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S T E L L U N G N A H M E

 

des Hauptausschusses vom 6. Dezember 2000 gemäß Art. 23e B-VG

 

 

Europäischer Rat von Nizza

(22350/EU XXI.GP, 22353/EU XXI.GP)

 

 

 “Der Bundeskanzler wird ersucht, beim Europäischen Rat in Nizza folgende Positionen Österreichs zu vertreten:

 

1.    Die Erweiterungsfähigkeit der Union wird hergestellt.

 

2.    Das Gleichgewicht zwischen großen und kleinen Staaten in der Europäischen Union muss gesichert bleiben. Eine angemessene Neugewichtung der Stimmen im Rat soll eine maßvolle Kompensation für den Verzicht der größeren EU-Staaten auf ein Mitglied der Kommission bieten, z. B. durch ein System der doppelten Mehrheit, das heißt, jeder Beschluss mit qualifizierter Mehrheit bedarf der Zustimmung der Mehrheit der Mitgliedstaaten und der Bevölkerung. Das Prinzip, dass die staatliche Souveränität der Mitgliedstaaten der Europäischen Union trotz unterschiedlicher Größe absolut gleich ist, bleibt aufrecht.

 

3.    Jeder Mitgliedstaaten bleibt gleichberechtigt in jeder europäischen Institution vertreten. Jeder Mitgliedstaat behält damit das Recht, ein Mitglied der Kommission zu nominieren. Die Mitglieder der Kommission bleiben nach Sitz und Stimme gleichberechtigt. Die Verankerung einer geeigneten Form der individuellen Verantwortlichkeit der Kommissionsmitglieder im Vertrag ist anzustreben.

 

4.    Der Ausdehnung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit auf geeignete Bereiche soll sich Österreich nicht verschließen, wobei Rechtsakte mit konstitutionellem Charakter, Rechtsakte, die der nationalen Ratifizierung bedürfen, Ausnahmen zum Binnenmarkt, der Eigenmittelbeschluss sowie besonders elementare Fragen, wie z.B. die mengenmäßige Bewirtschaftung der Wasserressourcen, Raumordung, Bodennutzung, Wahl des Energieträgers, Grundsätze der Verkehrsordnung sowie bestimmte für Österreich sensible Maßnahmen betreffend Asyl, Einwanderung und Flüchtlinge weiterhin der Einstimmigkeit unterliegen müssen.

 

5.    Zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Entwicklung Europas soll die weitere Integration möglichst alle Mitglieder der Union umfassen. Eine verstärkte Zusammenarbeit, also die weitergehende Kooperation einer Gruppe von Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen, soll nur im Rahmen der EU-Verträge, auf Basis eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit aller Mitgliedstaaten nach einer allfälligen Überweisungsmöglichkeit an den Europäischen Rat und unter Mitwirkung von mindestens acht Mitgliedstaaten erfolgen. Es muss jedem Mitgliedstaat jederzeit möglich sein, in die Gruppe der verstärkten Zusammenarbeit aufzuschließen.

 

6.    Artikel 7 EUV soll unter Hinweis auf den Beschluss des EU-Hauptausschusses vom 14. Juni 2000 dahingehend abgeändert bzw. ergänzt werden, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in jeder Phase des Verfahrens gewahrt bleibt, insbesondere der betroffene Mitgliedstaat in allen Verfahrensstufen gehört wird, und damit ein Vorgehen außerhalb des Vertrages ausgeschlossen wird.

 

Weiters soll sich der Europäische Rat in Nizza darauf verständigen, eine weitere Konferenz der Mitgliedstaaten einzuberufen, um unter anderem folgende Fragen zu prüfen: Eine präzise Kompetenzabgrenzung zwischen europäischer und nationaler Ebene unter strikter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips (Kompetenzkatalog), die weitere Behandlung der beim Europäischen Rat Nizza proklamierten Grundrechtecharta; eine Vereinfachung der Verträge sowie die Verstärkung der Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente.

 

Schließlich soll sich der Europäische Rat angesichts des vermehrten Auftretens von BSE gegebenenfalls dafür aussprechen, dem umfassenden vorsorglichen Gesundheitsschutz in Europa oberste Priorität einzuräumen. Die BSE-Schnelltests sind raschest durchzuführen, die Einrichtung einer Europäischen Lebensmittelagentur ist voranzutreiben.”