aber nicht nur aus dem Grund, weil es hier um Länderinteressen geht und ein Bundesland vor diesem Eingriff geschützt werden soll – darüber könnte man diskutieren; ich wäre nämlich nicht prinzipiell gegen einen Eingriff, wenn alles einem Plan zuzuordnen wäre, der die nachhaltige Sanierung aller Kassen und nicht nur bestimmter Kassen vorhätte; es wären vermutlich auch die Länder bereit zuzustimmen, wenn sie wüssten, dass es dabei tatsächlich um die Sanierung geht –, sondern auch deshalb, weil das, was hier vorliegt, wie schon Kollege Mitterlehner im Ausschuss deutlich gesagt hat – ich zitiere Sie, Herr Kollege Mitterlehner –, keine nachhaltige Sanierung ist. Es braucht Strukturmaßnahmen!

Wo liefern Sie diese Strukturmaßnahmen im Rahmen der 60. ASVG-Novelle, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sie haben keine Strukturmaßnahmen. Sie haben kein Konzept, wie Sie die Kassen sanieren wollen. Sie haben ein Konzept, wie Sie die Kassen verschulden. Und deshalb werden wir einen Antrag auf Rückverweisung der gesamten 60. ASVG-Novelle einbringen. Das ist kein Konzept für die Zukunft! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Fraktion ist ordnungsgemäß unterfertigt, nämlich gemäß § 53 GOG diese Vorlage an den Ausschuss rückzuverweisen. Er wird am Ende der Debatte zur Abstimmung gebracht.

*****

Weiters gebe ich bekannt, dass die unterfertigten Abgeordneten der grünen Fraktion das gemäß § 46 Abs. 6 GOG eingebrachte Verlangen auf Einberufung einer Sitzung des Nationalrates zum Thema "rechtliche und politische Konsequenzen aus den untragbaren Äußerungen von Volksanwalt Mag. Ewald Stadler", also das Verlangen auf Sondersitzung zurückgezogen haben.


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Ich unterbreche jetzt vereinbarungsgemäß die Beratungen über die Verhandlungsgegenstände 3 bis 8, damit der Herr Bundeskanzler zum vereinbarten Zeitpunkt eine Erklärung abgeben kann.

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Verlangen vor, das von allen vier Fraktionen unterschrieben wurde, über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers eine Debatte durchzuführen.

Für die Debatte haben wir Redezeiten vereinbart, die bereits bekannt gegeben wurden. Ich darf sie noch einmal in Erinnerung rufen: Der Herr Bundeskanzler wird zirka 20 Minuten sprechen, dann ein Vertreter der grünen Fraktion 20 Minuten und dann zwei Mal je ein Redner pro Fraktion mit je 10 Minuten.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so festgelegt.

Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.

17.01

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Gerne gebe ich – entsprechend der Willensbildung in der Präsidialkonferenz und auch, um den Zeitplan des Hohen Hauses vor der Sommerpause nicht zu gefährden – eine Erklärung zur Wiedererringung der Unabhängigkeit unseres Landes, zur geschichtlichen Abfolge und ihrer Bewertung.

Meine Damen und Herren! Am 3. April 1945 hat "Staatskanzler" Dr. Karl Renner – der damals natürlich nicht Staatskanzler war, sondern ein greiser Staatsmann –, zurückgeholt aus Gloggnitz, seine ersten Verhandlungen und Gespräche mit der sowjetischen Roten Armee aufgenommen. Es hat einige Kontakte gegeben, und am 27. April 1945 hat Karl Renner dann 40 Mitglieder der Provisorischen Staatsregierung in den Gemeinderats-Sitzungssaal des Wiener Rathauses zusammengerufen. Dort wurden die Proklamation, dann die Unabhängigkeitserklärung sowie die Regierungserklärung dieser neuen unabhängigen Republik beschlossen. Der Text ist berührend: Es ist eine archaische Sprache; manchmal klingt sie ein wenig altmodisch, aber sie geht direkt zu den Herzen und zu den Köpfen der Menschen, um die es geht. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich darf Ihnen einige Sätze daraus vortragen.

In der Proklamation heißt es:

"Angesichts der Tatsache,

daß der Anschluß des Jahres 1938 nicht, wie dies zwischen zwei souveränen Staaten selbstverständlich ist, ... durch Verhandlungen ... vereinbart und durch Staatsverträge abgeschlossen,

sondern durch militärische Bedrohung von außen und den hochverräterischen Terror einer nazifaschistischen Minderheit eingeleitet, einer wehrlosen Staatsleitung abgelistet und abgepreßt,

endlich durch militärische kriegsmäßige Besetzung des Landes dem hilflos gewordenen Volke Österreichs aufgezwungen worden ist,

angesichts der ... Tatsache," dass Adolf Hitler "das macht- und willenlos gemachte Volk Österreichs in einen sinn- und aussichtslosen Eroberungskrieg geführt hat, den kein Österreicher jemals gewollt hat, jemals vorauszusehen oder gutzuheißen instand gesetzt war, zur Bekriegung von Völkern, gegen die kein wahrer Österreicher jemals Gefühle der Feindschaft oder des Hasses gehegt hat, ...,

viele Hunderttausende der Söhne unseres Landes, beinahe die ganze Jugend- ..., bedenkenlos hingeopfert hat",


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"... und im Hinblick darauf" – dann wird auch die Moskauer Außenministerkonferenz zitiert und wörtlich darauf hingewiesen, dass "die Regierungen Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika" übereingekommen sind, "daß Österreich ... das erste freie Land" war, "das der Hitlerschen Aggression zum Opfer gefallen ist" und "von der deutschen Herrschaft befreit werden muß".

Angesichts dessen wird die Unabhängigkeitserklärung proklamiert, und dann wird auch sehr ehrlich darauf Bezug genommen, dass im Nachsatz zur Moskauer Konferenz auch auf die Mitverantwortung Österreichs "für die Beteiligung ... auf seiten Hitlerdeutschlands" hingewiesen wird, und "daß bei der endgültigen Regelung unvermeidlich sein eigener Beitrag zu seiner Befreiung berücksichtigt werden wird".

Dann kommt die Erklärung:

"Rafft Euch auf! Wirkt zusammen zu unser aller Befreiung! Helft mit, das vormalige, unabhängige Gemeinwesen der Republik Österreich wieder aufzurichten!"

Und weiters: "Vergeßt nicht, daß diese ersten Schritte nur dadurch ermöglicht worden sind, daß die Rote Armee große Teile unseres Staatsgebietes vom Drucke der Hitlerarmee erlöst hat."

Und dann wird auch das Bekenntnis dieser neuen, freien Republik zum Ausdruck gebracht, dass sie das Vertrauen der drei Weltmächte und der gesamten Staatenwelt wieder erringen will und die Republik – wörtlich! – "wieder in die Reihen der souveränen Staaten" zurückführen will. "Sie wird sich bemühen, ... Friedens- und Freundschaftsverträge zu schließen, vor allem aber mit seinen unmittelbaren Nachbarn, mit denen das österreichische Volk – trotz aller politischen Wirren der Vergangenheit – im Austausch der Wirtschafts- und Kulturgüter durch lange Jahrhunderte zusammengearbeitet und zusammengelebt hat."

Seit damals, meine Damen und Herren, gedenkt die Republik, die jeweilige Bundesregierung am 27. April der Unabhängigkeit der Zweiten Republik, dem Wiedererstehen eines unabhängigen Österreich. Das ist ein Grundkonsens, einer, der gehalten hat, als die ÖVP mit der SPÖ oder die SPÖ mit der ÖVP, die Sozialdemokraten mit den Freiheitlichen oder jetzt wir, die ÖVP mit den Freiheitlichen, eine Regierung gebildet haben.

Am 27. April 1955 hat Julius Raab, nachdem er von den Verhandlungen in Moskau zurückgekommen ist, eine bedeutungsvolle Rede gehalten – die eigentliche Rede zum Staatsvertrag, noch bevor der Vertrag unterzeichnet worden ist.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass diese Unabhängigkeitsproklamation zu einem Zeitpunkt beschlossen wurde, als Österreich noch nicht frei war, als dieses neue Österreich nicht anerkannt war; nur die sowjetische Seite, die Föderation, hat die Republik Österreich anerkannt. Erst am 4. Mai 1945 haben amerikanische Truppen Innsbruck und Salzburg befreit, am 6. Mai dann Linz und Steyr – und am 8. Mai 1945 erfolgte die bedingungslose Kapitulation Deutschlands.

Julius Raab erinnert 1955 an die nächtelangen Verhandlungen in der Wenzgasse in Hietzing, als man versucht hat, eine ganze Fülle von Gesetzen zusammenzutragen, um letztlich die Wiederherstellung Österreichs, den Wiederaufbau seiner Verwaltung und seiner Wirtschaft zu ermöglichen.

Daher haben wir jedes Jahr eine bestimmte Sequenz:

Der 27. April, an dem der Ministerrat zusammentritt und gedenkt.

Der 5. Mai, an dem man symbolisch der Befreiung eines – des größten – österreichischen Konzentrationslagers, Mauthausen, gedenkt. Das ist ein wichtiger Gedenktag für uns alle.

Der 8. Mai, an dem die deutsche Armee kapituliert hat und den Menschen in ganz Europa, glaube ich, viele Steine vom Herzen gefallen sind, weil der Krieg zu Ende gegangen ist.


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Aber auch der 15. Mai, der Österreich die volle Wiedererringung seiner Souveränität und die gesamte Freiheit gebracht hat.

Das ist ein Ganzes: Da kann nicht ein Teil herausgebrochen werden. Da kann nicht auf- oder gegengerechnet werden. Dies ist – ich wiederhole – ein Ganzes.

Wichtig ist, dass wir jedes Jahr an diesem 27. April nicht nur des wiedererrichteten unabhängigen Österreichs gedenken, sondern auch der Opfer – und die Opfer sind zahlreich. Wir gedenken der 580 000 Österreicher, die ihr Leben verloren haben – 65 000 ermordete österreichische Juden, 35 000 zivile politische Opfer, sie wurden hingerichtet, sie starben in Konzentrationslagern und Gefängnissen –, und wir gedenken auch der 380 000 Gefallenen beziehungsweise in Kriegsgefangenschaft Verstorbenen sowie der 100 000 Toten, die in Kriegshandlungen oder im Luftkrieg ihr Leben lassen mussten.

Diese Zahl ist ja viel mehr als nur eine Zahl: Dahinter stecken Schicksale! Und es ist eine Wunde, die nicht heilt. Es ist eine Wunde, die gepflegt werden muss, gesäubert werden muss – die Heilung vielleicht dadurch erringen kann, dass von den Opfern Verzeihung gewährt wird. Vor allem aber muss Erinnerung gegeben werden, und von dieser Erinnerung und von diesem ganzheitlichen Darstellen soll sich kein Österreicher und keine Österreicherin ausschließen – aber es darf auch niemand ausgeschlossen werden bei diesem Gedenken am 27. April, am 5. Mai oder am 8. Mai, wenn sich diese Jahrestage jähren.

Entscheidend ist, dass man auch in der Aufarbeitung der Geschichte das Ganze sieht. Morgen werden wieder einige Leitartikel erscheinen, in denen meiner Meinung nach einige ganz gravierende Irrtümer beschrieben werden. Ein Irrtum zum Beispiel ist der, dass es heißt: Österreich hat sich nicht entnazifiziert; Österreich wurde von außen entnazifiziert!

Ich frage Sie, meine Damen und Herren, Hohes Haus: Ist das fair und gerecht angesichts der Gründer dieser Republik, die am 27. April 1945 – und zum Teil sogar noch wenige Tage vorher – in der Todeszelle gesessen sind, darunter auch mehrere der Gründer meiner politischen Partei und genauso auch Politiker Ihrer Fraktionen?

Ich finde, es ist wichtig, dass man schon sieht und anerkennt, dass da aus Eigenem gehandelt wurde, dass etwa der Westen, Innsbruck beispielsweise, durch die Kraft der Widerstandsbewegung frei den Amerikanern übergeben wurde. Die Fairness gebietet es also, auch den Eigenbeitrag dieses neuen Österreich in diese ganzheitliche Betrachtung einzuziehen.

Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, hier auch die objektiven Fakten zu nennen, die beispielsweise Hubert Feichtlbauer sehr berührend und beeindruckend zusammengetragen hat. Österreich hat sich nämlich nicht aus der Geschichte einfach davongestohlen. Das wäre ja auch gar nicht gegangen, gar nicht toleriert worden: weder von innen noch von außen. Es gab 136 829 Voruntersuchungen, mehr als 28 000 Anklagen gegen NS-Sympathisanten oder Täter. Es gab 13 667 Verurteilungen, 30 Todesurteile wurden vollstreckt; was den Bevölkerungsanteil anlangt: mehr pro Kopf als in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Viertel aller Staatsbeamten verlor in Österreich wegen ihrer NS-Nähe die Stellung, ein großer Teil erlitt wesentliche Einkommensverluste.

An die 100 000 Unternehmer wurden nach dem Wirtschaftssäuberungsgesetz gemaßregelt. Und es gab nach 1945 eine ganze Reihe von Wiedergutmachungen  – sicher in vielen Fällen zu spät, halbherzig und nicht mit der richtigen Tonlage wiedergegeben. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es viele Gesetze betreffend Wiedergutmachungen gegeben hat, die seit 1945 zig Milliarden Schilling an Wiedergutmachungsversuchen gebracht haben. Es wurde der Nationalfonds eingerichtet, es wurden Kunstschätze restituiert, und es wurden – ich danke dafür auch! – dank der einstimmigen Beschlussfassung in dieser Legislaturperiode zwei Fonds für Zwangsarbeiter aus Mittel- und Osteuropa und der General Settlement Fund für jüdische Opfer und für Restitutionslücken, also für Ansprüche, die in der Vergangenheit nicht erfüllt wurden, eingerichtet.


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Ich bitte daher, bei der Beurteilung dessen, was Österreich in seiner Gänze ist, was Österreich getan oder versäumt hat, diese ganze Breite der Elemente mit einzubeziehen.

Es ist auch nicht wahr, dass es, wie der Autor eines morgen erscheinenden Leitartikels behauptet, überhaupt keine Aufarbeitung der Geschichte von 1945 bis 1955 gebe. Wir alle wissen doch, wie es gewesen ist: Österreich ist 1945 eben nicht frei im vollen staatsrechtlichen Sinn gewesen – und Besatzung ist immer etwas Bitteres! Es hatte seine Gründe, warum Julius Raab auch 1955 die Sehnsucht des österreichischen Volkes, die drängende Ungeduld nach der Herstellung der vollen, umfassenden Freiheit zum Ausdruck gebracht hat. Und es hatte seinen Grund, dass die Staatsoper mit "Fidelio" wiedereröffnet wurde und dies auch in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser vollständigen Wiederherstellung von Souveränität und Freiheit stand.

Wenn Sie morgen lesen können, wie Franz Kreutzer, der 1947 als blutjunger Gymnasiast bei der "Arbeiter-Zeitung" angeheuert hat – er ist noch mit dem druckfrischen Maturazeugnis zu dem legendären Oskar Pollack gekommen – und dort als junger Reporter angestellt wurde, als so genannter Russenreporter, der die Aufgabe hatte – und das verdient Respekt! –, in der damaligen schwierigen Situation jeden Tag die Übergriffe zu berichten, die geschehen sind – "Wildost in Wien", "Menschenraub am hellichten Tag" –, dann werden hier Tatsachen vor Augen geführt, die den Betroffenen nur allzu gut bewusst sind.

Und wir wissen genau – jeder von uns hat Bekannte oder Familienangehörige, die diese Zeit erlebt haben, oder er hat Bekannte gehabt oder hat davon gehört –, was geschehen ist. Es war Unrecht! Das hat auch die damalige Regierung gewusst, und sie musste einen Großteil ihrer Arbeit und ihrer Energie darauf verwenden, immer wieder vorzusprechen, Wiedergutmachungen zu erbitten, Freiheit sicherzustellen oder zu ermöglichen. Eine Fülle von in der Öffentlichkeit gar nicht so sehr bekannten Dingen ist da gesetzt worden, Dinge, die jetzt aufgearbeitet worden sind.

Es bedarf aber in der aktuellen Situation nicht des Zurufs, denn ich selbst habe als Außenminister und jetzt auch als Bundeskanzler mit Präsidenten Vladimir Putin Anfang dieses Jahres bei einem Staatsbesuch in Moskau das von mir begonnene und eingeleitete Thema der Rehabilitation von Österreichern abgeschlossen. Vergessen Sie nicht, dass Zehntausenden Österreichern in der Schreckensherrschaft des Stalinismus bitteres Unrecht geschehen ist, die praktisch ihrer zivilen Würde, ihrer Rechte beraubt wurden und die jetzt mit dieser erstmaligen Rehabilitation durch das neue, demokratische System in Russland Wiedergutmachung und eine Wiederherstellung ihrer Ehre erfahren haben.

Ich glaube, dass es auch wichtig und anzuerkennen ist, dass es mit der heutigen russischen Führung möglich war, ein Studienprojekt, "Die Rote Armee 1945 bis 1955", unter Einbindung der wichtigsten österreichischen Wissenschafter in Gang zu setzen, damit auch diese Zeit aufgearbeitet werden kann.

Meine Damen und Herren! Ich sage das deshalb, damit wir uns auch hier der Themen, auch der Tabu-Themen, früherer Zeiten bewusst sind, denn es war nicht immer einfach, darüber zu reden: Es konnte missverstanden werden, es konnte missdeutet werden; manche Opfer haben sich – wie so oft – gescheut, darüber zu reden. Und es ist gut, dass der Schleier der Vergangenheit, des Verdrängens weggerissen wird, dass nichts unter den Teppich gekehrt wird – dass aber auch das, was ist, ausgesprochen wird. Es ist nicht so, dass man etwa die sieben Jahre des Nazi-Terrors mit den zehn Jahren der russischen oder der sonstigen Besatzung vergleichen oder in einen Zusammenhang bringen kann. Es ist überhaupt keine Frage für mich, dass 1945 durch die Wiedererrichtung von Parlament, Verfassung, Demokratie eine vollkommen andere Situation gegeben war.

Daher bitte ich Sie auch, zu verstehen, dass wir in dieser Zeit gemeinsam darauf Wert legen müssen, dass es keine Vergleiche geben kann, kein Aufrechnen der Opfer, kein Ausspielen der Gefühle derer, denen vor 1945 Unrecht geschah, oder derer, denen nach 1945 Unrecht geschehen ist.


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Ich meine, es ist wichtig, dass wir diesen Grundkonsens  – einen ganzheitlichen, einen rot-weiß-roten Grundkonsens, der nichts ausspart, der wissenschaftlich aufarbeitet und die Dinge genau beim Namen nennt – auch gemeinsam tragen und leben.

Ich habe Ihnen hier teilweise auch Texte zitiert, die ich selbst – natürlich in Abstimmung mit der Frau Vizekanzler – bei den Reden rund um den 27. April 1945 verwendet habe. Ich tue dies aus voller Überzeugung, und ich bitte Sie, gemeinsam auch diese Botschaft heute hinauszutragen. Es wäre eine wichtige, eine gute, eine rot-weiß-rote Botschaft! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Erlauben Sie mir dennoch – weil es so vereinbart war –, auf einige fiktive Fragen, Fragen, die mir zumindest über die Medien bekannt gegeben worden sind, einzugehen. Ich möchte dies gerne tun.

Erster Punkt: Die ersten drei Fragen beziehen sich im Wesentlichen auf die Frage, ob die Bundesregierung jetzt im Hinblick auf den Bestellungsmodus oder Abberufungsmodus eine entsprechende legistische Initiative ergreifen wird.

Ich möchte Ihnen sehr offen sagen: Ich halte nichts davon, dass man so sensible Fragen, die ja immerhin entscheidende Ausgestaltungsrechte von staatlichen Institutionen betreffen, im Anlass korrigiert. Ich stehe dazu, dass wir bei der heutigen Verfassungslage bleiben. Die Bundesregierung wird keine diesbezüglichen legistischen Initiativen ergreifen.

Der zweite Punkt betrifft die Frage, ob es Kontakte zwischen der Bundesregierung und den Signatarstaaten gegeben hat oder Demarchen von den Signatarstaaten oder anderen Staaten an uns:

Es ist mir überhaupt nichts Derartiges bekannt. Daher antworte ich auch auf die entsprechende Frage dahin gehend, dass es da keiner offiziellen Stellungnahme der Bundesregierung bedarf. Ebenso wird es keinen Beschluss der Bundesregierung hinsichtlich von Äußerungen geben.

Worauf ich aber sehr deutlich verweise, ist, dass das, was ich Ihnen heute gesagt habe, ziemlich wortidentisch aus den offiziellen Reden des Bundeskanzlers und der Bundesregierung stammt, die wir genau zu diesen Gedenkfeiern abgegeben haben: im Wissen, was ist, im Wissen, was gewesen ist – und auch im Wissen, was in der Zukunft von uns erwartet wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Mutlos! – Abg. Edler: Kein Wort zum Anlass!)

17.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.20

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Sozialminister! Hohes Haus! Ich denke, es ist wichtig, dass diese Debatte heute stattfindet. Der Weg dahin war nicht ganz leicht, aber sie findet statt.

Herr Bundeskanzler! Ich konnte über weite Strecken Ihre historischen Darstellungen durchaus teilen. Wir haben diese Sitzung aber nicht deshalb angeregt, um eine historische Debatte mit Ihnen zu führen, Herr Bundeskanzler; deshalb war es uns wichtig ... (Abg. Ing. Westenthaler: Das glaube ich! Die interessiert euch gar nicht, eine historische Debatte!) – Ich glaube, Herr Westenthaler, es wäre besser, wenn Sie jetzt ruhig wären! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist schon zu viel von dieser Seite und von Ihrer Person gekommen (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... eine sachliche Diskussion?)  – durchaus aber nicht von allen Abgeordneten Ihrer Fraktion.

Herr Bundeskanzler! Wir wollten mit Ihnen nicht oder nicht ausschließlich über die österreichische Geschichte reden, sondern wir wollten vor allem (Abg. Ing. Westenthaler: Sie bestim


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men, wer was sagt?!) eine Erklärung Ihrerseits zu den Äußerungen von Volksanwalt Stadler beziehungsweise auch eine Antwort auf die Frage: Wie gehen wir jetzt vor?, denn der Zustand, der durch diese Äußerungen hergestellt wurde – in Anbetracht des Amtes, das Herr Mag. Stadler ausübt –, ist unerträglich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich möchte zu drei Punkten, die mir wichtig sind, auch zu den Argumenten des Volksanwaltes Stadler, wie sie über die Medien verbreitet worden sind, Stellung nehmen. In Bezug auf zwei dieser drei Punkte gehen wir wahrscheinlich konform, aber der dritte Punkt ist der entscheidende.

Die drei Punkte lauten: erstens: eine ganz kurze Beurteilung der österreichischen Regierung der unmittelbaren Nachkriegszeit; zweitens: die von Herrn Stadler geforderte Bewertung der Systeme: Nazi-Terror versus alliierte Besatzung; und drittens – und das ist unser eigentliches heutiges Anliegen –: die Konsequenzen sowie eine Beurteilung auch der Person und der Handlungen von Mag. Stadler.

Zur ersten Frage haben Sie es uns leicht gemacht, Herr Bundeskanzler, denn ich glaube, wir alle sehen die Situation so. Es ist darum gegangen, wie Sie richtig sagten, einerseits – ja, natürlich! – die Mitbeteiligung Österreichs, von Menschen aus diesem Lande, an den Verbrechen des Nationalsozialismus nicht zu verdrängen, andererseits aber auch dieses Land aufzurichten. Und dass, wie Sie ebenfalls wörtlich sagten, manches bei den Restitutionsbemühungen zu spät, halbherzig oder nicht in der richtigen Tonlage erfolgte, das ist wahr.

Ich würde dem gerne noch hinzufügen, dass die Probleme, vor denen diese österreichische Regierung – österreichische Regierung!; nicht: Terrorregime der Nazis –, diese erste österreichische Regierung der Zweiten Republik stand, wahrscheinlich so groß waren, wie wir es uns kaum vorstellen können: ein zerstörtes Land, Armut, Hunger, ein zusammengebrochenes Sozialwesen – und natürlich auch die Frage des Umgangs mit jenen Menschen, die einen schweren politischen Fehler begangen hatten, die sich vom Nationalsozialismus verblenden hatten lassen. Sie waren da. Es sind, wie Sie richtig sagten, Konsequenzen der einen oder anderen Art gezogen worden, aber es ging auch um die Frage – und das war eine wichtige Frage! –, diese Menschen wieder zu integrieren, denn sie waren ja da.

Das alles musste geleistet werden, und das in einer kurzen Zeit! Ich glaube, niemand konnte diese österreichische Regierung um diese Aufgaben beneiden.

Aber jetzt, wie Stadler es tut, diese österreichische Nachkriegsregierung in ihrem Ringen, mit all ihren Problemen, als den Inbegriff der Moralität darzustellen, ist unzutreffend. Wir haben – Gott sei Dank! – seither viel dazulernen, vieles aufarbeiten können, und die materielle Situation in unserem Land hat uns das viel leichter gemacht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

An dieser Stelle ein Wort zu einem Stück, das wir – das möchte ich hiermit anregen – vielleicht auch einmal in diesem Haus, vielleicht an einem der Gedenktage, zeigen sollten (die Rednerin hält eine Ankündigung des Stückes "Schlussstrich – eine Abrechnung" in die Höhe), das wir die Künstlerinnen und Künstler bitten sollten, uns nahe zu bringen. Susi Nicoletti, Erwin Steinhauer und andere haben es ... (Ruf: ... Zwangsbeglückung!) – Worte wie "Zwangsbeglückung" würde ich in dieser Debatte ungern hören, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Sie wollen uns vorschreiben, was wir reden sollen!)

Ich habe es angeregt!   – Dass Sie es nicht hören wollen, das nehme ich mit großer Betroffenheit einmal mehr zur Kenntnis! Das nehme ich mit Betroffenheit zur Kenntnis! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Denk-Terror!)

Es ist anhand von Ministerratsprotokollen, auch anhand von öffentlichen Reden aufgezeigt worden, dass in dieser Zeit manche Sätze gefallen sind, die heute – hoffe ich! – fast niemand mehr so sagen würde, nämlich dass man vorhatte, die Frage der Entschädigung auf die lange Bank zu schieben – weil sie nicht konnten, weil es ein gewaltiges Problem war. Und ich würde auch sagen: Diese Bundesregierung sollte durchaus nicht ihre Verdienste in dieser Thematik


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unter den Scheffel stellen, denn es sind ja jetzt wichtige Schritte – im Zusammenhang mit der Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern – erfolgt. Wir können sagen, es geschah spät; aber es ist wichtig, dass es erfolgt ist!

Meine Damen und Herren! Zum zweiten Punkt, der politischen Bewertung: Herr Mag. Stadler ist nicht befragt worden nach einer Bewertung des individuellen Leides von Opfern. Niemand von uns kann das. Jede/jeder, die/der Opfer eines Verbrechens geworden ist, wird diesen Umstand wahrscheinlich als das Einschneidendste im eigenen Leben empfinden. Und es stellt niemand in Abrede, dass es bei allen Befreiungen nach Konflikten, nach Kriegen auch zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg so, das war aber auch bei den aktuellen Konflikten der Fall: Das war in Bosnien der Fall, das war im Kosovo der Fall. – Aber individuelle Verletzungen der Menschenrechte und den politischen Auftrag einer Mission zu verwechseln, heißt, ein bewusstes Zerrbild der Geschichte herzustellen!

Meine Damen und Herren! Es ist sehr wohl möglich, den Nazi-Terror – ein Terror- und Verbrechensregime, das ausschließlich auf Verbrechen beruht hat, auf der Tatsache, dass man ganzen Bevölkerungsgruppen ihr Mensch-Sein abgesprochen, sie ermordet, sie zur Ermordung freigegeben hat – der Befreiung durch die Alliierten gegenüberzustellen. Und wer da nicht ein eindeutiges Urteil trifft, der, glaube ich, rüttelt wirklich am Grundkonsens dieser Republik und versucht, diesem Land ein falsches Geschichtsbild aufzunötigen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das wäre so, als würden wir vereinzelte Verletzungen von Menschenrechten, wie sie etwa im Rahmen von UN-Missionen auch durch Angehörige der Vereinten Nationen begangen worden sind, oder Vorwürfe, wie sie auch gegen österreichische Polizeikräfte geäußert worden sind, mit dem Grund dieses Einsatzes vergleichen. Das wäre genauso, als würde man sagen, dass diese vereinzelten – und zu ahndenden – Menschenrechtsverletzungen den UNO-Einsatz an sich oder österreichische Hilfseinsätze auf dieselbe Stufe stellen würden wie ethnische "Säuberungen". – Ich glaube, da würden alle in diesem Haus aufschreien. Genau das aber tut Mag. Stadler – und das ist in aller Schärfe zurückzuweisen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Damit komme ich zum dritten und letzten Punkt, und da, Herr Bundeskanzler, ersuche ich Sie, doch auch eine Erklärung abzugeben oder Ihre Haltung darzulegen, denn ich denke, wir können nicht so zur Tagesordnung übergehen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Mag. Stadler derartige Äußerungen von sich gibt. Er hat immer den Zweiten Weltkrieg, das Terrorregime der Nazis mit Menschenrechtsverletzungen individueller Art verglichen, auf eine Ebene gestellt und damit sehr wohl den nationalsozialistischen Terror relativiert und bagatellisiert. Mag. Stadler hat auch wiederholt an Treffen rechtsextremer Gruppen teilgenommen. Es sind wiederholt Bekenntnisse zum Deutschtum – nicht zu Österreich! – erfolgt, und ich möchte Ihnen einige dieser Äußerungen auch hier in diesem Rahmen zur Kenntnis bringen.

Sie wissen, Herr Bundeskanzler, ich habe auch mit einzelnen Regierungsmitgliedern über einzelne derartige Begebenheiten Korrespondenz geführt, weil ich gehofft habe, dass diese Regierung ohne großes Aufsehen in der Lage sein würde, ernste Worte auch mit einer Person zu sprechen, die sich selbst ins Abseits gestellt hat. Das ist offenbar nicht möglich. Daher glaube ich, dass Sie in der Tat als Chef dieser Regierung gefordert sind.

Herr Bundeskanzler! Herr Mag. Stadler hat unter anderem im November des abgelaufenen Jahres an einem Treffen im politischen Bezirk Kirchberg teilgenommen (Abg. Mag. Schweitzer: Wo ist das?), an dem die Spitzen des europäischen Rechtsextremismus teilnahmen. Im Rahmen dieses Treffens wurde auch festgestellt, dass etwa Führungskader der neonazistischen VAPO Gottfried Küssels anwesend waren.

In der Beantwortung einer Anfrage der Grünen durch den Innenminister ist festgestellt worden, dass an diesem Treffen auch Personen, die nach dem Verbotsgesetz vorbestraft sind, teilge


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nommen haben. Das Ganze war eine Festveranstaltung der Zeitschrift "Zur Zeit", wie gesagt: in Beteiligung dieses Volksanwaltes.

Dieser Mag. Stadler hat unter anderem auch in der letztjährigen Feuerrede – er hält offenbar gerne derartige Reden – in Sachen der europäischen Erweiterung, in Sachen der Internationalisierung, die wir gerade eben vorhin in der Forschungsdebatte als so positiven Wert begrüßt haben, gesagt, es sei eigentlich der erste positive Schritt, das erste Aufflackern nationaler Selbstbestimmung gewesen, als die Iren in einer Volksabstimmung nein zum "Internationalisierungsgeplapper", so Stadler, gesagt hätten.

Zur Osterweiterung Stadler im O-Ton – ich zitiere –:

"Das beginnt auch bei der Osterweiterung. Diese Osterweiterung, hohe Fest-Corona, hat anderes zum Ziel. Die Osterweiterung bringt uns schleichend Zypern in die Europäische Union. Die Osterweiterung soll nach amerikanischen Vorstellungen letztlich die Erweiterung um die Türkei zum Ziel haben. Womit Europa, die Europäische Union, dann endgültig kaputt gemacht würde." – Ende dieses Zitates. (Abg. Jung: Das sagt die deutsche Bundesregierung!)

Stadler erklärt dann, dass alles außer nationalfreiheitliche Bestrebungen "Narreteien des Zeitgeistes" seien, beschwört "christlich-abendländische Werte" und erteilt allen anderen Menschen eine Absage.

Es gipfelt darin, dass er dann in Bezug auf sein Bundesland Vorarlberg zitiert:

Es wird "Folgendes berichtet" – ich zitiere wieder wörtlich –: "In Vorarlberg, wo nahezu 150 000, ich zitiere," – also Stadler zitiert – "Afrikaner, Burgenländer, Griechen, Italiener, Kärntner, Kroaten, Niederländer, Marokkaner, Oberösterreicher und Osttiroler, Polen und Serben, Slowenen, Steirer, Südtiroler und Türken eine neue Heimat gefunden haben. Diese Völker prägen nunmehr das Gesicht Vorarlbergs." (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Stadler kommt dann weiter zu dem Schluss, dass diese Völker nicht das Gesicht dieser Heimat so prägen könnten oder prägen sollten. (Abg. Jung: Das ist Ihre Auslegung des Zitats!)

Meine Damen und Herren! In Vorarlberg gibt es auch einen Landes-Volksanwalt. Er wird mit Dreiviertelmehrheit bestellt, und in diesem Bundesland hätte Herr Mag. Stadler nicht einmal den Funken einer Chance gehabt, nominiert oder gar gewählt zu werden. Nicht einmal Herr Gorbach hätte Stadler für dieses Amt vorgeschlagen, denn gerade beim Amt des Volksanwaltes ist, glaube ich, zu Recht darauf Wert zu legen, dass er eben die Bevölkerung im Sinne der österreichischen Verfassung, im Sinne des Artikels 7 vertritt. (Abg. Dr. Martin Graf: Das macht er ja!)

Artikel 7 sieht vor, dass es keine wie immer gearteten Unterscheidungen nach "der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses" geben darf. Jemand, der andauernd den Islam, die Anwesenheit von Menschen aus dem Islam als die Hauptgefahr an die Wand malt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Seien Sie doch wenigstens ein bisschen objektiv!), sprengt nicht nur den politischen Grundkonsens, sondern auch den Geist dieser österreichischen Bundesverfassung aus 1945. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Versuchen Sie doch, wenigstens ein bisschen objektiv zu sein! – Abg. Mag. Schweitzer: Macht die FPÖ jetzt zu viel für die islamischen Staatsbürger oder zu wenig? Sie müssen eine Linie finden!)

Es ist wirklich auch sehr beachtlich, wer es ist, der bei dieser Debatte so lautstarke Zwischenrufe macht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie können einfach nicht objektiv sein!) Und es sind andere – und ich sage, ich weiß es –, es gibt auch in der freiheitlichen Fraktion Leute, die es endgültig satt haben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich würde mich schämen an Ihrer Stelle!), dass diese Differenzierung zwischen Menschen nach völkischen, nach rassischen Kriterien hier Platz greift. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist eine arrogante Art!)


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Herr Bundeskanzler, jetzt frage ich Sie: Dieser Staatsanwalt mit diesen Äußerungen, dieser Volksanwalt mit diesen seinen Äußerungen ... (Abg. Dr. Ofner: Das war ein sehr interessanter freudscher Versprecher! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Etwas anderes scheint Ihnen nicht einzufallen. Es ist traurig, es ist wirklich traurig! (Abg. Dr. Ofner: Nur was man drinnen hat, kann einem herausrutschen!)  – Herr Bundeskanzler, ich stelle Ihnen die Frage, ob Sie glauben, dass ein Volksanwalt, der so etwas sagt, wirklich die geeignete Person ist, die Materien Polizei, Fremdenrecht Justiz, Bundesheer, Zivildienst, Unterricht und Kultur zu vertreten. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist eine menschenverachtende Rede!)

Herr Bundeskanzler! Ich frage Sie ehrlich: Würden Sie eine Person, vielleicht einen Österreicher, eine Österreicherin, der/die sich zum Islam bekennt oder aus einem solchen Land gekommen ist, vertrauensvoll an den Volksanwalt Stadler verweisen? (Abg. Dr. Martin Graf: Tausende machen das!) Würden Sie zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler an diesen Volksanwalt verweisen? Würden Sie einen Zivildiener, der einen Grund zur Beschwerde hat, an diesen Volksanwalt verweisen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie einmal objektiv sein? Nein, Sie können es nicht!)  – Ich würde das nicht tun, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zahlreiche lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist gut, dass Sie sich in der heutigen Debatte – einige von Ihnen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe gesagt, Sie können nicht objektiv sein!); ich weiß es zu schätzen, dass es nicht alle sind – dermaßen demaskieren und entlarven. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, wir demaskieren uns nicht!)

Meine Damen und Herren! Stadler hat es gesagt: Einen politischen Grundkonsens an die Stelle von historischen Fakten zu setzen, seine historischen Fakten – ich zitiere wörtlich –, "wird es nicht spielen". (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie schaffen es nicht, objektiv zu sein, deswegen können Sie es sich nicht vorstellen, dass wir es sind!) Und er setzt fort: "Die österreichische Innenpolitik hält viele Narben aus."

Ich glaube, Herr Bundeskanzler, dass die Narben, die Herr Stadler diesem Land und seinem verfassungsgemäßen Verständnis von Volk und Bevölkerung zugefügt hat, zu viele und zu schwere Narben sind.

Herr Bundeskanzler! Ich bitte Sie, ich fordere Sie auf, diese Frage im Rahmen der Bundesregierung zu besprechen. Aber eines, Herr Bundeskanzler, sage ich in aller Deutlichkeit: Nach dem, was hier passiert ist und was jetzt jeden Tag dazukommt – ich erinnere an die APA-Meldung und den Vergleich der Alliierten-Befreiung versus Nazi-Regime mit Pest und Cholera –, fordere ich Sie in aller Form auf, dazu Stellung zu nehmen, das in der Regierung zu erörtern, denn ich glaube nicht, dass das auf Dauer erträglich ist.

Ich fordere Herrn Stadler auf: Treten Sie zurück! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Die Petrovic freut sich schon auf ein Niederösterreich mit Ewald Stadler! – Abg. Ing. Westenthaler: Das Match hat schon begonnen! Es gibt schon Wahlkampf!)

17.41

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Sozialminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundespräsident hat es aus guten Gründen für notwendig befunden, zum Regierungsübereinkommen der derzeitigen blau-schwarzen Bundesregierung eine Präambel zu fordern, in der geschrieben steht:

"Österreich stellt sich seiner Verantwortung aus der verhängnisvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts und den ungeheuerlichen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes: ..." (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso gehen beim Gusenbauer alle hinaus?)


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Und weiters: "Die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Verbrechens des Holocaust sind Mahnung zu ständiger Wachsamkeit gegen alle Formen der Diktatur und des Totalitarismus."

Ich bin der Auffassung, dass dem an inhaltlichen Wertungen nichts hinzuzufügen ist, denn das sollte der wirkliche Konsens in unserem Land sein. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso gehen die alle? – Abg. Dr. Martin Graf: Der Gusenbauer spricht, und die Parteifreunde gehen alle! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Gusenbauer, warum gehen die alle?)

Ich habe mir die Rede des Herrn Stadler auf Video angesehen, und es gibt eine Reihe von Dingen in dieser Rede, die ich für außerordentlich verurteilungswürdig halte. Ich möchte mich auf ein paar Punkte beschränken, die die Kernsätze dieser Rede sind.

Herr Stadler sagt: "Und 1945 – und das ist zur Staatsideologie geworden – sind wir angeblich" – angeblich! – "vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden und in die nächste Tyrannei geraten, insbesondere hier auf diesem Boden, auf dem wir uns heute befinden."

Was heißt das, meine sehr verehren Damen und Herren, "sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden"? Heißt das, dass der Herr Volksanwalt Stadler der Meinung ist, wir sind nicht befreit worden? Heißt es, dass er der Auffassung ist, dass dieser Schritt im Jahr 1945 kein Akt der Befreiung war?

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie auf dem Boden der Präambel stehen – und diesen Eindruck hatte ich bei Ihren Ausführungen –, dann verstehe ich nicht, dass Sie zu solchen Aussagen des Herrn Stadler hier vor diesem Hohen Haus nicht ganz, ganz klare Worte sagen und deutlich darauf hinweisen, dass es unerträglich ist (Beifall bei der SPÖ und den Grünen), dass einer der höchsten Repräsentanten zu solchen Aussagen greift.

Aber er geht nicht nur mit dieser Zeit in unglaublicher Art und Weise um. Man muss sich die Rede im Gesamten ansehen. Wenn dann Herr Stadler – und ich empfehle jedem, sich das Video anzusehen, Herr Abgeordneter Khol (Abg. Dr. Khol: Ich habe es gesehen!)  – mit hassverzerrtem Gesicht (Abg. Dr. Martin Graf: Aber geh! Haben Sie die Petrovic gesehen?) dort sagt – und ich zitiere wieder wörtlich –:

"Wir haben alles niedergetrampelt an Werten, was unseren Vorvätern heilig war." (Abg. Dr. Martin Graf: Da haben Sie das Gesicht von der Petrovic nicht gesehen!)

Und weiters: "Unser Volk, unsere Familien, ja selbst unsere Religion wurde in den vergangenen Jahrzehnten niedergetrampelt, und es wurde alles, was gut und wert und teuer war, wertlos gemacht."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Bewertung der Geschichte der Zweiten Republik durch den Herrn Volksanwalt Stadler, und ich finde es erschütternd, dass es hier nicht einen gemeinsamen Aufschrei gibt und man sagt: Wir lassen die Geschichte der Freiheit in unserem Land durch Herrn Stadler nicht so beschmutzen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist doch unfassbar, dass Herr Stadler von einem Land, in dem es Demokratie und Freiheit gibt – was die allerbeste Antwort auf die Verbrechen des Nationalsozialismus ist –, in dem es über Jahrzehnte wirtschaftlichen Aufbau, Toleranz und das Miteinander gegeben hat, der Meinung ist, alles ist hier "niedergetrampelt" worden. Und von welchen Vorvätern spricht dann Herr Stadler, wenn er von den Werten dieser Vorväter im Lichte der Entwicklung der Zweiten Republik spricht?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind Aussagen, die sich nahtlos einreihen in das, was auch der frühere FPÖ-Obmann Haider des Öfteren gesagt und getan hat, als er die "ordentliche Beschäftigungspolitik" der Nazizeit gelobt hat, als er vor SS-Veteranen gesprochen hat, als er zu den Naziverbrechen nur gesagt hat: "Wenn Sie so wollen, dann war es halt Massenmord." Und Herr Stadler reiht sich in einem Interview nahtlos ein, wenn er auf die Frage der Verurteilung von Auschwitz und des Nationalsozialismus nicht die Verbrechen verurteilt,


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sondern darauf verweist, dass das Verbotsgesetz ihm schließlich untersage, Auschwitz zu leugnen und den Nationalsozialismus zu relativieren und zu verharmlosen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was heißt das? – Gäbe es das Verbotsgesetz nicht, würde Herr Stadler seine Meinung sagen, die offensichtlich eine andere ist als im Verbotsgesetz?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann doch nicht sein, dass jemand, der so etwas sagt, eine der hohen öffentlichen Funktionen innehat! (Abg. Ing. Scheuch: Der Herr Gusenbauer bestimmt das!) Wir wissen, dass es leider Menschen in Österreich gibt, die die Dinge ähnlich betrachten wie Herr Stadler. Es gibt sie leider. Aber der ganz, ganz große Unterschied – und das ist die politische Verantwortung – liegt darin, dass jemand, der in Österreich Auffassungen vertritt wie Herr Stadler, kein öffentliches Amt bekleiden darf! Das ist unsere politische Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen ein wirklich ausgezeichnetes Buch empfehlen, das von der berühmten Wiener Sprachwissenschafterin Ruth Wodak verfasst wurde, die im Detail nachweist, worin das Problem besteht, und sie fasst es in einem Satz zusammen – ich zitiere –:

"Haider und Stadler verstehen es meisterhaft, sprachlich an den Grenzen des Verbotsgesetzes zu agieren, gleichzeitig aber inhaltlich zu signalisieren, dass sie Sympathien mit dem Nationalsozialismus haben."

Und das ist das eigentliche Problem: Durch eine Unschärfe der Sprache wird versucht, hier etwas zu suggerieren, zu unterstellen, Emotionen bei den Menschen wieder zu mobilisieren, die den Konnex mit einem der größten oder mit dem größten Verbrechensregime in der gesamten Geschichte herstellen. Das halte ich am Beginn des dritten Jahrtausends, wo wir so viel so genau wissen über diese enormen Verbrechen, die es gegeben hat, das halte ich in unserem Land in öffentlichen Ämtern wirklich nicht für tragbar, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben darauf hingewiesen, dass der Umgang mit der Geschichte in Österreich nicht einfach war, vor allem nicht einfach war für jene Menschen knapp nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Frage eines neuen Zusammenlebens in Österreich gestellt hat. Heute haben wir Jahrzehnte der Distanz, haben wir viel an Aufarbeitung betrieben, und es wurde auch viel Gutes in diesem Zusammenhang gemacht. Aber ich bin der Meinung, wir werden den unzähligen, den Millionen Opfern nur dann gerecht, wenn wir nicht so wie Herr Stadler versuchen, die Geschichte zu verfälschen, sondern wenn wir gemeinsam bereit sind, aus dieser Geschichte zu lernen. Nur dann werden wir diesen Opfern gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aus dieser Geschichte zu lernen, heißt für mich, dass wir die Ursachen dieses Schreckensregimes in all ihren kleinsten Ansätzen bekämpfen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass es bei uns nie mehr so eine Massenarbeitslosigkeit gibt wie in den dreißiger Jahren, dass es bei uns nie mehr diese Spaltung des Landes wie in den dreißiger Jahren gibt, dass es nie mehr diesen Hass und diese Intoleranz gibt, dass es nie mehr diese Verfolgung von Juden und von anderen Volksgruppen gibt. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das ist das Lernen aus der Geschichte, und das sollten sich vor allem Sie, die Sie so lautstark dazwischenschreien, ganz deutlich ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.51

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kurz zu meinen Vorrednern. Frau Kollegin


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Petrovic, ich sage Ihnen gleich zu Beginn: Wer wann was wozu hier im Hohen Haus zu sagen hat, bestimmen sicherlich nicht Sie, Frau Kollegin Petrovic! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich finde es auch beachtlich, dass als Erstrednerin Frau Kollegin Petrovic von den Grünen herauskommt und hier in Wirklichkeit den niederösterreichischen Landtagswahlkampf führt, weil sie genau weiß, dass das vor allem ein Thema in Niederösterreich ist. Sie, Herr Klubvorsitzender Van der Bellen, hätten heute die Chance gehabt, die einmalige Gelegenheit, Ihre achte Rede als Klubobmann der Grünen innerhalb eines Jahres zu halten. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Und damit bin ich beim Parlamentarismus, Herr Klubobmann Van der Bellen. Sie halten seit Tagen dieses Parlament damit in Atem, dass Sie versuchen, eine Diskussion außerhalb jeglicher Geschäftsordnungsmöglichkeiten zu erzwingen, denn Sie kennen die Geschäftsordnung gar nicht. Sie stehen am Dienstag zu Mittag hier auf und verlassen mit Ihrer gesamten Fraktion das Parlament, um auf die Donauinsel zu gehen oder Ihren Freizeitvergnügen nachzugehen, und sind nicht dabei, wenn hier im Hohen Haus wichtige Gesetze beschlossen werden: das Fremdenrecht, das Versammlungsgesetz, die Verkehrsfragen. Während die anderen Abgeordneten hier im Hohen Haus ihrer Pflicht nachkommen, die Wähler zu vertreten, hier im Hohen Haus ihrer Arbeit nachgehen, verlassen Sie das Haus und kommen nicht mehr wieder. Das ist ein Tritt mit dem Fuß gegen den Parlamentarismus und die Demokratie, Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber wir sind das gewohnt von Ihnen. Sie nehmen an 90 Prozent der Präsidialsitzungen nicht teil, in Ausschüssen werden Sie nicht gesehen. Ich sage Ihnen etwas: Ich behaupte überhaupt, Sie sind angesichts Ihrer Arbeitsleistung und des Nutzens, auch angesichts der Zeit, die Sie hier im Hohen Haus verbringen, und Ihres Gehalts als Klubobmann der teuerste Abgeordnete dieses Hauses. Und das ist schade für den Steuerzahler, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abgeordneten Dr. Rasinger und Murauer. )

Sie wollen hier künstlich eine Stadler-Diskussion erzeugen, künstliche Aufregung über eine Aussage, die jetzt schon mehrere Tage zurückliegt, die mehrfach erklärt worden ist, wozu mehrfach auch vom Kollegen Stadler selbst unmissverständlich klargestellt worden ist (Abg. Mag. Muttonen: Was ist klargestellt worden?), dass er keinen Vergleich zwischen terroristischen Systemen zieht, dass er keinerlei NS-Verharmlosungen von sich gegeben hat, sondern dieses System klipp und klar verurteilt hat, dass es keine Aufrechnung von Opfern und des Leides geben kann, sondern eine ganz klare Verurteilung.

Aber Sie wissen ganz genau – und das soll man auch sagen dürfen, auch wenn das mancher dümmlich findet; ich habe gerade den Zwischenruf gehört, die Nervosität steigt, es wird als dümmlich bezeichnet, wenn man sich erlaubt, darauf hinzuweisen –, dass es auch negative Auswirkungen der Besatzungszeit nach 1945 gegeben hat. Warum darf man denn das nicht? Warum kommen Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage, in Ihrem Text oder auch nur in einer Ihrer heutigen Reden eigentlich nicht auf den Gedanken, Herr Klubobmann Gusenbauer, Frau Petrovic, auch nur einen einzigen Satz der Verurteilung der Gräueltaten in der Besatzungszeit nach 1945 in Niederösterreich und Wien zu finden? Das hätten wir uns gewünscht, dass Sie das auch zustande bringen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll. )

Herr Kollege Gusenbauer! Wenn Sie meinen, dass niemand, der der Ansicht ist, dass die tatsächliche absolute Befreiung erst 1955 stattgefunden hat – wie übrigens auch viele Ihrer politischen Vorväter –, dass keiner, der so etwas denkt, überhaupt noch in ein öffentliches Amt kommen kann, dann würde ich Ihnen empfehlen, die neueste OGM-Umfrage, die morgen im "FORMAT" veröffentlicht wird, zu studieren, wonach ganze 58 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, dass die gänzliche Befreiung Österreichs nach dem Abzug der Alliierten 1955 stattgefunden hat. Die Bevölkerung hat ihre Meinung geäußert, und diese halte ich auch für richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das muss auch einmal gesagt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wir kennen die Berichte über die Brutalität, über die Brandschatzungen, über 200 000 Vergewaltigungen in Niederösterreich. Ich lese Ihnen etwas vor aus einem Buch – Sie werden es kennen, Adolf Schärf ist Ihnen bekannt –, "Erinnerungen aus meinem Leben". Er schreibt darin Folgendes – ich zitiere wortwörtlich –:

"In den ersten Apriltagen 1945 erlebte ich dort die Besetzung eines Teiles von Wien durch die Rote Armee. Ich habe manches von dem, was ich damals gesehen haben, in meinen Erinnerungen ,April 1945 in Wien’ beschrieben. Heute weiß ich, dass das Grauen, das über Österreich kam, viel größer war, als ich zur Zeit der Abfassung dieses Buches ahnen konnte." – Schärf.

Ich zitiere weiter, was Schärf dann vom Einmarsch der Roten Armee schrieb:

"Sobald sie kamen, gab es Plünderung und Brandstiftung, Vergewaltigung und Mord. ... In fast jedem Ort Niederösterreichs gab es außer den Morden auch Selbstmorde aus Verzweiflung. Nicht alles, was als Selbstmord in den Sterberegistern gebucht ist, war aber wirklich Selbstmord. ... Durch alle Ortschaften Niederösterreichs, von Osten bis nach Westen, wälzte sich das Grauen. Ganze Familien wurden ausgerottet." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist der Petrovic egal!)

Herr Kollege Gusenbauer! Das ist Genosse Schärf, der diesen Tatsachenbericht gegeben hat. Daher muss es möglich sein, diese Debatte zu führen. Daher kann es nicht dazu führen, dass jemand zum Rücktritt aufgefordert oder sein Amt in Frage gestellt wird, der das einmahnt und als niederösterreichischer Mandatar und als niederösterreichischer Politiker fordert, über diese Gräueltaten in Niederösterreich zu diskutieren, sie aufzuarbeiten und zu verurteilen. Das muss möglich sein – auch in der Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin gegen jede Pauschalverurteilung. Das ist das Schlechteste, was wir tun können, irgendetwas zu pauschalisieren, Recht, Unrecht oder Leid und Opfer. Das ist ganz schlecht. (Abg. Öllinger: Ja, ja! Genau Sie! Gerade Sie sollten sich an Ihre Politik erinnern!) Aber man muss differenzieren.

Und jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Kollege Öllinger. Sie sollten sich viel mehr um Aussagen kümmern, die Ihre Genossen von sich gegeben haben. Sie haben noch immer ohne Konsequenzen einen Abgeordneten in Ihren Reihen sitzen – wo ist er übrigens heute?; nicht da, weil er genau weiß, was kommt –, einen Abgeordneten namens Pilz, der in einem Interview der Zeitschrift "Grün" gegenüber, und zwar im Februar 1987, auf die Frage "Wie sieht für dich eine funktionierende Gesellschaft aus?" wortwörtlich gesagt hat:

"Das schaut so aus, dass es keinen Staat gibt; das ist einmal das Erste. Dieses Gewaltinstrument des Staates darf es nicht mehr geben." (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir haben einen Abgeordneten in unseren Reihen, der hier seit Monaten und Jahren sitzt und den Staat an sich in Frage stellt, ihn als "Gewaltinstrument" bezeichnet und ihn abschaffen will. Das ist Anarchie! Ein solcher Abgeordneter hat in diesem Haus nichts verloren, Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweites Beispiel: Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben vorhin von der Grenze zum Verbotsgesetz gesprochen. Wo ist der Abgeordnete Edlinger, wenn Sie von der Grenze zum Verbotsgesetz sprechen? (Rufe bei den Freiheitlichen: Wo ist er denn?) Sie wissen ganz genau, dass hier ein Abgeordneter in der zweiten Reihe sitzt, dessen Sessel heute leer ist, weil er genau weiß, was wir heute diskutieren (Abg. Öllinger: Nein, nein! Er ist nicht hier, weil der Westenthaler spricht!), der ohne Ansatz, ohne einen Vorbehalt, ohne einen Vorsatz, ohne Nachsatz – Sie können das Protokoll nachlesen –, einfach aus sich heraus "Sieg Heil!" in diesen Saal gebrüllt hat (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei meiner Rede war das!), was meiner Meinung nach – und nicht nur meiner Meinung nach – ein klarer Tatbestand der NS-Wiederbetätigung ist. Bis heute konsequenzlos! Keine Konsequenz! Dieser Abgeordnete sitzt noch immer in unseren Reihen. Er kann nicht einmal rechtlich verfolgt werden, weil er die absolute Immunität genießt. Aber er


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ruft "Sieg Heil!" und hat den Tatbestand der NS-Wiederbetätigung am Rande des Verbotsgesetzes oder mitten drin im Verbotsgesetz erfüllt.

Ich fordere Sie auf: Bevor Sie mit Steinen aus dem Glashaus werfen, veranlassen Sie Abgeordneten Edlinger, endlich sein Mandat zurückzulegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat sich nicht dazu geäußert! Er hat sich nicht einmal entschuldigt!)

Ich könnte jetzt noch die Aussagen des Herrn Blecha zum Zionismus zitieren. Ich erspare es Ihnen, weil es alle wissen. Ich erspare Ihnen, was Herr Blecha von sich gegeben hat. Man könnte noch so viele Dinge zitieren, bis hin zu Ausfälligkeiten auch der Grünen.

Ich komme aber zum Schluss mit einem Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem ersten Satz des Artikels 1 des Parteiprogramms der Freiheitlichen Partei, der da lautet:

"Freiheit ist des Menschen höchstes Gut. Freiheit bedeutet ein Höchstmaß an verantwortlicher Selbstbestimmung. Sie schließt jede Unterdrückung, sei es körperlicher, geistiger, religiöser, politischer oder wirtschaftlicher Art, insbesondere jede Form staatlicher Willkür, aus."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Definition, unser Grundsatz in Artikel 1 unseres Parteiprogramms, ist vollkommen klar, unmissverständlich und nicht interpretierbar. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Sagen Sie das auch dem Stadler!) Er ist unvereinbar mit den Gräueltaten des schrecklichen NS-Terrorregimes, und er ist auch unvereinbar mit den Gräueltaten so mancher aus den Sowjetbesatzungszonen in Niederösterreich, wo Frauen vergewaltigt wurden, gebrandschatzt wurde, Menschen umgebracht worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Satz stammt aus der Feder von Ewald Stadler, und er spiegelt das Parteiprogramm der Freiheitlichen mit der deutlichsten Distanzierung (Abg. Öllinger: Eine Tragik!) von jeglichem Extremismus, von Totalitarismus und überhaupt von allen Extremismen wider. Wir haben das deutlichste Programm. Es ist nicht anders interpretierbar, und es wurde von Ewald Stadler maßgeblich mitgeschrieben. (Abg. Brosz: Sie glauben ja selbst nicht, was Sie sagen!)

Es wird Ihnen angesichts der Vorfälle in Ihren eigenen Reihen nicht gelingen, uns zu unterstellen, wir hätten kein lupenreines Verhältnis zu Demokratie und Rechtsstaat. – Herr Ewald Stadler hat ein solches! (Abg. Öllinger: Nein!) Er ist einer meiner Vorgänger als Klubobmann. Wir als freiheitliche Parlamentsfraktion erwarten, dass Sie denselben Respekt, den Sie vor lupenreinen Demokraten, auch vor allen lupenreinen Demokraten hier im Hohen Haus haben, auch gegenüber den Freiheitlichen aufbringen, denn Sie erwarten ihn auch von uns. (Abg. Brosz: Sie glauben doch nicht, was Sie da sagen!)

Wir sind zu solch einem Konsens bereit. (Abg. Öllinger: Das ist ja furchtbar!) Wir sind auch bereit, miteinander so umzugehen, dass man nicht eine gesamte Fraktion, eine gesamte Partei ins rechtsextreme Eck stellt, wie das Frau Kollegin Petrovic versucht hat. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

18.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Am Platz zwischen der Albertina und dem Café Mozart steht ein Denkmal, das Alfred Hrdlicka gestaltet hat. Dieses Denkmal drückt sehr viel aus. Es drückt den Weg dieses Staates aus, wie ihn der Bundeskanzler in seiner Erklärung dargestellt hat. Der straßenwaschende Jude gehört zu unserer Geschichte ebenso wie die in diesem Mahnmal eindrucksvoll in Marmor gemeißelten Gräueltaten des Nationalsozialismus, die Todesspritze der Todesärzte in den Konzentrationslagern, die Gasmasken. (Ruf bei der SPÖ: Heuchlerisch! Gegenrufe bei der ÖVP: Na, na!)  – Herr Posch, ich glaube nicht, dass das Wort


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"heuchlerisch" im Zusammenhang mit Alfred Hrdlicka angebracht ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Rufe bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Was soll das? – Gegenrufe bei der SPÖ. Abg. Parnigoni  auf Abg. Mag. Posch weisend : Er hat ja gar nichts gesagt!)

Auf diesem Platz steht aber auch eine fast 40 Meter hohe Granitsäule, eine Stele, in der jene Unabhängigkeitserklärung eingemeißelt ist, aus der der Bundeskanzler vorgelesen hat. Dieses Denkmal, dieses Mahnmal drückt sehr deutlich, haptisch erfassbar, erspürbar, erlebbar den Grundkonsens aus, auf dem unsere Republik beruht.

Es ist ein Grundkonsens, den wir in einer Verfassungsgesetzgebung niedergelegt haben, der gesamten Gesetzgebung gegen den Nationalsozialismus – dem Verbotsgesetz gegen Wiederbetätigung –, wie es sie in keinem anderen Land in Europa gibt. Es ist ein Grundkonsens, den wir judizieren, den wir vor den Gerichten einklagen, den wir in unseren Schulen lehren und von dem wir erwarten, dass er die Richtschnur für das Verhalten aller unserer Staatsorgane ist.

Diesen Konsens darf niemand in Zweifel ziehen. Das ist ein Grundgesetz unserer Republik. Das gilt für alle Staatsorgane, meine Damen und Herren! Ich verkenne natürlich nicht – und darauf hat der Bundeskanzler in seiner Erklärung auch abgezielt –, dass es während der Besatzung Unfreiheit gegeben hat. Ich bin selbst noch über die Zonengrenze in Urfahr zu einem Jamboree der Pfadfinder gefahren und habe dort meinen Ausweis vorzeigen müssen und die Russen erlebt. Ich habe selbst noch erlebt, wie es nach dem Krieg in Österreich war, aber, meine Damen und Herren, die Tyrannei, die Verbrechen des Nationalsozialismus mit einer "Tyrannei" der Besatzung nach 1945 gleichzusetzen, ist nicht richtig. Es ist ganz einfach unangemessen. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ, den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte nicht um den heißen Brei herumreden. Ich kenne Ewald Stadler. Wir alle kennen ihn – er ist hier gesessen – als Klubobmann der Freiheitlichen Partei, als jemand, der in der Lage war, einen Satz zu schreiben, wie ihn Peter Westenthaler vorgelesen hat, und der in der Lage war, Diskussionen mit aller intellektuellen Schärfe und zum Teil mit verletzender Brillanz zu führen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Verletzend, ja!) Daher ist seine Rede kein Zufall. Diese Rede, diese Gleichsetzung von einer Tyrannei mit der anderen, hätte nicht gehalten werden dürfen. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben aus dem Historikerstreit in der Bundesrepublik Deutschland gelernt: Wer Nationalsozialismus mit Kommunismus vergleicht, gerät sehr leicht in die gefährliche Nähe des Revisionismus, das heißt des ideologischen Umdeutens. Das möchte ich Ewald Stadler nicht unterstellen, denn ich glaube den Satz, der in diesem Parteiprogramm steht und der verlesen wurde.

Man muss die Worte aber sorgfältig abwägen. Wer den Kommunismus mit der Shoa, mit dem Holocaust, mit dem Nationalsozialismus gleichsetzt, begibt sich in gefährliches Fahrwasser. Der Historikerstreit in Deutschland hat das sehr klar gezeigt. Da wollten Historiker erklären, dass der Nationalsozialismus eine Reaktion auf die Gräuel des Sowjetkommunismus der dreißiger Jahre gewesen wäre – und sind abgerutscht in eine revisionistische Diskussion der Rechtfertigung des Nationalsozialismus.

Das darf es in diesem Land nicht geben. Da ich alle Erklärungen, die dann gegeben wurden, sorgfältig analysiert habe, glaube ich auch nicht, dass Volksanwalt Ewald Stadler dies so gemeint hat. Ich erwarte aber, dass er diese Dinge noch einmal klarstellt, und zwar im Sinne der maßvollen Erklärung seiner Kollegen, der Volksanwälte Peter Kostelka und Rosemarie Bauer. (Abg. Öllinger: Er hat nachgeschoben!) In der maßvollen Erklärung dieser Volksanwälte ist, Frau Kollegin Petrovic, von Rücktritt nicht die Rede, sondern von einem Geschichtsverständnis und von einem Amtsverständnis, das allen gemein sein sollte.

Ich denke, Herr Volksanwalt Stadler müsste sich irgendwann einmal überlegen, ob es nicht richtig ist, dass viele andere Volksanwälte keine politischen Funktionen mehr ausgeübt haben. Herbert Kohlmaier ebenso wie Kollege Schender, ein sehr verdienstvoller Volksanwalt, waren


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alle politisch nicht mehr tätig. Ebenso die Damen, die in der letzten Periode Volksanwälte waren. Das ist eine Frage, die in der Verfassung nicht vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren! Damit komme ich zu einem Schluss. Herr Kollege Van der Bellen! In Ihrer ursprünglichen Anfrage an den Bundeskanzler ist ja gefragt worden, ob wir die Verfassung nicht ändern sollten. Ich halte es hier mit dem Bundeskanzler, und ich habe auch mit Kollegen aus anderen Fraktionen, die ich sehr respektiere, darüber geredet: Wir sollten keine Anlassgesetzgebung machen.

Wenn wir aber das nächste Mal die Volksanwälte zu wählen haben, dann sollten sich alle vier Parteien zusammensetzen und überlegen, ob wir nicht das, was für den Rechnungshofpräsidenten in unserer Bundesverfassung vorgesehen ist, nämlich rechtliche Verantwortung vor dem Verfassungsgerichtshof und politische Verantwortung im Nationalrat, für die Zukunft in Bezug auf die Volksanwälte auf das gleiche Niveau heben sollten. (Abg. Ing. Westenthaler: Den Nationalratspräsidenten auch gleich dazu!) Ich denke, dass wir das überlegen sollten. Ich meine aber nicht, dass wir undifferenziert mit Totalverurteilungen operieren sollten, denn die Wahrheit hat oft Schattierungen.

Ich denke, dass auch Volksanwalt Ewald Stadler die Chance haben muss, einen Fehler, den er vielleicht begangen hat, zu korrigieren und Dinge klarzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Er hat sie andauernd!)

18.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

18.10

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, eine gewisse Enttäuschung kann ich nicht verhehlen. Sie haben zur so genannten Causa Stadler schon deutlichere Worte gefunden. Heute haben Sie im Grunde genommen überhaupt keine gefunden.

Ich habe Ihren Ausführungen mit großem Interesse gelauscht. Diesem historischen Diskurs würde ich über weite Strecken zustimmen. Ich möchte jetzt gar nicht auf Details eingehen. Wir wissen aber natürlich alle ganz genau, dass wir heute nicht zusammengekommen sind, um eine generelle Geschichte der Zweiten Republik und dessen, was davor war, zu behandeln und zu erörtern, sondern dass wir hierher gekommen sind, um die Aussagen von Ewald Stadler zu erörtern, der ein maßgeblicher politischer – ich will nicht sagen "Funktionär", aber ein Volksanwalt ist nicht irgendetwas; er steht protokollarisch noch vor oder knapp hinter den Staatssekretären – Vertreter ist. Jedenfalls ist er praktisch wie ein Regierungsmitglied anzusehen.

Insofern haben wir es hier nicht mit den Äußerungen einer Privatperson zu tun, sondern mit denen eines sehr hohen politischen "Vertreters", wenn Sie wollen, eines Volksanwaltes der Republik Österreich.

Herr Bundeskanzler! Das Wort "Mag. Stadler" haben Sie meiner Erinnerung nach nicht ein einziges Mal in den Mund genommen. Sie haben eine interessante Rede gehalten, aber zum eigentlichen Thema haben Sie praktisch nichts gesagt. Da hat ja Kollege Khol noch mehr dazu gesagt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bei allem Respekt, Herr Bundeskanzler: Ich frage mich, ob Sie wirklich finden, dass angesichts der Äußerungen von Volksanwalt Stadler das Schweigen dazu ein Wahrnehmen politischer Verantwortung ist. So schwierig es manchmal scheint, sich zu Mitgliedern der Freiheitlichen Partei zu äußern – ich kann schon verstehen, dass Ihnen das hin und wieder auf die Nerven geht –, es muss manchmal sein, vor allem der Bundeskanzler muss das manchmal tun.

Herr Bundeskanzler! Seit dem 2. Juli sind diese Äußerungen bis zum Erbrechen wiederholt worden. (Abg. Dr. Ofner: Von euch, ja!) Es kann doch nicht sein, dass sie Ihnen entgangen sind. Es wurde nämlich gesagt, dass Österreich 1945 angeblich vom Faschismus und der


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Tyrannei befreit wurde. Zweitens sagt Stadler auf Nachfrage des ORF im "Report", dass er vom Nationalsozialismus und der Besatzung durch die Alliierten keines vorziehen würde. Was schlimmer gewesen sei, wolle er heute nicht bewerten. Drittens äußert er, was der Selbständigkeit Österreichs abträglicher gewesen wäre – die Besetzung 1938 oder die Besetzung 1945 –, könne er nicht sagen, er sehe da keinen Unterschied. Das sei für die Selbständigkeit Österreichs jeweils genauso abträglich gewesen. (Rufe bei den Grünen: Unglaublich!)

Herr Bundeskanzler! Das sagt Volksanwalt Mag. Stadler, und Ihnen fällt dazu nicht mehr ein, als uns an die Gesamtgeschichte Österreichs zu erinnern? Herr Dr. Khol! Es kann gar keine Rede davon sein, dass Herr Mag. Stadler nicht jede Menge Gelegenheit gehabt hätte, diese Äußerungen zu korrigieren oder zu relativieren. Im Gegenteil: Er legt noch nach! (Abg. Dr. Khol: Glaub ich nicht! Nein!) Haben Sie die APA-Meldung von heute gelesen? – Ich komme gleich darauf zurück. (Abg. Ing. Westenthaler: Schauen Sie einmal in die "ZiB 2", da hat er alles erklärt!)

Es ist glücklicherweise auch so, dass es – abgesehen von Herrn Westenthaler – in der FPÖ durchaus Persönlichkeiten gibt, die die Äußerungen von Herrn Stadler mehr oder weniger scharf, mehr oder weniger milde, aber doch kritisiert haben. (Abg. Neudeck: Ein Minderheitenprogramm!)  – Ein Minderheitenprogramm, sagt der Kollege von der FPÖ? Aha! Dazu gehört aber immerhin ein stellvertretender Parteiobmann, wenn ich mich nicht irre, und zwar Herr Gorbach aus Vorarlberg. (Abg. Neudeck: Es bleibt ein Minderheitenprogramm! Es gibt noch zwei andere und eine Parteiobfrau! Es waren doch nicht mehr!)  – Okay, es sind unwichtige Persönlichkeiten. Ich nehme das zur Kenntnis. (Abg. Neudeck: Sind für Sie Minderheiten unwichtig?)  – Ich habe das nicht zu bewerten. (Abg. Neudeck: Für Sie sind Minderheiten unwichtig!)  – Ich wollte nur sagen, es gibt in der FPÖ Persönlichkeiten, die das nicht so positiv sehen wie Herr Westenthaler. Sie sagen, das sind unwichtige Leute. (Abg. Neudeck: Sie sagen das!)

Dazu zählt der stellvertretende Parteiobmann Gorbach. Bundesminister Grasser war schockiert, entnehme ich der Presse. Generalsekretär Sichrovsky hat sich kein Blatt vor den Mund genommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Nehmen Sie einmal zum Pilz Stellung!) Frau Vizekanzlerin Riess-Passer hat im Gegensatz zu Herrn Westenthaler immerhin gesagt, dass die historischen Aussagen von Herrn Mag. Stadler falsch sind. – Immerhin! (Abg. Ing. Westenthaler: Was sagen Sie zu Herrn Pilz? "Staat abschaffen", verteidigen Sie das?) Sie hat allerdings hinzugefügt, dass die Reaktionen der Kritiker hysterisch seien.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Ich denke, ich bin kein Hysteriker. Ich glaube sogar, der eine oder andere aus dem FPÖ-Klub – abgesehen von Herrn Westenthaler – würde mir das zubilligen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich warte, was Sie zu Herrn Pilz sagen! Darauf, was Sie zu Herrn Pilz sagen, bin ich gespannt!)

Zweitens hat Frau Riess-Passer, unsere Vizekanzlerin, in diesem Zusammenhang auf Anfrage nicht ausgeschlossen, dass Herr Mag. Stadler Spitzenkandidat der FPÖ bei den Landtagswahlen in Niederösterreich wird. – Ein Mann, der keinen Unterschied sehen kann zwischen der Besetzung durch das Terrorregime Hitlers von 1938 bis 1945, der GESTAPO, der SS, den Konzentrationslagern und so weiter, ganz zu schweigen von den Hunderttausenden von Toten, die der Krieg und die KZs Österreich gekostet haben, einerseits und der Nachkriegsregierung Österreichs unter Figl und Raab, unter ÖVP/SPÖ-Regierungen andererseits! Da kann Herr Mag. Stadler leider keinen Unterschied sehen! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Unterstellung, die durch nichts begründet ist!)

Herr Dr. Khol! Da kommt Ihnen nicht irgendwie Ekel oder Grausen? Sind Sie nicht sprachlos angesichts solcher Dinge? (Abg. Ing. Westenthaler: Sie manipulieren Äußerungen, wie es Ihnen passt!)  – Ich manipuliere hier nichts, Herr Kollege Westenthaler! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie biegen es sich hin, wie es Ihnen passt!)  – In einer APA-Meldung von heute, dem 11. Juli 2002, Vorausmeldung "FORMAT", erklärt Stadler zur Frage, ob er die Besatzungszeit der NS-Zeit vorgezogen hätte – ich zitiere wörtlich –:


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"Wenn ich die Wahl habe zwischen Pest und Cholera oder gar nichts, dann möchte ich lieber gar nichts."

"Wenn ich die Wahl habe zwischen Pest und Cholera ..." – Wie soll ich das verstehen? Pest steht für Hitler-Deutschland und Cholera für die Figl-Raab-Regierung? – Und dazu sagen Sie nichts? (Empörter Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Besatzungsmacht, Herr Kollege! Vergewaltigungen, 200 000! Mord und Totschlag! Sie verdrehen alles!)

Herr Westenthaler! Ich lese Ihnen einen Kommentar aus dem "Kurier" vor, der meines Erachtens fair ist und der auch auf den Punkt eingeht, den Sie hier gerade herausschreien. (Abg. Ing. Westenthaler: Das sind Tatsachen!)  – Hören Sie einmal zu! Ich zitiere den "Kurier" vom 4. Juli 2002:

"Wie immer bei derartigen Provokationen setzt Stadler an einem Zipfelchen Wahrheit an. Das Wüten der Russen in Niederösterreich war tatsächlich ein Kulturschock. Als jugendlicher Zeitzeuge von damals weiß ich Bescheid", schreibt der Kommentator. Und weiters:

"Doch weder lassen sich die Dimensionen dieser Verbrechen, noch deren politischer Hintergrund mit dem NS-Regime gleichsetzen. Wer es dennoch tut, ist entweder ein Dummkopf oder ein zynischer Ewiggestriger."

Meine Damen und Herren! Die meisten von uns kennen Herrn Mag. Stadler. Ich kenne ihn zumindest aus der Zeit, als er noch hier geschäftsführender Klubobmann der FPÖ war. Ich kann nur sagen: Dummkopf ist er keiner. Er ist ein zynischer Ewiggestriger, das schon! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel! Dazu sagen Sie nichts? (Abg. Ing. Westenthaler: Und was ist der Herr Pilz, der den Staat abschaffen will?) Selbst Herr Dr. Khol hat neulich gesagt, dem Dr. Stadler passieren solche Dinge nicht. (Abg. Dr. Khol: Magister! Abg. Dr. Petrovic  – in Richtung des Abg. Dr. Khol : Das ist das Wichtigste!)  – Das haben Sie gesagt, Herr Dr. Khol! Dem Herrn Mag. Stadler passieren solche Dinge nicht. Der provoziert mit Absicht.  – Und angesichts dessen sagen Sie, Herr Dr. Khol und Herr Bundeskanzler Schüssel: Nun ja, aber ändern werden wir nichts; wir wollen jetzt keine Anlassgesetzgebung!

Einverstanden, Herr Dr. Khol (Abg. Ing. Westenthaler: Wer den Staat abschaffen will, ist ein Anarchist!): Auch ich will keine Anlassgesetzgebung! Wir wollten das nie – siehe § 209 StGB. Auch in diesem Fall wollen wir keine Anlassgesetzgebung. (Abg. Dr. Khol: Die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof!) Nehmen wir uns Zeit! Aber dass jemand in einer hohen öffentlichen Funktion, bestellt von diesem Hause, dem Nationalrat, solche Äußerungen tätigt und vom Nationalrat nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, Herr Dr. Khol, das belastet Sie keine Sekunde lang? Es lohnt sich also nicht, deshalb über die Abberufbarkeit auch von Volksanwälten nachzudenken – noch dazu, wo der Präsident des Rechnungshofes, der tatsächlich in einer sehr heiklen Situation ist, weil er zu prüfen, zu kontrollieren, aufzudecken und so weiter hat, sehr wohl jederzeit mit Mehrheit dieses Hauses abberufen werden kann?

Aber dass wir einen Herrn Mag. Stadler, dessen Rücktritt wir mit aller Vehemenz nochmals und immer wieder verlangen, nicht abberufen können, Herr Dr. Khol, Herr Bundeskanzler Schüssel, darin sehe ich ein wirkliches demokratiepolitisches Problem! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. Abg. Ing. Westenthaler: "Rübe ab!" Das ist Ihre Politik!)

18.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

18.22

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Die Schwäche an Ihrer Rede war vor allem das, was Sie hier nicht gesagt haben. Es ist eigentlich ungeheuerlich, dass Sie keine Worte zu den Äußerungen von Volksanwalt Stadler gefunden haben. Ich hoffe, dass Sie das noch nachholen.


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Außerdem gab es bei dem Wenigen, was Sie gesagt haben, auch Unschärfen, auf die ich kurz eingehen möchte: Es gibt doch dieses unselige Zitat eines Delegierten des Parteitages, nachdem Jörg Haider gerade zum Parteiobmann der FPÖ gewählt und Steger abgewählt wurde. Er hat gejubelt, dass Haider gewählt wurde, und gemeint, mit Steger ginge er nicht einmal mehr auf Urlaub, aber mit Haider ginge er wieder nach Russland. (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Blödsinn! – Abg. Neudeck: Gusenbauer hat den Boden geküsst!)

Dieser Delegierte hat eine Symbolik verwendet, die hier oft in Diskussionen auch über die Frage der Wehrmacht-Ausstellung verwendet wurde. Was war dieser Zweite Weltkrieg, den der Hitler-Faschismus vom Zaun gebrochen hat? – Es war ein rassistischer Angriffskrieg. (Abg. Dr. Martin Graf: Gusenbauer!) Wenn sich jemand als Delegierter eines Parteitages in seiner Freude über die Wahl Haiders dazu versteigt, zu sagen, nach Russland würde er wieder gehen, dann muss ich sagen: Das ist eine Symbolik, die der erste Schritt in eine Richtung war, die wir heute bei unserer Diskussion aufzuarbeiten haben! (Abg. Kiss: Total daneben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es kommt ein zweiter Aspekt hinzu, Herr Bundeskanzler. (Abg. Achatz: Gusenbauer hat russische Erde geküsst!) Sie haben die Steger-FPÖ mit der Haider-FPÖ gleichgesetzt, was offensichtlich nicht stimmt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie haben auch von den Opfern gesprochen, die die einzelnen Parteien hier im Hohen Haus erlitten haben. Ich meine, wir sollten auch ein wenig die Geschichte der FPÖ aufarbeiten. Wir wissen, dass die Vorläufer-Partei der FPÖ, der VdU, ja nicht gerade eine antifaschistische Vereinigung war (Abg. Neudeck: Die SPÖ vielleicht?), sondern eigentlich die Partei der Ehemaligen, der Minderbelasteten, die sich zusammengefunden haben und die dann in die FPÖ übergegangen sind. (Widerspruch bei den Freiheitlichen. Abg. Neudeck: Wie ist das mit der Großpartei SPÖ? – Abg. Mag. Schweitzer: Die SPÖ hat offen um die Nazis geworben! Abg. Neudeck: Sie sind eine Großpartei!)

Daher, Herr Bundeskanzler, würde ich Sie ersuchen, dass Sie, wenn Sie schon in einer so wichtigen Rede solche Äußerungen tätigen, bitte präzise Formulierungen finden (Abg. Mag. Schweitzer: Die Sozialdemokraten!), sowohl, was die Entwicklung der FPÖ in den letzten Jahren betrifft, als auch, was die Entwicklung der FPÖ in ihrer Geschichte seit 1945 betrifft. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. Abg. Mag. Schweitzer: Sozialdemokraten sind wir!  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nun komme ich zu einem Punkt, der mir ganz besonders wesentlich erscheint: Er wurde in der Rede von Klubobmann Khol angesprochen. Ich verstehe übrigens überhaupt nicht, dass er stehend der Rede von Klubobmann Westenthaler applaudiert hat, die in Wirklichkeit ein Skandal war. – Aber dazu später noch einige Worte. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie etwas zu Edlinger!)

Wieso Sie da stehen und demonstrativ applaudieren, ist eine Sache. Die Frage ist aber: Waren die Äußerungen von Stadler, die heute vielfach zitiert wurden und in denen eindeutig herausgekommen ist, dass er nicht nur die Gräueltaten in der sowjetischen Besatzungszone, die selbstverständlich immer wieder und von allen verurteilt wurden – natürlich auch von uns –, mit dem Nazi-Regime gleichgesetzt hat, sondern die Situation in allen Besatzungszonen (Abg. Mag. Schweitzer: Kennen Sie den Spruch ...? Kollege Schieder! Sie wissen, von wem das stammt!), war diese Gleichsetzung mit dem NS-Regime, das 52 Millionen Tote als Opfer des Zweiten Weltkrieges und 6 Millionen Tote in den Konzentrationslagern zu verantworten hat – das sind andere Dimensionen! –, bloß ein menschlicher Fehler oder gibt es hier irgendein System dahinter?

Wenn nämlich Haider sagt, die Beschäftigungspolitik im Dritten Reich war eine ordentliche, wenn Haider demonstrativ vor SSlern in Krumpendorf redet, wenn der zitierte Delegierte gerne wieder nach Russland marschieren möchte und wenn jetzt Stadler solche Äußerungen bei der Sonnwendfeier macht, dann stellt sich mit Recht die Frage, ob das ein menschlicher Fehler war oder ob dahinter politisches System und politisches Kalkül stecken. (Abg. Dr. Martin Graf:


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Gusenbauer war nie Delegierter wie er!) Dann müssen Sie das aber auch anders beurteilen, Herr Klubobmann Khol! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es stecken dahinter offensichtlich wirklich politisches System und politisches Kalkül! (Abg. Ing. Westenthaler: Beim Herrn Edlinger wahrscheinlich! Wo ist der Edlinger?) Es soll hier versucht werden, die Geschichte umzuinterpretieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist der Edlinger auf einem Seminar?) Es soll versucht werden, die Geschichte umzuschreiben.

Dass das Repräsentanten der FPÖ machen, ist eine Sache. Dass diese Partei sich in der Regierung befindet, das ist schon eine andere Sache. (Abg. Ing. Westenthaler: Hat der Edlinger Angst vor einem Zwischenruf?) Dass Herr Stadler, der ein erfahrener Klubobmann war und sehr genau weiß, wann er was sagt, wie es zu bewerten ist und welche Auswirkungen das hat (Abg. Ing. Westenthaler: Sie bewundern ihn ja direkt!), das demonstrativ bei dieser Veranstaltung sagt, soll ausdrücken: Jetzt sind wir an der Regierung, jetzt haben wir die Macht, jetzt schreiben wir die Geschichte um! – Das ist der Skandal, der hier in Wirklichkeit passiert! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Nun komme ich aber zum wirklich entscheidenden Punkt (Abg. Ing. Westenthaler: Von uns war niemand in Russland!), nämlich zum Verhalten der ÖVP. – Das ist der wirklich entscheidende Punkt! Hätte sich nämlich die ÖVP nicht entschlossen, die Haider-FPÖ in die Regierung zu nehmen, dann wäre diese heute nicht in der Regierung. (Abg. Dr. Martin Graf: Wie der Schelm denkt, so ist er! – Abg. Ing. Westenthaler: Dann hätte der Edlinger auch nicht "Sieg heil!" gerufen!) Hätte die ÖVP das nicht beschlossen, dann könnten Sie von den Freiheitlichen heute nicht sagen: Jetzt sind wir mächtig genug, um die Geschichte umzuinterpretieren! (Abg. Ing. Westenthaler: Dann hätte der Edlinger den Zwischenruf auch nicht gemacht!)

Aber das Entscheidende dabei ist die Grundsatzfrage bei der Geschichte dieser Partei. (Abg. Ing. Westenthaler: Keine NS-Wiederbetätigung im Parlament!) Dass viele aus der ÖVP mit vielen Sozialdemokraten, Christen und anderen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten waren, das ist eine geschichtliche Tatsache (Abg. Ing. Westenthaler: Wer bestreitet das?), und ich bin neugierig, wann Sie die umschreiben wollen.

Wenn das Faktum ist, dann frage ich mich: Wieso konnte die ÖVP, der Parteiobmann der ÖVP, der Bundeskanzler, heute in einer Rede zu den konkreten Aussagen nicht deutlichere Worte finden? (Abg. Ing. Westenthaler: Finden Sie deutlichere Worte zu Edlinger?)  – Nur deshalb, weil er sich mit Ihnen in einer Koalition befindet? Heißt das, dass die Koalitionsräson wichtiger ist als der Grundkonsens der Zweiten Republik? Heißt das, dass der Machterhalt wichtiger ist als dieser Grundkonsens? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. Abg. Ing. Westenthaler: Wieso distanzieren Sie sich nicht von Edlinger?)

Herr Klubobmann Khol! Ich frage Sie jetzt ganz persönlich: Wie kann man zu der Rede von Klubobmann Westenthaler stehend applaudieren, der überhaupt nur über die Gräueltaten in der sowjetischen Besatzungszone gesprochen hat, der uns dauernd vorwerfen wollte, dass wir sie nicht verurteilen – was wir selbstverständlich tun (Abg. Ing. Westenthaler: Der Edlinger schreit "Sieg heil!")  –, der kein Wort zum Wesen des nationalsozialistischen Unterdrückungsregimes gefunden hat (Abg. Ing. Westenthaler: Stimmt ja nicht!), der dauernd den Herrn Stadler verteidigt hat und überhaupt nicht auf die Aussagen Stadlers eingegangen ist? (Abg. Ing. Westenthaler: Ist ja gar nicht wahr!)

Ich verstehe nicht, wie man diese Rede verteidigen und in Bezug auf Stadler nur sagen kann: Hätte er die Rede bloß nicht gehalten, aber das war wahrscheinlich ein menschlicher Fehler; geben wir ihm christlich eine Chance, damit er sich geschichtlich, ideologisch und politisch wieder resozialisieren kann. – Als ob es die vielen anderen Äußerungen aus der FPÖ, die in der Geschichte der FPÖ seit der Haider’schen Machtübernahme Tatsache sind, nicht gegeben hätte!

Sie machen sich etwas vor, und Sie kennen auch die Reaktionen der Diplomaten und der Botschafter der Signatarmächte, die sich die Frage stellen: Wie hat denn die Entnazifizierung in


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Österreich eigentlich gegriffen? Hätte sie nämlich gegriffen, sollte es diese Äußerungen und diese Partei erst gar nicht mehr geben! (Abg. Jung: Sie wollen etwas herbeireden!)  – Das ist ein wörtliches Zitat, nicht meine Erfindung. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Sie leugnen das! Sie leugnen, dass Sie im Ausland damit konfrontiert werden. Sie haben aber auch eine Verantwortung vor der österreichischen Jugend, die ein Recht auf klare Aussagen des Vorsitzenden der österreichischen Bundesregierung hat – und nicht bloß auf einen Eiertanz, damit diese Koalition weiterbestehen kann! – Das ist die Wahrheit, vor der Sie stehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Klubobmann Khol! Weil Sie christlich sind, weil ich Ihre Partei nach wie vor respektiere, weil ich der Meinung bin, dass es auch immer richtig war, dass wir in vielen Fragen zusammengearbeitet haben, tut mir das weh, was hier vor sich geht. In Wirklichkeit verliert nämlich die ÖVP in der Koalition mit diesen Leuten und ihren Reden und Aussprüchen ihre Seele. – Das ist die Wahrheit! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen. Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Na, na!)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen, und stellen Sie den berichtigten Sachverhalt dieser Behauptung gegenüber.

18.30

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Mit "diesen Leuten" waren Sie auch schon einmal in einer Koalition! – Ruf bei der SPÖ: Nein, mit Ihnen nicht! Sicher nicht! – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Sie haben aber ein kurzes Gedächtnis! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Edlinger hat "Sieg Heil!" gerufen! – Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Schweitzer, würden Sie mit der tatsächlichen Berichtigung beginnen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Cap hat behauptet, dass Klubobmann Westenthaler in seiner Rede kein einziges Mal verurteilende Worte für die Zeit des Nationalsozialismus gefunden hätte. – Das zeigt, dass er das nicht hört, was er nicht hören will.

Kollege Cap! Peter Westenthaler hat nicht einmal, sondern mehrfach die Zeit des Nationalsozialismus verurteilt! (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Eine miese Unterstellung war das!) Aber Sie wollen das nicht hören, weil Sie es einfach nicht hören wollen. (Widerspruch bei der SPÖ.) Traurig ist, dass Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, wenn das von jemandem gesagt wird, von dem Sie es nicht hören wollen. (Abg. Dr. Mertel: Herr Präsident! Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

18.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Schweitzer, danke sehr!

(Beifall bei den Freiheitlichen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Schweitzer.)

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die "Kunst" des linken Drittels dieses Hauses besteht unter anderem darin, historische Ereignisse, die von heute an gerechnet so lange zurückliegen wie im Jahr des Einmarsches der deutschen Truppen in Österreich die Schlacht von Königgrätz, so darzustellen, als ob sie sich erst gestern ereignet hätten. Sie trachten danach, daraus heute


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noch ständig politisches Kleingeld zu münzen – und haben damit sogar Erfolg – und den Eindruck zu erwecken, dass man, wenn man rasch die Wohnungstür öffnet, noch sieht, wie der Nachbar mit bluttriefenden Händen in seine Wohnung hineinhuscht. Das ist die "Kunst".

Von Königgrätz bis 1938, das ist ungefähr so lange wie von 1938 bis jetzt! Aber Sie verstehen es, mangels jüngerer Argumente, mangels anderer Argumente immer wieder die fürchterlichen alten Suppen aufzukochen und heute über die Köpfe anderer zu gießen. (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.) Sie stellen es so dar, als ob die Schuldigen nicht längst begraben wären, sondern als ob man ihnen heute noch ans Zeug flicken könnte. Das ist Ihre Kunst, Sie beherrschen sie meisterhaft, aber Sie sind durchschaut. An das müssen Sie sich gewöhnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist auch bemerkenswert, wie weit in den vergangenen Tagen die Kritiker schon vom ursprünglichen Vorwurf weggerückt sind. Der Vorwurf war, dass Stadler die Frage aufgeworfen hat: Wann war wirklich die Befreiung? Das war alles. Da das nicht haltbar ist, weil die Zeitgenossen von damals auf der einen und auf der anderen Seite unisono den Standpunkt vertreten haben: Die Befreiung war in Wahrheit 1955 – ich werde Zitate so wie gestern heute ergänzend vorlesen –, haben Sie sich von dieser nicht zu verteidigenden Linie zurückgezogen und befinden sich auf ganz anderen Ebenen. Die ganze Weltgeschichte wird bemüht, alles Mögliche, Relativierung da und dort, aber der ursprüngliche Vorwurf ist nicht mehr da. Er war einfach nicht haltbar!

Aber machen Sie sich nur die Mühe und lesen Sie die Aussagen der Zeitgenossen dazu. Ich möchte mich nicht auf die distanzierten Erklärungen von heute beschränken, die alle aus der Entfernung – Jahrzehnte danach – getätigt worden sind. Ich möchte voller Respekt zu dem zurückkehren, was die damaligen Autoren – soeben aus den Konzentrationslagern gekommen – davon gehalten haben. Waren sie der Ansicht, dass Österreich 1945 befreit worden ist, oder waren sie der Ansicht, 1955? Ich lasse die Autoren selbst sprechen.

Figl, Landeshauptmann, Bundeskanzler, Außenminister, der "Vater des Staatsvertrages", heißt es – Raab, Figl, Schärf, die Väter des Staatsvertrages –, sagte: "Ein 17 Jahre lang dauernder grauenvoller Weg der Unfreiheit ist beendet!" Das sagt er aber nicht am 27. April 1945, auch nicht am 5. Mai 1945, auch nicht am 8. Mai 1945. Er sagte das am 15. Mai 1955! Der grauenvolle 17 Jahre lang andauernde Weg – 17 Jahre, begonnen 1938, beendet 1955 – ist beendet. "Österreich ist frei!", das hat er dann angeschlossen. Er hat nicht gesagt: Vor zehn Jahren ist Österreich frei geworden, sondern jetzt ist Österreich frei, und er hat den Staatsvertrag hergezeigt. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung SPÖ –: Lernen Sie Geschichte!)

Auch Gschnitzer, die selbe Partei – das sind ja Namen, die in den Reihen der ÖVP noch allen in klangvoller Erinnerung sein müssen –, was sagte er hier in diesem Saal bei der Behandlung des Staatsvertrags in der Sitzung am 7. Juni 1955:

"Hohes Haus! 1945, als mit der Stunde des Friedens auch die Stunde der Freiheit für uns zu kommen schien" – kommen schien!  –, "da waren wir den Alliierten ehrlich dankbar. Aber wir sind bald schlimm enttäuscht worden. Erst jetzt, zehn Jahre später, soll nun wirklich die Stunde des Friedens und der Freiheit uns schlagen. Wir erinnern uns heute, daß beim Fallen der Zonenkontrollen an der Enns, diesem ersten Silberstreifen am Horizonte österreichischer Freiheit, die Leute auf der Linzer Brücke getanzt haben. Diesmal hat das Volk in Wien getanzt, als ihm der Außenminister das unterzeichnete Dokument des Staatsvertrages vorhielt." – Das sagte nicht irgendwer, sondern Gschnitzer. Er war später auch Staatssekretär oder Außenminister, ich weiß das nicht mehr so ganz genau.

Und wie war es mit der anderen Seite? Etliche Zeitzeugen von damals sind schon zitiert worden. Ich beschränke mich darauf, Gewerkschaftsbundpräsident und Innenminister Olah – er lebt noch – zu nennen. Er hat gesagt:


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"Das Jahr 1955 war das Jahr des Staatsvertrages. Zehn Jahre nach Kriegsende war das ,befreite’" – er setzt es unter Anführungszeichen – "Österreich auch wirklich frei." – Olah, nicht irgendwer. Jeder weiß, welch bedeutender Repräsentant der Nachkriegszeit er gewesen ist.

Koref, auch von Ihrer Seite, Bürgermeister von Linz, Jahre oder Jahrzehnte lang Angehöriger dieses Hauses. Er sagte unter anderem in der selben Sitzung über den Staatsvertrag:

"Vor 17 Jahren, Hohes Haus, haben wir die Freiheit verloren." – Er rechnet auch zurück von 1955 bis 1938. Und weiters: "Der Weg hat in die Irre geführt. Seit jener Zeit hat uns eine Pechsträhne verfolgt, eine Unglücksserie in Krieg und Leid ... geführt. ... Nie wieder Verlust unserer Freiheit! ... Vor zwölf Jahren hat man uns in der Moskauer Deklaration feierlich versprochen, Österreich als einen freien, unabhängigen und demokratischen Staat wiederherzustellen. Nun sind wir so weit, und wir danken dem Schicksal, daß wir diesen Tag erleben dürfen."

Niemandem fällt es ein, den Nationalsozialismus in seinen Dimensionen mit dem Besatzungsregime in Österreich zu vergleichen. Aber ich erinnere schon an das Schwarzbuch, das ehemalige französische Kommunisten herausgegeben haben. In diesem Schwarzbuch rechnen sie penibel nach, dass die Sowjetunion in ihren eigenen Reihen – also nicht woanders, sondern nur in ihrem eigenen Bereich – von 1917 bis in die Gegenwart 100 Millionen Tote gekostet hat. Das ist ja auch nicht gerade eine Kleinigkeit.

Das Meer von Blut und Tränen, das die Rote Armee in Österreich erzeugt und hinter sich gelassen hat, hat nicht nur Niederösterreich umfasst, nicht nur das Burgenland und Wien, sondern auch die Steiermark bis Judenburg, darf ich in Erinnerung rufen, und Oberösterreich vom Norden über das Mühlviertel bis zur Donau. Es waren das auch nicht Menschenrechtsverletzungen individueller Art. Ich erinnere an die oft kolportierte Aussage des Ilja Ehrenburg, Staatsdichter der Sowjetunion, in Millionen Flugblättern an die vorrückende Rote Armee verteilt, beginnend mit den Worten:

Töte! Töte! Töte!

Und weiter ist es gegangen: Rotarmist, raube, morde und plündere! Brich den Hochmut der germanischen Frauen! Die deutsche Frau ist deine Beute. – Zitatende.

Das sind keine individuellen Menschenrechtsverletzungen. Das ist ein fürchterliches Ereignis.

Wenn Renner am 27. April 1945 sicher besten Glaubens optimistisch war, dass jetzt mit der Überwindung des Nationalsozialismus, mit dem Ende des Kriegs das Fürchterliche vorbei sei, dann ist er in diesem Zusammenhang wie viele, wie alle Österreicher auch bitter enttäuscht worden.

Es ist schon erwähnt worden: 200 000 vergewaltigte Frauen allein zusammen in Wien und Niederösterreich, das waren die offiziellen Zahlen, viele davon kompanieweise, das Alter war egal, Kinder und Großmütter.

Interessant ist, wenn man sich dazu die Reaktionen von heute anschaut. Der eine oder andere von uns kommt zeitig genug nach Hause, um sich auf deutschen Sendern diese Rückblicke anzuschauen, "Spiegel-TV" oder Ähnliches. Dort hat es jetzt auch eine Sendeserie gegeben: "Die Opfer Hitlers". Nach der waren die letzten Opfer Hitlers die Vertriebenen. Es ist auch dazu gekommen, dass man sich mit den Vergewaltigungen befasst hat. In diesen Sendungen sind immer Veteranen im "Konfirmandengwandl" zu Gehör gebracht worden, mit Dolmetsch, darunter auch ein adrett gekleideter ehemaliger Offizier der Roten Armee, von Privatberuf interessanterweise Staatsanwalt. Der hat zu den Vergewaltigungen gesagt – ich zitiere –:

Mein Gott, Vergewaltigung ist an und für sich kein fürchterliches Verbrechen, das ist nicht so schlimm. An einer Vergewaltigung ist noch niemand gestorben. Daher war es auch gar nicht notwendig, dass man einschreitet, wenn man zu so einer Sache dazukommt. – Zitatende.


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Heute muss man dem begegnen. Da kann man nicht davon sprechen, dass es Menschenrechtsverletzungen individueller Art waren.

Nur damit Sie mich richtig verstehen: Man muss auseinander halten: Die politische Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus hat 1945 stattgefunden, die staatspolitische 1955, denn davor sind alle Dinge, die in diesem Raum beschlossen worden sind, ist das Papierl, auf dem diese Beschlüsse standen, genommen und in die Kommandantur hinübergetragen worden, und dort ist dann ja oder nein dazu gesagt worden. Aber die menschliche Befreiung hat in einer bitteren Enttäuschung geendet.

Dass man einer Person, deren Kinder vergewaltigt wurden, deren Mann erschossen wurde oder Ähnliches mehr, nur weil sich eine wütende Horde in Millionenstärke über das Land gewälzt hat und zehn Jahre lang nicht fortgegangen ist, zumutet, zu sagen: Aber die Befreiung siedle ich woanders an!, das ist wirklich nicht zu akzeptieren. Die Befreiung der Menschen war erst 1955, und sie haben das auch entsprechend erkannt!

Machen Sie sich noch die Mühe, und lesen Sie die Zeitungen von damals durch, von der "Presse" bis zur "Arbeiter-Zeitung"! Sie datieren alle die Befreiung mit dem 15. Mai 1955 und freuen sich auch darauf, wenn der letzte Soldat das Land verlassen haben wird. Das war ja erst am 26. Oktober 1955 der Fall.

So hat die Diskussion begonnen. Sie haben erkannt, dass Sie diese Linie nicht halten können, und Sie versuchen jetzt andere Probleme vorzuschieben, die überhaupt nichts mit dem Anlassfall zu tun haben. (Heftiger Widerspruch und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Sie wollen beizeiten verhindern, dass Stadler Spitzenkandidat in Niederösterreich werden kann, und die Grünen wollten schon immer in die Volksanwaltschaft, die wollen einen vierten Volksanwalt, und das ist auch ein Anlasspunkt, denn das ist es, was Stadler gar so unbequem macht. Als Nächstes werdet ihr die Forderung aufstellen: Wir haben schon immer hineingewollt, und jetzt haben wir auch den moralischen Anspruch, wirklich hineinzukommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Martin Graf: Manchmal ist es schade, dass die "Arbeiter-Zeitung" schon eingegangen ist!)

18.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

18.43

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Cap, was Sie vorhin wieder geliefert haben, das war wirklich eine unwürdige parteipolitische Polemik, die zwar Ihnen gerecht wird, aber nicht der großen Tradition der Sozialdemokratischen Partei. Das möchte ich zu diesem Anlass auch einmal klar sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieser Anlass hätte eine würdigere Rede verdient, meine Damen und Herren von der SPÖ, und Sie sollten auch besser zuhören, denn offensichtlich haben Sie nicht zugehört, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat, was Herr Klubobmann Khol gesagt hat. Wir haben unmissverständlich ausgedrückt, dass wir von der Volkspartei zu Recht erwarten und dass wir auch nie einen Zweifel daran gelassen haben, dass sich alle hohen Verantwortungsträger dieses Staates – und dazu gehört selbstverständlich auch der Volksanwalt – diesem Grundkonsens der Zweiten Republik anzuschließen haben, dass Österreich am 8. Mai 1945 vom Nationalsozialismus befreit wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Grundkonsens, meine Damen und Herren, muss auch in Zukunft gelten und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Und wer dazu nicht bereit ist, läuft Gefahr, sich selbst außerhalb dieses staatspolitischen Grundkonsenses zu stellen, und das halten wir für schädlich für den Betreffenden, aber auch schädlich für das Ansehen der Institution, die er vertritt, ebenso schädlich für das Ansehen der Republik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Aber uns geht es nicht darum, bei diesem Anlass neu zu polarisieren: Uns geht es darum, dass Geschichte nicht verfälscht und nicht uminterpretiert wird. Deshalb, Herr Kollege Cap, nur eines: Seien Sie vorsichtig bei Ihren historischen Schuldzuweisungen! Sie wissen so gut wie ich, dass die alte Sozialdemokratie eine großdeutsch eingestellte Partei war und dass noch 1938 Karl Renner dazu aufgerufen hat, für den Anschluss an Hitler-Deutschland zu stimmen, und dass Otto Bauer diesen Anschluss aus dem Prager Exil begrüßt hat und dass es noch 1945, nach dem Zweiten Weltkrieg, Friedrich Adler abgelehnt hat, nach Österreich zurückzukehren, weil er nicht in einem Lande leben wollte, das sein Deutschtum verleugnet, meine Damen und Herren! Auch das gehört zur historischen Wahrheit in diesem Lande! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Bures. )

Akzeptieren wir doch gemeinsam: Österreich war ein Opfer, Österreicher waren unter den Opfern des Nationalsozialismus (Zwischenruf der Abg. Bures ), aber Österreicher waren selbstverständlich auch unter den Tätern! Auch das müssen wir einbekennen, und auch das bedauern wir zutiefst. Niemand wird leugnen, dass Hunderttausende den gewaltsamen Einmarsch Hitlers begrüßt haben, und niemand wird leugnen, dass die große Mehrheit schließlich – aber einen Monat nach dem Einmarsch – für den Anschluss Österreichs stimmte. Aber nehmen wir auch zur Kenntnis, dass rund 80 000 Österreicher verhaftet wurden – Sozialisten, Christdemokraten, Kommunisten – und die ersten politischen Gefangenen schon acht Tage nach dem Einmarsch als Opfer des Nationalsozialismus und wegen ihres Einsatzes für ein freies Österreich nach Dachau geschickt und verurteilt wurden!

Fassen wir bei diesem Anlass zusammen, was historisch unbestritten sein sollte. Unbestritten ist, dass Österreich als Staat bis 1938 gegen den Nationalsozialismus gekämpft hat. Und es ist keine österreichische Erfindung, sondern es ist die Wahrheit, dass viele Tausende Österreicher wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in Konzentrationslager mussten. Aber es ist auch Tatsache, dass viele Tausende Österreicher moralische Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus tragen, meine Damen und Herren.

Es darf deshalb in keiner Weise, auch in Zukunft nicht, um eine Aufrechnung gehen. Es darf nicht darum gehen, den Eindruck zu erwecken, dass es hüben und drüben das gleiche Unrecht gegeben hätte und dass man sozusagen gleichsam quitt sei, dass nun ein historischer Schlussstrich gezogen werden könnte. Nein, das glaube ich nicht. Das würde auch dem unvergleichlichen Verbrechen des Holocaust nicht gerecht werden. Deshalb, so meine ich, müssen sich auch in Zukunft alle gesellschaftlichen Kräfte einig sein, dass Österreich in seinem Selbstverständnis ein grundlegendes Bekenntnis zur Demokratie und zu Menschenrechten darstellt und dass dieser Staat auch auf den Trümmern des Nationalsozialismus aufgebaut wurde und dass sich dessen Gräuel nie mehr wiederholen dürfen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Vermeiden wir deshalb – auch das halte ich für wichtig, und noch viel mehr gilt das selbstverständlich für Staatsfunktionäre und für politische Verantwortungsträger –, durch allzu vordergründige Vergleiche auch nur den leisesten Eindruck eines Versuchs einer Relativierung unvergleichlicher Ereignisse zu erwecken. Alles, was – und sei es auch nur in der missverständlichsten Form – in Richtung einer Verharmlosung oder einer Bagatellisierung des Schreckens des Nationalsozialismus gedeutet werden kann, ist klar und deutlich zurückzuweisen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei den Grünen.)

Wer heute in Zweifel stellt, dass das Frühjahr 1945 für Österreich ein Augenblick der Befreiung war, der leugnet jene Opfer, die von Österreicherinnen und Österreichern im Kampf gegen Totalitarismus und Diktatur erbracht wurden.

Meine Damen und Herren! Diese Einsicht des Versagens vor der Geschichte ist am Beginn der europäischen Integration gestanden. Nie wieder soll von europäischem Boden aus Krieg geführt werden und von einem europäischen Land gegen ein anderes. Das war auch immer das Motto von Helmut Kohl, gerade in seinen europapolitischen Bestrebungen. Das war der Ausgang Europas, der Ausgang der Montanunion, das war die Vision Adenauers, Schumans und De Gasperis. Und daher führt vom Bekenntnis der Unabhängigkeit der Österreicher der ersten


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Stunde meiner Meinung nach auch ein direkter Weg zur europäischen Integration, die den Gedanken von Frieden und Demokratie auf ganz Europa ausdehnen muss. (Beifall bei der ÖVP und den Grünen.)

Deshalb, meine Damen und Herren, braucht gerade dieses Europa diese neue Vision, die von den Trümmern des Zweiten Weltkrieges ihren Ausgang nimmt, damit dieses Europa mehr sein kann als nur eine Wirtschaftsunion und damit tatsächlich eine neue Vision von Frieden und Freiheit entsteht.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend sagen: Bekennen wir uns gemeinsam zu diesen historischen Wahrheiten! Versuchen wir nicht, die Geschichte parteipolitisch zu vereinnahmen! Wer bei der Aufarbeitung und Bewältigung unserer Geschichte glaubt, ein Monopol auf die politische Moral zu haben, schadet dem demokratischen Grundkonsens auf eine ganz unverantwortliche Weise. Nehmen wir deshalb diese Debatte zum Anlass, uns erneut und für alle Zukunft zu diesem demokratischen Grundkonsens zu bekennen! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

18.52

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich heute Nachmittag erfahren habe, dass es uns nach etlichen Widerständen, massiven Widerständen, aber letztlich doch im Konsens möglich ist, die Causa Stadler zu diskutieren, war ich erfreut, froh darüber, dass es möglich ist, hier in diesem Haus diese Causa zu diskutieren. Als Präsident Fischer damals in der Präsidiale verkündet hat, dass er unseren Dringlichen Antrag nicht zulässt und das mit dem Schaden begründet hat, den er von diesem Parlament abwenden will, habe ich mir gedacht: Das ist nicht sehr mutig von Präsident Fischer. – Inzwischen habe ich eine Ahnung davon, was er damit gemeint hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich der letzte Redner zu diesem Punkt bin, kann ich Ihnen nur sagen: Es ist ein deprimierendes Bild, das dieses Haus angesichts dieser Debatte abgibt. Ich hätte mir gedacht, dieses Parlament nützt die Chance, sich einhellig, über alle Parteigrenzen hinweg von untragbaren Äußerungen zu distanzieren. – Aber das ist leider nicht geschehen!

Dem Herrn Bundeskanzler ist es gelungen, mit seiner Rede das Auditorium und das Parlament 15 Minuten lang im Bann zu halten, mit der Beschwörung eines Nachkriegskonsenses, indem er sich auf 1945 bezogen hat. (Abg. Mag. Mühlbachler: Eine gute Rede!) Ich hätte mir gedacht, dem Herrn Bundeskanzler gelingt es, von dieser Zeit damals zur heutigen Zeit und zu dem, worüber wir eigentlich diskutieren wollen, über die gemeinsame Verurteilung von unfassbaren Äußerungen, eine Brücke zu bauen, die einen antifaschistischen Konsens bildet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Stattdessen, Herr Bundeskanzler – und das war die wirklich große Enttäuschung –, haben Sie Brücken gebaut zu Herrn Stadler, und Sie haben die Brücken abgebrochen zu Parteien in diesem Parlament, die nicht Regierungsparteien sind. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Und das ist eine Chance, die Sie versäumt haben, das ist ein Fehler, den Sie wahrscheinlich nie wieder wiederholen können. Ich hoffe es, Herr Bundeskanzler!

Als in der Bundesrepublik Deutschland – es ist zirka 20 Jahre her – der damalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger, soweit ich mich erinnere, eine sehr bemühte, aber im Bild äußerst verunglückte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus versucht hat – die Auseinandersetzung war verunglückt –, musste er zurücktreten. Und es war für alle Parteien in der Bundesrepublik Deutschland – mit unterschiedlichen Akzenten – klar: Jenninger muss zurücktreten! Der Fehler des Herrn Jenninger war, ein falsches Bild zu wählen, ein verunglücktes Bild in einer äußerst schwierigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, wo man angesichts


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dieser Debatte im Parlament merkt, dass es schwierig ist, es in Worte zu fassen, weil alles sofort versucht wird ... (Abg. Wittauer: "Sieg Heil!" verteidigen, das ist schon wirklich ...! – Abg. Ing. Westenthaler: Er verteidigt Edlinger!)

Herr Westenthaler! Ihre Äußerungen sind so unsäglich, Herr Westenthaler, es ist so unsäglich! Ich glaube, Ihre Äußerungen richten sich selbst. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Gehen Sie wieder baden!)

In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist es schwierig, alles in die richtigen Worte zu bringen. Herr Jenninger hat es versucht, von seiner Perspektive aus. Er hat die falschen Worte gefunden und musste zurücktreten.

Und jetzt bin ich beim Herrn Dr. Khol, Ihrer Äußerung zum Herrn Stadler. Sie haben völlig Recht, die Worte des Herrn Mag. Stadler waren nicht verunglückt, sondern sie waren bewusst gewählt. Und das macht den Unterschied aus. In der Bundesrepublik Deutschland muss ein wesentlicher Repräsentant zurücktreten, weil er verunglückt, aber bemüht die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit gesucht hat. – In Österreich bekommt ein Volksanwalt, der bewusst den Nationalsozialismus verharmlost, hier im Parlament vom Herrn Westenthaler noch das Prädikat verliehen: Er ist ein lupenreiner Demokrat! – Das ist unsäglich und jenseitig, und das ist es, was ich an dieser Debatte erbärmlich finde! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dass diese Debatte so stattfinden konnte, liegt an Ihnen, Herr Bundeskanzler. Das liegt an Ihnen, auch mit an Ihnen, denn Sie hätten hier die Chance gehabt, durch Ihre einleitenden Worte den antifaschistischen Konsens, der sich nicht nur auf 1945 oder 1955 bezieht, sondern auch auf heute, das Jahr 2002, in der Auseinandersetzung mit dem Herrn Stadler, diesen antifaschistischen Konsens der Demokraten, die damals die Republik gegründet haben, wieder herzustellen und zu betonen, dass wir in dieser Frage keine Abweichung und keine derartige Verharmlosung, wie sie der Herr Stadler gesucht und gefunden hat, dulden wollen! Diese klaren Worte, Herr Bundeskanzler, hätte ich mir gewünscht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Mir ist klar, das erfordert nicht, dass wir in allem einer Meinung sind. Auch der Herr Sichrovsky, mit dem ich in vielen und wahrscheinlich in den meisten Fragen keiner gemeinsamen Meinung bin, hat dennoch diese klaren Worte gefunden. Auch Herr Finanzminister Grasser, mit dem ich in vielen und wahrscheinlich in den allermeisten Fragen nicht einer gemeinsamen Meinung bin, hat diese klaren Worte gefunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Reden wir doch darüber: Seit Herr Haider die Parole ausgegeben hat: Stadler stützen!, ist es eher wahrscheinlich, dass Grasser und Sichrovsky diese Partei verlassen oder die Ämter, die sie innehaben, verlassen, als dass der Herr Stadler sein Amt als Volksanwalt verlassen wird! Und das ist das Beschämende! Das ist die Situation, mit der wir uns auseinander setzen müssen und wo es keine Gemeinsamkeiten geben kann! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Denn eines muss für alle Demokratinnen und Demokraten in dieser Republik klar sein, nämlich dass ein Funktionär, ein hoher Funktionär – ganz egal, welche Funktion er ausübt, sie kann auch niedrig sein –, ein politischer Funktionär in dieser Republik in einem Amt, in einer Funktion nichts verloren hat, wenn er den Nationalsozialismus verharmlost.

Das war doch der Grundkonsens von 1945 oder meinetwegen von 1955, das ist doch in unsere Verfassung eingeschrieben und eingebrannt! (Abg. Ing. Westenthaler: Aber den Staat abschaffen darf man?) Das macht doch den Unterschied aus zwischen den Herren, die diese Republik mitbegründet haben – egal, ob das jetzt Herr Körner, Herr Figl, Herr Renner oder Herr Raab sind! Das macht doch den Unterschied aus! (Abg. Dr. Martin Graf: Auch wenn Sie es sich wünschen, es verharmlost doch niemand!)

Das macht doch die Unsäglichkeit dieses Vergleichs aus, in der sich Herr Stadler nicht – jetzt hätte ich beinahe etwas Ordnungsrufverdächtiges gesagt – schämt, zu sagen: Die Zeit nach 1945 und diese Herren, die ich genannt habe, inklusive der alliierten Truppen, die in Österreich


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stationiert waren, und das, was vor 1945 war, das ist der Vergleich von "Pest und Cholera". – Das sind Sätze, die zeigen, dass wir bei diesem Stand der Positionierung nicht stehen bleiben können. Da braucht es klare Antworten! (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum bringe ich Ihnen folgenden Antrag zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche und politische Konsequenzen aus den untragbaren Äußerungen von Volksanwalt Dr. Ewald Stadler

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat verurteilt mit aller Entschiedenheit die Äußerungen von Volksanwalt Ewald Stadler, wonach Österreich 1945 nur "angeblich" vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden sei, und fordert diesen auf, umgehend seine Funktion als Volksanwalt zurückzulegen.

Der Nationalrat fordert die Bundesregierung auf, diesen Äußerungen des Volksanwaltes Stadler in gleicher Weise mit Entschiedenheit entgegenzutreten.

*****

Herr Bundeskanzler, das hätte ich mir von Ihnen erwartet! Das war die große Enttäuschung und auch die Niederlage des österreichischen Parlaments in der Auseinandersetzung mit derart untragbaren Äußerungen, die wir heute gemeinsam hinnehmen mussten! Es ist zum Schämen, das kann ich Ihnen nur sagen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Herr Abgeordneter Öllinger hat einen Entschließungsantrag eingebracht, für den inhaltlich in seiner Ausformung all die Erwägungen gelten, die bereits in der letzten Präsidiale hinsichtlich der Zulässigkeit beziehungsweise der Nichtzulässigkeit von Anträgen angestellt wurden. Das heißt, es ist ein Antrag, der nicht auf eine ganz konkrete Vollzugshandlung gerichtet ist.

Ich werde aber dem Hause eine weitere Diskussion über die Geschäftsordnung mit all den Unsicherheiten, die dazu bestehen und die in der Präsidiale auch noch nicht ausdiskutiert sind, ersparen (Abg. Ing. Westenthaler: Die Grünen kennen sich nicht so aus in der Geschäftsordnung!) und werde daher ohne Präzedenzwirkung diesen Antrag zulassen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber auch bitte ein Seminar in Geschäftsordnung für die Grünen!)

Wir kommen damit zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche und politische Konsequenzen aus den untragbaren Äußerungen von Volksanwalt Mag. Ewald Stadler.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Dr. Pilz  – in Richtung Freiheitliche und ÖVP –: Feiglinge! – Anhaltende Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Wie ein Schwammerl aus dem Boden gewachsen! – Abg. Ing. Westenthaler: Meide den Alkohol, Pilz!)

Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Geräuschpegel wieder auf ein normales Ausmaß zurückzuführen!


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Fortsetzung der Beratungen über die Tagesordnungspunkte 3 bis 8

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir setzen jetzt mit der unterbrochenen Tagesordnung fort.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung Abg. Dr. Pilz –: ... gerade im Sessel sitzt! Beim Stehen hast Schwierigkeiten! – Abg. Ing. Westenthaler: Meide den Alkohol! – Abg. Dr. Mitterlehner begibt sich zum Rednerpult. – Abg. Dr. Mertel: Herr Präsident! Das stimmt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Karl Öllinger! Lass den Pilz herunter!)

Ich korrigiere: Es liegt eine Wortmeldung für eine tatsächliche Berichtigung von Frau Abgeordneter Silhavy vor. (Widerspruch bei der SPÖ.)  – Ich kann mich jetzt nur auf die Auskünfte verlassen. Der Name scheint nicht auf. (Abg. Nürnberger: Da gibt es einen Ausdruck!) Der Ausdruck lautet auf "Mitterlehner" und dann auf "Silhavy"; so lautet der Ausdruck. (Abg. Nürnberger  – ein Blatt Papier in die Höhe haltend –: Der ist 5 Minuten alt!) Ich werde das mit den Beamten des Hauses durchsprechen.

Die Reihenfolge liegt jetzt so vor: Nummer 7: Dr. Reinhold Mitterlehner, Nummer 8: Heidrun Silhavy. So werde ich jetzt auch vorgehen. – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner.

19.06

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Silhavy, es tut mir Leid, dass es da zu kleinen Unstimmigkeiten gekommen ist.

Meine Damen und Herren! Ich habe die sehr dankbare Aufgabe, jetzt nach den Emotionen die Debatte wieder auf die 60. ASVG-Novelle zurückzuführen. Ich möchte einleiten damit, dass es sicherlich ein wichtiges Thema ist, weil es insbesondere auch für Gewerbetreibende die Verbesserungen gibt, die wir jahrelang eingefordert haben. Ich darf diese zwei erwähnen: zum einen die Reduzierung der Mindestbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung von 1 045 € auf rund 537 €. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Was bedeutet das? – Damit ist nicht mehr und nicht weniger verbunden, als dass die Versicherungsbeiträge im Krankenversicherungsbereich für Gewerbetreibende an das tatsächliche Einkommen angeglichen werden. Gerade wenn es wirtschaftlich schwierige Zeiten gegeben hat, wenn Verluste erzielt worden sind, waren die Beiträge zu hoch. Man sieht das allein schon daran, dass Selbstständige mit 8,9 Prozent die höchsten Beiträge im Bereich der Krankenversicherung haben. Deren Beiträge sind rund drei Mal so hoch wie die Mindestbeitragsgrundlagen im Bereich des ASVG.

Das Zweite, was hier entwickelt und verbessert wurde, ist die Festlegung fixer Sozialversicherungskosten im Krankenversicherungsbereich für Jungunternehmer für die ersten zwei Jahre. Das ist insofern ein eminenter Vorteil, als damit für einen Unternehmer in der Startphase kalkulierbar ist, wie hoch seine Kosten sind, und es dazu keine Nachbemessung gibt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte besonders darauf verweisen, dass all diese Maßnahmen mit eigenen Geldern der Unternehmer finanziert werden, die noch dazu in den Ausgleichsfonds jetzt 72 Millionen € einzahlen. Sie zahlen also den Löwenanteil in diesen Ausgleichsfonds ein! Ich möchte Folgendes hervorheben: Dass es jetzt eine Möglichkeit gibt, in dem Fall, dass Rückzahlungen nicht vorhanden sind, dies mit eigenen Beitragsleistungen zu kompensieren, ist ein guter Versuch, um die entsprechende Rückzahlungsmöglichkeit des Kredites zu gewährleisten. Genauso gilt das für die jetzt im Gesetz vorgesehenen Tilgungspläne ... (Abg. Mag. Schweitzer: ... Pilz! Komm da herunter!)

Ja, der Lärmpegel ist einigermaßen hoch, aber ich möchte trotzdem noch einmal den Versuch machen, auf die Ausgleichsfonds-Problematik zu sprechen zu kommen. Ich möchte auf etwas hinweisen, was mit der gesamten Vorgangsweise im Bereich des Ausgleichsfonds verbunden ist. Wir sollten nicht der Versuchung verfallen, jetzt nichts zu tun. Deswegen ist es richtig, was ich gesagt habe: Das kann jetzt zwar eine Überbrückung für zwei Jahre sein, aber die nach


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haltige Sanierung der Gebietskrankenkassen ist sicherzustellen. Dazu gibt es meines Erachtens nur zwei Wege.

Der eine Weg ist der, den die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse gegangen ist. Sie selbst hat dort angesetzt, wo die Steuerungsmöglichkeiten gegeben sind: im Bereich der Kassenverträge und vor allem im Bereich der Medikamente. Aber eigentlich ein untauglicher Versuch ist jener der Wiener, die immer darauf verweisen, dass sie so viele Kassenärzte und Ähnliches mehr oder eine sehr gute Einnahmensituation haben, aber nichts tun. Nur zu sagen: Wir lehnen diese Neuregelung ab!, ist sicherlich der falsche Weg. Wenn jetzt nicht dieser Weg eingeschlagen wird, dass die einzelnen Kassen selbst dazu beitragen, Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen, dann bleibt als Konsequenz nur der zweite Weg übrig.

Was ist der zweite Weg? – Der zweite Weg ist der, dass man alle Kassen zusammenlegen und sagen muss: Man muss einzelne unterschiedliche Standards in einheitliche Leistungsstandards umwandeln, und man muss danach trachten, was die Verhandlungen anlangt, die geballte Verhandlungsmacht gegenüber den Ärzten zu nutzen, um andere Konstellationen zu erreichen.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist daher der dringende Appell nötig, in der jetzt verbleibenden Zeit – in den nächsten zwei Jahren, solange der Ausgleichsfonds Mittel zur Verfügung stellt – auch die notwendige Strukturreform einzuleiten. Sonst werden wir in zwei Jahren wieder vor den Problemen stehen, wie sie schon jetzt vorzufinden sind.

In diesem Zusammenhang darf ich abschließend zu einem Abänderungsantrag kommen – er wird auch verteilt werden –, den Kollege Dolinschek und ich einbringen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1200 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1184 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Im Wesentlichen geht es darin um zwei Dinge: zum einen um die Präzisierung des Optionenrechts im Bereich der Geld- und Sachleistung – da sind einige Begleitmaßnahmen notwendig –, zum Zweiten um eine Stellvertretungsregelung für Stellvertreter, und zwar immer dann, wenn sie Controlling-Aufgaben übernehmen. Dieser Abänderungsantrag liegt im Detail vor und wird verteilt werden.

Damit darf ich auch schließen. Ich hoffe, dass wir hier mit der 60. ASVG-Novelle eine Lösung haben, die nicht zu tatenloser Selbstzufriedenheit und zu weiterem Durchwursteln anregt, sondern zu verbindlichen Strukturmaßnahmen im Bereich der Gebietskrankenkassen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

19.12

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister Haupt! Herr Minister Bartenstein! Hohes Haus! Ich danke Kollegem Mitterlehner dafür, dass er die undankbare Aufgabe übernommen hat, den Lärmpegel hier wieder etwas zu senken. Ich meine, es sind einige wichtige Dinge, die wir hier heute besprechen. (Abg. Dr. Pumberger: Sie werden das schon wieder ändern!)

Ja, da werden Sie durchaus Recht haben, Herr Kollege Pumberger, weil uns der vorliegende Gesetzentwurf, nämlich die Novellierung der Sozialversicherungsgesetzgebung, zeigt, welches Gesicht diese Bundesregierung tatsächlich hat: Es ist nämlich das Antlitz der Arroganz der Macht. (Abg. Dr. Pumberger: Das ist Ihre ...!) Noch während des laufenden Begutachtungsverfahrens wird überfallsartig ein Sonderministerrat einberufen, um eine Regierungsvorlage zu beschließen. Das ist für mich Arroganz der Macht. – Das ist nicht unser Demokratieverständnis, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ist das eine Regierungsvorlage, die gegen die Interessen der Länder, vor allem aber gegen die Interessen der Berufsgruppen verstößt (Abg. Dr. Pumberger: Warum ... als Erste reden?), eine Regierungsvorlage, die, nobel gesagt, verfassungsrechtlich äußerst bedenklich ist. Meine Damen und Herren, auch das ist wieder ein Zeichen der Arroganz der Macht. – Das ist weder unser Demokratieverständnis noch unser Modell einer fairen Chancengesellschaft für alle.

Sie sagen das eine – und tun das andere. Sie sagen, Sie sichern die Finanzierung der Krankenversicherung, aber mit Ihrem Handeln verschärfen Sie die Finanzierungsprobleme der Krankenkassen, und das wissen Sie ganz genau! Sie wissen genau, was in diesem Abänderungsantrag, den jetzt Kollege Dr. Mitterlehner hier eingebracht hat – und ich bin froh, dass er jetzt mit in Diskussion steht –, steht, nämlich dass jene Kassen, die Geld bekommen, dieses Geld verzinst zurückzuzahlen haben. Wenn sie es nicht zurückzahlen können, behalten die anderen Kassen die Zuschüsse zum Ausgleichsfonds ein. – Das ist kein Zukunftsmodell, das verschärft die Situation für alle Kassen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: ... eine Sicherstellung!)

Herr Bundesminister! Vielleicht haben Sie ja keine Zeit, um die Kassen tatsächlich sanieren zu wollen. Die FPÖ hat 1999 mit diesem Slogan geworben. (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Der Slogan heißt "Hackeln statt packeln". – Im Jahre 2002 in der Regierung das Gegenteil: Packeln statt hackeln! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Das scheint Ihre Devise in der Sozialversicherung zu sein. Ihnen ist es wichtiger, Ihren freiheitlichen Freund aus Kärnten mit einem Posten zu versorgen, als sich um die Probleme der Finanzierung unseres Gesundheitssystems zu kümmern. Packeln statt hackeln, das ist "Regieren neu"! – Faire Chancen für alle im Gesundheitssystem ist unsere Devise. Wir sind für Reformen statt eines Schuldenkarussells, das Sie hier mit in Gang setzen.

Meine Damen und Herren! Aus diesem Grund bringe ich einen Entschließungsantrag ein, der den vollständigen Ausgleich des Mehraufwandes der Krankenversicherungsträger bis zum Jahresende 2002 durch zwei wesentliche Maßnahmen vorsieht und der eine nachhaltige Konsolidierung der Krankenversicherung durch Schaffung von mehr Finanzierungsgerechtigkeit und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens vorsieht, auch durch Maßnahmen wie zum Beispiel die Streichung der Ambulanzgebühr und der Krankenscheingebühr, die Sie ja nun durch eine neue Belastung ersetzen wollen. Begleitet werden soll das alles durch Verbesserungen im Leistungsangebot der Gesundheitsvorsorge und -fürsorge.

Meine Damen und Herren, ich brauche den Antrag nicht im Detail zu erläutern. Ich habe ihn soeben in den Eckpunkten erläutert; er wird verteilt.

Meine Damen und Herren! Wir stehen für eine Modernisierung und Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens. – Blau-Schwarz hingegen steuert auf eine Zwei-Klassen-Medizin zu, und das lehnen wir entschieden ab, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, Sie führen neue Selbstbehalte ein wie mit der neu titulierten Chipkarten-Gebühr, statt die Bedürfnisse der Menschen zu decken. Diese müssen nun neue Selbstbehalte zahlen, man könnte fast sagen: Selbstbehalte "pecken". Das sind keine fairen Chancen. Das ist die falsche Politik, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie verschlechtern im ASVG die Gesundheitsvorsorge für junge Frauen und junge Männer. Sie reden immer von der Zukunft der Jugend, aber hier rauben sie der Jugend faire Chancen in der Gesundheitsvorsorge und entlasten im Gegensatz dazu im GSVG – das hat Herr Dr. Mitterlehner ja wunderbar ausgeführt – und im BSVG Unternehmer und Bauern. – Das ist keine faire Politik für alle Österreicherinnen und Österreicher, sondern das ist eine Politik, die wir entschieden ablehnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die nächsten Selbstbehalte sind schon angekündigt. Herr Minister, Sie haben ja heute "People" schon zitiert; bei der tatsächlichen Berichtigung waren Sie nicht herinnen. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat keinen Cent dafür gezahlt, und die Versicherten der Gebietskrankenkasse haben auch keinen Cent dafür bezahlt, dass "People" – Sie wissen, das ist die Patientenzeit


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schrift des AKH – einen Beitrag mit dem Kollegen Bittner gemacht und ein Foto von ihm gebracht hat. Es gab keinen Cent dafür. – (Die Rednerin hält eine Zeitschrift in Richtung Regierungsbank.) Ist für diesen Beitrag von Herrn Staatssekretär Waneck auch kein Cent an Steuergeldern verschwendet worden? – Das frage ich Sie, und vielleicht wollen Sie uns das auch beantworten.

Aber es ist immerhin sehr interessant, was da drinsteht: "Ohne Selbstbehalt ist unser hervorragendes Gesundheitssystem auf dem gewohnten Niveau nicht haltbar." – Das heißt, wir müssen mit neuen Selbstbehalten rechnen, und das Niveau wird nicht verbessert.

Meine Damen und Herren! Nicht nur wir von der Opposition kritisieren diese Regelung. "FORMAT" hat die Österreicherinnen und Österreicher befragt. Es heißt dort:

"Österreicher zweifeln an der Reformkraft der Regierung. 77 Prozent sind überzeugt: Die Sanierung der Krankenkassen ist bisher gescheitert."

Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Sie fahren unser Gesundheitssystem in die falsche Richtung. – Wir wollen faire Chancen gerade in der Gesundheitspolitik für alle! (Abg. Mag. Schweitzer: Wer hat es denn zum Sanierungsfall gemacht?)

Der Sanierungsfall, das ist Ihre Verantwortung seit zwei Jahren! Sie schieben die Verantwortung ab, das ist alles, Herr Kollege Schweitzer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Wer hat es denn zum Sanierungsfall gemacht?) Bekennen Sie sich endlich einmal zu Ihrer Verantwortung! (Abg. Mag. Schweitzer: Wer hat Österreich zum Sanierungsfall gemacht?) Das ist Ihr Problem: Sie regieren falsch, Sie regieren gegen die Menschen, und das werden die Menschen Ihnen bei der nächsten Wahl auch beweisen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Legen Sie die Kinder nicht weg, die Sie auf die Welt gebracht haben! Sie sind eine begnadete Kindesweglegerin!)

19.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Herrn Abgeordneten Dr. Mitterlehner in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Dolinschek, Dr. Mitterlehner und Kollegen ausreichend unterstützt ist und in ausreichendem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie steht.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Dr. Mitterlehner und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1200 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1184 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Dem Gesetzestitel wird der Klammerausdruck "(27. Novelle zum GSVG)" angefügt.

2. Nach Z 4 wird folgende Z 4a eingefügt:

"4a. § 25a Abs. 5 wird aufgehoben."

3. Nach Z 7 wird folgende Z 7a eingefügt:

"7a. Im § 85a Abs. 1 wird nach dem zweiten Satz folgender Satz eingefügt:

"Versicherte, die nicht ausschließlich nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversichert sind, haben abweichend von § 274 Abs. 4 die vollen Beiträge zu entrichten.""


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4. Im § 96 Abs. 2 letzter Satz wird der Ausdruck "§ 25a Abs. 4 und 5" durch den Ausdruck "§ 85a Abs. 1 Z 1 oder 2" ersetzt.

5. Nach Z 17 wird folgende Z 17a eingefügt:

"17a. Dem § 198 Abs. 5 wird folgender Satz angefügt:

"Ruht die Funktion der Versicherungsvertreters wegen Unvereinbarkeit nach § 441e Abs. 1 ASVG, so ist auch für dessen Stellvertreter auf Dauer ein Stellvertreter zu bestellen.""

6. Nach Z 18 wird folgende Z 18a eingefügt:

"18a. § 281 Abs. 4b wird aufgehoben."

7. Die Überschrift zu § 296 in der Fassung der Z 22 lautet:

"Schlussbestimmungen zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxxx/2002 (27. Novelle)"

8. Im § 296 Abs. 1 Z 1 in der Fassung der Z 22 wird nach dem Ausdruck "197 Abs. 2," der Ausdruck "198 Abs. 5," eingefügt.

9. § 296 Abs. 1 Z 4 in der Fassung der Z 22 lautet:

"4. rückwirkend mit 1. Jänner 2002 Abs. 5 sowie die §§ 85a Abs. 1 und 96 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002;"

10. § 296 Abs. 2 und 3 in der Fassung der Z 22 lauten:

"(2) Die §§ 25a Abs. 5 und 281 Abs. 4b treten mit Ablauf des 31. Dezember 2001 außer Kraft.

(3) Die §§ 25a Abs. 5, 96 Abs. 2 und 281 Abs. 4b in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung sind ab 1. Jänner 2002 solange anzuwenden, bis die Satzungsbestimmungen auf Grund des § 85a in Kraft treten."

11. § 296 Abs. 2 und 3 (alt) in der Fassung der Z 22 erhalten die Bezeichnung "(4)" und "(5)".

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ebenso ist der von Frau Abgeordneter Silhavy in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag ausreichend unterstützt und steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy und KollegInnen betreffend die Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1193 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1183 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die insbesondere folgende Punkte betreffend die Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens enthält:


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1. Vollständiger Ausgleich des Mehraufwandes der Krankenversicherungsträger bis Ende des Jahres 2002 durch folgende Maßnahmen:

Die am Ende des Jahres 2002 im Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger beim Hauptverband gesammelten Rücklagen werden an die Kassen entsprechend ihres relativen Mehraufwandes ausgeschüttet. Gleichzeitig erfolgt eine solidarische Unterstützung der in der Krankenversicherung positiv gebarenden Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft für die mit einem extremen Abgang ringende Sozialversicherungsanstalt der Bauern.

Senkung der Spannen im Arzneimittelhandel auf europäisches Durchschnittsniveau durch Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen. Verzicht des Finanzministers auf sein "Körberlgeld" aus dem unvollständigen Steuerausgleich bei den Heilmitteln.

2. Nachhaltige Konsolidierung der Krankenversicherung, Schaffung von mehr Finanzierungsgerechtigkeit und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens durch folgende Maßnahmen:

Streichung der Ambulanzgebühr und der Krankenscheingebühr.

Einführung notwendiger neuer bzw. ergänzender Leistungen unter besonderer Berücksichtigung

der Zahnmedizin (leistbare Kieferregulierungen, Erweiterung der Leistungspalette beim Zahnersatz),

der Prävention (zum Beispiel betriebliche Gesundheitsförderung, Gesunde Gemeinde, Zahngesundheitsförderung),

der Rehabilitation (ambulante Rehabilitation, stationäre Kinderrehabilitation, Lymphologie, Neurorehabilitation, Psychosomatik, psychiatrische Rehabilitation, stationäre Betreuung von Alzheimerpatienten, geriatrische Remobilisation),

der Sterbebegleitung (Hospizbetten und mobile Betreuung),

der Psychotherapie (flächendeckende Versorgung),

der Verbesserung der ambulanten Versorgung in strukturschwachen Regionen (unter anderem durch Gruppenpraxen), sowie

der Ausweitung von regionalen Schnittstellenprojekten zur besseren Verzahnung der intra- und extramuralen Angebote im Gesundheits- und Sozialwesen.

Die Finanzierung der neuen Leistungen sowie der Streichung der Ambulanz- und Krankenscheingebühr soll über folgende Maßnahmen sichergestellt werden:

Einnahmenseitig durch einen gerechten Steuerausgleich bei den Medikamenten (1:1 Ausgleich wie bei den Krankenanstalten), ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Beitragsschulden der Arbeitgeber, die Anerkennung einer Gesundheitskomponente bei der Tabaksteuer und die schrittweise Verbreiterung der Beitragsgrundlage.

Ausgabenseitig durch die Fortführung und Intensivierung der Maßnahmen zur Dämpfung der Heilmittelaufwendungen, mehr Kostenwahrheit und Kostentransparenz bei der Finanzierung von arbeitsmarktbezogenen und familienbezogenen Fremdleistungen (Lehrlingspaket, Wochengeld et cetera) sowie durch weitere Effizienzsteigerungsmaßnahmen in der Verwaltung der Sozialversicherungsträger."

*****


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111. Sitzung / Seite 187

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Beide Anträge werden auf Grund ihres Umfanges gemäß § 53 Abs. 4 GOG an die Abgeordneten verteilt. Sie stehen mit zur Verhandlung und in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

19.19

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Silhavy! Mit Ihrem Redebeitrag haben Sie sich jetzt anscheinend vom Solidaritätsgedanken verabschiedet. (Abg. Silhavy: Nein!) Wieso nicht? – Wenn Sie jetzt die Länderinteressen einklagen, dann haben Sie sich von den Solidaritätsinteressen verabschiedet. (Abg. Silhavy: ... defizitär! Sie müssen verzinst zurückzahlen ...!) Selbstverständlich, aber das ist der einzige Weg! Oder wäre es Ihnen lieber, eine Alternative zu wählen, wodurch Selbstbehalte erhöht werden, Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen zustande kommen? (Zwischenruf des Abg. Nürnberger. ) Das ist aber Ihre Politik, das haben Sie über 40 Jahre getan! (Abg. Silhavy: Wo haben sie das Geld her? Woher kommt das Geld zum Zurückzahlen?)

Schauen Sie, es gibt unterschiedliche Leistungen in den einzelnen Kassen der Bundesländer. Es gibt auch unterschiedliche Bedingungen in den einzelnen Bundesländern. In gewissen Bundesländern gibt es mehr Industrie und dort daher mehr Beitragszahler, in anderen Bundesländern wie zum Beispiel Burgenland und Kärnten gibt es eben mehr Pensionisten, die woanders eingezahlt haben, aber dann von dorther das Geld lukrieren. Da muss es einen gewissen Ausgleich geben. (Abg. Silhavy: Ja! Aber kein Darlehen ...!) Das ist Solidarität, und deswegen müssen jetzt auch die finanzstarken Kassen etwas aushelfen. Sie bekommen alles zurück. Sie haben eine Bundeshaftung, und diese Kassen werden das Geld auch zurückbekommen.

Mit dieser Reform ist es auch möglich, dass wir die Kassen reformieren. (Abg. Silhavy: Wo ist die Bundeshaftung?) Frau Kollegin, hören Sie mir zu! Ich habe nicht die Zeit; ich bräuchte eine Viertelstunde Redezeit, damit ich mich allein Ihnen und dem, was Sie von sich gegeben haben, widmen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Hält dich eh niemand auf!)

Ich möchte jetzt ein paar Verbesserungen erwähnen, die diese 60. ASVG-Novelle für alle Arbeitnehmer bei der Unfallversicherung mit sich bringt: die Erhöhung der Bemessungsgrundlage, die Aufwertung wird jetzt ab dem ersten Jahr gewährt – früher war das erst ab dem zweiten der Fall –, und der Anpassungsfaktor vervielfacht sich jetzt genauso wie bei der Pension. Auch die Schüler-Unfallversicherung wird angehoben.

Was die Zweckbindung der Tabaksteuer betrifft, stehe ich voll hinter unserem Sozialminister: dass jetzt durch diese Zweckbindung der Tabaksteuer die Erhöhung für ein halbes Jahr der Gesundheit und den Kassen zugute kommt. (Abg. Silhavy: ... Gaugg ...!) Ich würde mir auch wünschen, dass sämtliche Erhöhungen und sämtliche Einkünfte aus der Tabaksteuer dem Sozialministerium und den Kassen zur Verfügung gestellt werden, und weniger dem Budget.

Zu dem Antrag des Kollegen Dietachmayr betreffend die kostenlose Schutzimpfung für Feuerwehrleute möchte ich Folgendes sagen: Das ist auch ein großes Anliegen von mir, weil ich selbst noch aktiver Feuerwehrmann bin. (Abg. Silhavy: Dann stimmen Sie zu!)

Liebe Frau Kollegin! Ich bin jetzt schon zwölf Jahre in diesem Hohen Haus und habe hier zehn Jahre Opposition betrieben. Ich muss Ihnen sagen, Sie haben während der letzten zehn Jahre die Gelegenheit gehabt, das durchzusetzen. Sie haben es nicht getan! Das ist ebenfalls Solidarität, aber wie Sie wissen ... (Abg. Silhavy: Die letzten zwei Jahre sind Sie an der Regierung!) Wenn Sie ein bisschen Ahnung davon haben, dann wissen Sie, dass die Freiwillige Feuerwehr Ländersache und Gemeindesache, aber nicht Bundessache ist. Wenn Sie sich die Stellungnahmen dazu durchlesen, dann werden Sie auch wissen, dass die meisten Länder es ablehnen, das zu finanzieren.


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Wenn man mit den Feuerwehrleuten spricht – wir haben in Österreich 310 000 freiwillige Feuerwehrleute –, hört man, dass die Wenigsten überhaupt ein Interesse daran haben, sich gegen Hepatitis-B, Tetanus, Tollwut und Diphtherie impfen zu lassen. Tetanus-geimpft ist sowieso jeder Feuerwehrmann.

Was Hepatitis-B betrifft, bringe ich jetzt folgenden Antrag ein – hören Sie zu, und stimmen Sie dem für die Feuerwehrleute zu! –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Auer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gespräche des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen mit den Ländern zur Erreichung kostenloser Schutzimpfungen für Feuerwehrleute

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ersucht, die Feststellungen des Obersten Sanitätsrates, dass Feuerwehrleuten die Impfung gegen Hepatitis-B dringend empfohlen wird, da sie als Ersthelfer zu verstehen sind, den Ländern zur Kenntnis zu bringen.

Weiters wird der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen ersucht, mit der Landeshauptleutekonferenz Gespräche hinsichtlich der Finanzierung von Hepatitis-B-Schutzimpfungen für diejenigen Feuerwehrleute, die einer erhöhten Gefährdung, zum Beispiel im Rahmen von Bergungen, ausgesetzt sind, zu führen."

*****

Frau Kollegin Silhavy! Hepatitis-B, ja – bei denjenigen, die im technischen Bereich tätig sind und freiwillig eine solche Impfung haben wollen, bin ich vollkommen dafür, dass das auch gemacht wird und dass Gespräche geführt werden. Aber dass das in Kofinanzierung läuft, ist der Sinn und Zweck, und dann kommen wir auch auf einen Nenner. Herr Kollege Dietachmayr, das müsste auch in Ihrem Sinne sein. Stimmen Sie dem Antrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung steht.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

19.25

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister Haupt! Herr Bundesminister Bartenstein! Hohes Haus! Heute in der Fragestunde lautete meine Frage an Herrn Bundesminister Haupt sinngemäß: Glauben Sie nicht auch, dass die Fortschritte in der Medizin, die steigende Zahl alter Menschen und damit chronisch Kranker zwangsläufig die Kosten des Gesundheitssystems dann hinauftreiben müssen, wenn man weiterhin bereit ist – und das hoffe ich –, allen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen die medizinischen Leistungen zugute kommen zu lassen?

Seine Antwort war ja, und so lautet mir gegenüber auch die Antwort einiger anderer Mitglieder der Regierungsfraktionen, zumindest dann, wenn sie nicht hier herinnen sitzen beziehungsweise hier heraußen stehen. Interessanterweise hat sich bei Kongressen wie "Medizin Weltstadt Wien – Wie lange noch?" sogar Rasinger dafür ausgesprochen oder zumindest dazu bekannt, dass die Medizin teurer werden muss und dass man etwas tun sollte.


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Herr Minister Haupt! So einfach ist es nicht, dass mit der Tabaksteuer, Ihren Ambulanzgebühren und anderen Maßnahmen, die Sie genannt haben – Verwaltungsreform bei den Kassen; EDV; Einsparungen bei Medikamentenkosten, die Minister Bartenstein natürlich besonders interessieren werden –, diese zu erwartenden Kosten hereingespielt werden können. Wer sagt Ihnen das? – Ich kenne keine Berechnung darüber, dass man damit auskommen wird.

Das heißt, die Gretchenfrage, der sich die Regierung stellen muss, ist: Bekennt sie sich weiterhin zum offenen, fairen und chancengerechten Zugang aller Österreicherinnen und Österreicher zu den Leistungen der Medizin? Oder vertraut sie auf eine Bürgergesellschaft, in welcher die dickere Brieftasche, die besseren Ellenbogen, die besseren Beziehungen zu Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und Primarien den Ausschlag darüber geben werden, wie gesund oder wie krank jemand ist? – Ich hoffe, nein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn wir uns das anschauen, sehen wir, dass die Politik der Bundesregierung letztlich etwas gebracht hat, was man in zwei Gruppen einteilen kann. Einerseits werden Patienten belastet, um etwas von diesem – unter Gänsefüßchen – "Defizit" abzubauen. Das sind die Ambulanzgebühren, Rezeptgebühren, Einsparungen bei Heilbehelfen und außerplanmäßigen Kassenleistungen, die durchaus die Regierung insofern angeregt hat, als sie den Kassen letztlich das Messer ansetzte, indem sie sagte: Entweder kürzt ihr gewisse Leistungen, die noch freiwillig sind, oder wir nennen euch eben "Misswirtschafter" und "schlechte Manager"! – Da fängt die Debatte an, und sie führt kerzengerade in das, was Sie diskutieren: in diesen Solidaritätsfonds.

Da ich aus meinem Herzen keine Mördergrube mache, bin ich hier geteilter und sehr differenzierter Meinung. Wenn jetzt einzelne Bundesländer und vor allem ihre Landeshauptleute, die sich bislang für ihre Kassen – sage ich einmal – herzlich wenig interessiert, um nicht zu sagen: wenig darum geschert haben, plötzlich darauf pochen, alle Patrioten der Bundesländer aufzurufen, den Marsch gegen Wien und gegen den Hauptverband zu blasen, und sie dafür loben, wie tüchtig sie gewirtschaftet haben – was einigen Kassenfunktionären dieser Region auch gefällt –, muss man den Leuten schon auch Folgendes erklären:

Eigentlich entstehen die Defizite der Kassen prinzipiell einnahmenseitig. Die Kassen erfüllen nicht einmal das, was die Regierung ihnen aufgetragen hat, nämlich den Fortschritt nach dem Stand der wissenschaftlichen Forschung allen zukommen zu lassen. Es gibt keine Psychotherapie auf Krankenschein. Im Bereich der Neuro-Rehabilitation liegen teilweise 16-, 17-jährige Unfallopfer, auch junge Mädchen, Mopedfahrerinnen und Mopedfahrer nach Schädelhirntraumen in Altersheimen in Sechs- bis Achtbettzimmern neben 80-Jährigen, weil die Ausstattung mit Reha-Betten in Österreich leider zu spärlich ist.

Es fehlt die Dezentralisierung der Psychiatrie. Es fehlt eine gute Akutgeriatrie. Es fehlen Übergangspflegestationen für chronisch Kranke. Es fehlt an Geld in der Palliativmedizin. All das sollte den Leuten zugute kommen, und die Kassen können es vorläufig nicht bezahlen.

Einnahmenseitig entsteht das Defizit deswegen, weil die Leistungen zwar mit dem Wohlstand des Staates gestiegen sind, aber ihre Einnahmen sich aus den Löhnen und Gehältern ihrer Klientel lukrieren. Wenn ein Bundesland ein niedriges Lohnniveau hat, spürt das die Kasse, wenn es ein gutes Lohnniveau hat, spürt das die Kasse nicht oder nur positiv. Wenn Sie mir jetzt sagen, es sind die Kassenfunktionäre, die darüber zu entscheiden haben, wie das Lohnniveau des Bundeslandes ist, dann habe ich heute wirklich etwas Neues erfahren. (Beifall bei den Grünen.)

Dann hängt es auch davon ab, wie viele Mitversicherte ein Bundesland hat, für die die Kasse sozusagen zahlen muss, wie viele Mehrkinderfamilien es gibt, wie viele Pensionisten, die einen geringen Deckungsgrad haben – das ist aber auch gut so, Pensionisten gehören natürlich entlastet –, wie viele Arbeitslose, Zivildiener, Studierende und so weiter und so fort. Das alles schlägt sich im Kassendefizit nieder. Das hängt nicht davon ab, ob man gut managt oder nicht.

Ich frage Sie wirklich: Können Sie dafür sorgen, dass die Kassen auch in Zukunft ihren Auftrag erfüllen können? Aber nicht, indem Sie uns dauernd weismachen wollen, das ginge allein


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dadurch, dass man die Tabaksteuer erhöht oder bei den Medikamentenkosten spart. Letzteres ist natürlich auch nicht immer zum Vorteil der Klientel, denn damit werden den Leuten wieder gute und teure Medikamente vorenthalten. Wenn Sie sagen, das ist ein sinnvolles Sparen, sage ich: Nein!

Sie müssen eine Antwort geben und zumindest so ehrlich sein wie viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die mir außer Haus Recht geben, aber wenn sie hier ans Pult treten, meinen, sie müssen mich beschimpfen, weil es in ihrer Partei einen besseren Eindruck macht. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

19.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

19.32

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die österreichische Sozialpolitik war immer dann gut unterwegs und gut beraten, wenn sie nicht nach Farbe beurteilt wurde, sondern nach Inhalten. Es wäre höchste Zeit, dass die Oppositionsparteien sich aufrafften und sich endlich einmal über die Inhalte dieser Novelle schlau machten, statt nur phantasielos nach vorne zu gehen und gegen alles zu polemisieren und alles zu kritisieren, was heute zur Beratung vorgelegt wird.

Grundsätzlich: Es bestand Handlungsbedarf. Diese Novelle ist für mich nicht nur ein wichtiger, sondern, wie ich glaube, auch ein richtiger Schritt, um die Zahlungsfähigkeit der KV-Sozialversicherungsträger aufrechtzuerhalten. Die Bürger interessiert nämlich kaum, was der eine oder andere an Kritik einbringt, sondern die Bürger interessiert ausschließlich, dass hier auf diesem Gebiet ein Fortschritt erzielt wird.

Deshalb möchte ich zuallererst Ihnen beiden, meine Herren Bundesminister, und Ihrer Beamtenschaft meine hohe Anerkennung aussprechen, denn ich weiß eines: Der Weg zu dieser heutigen Vorlage war ein steiniger, war ein schwieriger, war enorm schwer. Dass Sie das so mustergültig und so großartig durchgehalten haben, dafür gehört Ihnen Anerkennung und Dank ausgesprochen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist bereits von vielen meiner Vorredner aus unterschiedlicher Betrachtung auf die Novelle Bezug genommen worden. Daher in gebotener Kürze: Es geht um den Ausgleichsfonds. Den gibt es seit dem Jahr 1961 in unterschiedlichster Weise. Es gibt auch sehr viele Trägerschaften, die ohne diesen Ausgleichsfonds schon lange nicht mehr existieren könnten. Wenn dieser Ausgleichsfonds jetzt neu strukturiert wird, wenn es jetzt einen Strukturtopf gibt und endlich einmal objektiv beurteilt wird, wie die Versichertenklientel dieses Trägers aussieht – wie viele Angehörige, wie viele Pensionisten, wie viele Aktive gibt es, wie viel erzielt man dort aus Lohneinkünften, woher kommt das Vakuum, für das der Träger nichts kann? –, und wenn dafür ein Ausgleich geschaffen wird, dann, glaube ich, ist das eine gute Sache, die man vorstellen kann und hinter die man sich stellen kann. Man braucht sie nicht zu kritisieren, man muss sie unterstützen!

Das Zweite: Es wird sehr oft – da kenne ich sehr viele – Kritik geübt an den Sozialversicherungen und an deren Wirtschaftsweisen oder Verwaltungsqualitäten. Nun haben wir einen Zielerreichungstopf, das heißt, der Träger muss Pflichten erfüllen, damit er auch die zweite Zuweisung bekommt. Ich halte das für besonders wichtig und glaube, dass es eine gute Entscheidung ist. Ich hoffe auch, dass wir damit einen neuen Weg eingeleitet haben, den wir dringend brauchen.

Ich könnte Ihnen einiges erzählen, in Anbetracht der Zeit werde ich davon Abstand nehmen, weil der heutige Tag uns schon sehr viel an Zeit abverlangt hat. Ich möchte schlussendlich und abschließend nur eines sagen: Jawohl, es gab diesen 28. Mai des Jahres 2001, an dem im Hauptverband die Obmannschaften einen einstimmigen Beschluss gefasst und gesagt haben: Wir wollen den trägerübergreifenden Ausgleichsfonds!, der nicht nur berufsspezifisch und auf die generative Ausstattung, sondern auch überregional über die Trägerschaft hinaus wirkt. Da dieser Beschluss einstimmig war, verstehe ich bis zur Stunde wirklich nicht, warum einige


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Obmannschaften, die dort mitgestimmt haben, sich in den letzten Wochen und Monaten hinausgestellt haben und all das verdrängt und die neue Entwicklung kritisiert haben.

Ich bitte und lade alle ein: Gehen wir doch endlich daran, wieder den Wert und den Inhalt der Sozialpolitik in Österreich zu sehen und für die weitere gute Entwicklung zu sorgen!

In diesem Zusammenhang bringe ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Achatz und Donabauer zur Regierungsvorlage 1185 der Beilagen ein.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen, dass dem Gesetzestitel der Klammerausdruck "(26. Novelle)" angefügt wird. Nach Z 23 wird folgende Z 23a eingefügt: "Ruht die Funktion des Versicherungsvertreters wegen Unvereinbarkeit nach § 441, so ist auch für dessen Stellvertreter auf Dauer ein Stellvertreter zu bestellen." Die zweite wesentliche Änderung betrifft die Z 28. Hier wird 28a eingefügt. Es geht hier um die Umfunktionierung einer Freigrenze in einen Freibetrag.

Ich hoffe, dass die weitere Debatte uns dazu führt, dass wir heute Abend hier weggehen und sagen können, wir haben eine wichtige und richtige Entscheidung im Interesse der österreichischen Bürger getroffen.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich würde Sie ersuchen, den Antrag zur Gänze vorzulesen, da er vom Umfang her nicht mehr als eine Seite füllt und daher zur Verteilung nicht geeignet ist.

Abgeordneter Karl Donabauer (fortsetzend): Herr Präsident! Ich komme dieser Einladung sehr gerne nach. Ich verlese:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Achatz, Donabauer, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1199 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1185 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Dem Gesetzestitel wird der Klammerausdruck "(26. Novelle zum BSVG)" angefügt.

2. Nach Z 23 wird folgende Z 23a eingefügt:

"23a. Dem § 186 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:

‚Ruht die Funktion des Versicherungsvertreters wegen Unvereinbarkeit nach § 441e Abs. 1 ASVG, so ist auch für dessen Stellvertreter auf Dauer ein Stellvertreter zu bestellen.‘"

3. Nach der Z 28 wird folgende Z 28a eingefügt:

"28a. In der Anlage 2 werden die Punkte 3.1.1 und 3.1.2 durch folgenden Punkt 3.1 ersetzt:

‚3.1. Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte sowie Mostbuschenschank unter Anwendung eines einmaligen Freibetrages von 3 700 € jährlich.‘"

4. Die Überschrift zu § 285 in der Fassung der Z 29 lautet:

"Schlussbestimmungen zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxxx/2002 (26. Novelle)"

5. Im § 285 Abs. 1 Z 1 in der Fassung der Z 29 wird nach dem Ausdruck "185" der Ausdruck "186 Abs. 4" eingefügt.


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6. Im § 285 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3a in der Fassung der Z 29 wird der Ausdruck "Abs. 4c bis 4e" durch den Ausdruck "Abs. 4b bis 4e" ersetzt und nach dem Ausdruck "§ 217 Abs. 2a" der Ausdruck "sowie Punkt 3.1 der Anlage 2" eingefügt.

*****

19.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der Antrag ist, so wie er vorgetragen wurde, ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem Zusammenhang und damit auch mit zur Verhandlung und in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

19.39

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Wirtschaftsminister! Herr Gesundheitsminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir beraten die 60. ASVG-Novelle. Im Ausschuss ist uns mitgeteilt worden, das sei ein großer Reformschritt; so die Meinung der Freiheitlichen. Die Meinung der Volkspartei im Ausschuss war: Da ist noch viel zu überlegen, da gilt es noch einiges zu ändern. Wir haben gehofft, dass die Änderungen, die heute vorgelegt werden, tatsächlich eine Verbesserung des bisher vorgelegten Gesetzestextes sind – wir wurden leider enttäuscht.

Herr Abgeordneter Donabauer hat gerade gesagt, wir sollen die Inhalte der Novelle diskutieren, wir sollen nicht polemisieren. Ich werde mich daran halten und möchte auf einen Punkt der Novelle eingehen, dem bisher in der Diskussion überhaupt keine Bedeutung beigemessen wurde, der allerdings für eine betroffene Gruppe große Bedeutung hat. Ich spreche in diesem Zusammenhang die Gesundheitsvertreter und Gesundheitssprecher aller Parteien an.

Es geht um den § 132a. Wir wissen, darin werden die Jugendlichenuntersuchungen geregelt, insbesondere für die arbeitende Jugend. Die Gesetzesvorlage sieht vor, dass hier die Altersgrenze von 19 auf 18 Jahre gesenkt wird. Das bedeutet schlichtweg: Ein Jahrgang bekommt keine Einladung mehr zu einer Untersuchung, ein Jahrgang wird von den Jugendlichenuntersuchungen schlichtweg ausgeschlossen.

Ich denke, es ist unbestritten, dass die Prävention, die Vorbeugung, gerade im Bereich der Jugend wichtig ist, und ich frage mich, ob das wirklich gewollt ist. Ich schaue den Kollegen Rasinger an, der mir kein Zeichen gibt, ob er als Arzt damit einverstanden ist oder nicht. Ich drehe mich um, schaue den Herrn Gesundheitsminister an, der mir kein Zeichen gibt, ob er mit dem einverstanden ist, was hier geschieht. Jugendliche werden nicht mehr untersucht, das ist das, was Sie vorlegen; jedenfalls von 18 bis 19 nicht.

Wenn man sich anschaut, warum es diese Jugendlichenuntersuchung überhaupt gibt, so wird hier definiert: Ein allgemeines Untersuchungsprogramm, ein Basisprogramm, dient der Anamnese und der Früherkennung von Volkskrankheiten. Nach Abschluss der Untersuchung wird der Jugendliche in einem ärztlichen Gespräch auch über die Risikofaktoren aus der Lebensweise und Veranlagung beraten. – All das wird gestrichen mit dieser Novelle, und das ist niemandem auch nur ein Wort wert. Ich wollte darauf hinweisen. Das ist gesundheitspolitischer Rückschritt, sehr verehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringe ich einen Abänderungsantrag ein und lade alle Fraktionen ein, noch einmal in sich zu gehen – ich schaue jetzt auch den Abgeordneten Feurstein an – und unserem Abänderungsantrag zuzustimmen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Riepl, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1193 der Beilagen über die Regierungsvor


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lage 1183 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 22 entfällt.

2. Die bisherigen Ziffern 23 bis 83 erhalten die Bezeichnung "Ziffer 22 bis 82".

*****

Ich darf nochmals alle Fraktionen einladen, diesem Antrag, der mit Parteipolitik nichts zu tun hat, der im Sinne unserer Jugendlichen ist, einfach zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und daher auch mit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

19.43

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Riepl! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass seit der Novelle des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes, BGBl. I Nr. 79/1997, nur mehr Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr als Jugendliche gelten. Darüber hinaus haben – auch wenn diese Änderung heute beschlossen wird – die Jugendlichen des Jahrganges, den Sie meinen, Anspruch auf Gesundenuntersuchung. Ich glaube daher, dass sich Ihr Antrag erübrigt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jung  – in Richtung des Abg. Riepl –: Keine Ahnung!)

19.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

19.44

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Riepl, Sie haben gesehen, es ist alles in Ordnung, Sie brauchen sich überhaupt keine Sorgen zu machen. (Abg. Jung: Er hat keine Ahnung!)

Aber es gibt zwei Gründe, warum wir mit der Finanzierung der Krankenkassen zu kämpfen haben. Der eine Grund ist ein positiver, nämlich der, dass die Menschen immer älter werden und natürlich mehr Mittel aus den Krankenkassen brauchen. Und der andere ist ein ganz, ganz negativer, nämlich der, dass die SPÖ 30 Jahre lang verantwortlich war für die Krankenkassen und die Sozial- und Gesundheitspolitik gestalten durfte. (Abg. Silhavy: Und wer macht es seit zwei Jahren? Wer ist seit zwei Jahren verantwortlich?) Seit zwei Jahren sind wir auf dem besten Weg, die Krankenkassen zu sanieren. (Abg. Silhavy: Sie lachen ja selber darüber!) Wir haben damals noch mit einem veranschlagten Defizit von 7 Milliarden Schilling begonnen. Wir haben das mehr als halbiert. Wir haben im Jahr 2001 2 Milliarden Schilling Defizit gehabt, Tendenz sinkend. Erstmals haben wir bei den Arzneimitteln ein Nulldefizit bei den Preissteigerungen. Frau Kollegin, hören Sie doch einmal genau zu!

Was die heutige Regelung anbelangt, so ist das eine ganz besonders gute, denn die Darlehensregelung garantiert die volle Rückzahlung. (Abg. Silhavy: Woher nehmen die dann das Geld?) Die Gebietskrankenkassen brauchen keine Angst zu haben – auch in Vorarlberg braucht


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man keine Angst zu haben –, dass ihnen die Hose heruntergezogen wird. Durch die Garantie der Rückzahlung ist die Hose doppelt gesichert: mit Gürtel und mit Hosenträgern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zielvereinbarungen sind so gut, dass sie die sparunwillige Wiener Gebietskrankenkasse zum Sparen zwingen, wenn die Zielvereinbarungen nicht eingehalten werden. (Abg. Silhavy: Das Geld kriegen sie dann durch ein Darlehen!) Diese Zielvereinbarungen sind so gut, dass der Herr Landeshauptmann Häupl und der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse jetzt auf einmal von einer Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen reden, denn sie wollen genauso weiterwurschteln wie bisher. Ohne Sparwillen! Wenn alle neun Kassen das Geld zusammenwerfen, können die Wiener weiter mit dem Geld prassen und es vergeuden und brauchen nicht zu sparen.

Ich bin auch für eine Zusammenlegung, aber die Zielvereinbarungen sind das Wichtige. Ohne Zielvereinbarungen keine Zusammenlegung!

In diesem Sinne gratuliere ich dem Herrn Bundesminister zur Sanierung der Krankenkassen. Jetzt ist für die Zukunft für einige Jahre die Finanzierung gesichert. Wer heute gegen dieses Gesetz stimmt, der stimmt für Beitragserhöhungen! Das sei einmal gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der Abg. Gatterer. )

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

19.46

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Einige Themen in diesem Block beschäftigen sich auch mit den Fragen der Hepatitis-Impfung für Feuerwehrleute. Ich möchte noch ganz kurz auf meinen Antrag zu sprechen kommen.

Es gibt pro Jahr ungefähr 200 000 Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren, wobei zwei Drittel davon technische Einsätze sind. Sie können sich selbst oft davon überzeugen, dass bei schweren Unfällen oder Katastrophen Feuerwehrleute mit Blechscheren Verletzte oder manchmal leider Gottes auch Tote aus den verbeulten Autowracks oder – wie es vor kurzem bei dem großen Eisenbahnunglück der Fall war – aus verbeulten Eisenbahnwaggons herausschneiden müssen. Dabei besteht für diese freiwilligen Helfer die Gefahr, dass sie sich anstecken, genauso wie Rettungsleute, für die die Hepatitis-Impfung schon lange üblich ist.

Ich verstehe überhaupt nicht, warum sich der Sozialminister und die Regierungsfraktionen monatelang gegen diese Änderung wehren. Es wäre relativ einfach, dieses Problem zu lösen. Man müsste nur die Liste der Berufskrankheiten für die Feuerwehrleute im ASVG ergänzen. Die Frage der hohen Kosten und was sonst noch bisher vorgebracht wurde, stimmt ja nicht.

Ich kann Ihnen auch einen Brief des oberösterreichischen Landesfeuerwehrarztes auszugsweise zitieren, in dem er an die Landesregierung schreibt: Schutzimpfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Alle Geimpften können im Regelfall vor der Krankheit geschützt werden. Das bedeutet volkswirtschaftlich ein äußerst günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die in Österreich jährlich anfallenden Kosten für die stationäre Behandlung der akuten und chronischen Hepatitis B sind höher als die Kosten für die Impfung eines ganzen Jahrganges.

Also ich verstehe das überhaupt nicht. Was soll Ihr Antrag, Herr Kollege Dolinschek, den Sie heute eingebracht haben, dass der Herr Bundesminister ersucht wird, die Feststellungen des Obersten Sanitätsrates den Ländern zur Kenntnis zu bringen? Ja, glauben Sie nicht auch, dass die das schon längst wissen? Der oberösterreichische Landesfeuerwehrreferent ist ebenfalls für eine kostenlose Hepatitis-Impfung, aber Sie wollen erst Gespräche hinsichtlich der Finanzierung mit den Ländern führen.


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111. Sitzung / Seite 195

Meine Damen und Herren! Es ist wirklich müßig, dass Sie sich hier so vehement wehren gegen Tausende Feuerwehrleute, die ihre Gesundheit, ihre Zeit freiwillig einsetzen, aber trotzdem diese Impfung immer noch selbst bezahlen müssen.

Herr Bundesminister! Selbst Ihr Fraktionskollege, der Linzer Feuerwehrreferent Vizebürgermeister Obermayr, hat vor kurzem in einer Zeitung ganz klar auch wieder für diese Hepatitis-Impfung Stellung genommen und gemeint, durch Impfungen solle das Risiko der Ansteckung mit Hepatitis zusätzlich minimiert werden.

Eine Zeile Änderung im ASVG, und dieses Problem wäre gelöst, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Pumberger: Das muss der Ackerl durchführen!) Reden Sie sich nicht aus auf lange Verhandlungen oder auf Gespräche mit den Ländern! Das ASVG ist ein Bundesgesetz, und nur hier können wir dieses Bundesgesetz auch ändern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Frag den Ackerl!)

19.50


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111. Sitzung / Seite 196

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

19.50

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Schon der alte Hauptverbandspräsident Sallmutter wollte eine Reform des Ausgleichsfonds. Die Kassen haben alle zugestimmt, haben sich umgedreht und haben nichts gemacht. Deshalb ist Ihre Aktion, Herr Minister, mehr als überfällig. Lippenbekenntnissen, dass Kassen sich gegenseitig helfen, wenn sie unterschiedliche Strukturen haben, müssen auch Taten folgen.

Es kann eine Kasse wie die Bauernkasse den Pensionistenanteil nicht wettmachen. Es kann eine Kasse wie die im Burgenland den Anteil von 10 Prozent weniger Einnahmen nicht wettmachen. (Abg. Silhavy: Aber wie sollen sie dann die Darlehen zurückzahlen?) Die Niederösterreicher haben 50 000 Pensionisten mehr mit einem niedrigen Einkommensniveau und 200 Fachärzte mehr. Das erklärt die Unterschiede.

Heute haben etliche Abgeordnete aus Oberösterreich sich auf die Schulter geklopft. Als Wiener, der sich in Wien wirklich auskennt, kann ich sagen, wir haben die niedrigsten Tarife, wir haben eine international vergleichbare Versorgung. Das müsste man den Wienern dann zum Vorwurf machen. Ich glaube daher, es ist nicht gut, wenn der Herr Obmann Oberchristl gegen den geheimen Obmann in Wien, Nürnberger, loszieht und ständig sagt, in Wien passiert Überflüssiges.

Die oberösterreichische ÖVP hat 100 Fachärzte mehr durchgesetzt. Eine praktische Kollegin hat erst kürzlich den Kassenvertrag zurückgelegt, weil sie gesagt hat, sie sei es leid, zum Sparen aufgefordert zu werden, wenn sie Krebspflaster für Schmerzpatienten verschreibt. Sie hat den Kassenvertrag zurückgelegt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, Solidarität sollte kein Lippenbekenntnis sein. Deshalb war die Aktion des Gesundheitsministers mehr als notwendig. Wir brauchen Solidarität der Kassen untereinander und Solidarität der Patienten mit den Patienten.

Herr Minister! Ich glaube, die nächste Aufgabe wird sein, dass wir in Österreich zu einem Konsens kommen, welches Niveau wir überhaupt für die Patienten wollen. Das ist die entscheidende Frage, von daher leiten sich dann die Kosten ab.

Abschließend bringe ich noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dolinschek, Rasinger und Kollegen zum Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird, ein. Mit diesem Abänderungsantrag soll sichergestellt werden, dass auch nach der Neuorganisation der Universitäten die Uni-Bediensteten, die bisher bei der BVA versichert waren, auch in Zukunft bei der BVA versichert bleiben können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Rasinger soeben vorgetragene beziehungsweise in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht auch in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge auch zur Abstimmung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1197 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1186 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Dem Gesetzestitel wird der Klammerausdruck "(30. Novelle zum B-KUVG)" angefügt.

2. Z 1 bis 1d lauten:

"1. Im § 1 Abs. 1 Z 18 wird der Ausdruck ,oder auf Grund einer Tätigkeit gemäß Z 19‘ durch den Ausdruck ,einer Tätigkeit nach Z 19 oder einem Arbeitsverhältnis nach Z 21‘ ersetzt.

1a. Im § 1 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 20 durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 21 angefügt:

,21. ArbeitnehmerInnen der Universitäten nach dem Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. xxxx/2002.‘

1b. Im § 1 Abs. 2 wird der Ausdruck ,und bei den in Abs. 1 Z 14 lit. a genannten Personen auf ihre Dienstleistung bei dem dort bezeichneten Betrieb.‘ durch den Ausdruck ,bei den in Abs. 1 Z 14 lit. a genannten Personen auf ihre Dienstleistung bei dem dort bezeichneten Betrieb und bei den in Abs. 1 Z 21 genannten Personen auf ihr Arbeitsverhältnis zur Universität.‘ ersetzt.

1c. Im § 5 Abs. 1 Z 1 wird der Strichpunkt durch einen Beistrich ersetzt und der Ausdruck ,bei den in § 1 Abs. 1 Z 21 genannten Versicherten mit dem Tag der Begründung des Arbeitsverhältnisses;‘ angefügt.

1d. Im § 6 Abs. 1 Z 1 wird der Strichpunkt durch einen Beistrich ersetzt und der Ausdruck ,bei den in § 1 Abs. 1 Z 21 genannten Versicherten mit dem Tag der Beendigung des die Versicherung begründenden Arbeitsverhältnisses;‘ angefügt."

3. Die Z 1 (alt) erhält die Bezeichnung "1e".

4. Z 1f und 1g lauten:

"1f. Im § 13 Abs. 1 Z 7 wird der Ausdruck ,Z 19‘ durch den Ausdruck ,Z 19 und 21‘ ersetzt.

1g. Im § 19 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 6 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 7 wird angefügt:

,7. für die in § 1 Abs. 1 Z 21 genannten Versicherten das Entgelt im Sinne des § 49 ASVG.‘"

5. Nach Z 2 wird folgende Z 2a eingefügt:

"2a. Im § 26 Abs. 1 Z 4 wird der Ausdruck ,Z 17‘ durch den Ausdruck ,Z 17 und 21‘ ersetzt."


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6. Nach Z 3 werden folgende Z 3a und 3b eingefügt:

"3a. Im Ersten Teil wird in der Überschrift zu Abschnitt VI der Ausdruck ,gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 bis 19‘ durch den Ausdruck ,nach § 1 Abs. 1 Z 17 bis 19 und 21‘ ersetzt.

3b. Im § 30a Einleitung wird der Ausdruck ,Z 17 bis 19‘ durch den Ausdruck ,Z 17 bis 19 und 21‘ ersetzt."

7. Nach Z 4 werden folgende Z 4a bis 4c eingefügt:

"4a. Im Zweiten Teil, Abschnitt II wird in der Überschrift zum 3. Unterabschnitt der Ausdruck ,gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 bis 19‘ durch den Ausdruck ,nach § 1 Abs. 1 Z 17 bis 19 und 21‘ ersetzt.

4b. Im § 84 wird der Ausdruck ,Z 17 bis 19‘ durch den Ausdruck ,Z 17 bis 19 und 21‘ ersetzt.

4c. Im § 93 Abs. 3a wird der Ausdruck ,Z 17‘ durch den Ausdruck ,Z 17 und 21‘ ersetzt."

8. Nach Z 7 wird folgende Z 7a eingefügt:

"7a. Dem § 133 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:

,Ruht die Funktion des Versicherungsvertreters wegen Unvereinbarkeit nach § 441e Abs. 1 ASVG, so ist auch für dessen Stellvertreter auf Dauer ein Stellvertreter zu bestellen.‘"

9. § 205 samt Überschrift in der Fassung der Z 10 lautet:

"Schlussbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxxx/2002 (30. Novelle)

§ 205. Es treten in Kraft:

1. mit 1. September 2002 die §§ 7 Abs. 3, 20b Abs. 2, 26 Abs. 4, 56 Abs. 3 Z 1, 93 Abs. 3c und Abs. 4, 132 Abs. 2, 133 Abs. 4, 152 Abs. 1 und 2 sowie 200 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002;

2. mit 1. Jänner 2004 die §§ 1 Abs. 1 Z 18 und 21 sowie Abs. 2, 5 Abs. 1 Z 1, 6 Abs. 1 Z 1, 13 Abs. 1 Z 7, 19 Abs. 1 Z 7, 26 Abs. 1 Z 4, Überschrift zu Abschnitt VI im Ersten Teil, 30a Einleitung, Überschrift zum 3. Unterabschnitt im Abschnitt II des Zweiten Teils, 84, 93 Abs. 3a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002."

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Horn. – Bitte.

19.53

Abgeordneter Josef Horn (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Zu Beginn meiner Ausführungen lassen Sie mich über den Zustand dieser Bundesregierung und den Eindruck, den sie in der Bevölkerung hervorruft, einen kurzen Vergleich ziehen aus einem Gespräch mit einer alten Dame, das ich kürzlich geführt habe. Sie hat gesagt, früher war es kein Problem, einen Kuchen zum Auskühlen auf das offene Fenster zu stellen, aber seit diese Regierung im Amt ist, kann man das nicht mehr machen, denn kaum hat man sich einmal umgedreht, ist der Kuchen weg. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung plant die rigorose Abschöpfung von Rücklagen der Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern unseres Landes an die Krankenkassen aus der Reserve für ärztliche Hilfeleistungen, nur um dem Verlust durch die gesetzlich vorgesehenen Budgetzuschüsse an die Gebietskrankenkasse von Wien, Steiermark und Kärnten zu entgehen. Dass die hoch defizitäre – jetzt ist der Herr Donabauer nicht mehr da – Bauernkrankenkasse hier nicht als Empfänger genannt wird, darf die Bevölkerung nicht verwundern, sitzt doch der Obmann dieser


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Sozialversicherung für die ÖVP im Parlament und beschließt nicht nur hier diesen Schachzug mit, sondern beschließt in der Folge auch Belastungen für die Bauern bei den Beiträgen zur Sozialversicherung. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese unverschämte Aktion soll dem Finanzminister dazu verhelfen, ein Nulldefizit zu erreichen, um eine zusätzliche Verschuldung durch einen notwendigen staatlichen Zuschuss an die Sozialversicherung auszuschließen. (Ruf bei der ÖVP: Wo steht das?) Das ist schlimmstes, skrupelloses Ausräumen jener Kassen, für die der Spruch: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!, noch immer Bedeutung besitzt.

ÖVP und FPÖ wollen gesunde Kassen ausräumen, um maroden Kassen Kredite zu ermöglichen. Die Regierungsparteien missachten das Prinzip der Selbstverwaltung.

Herr Minister! Die Funktionäre haften mit ihrem Vermögen für allfällige verschuldete Abgänge. Ich frage mich, wieso diese Anstalten beziehungsweise diese Funktionäre nicht schon lange Klage gegen diese Regierung eingereicht haben wegen ihrer gesetzesmäßig festgelegten Mindereinnahmen. Sie, Herr Minister, als Aufsichtsorgan wissen ganz genau, dass diese Rücklagen mit guten Verzinsungen langfristig angelegt sind und eine vorzeitige Auflösung Ertragsverluste mit sich bringt.

Die Wählerinnen und Wähler sollen Ihnen die Rechnung dafür präsentieren und der Sozialdemokratie wieder die Verantwortung für dieses Land übertragen, bevor Sie in Ihrer Gier noch alles ausräumen, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrer zuständigen Krankenkasse für wirklich schlechte Zeiten angespart haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Ambulanzgebühr ist als unnötige Bürokratie anzusehen und belastet die Ärzte in den Krankenanstalten genauso wie die MitarbeiterInnen der Sozialversicherung und die Versicherten. Sie ist, gelinde gesagt, invalid und wird noch in ferner Zukunft als warnendes Beispiel für eine schwarz-blaue Regierung dienen können.

So gibt es zu diesen heutigen Sozialthemen noch weitere, denen man auf keinen Fall zustimmen kann. Das Sozialbewusstsein der Regierungsparteien scheint stark angeschlagen zu sein, sonst könnten sie nicht für diese Sozialpolitik stehen. Aber die Menschen dieses Landes müssen in Kürze entscheiden, ob sie diese soziale Kälte weiter konsumieren müssen oder ob sie wieder sozialdemokratische Sozialpolitik genießen wollen.

Wenn Frau Abgeordnete Steibl meint, alle Frauen müssten nun froh sein, dass das Nachtarbeitsverbot für Frauen fällt, dann frage ich mich, welche Frauen sie wohl vertritt. Wahrscheinlich ist keine davon abhängig, ihr Einkommen als unselbständig Erwerbstätige erzielen zu müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Sie sind doch aus der Obersteiermark?)

Ich bringe nun folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1193 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1183 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Nach Ziffer 17 wird folgende Ziffer 18 neu eingefügt:

"18. § 86 Abs. 3 Z 2 dritter Satz lautet:

,Für den Anfall einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit ist neben der Erfüllung der allgemeinen (§§ 235, 236) und der besonderen Anspruchsvorausset


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zungen die Aufgabe der Tätigkeit, auf Grund welcher der (die) Versicherte als invalid (berufsunfähig, dienstunfähig) gilt, erforderlich, es sei denn, der (die) Versicherte bezieht ein Pflegegeld ab Stufe 3 nach § 4 des Bundespflegegeldgesetzes, BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze.‘"

2. Die bisherigen Ziffern 18 bis 24 erhalten die Bezeichnung 19 bis 25.

3. Nach Ziffer 25 neu wird Ziffer 26 neu eingefügt:

"26. § 139 Abs. 4 erster Satz lautet:

,Ist mit dem Wegfall des Krankengeldanspruches die Höchstdauer abgelaufen, so entsteht unabhängig davon, ob ein neuer Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, ein neuer Anspruch erst wieder, wenn der Erkrankte in der Zwischenzeit durch mindestens 13 Wochen in einer den Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung oder durch mindestens 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung versichert war.‘"

4. Die bisherigen Ziffern 25 bis 83 erhalten die Bezeichnung 27 bis 85.

*****

Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene


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Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit auch mit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

20.00

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Minister! Ich habe nur sehr wenig Zeit, deshalb möchte ich mich auf das Kernthema dieser Debatte konzentrieren und Ihnen meine Gedanken dazu in aller Kürze zur Kenntnis bringen. Es geht ja hauptsächlich um die Solidaritätsdarlehen, um den Solidaritäts- oder den Strukturausgleich.

Zu Beginn habe auch ich ein wenig Verständnis dafür aufgebracht, dass die Kassen, die positiv gewirtschaftet haben, keine besonders große Freude damit haben, das von ihnen erwirtschaftete positive Ergebnis herzugeben. Sie haben dabei das Gefühl, dass sie für ihr gutes Wirtschaften bestraft werden.

Ich denke aber, wir alle müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es bei den Kassen in allen neun Bundesländern unterschiedliche Voraussetzungen und unterschiedliche Rahmenbedingungen gibt und dass diese Strukturen ausgeglichen werden müssen, wenn wir auf einen grünen Zweig kommen wollen. Herr Kollege Horn hat da wirklich einen Unsinn dargeboten und so getan, als ob die SPÖ all die letzten Jahre in der Opposition gewesen wäre und nicht in der Regierung.

Ein Gedanke noch: Es ist natürlich schon eine gewisse Bestätigung für das Programm der Freiheitlichen Partei und deren jahrelange Forderung nach einer Zusammenlegung der Kassen. Wir hätten das Problem in dieser Form heute nicht, wäre das schon früher passiert.

Ich möchte schließlich einen Abänderungsantrag einbringen, der eine ganz einfache redaktionelle Korrektur des Notariatsversicherungsgesetzes betrifft, die es fortan leichter verständlich und einfacher zitierbar machen soll.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1196 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1187 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Dem Gesetzestitel wird der Klammerausdruck "(11. Novelle zum NVG)" angefügt.

2. Die Überschrift zu § 111 in der Fassung der Z 2 lautet: "Schlussbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr.xxxx/2002 (11. Novelle)"

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit auch mit zur Verhandlung steht beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung gelangt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

20.02

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Gesundheitsminister! Herr Wirtschaftsminister! Geschätzte Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises für die Konzeptlosigkeit dieser Bundesregierung gerade im Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik bedurft hätte, dann wäre diese 60. ASVG-Novelle dafür geeignet gewesen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Na, na! Abg. Dr. Khol: Der Lackner wird immer dicker! Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich glaube, das ist seine Jungfernrede!) Sie ist wohl ein weiterer "Meilenstein" – wenn Sie so wollen – in der Husch-Pfusch-Gesetzgebung dieser Bundesregierung zu Lasten der Menschen und der Sozialversicherung. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Dr. Partik-Pablé: Ist das Ihre Jungfernrede?)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Gerade in der Sozialpolitik und in der Gesundheitspolitik sind bei Ihnen gute Ideen in der Tat so selten wie vegetarisch lebende Krokodile. Klar ist aber, dass nicht alles, was unter dem Titel "Reform" verkauft wird, auch eine Reform ist. Das trifft gerade auf diese 60. ASVG-Novelle zu, die in Kernbereichen lediglich aus einem Abzocken und einem Hin- und Herschieben von Sozialversicherungsgeldern mit ungewissen Ausgaben – wie beim Lotto – besteht.

Meine Damen und Herren! Sie haben mit keinem Wort erwähnt, wie jene Gebietskrankenkassen, die nun schon längere Zeit über den Ausgleichsfonds bezuschusst werden, ab 2005 ohne weitere Einnahmen die Darlehen zurückzahlen sollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies, meine Damen und Herren, wird ja auch medial dementsprechend gewürdigt. Wenn Herr Kotanko im "Kurier" am 21. Juni in einem Kommentar mit dem Titel "Die Koalition der Kurpfuscher" schreibt, dass Kurpfuscherei eine unsachgemäße Heilbehandlung durch einen Laien und somit ein strafbarer Tatbestand ist, so ist dem wohl nichts hinzuzufügen.

Aber auch – und das ist noch viel wichtiger – im "WirtschaftsBlatt" erschien ein Artikel unter dem Titel "Kandlhofers Bilanz: Nichts geht mehr" – ein Zögling des Herrn Schüssel. – Hier wurde Ihnen auch ein glattes Nicht genügend erteilt, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, und Sie werden dies hoffentlich nicht als Lob auffassen.


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Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den Plänen zur Abschöpfung von Rücklagen der positiv wirtschaftenden GKKs verlieren. Gerade für mich als Vorarlberger Abgeordneten ist die Abschöpfung von Rücklagen der Vorarlberger Gebietskrankenkasse eine völlig inakzeptable Vorgangsweise. Völlig konzeptlos und ohne Ideen werden Gelder hin- und hergeschoben, um damit die eigene Unfähigkeit gerade in diesem Bereich zu kaschieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Sie haben heute Vormittag die Vorzüge der VGKK angepriesen: wirtschaftliche Führung und trotzdem ein gutes Leistungsangebot. Diese Äußerung steht allerdings in krassem Widerspruch zu den Zielen dieser ASVG-Novelle. Im Klartext: Gut wirtschaftende Gebietskrankenkassen werden bestraft, 108 000 Menschen in Vorarlberg werden brüskiert, und zukunftsweisende Ideen werden leider auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

Herr Bundesminister! Sie haben heute Vormittag in Ihren Statements ständig die Solidarität bemüht, und da bin ich ganz Ihrer Meinung. Wo war aber Ihre Solidarität, als es darum ging, die Unfallrenten zu besteuern? Wo war Ihre Solidarität, als die Kranken mit einer Ambulanzgebühr bestraft wurden? (Beifall bei der SPÖ.) Wo war Ihre Solidarität, als es darum ging, die Studenten mit Studiengebühren zu belasten? – Ich habe da Ihre Solidarität leider schmerzlich vermisst.

Zum Schluss darf ich noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Silhavy, Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1193 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1183 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem die unsozialen Ambulanzgebühren, rückwirkend mit 1. März 2001, aufgehoben und die bereits eingehobenen Beiträge rückerstattet werden."

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

20.07

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Lackner! Ihr Auftritt war fast drollig, möchte ich sagen. Wenn man sich die Ausgangslage, die hoch und höchst verschuldeten Krankenkassen in unserem Land, ansieht – eine Verschuldung, die letztendlich auf Sie von der SPÖ und Ihre Funktionäre zurückzuführen ist – und die Tatsache, dass diese Bundesregierung jetzt den Auftrag und die Verpflichtung hat, diese Krankenkassen wieder zu sanieren – und wir machen das auch! – und Sie von unsozialer Vorgangsweise sprechen, dann, meine Damen und Herren, finde ich das schon ein bisschen spaßig. (Widerspruch bei der SPÖ. Abg. Gradwohl: ... wird das alles viel leichter!)

Diese 60. ASVG-Novelle beruht und basiert auf dem Gedanken der Solidarität der Versicherten. (Abg. Bures: Das ist so ein Schmäh!) Daher haben wir auch mit diesem Lösungsansatz, dass die – unter Anführungszeichen – "reicheren" Krankenkassen den "kranken" Krankenkassen Dar


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lehen zur Finanzierung vorstrecken, eine Umschichtung vorgenommen, wie sie selbstverständlich in jedem Konzern üblich ist: Wenn sich ein Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befindet, strecken die finanzstärkeren Unternehmen Darlehen vor. – Das ist wohl eines der selbstverständlichsten Dinge der Welt. (Abg. Gradwohl: Vorsicht, Herr Kollege! ..., dass Sie genau das Gegenteil machen!)

Was wären denn die Alternativen? Ihre Alternativen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, kennen wir. Das sind Beitragserhöhungen. Die lehnen wir aber dezidiert ab, weil es dazu nicht kommen darf. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Auch Zuschüsse aus dem Bundesbudget sind letztendlich keine zufrieden stellende Lösung, denn auch die müssen von allen Steuerzahlern getragen werden. Eine Drittfinanzierung – das wissen Sie auch ganz genau – wäre mit extrem hohen Kosten verbunden. Daher sind alle drei Alternativen zur gewählten Vorgangsweise nicht akzeptabel. Die vorgeschlagene Regelung ist die einzig sinnvolle und zielführende und die Regelung, die auf der Solidarität der Versicherten beruht.

Meine Damen und Herren! Es ist klar – und das ist sichergestellt –, dass die Rückzahlung dieser Darlehen selbstverständlich gesichert sein muss. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Es kann nicht so sein, dass jene Krankenkassen, die ordentlich gewirtschaftet haben, auf Dauer die "kranken" Gebietskrankenkassen, etwa die "kränkelnde" Wiener Gebietskrankenkasse, am Leben erhalten. Eine Zwischenfinanzierung muss aber möglich sein. Die Rückzahlung ist gesichert, da eine Auszahlung nur bei Strukturmaßnahmen erfolgt, da klare Rückzahlungspläne vorgelegt werden müssen und eine fixe, feste Verzinsung gegeben sein muss.

Ihre Polemik in dieser Frage, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, ist eine rein populistische Maßnahme. Wir unterstützen die getroffene Regelung im Sinne der Solidarität der Versicherten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

20.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz auf den Entschließungsantrag betreffend Änderung der bäuerlichen Sozialversicherung beziehungsweise Rücknahme der Verschärfungen mit der 25. Novelle, der hier auch zur Debatte steht, eingehen. Die Debatte haben wir in diesem Haus ja bereits geführt. Es liegen weiters einige Abänderungsanträge der Kollegen Achatz und Donabauer vor.

Ich möchte kurz dazu sagen, dass Ihre Anträge eben keine Lösungen anbieten, insofern, als Sie zwar – das will ich Ihnen konzedieren – der Kritik in einigen zentralen Punkten nachgegeben haben, dieser nun eingeführte Freibetrag von 3 700 €, Herr Kollege Donabauer, aber zu einer enormen Aufblähung des Verwaltungsapparates führen und zu keiner Sanierung im Bereich der Sozialversicherung beitragen wird. – Das wissen Sie.

Es wäre besser gewesen, diese Verschärfung der 25. Novelle vollständig zurückzunehmen und ähnlich wie bei den Maschinenringen eine Freigrenze von 24 200 € einzuführen. – So viel dazu.

Der zweite Aspekt unseres Antrages fand aus meiner Sicht im Rahmen der Novelle des Landarbeitsgesetzes Berücksichtigung. Wir werden daher dieser Änderung zustimmen, weil damit eine zeitgemäßere, aktuellere Definition von landwirtschaftlicher Produktion gegeben ist.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang nicht verhehlen, dass damit eigentlich diese Tätigkeiten im Rahmen der Pauschalierung auch wieder der Bewertung unterliegen. Dazu habe ich ja letztes Mal schon angemerkt, dass es unglaublich komplex und verwoben ist. Es gibt inzwischen sechs verschiedene Berechnungsmodelle für die Bemessungsgrundlage in einem land


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wirtschaftlichen Betrieb. Das halte ich nicht für zeitgemäß. Hier sind dringend Reformen notwendig. Ich hoffe, dass es zu einer wirklich umfassenden Revision im Bereich der Feststellung der Bemessungsgrundlagen kommt. Wir werden daher dieser Novelle nicht zustimmen, dem Landarbeitsgesetz aber, wie gesagt, sehr wohl. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Achatz. – Bitte.

20.13

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Horn! Mir kommen schon die Tränen, wenn Sie sich über die Sozialversicherungsbeiträge der Bauern aufregen. Herr Kollege Horn, das ist mehr als pikant! (Zwischenruf des Abg. Horn. ) Ich erinnere mich nämlich an Debatten in diesem Haus – ich gestehe Ihnen aber zu, Sie waren damals noch nicht Abgeordneter dieses Hauses –, in denen wir Freiheitlichen die Erhöhung des Wochengeldes für Bäuerinnen gefordert haben. Das Wochengeld lag damals weit unter dem Karenzgeld für die unselbständig Erwerbstätigen.

Herr Kollege Horn! Mir klingen die schrillen Töne vor allem der SPÖ-Abgeordneten noch heute in den Ohren. Das waren klassenkämpferische Töne, und die Bäuerinnen waren damals für Ihre Fraktion nicht wichtig. Mich hat damals besonders erschreckt, dass vor allem die Frauen  – Ihre Abgeordnetenkolleginnen von heute – massiv gegen eine Erhöhung des Wochengeldes für die Bäuerinnen gestimmt haben. Damals waren die Bäuerinnen für Ihre Fraktion Mütter zweiter Klasse.

Alle diesbezüglichen Anträge der Freiheitlichen auf eine Besserstellung oder Angleichung bei den Bäuerinnen wurden damals abgelehnt. Heute, mit einer FPÖ/ÖVP-Regierung, bekommen auch die Bäuerinnen Karenzgeld, so wie alle anderen Frauen in dieser Republik. Der Vergleich macht uns sicher, Herr Kollege Horn! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Dr. Mertel: Und wer zahlt das?)

Nun zu den Sozialversicherungsanstalten: Da hinterlassen Sie dieser Republik ein Fiasko, Defizite in Milliardenhöhe, und jetzt wissen Sie auf einmal, wie es besser gehen sollte! Es führt – da gebe ich dem Kollegen von den Grünen Recht – mittelfristig kein Weg daran vorbei, dass die Sozialversicherungsanstalten, so wie Jörg Haider seit Jahren fordert, zusammengelegt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dadurch werden Ungerechtigkeiten zwischen den Berufsgruppen und den Ländern der Vergangenheit angehören. (Beifall bei den Freiheitlichen. Ruf bei der SPÖ: Das schau’ ich mir an!)

20.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die relativ umfangreich sein wird.

Zunächst ist über den Rückverweisungsantrag, den die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, gestellt haben, abzustimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, den Gegenstand nochmals an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, in 1193 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.


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111. Sitzung / Seite 204

Weiters haben die Abgeordneten Silhavy, Riepl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich liegt ein Verlangen auf namentliche Abstimmung hinsichtlich der dritten Lesung vor.

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes und schließlich entsprechend dem erwähnten Verlangen über den Gesetzentwurf in dritter Lesung in namentlicher Abstimmung abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Ziffern 1 bis 3 und 16a sowie die dadurch bedingten Änderungen der Ziffernbezeichnungen beinhaltet.

Wer dafür eintritt, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 18 sowie die dadurch bedingten Änderungen der Ziffernbezeichnung bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Die Abgeordneten Silhavy, Riepl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung der Ziffer 22 und die dadurch bedingten Änderungen der Ziffernbezeichnung bezieht.

Wer sich dafür ausspricht, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 26 sowie die dadurch bedingten Änderungen der Ziffernbezeichnungen vorsieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung der restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Abänderungs- und Zusatzantrages der Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür die Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.


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111. Sitzung / Seite 205

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja"  – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise "Nein"  – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche nun jene Abgeordneten, die für den Gesetzentwurf in dritter Lesung stimmen, "Ja" -Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" -Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Parfuss, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Herr Abgeordneter Auer wird sie später ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Parfuss und Auer werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen.

Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für einige Minuten.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. Die Sitzung wird um 20.25 Uhr unterbrochen und um 20.30 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 167; davon "Ja"-Stimmen: 95, "Nein"-Stimmen: 72.

Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Achatz, Amon, Auer;

Bauer Gerhard, Baumgartner-Gabitzer, Blasisker, Böhacker, Brinek, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer, Donnerbauer;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fasslabend, Fekter, Fink, Firlinger, Freigaßner, Freund, Frieser;

Gahr, Gatterer, Graf Herbert L., Graf Martin, Grollitsch, Großruck;

Hakl, Haller, Hartinger, Haubner, Hetzl, Hofmann, Hornegger, Hornek;

Jung;

Kampichler, Khol, Kiss, Knerzl, Kößl, Krüger, Kukacka, Kurzbauer, Kurzmann;

Langreiter, Lentsch, Lexer, Loos;

Mainoni, Miedl, Mikl-Leitner, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;


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111. Sitzung / Seite 206

Neudeck;

Ofner;

Papházy, Partik-Pablé, Pecher, Povysil, Prinz, Pumberger;

Rasinger, Rauch-Kallat, Reindl;

Schender, Schultes, Schwarzenberger, Schweisgut, Schweitzer, Sevignani, Sodian, Stadler, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trettenbrein, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Wittauer, Wochesländer, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zierler, Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Abraham;

Bauer Hannes, Bauer Sophie, Binder, Brosz, Bures;

Cap, Csörgits;

Dietachmayr;

Eder, Edler, Edlinger;

Faul, Feurstein, Fischer;

Gaál, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Gradwohl, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hlavac, Horn, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Kiermaier, Kopf, Kubitschek, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Lapp, Lichtenberger, Lunacek;

Maier, Marizzi, Mertel, Moser, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Pendl, Petrovic, Pirklhuber, Posch, Prähauser, Prammer;

Rada, Reheis, Riepl;

Schasching, Schieder, Schwemlein, Silhavy, Sima, Stoisits;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wimmer, Wittmann.

*****


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111. Sitzung / Seite 207

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt .

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek, Auer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gespräche des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen mit den Ländern zur Erreichung kostenloser Schutzimpfungen für Feuerwehrleute.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle eine Mehrheit und damit die Annahme fest. (E 153.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren. (Abg. Dr. Gusenbauer: Was ist mit Gaugg?)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist dieser Antrag abgelehnt .

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1200 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dolinschek, Dr. Mitterlehner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1200 der Beilagen samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Dolinschek, Dr. Mitterlehner, Kolleginnen und Kollegen.


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111. Sitzung / Seite 208

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1199 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Achatz, Donabauer, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1199 der Beilagen samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Achatz, Donabauer, Kolleginnen und Kollegen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle neuerlich eine Mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft geändert wird, samt Titel und Eingang in 1198 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1197 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dolinschek, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1197 der Beilagen samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Dolinschek, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist neuerlich die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird, samt Titel und Eingang in 1196 der Beilagen abstimmen.

Dazu haben die Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1196 der Beilagen samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dolinschek, Steibl, Kolleginnen und Kollegen.


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111. Sitzung / Seite 209

Ich ersuche all jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist neuerlich die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1142 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG) (1201 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1180 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz), und

über den Antrag 460/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abmildung der schädlichen Folgen der Nachtarbeit und

über den Antrag 571/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines modernen Nachtarbeitsgesetzes (1195 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (971 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit (1194 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. Ich erteile es ihr hiemit.

20.38

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir behandeln heute zwei Themen. Das eine ist das Bundessozialämterreformgesetz. Dazu nur ein Wort: Ich finde es schon wieder bezeichnend und wirklich als Zeichen der Arroganz der Macht, die Sie in Ihrer Regierungsfunktion ausüben, dass Sie, wenn Sie zu einer Materie unsere Zustimmung benötigen, weil es eine Zweidrittelmaterie ist, es nicht einmal für notwendig halten, vor den Ausschusssitzungen mit uns so weit zu verhandeln, dass Sie sich auch unserer Zustimmung versichern können, sondern sich überhaupt erst einen Tag nach der Ausschusssitzung Zeit dafür nehmen. Das ist wieder ein Zeichen von Arroganz der Macht. (Beifall bei der SPÖ.)


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111. Sitzung / Seite 210

Meine Damen und Herren! In erster Linie möchte ich heute aber zum EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz sprechen. (Die Rednerin stellt einen überdimensionalen Wecker auf das Rednerpult.) Sie sehen hier eine schöne alte Uhr, einen Wecker, gestellt auf halb drei Uhr morgens. Können Sie sich das vorstellen? Es ist dunkel, es ist finster, es ist Nacht. Man kann sich das, denke ich einmal, durchaus gut vorstellen.

Menschen, die um halb drei Uhr in der Früh zu arbeiten beginnen, stehen wahrscheinlich schon um zwei Uhr oder um halb zwei Uhr oder noch viel früher auf. Aber der Herr Bundesminister Bartenstein sagt: Nein, das sind keine Nachtarbeitnehmer und Nachtarbeitnehmerinnen, das ist schon Tagesarbeitszeit! Die fallen nicht unter irgendwelche besondere Schutzbestimmungen. Wenn man erst um halb drei Uhr morgens zu arbeiten beginnt, ist das doch keine Nacht mehr. Da hat man keine gesundheitlichen Belastungen zu gewärtigen, das fällt dann schon in die Tagesarbeitszeit.

Herr Bundesminister! Das ist einer unserer ersten Kritikpunkte. Sie definieren Nachtarbeit so, dass man mindestens drei Stunden arbeiten muss und 48 Nächte arbeiten muss, damit man überhaupt unter diese gesetzlichen Bestimmungen fällt. (Bundesminister Dr. Bartenstein: So wie Ihre rot-grünen Freunde in Deutschland!) Herr Bundesminister! Das ist nicht richtig, wie Sie wissen. Ich würde Sie ersuchen, hier korrekte Aussagen zu machen und nicht Aussagen, von denen Sie wissen, dass sie nicht stimmen, denn die haben zwei Stunden, wie Sie wissen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Weit mehr als zwei Stunden, wie Sie wissen!) Mehr als zwei Stunden sind auch zweieinhalb Stunden, Herr Bundesminister. Also wir sollten korrekt sein, und ich denke, so viel Redlichkeit wäre angebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Bartenstein sagt aber nicht nur, dass man soundso viele Stunden und Nächte arbeiten muss, nein, Herr Bundesminister Bartenstein sagt auch: Nacht ist die Zeit zwischen 22 Uhr und 5 Uhr morgens. Wir haben bereits andere Arbeitszeitbegriffe: im Nachtschichtschwerarbeitsgesetz, im Mutterschutzgesetz, überall wird die Nacht definiert als Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wie ist das in Schweden, Frau Abgeordnete, im sozialdemokratischen Schweden?) Herr Minister Bartenstein sagt: zwischen 22 Uhr und 5 Uhr in der Früh. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wie ist das im sozialdemokratischen Schweden?)

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, wie sich das auswirkt? Ich sage es Ihnen. Ich habe einen Brief von einem Personalvertretungsvorsitzenden bekommen. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Er ist sogar da, ich begrüße ihn. Er wird keine Freude haben mit Ihren Entscheidungen, aber nicht nur er, sondern vor allem auch die Kolleginnen und Kollegen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in diesen Betrieben arbeiten. Darunter sind Kolleginnen und Kollegen, die nicht einmal 1 000 € pro Monat verdienen. Das können Sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen, Herr Dr. Bartenstein, was das heißt, mit 1 000 € im Monat auskommen zu müssen, könnte ich mir denken. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Besser als Sie, Frau Kollegin!) Diese Kolleginnen und Kollegen verlieren durch Ihre Regelung 3,63 € täglich. Das ist Ihre soziale Einstellung! Sie nehmen den Kleinen und, wie wir vorher in der Debatte gesehen haben, verteilen schamlos um zu den Selbständigen und zu denen, die gut verdienen. (Beifall bei der SPÖ und des Abgeordneten Öllinger. )

Herr Minister Bartenstein! Ich finde es auch traurig, wenn ich Ihre Zwischenrufe von hinten höre, weil sie aus meiner Sicht die Achtung vermissen lassen, die wir eigentlich den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dieses Landes, entgegenbringen sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

So etwas ist nicht nur empörend von Seiten eines Ministers, ich denke, es ist auch entsetzlich, wenn es solche Arbeitgeber gibt, und immerhin haben Sie ja eine Beziehung zu einem Betrieb. Wenn Sie als Arbeitgeber genauso sind, na dann gute Nacht, liebe Menschen in Österreich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kiss und Neudeck. )

Meine Damen und Herren! Es gibt noch viele weitere Punkte, es gibt noch den Punkt, dass man in Zukunft 26 Wochen Durchrechnungszeitraum hat, um überhaupt zu einer Ausgleichsruhe zu


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111. Sitzung / Seite 211

kommen. Das ist etwas, was mit Ausgleichsruhe nichts mehr zu tun hat, denn Ruhezeiten zum Ausgleich für erschwerte Belastungen sollten dazu dienen, dass man sich regenerieren kann. Das schaue ich mir an, wie man das 26 Wochen später kann. Sie, Herr Kollege Dolinschek, können es vielleicht, Sie werden es uns vielleicht auch hier erklären. (Abg. Dolinschek: Ich werde es Ihnen erklären!)

Meine Damen und Herren! Weil das alles absolut nichts mehr mit "sozial" zu tun hat, sondern weil das alles wieder zu Lasten der arbeitenden Menschen in diesem Land geht, bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (1195 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (1180 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel 1 § 12a Abs. 1 und 2 lauten wie folgt:

"§ 12a (1) Als Nacht im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt die Zeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr.

(2) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Arbeitnehmer, die

1. regelmäßig oder

2. sofern der Kollektivvertrag nicht Anderes vorsieht, in mindestens 30 Nächten im Kalenderjahr während der Nacht mindestens zwei Stunden arbeiten."

*****

Herr Bundesminister! Sie sind vielen unserer Vorstellungen nicht nachgekommen, Sie haben Ihre Chance verpasst, wirklich etwas zu tun, die belastenden Situationen der Nachtarbeit abzumildern und abzufedern. Ich rede von Zeitguthaben, ich rede von Gesundheitsvorsorge. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. )

Herr Kollege von den Freiheitlichen! Sie zeichnen sich wie immer durch etwas aus, nämlich durch Kompetenzlosigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie von 30 Jahren reden, dann wissen Sie, dass das Nachtarbeitsgesetz für Frauen, das Nachtarbeitsverbot, das es bis jetzt gegeben hat, eigentlich mit Ende des vergangenen Jahres aufzuheben gewesen wäre. Hier war der Herr Minister säumig! Herr Bundesminister Bartenstein hat sich dann auch noch erdreistet, im Ausschuss zu sagen, er sei deswegen ein halbes Jahr säumig, weil er auf die Verhandlungen der Sozialpartner gewartet habe. (Bundesminister Dr. Bartenstein: So war das!)

Herr Bundesminister! Es wäre in Ihrer Verantwortung gelegen, darauf zu schauen, dass die Sozialpartner rechtzeitig die Verhandlungen aufnehmen, um rechtzeitig zu erkennen, ob es zu einem Ergebnis kommt oder nicht. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Warum?) Sie sind das Regierungsmitglied, Herr Bundesminister! Es ist Ihre Verantwortung, und schieben Sie das nicht auf andere ab, wie es diese Bundesregierung permanent macht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Ist das Ihr Verständnis von Sozialpartnerschaft? – Zwischenrufe der Abgeordneten Kiss und Neudeck. )


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111. Sitzung / Seite 212

Aber, Herr Bundesminister, ich überreiche Ihnen diesen Wecker, und denken Sie dann an die Menschen, die weniger als 1 000 € haben und denen Sie damit auch noch Geld wegnehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Silhavy stellt einen Wecker auf die Regierungsbank.)

20.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Geschenke müssen nicht angenommen werden.

Ich gebe bekannt, dass der Abänderungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy und KollegInnen, den sie soeben vorgetragen hat, ausreichend unterstützt ist und auch in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit auch mit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung steht.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. (Abg. Dr. Khol: Gestrichen!)

Ich korrigiere: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

20.46

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine Kollegin Ridi Steibl wird auf die Nachtarbeit von Frauen eingehen, und sie wird auch einen Abänderungsantrag einbringen. Ich möchte auf die Reform der Bundessozialämter eingehen. Es hat viele Befürchtungen gegeben, die zum Teil auch von verschiedenen Gruppierungen geschürt worden sind, dass es eine Schlechterstellung geben werde. Es gibt auch eine Bürgerinitiative, die die Befürchtung äußert, dass die Landesstellen aufgehoben würden und dass es damit zu einer Schlechterstellung vor allem für Behinderte kommen würde.

Ich glaube, der vorliegende Entwurf von Ihnen, Herr Minister Haupt, ist eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung in der Behindertenpolitik in Österreich. Es wird in Zukunft ein Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen geben, und, Frau Kollegin Haidlmayr, Ihre Befürchtung und auch die Ihrer Kolleginnen und Kollegen wird nicht wahr: Es wird in allen Bundesländern eigene Landesstellen geben, es kommen sogar neue Landesstellen hinzu, und zwar in Burgenland und in Niederösterreich. Es ist also für mehr Bürgernähe gesorgt.

Ich denke, man muss davon ausgehen, was den betroffenen Bürgern wichtig ist: erstens einmal, dass sie eine eindeutige Anlaufstelle vorfinden – das war bis jetzt nicht der Fall –, dass es eine bürgernahe Servicestelle gibt, dass die Abläufe durchschaubar sind, dass es nicht unübersichtlich oder umständlich ist oder auch belastend gerade für Menschen mit Behinderung, wie es zum Teil eben jetzt noch ist, weil es einen Kompetenzwirrwarr, keine eindeutigen Zuständigkeiten gibt. Mit diesem neuen Gesetz werden eindeutige Zuständigkeiten geschaffen, es gibt eine eindeutige Verantwortlichkeit, es gibt im Grunde das, was wir von der Regierung in vielen Bereichen anstreben, gerade für Menschen mit Behinderung, die oft mangelnde Mobilität aufweisen, nämlich das so genannte One-Desk-Prinzip, um das in Neudeutschenglisch zu sagen.

Die Fachgruppe hat sehr lange gearbeitet, sie hat sehr eingehend gearbeitet, und sie hat gute Erfolge erzielt. Es gibt eine Optimierung in diesem Bereich, eine höhere Effizienz, eine strukturelle Neuordnung, und Synergieeffekte werden in Zukunft genutzt werden können. Ich bin sehr froh, dass die Sozialdemokraten dieser Gesetzesvorlage auch zustimmen. Es wird im Bereich des Pflegegeldes eine Änderung geben, das wird im nächsten Tagesordnungspunkt abgehandelt. Ich meine, alles in allem ist das eine sehr gute Vorlage, der wir sehr gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

20.49

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister auf der Regierungsbank! Das Bundessozialämterreformgesetz hochzuloben, so wie Frau Gatterer es jetzt getan hat, dazu gibt es wirklich keinen Anlass.


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111. Sitzung / Seite 213

Fangen wir doch einmal von vorne an. Es war im November 1999. Damals hat uns die Vizekanzlerin über die Presse ausrichten lassen, dass die Bundessozialämter aufgelöst werden. Das wissen Sie noch, Herr Minister Haupt. In einer Anfragebeantwortung auf eine Anfrage, die ich an die Vizekanzlerin gestellt habe, hat sie mir geschrieben, dass sie eigentlich nicht zuständig sei. Es bleibt aber die Tatsache: Sie wollte sie auflösen.

Dann kam es zu einer großen Protestwelle von Betroffenen, von jenen Personen, die die Bundessozialämter ganz einfach brauchen, nämlich Menschen mit Behinderung. Es hat eine Petition gegeben, und dann, Herr Minister, haben auch Sie erkennen müssen, dass Sie in diesem Fall dem Druck der Vizekanzlerin nicht nachgeben können, denn behinderte Menschen haben inzwischen zumindest so viel Organisationskapazität, dass sie sich, wenn es darauf ankommt, entsprechend formieren können. Wir haben das auch schon einige Male bewiesen: Nicht nur, dass wir die Himmelpfortgasse besetzt haben, wir haben auch schon Ministerbüros besetzt. Dieses Risiko wollten Sie natürlich nicht eingehen. Auf der anderen Seite wissen Sie auch, dass das Bundessozialämterreformgesetz Verfassungsbestimmungen enthält, für die Sie die Zweidrittelmehrheit brauchen. Sie waren also gezwungen, mit uns zu verhandeln, um dieses Gesetz zustande zu bringen.

Wenn wir uns anschauen, was in die Begutachtung gekommen ist, wenn wir uns anschauen, wie die Regierungsvorlage ausgeschaut hat, und wenn wir uns das Gesetz anschauen, das wir heute beschließen, dann müssen wir zugeben: Es ist unbestreitbar, dass es große Änderungen gegeben hat. Diese großen Änderungen, die noch in das Gesetz aufgenommen wurden, sind ein Verdienst – und auf das bin ich stolz – von mir. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Minister! Ich bin nicht nur auf mich stolz, ich bin in diesem Fall auch ein Stück weit auf Sie stolz, weil Sie erkannt haben, dass man sich nicht immer nach Belieben über die Interessen der behinderten Menschen hinwegsetzen kann. Sie haben Kooperation gezeigt, und ich möchte Ihrem Team, vor allem Sektionschef Dr. Gruber, recht herzlich dafür danken, dass es zumindest gelungen ist, zu verhindern, dass die Ideen der Vizekanzlerin wahr gemacht worden sind. Die Bundessozialämter bleiben erhalten, und das ist gut, auch wenn es große Einschnitte gibt.

Herr Minister! Wir werden in einigen Jahren erkennen müssen – also nicht wir, wir wissen es ja schon, sondern Sie werden erkennen müssen –, dass es sehr bald eine Novellierung geben muss, denn einige Dinge, die jetzt noch drinnen stehen – Herr Minister, Sie wissen es, Sie haben es auch in den Vorbesprechungen eingestanden –, sind ganz einfach nicht EU-konform.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz konkret auf die Werkprämie hinweisen. Seit 1994 bin ich dagegen gewesen, und ich bin es heute noch, dass alle Unternehmen, die Verträge an geschützte Werkstätten vergeben, automatisch 15 Prozent des Umsatzvolumens wieder zurückbekommen. Diese Kritik habe ich immer geübt, weil sie einfach eine berechtigte war, denn in der Praxis hat das so ausgesehen, dass ein Unternehmen zwar seine Einstellungspflicht nicht erfüllt hat, sich zu Dumpingpreisen von Menschen mit Behinderung freigekauft hat, aber auf der anderen Seite einige Verträge an geschützte Werkstätten vergeben hat. Unterm Strich hat der betreffende Unternehmer ein Riesenplus gehabt, weil nämlich die Erträge aus dieser Werkprämie wesentlich höher waren als jener Betrag, der im Endeffekt an den Ausgleichstaxfonds zu zahlen war. Das war meine Kritik.

Dass es jetzt in diesem Bereich eine Änderung gibt, ist einfach auf Grund des EU-Rechts notwendig geworden. Das haben Sie selbst gesagt, und das weiß ich auch, denn kein Unternehmen darf anbieten, wenn es automatisch Prämien gibt. Das ist gesetzwidrig. Die Lösung, die Sie jetzt gewählt haben und mit der ich auch nicht einverstanden bin, ist selbstverständlich auch gesetzwidrig, denn es dürfen keine Unternehmen im Zuge öffentlicher Ausschreibungen anbieten, wenn von vornherein sichergestellt ist, dass sie vom Bund durch die Hintertür 15 Prozent für den Auftrag wieder retourniert bekommen, denn damit können sie automatisch um 15 Prozent billiger anbieten, und das ist mit dem Wettbewerb nicht vereinbar. Aber gut, so ist es. In ein, zwei Jahren, Herr Minister, wird uns die EU draufkommen, und das wissen Sie auch, und dann wird wieder Handlungsbedarf gegeben sein.


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111. Sitzung / Seite 214

Ich möchte aber, und das ist mir wichtig, noch auf einige wesentliche Punkte eingehen, von denen ich meine, Herr Minister, dass die Entscheidung und die Auswirkungen für die Betroffenen in Zukunft katastrophal sein werden. Ich denke dabei ganz konkret an die Übernahme der sozialen Rehabilitation durch die Länder. Herr Minister, Sie wissen es, bis jetzt war es so, dass, wenn jemand behindert ist oder behindert wurde, er auf soziale Rehabilitation zum Beispiel für die Wohnungsadaptierung Anspruch gehabt hat. Den entsprechenden Antrag hat er beim Bundessozialamt gestellt. In Zukunft ist so ein Antrag an die Behindertenhilfe der Länder zu stellen. Welches Ergebnis dabei herauskommen wird, Herr Minister, das wissen Sie: Die Länder werden sich daran orientieren, wie der Sozialhilferichtsatz ist, und danach werden sie Zuschüsse genehmigen oder nicht. Unterm Strich werden Menschen mit Behinderung auf der Strecke bleiben.

Herr Minister! Das wäre zu verhindern gewesen, wenn es ein einheitliches Rehabilitationskonzept geben würde, bevor es eine Beschlussfassung zum Bundessozialämterreformgesetz gibt. Es muss einfach sichergestellt sein, Herr Minister, dass behinderte Menschen im Burgenland bei ein und derselben Faktenlage Anspruch auf dieselben Leistungen wie in Tirol, Salzburg, Wien oder Oberösterreich haben sollten. Das ist jetzt nicht sichergestellt, und der Einzelne muss sich heute unter Umständen überlegen, wenn er Leistungen im Rahmen der Sozialrehabilitation braucht, in welches Bundesland er ziehen soll, um für das, was er braucht, ein Maximum an Unterstützung zu bekommen. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie Menschen nicht zwingen, unter Umständen "Rehabilitationstourismus" zu betreiben, nur damit sie überleben können.

Herr Minister! Im Bundessozialämterreformgesetz war auch geplant, die Familienhospiz zu regeln. Sie haben uns damals versprochen, dass es eine Regelung im Interesse der pflegenden Angehörigen geben wird. Sie haben auf unseren Wunsch oder auf unser Drängen, die Lösung aus dem Bundessozialämterreformgesetz herausgenommen, haben versprochen, einen Entschließungsantrag einzubringen, in dem die Forderungen der behinderten Menschen und jener, die Familienhospiz leisten sollen, berücksichtigt werden, und dass der auch extra abgestimmt wird. In der Debatte zum nächsten Tagesordnungspunkt werden wir klarstellen, dass Sie dieses Versprechen gebrochen haben.

Sie haben gesagt, Sie hätten das Geld nicht, weder in der Pflegevorsorge noch im Familienlastenausgleichsfonds, aus dem selbstverständlich die Familienhospizkarenz zu finanzieren wäre. Herr Minister! Wenn Sie das Geld nicht haben, dann frage ich Sie: Wie wollen Sie denn die Mittel für das Pflegegeld aufbringen? Die einzige Möglichkeit, die Ihnen bleiben wird, ist, keine Valorisierung des Pflegegeldes durchzuführen, um eben die Ausgaben in dem Rahmen zu halten, wie sie jetzt sind, und unter Umständen die Pflegestufen in ihrer Geldleistung nach unten zu drücken, wie wir das bereits bei der Pflegestufe 1 gesehen haben, dass nämlich statt 2 500 S bei Pflegegeldbeziehern der Stufe 1 bei einem Neuantrag plötzlich nur mehr 2 000 S herauskommen. So werden Sie auch das Pflegegeld noch mehr ramponieren.

Herr Minister! Es ist nicht einsichtig, und keinem Menschen werden Sie das erklären können, warum Familienhospizkarenz aus der Pflegevorsorge finanziert wird und nicht aus dem Familienlastenausgleichsfonds. Herr Minister, ich hoffe, Sie können mir diese Fragen noch beantworten.

Zum Abschluss: Wir werden diesem Gesetz zustimmen, weil sonst die Gefahr besteht, dass der Wunsch der Vizekanzlerin wahr wird und wir keine Bundessozialämter mehr haben. Uns ist es noch immer lieber, auch wenn es Einschränkungen gibt, Bundessozialämter zu haben, als die Behindertenhilfe zur Gänze in die Sozialhilfe der Länder einzugliedern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

21.00

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Ich bin im Gegensatz zu meiner Vorrednerin der Meinung, dass mit


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111. Sitzung / Seite 215

dem Bundessozialämterreformgesetz eine gute Reform stattfindet. Im Übrigen werde ich es mir ersparen, hier ins Detail zu gehen, weil meine Kollegin Gatterer von der ÖVP sehr ausführlich dargelegt hat – und ich derselben Meinung bin wie sie –, dass diese Verbesserungen für die Behinderten in Ordnung gehen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich bringe aber einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Gatterer ein. Er wurde im Plenum verteilt und betrifft das Bundessozialämterreformgesetz. Er beinhaltet technische Änderungen. Sie haben sicherlich die Gelegenheit gehabt, diesen Antrag durchzulesen, und werden dem hoffentlich zustimmen.

Ich komme kurz zum EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz. Damit werden EU-Richtlinien umgesetzt. Wie Kollegin Silhavy bereits erwähnt hat, hätte das laut EU schon seit 1. Jänner gelten sollen. Wir sind etwas später dran, in der Steiermark ist es bei der Firma AT&S schon etwas früher dazu gekommen. Diese gehört dem ehemaligen sozialdemokratischen Finanzminister Androsch. Als er die AT&S übernommen hat, hat er es zur Bedingung der Betriebsübernahme gemacht, dass das Nachtarbeitsverbot für Frauen aufgehoben wird – und das kommt von einem Sozialdemokraten! Dort, bei AT&S, hätten Sie eigentlich intervenieren können, bei den Betriebsräten, die das umgesetzt haben. (Abg. Sophie Bauer: Sie beschließen ja Schlechterstellungen für die Frauen!)

Schauen Sie, das hätten Sie genauso machen müssen! Wir sind ja einer Meinung, dass die Nachtarbeit nicht gesund ist. Diese ist nicht gesund ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Ich habe jetzt nicht die Zeit, weiß ich wie lange darüber zu reden. Wir wissen, dass das nicht gesund ist. (Abg. Silhavy: ... nicht die Zeit, weil Sie nicht argumentieren können!)

Das Nachtarbeitsverbot für Frauen ist aufgehoben worden. Die Nachtarbeitsregelung gilt von 22 bis 5 Uhr früh. EU-weit gilt sie von 24 bis 5 Uhr, sodass wir hier eine Besserstellung haben.

Was zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen betrifft, werden Sie, Herr Präsident Verzetnitsch, als Sozialpartner sicherlich gefordert sein. Ich appelliere auch an Sie, in den Sozialpartnereinigungen zusätzliche Maßnahmen für die Mitarbeiter umzusetzen, was die Zeitguthaben für die Nachtarbeit und eine Anrechnung für die Pensionen betrifft. Ich nehme an, dass für jede Stunde mindestens 1,2 Stunden in der Pension berechnet werden müssen. Diese Zeitguthaben müssten Sie dort einrechnen. Ein Zeitguthaben von 6 Minuten pro Stunde bedeutet 10 Prozent an Lohnerhöhung. Das ist im Prinzip eine Gleichstellung zu der Regelung, wie sie die Exekutive hat, und das wünsche ich mir für alle Arbeitnehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dolinschek in seinen Grundzügen dargestellt hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt, wurde vervielfältigt und steht mit zur Diskussion.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Gatterer und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1201 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1142 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
111. Sitzung / Seite 216

1. Der Titel lautet:

"Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG)"

2. Im Inhaltsverzeichnis entfällt der Ausdruck "9 Änderung des Bundespflegegeldgesetzes".

3. Im Art. 1 wird im § 1 Abs. 1 der Ausdruck "Behörde" durch den Ausdruck "Dienstbehörde" ersetzt.

4. Im Art. 2 lautet § 3 Abs. 2 zweiter Satz:

"Die Senate haben aus dem/der Senatsvorsitzenden und in Angelegenheiten des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, des Heeresversorgungsgesetzes und des Impfschadengesetzes aus drei Beisitzern, in Angelegenheiten des Behinderteneinstellungsgesetzes und des Bundesbehindertengesetzes aus zwei Beisitzern zu bestehen."

5. Im Art. 2 wird im § 4 Abs. 2 der Ausdruck "die ersten Beisitzer" durch den Ausdruck "die ersten und zweiten Beisitzer" ersetzt.

6. Im Art. 2 lautet § 4 Abs. 5:

"(5) In Angelegenheiten des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, des Heeresversorgungsgesetzes und des Impfschadengesetzes sind die dritten Beisitzer und die Ersatzmitglieder sowie in Angelegenheiten nach Abs. 4 die zweiten Beisitzer und die Ersatzmitglieder unter Bedachtnahme auf die Vorschläge des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zu bestellen."

7. Im Art. 2 lautet § 9 Abs. 2 dritter Satz:

"Die Beisitzer stimmen in der Reihenfolge ihrer Bestellung ab."

8. Im Art. 2 wird dem § 9 Abs. 2 folgender Satz angefügt:

"Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des/der Vorsitzenden."

9. Im Art. 7 lautet die Z 6:

"6. § 10 Abs. 2 und 3 lautet:

"(2) Der Beirat besteht aus dem Vorsitzenden, zwei Vertretern der organisierten Kriegsopfer, vier Vertretern der organisierten Behinderten und drei von den Ländern entsandten Vertretern sowie je drei Vertretern der Dienstnehmer und der Dienstgeber, einem Vertreter der Integrativen Betriebe (§ 11) und einem Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen. Den Vorsitz führt der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen oder ein von ihm bestimmter rechtskundiger Bediensteter aus dem Stande des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen. Die Funktionsperiode des Beirates beträgt vier Jahre. Nach Ablauf der Funktionsperiode hat der Beirat die Geschäfte so lange weiterzuführen, bis der neue Beirat zusammentritt. Die Zeit der Weiterführung der Geschäfte zählt auf die Funktionsperiode des neuen Beirates.

(3) Die im Abs. 2 genannten Mitglieder des Beirates sowie die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern werden vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen berufen. Die Vorschläge für die Bestellung der Dienstgebervertreter erstatten für je ein Mitglied und die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern die Wirtschaftskammer Österreich, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs und die Vereinigung der Österreichischen Industrie. Die Vorschläge für die Bestellung der Dienstnehmervertreter erstatten für je ein Mitglied und die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern die Bundesarbeitskammer, der Österreichische Landarbeiterkammertag und der Österreichische Gewerkschaftsbund. Hinsichtlich der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
111. Sitzung / Seite 217

Erstattung der Vorschläge für die Bestellung der Vertreter der organisierten Kriegsopfer und der organisierten Behinderten sind die § 10 Abs. 1 Z 6 und § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, anzuwenden. Den Vorschlag für die Bestellung des Vertreters der Integrativen Betriebe erstatten diese. Die Vorschläge für die Bestellung der Vertreter der Länder erstatten die Länder gemeinsam.""

10. Im Art. 7 lautet die Z 7:

"7. § 10a Abs. 1 lit. c lautet:

"c) die Gewährung von Zuschüssen und Darlehen zur Errichtung, zum Ausbau, zur Ausstattung und zum laufenden Betrieb von Integrativen Betrieben (§ 11) sowie zur Sicherung der Arbeitsplätze in Integrativen Betrieben und zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit unter Berücksichtigung der vom jeweiligen Integrativen Betrieb erzielten Wertschöpfung;""

11. Im Art. 7 Z 25 wird im § 25 Abs. 7 Z 2 nach dem Ausdruck "§ 10 Abs. 2," der Ausdruck "§ 10 Abs. 3," eingefügt.

12. Art. 9 entfällt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

21.03

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Kollege Haupt! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Silhavy! Ich muss mich ein bisschen über Ihr Verständnis von Sozialpartnerschaft wundern. Mir käme es nicht in den Sinn, den Präsidenten des ÖGB und den Präsidenten der Wirtschaftskammer in Richtung einer frühzeitigen Verhandlungsführung oder eines frühzeitigen Verhandlungsabschlusses zu zitieren und zu drängeln. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass die Sozialpartner das Thema Nachtarbeit und Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen regeln. Ich habe die Präsidenten selbst noch bei mir gehabt, es war leider nicht möglich. Dementsprechend musste ich in diesem Fall von meiner Seite aus eine Regierungsvorlage vorlegen, die diesmal leider nicht auf einem Sozialpartnerkonsens basiert. Das bedauere ich, aber lassen wir gleichzeitig die Kirche im Dorf.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie wissen natürlich, dass im sozialdemokratischsten aller europäischer Länder, in Schweden, Nachtarbeit mit 0 bis 5 Uhr definiert ist. Sie wissen natürlich, dass in Frankreich und Großbritannien zumindest ebenfalls drei Stunden pro Nacht gearbeitet werden muss, damit das als solches anerkannt wird. Sie wissen, dass in Deutschland zumindest 48 Tage an Nachtarbeit geleistet werden müssen. (Abg. Silhavy: Das war überall die schlechteste Variante!)  – Das ist gar nicht so! In Schweden ist nichts geregelt, außer dass Nacht mit 0 Uhr bis 5 Uhr früh definiert ist. Das wissen Sie so gut wie ich, also möchte ich Sie um etwas sachlichere Argumentation ersuchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was noch nicht erwähnt worden ist, ist, dass dieses Nachtarbeits-Anpassungsgesetz klare Verbesserungen für alle mit sich bringt, nämlich Verbesserungen hinsichtlich und in Richtung der Gesundheitsuntersuchungen: alle zwei Jahre statt bisher alle drei Jahre und ab dem 50. Lebensjahr respektive nach zehn Jahren Nachtarbeit jährliche Untersuchungen. Dementsprechend ist auch die Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz heute deutlich arbeitnehmerfreundlicher als bisher geregelt, weil nicht nur bei Gesundheitsgefährdung, sondern auch bei Betreuungspflichten gegenüber Kindern bis zu zwölf Jahren eine solche Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz möglich ist – nach Maßgabe der betrieblichen Möglichkeiten, aber das ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn jetzt seitens Frau Abgeordneter Silhavy moniert wird: Warum steht denn ein Zeitguthaben nicht im Gesetz?, so meine ich auch hier: Wo


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111. Sitzung / Seite 218

bleibt denn das Verständnis von sozialpartnerschaftlicher Kompetenz? Wenn nämlich für derartige Lohnfragen – und ein Zeitguthaben ist nichts anderes als eine indirekte Entlohnung – nicht mehr die Sozialpartner in ihrer Kollektivvertragshoheit zuständig sind, wofür denn dann? – Daher verweise ich hier die Arbeitnehmerseite auf Sozialpartnergespräche. Das ist ja in manchen Kollektivverträgen durchaus schon in diese Richtung geregelt. Aber das ist ganz sicherlich nicht etwas, was im Gesetz geregelt werden sollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So gesehen ist dies eine vernünftige Anpassung an EU-Regeln und eine vernünftige Anpassung im Sinne der Frauen. In Wirklichkeit war dieses Verbot der Nachtarbeit für Frauen eine diskriminierende Maßnahme, ganz abgesehen davon, dass es Berufe wie zum Beispiel die Gesundheitsberufe gibt, in denen vor allem Frauen vor allem in der Nacht arbeiten. Ohne sie ginge es gar nicht!

Weil es Herr Abgeordneter Horn in einer vorhergehenden Debatte für notwendig befunden hat, hier etwas in Richtung Nachtarbeit zu sagen, verweise ich auf Folgendes – auch Dolinschek hat das indirekt angeführt –: Es war Herr Androsch, der als Miteigentümer von AT&S Hinterberg in Leoben diese wichtige Investition dort davon abhängig gemacht hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass er für das Unternehmen eine Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot erwirkt hat! Das sollte ein obersteirischer Abgeordneter wie Kollege Horn denn doch wissen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte.

21.08

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Werte Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Dass heute das Nachtarbeitsverbot für Frauen aufgehoben wird, hat mich als Arbeitnehmerin dazu veranlasst, schwarze Kleidung zu tragen. (Abg. Steibl: Passt aber gut! Macht schlank!) Von den Abgeordneten der ÖVP und FPÖ wird diese Aufhebung zwar als eine Errungenschaft dargestellt, aber es fragt sich: Für wen? – Ich kann es Ihnen sagen: nicht für die ArbeitnehmerInnen, sondern es werden wieder nur die wirtschaftlichen Interessen umgesetzt! Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, wissen Sie, dass bereits jetzt 39 Prozent der nachtarbeitenden Männer und 60 Prozent der nachtarbeitenden Frauen gesundheitliche Probleme haben? (Abg. Edler: So schaut es aus!)

Da ich selbst seit 27 Jahren in einem Betrieb tätig bin, in dem Nachtarbeit geleistet wird, kenne ich auch die verschiedenen Probleme, die im Zusammenhang damit auftreten. (Abg. Steibl: Aber bitte freigestellte Betriebsrätin und nicht am Fließband! – Abg. Schwarzenberger: Sie machen Nachtarbeit nur im Parlament! – Abg. Silhavy: Also die Ridi ...! – Weitere Zwischenrufe.) Ich habe auch mit Kolleginnen gesprochen – und das würde ich dir, liebe Frau Abgeordnete Steibl, ebenfalls raten –, die sich verpflichtet haben, zwei und drei Jahre in der Nacht zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.) Sie können es schon nicht mehr erwarten, bis diese Zeit um ist. Sie machen das seit eineinhalb Jahren, und mit ihnen solltet ihr einmal reden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edler: Kindergarten!)

Ich würde es auch Herrn Abgeordnetem Dolinschek und Frau Abgeordneter Haller empfehlen, sich einmal mit einer Fraktionskollegin, mit Landesrätin Haubner, zusammenzusetzen. Sie hat erkannt, dass die Nachtarbeit gerade für Frauen große Nachteile mit sich bringt. Landesrätin Haubner bestätigt auch in Aussendungen, dass von der Herabsetzung der Nachtarbeit von 6 Uhr auf 5 Uhr insbesondere Arbeiterinnen betroffen sind, deren Einkommen ohnehin schon am Existenzminimum liegen und die jetzt für diese eine Stunde noch die Zulagen verlieren. Aber das können Sie sich ja nicht vorstellen, was das für diese Frauen heißt!

Für uns Sozialdemokraten wäre es deshalb wichtig, im Zuge der Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes national – was möglich wäre – notwendige Schutzmaßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen im Gesetz zu verankern.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:


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111. Sitzung / Seite 219

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy und KollegInnen betreffend die Abmildung der schädlichen Folgen der Nachtarbeit – zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1195 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1180 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die insbesondere folgende Punkte zugunsten von NachtarbeiterInnen enthält:

Zeitgutschrift von 10 Prozent pro Nachtarbeitsstunde;

Recht auf Versetzung von NachtarbeiterInnen auf einen Tagesarbeitsplatz bei:

gesundheitlicher Gefährdung,

Betreuung eines Kindes unter 12 Jahren oder mit erheblicher Behinderung (ohne Einschränkung),

Versorgung von pflegebedürftigen Angehörigen;

Verstärkter Kündigungsschutz, für den Fall, dass ArbeitnehmerInnen den Wechsel auf Nachtarbeit ablehnen;

Transportmöglichkeiten für NachtarbeiterInnen von und zur Arbeitsstätte sind vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen;

Bezahlte Kurzpausen;

Teilnahmemöglichkeiten für NachtarbeiterInnen bei innerbetrieblichen Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen."

*****

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Werter Herr Bundesminister! Sie hätten jetzt die Möglichkeit, zu beweisen, dass Sie nicht weitere Verschlechterungen für die ArbeitnehmerInnen wollen, indem Sie unserem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

21.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Bauer vorgetragen hat, ist genügend unterstützt, steht mit in Verhandlung und dann zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Trinkl. – Bitte.

21.12

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Silhavy! Sie brauchen mich nicht mit "mein Gott" anzureden, ich habe einen Namen; das ist nicht notwendig. (Abg. Silhavy: Ich habe nicht "mein Gott" gesagt, ich habe gesagt: "ach Gott"!)

Meine sehr geehrten Namen und Herren! Die heutige Vorlage bedeutet auch ein Ende der Diskriminierung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt Unterschriftenlisten – das wissen Sie –, mit denen das Ende des Nachtarbeitsverbots in Österreich gefordert wurde. Die vorliegende Fassung des Gesetzes ist, glaube ich, ausgewogen, sie ist vernünftig, und sie geht in weiten


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111. Sitzung / Seite 220

Bereichen auch über die EU-Richtlinie hinaus, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Untersuchung, die eine Gesundheitsvorsorge sicherstellen soll, ist wesentlich besser geregelt. Es ist auch die Zeit der Nachtarbeit an sich wesentlich enger gefasst als gemäß EU-Richtlinie. Letztendlich aber sind wir besonders stolz darauf, dass auch hier den Familien zu ihrem Recht verholfen wird, und zwar dadurch, dass ein Anspruch auf einen Tagesarbeitsplatz gegeben ist, wenn es der Betrieb zulässt, aber vor allem dann, wenn die Betreuungspflicht für Kinder unter zwölf Jahren gegeben ist. Ich glaube, man sollte nicht übersehen, dass hier auch wesentliche Verbesserungen gegenüber den anderen EU-Ländern geschaffen wurden.

Eines möchte ich noch sagen: Ein Gesetzesbeschluss ist ein Minimum einer Vorschrift. Die Kollektivvertragspartner können jederzeit darüber hinausgehen, das entspricht dem Stufenbau der österreichischen Arbeitsrechtsordnung. Ich glaube, die Sozialpartner sollten sich dieses Rechtes nicht begeben, Herr Präsident Verzetnitsch! Viele Kollektivverträge sehen auch Zuschlagsregelungen für verschiedene Berufe vor. Ich meine, dass die Kollektivvertragspartner hier gefordert sind, je nach Branche entsprechende Regelungen zu finden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meiner Ansicht nach ist die heutige Vorlage ein wichtiges Gesetz. Sie kommt den Frauen entgegen. Sie sichert den Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbssituation der österreichischen Wirtschaft. Aber sie sichert auch die Rechte und die Gesundheit der österreichischen Arbeiter und Arbeiterinnen! (Beifall bei der ÖVP.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

21.15

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte mich kurz. (Demonstrativer Beifall der Abg. Steibl. ) Natürlich: Das Verbot der Frauennachtarbeit in seiner alten Fassung aufzuheben war überfällig. Aber alle, die das gewusst haben und dafür waren – so wie wir –, wussten auch: Es wird vermutlich schwierig sein, gesetzliche Schutzbestimmungen zu verankern, die vor allem sicherstellen, dass die Gesundheit derjenigen, die in der Nacht arbeiten müssen, nicht auf der Strecke oder in der Nacht übrig bleibt – dies wird gerade bei dieser Bundesregierung besonders schwierig sein! (Abg. Dr. Martin Graf: Wir machen’s jetzt!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn Kollege Trinkl sagt, wir haben mehr erreicht, als in der Richtlinie der EU verankert ist – der Rahmen geht nämlich von 22 Uhr bis 5 Uhr, obwohl die EU uns nur 24 Uhr bis 5 Uhr vorschreiben würde –, dann stimmt das nur bedingt, weil die EU offensichtlich schon deshalb, weil sie weiß, dass in jedem einzelnen EU-Land "Nacht" anders definiert wird, zumindest einen Kern von Nacht definiert hat, der in allen Ländern der EU unbestritten Nacht sein muss: 24 Uhr bis 5 Uhr.

Darüber hinaus aber, Kollege Trinkl, hat die EU gesagt: Sieben Stunden müssen es im Minimum sein. Die Österreicher haben gesagt: gut, sieben Stunden, das geht gerade noch – und das ist so gemacht worden, sieben Stunden und keine Stunde mehr! Dann hat es noch das Geziehe und Gezerre darüber gegeben, wann in Österreich die Nacht anfängt, um 22 Uhr, um 23 Uhr oder um 24 Uhr. Weil das zwischen denen, die die Interessen derjenigen vertreten, die eher früh am Morgen arbeiten, und denen, die spät arbeiten, auch noch hin- und hergezogen worden ist, hat man sich eben darauf geeinigt – aber nicht etwa darauf, Nachtarbeit beispielsweise über acht Stunden zu definieren, weil das ja um eine Stunde über dem gewesen wäre, was die EU als Minimum verlangt hat!

Das heißt: Erreicht wurde nichts, und gefeiert werden kann nichts! Gefeiert werden kann nur, dass wir uns auf das absolute Minimum beschränkt haben. Wenn Sie das schon als Grund zum Feiern sehen, dass wir uns auf das Minimum beschränkt haben, dann wirklich: gute Nacht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Nürnberger: Feiern kann schon wer, aber die Arbeitnehmer nicht!)


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111. Sitzung / Seite 221

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Kollege Trinkl sagt: Niemand will ausschließen, dass es über diese minimalen – für ihn ja optimalen – Zeiten hinausgehende Vereinbarungen der Kollektivvertragspartner gibt, dann stelle ich mir schon bildlich vor, wie die "großen" und "starken" Gewerkschaften der Bäcker und des Reinigungsgewerbes aufmarschieren werden und mit ihren "mächtigen" Kampforganisationen, vor allem im Reinigungsbereich, dem Kollektivvertragspartner abringen werden, dass die Zeit, die sie tatsächlich in der Nacht arbeiten, auch als Nacht gilt!

Das, was uns Kollegin Silhavy mit ihrem überdimensionierten Wecker vorgeführt hat, ist nämlich der Kern des Problems. Wenn ich um 3 Uhr zu arbeiten beginne, dann gilt das laut neuem EU-Nachtarbeitsgebot nicht als Nachtarbeit, auch wenn ich deswegen schon um halb zwei aufstehen muss, weil ich von irgendwo aus dem Weinviertel zu meinem Arbeitsplatz hereinpendeln muss. Das ist egal! Auch wenn ich um 1 Uhr aufstehen müsste, damit ich um halb drei oder um drei zu arbeiten beginnen kann, dann ist das nach den neuen österreichischen Bestimmungen nicht Nachtarbeit.

Da hört sich der Spaß dann schon wirklich auf und darum: gute Nacht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: War nicht unwitzig!)

21.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

21.19

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz auf das Bundessozialämterreformgesetz zu sprechen kommen, obwohl Frau Gatterer bereits inhaltlich darauf eingegangen ist und im Wesentlichen schon dargelegt hat, was durch dieses Gesetz geschehen soll. Vielleicht einige Betrachtungen aus der Praxis, wie ich das Ganze sehe: wenn die regionalen Stellen besser arbeiten können, wenn sie mehr Verantwortung haben, wenn alle neun Bundesländer eine Landesstelle haben – jetzt gilt das nur für sieben –, wie sich das auf die Behinderten weiter positiv auswirken kann.

Der Servicegedanke steht an erster Stelle. Es soll selbstverständlich auch die Verwaltung reformiert werden, und es soll eingespart werden. Aber wir wollen in erster Linie natürlich erreichen, dass unsere behinderten Mitbürger noch besser betreut werden.

Die Zusammenarbeit mit den Bundesländern – wobei ja die Aufgaben geteilt werden – kann sich nur verbessern. Es ist in dem Gesetz auch angeführt, dass zusammen mit dem territorialen Beschäftigungspakt weitere Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und mit den Projektträgern eröffnet werden sollen. Die Leiter und Leiterinnen der Landesstellen sind gefordert, hier neue Wege zu suchen, und sie werden sie auch finden.

Nur ganz kurz noch: Ich denke daran, was schon geschehen ist und was der Herr Sozialminister mit der Behindertenmilliarde zustande gebracht hat. Daran haben die Bundessozialämter einen großen Anteil. (Abg. Öllinger: Kollege Staffaneller, die Speerspitze der freiheitlichen Arbeitnehmer!) Es sei den Bediensteten dafür gedankt, dass sie hier mit so großem Einsatz gearbeitet haben.

Zu Beginn dieser Regierungszeit waren 40 540 arbeitslose Behinderte vorgemerkt. (Abg. Haidlmayr: Und jetzt sind es um 2 800 mehr!) Im Jahresdurchschnitt des Jahres 2001 waren es um 28 Prozent weniger, nämlich 29 767. Ende Juni 2002 waren es 28 727. (Abg. Öllinger: Sie lesen die Tabelle falsch! – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Die Zahlen sind also ständig zurückgegangen. Es ist klar, dass es innerhalb der Monate Schwankungen gibt. Frau Haidlmayr, wenn Sie die Statistiken richtig lesen können, dann werden Sie das bemerken. (Abg. Haidlmayr: Sie sind ...!)

Frau Haidlmayr! Ich hätte zu Ihnen noch eine Bemerkung. Ich weiß, dass Sie sich für die Behinderten sehr einsetzen und dass Sie mit Herz daran arbeiten, die Situation zu verbessern. Ich verstehe Sie jedoch darin nicht, dass alles, was diese Bundesregierung macht, von Ihnen


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schlecht gemacht wird. (Abg. Haidlmayr: Weil es nur Einschnitte gibt! Schauen Sie sich die Unfallrentenbesteuerung an ...!) Ich verstehe auch nicht, dass Sie in diesem Fall wieder versuchen, Nachteile für unsere behinderten Mitbürger zu schaffen, indem Sie alles negieren. Ich möchte Sie ersuchen: Arbeiten Sie gemeinsam mit uns, arbeiten Sie mit uns zusammen, schauen wir, dass wir die Situation gemeinsam noch verbessern können! (Abg. Öllinger: Was? Eine Koalition?)  – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das geht nicht! Keine Koalition mit den Freiheitlichen!)

21.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte. (Abg. Öllinger: Jetzt wird es schon sehr ruhig herinnen!)

21.23

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Trinkl! Wenn Sie mir erklären, dass Sie die Diskriminierung von Frauen abschaffen, dann ist allein dieser Satz schon Grund genug dafür, dass bei mir alle, aber auch wirklich alle Alarmglocken zu läuten beginnen! – Das nur einmal vorweg. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Thema Nachtarbeit. – Es ist sicherlich unumstritten, dass Nachtarbeit eine besondere Belastung für alle Menschen bedeutet, die diese Form der Arbeit durchführen müssen. Arbeitsmediziner haben festgestellt, Nachtarbeit bedeutet, dass die Leistung 160 Prozent im Verhältnis zu einer Tagarbeit beträgt, es handelt sich also um eine extrem belastende, schwere Tätigkeit. Jene Menschen, die in der Nacht arbeiten müssen, haben in späterer Folge auch langwierige Formen von Krankheiten zu erwarten. Außerdem wurde vor kurzem im "Spiegel" in einem Artikel ausgesagt, dass sich bei Frauen, die in der Nacht arbeiten müssen, das Brustkrebsrisiko um 50 Prozent erhöht. Diese Erhöhung tritt auch dann schon ein, wenn sie diese Arbeit nur innerhalb eines halben Jahres durchführen müssen.

Außerdem haben Menschen, die in der Nacht arbeiten müssen, Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt. Sie haben Probleme im Zusammenhang mit dem Schlaf, weil der Lärmpegel am Tag ganz einfach wesentlich höher ist und daher der Tiefschlaf nicht so zum Tragen kommt wie bei jenen Menschen, die in der Nacht schlafen können. Man darf auch den Umstand nicht außer Acht lassen, dass das Familienleben sehr unter der Nachtarbeit leidet. Der Kontakt zu Freunden und Freundinnen oder zu Bekannten, aber auch der Zugang zur Bildung, zum Sport und zur allgemeinen Kultur ist denjenigen, die in der Nacht arbeiten müssen, wirklich sehr erschwert.

Daher wäre es eine historische Möglichkeit gewesen, im Zusammenhang mit der Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes bessere Bestimmungen für Männer und für Frauen, die in der Nacht arbeiten müssen, zu schaffen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das haben wir gemacht!) Herr Bundesminister, ich höre Ihre Worte wohl, allein mir fehlt der Glaube! (Beifall bei der SPÖ.) Was diese Bundesregierung gemacht hat, ist einzig und allein eine Minimallösung, aber nicht mehr! Anders gesagt, die Gesundheit der Menschen, die in der Nacht arbeiten müssen – und das sind immerhin 300 000 in Österreich, darunter 90 000 Frauen –, und die Lebensqualität dieser Menschen sind dieser Bundesregierung offensichtlich nicht wichtig. Sonst würde das Gesetz nicht so aussehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister Bartenstein! An Ihre Adresse gerichtet: Es ist auch bei diesem Gesetz wieder ganz klar, dass sich der Wirtschaftsminister durchgesetzt hat. Die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind Ihnen wieder einmal nicht wichtig, Herr Bundesminister, das hat sich ganz deutlich herausgestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger: Sie waren noch nie wichtig!) Ich zitiere Herrn Abgeordneten Nürnberger: Sie waren Ihnen anscheinend noch nie wichtig!

Ich möchte auch feststellen, dass es ganz einfach nicht zu verstehen ist, dass man in einem Land wie Österreich, das trotz Ihrer Bundesregierung und trotz der Form, in der Sie derzeit regieren, noch immer zu den reichsten Ländern dieser Welt gehört, wirklich nur eine Minimalforderung einlöst und ganz einfach nicht bereit ist, Präventivmaßnahmen zu setzen. Jeder von


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uns, der sich ein bisschen in der Gesundheitspolitik auskennt, weiß ganz genau, dass Präventivmaßnahmen wesentlich sinnvoller, billiger und humaner als irgendwelche Rehabilitationsmaßnahmen sind. Das haben Sie bei diesem Gesetz verabsäumt! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ja nicht so, dass wir keine guten Ideen gehabt haben. Wir haben diese Forderungen auch sehr lautstark artikuliert. Eine unserer Hauptforderungen ging in die Richtung, dass man jenen Menschen, die in der Nacht arbeiten müssen, ein Zeitguthaben gibt, konkret ein Freizeitguthaben im Ausmaß von 10 Prozent, das man ganz einfach nicht mit Geld abkaufen kann. Dieser Zeitausgleich wird von Arbeitsmedizinern und Arbeitsmedizinerinnen als wichtige Möglichkeit betrachtet, um die starken Belastungen dieser Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnengruppe abzufedern. Das haben Sie unterlassen, wie viele andere wichtige Positionen auch!

Es ist schon gesagt worden, dass es zu einer Verkürzung der Nachtarbeit auf den Zeitraum von 22 Uhr bis 5 Uhr – statt von 22 Uhr bis 6 Uhr – kommt. Dadurch ersparen sich die Betriebe natürlich wieder einigermaßen Cash, und das ist natürlich auch im Interesse Ihrer Klientel, Herr Bundesminister Bartenstein! (Abg. Mag. Schweitzer: Ersparen sich einigermaßen was?) Darüber hinaus ist die Definition jener Menschen, die Nachtarbeit leisten, in dieser Gesetzesvorlage so eng gefasst, dass sehr viele nicht in den Genuss dieser gesetzlichen Regelung kommen und damit auch die Vorteile dieses Gesetzes, die ohnehin schon gering sind, auch nicht für sich in Anspruch nehmen können.

Als Sie gesagt haben, es besteht die Möglichkeit oder es ist in diesem Gesetz geregelt, dass es einen Versetzungsanspruch gibt, haben Sie natürlich dazugesagt: entsprechend den betrieblichen Möglichkeiten. – Na ja, das kann ich auch so formulieren: Wenn es in einem Betrieb keinen guten Betriebsrat gibt, kann man sagen, alles ist fix, nichts ist möglich!

Darüber hinaus haben Sie es auch verabsäumt, einen Kündigungsschutz einzuziehen, der jene Personen schützt, die aus persönlichen Gründen, aus familiären Gründen nicht in der Nacht arbeiten wollen. Weitere wichtige Rahmenbedingungen wie Transportmöglichkeiten und warme Speisen finden ebenfalls keinen Eingang in dieses Gesetz.

Meine Damen und Herren! Ich bringe es auf den Punkt: Trotz des Umstandes, dass Nachtarbeit für Männer und Frauen gesundheitsgefährdend und schlecht ist, dass man sich ein Leben lang nie an diese verkehrte Arbeitszeit gewöhnen kann und dass das Zusammenleben in der Familie, mit Partnern, mit Freunden sowie das Teilnehmen am gesellschaftlichen Leben erschwert wird, haben Sie vor, nur eine ganz kleine Minimallösung herbeizuführen. Sie denken nicht daran, Nachtarbeit so zu gestalten, dass die schweren gesundheitlichen Folgen abgefedert werden. Das interessiert Sie nicht, Sie ziehen sich aus Ihrer sozialen Verantwortung. Sie haben kein soziales Empfinden für die Kolleginnen und Kollegen, die in der Nacht arbeiten müssen. Die KollegInnen werden Ihnen das sicherlich nicht vergessen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Haupt. – Bitte.

21.30

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zur Bundessozialämterreform noch einige kleine Randbemerkungen machen. Ich möchte nicht Kollegin Haidlmayr oder den Behindertenorganisationen in Österreich etwas von ihrem Ruhm streitig machen, aber ich glaube, es sollte der Ordnung halber auch festgestellt werden, dass ich am 24. Oktober 2000, als ich mein Amt angetreten habe, eine Situation vorgefunden habe, in der die Länder bereits weitestgehend die Schließung der Bundessozialämter mit dem Bund vereinbart hatten und daher nur mehr die Diskussion über die Neuordnung in diesem Bereich angestanden ist. (Abg. Silhavy: Die Diskussion über die Frau Sickl!)

Das Rad der Zeit wurde nicht zurückgedreht, sondern die Verhandlungen konnten dankenswerterweise durch die Unterstützung der angesprochenen Kreise – angefangen von den Behindertenorganisationen über sehr viel Unterstützung von außerhalb bis hin zur vor allem sehr guten und wirklich unterstützenden Mitarbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, allen voran


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Sektionschef Gruber und seine Mitstreiter aus der Sektion – so beendet werden, dass wir heute diesen Gesetzentwurf vorliegen haben.

Ich möchte nicht verhehlen, dass auch die Pfeil-Studie, die noch meine Amtsvorgängerin Hostasch in Auftrag gegeben hat, eine wichtige Flankenstellung gegeben hat, sodass die ursprünglich mit den Ländern paktierten Vereinbarungen, die Bundessozialämter aufzulösen und den gesamten Bereich von den Ländern lösen zu lassen, dann 2001 schlussendlich dazu geführt haben, dass der vorliegende Gesetzentwurf zum Tragen gekommen ist.

Ich glaube, dass das Bestehenbleiben der Bundessozialämter und der vorliegende Entwurf für die behinderten Menschen in Österreich einen bedeutenden Fortschritt mich sich bringen, dass die Zusammenlegung der Agenden von Ländern und Bund mit gemeinsamen Anlaufstellen eine Verkürzung der Wege, die derzeit zurückzulegen sind, bringen wird. Darüber hinaus wird durch die Eröffnung von zwei neuen Außenstellen in St. Pölten und in Eisenstadt eine größere Nähe zu den Behinderten und deren Wohnsitzen hergestellt und endlich auch dem Föderalismus so voll Rechnung getragen, dass auch dort die Harmonisierung zwischen Landes- und Bundesebene besser funktionieren kann als heute.

Ich glaube daher, dass der vorliegende Entwurf durchaus unterstützenswert ist, und ich glaube auch, dass die Verfassungsklausel unterstützenswert ist und durchaus Sinn macht, um nicht wieder die Begehrlichkeit der Länder zu wecken, das Rad der Zeit an den Anfang der Diskussion und in die Zeit der Studie von Arthur Andersen zurückzudrehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass dieses Bundessozialämterreformgesetz ein wichtiger Meilenstein ist (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr ), um auch in Österreich die Intentionen der Pfeil-Studie umzusetzen und die Situation für die behinderten Menschen zu verbessern. (Abg. Silhavy: Bei Ihnen ist bald was ein Meilenstein!)

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, Frau Kollegin Haidlmayr, dass die von Ihnen relevierten Fragen – etwa betreffend Wohnungsverbesserung und all diese Dinge – meiner Meinung nach sowohl in den Gesprächen im Ausschuss als auch in den nachfolgenden Gesprächen von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Sektion klar und deutlich beantwortet worden sind, sodass die von Ihnen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetz geäußerten Befürchtungen beseitigt sind und nicht mehr zeitgemäß und nicht mehr zutreffend sind. Auch die Absicherung der geschützten Werkstätten ist in dem vorliegenden Bereich sicher langfristig und besser möglich, weil auch hier ein wichtiger Konsens gefunden worden ist.

Ich darf allen danken, die mitgearbeitet haben, damit dieses Gesetz heute mit möglichst großer Mehrheit verabschiedet werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

21.34

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Einen Vers ins Stammbuch der Opposition, insbesondere in das meiner Vorrednerin, Frau Abgeordneter Csörgits: Wir schaffen heute keine neuen Entlohnungs- oder Besoldungsbestimmungen. Das betrifft sowohl die von der Gewerkschaft in der Verhandlung geforderten Zeitgutschriften als auch dienstrechtliche oder kollektivvertragliche Bestimmungen, die für die Arbeitnehmer allenfalls günstiger sind als die heute zu beschließenden Änderungen, weil dort zum Beispiel Anspruch auf Nachtarbeitszuschläge bereits bei Arbeit vor 6 Uhr morgens entsteht und nicht nur vor 5 Uhr.

Solche Kollektivverträge bleiben völlig unberührt. Allfällige Änderungen sind im Sinne der ÖGB-Urabstimmung Angelegenheit der Kollektivvertragspartner, wenn diese das wollen und auch vereinbaren. Das gilt sinngemäß natürlich auch für dienstrechtliche Bestimmungen bei den Vertragsbediensteten.


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111. Sitzung / Seite 225

Das nur als Vers für das Stammbuch der SPÖ, insbesondere meiner Kollegin. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

21.35

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Hohes Haus! – Herr Bundesminister Haupt! Sie haben gerade vorher in Ihrer Rede gemeint, Sie hätten hier eine Situation vorgefunden, in der Sie schnell handeln mussten: Das sei unbestritten Ihr Verdienst, aber ich glaube mich schon erinnern zu können, dass Ihre Vorgängerin aus der Freiheitlichen Partei kam. Das will ich nur in Erinnerung rufen. (Abg. Silhavy: Wie hat die geheißen? – Abg. Nürnberger: Sickl!) Ich glaube, das war Frau Sickl, soweit ich mich erinnern kann.

Herr Bundesminister Bartenstein! Da Sie Herrn Androsch zitiert haben, bietet sich auch eine gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie denn das tatsächlich war. Ja, es ging um eine Investition, um eine Firmengründung, um die Ausweitung einer Produktionsstätte. Und in diesem Zusammenhang gab es – der Zeuge sitzt ja hier – sehr intensive Verhandlungen zwischen dem Kollegen Nürnberger und dem Kollegen, dem Herrn Androsch. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)  – Man kann auch Kollege sagen. Das ist in Ordnung.

Das Ergebnis dieser Verhandlungen, Herr Bundesminister, war keine Sonderregelung für AT&S, sondern ein Kollektivvertrag, der für die gesamte Metallindustrie gegolten hat. Und hätten Sie diesen übernommen, dann hätten wir die Debatte heute nicht. Das will ich nur entsprechend anmerken, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

In knapp 25 Minuten beginnt die Nachtarbeit. Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien Sie doch ehrlich zu sich selbst: Wir sind heute den dritten Tag hier, den zweiten Tag in einer sehr langen Sitzung. Geht es uns gut? (Abg. Parfuss: Nein!) Ich frage das deswegen, weil bei einer Enquete, die die sozialdemokratische Fraktion vor wenigen Tagen hier im Haus abgehalten hat, sehr deutlich von einer Teilnehmerin gesagt worden ist, alle, die über Nachtarbeit reden, sollen jeden Tag um 22 Uhr beginnen. In 25 Minuten beginnen Hunderttausende mit der Nachtarbeit, und um die geht es.

Herr Bundesminister! Wenn Sie hier die Sozialpartner ansprechen: Ich weiß schon, das ist eine sehr schwierige Materie, sowohl für Sie als Minister als auch für uns als Sozialpartner. Aber Sie haben zu diesem Gespräch eingeladen. Und was konnte man dort hören? Sie sind ja Zeuge, ein zweiter Zeuge ist leider nicht im Raum. Also was konnte man dort hören auf das Argument Zeitguthaben? – Das ist alles gut und richtig und alles wichtig, das würde sogar die Produktivität erhöhen, aber für uns als Wirtschaft ist es jetzt im Moment wichtiger, die Lohnnebenkosten zu senken. Daher können wir das nicht machen. – Die Wirtschaft schneidet sich damit ins eigene Fleisch.

Herr Bundesminister! Einen Beweis können Sie mir nicht liefern: dass Sie hier für Arbeitnehmer entschieden haben. Sie haben hier nicht für Arbeitnehmer entschieden. Mit diesem Vorschlag, den Sie auf den Tisch legen, ist eindeutig für die Wirtschaft entschieden worden. Ich weiß schon, dass es schwierig ist, wenn man eine Entscheidung treffen muss, vor allem dann, wenn man immer wieder von den Sozialpartnern fünf Minuten später aufgefordert wird, ihre Ergebnisse zu berücksichtigen. Sie tun es aber nicht in jedem Fall. Hier haben Sie es auch nicht getan. (Abg. Nürnberger: Er ist der Stärkere!)

Sie haben eine Entscheidung getroffen, die aus meiner Sicht eben genau dem widerspricht, was als richtig und wichtig anerkannt wird. (Abg. Nürnberger: Immer diese Arbeitnehmer!) Wenn man Nachtarbeit leistet, ist es entscheidend, welche Erholungsphasen es gibt. Wenn Sie auf die Untersuchungen hinweisen, so ist unbestritten, dass sie wichtig und notwendig sind – aber sie kommen immer erst danach. Die Prävention wäre viel wichtiger. Wenn man erkennt, dass Nachtarbeit eine belastende Arbeit ist, warum übernimmt man dann nicht Beispiele aus der Praxis?


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Da gibt es bei einer Firma in Oberösterreich eine kürzere Arbeitszeit, und zwar 10 Prozent weniger für Menschen, die in der Nacht arbeiten. Erhöhte Produktivität ist das Ergebnis. Aber die Menschen, für die diese Maßnahme von minus 10 Prozent Arbeitszeit gilt, haben auch mehr von ihren Familien, haben mehr Zeit für Vereine, sie sind Teilnehmer an der Gesellschaft und nicht ausgeschlossen.

Wir haben in diesem Gesetz keinerlei Regelung, die zum Beispiel vorsieht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Nacht arbeiten, die gleichen Qualifikations- und Weiterbildungschancen haben wie jene, die am Tag beschäftigt sind. Auch das wäre eine wichtige Materie. Sollen wir in Wirklichkeit einen Zustand fortschreiben, der erkennbar in eine negative Richtung wirkt? – Meiner Meinung nach ist das der falsche Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren: Nehmen Sie Ihren Vorschlag zurück und treten Sie unserem Entschließungsantrag bei, dann ist es eine echte Verbesserung! Es sollte nicht so sein, dass wir uns auf internationaler Ebene damit brüsten, dass wir jede technische Neuerung mitmachen, aber wenn es um Menschen geht, dann sagen wir, wir bleiben beim Mindestmaß. Ich glaube, wir hätten Zeit, hier eine Entscheidung zu treffen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

21.40

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Ich möchte zum Bundessozialämterreformgesetz sprechen. Ich denke mir, das ist ein sehr wesentliches Gesetz, geht es doch darum, wie behinderte Menschen in unserer Gesellschaft in Österreich beraten, betreut und integriert werden.

Begonnen hat es im Jahr 2001 – das wurde heute schon mehrmals erwähnt – mit der arroganten Rute einer blau-schwarzen Koalitionsregierung, die gemeint hat, es müssten die Bundessozialämter zerschlagen werden, obwohl die Bundessozialämter mit weniger Personal immer mehr zusätzliche Aufgaben übernommen und diese mit Kompetenz und Engagement erfüllt hatten.

Zu den zusätzlichen Aufgaben gehörten Gemeinschaftsprogramme, die Abwicklung für den Europäischen Sozialfonds, die Abwicklung der halben und Dreiviertel-Behindertenmilliarde. All diese Maßnahmen wurden mit Engagement, Fachkompetenz und Umsicht durchgeführt. Deswegen, so denke ich mir, ist es auch wesentlich, dass wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundessozialämter einmal danke sagen für ihre effiziente Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn von dieser Seite des Hauses (in Richtung der Freiheitlichen) dazu nur ein Lachen kommt – was wieder einmal zeigt, wie die Arroganz der Macht zuschlägt –, will ich bei diesem Thema bleiben, denn nach der Gefahr der Zerschlagung haben die Proteste Wirkung gezeigt. In der heutigen Vorlage gibt es nunmehr eine Aufteilung auf neun Landesgeschäftsstellen, und die Regionalisierung muss so vonstatten gehen, Herr Minister, dass die Akten wandern und nicht die Menschen. Sie haben dafür die Zusage gemacht, und wir werden darauf ganz genau achten.

Ein weiterer Punkt beim Bundessozialämterreformgesetz ist die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen, weil der allgemeine Lärmpegel im Saal sehr hoch ist.) Auch hier ist darauf zu achten, dass es eine einheitliche Behandlung gibt, und wir werden darauf achten. Es muss eine einheitliche Behandlung von behinderten Menschen geben. Von Wien bis Bregenz müssen sie die gleichen Angebote bekommen.

Es ist auch wesentlich, dass es noch keinerlei Richtlinien von Seiten des Bundes bezüglich der Finanzierung gibt. Es kann nicht so sein, dass Aufgaben abgetreten werden, jedoch die Finanzierung dann sozusagen auf der Strecke bleibt. Auch darauf, Herr Minister, werden wir achten. Der Bund muss seine Aufgabe erfüllen. Seien Sie dessen gewiss: Wir werden ganz genau darauf achten.


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111. Sitzung / Seite 227

Unsere Verhandlungserfolge im Zuge der Gespräche sind, dass wir 1 400 Arbeitsplätze für behinderte Menschen sichern konnten, dass nun die integrativen Betriebe mit Sitz und Stimme im Beirat des Ausgleichstaxfonds vertreten sind, dass die Bundessozialämter als eigene Dienstbehörde gelten und dass zwei Behindertenvertreter in der Bundesberufungskommission entscheiden können.

Wir stimmen dem Gesetz heute zu, aber, Herr Minister und die blau-schwarze Regierung, Sie müssen Acht geben, denn wir achten darauf, dass behinderte Menschen in Österreich nicht arrogant zur Seite geschoben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

21.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Grollitsch zu Wort gemeldet. Er kennt die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

21.43

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Der Vorvorredner, Herr Präsident Verzetnitsch, hat behauptet, dass die Aufhebung der Nachtarbeitsregelung für AT&S in Hinterberg keine Sonderregelung für Androsch und sein Werk war, sondern für die gesamte Metallerbranche Gültigkeit gehabt hätte. (Abg. Verzetnitsch: Hat! Kollektivvertrag!)  – Das ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr – ich war selbst bei der damaligen Beschlussfassung dabei und kenne als Leobener Abgeordneter die Situation vor Ort –, dass es sich bis zum heutigen Tag ausschließlich um eine Sonderregelung für AT&S, dem Parteikollegen zuliebe, gehandelt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

21.45

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf behaupten, dass der Vorredner eindeutig die Unwahrheit gesprochen hat, denn ich glaube, Sie werden mir doch zugestehen, dass ich als der Verantwortliche, der das federführend verhandelt hat, weiß, was ich gemacht habe.

Ich darf Ihnen sagen, dass wir dem Herrn Dr. Androsch in hohem Maße zu Dank verpflichtet sind, und dafür könnte jetzt sogar der gesamte Fachverband der Elektroindustrie oder der Herr Generalsekretär der Wirtschaftskammer hier als Zeuge auftreten. Wir haben nämlich mit der Firma AT&S – und nicht mit Androsch selbst – die Grundsätze vereinbart, nach denen man Nachtarbeit betreiben kann, also Zuschläge, Sicherung des Tagesarbeitsplatzes, warmes Essen und all das. Und genau diese Bestimmungen sind Gegenstand im Industrie-Metall-Kollektivvertrag. Auf dieser Basis hat er dann die Betriebsvereinbarung bekommen, und mittlerweile gibt es zig derartige Vereinbarungen.

Herr Androsch hat größte Schwierigkeiten gehabt, das in seinem Fachverband durchzusetzen. Also die Arbeitnehmer dieses Landes sind Androsch zu Dank verpflichtet, und wir wären froh, wenn wir das in allen Kollektivverträgen hätten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Wunsch auf ein Schlusswort von Seiten eines Berichterstatters oder einer Berichterstatterin liegt nicht vor.

Wir gelangen daher zu den Abstimmungen. Diese werden über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vorgenommen.


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111. Sitzung / Seite 228

Als Erstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1142 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dolinschek, Gatterer einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung dieses Abänderungsantrages abstimmen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass der Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, und stelle fest, dass das erforderliche Quorum gegeben ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in 1142 der Beilagen unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, weil einstimmig, in zweiter Lesung angenommen.

Wir kommen sofort zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung einstimmig, das heißt ebenfalls mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz in 1180 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Silhavy und Fraktion einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom Abänderungsantrag betroffenen und dann über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordnete Silhavy hat einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 § 12a bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir stimmen nun über diesen Teil der Vorlage in der Fassung der Regierungsvorlage ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass dies mit Stimmenmehrheit angenommen ist.

Wir stimmen ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass diese restlichen Teile mit Stimmenmehrheit in zweiter Lesung angenommen sind.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Silhavy betreffend die Abmildung der schädlichen Folgen der Nachtarbeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag betreffend die Abmildung der schädlichen Folgen der Nachtarbeit zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Antrag hat nicht die Mehrheit und ist daher abgelehnt.


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111. Sitzung / Seite 229

Schließlich stimmen wir ab über den Antrag des Sozialausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages, nämlich Abkommen mit der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit, in 971 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Die Genehmigung erfolgt einstimmig.

Damit haben wir diesen Teil unserer Tagesordnung erledigt.

12. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1140 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird, und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1262 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 442/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufsbildes AltenfachbetreuerIn und einer zeitgemäßen, in Modulen aufgebauten, umfassenden Ausbildung zur AltenfachbetreuerIn (1263 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 468/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende Reform der Gesundheitsberufe (1264 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1035 der Beilagen): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1265 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1266 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 583/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern (1267 der Beilagen)


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111. Sitzung / Seite 230

18. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 584/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht (1268 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1143 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (1269 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 12 bis 19 der Tagesordnung, über die eine gemeinsame Debatte erfolgt.

Wünscht jemand von den Berichterstattern das Wort? – Dies ist offenbar nicht der Fall.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

21.53

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Gesundheitsminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte dort beginnen, wo ich heute bei der Diskussion um die 60. ASVG-Novelle aufgehört habe. Sie sind in der Gesundheits- und Sozialpolitik schlicht und ergreifend gescheitert, meine Damen und Herren. (Abg. Neudeck: Gescheiter, nicht gescheitert! Gescheiter!) Daran ändert auch die Beschwichtigungsrhetorik des Herrn Kollegen Schender nichts, denn, Herr Kollege Schender, die Lautstärke kann niemals Argumente ersetzen, und Argumente sind bei Ihrer Ansprache leider etwas rar gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wir heute das Heilmasseurgesetz gemeinsam beschließen werden, weil es viele gemeinsame Anknüpfungspunkte gibt wie zum Beispiel die Klarstellung der berufsrechtlichen Stellung, die Regelung der Ausbildung in Modulen und dergleichen.

Eines ist jedoch klar, meine Damen und Herren: Die Ahnungslosigkeit, gepaart mit einem Schuss oder mit einer gehörigen Portion Ignoranz, im Bereich der Gesundheitspolitik hat fatale Folgen für die Menschen in diesem Lande. Hauptverbandsreform, Ambulanzgebühren, ASVG-Novelle mit Rücklagenabschöpfung, um nur einige Beispiele zu nennen, sind wohl Beweis genug, um Ihre Unfähigkeit gerade im Bereich der Gesundheitspolitik zu dokumentieren.

Herr Minister! Sie haben in den letzten Tagen Post vom Verfassungsgerichtshof bekommen, worin er Ihnen mitteilt, dass die Beschlussfassung über die Reform des Hauptverbandes, dass die Beschlussfassung bezüglich der Ambulanzgebühren wohl offensichtlich verfassungswidrig ist. Und dies haben wir Ihnen in vielen, vielen Sitzungen hier im Haus und im Ausschuss mitgeteilt. Wir haben Ihnen immer wieder gesagt, dass diese Art der Politik, wie Sie sie machen, schlicht und ergreifend scheitern wird und der Verfassungsgerichtshof Sie dann eines Besseren belehren wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Manfred, warum regst du dich so auf?) Ich bin eh so harmlos.

Aber auch die Medien, meine Damen und Herren, teilen Ihnen dies mit, und es ist nicht immer nur die böse Opposition, die sich darüber mokiert, dass Sie hier in diesem Haus Gesetze beschließen, die dann anschließend beim Verfassungsgerichtshof einer Überprüfung nicht standhalten und in letzter Konsequenz fatale Folgen für die Menschen in diesem Lande haben.

Ich darf Ihnen, Herr Minister, einen Artikel aus den "Salzburger Nachrichten" vorlesen, in dem der Chefredakteur Ihnen mitteilt, dass Sie kein Interesse an einer Sanierung des Gesundheitswesens haben. Er teilt Ihnen auch mit, dass die Protagonisten der schwarz-blauen Koalition voll Eifer behaupten, diese Regierung hätte einen Beitrag zur Sanierung des Gesundheitswesens


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111. Sitzung / Seite 231

geleistet. Er erwähnt in diesem Artikel Konzepte, die Sie bisher weder gewillt noch in der Lage waren dem Hohen Haus vorzulegen.

Ein weiterer Artikel erschien in der "Kleinen Zeitung", ein Kommentar unter dem Titel "Scherbenhaufen" von Erwin Zankel. Da teilt er Ihnen in Anspielung auf die Erkenntnisse beziehungsweise auf die Mitteilung des Verfassungsgerichtshofes mit, dass Ihnen, Herr Minister, ein heißer Herbst bevorsteht. Sollte es nämlich zu dem befürchteten Scherbenhaufen kommen, also zur Aufhebung der Hauptverbandsreform und der Ambulanzgebühren, würde Ihre Zeit unweigerlich ablaufen, denn Sie, sehr geehrter Herr Minister, wären als Pfuscher entlarvt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Das werden Sie hoffentlich wohl nicht als Lob auffassen, das müsste Sie wirklich eher dazu anhalten, künftig etwas mehr auf die Zurufe der Opposition zu hören, denn jedes Mal, wenn Sie das getan haben – siehe Rettungssanitätergesetz oder teilweise im Bereich des Heilmasseurgesetzes –, hat es dann in letzter Konsequenz auch geklappt.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Schluss auf einen besonderen Vorfall im Gesundheitsausschuss eingehen. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Bei diesen Beratungen wurde von Ihnen, Herr Abgeordneter Pumberger, ein Antrag gemäß § 27a GOG im Zuge der Verhandlungen um die Patientencharta eingebracht. (Abg. Dr. Pumberger: Der war gut! – Abg. Mag. Schender: Redezeit!) Herr Kollege Pumberger! Ich glaube, dass dieser § 27a-Antrag – und das wissen Sie natürlich auch – in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dieser Patientencharta stand, denn es mag schon sein, Herr Kollege Pumberger, dass zwei Wörter sowohl in der Patientencharta wie auch im § 27a-Antrag identisch waren, aber das ist noch kein inhaltlicher Zusammenhang.

Aus dem Gesagten, Herr Kollege Pumberger, folgt, dass dieser § 27a-Antrag unzulässig war. (Abg. Dr. Pumberger: Die Entscheidung trifft der Präsident!) Ihre Entscheidung war geschäftsordnungswidrig, und der § 27a-Antrag ist daher als nichtig anzusehen, Herr Kollege Pumberger. (Abg. Dr. Pumberger: Redezeit!)

Wir werden es uns vorbehalten, dies in einem Schreiben dem Bundespräsidenten mitzuteilen, weil wir glauben, dass dieses Gesetz nicht gesetzeskonform, nicht verfassungskonform zustande gekommen ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr. )

Noch ein Wort an Herrn Klubobmann Dr. Khol. Er ist jetzt leider nicht im Haus. (Abg. Mag. Mühlbachler: Oh ja!) Er hat sich am Dienstag bei einem Antrag der Grünen als Gralshüter der Verfassung und der Geschäftsordnung besonders hervorgetan. Er hätte in diesem Zusammenhang wohl eher Handlungsbedarf im eigenen Klub, in der eigenen Regierungskoalition, denn sonst könnte es allzu leicht passieren, dass er seine Glaubwürdigkeit verliert.

In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

21.59

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Nachdem meine eigenen Kollegen zu mir gesagt haben, ich muss mich kurz fassen, muss ich meine Redeflut beschränken, denn ich wollte allen mitteilen, wie toll das Heilmasseurgesetz ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bravoruf des Abg. Dr. Pumberger. )

40 Jahre lang wurde erfolglos verhandelt, aber das Gesetz hat jetzt ganz eindeutig einen Vater, und zwar den Herrn Minister, der wirklich ständig am Gaspedal gestanden ist – um in der Autofahrersprache zu sprechen. Wir hatten harte Auseinandersetzungen, aber letztendlich ist es,


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111. Sitzung / Seite 232

denke ich, ein international sehr gut herzeigbares Gesetz geworden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Kein Gaspedal!)

Ich möchte auch allen anderen Beteiligten danken – Frau Oberrätin Dr. Hausreither, Herrn Talowski, Herrn Dijak, Herrn Dr. Hartl und Herrn Hable. Es war, wie gesagt, ein hartes Ringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was sind – im Eilzugstempo gesagt – die drei wichtigsten Dinge bei diesem Gesetz? – Erstens eine Zweiteilung des Berufsbildes, damit die Versorgung im Spital sichergestellt ist. Zweitens eine qualitative Erhöhung der Anforderungen in Anlehnung an die Regelung in Deutschland. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Drittens eine vertretbare, gute Aufschulung für gewerbliche Masseure, damit auch sie diesen neuen Heilberuf ausüben können.

Dies ist nach dem Rettungssanitäter nun das zweite Berufsbild, das wir in einem guten Konsens zu Stande gebracht haben. International gesehen ist dieses Gesetz sehr gut. Es wird uns sicher in diesem Fachgebiet an die Weltspitze bringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Soll ich die Uhr stellen? (Rufe bei den Freiheitlichen: 20 Minuten! Abg. Wittauer: Die Tiroler, die halten sich immer kurz, dafür inhaltlich gut! – Der sich zum Rednerpult begebende Abg. Dr. Grünewald  – in Richtung der Freiheitlichen –: Wenn Sie noch lange "20 Minuten" rufen, dann sage ich "30", wenn Sie das wollen!)

Ich habe die Uhr auf 17 Minuten gestellt. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) – Bitte.

22.01

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Rasinger hat schon Recht: Das Heilmasseurgesetz ist natürlich notwendig. Ich glaube, es ist auch ausreichend gut. Diese Mode allerdings, zu allem "Weltklasse" zu sagen, sollte man nach Abschluss der WM langsam ablegen.

Ich meine, das Gesetz ist gut, weil es den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenkommt. Man muss jedoch bedenken: Das beste Gesetz nützt nichts, wenn Heilmasseure in ihrem Betätigungsfeld nicht auch auf Patienten stoßen, die sich die Behandlung leisten können. Dieser Bedarf muss finanziell gedeckt werden, und dafür muss man im Parlament auch sorgen. Andernfalls hätten die Heilmasseure zwar eine tolle Ausbildung, müssten aber auf ihre Patienten warten und bekämen keine, außer vielleicht einigen privaten. Das wäre aber nicht die Menge, die sie brauchen, um ihre Erfahrungen zu erweitern und wirklich helfen zu können.

Das Gesetz ist gut, weil es differenziert ist. Schwierigkeiten könnte es, wie immer, bei den Übergangsregelungen geben, die für jene gelten, die ihre Ausbildung vor kurzem abgeschlossen haben. Das sind die Grenzbereiche, in denen leider nicht alles ohne Ungerechtigkeiten ablaufen kann.

Trotzdem haben wir uns entschlossen, dem zuzustimmen, weil wirklich über Jahre "herumgewurschtelt" wurde. Man hat zwar sicher seriös gearbeitet, aber es hat Jahre gebraucht, um etwas zu schaffen, das Qualitätssicherung, Abgrenzung und Freiheit im Beruf und Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen bedeutet. Dies ist sehr notwendig, und da wird noch viel getan werden müssen.

Zur Debatte gelangt noch ein anderes Gesetz betreffend die Rezeptpflicht. Dazu muss ich Folgendes sagen: Ich hoffe schon, ein ausreichend liberaler Mensch zu sein, auch – die Ärztekammer wird das bestätigen – ausreichend kritisch gegenüber meinem eigenen Berufsstand der Ärztinnen und Ärzte. Wenn man hier jedoch die Bestimmungen lockert und sich einfachere Verwaltungsabläufe und möglicherweise auch Kostenersparnisse erwartet, muss ich sagen: Jede Therapie erfordert im Prinzip eine Diagnose. Was ich da im Gesundheitsausschuss an Beispielen gehört habe, das zitiere ich ungern, da es – höflich gesagt – nicht die geschicktesten waren.


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111. Sitzung / Seite 233

Dort wurde argumentiert, wenn jemand länger Kopfweh oder eine andere "Banalerkrankung" hat, dann soll er oder sie sich seine/ihre Kopfwehmittel doch holen können; wenn jemand länger an Verstopfung oder dem Gegenteil davon leidet – ich möchte hier nicht zu medizinisch werden –, dann soll er sich auch etwas in der Apotheke besorgen. – Ich habe nicht wenige Patienten gesehen, die sich dieser "Therapie" Monate hindurch unterzogen haben und bei denen dann letztlich ein Darmtumor festgestellt wurde.

Ich bin nicht dafür da, den Ärzten ihr Geschäft zu besorgen, aber eine ausreichende Diagnosesicherung vor der Therapie ist in den meisten Fällen angezeigt – außer, man nimmt etwas, das nicht nützt, denn das schadet dann auch nicht. Ich meine also, dass hier noch einige Überlegungen anzustellen sind.

Zu diesem Zwischenfall, den Lackner zitiert hat: Wenn man die Geschäftsordnung strapaziert und versucht, anhand der Patientencharta, die auf der Tagesordnung war und Patientenrechte regeln soll – relativ passabel, aber auch nicht Weltklasse, müssen wir uns ehrlich eingeste-
hen –, die Regelung des Pflegegeldes für bedürftige Menschen zu ändern, dann ist das ein Trick, der im medizinischen, pflegerischen und daher im sozialen und humanen Bereich nichts verloren haben sollte. Es ist auch kein direkter Bezug gegeben, weil die Patientencharta auf die Behandlung und Versorgung von Patienten im stationären Sektor abzielt und das Pflegegeld im stationären Sektor nicht ausbezahlt wird. Es ist das also schon eine ziemliche Kapriole, die man da geschlagen hat.

Der zweite inhaltliche Kritikpunkt ist folgender: Pflegegeld dient zur Absicherung – das wird Sie auch interessieren – einer professionellen Pflege, das heißt, durch Leute, die etwas gelernt haben und das können. – Teilweise überlappen die Professionen da medizinisch auch sehr stark.

Wenn Todkranke entscheiden müssen, ob sie entweder von ihren Angehörigen gepflegt werden möchten – das ist die psychische Komponente –, dafür aber auf die professionelle Pflege teilweise oder weitgehend verzichten müssen, oder umgekehrt, so halte ich das für eine Methode, die ungeeignet ist, die Familienhospizkarenz zu dem werden zu lassen, was wir in diesem Vier-Parteien-Antrag wollten. Mehr darüber wird Frau Kollegin Haidlmayr erzählen. Da besteht, meine ich, Korrekturbedarf.

Abschließend: Es geht nicht an, dass nur Angehörige die Familienhospiz in Anspruch nehmen dürfen. Es gibt ja auch Freunde oder Partner, mit denen man nicht verwandt ist. Diese auszuschließen, ist jedenfalls schlecht. Auch das wäre unbedingt zu korrigieren.

Und dass man nur eine Bevorschussung vorsieht, einen Kredit, den die Leute dann demjenigen, der ihnen diesen Kredit gewährt hat, zurückzahlen müssen, ist auch nicht das, was wir uns unter einer humanen Lösung vorgestellt haben. (Beifall bei den Grünen.)

22.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

22.07

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Gerade erhielt ich noch einen Anruf (Bundesminister Mag. Haupt: Hausbesuch! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen), mittels dessen ich gebeten wurde, stellvertretend für alle, die bei diesem Gesetz mitgewirkt haben, Herrn Georg Krückl, der hier auf der Galerie sitzt, herzlich für seine wirklich gute Mitarbeit und kreative Gestaltung zu danken, durch die es gelungen ist, dass wir heute ein wirklich gutes Gesetz beschließen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Lackner sagt, wir müssen uns auf einen heißen Herbst gefasst machen. (Abg. Dolinschek: Einen warmen Sommer haben wir schon!) Herr Lackner! Wir beschließen zwar heute das Massagegesetz, aber deswegen folgt im Herbst nicht das Saunagesetz. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Gerade als praktizierender Arzt weiß ich, wie viele Patienten sich Massagen wünschen und Massagen bräuchten, aber das Angebot an qualifizierten Masseuren war bisher viel zu gering. Es freut mich daher ganz besonders, dass es durch dieses Gesetz gelungen ist, für eine sehr wichtige Berufsgruppe, die im Gesundheitswesen eine große Rolle spielt – nämlich für die medizinischen Masseure und für die Heilmasseure –, eine geregelte Ausbildung und ein Berufsbild zu schaffen, die allgemeinen und speziellen Berufsrechte und die Berufsbezeichnungen festzulegen, spezielle Qualitätskriterien zu schaffen und vieles andere mehr.

Ich möchte nicht wieder sagen, dass dieses Gesetz ein Meilenstein ist, denn in der Gesundheitspolitik ist schon so viel geschehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich freue mich ganz einfach darüber – ich sehe, auch die meisten der Abgeordneten freuen sich mit mir (Heiterkeit bei den Freiheitlichen)  –, dass dieses Gesetz so sehr gelungen ist, dass den Patienten mehr Möglichkeiten angeboten werden können, um schneller zu einer Genesung zu kommen.

70 Prozent der Patienten leiden unter Beschwerden des Bewegungsapparates, und denen ist jetzt geholfen. Es sind zwar Mehrkosten für die Krankenkassen damit verbunden, man darf sie aber nicht als solche sehen. Die Kosten, die jetzt anfallen, wurden den Patienten 20 Jahre lang vorenthalten. (Abg. Dolinschek: So ist es!)  – So muss man das sehen.

In diesem Sinne, Herr Bundesminister, herzlichen Dank für diese gute Arbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. Abg. Dr. Pumberger begibt sich zur Ministerbank und reicht Bundesminister Mag. Haupt die Hand.)

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

22.10

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, namentlich Herrn Sektionsleiter Dr. Aigner und seiner Kollegin Dr. Hausreither herzlichst für die Arbeit danken, die sie geleistet haben. Ich denke, beide werden mir Recht geben, wenn ich sage, dass wir mit dem Heilmasseurgesetz im österreichischen Parlament schon öfters knapp vor der Ziellinie waren, sie aber bisher noch nie in Form einer positiven Abstimmung überschreiten konnten.

Die Wahlen 1995 oder auch verschiedene Unwägbarkeiten der Politik haben dieses Gesetz jeweils verhindert. Seit 1980 diskutieren und ringen wir um dieses Gesetz. Ich betrachte es als Qualitätsverbesserung für einen wichtigen Gesundheitsberuf.

Ich meine, dass die Ressentiments, die zunächst von den heute privilegierten Anbietergruppen in diesem Bereich formuliert wurden, sukzessive geschwunden sind, letztendlich auch auf Grund der Qualität, die dieses Gesetz für die neuen Heilmasseure und auch für die neuen medizinischen Masseure festlegt. Dadurch wurde schließlich diese Zustimmung möglich.

Ich darf auch all jenen Damen und Herren herzlichst danken, die im Vorfeld den Mut gehabt haben, als sämtliche Gespräche zwischen den Berufsgruppen gescheitert waren, die federführende Arbeit für ihre Berufsgruppen zu übernehmen und dieses Gesetz mit auf den Weg zu begleiten.

Auch bei den Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bereich der Gewerkschaft möchte ich mich bedanken, denn es hat nicht immer so ausgesehen, als ob es möglich wäre, den Kreis der Heilmasseurinnen, Heilmasseure und Heilbademeister mit einzubinden. Es war doch auch die Situation innerhalb der physikalischen Institute unübersehbar so, dass zwar immer von Qualität gesprochen wurde, aber auch immer das Bedürfnis im Raum gestanden ist, die Möglichkeiten des Heilbadegehilfen weiter zu prolongieren und die Ausbildung in diesem Bereich fortzusetzen.

Ich denke, dass dieses Gesetz gute Qualitätsstandards für die Zukunft bringt. Statistisch gesehen sind neben den psychischen Erkrankungen Erkrankungen des Schultergürtels und der


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Wirbelsäule die Hauptursachen dafür, dass Österreicherinnen und Österreicher nicht zur Arbeit gehen können.

Zum Zweiten zeigt die demographische Entwicklung der österreichischen Gesellschaft, dass diese Heilbehandlungen gerade für ältere Menschen in verstärktem Maße nicht nur in den Zentren und in den Rehabilitationseinrichtungen, wo sie heute angeboten werden, notwendig sind, sondern auch in integrierten Sozial- und Gesundheitssprengeln. Ich glaube, dass wir mit dem Heilmasseurgesetz diesbezüglich einen Schritt weitergekommen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es stehen für mich noch weitere wichtige Gesetze vor der Tür, die ich als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen im Sektionsbereich Gesundheit noch einer Lösung zuführen möchte. Das sind Regelungen für die MTF – mit ihrer gesamten Problematik –, für die Zahnarzthelferinnen und Zahnarzthelfer und für den gesamten Bereich der Altenpfleger, der Behindertenbetreuer und aller verwandten Betreuungsangebote und Berufsgruppen, betreffend den wir mit den Bundesländern vereinbart haben, dass er ab Dezember dieses Jahres endlich harmonisiert werden soll.

Wir haben noch Lösungen für sehr wichtige Berufsgruppen vor uns. Durch die Regelungen für die Hebammen und die Rettungssanitäter sind wir um eine Etappe weiter gekommen, aber wir sind noch nicht am Ende des Weges. Ich meine, dass es wichtig ist, in diesem Bereich weiterzuarbeiten. Danke für die Zusammenarbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

22.14

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es gibt drei wesentliche Punkte in dieser Regierungsvorlage, die ich ansprechen möchte.

Erster Punkt: Zwei klare Berufsbilder schaffen in Zukunft unter der Vielfalt am Arbeitsmarkt Ordnung bei den Masseurtätigkeiten.

Zweiter Punkt, der mir arbeitsmarktpolitisch etwas wehtut: Die Übergangsbestimmungen für die jetzt tätigen Heilbademeister und Heilmasseure treten erst mit 1. März 2003 in Kraft.

Dritter Punkt: Mit 1. März 2003 wird es für jene jetzt tätigen Heilbademeister und Heilmasseure möglich sein, auch grenzüberschreitend zu arbeiten.

Es gibt also einen negativen Punkt, aber es ist positiv, dass es diese Regelung endlich gibt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

22.16

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in dieser Debatte eigentlich nur auf einen Punkt konzentrieren, nämlich auf die Familienhospizkarenz. Ich finde es – und das habe ich Ihnen gesagt, Herr Minister – wirklich ungeheuerlich, dass man jetzt eine ganz klassische Familienleistung aus dem Pflegegeld finanziert, obwohl wir alle wissen, dass es angeblich – so wird es uns immer wieder gesagt – keine Valorisierung geben kann und wird, weil ganz einfach das Geld nicht da sei. Jetzt wird aber plötzlich eine Leistung finanziert, obwohl kein Geld da ist? – Ich frage mich, wie das gehen soll.

Herr Minister! Wenn zur Finanzierung der Familienhospizkarenz jetzt im Gesetz vorgesehen ist, dass pflegebedürftige Menschen dann Zuschüsse erhalten, wenn Angehörige die Familienhospiz leisten, dann müssen Sie auch wissen, dass Sie damit viele Menschen, die in der Sterbephase sind und keine Angehörigen haben, von dieser Leistung ausschließen. Sie schlie


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ßen auch Menschen aus, die zum Beispiel in stationären Einrichtungen sterben, wo Angehörige gerne dabei sein würden und dabei sein könnten, wo es in der Praxis dann aber nicht möglich ist, weil es keine Finanzierung für die Sterbebegleitung gibt, wenn jemand im stationären Bereich untergebracht ist – nicht einmal eine Grundfinanzierung.

Das heißt, dass in Zukunft nur jene Menschen Sterbebegleitung leisten können, die den finanziellen Hintergrund haben, um es sich auch leisten zu können, für sechs Wochen oder sechs Monate aus dem Arbeitsprozess auszuscheiden.

Herr Minister! So war es nicht gedacht. Es war auch nicht so gedacht, dass Familienangehörige dann plötzlich mit 2 000 S dastehen und einen Monat davon leben sollen, denn das ist die durchschnittliche Finanzierung, die jemand bekommt, wenn er Familienhospiz leistet.

Herr Minister! Ich möchte Ihnen etwas aus meiner beruflichen Erfahrung vor meinem Eintritt ins Parlament erzählen, damit Sie sehen, wie so eine Situation wirklich aussieht: Stellen Sie sich vor, heute kommt jemand ins Krankenhaus, weil er einen Schlaganfall erlitten hat. Wenn er dann in der Sterbephase nach Hause entlassen wird, wird es nicht ausreichen, wenn er Pflegestufe 3, 4 oder vielleicht auch 5 als Vorschussleistung bekommt und ein Angehöriger die Sterbebegleitung übernehmen soll. Dieses Pflegegeld ist ganz einfach schon durch den ambulanten Dienst verbraucht, der für ihn in seiner Situation notwendig ist.

Was bleibt dann für den pflegenden Angehörigen? – Der pflegende Angehörige hat praktisch zwei Möglichkeiten: entweder, einen ambulanten Dienst für die Pflege in Anspruch zu nehmen – dann bleibt ihm kein Geld mehr für die Sterbebegleitung seines Angehörigen –, oder auf den ambulanten Dienst zu verzichten und die Leistung selbst zu erbringen – das wird er aber nicht können, weil er ganz einfach über die professionelle Ausbildung, die jemand hat, wenn er in der ambulanten Altenbetreuung tätig ist, nicht verfügt.

Herr Minister! In dieses Dilemma bringen Sie sowohl behinderte Menschen als auch deren Angehörige. Das müssen Sie überdenken. Das ist keine Lösung für dieses Problem. Wir brauchen eine Lösung, durch die sichergestellt wird, dass es, wenn jemand Sterbebegleitung übernimmt, egal ist, ob er ein Angehöriger oder eine Freundin ist, und dass die Person, die Sterbebegleitung leistet, im Vorhinein weiß, wie viel Geld sie zur Verfügung hat. Nur so kann überhaupt einmal die Überlegung angestellt werden, ob man vorübergehend aus dem Beruf ausscheiden kann, um diese Pflegekarenz zu leisten. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Wir haben darüber gesprochen, und Sie haben mir gesagt – ich habe Ihnen auch geglaubt –, Sie wissen, dass sich mit dieser Regelung genau diese Schere, diese Problematik auftut. Ich verstehe daher überhaupt nicht, warum man ein Gesetz beschließt, das in der Praxis nichts bringt, wenn man die Problematik kennt und weiß, dass durch diese Form der Finanzierung nicht sichergestellt ist, dass Familienhospiz auch wirklich geleistet werden kann.

Ich hätte mir erwartet – und ich habe Sie auch darum gebeten –, dass wir uns noch einmal zusammensetzen und versuchen, eine Finanzierung mit klaren Regelungen zu erreichen, damit sowohl Menschen, die im Sterben liegen, als auch deren Angehörige, die Sterbebegleitung leisten wollen, wissen, wie die Situation für sie aussieht. (Beifall bei den Grünen.)

Weil ich gerade gegenüber behinderten, alten und sterbenden Menschen, mit denen ich jahrelang zusammengearbeitet habe, ein großes Verantwortungsgefühl hege und nicht möchte, dass sie unter Stress sterben müssen, kann ich diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Damit, Herr Minister, würde ich nämlich dazu beitragen, dass die Angst der Sterbenden noch größer wird. – Das will ich nicht. (Beifall bei den Grünen.)

22.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

22.22

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! (Abg. Gaugg steht an der Regierungsbank und spricht mit Staatssekretär Dr. Waneck.)  – Vielleicht


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kann Herr Gaugg mit seinem Gespräch noch ein paar Minuten warten. (Ruf bei den Freiheitlichen: Es genügt ja der Herr Minister!) – Aber es ist störend, wenn neben dem Rednerpult Privatgespräche geführt werden. Vielleicht können Sie doch noch ein bisschen abwarten. (Abg. Wittauer: Das war jetzt wichtig, das zu sagen!)  – Es hat jedenfalls Ihre Aufmerksamkeit wieder geweckt, denn während der Rede von Frau Kollegin Haidlmayr war der Lärmpegel ohnedies so hoch, dass man ihr akustisch kaum mehr folgen konnte.

Ein Thema, bei dem es darum geht, wie Menschen die letzten Wochen und Tage ihres Lebens verbringen und wie sie damit umgehen, sollte diesem Hohen Haus doch noch ein paar Minuten Aufmerksamkeit wert sein – zumal sich ohnedies so viele Abgeordnete von der Rednerliste haben streichen lassen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Bei der Familienhospizkarenz sind Sie kurz vor der Zielgeraden in die Knie gegangen. Wir haben Ihnen das gesagt, Herr Bundesminister: Wir hätten eine Entgeltersatzleistung gebraucht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) – Frau Kollegin Partik-Pablé! Wenn Ihnen die Menschen in den letzten Lebenswochen nicht so viel wert sind, dass Sie noch ein paar Minuten zuhören, dann kann ich das nur bedauern. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein! Sie sind es nicht wert!) Wir werden das den Menschen sagen, damit sie wissen, mit welch verächtlicher Politik sie durch Sie konfrontiert sind! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Herr Bundesminister! Wir haben Ihnen vier verschiedene Finanzierungsvarianten für diese Ersatzgeldleistung vorgeschlagen. Es gab leider keine Möglichkeit, Ihre Zustimmung zu bekommen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wir wissen ja, was wir beschließen!)  – Ja, Sie wissen, was Sie beschließen, da haben Sie Recht. – Sie haben mittels eines unzulässigen § 27-GOG-Antrages eine Möglichkeit geschaffen, Pflegegeld in den Gesundheitsausschuss hineinzuschummeln, um bei einer anderen Gesetzesmaterie unsere Zustimmung zu bekommen. Das ist Ihr Umgang! Das ist Arroganz der Macht, und zwar pur! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Bitte, Herr Präsident!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Sie schaffen heute eine Regelung, durch die Sie lediglich jenen Menschen, die Familienangehörige haben, eine Vorschussleistung gewähren. Sie selbst sagen, es sind keine budgetären Mehrbelastungen damit verbunden, weil es ein Vorschuss ist. Jenen Menschen aber, die der Leistungen besonders dringend bedürfen, weil sie keine Angehörigen haben, weil sie keine Möglichkeit haben, im Kreis ihrer Lieben die letzten Tage und Wochen zu verbringen, jenen Menschen, die dringend Pflegeleistungen zukaufen müssen, denen gewähren Sie diese Möglichkeiten nicht!

In dem Sinne, dass wir aber alle zusammen hier beschlossen haben und so stolz darauf waren, einen anderen, humaneren Weg gehen zu wollen, würde ich Sie dringend ersuchen, doch noch von Ihrer Haltung Abstand zu nehmen – noch dazu, wo es ja keine finanzielle Belastung ist und rein am politischem Willen von ÖVP und FPÖ scheitert, allen Menschen in dieser schlimmen, schwierigen Situation die gleichen Chancen zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses 1266 der Beilagen über den Antrag des Gesundheitsausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:


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111. Sitzung / Seite 238

Die Z 2 wird wie folgt geändert:

"2. Nach § 18 wird folgender § 18a samt Überschrift eingefügt:

"Auszahlungen und Vorschüsse bei lebensbedrohenden Erkrankungen

§ 18a. (1) An Personen, die an einer lebensbedrohenden Erkrankung leiden, die auch die Inanspruchnahme einer Familienhospizkarenz rechtfertigen würde, und dies durch eine ärztliche Diagnose, einen Befund, ein Gutachten oder dergleichen glaubhaft machen, sind vor Abschluss des Verfahrens auf Gewährung oder Erhöhung des Pflegegeldes auf Antrag des Pflegebedürftigen Vorschüsse mindestens in Höhe des Pflegegeldes der Stufe 3 zu gewähren; sollte bereits ein Pflegegeld mindestens in Höhe der Stufe 3 rechtskräftig zuerkannt sein, sind Vorschüsse mindestens in Höhe des Pflegegeldes der Stufe 4 zu gewähren. Ein bereits rechtskräftig zuerkanntes Pflegegeld und die gemäß § 7 anrechenbaren Geldleistungen sind bei der Berechnung des Vorschusses zu berücksichtigen. Diese Vorschüsse sind ab dem Monat zu gewähren, in dem der Antrag gestellt wurde. Die Vorschüsse sind auf das gebührende Pflegegeld anzurechnen.

(2) Bescheide über die Änderung der Auszahlung des Pflegegeldes oder die Vorschüsse sind nur dann zu erlassen, wenn dies vom Pflegebedürftigen binnen 4 Wochen verlangt wird.

(3) § 19 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die im Art. 1 genannten Personen zum Bezug des Pflegegeldes und zur Fortsetzung des Verfahrens vorrangig berechtigt sind. § 47 Abs. 4 ist nicht anzuwenden."

*****

Meine Damen und Herren! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wenn Sie allen Menschen in der gleichen Situation faire Chancen zukommen lassen wollen, dann stimmen Sie unserem Abänderungsantrag zu! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Da sind lauter Tippfehler drinnen!)

22.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag ist genügend unterstützt und steht daher ebenfalls in Verhandlung.

Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe daher die Debatte.

Wir gelangen zu den einzelnen Abstimmungen.

Zuerst stimmen wir über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1262 der Beilagen ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage 1262 der Beilagen zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit in zweiter Lesung angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1263 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1264 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXI.GP
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111. Sitzung / Seite 239

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Folge leisten, um ein Zeichen. – Die Kenntnisnahme erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, dem Abschluss der Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte in 1035 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Die Beschlussfassung erfolgt einstimmig.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1266 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom Abänderungsantrag betroffenen Teile, dann über die restlichen Teile abstimmen lassen.

Der Abänderungsantrag betrifft die Ziffer 2 § 18a.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die gleichen Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir stimmen schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile dieser Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, dies zu bekunden. – Die Zustimmung erfolgt in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit. Der Gesetzentwurf ist angenommen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht in 1267 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall der Zustimmung erbitte ich ein diesbezügliches Zeichen. – Die Kenntnisnahme erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir stimmen ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht in 1268 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich für den Fall der Zustimmung um ein Zeichen ersuchen. – Ich stelle fest: Die Kenntnisnahme dieses Berichtes erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1143 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage zustimmen, um ein Zeichen. – Der Nationalrat beschließt dies mit Stimmenmehrheit in zweiter Lesung.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Beschlussfassung in dritter Lesung erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Diese Abstimmungen sind jetzt beendet.

20. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (12 U 251/02t) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl (1270 der Beilagen)

21. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 45/02m) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Karl Schweitzer (1271 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Immunitätsangelegenheiten, das heißt zu den Punkten 20 und 21 der Tagesordnung.

Wenn Wortmeldungen dazu vorliegen würden, dann würden sie unter einem verhandelt werden. – Wortmeldungen liegen mir jedoch nicht vor.

Daher gelangen wir zu den Abstimmungen wie folgt:

Der Immunitätsausschuss stellt den Antrag, der Nationalrat möge im Sinne des Ausschussberichtes in 1270 der Beilagen in der Angelegenheit der Abgeordneten Ridi Steibl Folgendes beschließen – ich zitiere –:

"In Behandlung des auf Art. 57 Abs. 3 B-VG gestützten Ersuchens des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Mai 2002 ... um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl wird festgestellt, dass es sich bei dem inkriminierten Sachverhalt um eine im Beruf gemachte mündliche Äußerung handelt, die gemäß Art. 57 Abs. 1 B-VG der beruflichen Immunität unterliegt.

Gemäß Art. 57 Abs. 1 B-VG ist somit eine Strafverfolgung unzulässig."

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag des Immunitätsausschusses anschließen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Beschluss des Nationalrates erfolgt einstimmig.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1271 der Beilagen, der Nationalrat möge in der Causa des Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer Folgendes beschließen – ich zitiere –:

"In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Mai 2002 ... um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Karl Schweitzer wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Karl Schweitzer besteht, und daher wird einer behördlichen Verfolgung dieses Abgeordneten nicht zugestimmt."

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Immunitätsausschusses zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Nationalrat beschließt den Antrag des Immunitätsausschusses einstimmig.


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111. Sitzung / Seite 241

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 733/A bis 743/A eingebracht wurden.

Weiters sind die Anfragen 4190/J bis 4248/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die einerseits geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und andererseits der Fassung eines Beschlusses über die Beendigung der ordentlichen Tagung 2001/2002 dient, berufe ich für 22.35 Uhr ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.35 Uhr