V-6 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des
Ständigen Unterausschusses des
Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Donnerstag, 31. Mai 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Ständigen
Unterausschusses des
Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode               Donnerstag, 31. Mai 2001

Tagesordnung

1. 6065/01 SOC 52

Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung – Veröffentlichung der vereinbarten Ziele

(26652/EU XXI.GP)

 

 

2. Nukleare Sicherheit im Zusammenhang mit der Erweiterung (Nuclear safety in the context of the enlargement)

(29707/EU XXI.GP)

 

und

 

KOM (00) 493 endg.

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Unterstützung der Kommission für die nukleare Sicherheit in den Neuen Unabhängigen Staaten und den mittel- und osteuropäischen Ländern

(19093/EU XXI.GP)

 

3. SON DS 234/01 REV 4

Chapter 2: Freedom of Movement for Persons;

Conference on Accession to the European Union – Hungary

(32131/EU XXI.GP)

 

und

 

SON DS 99/01

The free movement of workers in the context of enlargement

(32132/EU XXI.GP)

Beginn der Sitzung: 10.04 Uhr

Obmann Dr. Werner Fasslabend eröffnet die Sitzung des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union und gibt bekannt, dass drei Ta­ges­ordnungspunkte von höchster Aktualität behandelt werden. Vor Eingang in die Tages­ord­nung findet noch eine Geschäftsordnungsdebatte statt.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ) stellt den Antrag, dass die Mitglieder des Ausschusses den Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung zur Ver­fü­gung gestellt bekommen und bis zum Erhalt desselben die Sitzung unterbrochen werden möge.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) erwidert, dass dieser schon längst über­mittelt worden sei.

Obmann Dr. Werner Fasslabend äußert sich dahin gehend, dass seines Wissens der Aktions­plan den Fraktionen schon zugegangen sei.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) sagt, dass dieser Aktionsplan erst am Vortag nach 16 Uhr zugegangen sei und sie diese Vorgangsweise für relativ problematisch halte.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ) merkt an, dass sie es für demokratiepolitisch nicht ak­zepta­bel halte, wenn man Dokumente nur informell und nicht mit dem Eingangsstempel des Parla­ments bekomme.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) meint, dass es Goodwill von Staats­sekre­tär Dr. Waneck gewesen sei, die Unterlagen, bevor sie einen Eingangsvermerk bekommen ha­ben, der Opposition zur Verfügung zu stellen. Der Eingangsstempel habe erst mit dem heutigen Tag offiziell gegeben werden können. (Abg. Silhavy: Wir sind ein offizieller Ausschuss!)

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) ist der Meinung, dass die Dokumente auch auf informeller Basis sehr spät zugegangen seien. Für Bundesländerabgeordnete, die eine wei­te Anreise haben, sei diese Vorgangsweise nicht zumutbar. Diesen Umstand sollten jene, die dauerhaft in Wien ansässig seien, bedenken und in Zukunft berücksichtigen.

Weiters sagt sie, dass sie die Argumentation des Abgeordneten Mag. Schweitzer in diesem Fall nicht nachvollziehen könne, da ja diese Materie am Dienstag den Ministerrat passiert habe und noch den ganzen Mittwoch lang Zeit gewesen wäre, diese Dokumente mit einem Eingangs­stempel zu versehen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ) findet es zwar von Seiten des Herrn Staatsse­kre­tärs anerkennenswert, dass er den Abgeordneten auf Goodwill-Basis Unterlagen zur Verfügung stellt, das Parlament habe jedoch nach gewissen Spielregeln zu arbeiten. Sie finde es bedenk­lich, dass, wenn ein wichtiges Thema wie soziale Ausgrenzung und Armutsbekämpfung auf der Ta­ges­ordnung stehe, Dokumente nicht offiziell übermittelt werden können, da sie keinen Ein­gangsstempel haben; dann liege das wohl an der Organisation in diesem Haus.

Sie bittet Obmann Dr. Fasslabend und die Regierungsfraktionen darum, dafür Sorge zu tragen, dass die Opposition künftig die Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung gestellt bekomme. Außer­dem gebe es Vertreter der Caritas und der Volkshilfe, die sich intensiv mit dieser Materie be­schäftigt hätten.

Die Abgeordnete stellt den Antrag, Vertreter dieser Organisationen zu dieser wichtigen Sitzung einzuladen, damit dieses Thema im Dialog behandelt werden könne.

Obmann Dr. Werner Fasslabend bittet die Medienvertreter, das Ausschusslokal zu verlassen.

Weiters liest er zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Nizza Folgendes vor: „Der Europäische Rat billigt die vom Rat festgelegten Ziele für die Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung. Er fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Prioritäten im Rahmen dieser Ziele festzulegen und bis Juni 2001 einen nationalen Aktionsplan für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzulegen und Indikatoren und Modalitäten für das weitere Vorgehen festzulegen, die eine Bewertung der Fortschritte ermöglichen.“

Daraus folge seiner Meinung nach, dass es keine Verpflichtung gebe – zumindest nicht für den Zeit­raum Mai –, hier einen Bericht abzugeben. Man solle lieber das, was das Bun­des­ministe­rium vorlege, diskutieren.

Bezüglich des Vorliegens von Unterlagen wünsche er sich auch, dass dies früher erfolge, doch sei es ein altes parlamentarisches Problem, dass die Unterlagen öfter sehr oder zu spät ein­träfen, sodass man nur wenig Zeit zur Verfügung habe, sich damit auseinander zu setzen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ) meldet sich erneut mit der Aussage zu Wort, dass sie nicht dafür garantieren könne, dass die Vertreter der beiden erwähnten Organisationen be­reits vor der Tür säßen. Es sei jedoch überhaupt nichts dabei, wenn man bei der Caritas oder bei der Volkshilfe anriefe, um Vertreter einzuladen; dass dieses Thema auf der heutigen Tages­ordnung stehe, wüssten diese Organisationen ohnehin.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) wirft ein, dass, sollten verschiedene Gruppen vor­informiert sein und bereits im Parlament warten, diese Auslese wohl sehr einseitig sei. Er sehe eine Schwierigkeit darin, erst zu Beginn der Ausschusssitzung neue Gruppen zum ersten Tagesordnungspunkt einzuladen, da der Zeitpunkt reichlich spät sei.

Obmann Dr. Werner Fasslabend meint, dass man die Geschäftsordnungsdebatte, falls es kei­ne substanziellen Neuerungen gebe, beenden solle, da alle Fraktionen die Möglichkeit hat­ten, sich zu äußern.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ) sagt, dass ihr soeben mitgeteilt worden sei, dass Vertreter der Caritas und der Volkshilfe in fünf Minuten vor Ort sein könnten.

Sie stellt daher neuerlich den Antrag, dass Vertreter dieser Organisationen zur Sitzung zuge­las­sen und auch gehört werden.

Obmann Dr. Werner Fasslabend ist der Ansicht, dass das nur eine Erweiterung, aber keine substanzielle Neuerung der Argumentation sei.

Er bringt den Antrag der Abgeordneten Hagenhofer zur Abstimmung, der mit fünf Pro-Stimmen und sechs Contra-Stimmen mehrheitlich abgelehnt wird.

1. Punkt

6065/01 SOC 52

Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung – Veröffentlichung der verein­bar­ten Ziele (26652/EU XXI.GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend geht in die Tagesordnung ein, leitet zu Tagesordnungs­punkt 1 über und bittet Herrn Staatssekretär Dr. Waneck um seine Ausführungen.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Rein­hart Waneck ergänzt zur eben geführten Diskussion, dass es sich bei diesem Bericht um einen Bericht der Bundesregierung an die Europäische Kommission handle und der gegenständliche Tagesordnungspunkt die Veröffentlichung der Ziele dieses Berichts darstelle und nichts an­deres. Der Bericht über einen Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut und der so­zialen Ausgrenzung sei am 29. Mai im Ministerrat beschlossen worden, zeitgemäß mit 31. Mai nach Brüssel gegangen und habe dem nationalen Parlament vorher gar nicht zugeleitet werden dürfen. Er sei daher mit Datum 31. Mai an das Parlament geschickt worden und es sei den Aus­schuss­mitgliedern unbenommen, ihn in einer weiteren Sitzung noch einmal zu diskutieren.

Er wolle nun das Zustandekommen dieses Dokuments erläutern: Es handle sich hiebei eben um die Veröffentlichung der vereinbarten Ziele des Dokuments 6065/01 SOC 52 in Bezug auf die Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung. Der Europäische Rat habe bei seinem Gipfeltreffen am 23. und 24 März 2000 in Lissabon den Rat damit beauftragt, geeignete Vor­schläge zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung beim Europäischen Rat von Nizza vom 7. bis 9. Dezember 2000 vorzulegen. Unter der Mitarbeit des Sozialausschusses habe der Rat „Beschäftigungs- und Sozialpolitik“ am 17. Oktober eine politische Einigung über den Zielekatalog erreicht. Dieser Zielekatalog, das Dokument 14110/00 SOC 470, sei dem Europäischen Rat von Nizza zur Kenntnis gebracht, von den Staats- und Regierungschefs ge­nehmigt worden und somit die Basis für die Erstellung der auf zwei Jahre laufenden Nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung durch die einzelnen Mitgliedstaaten, die ab Juni 2001 vorliegen sollen.

Weiters solle die Zusammenarbeit auf EU-Ebene forciert und eine Angleichung sowie Harmo­nisierung von Indikatoren im Bereich der sozialen Ausgrenzung erfolgen. Die Europäische Kom­mission solle auf Grund der nationalen Aktionspläne einen umfassenden Bericht über inno­vative Ansätze und vorbildliche Praktiken auf diesem Gebiet erstellen.

Zu den Zielen gehören die Förderung von Beschäftigung und die Ermöglichung des Zugangs aller zu den Ressourcen, Rechten, Gütern und Dienstleistungen, die notwendig seien, um voll und ganz am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilzuhaben. Dazu zählten auch die Förde­rung der Teilnahme am Erwerbsleben in Form einer Förderung des Zugangs zu langfristiger und si­cherer Beschäftigung sowie die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, die Sozialver­si­che­­rungssysteme, der Zugang zu angemessenem Wohnraum, zu medizinischen Versor­gungs­­­einrichtungen und zu Leistungen und Maßnahmen im Bereich von Kultur, Sport, Freizeit und anderen öffentlichen und privaten Diensten.

Es solle Programme für sozial schwache Bevölkerungsgruppen, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und mehr Kinderbetreuungseinrichtungen geben.

Der Staatssekretär führt weiters aus, dass man den Risken der Ausgrenzung vorbeugen müsse, was die Gewährleistung des Zugangs zu den neuen Informations- und Kommunikations­techno­logien – besonders für behinderte Menschen – beinhalte, und dass man Maßnahmen zur Ver­mei­dung von gravierenden Änderungen der Lebensbedingungen sowie zur Unterstützung der Erhaltung des Familienzusammenhalts ergreifen müsse.

Ein weiterer Punkt sei das Handeln für die sozial Schwachen, also die Förderung der sozialen Integration von Frauen und Männern, die am Rand der Gesellschaft stehen und mit besonderen Schwierigkeiten der sozialen Eingliederung konfrontiert seien. Die Erarbeitung von Maßnahmen zur Vermeidung von Fällen sozialer Ausgrenzung von Kindern sei ebenfalls wichtig. Schließlich müssten die Mitsprache der sozial ausgegrenzten Menschen, die Einbeziehung der Be­kämpfung der Ausgrenzung in alle politischen Maßnahmen sowie die Förderung des sozialen Dialogs und die Partnerschaft zwischen allen Beteiligten, nämlich den öffentlichen und privaten Stellen, gegeben sein.

Das Generalsekretariat des Rates habe im Dokument 6065/01 SOC 52 dem Ausschuss der Stän­digen Vertreter empfohlen, den Zielekatalog im Amtsblatt der Europäischen Gemein­schaf­ten zu veröffentlichen. Der griechische Vertreter habe in der Vorbereitungssitzung auf eine feh­ler­hafte Angabe in dem Dokument hingewiesen. Nach Richtigstellung dieses Formalfehlers ha­be der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Veröffentlichung des Zielekataloges ohne Dis­kussion zugestimmt. Dieser wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, ABl. C 82 vom 13. März 2001, Seite 4 bis 7, publiziert.

Die weitere Vorgangsweise, die sich mit der österreichischen decke, sei, die Nationalen Aktions­­pläne zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung bis spätestens 1. Juni der Europäischen Kommission zu übermitteln. Der österreichische Aktionsplan sei vom Minis­ter­rat am 29. Mai genehmigt worden und werde mit einem Schreiben von Herrn Bundesminister Mag. Haupt der zuständigen EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou zur Kenntnis gebracht.

Für die kommende Tagung des EU-Rates „Beschäftigungs- und Sozialpolitik“ am 11. Juni wer­de die Kommission eine Information über die eingelangten nationalen Aktionspläne vorbereiten. Im Juli werde der Sozialausschuss die nationalen Aktionspläne behandeln, während des Som­mers werden in bilateralen Gespräche zwischen der Europäischen Kommission und dem jewei­ligem Mitgliedstaat die nationalen Aktionspläne und deren Darstellung im gemeinsamen Bericht dis­­kutiert und beraten. Der gemeinsame Bericht der Europäischen Kommission und der Mit­glied­staaten solle dem Europäischen Rat von Laeken am 14. und 15. Dezember 2001 vorgelegt werden.

Staatssekretär Dr. Waneck berichtet, dass vor einiger Zeit in einem Zwischenbericht von Herrn Bundesminister Mag. Haupt die Meinungen aller zu einer Diskussion eingeladenen Gruppen, zum Beispiel der Caritas, festgehalten worden seien.

Aus der Sicht der österreichischen Bundesregierung seien die wesentlichen Maßnahmen­schwer­punkte Folgende: Der Ministerrat habe am 23. Jänner dieses Jahres dem Bundes­mi­niste­rium für soziale Sicherheit und Generationen den Auftrag erteilt, die Koordinierung und Erstellung eines nationalen Aktionsplans zu übernehmen. Um eine enge Kooperation mit allen an­de­ren wichtigen staatlichen Akteuren zu ermöglichen, sei eine Steuerungsgruppe mit Ver­tre­tern der Verbindungsstelle der Bundesländer, des Bundeskanzleramtes, des Bundesministe­riums für Finanzen, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst unter Feder­führung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen eingesetzt worden.

Österreich verfolge bei der Erarbeitung dieses Nationalen Aktionsplans einen integrativen An­satz, bei dem die Bundesministerien, die Bundesländer, die Sozialpartner, der Städte- und Ge­mein­­debund, Nicht-Regierungsorganisationen und VertreterInnen der Wissenschaft um Stel­lung­­nah­men ersucht worden seien.

Der nunmehr vorliegende Plan sei von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe gebilligt worden. Der Bericht liege in jenen Bereichen in der Verantwortung der Bundesregierung, die Bundes­agenden betreffen. Die in die Länderkompetenz fallenden Themen seien mit den Ländern akkor­diert worden.

Dieser erste Nationale Aktionsplan beinhalte primär laufende Maßnahmen und bereits geplante Vor­haben. Die bestehenden Regierungsprogramme des Bundes und der Länder sowie die Bud­gets für 2001 und 2002 seien der finanzielle und inhaltliche Rahmen für die in diesen Nationa­len Aktionsplan aufgenommenen Maßnahmen. Bei der Bestandsaufnahme und bei den Ziel­grup­­pen sei festgelegt worden, dass Armut heute kein Massenphänomen mehr sei.

Trotzdem werde die Armutsbekämpfung weiterhin eine zentrale Zielsetzung der Gesellschafts­politik bleiben. Es gebe immer noch eine nicht unbeträchtliche Zahl von Menschen, deren ma­teriel­le und gesellschaftliche Teilhabechancen nach heute allgemein akzeptierten Wertmaß­stäben unzureichend seien. 900 000 Personen in Österreich verfügten – inklusive Sozialleistun­gen – über ein Pro-Kopf-Einkommen, das unter 10 000 S monatlich liege.

Überdurchschnittlich hoch sei der Anteil der Armutsgefährdeten und Armen in den folgenden Bevölke­rungsgruppen: bei Personen mit sehr niedrigem Erwerbseinkommen, bei Langzeit­arbeitslosen, bei kinderreichen Familien mit AlleinverdienerInnen in den unteren Lohngruppen, bei AlleinerzieherInnen ohne beziehungsweise mit sehr niedrigem Erwerbseinkommen, bei Haushalten mit erwerbseingeschränkten behinderten Menschen, bei MigrantInnenhaushalten, bei allein lebenden älteren Menschen, vor allem Frauen, und bei sozialen Randgruppen mit ku­mu­liertem Armutsrisiko.

Staatssekretär Dr. Waneck erklärt, dass die Maßnahmenschwerpunkte eine offensive Wirt­schafts-, Beschäftigungs- und Wohlfahrtspolitik im Rahmen einer politischen Gesamtstrategie umfassen, die die beste Politik gegen Armutsgefährdung und soziale Ausgrenzung darstelle. Diese politische Gesamtstrategie ziele darauf ab, eine wettbewerbsfähige und wissensbasierte Wirtschaftsentwicklung mit Vollbeschäftigung und sozialem Zusammenhalt in Einklang zu brin­gen.

Mit dem Nationalen Aktionsplan solle die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ver­stärkt werden. Hinsichtlich der so genannten überproportional gefährdeten Bevölkerungs­grup­pen stütze sich dieser Aktionsplan auf folgende Schwerpunkte:

Die Zahl der Personen ohne Pflichtschulabschluss beziehungsweise mit maximal einem Pflicht­schul­abschluss sei weiter deutlich zu reduzieren. Die Sozialpartner seien im Rahmen von Kol­lektiv­vertragsvereinbarungen bestrebt, die Mindestlöhne und -gehälter überproportional anzuhe­ben. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, der Abbau der Arbeitslosigkeit, vor allem der Langzeitar­beits­losigkeit, seien ebenfalls Bestandteil des Plans.

Mit dem Kinderbetreuungsgeld und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Fa­mi­lie werde der Armutsgefährdung von Familien mit Kindern entgegengewirkt werden. Diese Maß­­nahmen kämen überproportional den Frauen zugute. Für behinderte Menschen stelle die Bun­­des­regierung zusätzliche Mittel zu beschäftigungsfördernden und -begleitenden Maßnah­men zur Verfügung. In dieser Legislaturperiode werde darüber hinaus ein Konzept für eine eigen­ständige Alterssicherung für Frauen entwickelt.

Weiters sei eine Optimierung der Leistungsangebote vorgesehen, was eine Mitwirkung aller Leis­tungsanbieter und gesellschaftlichen Interessengruppen bei der Programmerstellung voraus­setze. Bisherige Partizipationsansätze, unter anderem im Bereich der gesamtstaatlichen Politik, der Sozialversicherung, des Arbeitsmarktservice, der Länder und Gemeinden, würden we­iter ausgebaut. Für die Umsetzung und Evaluierung dieses Nationalen Aktionsplans und für die Vorbereitung des nächsten Nationalen Aktionsplans werde ein Beirat unter Vorsitz des Bun­des­ministers für soziale Sicherheit und Generationen eingerichtet, in dem alle relevanten Akteure vertreten sein werden.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) meint, dass es grundsätzlich zu begrüßen sei, dass auf Seiten der Europäischen Union seit einigen Jahren das Problembewusstsein für Fra­gen der Sozialpolitik gestiegen sei. Sie merkt jedoch kritisch an, dass die Vorgaben, die nun für die nationalen Aktionspläne von der Kommission kommen, ein Kompromiss auf einer sehr nie­dri­gen Ebene seien, weil sie bestimmte Dinge auch auf Grund der unterschiedlichen wissen­schaft­lichen Methodik zu wenig klar vorgeben. Es sei nicht wirklich klargestellt, was unter „sozialer Ausgrenzung“ und „Armut“ zu verstehen sei.

Es fehlten Indikatoren und Quantifizierungsinstrumente, es gebe keinen Prioritätenkatalog und keine finanziellen Mittelbindungen, die wirklich nachvollziehbar seien.

Ihrer Meinung nach hätte sich Österreich einmal als außerordentlich engagiert präsentieren kön­nen und hätte einen besonders ambitionierten Nationalen Aktionsplan vorlegen können. Das sei allerdings nicht der Fall. Wenn man bedenke, dass durch die neuen Politiken das Armuts­risiko zunehmend steige, so sei das Programm, das Österreich vorgelegt habe, viel zu wenig ambi­tioniert. Es sei in Wirklichkeit ein Sammlung von schon jahrelang bekannten, längst verein­barten Dingen, die plötzlich unter dem Namen „best practice“ auftauchen. Das sei zu wenig, wenn es wirklich um Armutsbekämpfung gehe. Im Wesentlichen würden Arbeitsgruppen oder Aktionen beschrieben, die ohnehin schon existieren.

Es werde auch auf Maßnahmen der letzten Regierung rekurriert: Unter „best practice“ stehe zum Beispiel zu lesen, dass die Befreiung von der Telefongebühr, das Gewaltschutzgesetz und das Privatkonkursverfahren der große Schritt nach vorne schlechthin seien.

Die Abgeordnete weist darauf hin, dass es einige Faktoren gebe, die für bestimmte Gruppen eine Erhöhung des Armutsrisikos mit sich brächten. Die Pflege von kranken Angehörigen stelle heute vor allem für Frauen ein soziales Risiko dar; wenn Frauen aus dem Berufsleben aus­stei­gen und etliche Jahre lang kranke Familienmitglieder pflegen müssen, würden sie letztlich nicht zu jenen gehören, die in ausreichendem Maße am gesellschaftlichen Wohlstand teilnehmen können. Diesbezüglich brauche man sich keine Illusionen zu machen, auch wenn es Minimalab­sicherungen gebe.

Das Gleiche gelte für Teilzeitbeschäftigte. In den Beschäftigungsprognosen sei ein extremes An­wachsen der Zahl von Teilzeitarbeitsplätzen auf Kosten von Vollzeitarbeitsplätzen feststell­bar, was sich natürlich langfristig auf die künftige finanzielle Situation der Leute auswirke. Hier werde aber nicht gegengesteuert, sondern man verlasse sich noch immer darauf, dass sich sozusagen eine „gescheite Frau“ einen „reichen Mann“ sucht, der dann auf Dauer ihre Pension sichert.

Wenn der Mann im Falle einer Scheidung diese Versorgungsleistung nicht mehr erbringe, wie es leider sehr häufig vorkomme, dann entstünden große Probleme. Die sozialen Beziehungen zerbrächen auch deswegen immer mehr, weil sehr viel Mobilität von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gefordert werde. Sie, Lichtenberger, verlange von einer Gesellschaft, nicht nur Marginalisierungen aufzuheben oder teilweise mit finanziellen Mitteln zu kompensieren, sondern auch perspektivisch zu denken.

Abschließend fragt sie noch nach, wer es verboten habe, mit dem Bericht früher fertig zu wer­den und auf Grund welchen Passus es nicht möglich gewesen sei, ihn am Vortag zuzuleiten.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) macht zu Beginn seines Redebeitrages zwei Anmer­kungen.

Erstens habe er den Worten von Staatssekretär Dr. Waneck entnommen, dass der Ausschuss eigentlich dankbar dafür sein müsse, überhaupt Unterlagen zu bekommen. Er, Einem, verwahre sich gegen diese Behandlung, denn dieser Ausschuss sei „nicht irgendein dahergelaufener Haufen von Querulanten“. Die Regierung sei dem Parlament verantwortlich und dieses müsse nicht darum bitten, Dokumente zu erhalten. Der Erhalt von Dokumenten für die Beratung im Aus­schuss sei kein Akt der Courtoisie seitens der Regierung, sondern eine Verpflichtung der­selben, das Parlament mit entsprechendem Datenmaterial zu versorgen.

Zweitens enthalte der Bericht betreffend den Nationalen Aktionsplan inhaltlich nichts Neues. Das Ganze sei nur eine Auflistung von Maßnahmen vergangener Bundesregierungen. Die ein­zig neue Absicht der jetzigen Bundesregierung sei das Kinderbetreuungsgeld. Diesbezüglich könne man allerdings unterschiedlicher Auffassung dahin gehend sein, ob und wie zweckmäßig es zur Armutsbekämpfung sei. Die SPÖ vertrete die Meinung, dass es kein geeigneter Schritt zur Bekämpfung der Armut sei, was sich auch in den Einkommensunterschieden zwischen Män­nern und Frauen manifestiere.

Im gegenständlichen Bericht sei nachzulesen, dass eines der Hauptprobleme, was die Einkom­mensentwicklung bei Frauen betreffe, darin bestehe, dass sie, wenn sie zu lange in Karenz seien, nie mehr an das Einkommen, das sie vorher hatten, anknüpfen beziehungsweise diesen Nachteil in der weiteren Berufslaufbahn aufholen können. Daher sei eine Familienpolitik, die darauf abziele, Frauen möglichst lange, am Schluss auch noch ohne soziale Absicherung, in Karenz zu schicken, nicht eine Politik, die Armut vermeide, sondern die dazu beitrage, die Armutsgefährdung zu erhöhen.

Das Gleiche gelte für andere Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen habe. Die Anhe­bung des Pensionsantrittsalters bei gleichzeitiger Verschärfung der Abschläge, sollte man frü­her in Pension gehen, treffe all jene, die vor der Zeit physisch oder psychisch nicht mehr in der Lage seien, ihren Beruf auszuüben. Ein körperlich schwer arbeitender Bauarbeiter, der vom 14. Le­bensjahr an gearbeitet habe, könne vielfach nicht mehr bis zum nun geltenden Mindest­pensionsantrittsalter voll durcharbeiten. Die zu erwartenden Abschläge bei früherem Antritt der Pension führten daher zu einer echten Armutsgefährdung. Ähnliches treffe auf die Abschaffung der kostenlosen Mitversicherung von Ehegattinnen zu.

Abschließend hält Abgeordneter Dr. Einem fest, dass die Sozialdemokraten diesen Bericht zwar als eine brave Auflistung von Maßnahmen sehen, es jedoch nicht klar sei, welche Aktionen die Regierung setzen und welche Maßstäbe sie dabei anlegen wolle.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) hebt eingangs als einen wesentlichen Punkt der Armutsbekämpfung das Kinderbetreuungsgeld hervor. Es sei unbestritten, dass man für Kinder sehr viel Geld brauche und viele Familien Probleme mit der Finanzierung bekämen. Tatsache sei, dass gegenüber der derzeit herrschenden Situation enorme Verbesserungen für Frauen, die weiter arbeiten wollen, Platz griffen, indem die Zuverdienstgrenze auf 200 000 S angehoben worden sei. Die vorige Regierung habe nur 50 000 S Zuverdienst ermöglicht. Nun sei eine Vervierfachung gegeben.

Frauen seien nun nicht automatisch gezwungen, zu Hause zu bleiben. Es sei in vielen Berei­chen möglich, weiter zu arbeiten, man könne mehr dazuverdienen, ohne deshalb vom Bezug des Kinderbetreuungsgeldes ausgeschlossen zu werden, man könne aber auch zuhause blei­ben und trotzdem das Auslangen finden. Das sei eine immense Verbesserung. In der Start­phase würden 12 Milliarden Schilling zur Armutsbekämpfung in den Familien bereitgestellt, insgesamt seien 17 Milliarden Schilling dafür vorgesehen.

Die SPÖ habe früher durch ihre Gesetzgebung viele nicht in den Genuss des Kindergeldes kom­­men lassen, was jetzt geändert werde. Auch Studentinnen, Bäuerinnen und Hausfrauen wür­­den nun für die für die Gesellschaft so wichtige Tätigkeit der Kindererziehung zum ersten Mal Geld erhalten.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) merkt an, dass er im Gegensatz zu Abgeord­ne­tem Dr. Einem der Auffassung sei, dass das Kinderbetreuungsgeld sehr wohl ein Beitrag zur Armutsbekämpfung sei, denn es sei festzustellen, dass Mehrkindfamilien zunehmend in die Ar­mutsfalle tappen. Habe eine Frau mehrere kleine Kinder, so könne sie keiner Arbeit mehr nach­gehen. Auch wenn sie für das erste Kind Karenzgeld bekomme, bekomme sie für weitere Kinder meist kein Karenzgeld mehr, weil sie die Versicherungszeiten aus einer Erwerbstätigkeit nicht mehr aufweise. Frauen mit geringfügiger Beschäftigung seien bisher überhaupt vom Be­zug des Karenzgeldes ausgenommen worden. Eine Studentin, die kein Einkommen habe, habe auch keinen Anspruch auf Karenzgeld gehabt und sei automatisch in die Armutsfalle ge­schlittert, wenn sie bereit dazu war, ein Kind großzuziehen.

Abgeordneter Schwarzenberger weist darauf hin, dass es im landwirtschaftlichen Bereich zum Glück noch mehr Kinder gebe. Im Durchschnitt habe jede Bäuerin drei Kinder, das sei mehr als das Doppelte des österreichischen Durchschnitts. Vor allem aber Bergbauern verfügten in der Regel über ein Einkommen von unter 10 000 S monatlich. In diesen Fällen sei das Kinder­be­treuungsgeld sehr wertvoll und es sei in Ordnung, dass das auch im Aktionsplan dargestellt werde.

Es freue ihn, dass es für strukturschwache ländliche Regionen Hilfe gebe. Die Bundesregierung strebe für die nächsten Finanzausgleichsverhandlungen eine Reform des abgestuften Bevöl­ke­rungsschlüssels zu Gunsten der kleineren Gemeinden an, weil diese auf Grund geringer Ein­nah­men wesentlich weniger Serviceleistungen für die Bürger erbringen können, als es Städte oder größere Gemeinden können.

Was die Landwirtschaft betreffe, könnte eine Reihe von Vorschlägen von österreichischer Seite auch für die anderen europäischen Länder als Vorbild gelten. Österreich habe zum Beispiel als einziges EU-Land – obwohl auf Grund der Agenda 2000 für alle 15 Mitgliedstaaten Möglichkei­ten offen stünden – bei der Bergbauernförderung in der Ausgleichszulage einen Sockelbetrag für kleine Bauern vorgesehen. Außerdem sei in der nationalen Kofinanzierung eine Größen­degression enthalten, um die kleinen Bauern mit den vorhandenen Mitteln besser zu unter­stützen. Österreich sei auch das einzige Land, das bei Umweltförderungen von 3 Hektar auf 2 Hektar Nutzfläche von landwirtschaftlichen Betrieben zurückgegangen sei.

Der Abgeordnete zeigt sich verwundert darüber, dass die SPÖ-Abgeordneten sowie der grüne Abgeordnete Voggenhuber im Europäischen Parlament eine Größendegression – in diesem Fall gebe es eine Begrenzung der Prämie mit 90 Tieren pro Betrieb – abgelehnt haben, diese aber auf nationaler Ebene forderten. Österreich werde weiterhin bei den zu 100 Prozent von der EU finanzierten Marktordnungsmaßnahmen für eine Größendegression eintreten, um auf diese Art und Weise die vorhandenen Mittel sozial gerechter aufteilen zu können.

Er betont abschließend, dass eine Reihe von Maßnahmen in diesem Aktionsplan vorgeschla­gen sei, diese teilweise bereits umgesetzt würden und ein wertvoller Beitrag zur Armutsbe­kämpfung seien.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ) bezieht sich zuerst auf die Anmerkung von Staatsse­kretär Dr. Waneck, dass es nicht möglich gewesen sei, dem Parlament das nun vorliegende Dokument zeitgerecht zuzuleiten.

In Deutschland sei dieses Dokument am 16. Mai im Kabinett beschlossen und anschließend dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet worden. Sie frage sich daher, was das Ministe­rium für soziale Sicherheit und Generationen daran gehindert habe, dieses Dokument dem Ausschuss offiziell als parlamentarische Unterlage zur Verfügung zu stellen.

Als Sozialdemokratin freue sie sich über dieses Dokument, weil es eine Auflistung der beispiel­haften sozialdemokratischen Sozialpolitik der vergangenen Jahre und auch ein politisch sehr brauch­bares Dokument sei. Aus Sicht der Parlamentarierin fehle ihr allerdings bei diesem so genannten Aktionsplan jegliche Planung. Es stelle sich die Frage, wo die Messgrößen und Indi­ka­toren seien, auf Grund derer man überhaupt anhand einer Analyse nach zwei Jahren fest­stellen könne, welche Maßnahmen gegriffen und welche nicht gegriffen haben. Mit Ausnahme der Behindertenmilliarde gebe es keine quantifizierbaren Messgrößen. Deutschland sei bereits darangegangen, bei den einzelnen Maßnahmen auch finanziell quantifizierbare Messgrößen anzusetzen.

Das gesamte Budget könne keine Messgröße sein, denn das gesamte Budget sei die in Zahlen ge­gossene Politik. Die Information, welche Mittel speziell für den Nationalen Aktionsplan einge­setzt werden, fehle zur Gänze. Außerdem sei es verwunderlich, dass in diesem Aktionsplan Punkte wie zum Beispiel die beitragsfreie Mitversicherung erwähnt seien, gleichzeitig aber in der Realpolitik das Gegenteil beschlossen worden sei, nämlich deren Wegfall. Davon seien in erster Linie Frauen betroffen.

Obwohl von gleichem Zugang aller zu allen Gesundheitseinrichtungen gesprochen werde, sei dieser mit der Einführung der Ambulanzgebühren wieder abgeschafft worden.

Die größte Kritik sei bei der „Armutskonferenz“ von der Caritas bezüglich der Verschlechte­run­gen gekommen, die im Bereich der Arbeitslosenversicherung und der Notstandshilfe herbeige­führt worden seien.

Was die Ausführungen des Abgeordneten Mag. Schweitzer zum Kinderbetreuungsgeld als Maß­nah­me gegen Armut betreffe, sei zu sagen, dass 10 Prozent der Frauen, die Kinder, aber kein Karenzgeld bekommen haben und sonst kein Einkommen hatten, bisher durch die So­zial­hilfe der Länder unterstützt worden seien. Diese sei fast in allen Bundesländern quasi ein Er­satz für das Karenzgeld gewesen. Das Kinderbetreuungsgeld stelle eine massive Umvertei­lung für eine Klientel dar, die die Regierung wolle, um die Rolle der Frau zu fixieren.

Bezüglich der Aussagen des Abgeordneten Schwarzenberger freue es sie zwar, dass er sich so stark für die Bergbauern einsetze, sie würde sich aber wünschen, dass das bei der Landwirt­schafts­förderung auch in ausreichendem Ausmaß erfolge.

Abschließend bittet die Abgeordnete den Staatssekretär darum, die Maßnahmen im Einzelnen zu quantifizieren, und zwar sowohl was das finanzielle Volumen als auch was die Personen anlange.

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP) ist der Meinung, dass die Bundesregierung rasch und gut gehandelt habe. In der Einleitung des Berichts sei zu lesen, dass beim Treffen im Dezem­ber 2000 in Nizza beschlossen worden sei, dass die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, nationale Aktionspläne zu erarbeiten. Der Ministerrat habe bereits einen Monat später darauf reagiert und sich mit dieser Frage intensiv auseinander gesetzt.

Faktum sei, dass es heute zirka 1 Million armutsgefährdeter Menschen in Österreich gebe. Es seien alle gefordert, diesem Missstand abzuhelfen, indem man die gegenwärtige Lage verän­dere und für die Zukunft neue Entwicklungen einleite. Positiv sei auf jeden Fall die Tatsache, dass sich die Europäische Union mit dem Thema Armut beschäftige.

Er verstehe nicht, warum sich die SPÖ mit dem Kinderbetreuungsgeld so schwer tue. Es könne doch nicht schlecht sein, dass es mehr Geld für die Familien gebe und eine bessere Verein­barkeit von Beruf und Familie ermöglicht werde.

Man müsse sich Gedanken darüber machen, dass man in einer Gesellschaft lebe, in der es zu wenige Kinder gebe, also müsse man quasi das Geld dorthin leiten, wo es gebraucht werde. Im Armutsbericht stehe zu lesen, dass vor allem allein erziehende Frauen und Familien mit mehre­ren Kindern armutsgefährdet seien. Da sei es höchste Zeit, dass die Bundesregierung nun die Familienbeihilfe anhebe.

Auch die Versorgung von Frauen im Alter sei sichergestellt. Die Ehe als solche habe ihre Verlässlichkeit verloren, somit sei zeitgerecht dafür gesorgt worden, dass Frauen im Falle einer Scheidung wirklich abgesichert seien.

Natürlich könne man anhand von Einzelbeispielen jede Anhebung des Pensionsantrittsalters kritisieren, aber es sei klar, dass das Regelpensionsalter als solches angehoben werden müs­se. Gerade bei halbstaatlichen und staatlichen Unternehmungen gingen die Leute noch immer mit 53 oder 54 Jahren in Pension, ohne dass das krankheitsbedingt sei.

Im Folgenden richtet der Abgeordnete an Staatssekretär Dr. Waneck die Bitte, in den von ihm eingesetzten Beirat auch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft aufzunehmen, da bei der Agenda 2000 ein starkes Element der ländlichen Ent­wicklung vorliege, mit dem sich auch der Nationale Aktionsplan beschäftige. Diesbezüglich müssten die Geldmitteleinsätze koordiniert werden, damit vor allem die Einkommenssituation der Bauern verbessert werden könne.

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche) geht speziell auf den Nationalen Aktionsplan ein. Dem Auftrag vom 23. Jänner, einen nationalen Plan zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Aus­grenzung auszuarbeiten, sei man nachgekommen und dies trotz der Zeitknappheit, einem be­schlossenen Budget, das wenig finanziellen Spielraum erlaube, und bereits geplanter und teilweise schon beschlossener Maßnahmen wie der Miteinbeziehung der Sozialpartner, der Kom­munen und der NGOs. Die Maßnahmen der Regierung wie Kinderbetreuungsgeld und Behin­dertenmilliarde würden den von der EU attestierten hohen Level zeigen.

Die Erwartungshaltung, die in den Zeitrahmen und weitere Aktionen gesetzt werde, sei hoch. Im Jahre 2003 solle dann festgestellt werden, wo Synergien erreicht worden seien, auf welchen Ge­bieten einzelne Staaten voneinander lernen können und wo ein gegenseitiger Austausch von Innovationen stattfinden könne.

Die Einbeziehung der Sozialpartner sei nicht von Erfolg gekrönt gewesen; es sei nicht gelun­gen, das Gleichbehandlungsgesetz zu akkordieren. Die Wirtschaftskammer habe ohne Abstim­mung ein eigenes Papier erarbeitet, das aber keine Berücksichtigung gefunden habe. Im nun vorlie­genden Papier befänden sich bestehende Regelungen wie die Ausgleichszulagen und ge­plante Regelungen wie die Behindertenmilliarde. Wenn dieses Papier im Dezember in Laeken beschlossen werde, so sei das ein Signal, die Politik der Armutsbekämpfung fortzusetzen, die ge­planten Schritte zu realisieren, Familienpolitik, Arbeitslosenbekämpfung, Gleichbehandlung und ganz besonders Frauenpolitik samt Chancengleichheit zu forcieren und als prioritäre Zielsetzungen zu sehen.

Die Abgeordnete schließt mit den Worten, dass man zwar jeden Plan verbessern könne, sie aber aus Zeiten der sozialistischen Alleinregierung wisse, dass sie damals mit ihren drei Kin­dern nicht an der Armutsgrenze, sondern in Armut leben musste. Es habe weder eine für ihren Beruf kompatible Arbeit noch genug Kinderbetreuungsplätze gegeben.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ) erklärt, dass die SPÖ auf Grund der massiven Män­gel, die dieser Bericht aufweise, jene Organisationen bei der Sitzung dabeihaben wollte, die sich intensiv mit dieser Materie auseinander gesetzt haben.

Wenn von Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung gesprochen werde, könne kei­ne Budgetsanierung erfolgen, denn diese sei ja armutsfördernd und nicht armutsbe­kämpfend. Man nehme auf der einen Seite den Arbeitnehmern 112 Milliarden Schilling weg, die Wirtschaft zahle in zwei Jahren rund 15 Milliarden, bekomme aber auf der anderen Seite im dritten Jahr wieder 3,7 Milliarden. Da sei keine Ausgewogenheit gegeben.

Wenn man im Sinne der Europäischen Union in wirtschaftlichen und monetären Belangen zu­sammenarbeite, dann sei es dringend erforderlich, dass es auch eine Sozialunion gebe, wozu die­se nationalen Aktionspläne offensichtlich dienen sollen. In Österreich werde der soziale Standard nun auf das Niveau anderer Mitgliedsländer gesenkt. Diese Länder sollten sich aber lieber stufenweise an den bisherigen hohen sozialen Standard Österreichs angleichen, was natürlich auf Grund der wirtschaftlichen Lage nicht von heute auf morgen möglich sei.

Wenn Österreich die Familienzuschläge, das Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe und die Be­günsti­gungsklausel kürze beziehungsweise streiche, so begebe man sich auf ein niedrigeres Ni­veau. Diese Maßnahmen beträfen Personen, die aus dem Arbeitsprozess – aus welchen Grün­den immer – „hinauskatapultiert“ worden seien und die Regierung verschärfe deren Situation noch mehr.

Dazu gehöre auch die Besteuerung der Unfallrenten. Jemand, der bislang 8 600 S als Ent­schä­digung bekommen habe, weil er durch einen Unfall, den er auf dem Weg zur Arbeit hatte, von der Hüfte abwärts gelähmt ist, bekomme jetzt von einem Tag auf den anderen nur noch 4 290 S. Darauf wolle sie hinweisen.

Weiters merkt die Abgeordnete an, dass sie es für demokratiepolitisch bedenklich halte, dass Staats­sekretär Dr. Waneck gesagt habe, dass das österreichische Parlament den Vorschlag an die EU-Kommission nicht sehen dürfe.

Was den Bereich der Informationstechnologie betreffe, sei es zwar vom Ansatz her richtig, besonders für Behinderte etwas tun zu wollen, es gebe jedoch auch die Gruppe der älteren Arbeitnehmer, die noch nicht in Pension gehen können und sonst nirgends genommen werden. Da dürfe keine Ausgrenzung von Personen erfolgen.

Außerdem werde es notwendig und wichtig sein, so wie das Vertreter der Caritas und der Volks­hilfe verlangt haben, einen Rechtsanspruch auf beschäftigungsfördernde Maßnahmen sowohl für Arbeitslose als auch für in Beschäftigung stehende Personen zu verankern, denn derzeit sei das im Arbeitsmarkservicegesetz nur eine Kann-Bestimmung.

Man dürfe nicht übersehen, dass die Wirtschafts- und Arbeitswelt schnelllebig sei, dass es zwar Betriebe gebe, die vorsorgten, dass es aber natürlich auch Betriebe gebe, die das aus vielerlei Gründen nicht täten.

Abgeordnete Hagenhofer meint weiters, dass manche Menschen nicht ohne Grund mit 52 Jah­ren in Pension gegangen seien. Das sei aber erstens nicht die große Masse und zweitens hät­ten diese keine Beschäftigung mehr finden können, weil die Wirtschaft nicht bereit gewesen sei, ältere Arbeitskräfte einzustellen. Zusätzlich habe man das Dilemma, dass die Wirtschaft einige Jahre lang keine Lehrlinge ausgebildet habe und es jetzt einen Facharbeitermangel gebe.

Was das Kindergeld betreffe, stelle sie die Frage, ob eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern denn keine Familie darstelle. Bisher habe eine Alleinerzieherin Karenzgeld in der Höhe von rund 8 500 S bezogen, ab nun bekomme sie wahrscheinlich nur 6 000 S Kindergeld. Das sei doch kein Schritt in Richtung Bekämpfung von Armut, sondern bedeute eine Verschärfung der Lage.

Bezüglich der Anhebung der Zuverdienstgrenze sei zu sagen, dass es zum Beispiel für eine Verkäuferin, die bei ihren Kindern bleiben wolle, praktisch unmöglich sei, bis zu 200 000 S da­zu­zuverdienen. Das funktioniere nur bei Frauen in gehobenen Berufen.

Die Abgeordnete möchte auch die von den Regierungsfraktionen gemachte Behauptung richtig stellen, wonach Gewerbetreibende, Personen aus der Landwirtschaft und Studentinnen bisher kein Karenzgeld bekommen hätten. Es habe sehr wohl Teilzeitbeihilfe, in der Landwirtschaft Be­triebs­hilfe und auch für Studentinnen – nach Bundesländern geregelt – Geld gegeben.

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche) weist die erste Aussage seiner Vorrednerin zu­rück, denn es sei ganz und gar nicht so, dass praktisch der Budgetsanierer jener sei, der Armut stifte, sondern jener, der in 30 Jahren Schulden in der Höhe von 2000 Milliarden Schilling pro­du­ziert habe. Und es sei das Unsozialste, kommenden Generationen Schulden aufzu­bür­den. Im europäischen Vergleich gesehen, sei Österreich eines der produktivsten Länder.

Er sei der Meinung, dass Arbeitslose nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hätten, vor allem die Pflicht, vorhandene Arbeit anzunehmen. Da gebe es hie und da noch Missstände, die besei­tigt werden müssten.

Betreffend Lehrlingsausbildung hält der Abgeordnete in Richtung SPÖ fest, dass „Euroteam“ auch keine Lösung gewesen sei, da nichts weitergebracht und nur Förderungen in dreistelliger Millionenhöhe verbraucht worden seien. Die Freiheitlichen seien sich aber sicher, mit dem Erbe, das die SPÖ hinterlassen habe, fertig zu werden.

Wenn die SPÖ glaube, plötzlich alle Rezepte zu haben, dann frage er, warum sie diese Rezep­te nicht schon die letzten dreißig Jahre angewandt habe. Und wenn die SPÖ von Kenngrößen rede, dann sei festzuhalten, dass die Kenngrößen, die die SPÖ geliefert hätten, 1 Million Men­schen an der Armutsgrenze und 400 000 Menschen in Armut bedeuten. Frauen bekämen für die gleiche Arbeit durchschnittlich 31 Prozent weniger Lohn als Männer. Das sei eine Ungleich­be­handlung; die SPÖ habe auch eine Klassengesellschaft produziert, in der gewisse Leute Karenzgeld bekommen und Privilegien genossen hätten, andere jedoch nicht.

Über 1 Million armer Leute sei eine große Zahl, die man nicht vergessen dürfe. Die Sozialdemo­kra­tie mit ihrer nicht treffsicheren Politik habe das zu verantworten, die Freiheitlichen mit Sozial­minister Mag. Haupt hingegen gingen nun einen richtigen und guten Weg.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) geht anfangs auf einige Anmerkungen ihrer Vo­rredner ein. Es sei festzuhalten, dass sehr viele Leute auf Druck ihrer Firmen in Frühpension ge­schickt worden seien. Man müsse aber auch ehrlich dazusagen, dass es genau aus diesem Grund im Bereich der Jugendbeschäftigung weniger Probleme gebe.

Sie weist weiters darauf hin, dass in staatsnahen Betrieben, wie zum Beispiel bei der Eisen­bahn, die jetzt 35-Jährigen überhaupt keine Möglichkeit hätten, sich auf die alten Pensions- oder So­zial­rechte zu stützen, auch wenn sie teilweise fast Schwerstarbeit verrichten. Diese Ar­beit­­nehmer müssten zum normalen ASVG-Satz in Pension gehen.

Betreffend Behindertenmilliarde müsse schlicht und ergreifend gesagt werden, dass das eine Um­schichtung sei und keine zusätzlichen Mittel für die Behinderten bedeute. Einem Behin­der­ten etwas zu nehmen und dem anderen dafür etwas zu geben sei nicht die „feine englische Art“.

In diesem Zusammenhang sei es ihr ein besonders großes Anliegen, dass die Arbeitsassistenz gestärkt werde. Derzeit befänden sich zirka 3 000 Leute in Arbeitsassistenz; diese Zahl müsse er­höht werden, wenn man Behinderten wirklich eine Integration weg von ihrer sozialen Aus­grenzung ermöglichen wolle.

Leider sei es wieder kein Zufall gewesen, dass Frau Abgeordnete Burket von „Arbeitslosen­be­kämpfung“ anstatt von Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesprochen habe, sondern das passe sehr gut zu dem Stil, bei dem es in erster Linie darum gehe, eine ganze Gruppe Arbeitsloser zu diskriminieren, indem man sage, sie weigere sich, Arbeit anzunehmen. Man wolle einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass viele die ihnen angebotenen Arbeitsplätze entweder nicht erreichen oder die Jobs deswegen nicht annehmen können, weil sie kranke Angehörige pflegen oder ihre Kinder betreuen müssen.

Auf die persönliche Betroffenheit der Abgeordneter Burket eingehend, meint Abgeordnete Dr. Lich­tenberger, dass ihr das zwar Leid tue, sie kenne aber viele, denen es so gegangen sei und daher seien wohl alle dazu angetreten, dass es so etwas nicht mehr gebe. (Abg. Burket: Warum nehmen Sie in Anspruch, dass nur Sie das gemacht haben? – Abg. Dr. Einem: Alle sollen sich angesprochen fühlen!) Sie wehre sich dagegen, dass man argumentiere, früher sei es viel schlechter gewesen und das dann als Rechtfertigung dafür nehme, dass es auch schlech­ter bleiben müsse. Wolle man politisch glaubwürdig sein und sich sozial engagieren, dann müsse man daran arbeiten, dass genau diese Benachteiligungen, die man auch aus dem eigenen Leben kenne, für die jetzige und die nächste Generation nicht mehr gegeben seien, sonst sei man fehl am Platz. (Abg. Burket: Glauben Sie, dass Ihr Weg der richtige ist?)

Sie weist darauf hin, dass die „working poor“ das künftige Hauptproblem seien, worauf in die­sem Papier nicht oder zu wenig eingegangen werde, das aber endlich in Angriff genommen wer­de müsse. Man werde an einer Grundsicherung nicht vorbeikommen, die aber sehr viele Schwierigkeiten beseitigen würde. In diesem Bereich könne unter Umständen auch in Koope­ration mit Nicht-Regierungsorganisationen ein Modell entwickelt werden, das mit Fug und Recht als fortschrittliches Modell zur Armutsbekämpfung auf europäischer Ebene präsentiert werden könnte. Bis jetzt sei jedoch noch nicht viel geschehen.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) erinnert daran, dass die Europäische Union ur­sprünglich als Wirtschaftsgemeinschaft gegründet worden sei. Sie habe in erster Linie ver­sucht, Wettbewerbsregelungen in allen Mitgliedsländern umzusetzen, um Wettbewerbsverzerrungen hint­anzuhalten. Der nächste Schritt sei die gemeinsame Währungspolitik – auch mit Vorgaben an die Mitgliedsländer – gewesen. Drastisch sei die Lage gewesen, als Österreich im Jah­re 1999 jenes Land war, das die höchste Nettoverschuldung aufgewiesen habe. Gott sei Dank sei Österreich seit dem Jahr 2000 nicht mehr Schlusslicht und liege vor Portugal und Frank­reich.

Nun unternehme die Europäische Union den Versuch, Armut gemeinsam zu bekämpfen und habe deshalb die einzelnen Länder dazu aufgefordert, einen entsprechenden Aktionsplan vor­zu­legen. Er glaube, dass dieser Aktionsplan, den der Ministerrat beschlossen und den Öster­reich am heutigen Tage in Brüssel vorgelegt habe, sehr wohl maßgebliche Hinweise und Anre­gungen enthalte, um Armut und sozialer Ausgrenzung zu begegnen.

Es sei nicht so, dass die Budgetsanierung die Armut noch vergrößere, sondern der Hauptfaktor sei, dass man bei 800 Milliarden Schilling an Gesamtausgaben bereits über 100 Milliarden Schil­ling an Zinsen zahlen müsse, sodass für soziale Anliegen zu wenig Geld zur Verfügung stehe. Das sei auch in anderen europäischen Ländern der Fall.

Es dürfe nicht beklagt werden, dass das Pensionsantrittsalter angehoben werde, denn ein Jahr Anhebung desselben bringe insgesamt 10 Milliarden Schilling weniger an Budgetbelastung, womit man eine Reihe von sozialen Maßnahmen setzen könne. Österreich habe mit 57 Jahren welt­weit das niedrigste Pensionsantrittsalter, durch die gesunde Lebensweise würden die Men­schen immer älter und daher habe man Maßnahmen zu ergreifen, wenn man vom gesetzlichen Pensionsantrittsalter weit entfernt sei. Es sei allerdings zu Recht gesagt worden, dass es nicht in Ordnung sei, wenn Betriebe ältere Menschen ab 55 Jahren in Pension schicken. Dagegen müsse aufgetreten werden.

Man müsse auch darüber nachdenken, was getan werden könne, um dem Facharbeitermangel der nächsten Jahre zu begegnen.

Was die Teilzeitbeihilfe betreffe, stimme es, dass diese seit dem Jahre 1990 als erster Schritt in Richtung Karenzgeld bestehe. Der Anteil, der aus dem Familienlastenausgleichsfonds für das Karenzgeld bezahlt worden sei, sei als Teilzeitbeihilfe fixiert worden. In der Zwischenzeit sei der Anteil aus dem Familienlastenausgleichsfonds auf 70 Prozent angehoben worden, die Teilzeit­beihilfe jedoch nicht und nun würden 100 Prozent aus dem Familienlastenaus­gleichs­fonds für das Kinderbetreuungsgeld verwendet. Es gebe überhaupt kein Argument dafür, warum gewisse Bevölkerungsschichten davon ausgeschlossen werden sollten.

Zum Schluss kommend, meint Abgeordneter Schwarzenberger, dass der Aktionsplan zur Be­kämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung schon dazu beitragen werde, Armut tat­sächlich zu bekämpfen.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Rein­hart Waneck beginnt sein Abschlussstatement damit, dass einerseits von den Sozialdemo­kraten gesagt wurde, dass bei ihnen früher alles bestens gewesen sei, dass jedoch anderer­seits von den Grünen gesagt wurde, dass in der Vergangenheit zu wenig gemacht worden sei. Er sei eher der Meinung, dass, wenn er die Effizienz der Maßnahmen und das Ausmaß der Ver­schuldung in Relation stelle, Zweiteres zutreffend sei.

Allerdings gebe er zu, dass der Anforderungskatalog der EU eher bescheiden sei, da er auf einem sehr niedrigen Niveau angesetzt sei. Die EU komme in ihrer Stellungnahme auch zu der Feststellung, dass Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern von einem sehr hohen sozialen Niveau ausgehe. Somit gehe es eigentlich weniger darum, sich dem EU-Niveau anzu­passen, sondern darum, dass Österreich seine Vorreiterrolle weiterhin behalte.

Der Staatssekretär ist überzeugt davon, dass in der kurzen Zeit, die zur Verfügung gestanden sei, sehr wohl gewichtige Maßnahmen gesetzt worden seien, um im Sinne des Aktionsplans tätig zu werden. Das sei beim Kinderbetreuungsgeld der Fall, denn somit werde künftig das Familieneinkommen steigen.

Kurz erwähnt er die Behindertenmilliarde, die Programme für Langzeitarbeitslose, die Familien­beihilfe und Fraueninitiativen mit diversen Programmen, weist jedoch ausdrücklich auf den Grund­aspekt dieses Aktionsplans hin, nämlich dass dies ein erster Bericht sei und mit morgi­gem Tag die Laufzeit des nächsten Aktionsplans beginne. Von Seiten des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen sei auch vorgesehen, diesen Plan unter Einbindung aller Interessengruppen und -vertreter weiterzuführen und entsprechend auszuweiten. Der vorgegebene Zeithorizont sei das Jahr 2010.

Für den Zeitraum 2001 bis 2003 sei ein ständiger Dialog zwischen den einzelnen Ländern und der EU vorgesehen. Weiters sei die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Entwicklung vergleich­barer Indikatoren vorgesehen, um exakte finanzielle Angaben machen zu können, die derzeit auf Grund der Verschränkung mit zahlreichen Interessengruppen und Ministerien seriöserweise nicht möglich seien.

Er ruft in Erinnerung, dass der Zeitraum der Erstellung des Aktionsplanes vier Monate betragen habe; die Feststellung, dass Deutschland bereits am 16. Mai fertig gewesen sei, gehe insofern ins Leere, weil er davon ausgehe, dass in Österreich einfach länger mit allen betroffenen Grup­pen unter Ausschöpfung aller Konsultationsmöglichkeiten diskutiert worden sei. Wenn der Ter­min für das Vorlegen des Planes der 1. Juni sei, dann sei die Fertigstellung am 31. Mai recht­zeitig und müsse nicht unbedingt früher erfolgen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sie haben be­hauptet, es wäre verboten!)

Zur Aufklärung eines möglichen Missverständnisses merkt der Staatssekretär abschließend an, dass es verboten sei, den Aktionsplan zu veröffentlichen, bevor ihn der Ministerrat beschlossen habe. Das sei am 29. Mai erfolgt, am 30. Mai sei er vervielfältigt worden und abends dem Parla­ment – wahrscheinlich mit dem Eingangsstempel 31. Mai – zugegangen. Somit sei im Grunde keine Fristverzögerung erfolgt.

2. Punkt

Nukleare Sicherheit im Zusammenhang mit der Erweiterung (Nuclear safety in the context of the enlargement) (29707/EU XXI.GP)

und

KOM (00) 493 endg.

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Unter­stützung der Kommission für die nukleare Sicherheit in den Neuen Unabhängigen Staaten und den mittel- und osteuropäischen Ländern (19093/EU XXI.GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend leitet zu Punkt 2 der Tagesordnung über und ruft noch ein­mal die vereinbarten Redezeitbestimmungen in Erinnerung, die für die vier Fraktionen wie folgt lauten: SPÖ 20 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 15 Minuten, Grüne 12 Minuten.

Damit Klarheit herrscht, führt er kurz die zu diesem Tagesordnungspunkt vorliegenden Anträge an, und zwar den Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Schwar­zen­berger betreffend Änderung der EU-Atompolitik, den Antrag auf Stellungnahme der Abge­ord­neten Dr. Glawischnig, Dr. Lichtenberger, Mag. Sima und Dr. Einem betreffend Änderung der EU-Atompolitik, den Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Dr. Glawischnig und Mag. Sima betreffend österreichische Initiative betreffend Temelin-Ausstieg und den Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Mag. Sima, Dr. Glawischnig und GenossInnen betreffend österreichische Initiative zur Änderung der Euratom-Verträge.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer erläutert, dass die österreichische Anti-Atompolitik auf einer sehr klaren Grund­lage basiere, die in den letzten Jahren gemeinsam erarbeitet worden sei und die auf Grund vie­ler einstimmiger Beschlüsse, die im Nationalrat und im Bundesrat gefasst worden seien, gültig sei. Die österreichische Bundesregierung sei sich dieser Verpflichtung bewusst und versuche, diese Anti-Atompolitik tatsächlich auf allen Ebenen umzusetzen.

Das betreffe einerseits die finanziellen Unterstützungen, die Österreich etwa durch diverse Teil­haben an Fonds sicher gestellt habe, das betreffe andererseits auch konkrete Initiativen wie die Kooperation bei der seismischen Beobachtung eines Kraftwerks in Slowenien. Davon sei selbst­verständlich auch die sehr klare, auf Basis der Beschlüsse des Nationalrates bestehende Haltung zum Atomkraftwerk Temelin und zur Umsetzung des Melker Protokolls umfasst sowie die strategische Zielsetzung, dass Österreich auf europäischer Ebene dafür eintrete, dass ein­heit­li­che Sicherheitsstandards geschaffen werden und dass im Zuge der EU-Beitritts­ver­handlungen natürlich dem Thema der nuklearen Sicherheit besondere Aufmerksamkeit beizu­messen sei.

Dieser Punkt sei unter anderem auf österreichische Initiative hin in den Gesamtkomplex der relevanten Materien für die Beitrittsverhandlungen aufgenommen worden. Das betreffe auch die Fra­ge der Alternativstrategien und -szenarien für den Energiebereich. Österreich sei feder­füh­rend bei erneuerbaren Energieträgern und auch bei der Klimapolitik bezüglich dessen, was den Ausschluss von Nuklearenergieprojekten angehe.

Bundesminister Mag. Molterer zeigt sich überzeugt davon, dass auf Basis dieses breiten Kon­sen­ses, der in Österreich diesbezüglich immer geherrscht habe, der Weg der Anti-Atompolitik sehr klar und unmissverständlich auch in Zukunft fortgesetzt werden werde.

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ) meint, dass es im Bericht der Kommission für die nu­kleare Sicherheit in den Neuen Unabhängigen Staaten und den mittel- und osteuropäischen Län­dern darum gehe, dass von Seiten der EU massive Investitionen im Bereich der sicher­heitstechnischen Aufrüstung, aber auch in den Ausbau von Atomkraftwerken geplant seien, die teilweise auch über Euratom-Darlehen abgewickelt werden sollen. In der Vergangenheit sei schon öfters diese zwiespältige Sicherheitsdebatte geführt worden. Einerseits könne es natür­lich von Vorteil sein, wenn man Gelder investiere, um Atomkraftwerke sicher zu machen, ande­rer­seits werde dadurch automatisch deren Betriebsdauer verlängert, was natürlich nicht die Inten­tion sein könne. Das Argument der Sicherheit müsse ein wenig als Deckmantel herhalten, um in diese Ost-AKWs beziehungsweise AKWs in den Neuen Unabhängigen Staaten zu inves­tie­ren.

Die meisten Empfehlungen in diesem Bericht seien ihrer Ansicht nach nicht sehr vertrauens­för­dernd. Sie verweise etwa auf Seite 6, wo davon die Rede sei, dass es in den Beitrittsländern eini­ge Kernreaktoren gebe, die auf akzeptable Sicherheitsniveaus nachgerüstet werden könnten. Darunter seien zum Beispiel die Blöcke 5 und 6 in Kozloduy, die Blöcke in Bohunice und auch das AKW Temelin aufgelistet und das widerspreche eindeutig dem, was Österreich seit vielen Jahren zu erreichen versuche. Es könne nicht sein, dass man sich gegen Temelin aus­spreche und gleichzeitig über Euratom mit österreichischen Steuergeldern quasi die sicher­heitstechnische Aufrüstung von AKWs finanziere, die man eigentlich offensiv bekämpfe.

Im Parlament habe es diesbezüglich schon einen einstimmigen Beschluss gegeben, nämlich im Anti-Atom-Aktionsplan. Dort heiße es unter Punkt 2, Euratom-Initiative, dass von Seiten der Bun­desregierung eine Initiative gestartet werden solle, nämlich zur Änderung des Euratom-Ver­trags unter dem Motto „Einstieg in den Ausstieg“, dass der Euratom-Vertrag als Sicherheits­vertrag gesehen und dass die Sonderrolle des Nuklearsektors in diesem Bereich beseitigt wer­den solle. Eine dahingehende Initiative vermisse sie aber bis heute.

An den Bundesminister richtet sie die Frage, was er konkret vorhabe, um die in diesem Bericht auf­ge­zeigten Investitionen und Entwicklungen zu verhindern und wie die Strategie Österreichs diesbezüglich aussehe. Diese Investitionspläne dürften schon weit gediehen sein, liefen aber sämtlichen Bemühungen Österreichs völlig zuwider, womit akuter Handlungsbedarf bestehe.

Abschließend bringt sie den Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Mag. Sima, Dr. Gla­wisch­nig und GenossInnen betreffend österreichische Initiative zur Änderung der Euratom-Verträge ein.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) verleiht ihrer Besorgnis Ausdruck, dass es in den letzten Monaten eine recht bedenkliche Entwicklung auf europäischer Ebene gegeben habe. Kur­ze Zeit vor der Klimakonferenz habe man die Initiative der EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio miterleben können, wobei es beim Grünbuch zur Versorgungssicherheit Energie gleich­sam einen Vorstoß der Atom-Lobby gegeben habe, um die europäische Atompolitik wie­der verstärkt auf Atomkurs zu bringen. Wenn man sich vor Augen führe, dass über viele Jahre hinweg keine Kredite für die Aufrüstung von Nuklearanlagen in Osteuropa vergeben worden seien, dass auch die Weltbank dies nicht getan habe, nun aber ein gewaltiges Investitions­programm anstehe, dann bestehe wirklich großer Handlungsbedarf.

Russland habe das Ziel, sich als Art Atommüll-Endlager Europas zu positionieren. Es gebe den Be­schluss der Duma, Atommüll zu importieren. Durch kommerzielle Kredite würden Staaten wie zum Beispiel die Ukraine dazu gezwungen, mit Exporten aus anderen Ländern zu rechnen, damit sie diese Gelder dann überhaupt zurückzahlen könne. Dieses Gesamtbild entspreche durch­aus einer „Atomkolonialisierung“ des Ostens. Es werde einerseits westeuropäischer Atom­müll hinübergeschickt, Westeuropa selbst importiere billigen, aber „schmutzigen“ Atom­strom und andererseits kämpften diese Staaten mit der Rückzahlung von Kreditzinsen, obwohl ganz sicher sei, dass diese Gelder weitaus sinnvoller in Modernisierungen der Energiesysteme inves­tiert wären. Daher sei speziell die Frage der Kredite eine, wozu sich Österreich äußern, wenn nicht sogar versuchen sollte, diese überhaupt zu verhindern.

Außerdem bedeute die vorgesehene Aufstockung des Euratom-Kreditrahmens um 2 Milliar­den € eine zusätzliche Erleichterung für Vorhaben, AKWS sicherheitstechnisch aufzu­rüsten und mit dem EU-Nuklearforschungsprogramm gehe der Kurs der Europäischen Kom­mission auch weiterhin massiv in Richtung Pro-Nuklearpolitik.

Um dem entgegenzuwirken, hätten die Grünen einen Antrag vorbereitet, der – verglichen mit je­nem der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Schwarzenberger – weiter reiche als das, was im Mo­ment ohnehin schon von politischer Seite bezüglich Euratom-Vertrag und einheitliche Sicher­heits­standards verfolgt werde. Man müsse von Seiten der österreichischen Politik auch die Kre­dit­komponente verstärkt ins Visier nehmen. Sie bringt daher den Antrag der Abgeordneten Dr. Gla­wischnig, Dr. Lichtenberger, Mag. Sima und Dr. Einem betreffend Änderung der EU-Atom­politik ein.

Abschließend stellt sie die Frage, welchen Standpunkt Österreich in Sachen Kreditpolitik durch den Finanzminister und die Vertretung bei der EIB und der EBRD in Zukunft einnehmen werde und wie man die Milliardenbeträge, die jetzt fließen, noch verhindern könne. Dazu wolle sie konkrete Vorhaben der nächsten Wochen und Monate in Erfahrung bringen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt fest, dass auch die Freiheitlichen der Meinung seien, dass es nicht in Österreichs Interesse sein könne, mit eigenen Beiträgen die Le­bens­dauer von „Schrottkraftwerken“ quasi zu verlängern. In diesem Sinne sollte auch der öster­reichischen Anti-AKW-Politik auf europäischer Ebene zum Durchbruch verholfen werden. Be­züglich der Gespräche, den Post-Nizza-Prozess betreffend, die in der Hofburg stattgefunden hätten, gebe es seit dem Vortag auch eine klare Positionierung der Bundesregierung, die darauf hin­weise, dass sie sich massiv für eine inhaltliche Änderung des Euratom-Vertrages verwenden wer­de, und zwar in die Richtung, dass aus diesen Mitteln nicht nur die friedliche Nutzung der Kern­kraft im Mittelpunkt aller Finanzierungstätigkeiten stehe, sondern dass Ausstiegs­pro­gram­me und vor allem Forschungsarbeiten auf dem Gebiet erneuerbarer Energien finanziert werden sollen.

Zu den eingebrachten Anträgen sei zu sagen, dass der Antrag Dr. Glawischnig, Dr. Lichten­ber­ger, Mag. Sima, Dr. Einem nicht ganz zielführend sei, weil es sich bei der Aufstockung des Eura­tom-Kreditrahmens um eine Erhöhung des Haftungsrahmens handle und das keine ECOFIN-pflichtige Budgetmaßnahme sei. Die beiden anderen Anträge entsprächen durchaus dem, dass die Freiheitlichen auch angeboten hätten, einen Vier-Parteien-Antrag zu beschlie­ßen.

In Richtung der Abgeordneten Mag. Sima meint der Abgeordnete, dass man die Anträge der Oppo­sition ja auch sehr kurzfristig erhalte. Man könne sich aber darauf einigen, in Zukunft die Anträge zwei Tage vor einer Sitzung auszutauschen und zu schauen, ob man gerade in dieser wichtigen Frage Vier-Parteien-Anträge zustande bringen könne. Bei rascher Durchsicht der An­träge habe er erkennen können, dass es fast durchwegs Übereinstimmung gebe und er lade deshalb noch einmal die SPÖ und die Grünen herzlich dazu ein, dem Antrag Mag. Schweitzer, Schwarzenberger im Interesse einer gemeinsamen Anti-AKW-Politik zuzustimmen.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) ist der Ansicht, dass sich Österreich von allen europäischen Ländern schon sehr früh zum Ausstieg aus der Atomenergie entschlossen habe. Man habe zwar das Atomkraftwerk Zwentendorf fertig gestellt, dieses sei aber auf Grund der Volksabstimmung dann nicht in Betrieb gegangen.

Österreich setze sich auch in Europa gegen die Atomenergie, aber für andere Energiearten ein. Es sei jedoch Tatsache, dass man beträchtliche Energieimporte benötige und eigene Ressour­cen nicht ausgeschöpft würden. Deshalb sei es wichtig, dass man sich noch stärker, was die Effi­zienz der eingesetzten Energie betreffe, Gedanken darüber mache, wie man vor allem bei erneuerbarer Energie, die es in Europa und insbesondere in Österreich gebe, Vorstöße erzielen könne. In Österreich habe man im Vergleich zu anderen europäischen Staaten eine relativ hohe Energieproduktion aus erneuerbarer Energie und aus Wasserkraft. Da sei aber noch eine Reihe an Reserven vorhanden.

Ein Beitrag dazu sei die Verpflichtung, im Rahmen des ElWOG 4 Prozent aus erneuerbarer Energie bis zum Jahre 2007 einzusetzen. Es seien allerdings in Österreich auch riesige Reser­ven an Biomasse vorhanden; Biomasse habe aber bisher mit der fossilen Energie, die quasi den Vorräten der Erde entnommen und ausgebeutet werde, einfach wettbewerbsmäßig nicht mit­halten können, weil bei erneuerbarer Biomasse sehr viel an Arbeitsleistung notwendig sei. Wei­ters gebe es in Österreich einen Holzzuwachs von rund 30 Millionen Festmetern, aber nur 18 Milli­onen Festmeter würden genützt. Da wachse eine enorme Reserve heran. Auch im Bio­gas­bereich, bei der Windenergie und bei der Abwärme seien noch beträchtliche Energievorräte vorhanden.

Ein weiterer Punkt, der im Antrag Mag. Schweitzer, Schwarzenberger angesprochen werde, sei, dass man in Europa einheitliche Sicherheitsstandards für noch im Betrieb befindliche Kern­kraft­werke brauche. Es könne doch nicht sein, dass man etwa für die Gurkenkrümmung europaweit ein­heitliche Vorschriften habe, aber gerade in einem so gefährlichen Bereich wie der Atom­kraft – und Tschernobyl habe ja gezeigt, dass ein Super-GAU möglich sei – gebe es keine europaweit einheitlichen Sicherheitsstandards, die auch den neuesten wissenschaftlichen und tech­ni­schen Standards entsprächen.

Diese seien jedoch vor allem auch für die Beitrittsländer wichtig, denn gerade beim Kernkraft­werk Temelin sei sichtbar, wie viele Störfälle dort laufend passieren. Das wecke natürlich ange­sichts der geringen Sicherheitsstandards Angst in der Bevölkerung. Aus diesem Grund glaube er, dass im Antrag der Regierungsparteien für diesen Bereich Vorschläge dahin gehend ge­macht werden, dass man sich mit aller Konsequenz bei der Europäischen Union für einheitliche Sicherheitsstandards einsetze.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) geht zuerst auf seinen Vorredner ein und äußert sich da­hin gehend, dass Einigkeit darüber herrsche, dass man mit aller gemeinsamen Kraft darauf hin­wirken wolle, dass Europa die Alltagssorgen der Menschen etwas ernster nehme, sich nicht aus­schließlich auf Fragen des Binnenmarktes konzentriere und sich nicht nur auf die Standardisierung von Produkten oder Dienstleistungen in einem großen europäischen Wirt­schafts­raum beschränke. Damit werde Europa tatsächlich zu einer Gemeinschaft, die auch für deren Bürger attraktiv sei. Einheitliche Sicherheitsstandards seien vorrangig.

Die Frage der Schaffung des Binnenmarktes sei zwar für die Wirtschaft wichtig und habe zum Teil auch positive Effekte für die breite Masse, aber das sei nicht das Einzige, was diese interes­siere. Die Frage der Atomsicherheit sei auf jeden Fall ein wesentlicher Punkt.

Der Abgeordnete meint, dass es seiner Information nach und im Gegensatz zu dem, was Abge­ordneter Mag. Schweitzer zu diesem Punkt gesagt habe, so sei, dass die Erhöhung des Eura­tom-Kreditrahmens doch einer Entscheidung des ECOFIN bedürfe. Falls es dieser Entschei­dung bedürfe, möchte er von Bundesminister Mag. Molterer wissen, wie die Bundesregierung, entsprechend der gemeinsamen Linie des Parlaments, mit ihrem Veto dafür sorgen werde, dass keine einstimmige Beschlussfassung zu Stande komme.

Weiters habe es ihn überrascht, dass im Antrag der Regierungsfraktionen ein Gesichtspunkt nicht berücksichtigt sei, der aber dafür maßgeblich gewesen sei, dass die Frage Euratom am Vor­tag im Rahmen des Post-Nizza-Prozesses in den Redoutensälen überhaupt zur Sprache gekommen sei. Der Bundeskanzler habe in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, dass man im Rahmen des Post-Nizza-Prozesses und der Änderung des EU-Vertrages darauf hinwirken sollte, dass der Euratom-Vertrag in den EU-Vertrag integriert und inhaltlich verändert werde.

Er, Einem, halte diesen Vorschlag für richtig, dieser sei unterstützenswert, fehle aber im Antrag der Regierungsfraktionen. Man sollte im letzten Punkt des Antrages auf Seite 1 eine Ergänzung vor­nehmen und schreiben: „... die Bestimmungen des Euratom-Vertrages in den EU-Vertrag in­te­griert und dahin gehend reformiert werden ...“. Somit wäre dieser Gesichtspunkt auch ent­halten.

Betreffend Forschungsprogramme ist Abgeordneter Dr. Einem der Ansicht, dass es zu kurz grei­fe, die Forschungsprogramme nur auf erneuerbare Energie zu konzentrieren. Das sei zwar ein Schwerpunkt, es spreche aber durchaus einiges dafür – auch innerhalb des 6. Rahmen­pro­grammes –, Forschungsmittel dafür vorzusehen, um die Ausstiegsstrategien beziehungs­weise Ausstiegstechnologien aus der Atomkraft noch besser erforschen zu können. Es seien noch nicht alle Fragen bezüglich Abwracken oder endgültiger Stilllegung von Atomkraftwerken so weit gelöst, dass man damit zufrieden sein könne.

Was die Zukunft betreffe, solle es um erneuerbare Energien gehen, was die schon vorhandene und eingesetzte Nukleartechnologie betreffe, solle es aber auch darum gehen, diese lang wir­ken­den Problemstoffe auf eine möglichst effiziente und für die Natur und den Menschen unge­fährliche Weise zu beseitigen. Dazu werde es vermutlich noch weiterer Forschungsmittel bedürfen.

Die Einladung des Abgeordneten Mag. Schweitzer, dem Antrag der Regierungsfraktionen zuzu­stimmen, um der Tradition der Vier-Parteien-Anträge treu zu bleiben, erwidert Abgeordneter Dr. Einem mit der Einladung seinerseits, die beiden Anträge der Opposition zu unterstützen, da diese in dieselbe Richtung gingen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche) hält fest, dass das Einfordern ge­meinsamer Sicherheitsstandards richtig und wichtig sei. Er müsse aber darauf hinweisen, dass es sehr schwierig sei, allgemein gültige Sicherheitsstandards festzulegen, weil Reaktoren west­li­cher Bauart und insbesondere Ost-Reaktoren sehr unterschiedlich von ihrer Bauart her seien. Man müsse im Prinzip wieder dazu übergehen, die Sicherheitsstandards sehr allgemein zu definieren und davon seien wiederum keine klaren Regelungen zu erwarten.

Bezüglich Temelin sei zu sagen, dass im Umweltausschuss noch eine entsprechende Dis­kus­sion stattfinden werde, denn aus Sicht der Freiheitlichen gebe es beim Antrag der Abgeord­neten Dr. Glawischnig und Mag. Sima inhaltliche Probleme. Da aber die Richtung des Antrags im Wesentlichen dem entspreche, was auch die Freiheitlichen wollen, nämlich wofür sich die Bundesregierung einsetzen solle, sei er positiv eingestellt, dass es doch zu einem gemeinsa­men Antrag kommen werde. (Obmannstellvertreter Dr. Einem übernimmt den Vorsitz.)

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) meint bezüglich der Sicherheitsstandards, dass die Diskussion darüber nicht so unproblematisch gewesen sei. Es habe viele Jahre lang auch im Bundeskanzleramt die Position gegeben, dass man sich auf eine Sicherheitsstandard-Dis­kussion in dieser Form aus wohl überlegten Gründen nicht einlasse. Man habe nämlich be­fürchtet, dass man, falls die Höhe der Sicherheitsstandards von Frankreich oder Großbritan­nien stark dominiert würde, ein sehr niedriges Niveau in ganz Europa hätte und dann die Frage am Tapet wäre, wie unsicher eigentlich die westlichen AKWs seien. Auch die Atom-Lobby habe sich sehr gegen einheitliche Sicherheitsstandards gesträubt.

Die Grünen seien der Ansicht, dass es, wenn man von dem Standpunkt ausgehe, dass ein AKW auf einer Technologie beruhe, die man insgesamt nicht als sicher beschreiben könne, eine gewisse Gefahr darstelle, derer man sich bewusst sein müsse.

Die Abgeordnete fragt weiters, wie der Stand der Ratsarbeitsgruppe „Nukleare Sicherheit“ sei, wie deren genauer Zeitplan aussehe und in welche Richtung sich diese Debatte entwickle. Der Stand der Technik, der einem hohen Anspruch gerecht werden müsse, müsse berücksichtigt wer­den, denn dann werde wahrscheinlich kein neues AKW mehr gebaut werden. Allerdings gehe die Entwicklung international in eine andere Richtung, wenn man das Energieprogramm von Präsident Bush betrachte, das 100 neue AKWs vorsehe.

In einer Fraktionsführerbesprechung am Vortag habe man kurz über das weitere Vorgehen betreffend Temelin debattiert. Die Grünen hätten nach wie vor die Hoffnung und den Vorschlag, dass man weiterhin auf europäischer Ebene in Form einer Ausstiegskonferenz, aber auch in Form von Prüfungen versuche festzulegen, welche Hilfen als stranded investment anrechenbar wären, um auf eine andere, sanftere Art auf Tschechien einzuwirken. In dem Sinn sei auch der Antrag Dr. Glawischnig, Mag. Sima betreffend österreichische Initiative betreffend Temelin-Ausstieg zu verstehen, den sie hiemit einbringe, der wortidentisch nächste Woche auch im Oberösterreichischen Landtag diskutiert werden werde.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) ist der Auffassung, dass man versucht ha­be, sich auf einen gemeinsamen Antrag zu einigen. Es könne aber nicht sein, dass man Punkte in einen Antrag aufnehme, die dort fehl am Platz seien. Er habe schon gesagt, dass es sich bei der Aufstockung des Euratom-Kreditrahmens nicht um eine ECOFIN-pflichtige Budgetmaß­nah­me handle, sondern um die Erhöhung eines bestehenden Haftungsrahmens. Das K2/R4-Projekt in der Ukraine werde in der Europäischen Kommission und in den Gremien der EBRD behan­delt, wo Österreich bereits wiederholt und konsequent seine kritische Position eingebracht habe.

Die Regierungsfraktionen hätten einen Antrag vorgelegt, der all das beinhalte, was auch die Grü­nen in ihren Anträgen fordern. Wenn sie Interesse daran hätten, Bundesminister Mag. Mol­te­rer auf Basis eines Vier-Parteien-Antrags, der einstimmig beschlossen werde, nach Brüssel zu entsenden, dann sei es notwendig, diesem Antrag zustimmen, weil inhaltlich keine Unter­schie­de vorhanden seien.

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ) kann den vom Abgeordneten Mag. Schweitzer darge­legten Widerspruch in Bezug auf die Anträge nicht sehen. Angesichts der Tatsache, dass sich Österreich seit Jahren gegen das K2/R4-Projekt einsetze, könne es doch kein Problem sein, einem Antrag zuzustimmen, in dem eben das gefordert werde. Einfach nur zu sagen, das ma­che ohnehin die Kommission, sei ein wenig zu einfach. Offensichtlich sei Abgeordneter Mag. Schweitzer der Meinung, dass alles, was in der Kommission passiere, außerhalb jeglichen Wirkungsbereiches der Mitgliedstaaten stehe. Sie, Sima, hoffe, dass es nicht wirklich so ist.

Außerdem sei einer der Anträge den Fraktionen schon gestern zugegangen, die Regierungs­par­teien hätten den ihrigen 5 Minuten vor der Sitzung vorgelegt. Die SPÖ sei jedenfalls zu einem Vier-Parteien-Antrag bereit – ihre Anträge lägen auf dem Tisch und inhaltlich sei man nicht so weit voneinander entfernt! Sie ersucht die Regierungsfraktionen darum, den SPÖ-Anträgen beizutreten, man könne das aber durchaus auch wechselseitig machen.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer ersucht darum, sich auf einen Vier-Parteien-Antrag zu einigen, da dies letztend­lich die Fortsetzung einer wichtigen Tradition sei.

Abgeordnete Mag. Sima habe in der Frage Sicherheit und Betriebsdauer durchaus Recht, im Zwei­felsfall sei ihm, Molterer, aber die Sicherheit eines Kraftwerks als zweitbeste Lösung gegen­über einem Kraftwerksbetrieb ohne Sicherheitsstandards als drittbeste Lösung lieber.

Es gebe innerhalb der Mitgliedstaaten der EU massive Auffassungsunterschiede in der Frage der Nutzung der Nuklearenergie für energetische Zwecke, das sei allen bekannt. Manche Mit­glied­staaten würden dezidiert die genau gegenteilige Position zu Österreich vertreten – aller­dings sei in einigen Ländern in den letzten Jahren ein Meinungswandel zu beobachten, man den­ke etwa an die Ausstiegsdiskussion in Schweden oder in Deutschland. Daher werde es auch in Zukunft schwierig sein, diese „Schritt für Schritt“-Politik innerhalb der Europäischen Union fortzusetzen. Mit dieser Politik habe man aber in den letzten Jahren parteiübergreifend durchaus etwas zustande gebracht.

Zu Euratom: Die vortägige Diskussion habe die strategische Option der Bundesregierung sehr klar aufgezeigt, nämlich einerseits die Integration und andererseits die inhaltliche Weiterent­wicklung des Euratom-Vertrages. Es gebe also inhaltlich keine Unterschiede in den Positionen, daher werde dies die österreichische Haltung sein.

Die Klimakonferenz sei ein Sonderkapitel, denn er könne aus heutiger Sicht noch nicht ein­schätzen, ob und wie die Konferenz von Bonn stattfinden werde. Die Vereinigten Staaten hätten ja in der Zwischenzeit dezidiert erklärt, dass das Kyoto-Protokoll für sie keine Basis sei. Offen sei noch, ob sie trotzdem einen Prozess in Bonn ermöglichen. Innerhalb der Europäischen Union sei aber neuerlich klargestellt worden, dass die Nuklearenergie keine nachhaltige Form der Energiegewinnung sei.

Betreffend Kreditrahmen respektive Kreditpolitik sei seine Information mit jener des Abgeord­neten Mag. Schweitzer identisch, wonach es sich hiebei um keine ECOFIN-pflichtige Budget­maß­nahme, sondern um die Erhöhung eines bestehenden Haftungsrahmens handle. Das Fi­nanz­ministerium habe hinsichtlich der Kreditpolitik immer eine sehr klare Position, auch inner­halb der EBRD, vertreten und trete seit Jahren gegen problematische Investitionen wie das schon angesprochene ukrainische K2/R4-Projekt auf. Allerdings habe Österreich, wie er, Molte­rer, glau­be, nur 2,8 Prozent des Stimmgewichtes innerhalb der EBRD, wo es ebenfalls unter­schiedliche Einschätzungen in dieser Fragestellung gebe.

Zur Frage des Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann betreffend einheitliche Standards sei zu sa­gen, dass es trotz der möglichen Verwässerung in Folge der Diskussion darüber mehrere Argu­mente dafür gebe, warum es klug sei, diese Politik zu forcieren. Ohne einheitliche Standards gebe es keinen Acquis, auf den beispielsweise im Falle der Erweiterung gesetzt werden könne.

Die Anregung des Abgeordneten Dr. Einem, nicht nur Alternativen im Sinne erneuerbarer Energien, sondern auch die Frage der Ausstiegsszenarien in die EU-Forschungsprogramme aufzunehmen, halte er für richtig und unterstützenswert.

Der COREPER werde sich am 6. Juni mit den Ergebnissen der Ratsarbeitsgruppe „Atomic Ques­tion Group“ befassen. Sobald die Dokumente offiziell zur Verfügung stünden, werde man sie umgehend den Abgeordneten zukommen lassen.

Betreffend Temelin hält Bundesminister Mag. Molterer abschließend fest, dass der Melker Pro­zess aus seiner Sicht jene Grundlage sei, auf der in der Folge weitergearbeitet werden kön­ne – auch in der Kommission, mit der Kommission, mit den Mitgliedstaaten.

Obmann Dr. Werner Fasslabend schließt die Debatte und leitet über zur Abstimmung.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) teilt in einer Wortmeldung zur Geschäfts­be­hand­lung mit, dass ihm die Kopie eines Antrages der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Dr. Lich­ten­berger, Mag. Sima, Dr. Einem vorliege, der sowohl von Dr. Glawischnig als auch von Dr. Lichtenberger, also von zwei Grünen unterschrieben sei, obwohl die grüne Fraktion nur mit einem Mitglied in diesem Unterausschuss vertreten sei. Auf dem Original dieses Antrages sei dann „Lichten­berger“ einfach durchgestrichen worden. Er, Schweitzer, sei jedoch der Auffas­sung, dass es hiezu einer Zurückziehung der Unterschrift bedürfe. Somit sei dieser Antrag nicht nur – wie er bereits ausgeführt habe – inhaltlich nicht richtig, sondern auch formal nicht richtig eingebracht und könne daher nicht abgestimmt werden.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) betont, dass rein rechtlich gesehen nach Auffassung seiner Fraktion eine Unterschrift erforderlich sei; diese sei vorhanden, das genüge. Er schlägt vor, nach der Wortmeldung der Abgeordneten Dr. Glawischnig zur Klärung dieser Frage die Sitzung zu unterbrechen.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) schließt sich dem Antrag auf Sitzungsunter­bre­chung an, damit sie dann den Antrag erneut und ohne jeglichen formalen Zweifel einbringen könne.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) merkt an, dass die Rednerliste unter Vorsitz­führung des Abgeordneten Dr. Einem geschlossen worden sei, daher keine Wortmeldungen mehr außer zur Geschäftsbehandlung möglich seien. Ein Antrag könne aber nur während der Debatte ordnungsgemäß eingebracht werden, somit sei diese Frage eindeutig geklärt.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) erinnert daran, dass man sich bereits im Abstimmungsverfahren befinde; in diesem sei keine Sitzungsunterbrechung möglich. Der betref­fende Antrag sei geschäftsordnungsmäßig nicht richtig eingebracht worden und somit auch nicht zur Abstimmung zuzulassen.

Obmann Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass die Debatte geschlossen sei, das Abstim­mungs­verfahren allerdings noch nicht begonnen habe, da zunächst eine Geschäftsordnungs­frage zu klären sei. Er habe in der Zwischenzeit darum ersucht, den Parlamentsdirektor herbei­zu­holen, um diese Angelegenheit rechtlich klären zu lassen.

Zweifelsohne stehe der Antrag, so wie er ursprünglich eingebracht worden sei, nicht im Wider­spruch zur Geschäftsordnung, allerdings sei er ein zweites Mal in „verbesserter Form“ vorgelegt worden. In dieser zweiten Fassung komme der Name und die Unterschrift der Abgeordneten Dr. Lich­ten­berger nicht mehr vor, diese sei zu jenem Zeitpunkt jedoch nicht anwesend gewe­sen. Die Frage, ob es zu einer Zurückziehung kommen könne oder ob das nicht „beigesetzt“ wer­de, sei rechtlich zu klären. Zu diesem Zweck wolle er die Rechtsauskunft des Parlaments­direktors einholen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) wirft ein, dass Obmann Dr. Fasslabend die Debatte bereits geschlossen und zur Abstimmung übergeleitet habe. Dies bedeute, dass man sich in einem Abstimmungsvorgang befinde, in dem es keine Sitzungsunterbrechung geben könne.

Daraufhin habe sich er, Schweitzer, zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet, um darauf hinzu­weisen, dass dieser eine Antrag nicht geschäftsordnungsmäßig eingebracht worden und somit nicht zur Abstimmung zuzulassen sei.

Obmann Dr. Werner Fasslabend weist nochmals darauf hin, dass er für die Beurteilung der Fra­ge, ob das Überleiten zur Abstimmung nur eine Ankündigung bedeute oder heiße, dass man sich bereits mitten im Abstimmungsvorgang befinde, die fachliche Meinung des Parlaments­direktors einholen wolle.

*****

Nach Beratungen mit dem in der Zwischenzeit eingetroffenen Parlamentsdirektor führt Obmann Dr. Werner Fasslabend folgende Abstimmungen durch:

Der Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Georg Schwarzenberger betreffend Änderung der EU-Atompolitik (29707/EU XXI. GP, 19093/EU XXI. GP) erhält die Mehrheit und ist damit angenommen.

Der Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Eva Gla­wisch­nig, Mag. Ulrike Sima und Dr. Caspar Einem betreffend Änderung der EU-Atompolitik, auf dem eine Unterschrift, die von der Antragstellerin nicht zurückgezogen, sondern in deren Abwe­senheit nur durchgestrichen worden sei, aufscheine, sei laut Rechtsmeinung des Parlaments­direktors damit unzulässig.

Obmann Dr. Fasslabend betont, dass die Gültigkeit von Unterschriften in der österreichischen Rechts­ordnung eine Frage von hohem Stellenwert sei und schließt sich der Rechtsmeinung des Parla­mentsdirektors an. Der Antrag gilt damit als unrechtmäßig eingebracht und wird nicht zur Abstimmung gestellt.

Der Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Eva Gla­wisch­nig und Mag. Ulrike Sima betreffend österreichische Initiative für einen Temelin-Ausstieg bleibt in der Minderheit und ist somit abgelehnt.

Der Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Ulrike Si­ma, Dr. Eva Glawischnig und GenossInnen betreffend österreichische Initiative zur Änderung der Euratom-Verträge bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Obmann Dr. Fasslabend erklärt die Verhandlungen zu Tagesordnungspunkt 2 für erledigt und leitet über zu Tagesordnungspunkt 3.

3. Punkt

SON DS 234/01 REV 4

Chapter 2: Freedom of Movement for Persons; Conference on Accession to the European Union – Hungary (32131/EU XXI.GP)

und

SON DS 99/01

The free movement of workers in the context of enlargement (32132/EU XXI.GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend begrüßt die im Ausschuss eingetroffene Bundesministerin Dr. Be­nita Ferrero-Waldner und ihre Mitarbeiter und gibt vorweg bekannt, dass zu diesem Ta­ges­ordnungspunkt bisher ein Entwurf eines Antrages vorliege, der auch an alle Fraktionen ver­teilt worden sei. Um Pannen wie beim vorherigen Tagesordnungspunkt zu vermeiden, sollte die­ser noch einmal überprüft, beziehungsweise, falls andere Anträge eingebracht werden, darauf Rücksicht genommen werden.

Als Erstes erteilt Obmann Dr. Fasslabend Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner das Wort für eine einleitende Stellungnahme.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner beginnt ihre Ausführungen mit einem kurzen Rückblick auf den Europäischen Rat von Nizza, mit dem die Beitrittsverhandlungen in eine entscheidende Phase eingetreten seien: Die Kandidatenländer hätten nun eine glaubwürdige Beitrittsperspektive und könnten damit auch den in den eigenen Ländern infolge der sehr schmerzhaften Strukturanpassungsprozesse aufflammenden Debatten um einen Beitritt die Brisanz nehmen. Auf Grundlage der so genannten „Road Map“, einer Weg­skizze, würden seither die einzelnen Verhandlungskapitel abgearbeitet. Als positiv hebt sie hervor, dass es in dieser Wegskizze entgegen dem ursprünglichen Plan eine sehr ausge­woge­ne Reihenfolge der verschiedenen Verhandlungskapitel gebe, also nicht alle schwierigen zum Schluss behandelt würden. Durch den zeitlichen Rahmen, die weitergeltenden Prinzipien und vor allem die weiter­entwickelte Verhandlungsstrategie ergäben sich konkrete Beitrittsszenarien auf ganz natürliche Weise.

Auf der Grundlage der Beschlüsse von Nizza habe Schweden für die erste Hälfte dieses Jahres rund 150 Entwürfe für gemeinsame Verhandlungspositionen auf den Tisch gelegt. Mehr als 60 Dossiers seien mit Stand 17. Mai zur Sprache gekommen, davon seien 50 Prozent abge­schlossen worden. Unabhängig von diesem quantitativen Aspekt sei es für Österreich wichtig, dass eine Balance zwischen Geschwindigkeit und Qualität weiter gegeben sei.

Zum gegenständlichen Thema Personenfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit teilt Bundes­minis­te­rin Dr. Ferrero-Waldner mit, dass der Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel am Vortag die diesbezügliche Verhandlungsposition der EU-15 verabschiedet habe. Für eine Rege­lung der Übergangsfristen sei darin ein „2 plus 3 plus 2“-Mechanismus vorgesehen: alle EU-Mitgliedstaaten bekämen damit die Möglichkeit, diese Freizügigkeitsregelungen nach zwei plus drei Jahren noch weitere zwei Jahre zu prolongieren. Mit dieser maximal sieben Jahre an­dauern­den Übergangsfrist sei den österreichischen Interessen voll Rechnung getragen worden.

Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner betont, dass dies ein Verhandlungserfolg Österreichs sei. Ausschlaggebend dafür sei gewesen, dass Österreich in dieser Sache bereits im Vorjahr unter Mit­arbeit anerkannter Wissenschafter und auch unter Einbeziehung der Sozialpartner eine „in­for­mation note“ ausarbeiten habe lassen, in der dargestellt worden sei, dass die Erweiterung um mittel- und osteuropäische Länder nicht mit der so genannten Süderweiterung vergleichbar sei. Man habe die Europäische Kommission damit gezwungen, sich mit diesem Thema wirklich wis­sen­schaftlich auseinander zu setzen, und dann auch eng mit Deutschland zusammen­gear­beitet, das nachher nur insofern die Führung übernommen habe, als es zum Schluss die sie­ben­jährige Übergangsfrist vorgeschlagen habe. Zudem sei sie in laufendem Kontakt mit Kom­mis­sar Verheugen gestanden und habe diesen, ganz bewusst knapp bevor die Europäische Kom­mis­sion ihre Position auf den Tisch gelegt habe, noch einmal besucht, was mit ausschlag­gebend dafür gewesen sei, dass die Kommission eine so flexible Position auf den Tisch gelegt habe – und dies sei schwierig durchzubringen gewesen, da damit ja eine österreichisch-deutsche Position im Namen aller anderen übernommen worden sei! –, dass es möglich wurde, weiter­zuverhandeln. Im Laufe der Zeit habe sich ergeben, dass die meisten Staaten diese sieben­jährige Periode vielleicht akzeptieren könnten.

Als nächsten Punkt habe Österreich die Frage der Dienstleistungsfreiheit, die im Kommissions­pa­pier überhaupt nicht berücksichtigt gewesen sei, eingebracht. Verheugen habe ihr, Ferrero-Waldner, diesbezüglich mitgeteilt, er bringe das in der Kommission nicht durch. Aber Österreich habe auch in dieser Frage in erster Linie Vorarbeiten geleistet und danach versucht, mit Deutschland Punkte abzustimmen. Es gebe nur zwei Listen, auf der österreichischen stünden Bau­gewerbe und Baunebengewerbe, Reinigungsgewerbe, Sozialwesen und Hauskranken­pfle­ge, Bewachungs- und Schutzdienste, auf der deutschen vier andere Bereiche.

Es sei sehr erfreulich, dass es gelungen sei, alle davon zu überzeugen, dass Derartiges für Öster­reich wirklich notwendig sei. Dies stehe in keiner Weise im Gegensatz zur Strategischen Part­ner­schaft, die ja ein Zukunftskonzept sei. Von nun an werde man versuchen, die Zusam­men­arbeit mit diesen Ländern, zu denen es ja intensive nachbarschaftliche Beziehungen gebe, weiter zu verstärken, vor allem dann innerhalb der Europäischen Union. Es sei ein ausgewo­ge­nes und faires Konzept, um sowohl die eigenen Interessen als auch die Interessen der anderen zu verwirklichen.

Dies sei der Stand der Dinge, am folgenden Tag bereits sollte es endgültig abgeschlossen wer­den, sodass es in der nächsten Sitzung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ nur mehr ein A-Punkt sei.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) äußert die Ansicht, dass Österreich mit dieser Forde­rung, die einen der sensibelsten Bereiche im Zusammenhang mit der Erweiterung der Euro­päischen Union betreffe, gut gefahren sei. Seine Fraktion anerkenne und begrüße es, dass trotz der zunächst offenbar heftigen Widerstände mancher mediterraner Länder ein Konsens betref­fend Übergangsfristen in der Personenfreizügigkeit und eine sinnvolle Paktierung betreffend Dienst­leistungsfreizügigkeit auch der besonders sensiblen Branchen gelungen sei, dies ent­spre­che zudem ihren Forderungen.

Mit diesem Schritt sei zwar nun ein Zwischenerfolg erzielt, es seien aber damit nur die Voraus­setzungen geschaffen worden, innerösterreichisch darüber nachzudenken, was man innerhalb die­ser Übergangsfrist, in der die Arbeitnehmerfreizügigkeit noch nicht gegeben sei, für den Ein­tritts­zeitpunkt der Wirksamkeit dieser Freizügigkeitsregelungen tun könne. Im Fall eines größe­ren Bedarfs – beziehungsweise sollte es gar keine Zuzugsprobleme geben – könnte man „auf­ma­chen“, falls jedoch die Pendlerbewegung so stark sei, dass sie zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsmarktverhältnisse – regional oder auch generell – in Österreich führen könnte, müsse man Vorsorge treffen.

Über eben diesen Punkt konkrete Gespräche aufzunehmen scheine nun dringend geboten zu sein. Die Sozialdemokraten hätten schon im Februar einen „Pakt für Arbeit und Europa“ vorge­schla­gen, da sie bereit seien, die Frage der EU-Erweiterung als gemeinsames österreichisches Projekt jenseits des Wettbewerbs der Parteien mitzutragen. Es gebe jedoch noch eine Reihe von Fragen, die einer sehr ernsthaften Beratung und auch einiger Maßnahmen bedürften, denn eine Übergangsfrist als solche bringe zunächst einmal gar nichts, sie schläfere nur ein, löse aber noch kein Problem.

Wenn es in einer Übergangsfrist keine Arbeitnehmerfreizügigkeit für Personen aus den künfti­gen Beitrittsländern geben soll, dann müsse irgendjemand kontrollieren, ob das auch einge­hal­ten wird oder nicht – die Frage sei, welche Behörde mit welchem Personal und welchen Finanz­grundlagen das tun werde. Die SPÖ habe in ihrem „Pakt für Arbeit und Europa“ zum Punkt Arbeit­nehmer­frei­zügigkeit elf Maßnahmen aufgelistet und halte es für notwendig, jetzt in kon­kre­ten Gespräche konkrete Vereinbarungen zu treffen, die sicherstellten, dass die Vollziehung in diesem Bereich wirklich funktioniere.

Zudem liefen bestimmte Branchen und bestimmte Arbeitnehmergruppen in besonderem Maße Gefahr, von der Erweiterung in negativer Weise betroffen zu sein. Seine Fraktion halte es für not­­wendig, dass die Bundesregierung in dieser Frage noch den einen oder anderen Schritt setzen müsse, um die Zustimmung der Bevölkerung zu diesem großen Projekt zu erreichen, und schlage deshalb unter anderem vor, eine sehr konkrete und regional bezogene Erhebung, an der auch die Sozialpartner mitwirken sollten, durchzuführen, um gegebenenfalls Problem­re­gionen und Problemgruppen, beispielsweise bestimmte Arbeitnehmer, die in ihrer Qualifi­kation De­fizite aufweisen, die sie im Lichte der Erweiterung als besonders gefährdet erscheinen las­sen, zu identifizieren. Für diese in besonderer Weise gefährdeten Arbeitnehmer sollte es ein rechtzeitig vorbereitetes Qualifikationsprogramm geben, sodass mit diesen Fristen auch wirk­lich möglichst flexibel umgegangen werden könne. Denn es gehe nicht um möglichst lange Fris­ten, sondern um Fristen, die einerseits ausreichten, einen negativen Effekt für die österrei­chischen Arbeitnehmer zu vermeiden, und andererseits, falls sie nicht nötig sind, möglichst kurz sein sollten. Je besser man sich innerösterreichisch darauf vorbereite, desto kürzer werde diese Frist sein und desto eher werde man das gegenüber den Menschen in diesem Lande auch vertreten können.

Ein größeres Projekt sei die Frage der infrastrukturellen Verbindung zwischen Österreich und den Erweiterungskanditatenländern. Während im Eisenbahnbereich Planungen, an manchen Stellen auch schon Bauaufträge und die notwendige Finanzierung vorlägen, gebe es im Stra­ßen­bereich relativ wenig konkrete Planungen. Damit Österreich die Vorteile der Erweiterung voll nutzen könne, halte er es für notwendig, dass es rechtzeitig klare Konzepte sowie Zeittabellen für deren Umsetzung vorlege.

Abgeordneter Dr. Einem wiederholt, dass seine Fraktion den im Einvernehmen mit Deutschland gelun­genen Erfolg der österreichischen Bundesregierung in Hinsicht auf die Übergangsfristen durchaus anerkenne. Damit sei man aber nun an einem Punkt, an dem es diesbezüglich kon­kre­ter Maßnahmen im Inland bedürfe. Die SPÖ halte dies für überaus dringend und schlage der Bun­desregierung daher vor, all diese Fragen noch vor der Ratifizierung des Vertrages von Nizza zu beraten und zu konkreten Vereinbarungen zu kommen. Es gehe nicht um eine Verzö­gerung und schon gar nicht darum, den Vertrag von Nizza nicht zu ratifizieren, sondern vielmehr darum, jetzt „Nägel mit Köpfen zu machen“.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) stellt einleitend fest, dass die Grünen, die in den letzten Jahren trotz der Probleme im Umweltbereich immer ein sehr offensives, prononciertes Pro-Erweiterungsverständnis gehabt hätten, die Frage der Übergangsfristen anders sähen als die Außenministerin. In den letzten Wochen seien alle Außenminister der beitrittswerbenden Nach­barstaaten zu Gast gewesen, und dabei wie auch anlässlich des Treffens in Prag am 23. Mai dieses Jahres habe sich gezeigt, dass die Diskussion über die Übergangsfristen trotz recht stabiler Mehrheiten für einen EU-Beitritt in diesen Ländern zu einem Absinken der Be­geisterung für das europäische Projekt und für den Beitritt geführt habe, da die Bevölkerung verständlicherweise den Eindruck habe, damit zu „Bürgern zweiter Klasse“ gemacht zu werden.

Angesichts der in Österreich zusätzlich diskutierten Forderungen wie etwa, dass das dortige Lohn­niveau zudem auf 80 Prozent des EU-Niveaus steigen müsse – was wirtschaftspolitisch schwer nachvollziehbar sei, da dies auch das EU-Mitglied Portugal betreffen würde, und von dort kämen auch keine Massenströme an Arbeitskräften –, stelle sich die Frage, ob man nicht gleich ein flexibles Modell, wie es die Grünen vorschlagen, festlegen solle, wonach im Rahmen eines Go-and-stop-Prozesses die Freizügigkeit erst dann beschränkt würde, wenn es tat­säch­lich zu Belastungen der Wirtschafts- und Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmersituation kommt. Dies sollte außerdem erst nach einer partnerschaftlichen Absprache erfolgen. Einen entspre­chen­den Antrag werde ihre Fraktionskollegin Mag. Lunacek anschließend einbringen.

Nach Ansicht der Abgeordneten Dr. Glawischnig sei es aus wirtschaftspolitischer Sicht durch­aus notwendig, einmal grundsätzlich und offen darüber zu diskutieren, wie sich die Arbeits­markt­situation in Österreich mittelfristig entwickeln werde. Laut einer Studie der Wirtschaftskam­mer gehe nämlich der Trend in Europa eher in Richtung zu wenige als in Richtung zu viele Ar­beits­kräfte – was in einigen Branchen ja auch in Österreich schon zu spüren sei –, und für diese Probleme sollte man rechtzeitig Vorsorge treffen, anstatt die Personenfreizügigkeit zu einem Problem zu „mythisieren“.

Natürlich gebe es in Österreich und auch in anderen europäischen Ländern Ängste. Ein fakten­orientiertes und aufklärerisches Vorgehen sei daher durchaus angebracht. Und hinsichtlich der Problem­gruppen unter den österreichischen Arbeitnehmern wäre es auf jeden Fall vernünftiger, offensive Qualifizierungsmaßnahmen zu setzen und, gerade in Grenzregionen und im grenz­über­schreitenden Zusammenhang, die jeweiligen wirtschaftlichen Probleme zuerst zu analy­sie­ren und danach dementsprechende Aktionsprogramme durchzuführen, die beiden Seiten zu­gute kommen.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günther Stummvoll (ÖVP) verleiht seiner Freude darüber Ausdruck, dass es der Außenministerin gelungen sei, in der Frage der Übergangsfristen ihre Position durch­zu­setzen. Das beschlossene „2 plus 3 plus 2“-Modell, also maximal sieben Jahre Über­gangs­frist, sei seiner Ansicht nach trotz allem sehr flexibel. Er höre zwar die von Abgeordneter Dr. Glawischnig vorgebrachten Argumente hinsichtlich des Arbeitskräftemangels auch von Fir­men in seinem eigenen Wahlkreis, der an ein Beitrittskandidatenland grenze, sehr oft, an­dererseits gebe es nun einmal in weiten Kreisen der Bevölkerung Sorgen und Ängste, was die Personenfreizügigkeit betreffe. Daher müsse man sich vor allem um eine politische Akzep­tanz dieser Erweiterung bemühen, und die gefundene Regelung in der Frage der Übergangsfristen werde, unabhängig von allen ökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Argumenten, sicherlich dazu beitragen.

Der vorliegende Antrag der Abgeordneten Mag. Lunacek und Genossen halte er deshalb für nicht zielführend, weil das darin geforderte Go-and-stop-Modell auf bereits eingetretene Pro­ble­me abgestellt sei, er, Stummvoll, präferiere hingegen das am Vortag akkordierte Konzept einer vorbeugenden Arbeitsmarktpolitik, also mit Übergangsfristen.

Der Forderung des Abgeordneten Dr. Einem, über konkrete Maßnahmen im Bereich der Infra­struk­tur – der Nachholbedarf vor allem in Regionen entlang des ehemaligen Eisernen Vor­hangs sei enorm – zu diskutieren, könne er sich nur anschließen, dies sei ja auch schon beim letzten Reformdialog der Bundesregierung besprochen worden und auch und vor allem aus Gründen der politischen Akzeptanz der Erweiterung notwendig. Und die Politik der jetzigen Re­gie­rung sei seiner Überzeugung nach dazu geeignet, einerseits den Erweiterungsprozess wei­te­rhin offensiv mitzugestalten und andererseits dessen politische Akzeptanz im Inland zu errei­chen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) freut sich über das Ausmaß an Überein­stim­mung zwischen den Fraktionen in dieser Frage und unterstreicht die Aussage des Abge­ord­neten Dr. Einem, dass diese Übergangsfrist für eine Vorbereitung der betroffenen wirtschaftli­chen Bereiche und Regionen auf die Erweiterung genützt werden müsse. Für eine der wesent­lichsten Maßnahmen hält er die Information der betroffenen Berufsgruppen darüber, dass sie in Hinkunft mit mehr Konkurrenz und in der Folge davon wahrscheinlich mit einem veränderten Lohnniveau zu rechnen hätten, und dass es deshalb notwendig sei, rechtzeitig die in Hinkunft angebotenen Qualifizierungs- beziehungsweise Umschulungsmaßnahmen anzunehmen.

Er wolle nicht noch einmal betonen, dass diese Übergangsfristen notwendig seien, um allzu gro­ße Probleme in den Grenzregionen zu verhindern. Dem von Abgeordneter Dr. Glawischnig bei der Argumentation für ihren Antrag gezogenen Vergleich mit Portugal sei zu widersprechen: Ne­ben der geographischen Barriere zwischen Portugal und Spanien einerseits und der damali­gen EU andererseits, nämlich den Pyrenäen, seien laut dem hervorragenden Positionspapier der Bundesregierung für die Europäischen Kommission heute auch die Lohnunterschiede dort bei weitem nicht so krass, ja an den Grenzen kaum vorhanden, während das Verhältnis der Einkom­men in Österreich zu jenen in der Slowakei bei 1 : 9 und zu jenen in Ungarn bei 1 : 7 lie­ge. Das mache es vor allem für Tagespendler natürlich sehr interessant, in Österreich weitaus höhere Löhne zu verdienen und mit dieser Kaufkraft dann in ihrem Heimatland zu lebe.

Aus diesem Grund lehne seine Fraktion den Antrag der Grünen ab, er, Schweitzer, betrachte es als geradezu verantwortungslos, keine Übergangsfristen einzufordern. Die österreichische Grenz­bevölkerung habe ein Recht darauf, dass die Politik dieses Landes in erster Linie ihren Interessen diene und erst in zweiter Linie jenen der Beitrittskandidatenländer.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ) hält es in diesem Stadium für das Wichtigste, dass nun, wie bereits Abgeordneter Dr. Einem gefordert habe, geeignete Maßnahmen gesetzt wür­den, die die Vollziehung der Übergangsfristen sicherstellten. Anhand der gegenwärtigen Si­tuation in den Grenzregionen und deren Probleme könne man lernen, wie es bei der Oster­wei­terung besser zu machen ist.

Denn wie wichtig diese Übergangsfristen und deren Vollziehung seien, könne man an folgen­dem Beispiel aus der Wirtschaft sehen: In den oberösterreichischen Grenzgebieten zu Deutsch­land seien viele deutsche Gewerbebetriebe ganz legal tätig. Niemand in Österreich kontrolliere bei ihnen Auflagen hinsichtlich der Arbeitnehmerentsendung, während umgekehrt österreichi­sche Betriebe, die jenseits des Inn arbeiteten, sehr genau kontrolliert würden. Der Grund dafür sei, dass in Deutschland die ehemaligen Zollbediensteten zur Kontrolle der Auflagen des dorti­gen Arbeitnehmerentsendegesetzes eingesetzt werden, in Österreich sei niemand für diesen Be­reich zuständig.

Die Erweiterung, die ja ein dringendes Anliegen sei, könne aber nach Ansicht der Abgeordneten Hagenhofer nur dann gut gelingen, wenn die Bevölkerung sie auch annehme, sie als positiv erlebe. Das sei aber nicht der Fall, wenn der Polier einer Baufirma aus Österreich, die jenseits des Inn tätig sei, alle Lohnkonten und auch die Abrechnung immer mitnehmen müsse, weil die deutschen Kontrollorgane nicht bereit seien, diese vom fünf Kilometer entfernten Sitz der Baufirma in Altheim oder St. Peter zu holen, während deutsche Baufirmen in Österreich nicht einmal geprüft würden.

Auch im sozialen Bereich sollten während der Übergangsfrist einige Maßnahmen gesetzt werden. So könnten derzeit Grenzgänger aus Österreich zwar während der Zeit, in der sie in Deutschland arbeiten, alle dortigen Sozialeinrichtungen, also etwa Ärzte, in Anspruch nehmen, mit der Pensionierung aber ende dieses Recht, da sie ja in Österreich wohnen. Sie hätten sich von einem Tag auf den anderen beispielsweise einen neuen Hausarzt zu suchen, zu dem sie erst wieder langsam Vertrauen aufbauen müssten.

All dies seien zwar kleine Dinge, aber überaus wichtig dafür, dass die österreichische Bevölke­rung die Europäische Union und deren anstehende Erweiterung als positiv erlebe.

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP) sieht Österreich innerhalb kurzer Zeit vor der zweiten gro­ßen Herausforderung stehen. So sei der Beitritt zur Europäischen Union zum Teil noch nicht ganz be­wältigt, vielen Bürgern sei die tatsächliche Funktion des Binnenmarktes immer noch un­klar. Umso mehr habe die Bundesregierung nun, in der Frage der Übergangsfristen, eine gute Vorar­beit geleistet.

Ein Lehrer aus Deutschland habe ihm vor kurzem gesagt, dass er es angesichts der schnellen Wie­dervereinigung von Ost- und Westdeutschland und den daraus resultierenden Problemen nun bei der Osterweiterung für das Wichtigste halte, dass es eine Anpassungszeit, also eine Über­gangsfrist gebe, denn ein allzu schnelles und bedingungsloses Zusammenführen zweier ver­schiedener Wirtschaftssysteme und Kulturen – immerhin hätten diese Menschen fünfzig Jah­re lang in einem ganz anderen System gelebt, gedacht und gehandelt – führe zweifelsohne zu einem unvorstellbaren Crash.

Man müsse zudem aber auch der Sprachausbildung mehr Bedeutung beimessen. Es habe näm­lich keinen Sinn, von Integration zu reden, wenn gleichzeitig die wichtigste Voraussetzung der Kommunikation nicht einmal „minimalst“ erfüllt sei. Während die Bevölkerung in den Bei­trittswerberländern vor allem in Englisch, aber auch in Französisch und sehr oft in Deutsch gute Kennt­nisse aufwiesen, habe Österreich überhaupt keinen Zugang zu den Sprachen dieser Län­der. Abgeordneter Donabauer schlägt daher vor, besonders in Schulen mit wirtschaftspolitischer oder dienstleistungsorientierter Ausrichtung eine slawische Sprache zum Pflichtfach zu ma­chen.

Das Projekt Osterweiterung verlange große Aufmerksamkeit und eine hohe Sensibilität, da es große Auswirkungen auf die ganze weitere Entwicklung der Union und auch Österreichs ha­ben werde. Daher müsse man auch die gesellschaftspolitischen Prozesse zeitgerecht und vernünftig steuern.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche) gibt der Abgeordneten Hagen­ho­fer insofern Recht, als auch er eine Ungleichheit zwischen Deutschland und Österreich hinsicht­lich der grenz­überschreitenden Tätigkeit von Gewerbebetrieben bemerke; er sehe den Grund da­für aber nicht in der fehlenden Kontrolle im Bereich der Arbeitnehmerentsendung in Öster­reich, sondern eher im dem hohen bürokratischen und daraus resultierenden zeitlichen Auf­wand, der erfor­derlich sei, damit österreichische Firmen in Deutschland einen Auftrag bekom­men. Zwar gebe es auch in Österreich Schutzmaßnahmen gegen Firmen aus den EU-Nachbar­ländern, diese kä­men aber, etwa durch die Bezahlung hoher Beiträge und hoher Prüfkosten, erst im Nach­hinein zum Tragen.

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ) teilt mit, dass viele Länder, auch Beitrittskandidaten, an­läss­lich der COSAC-Konferenz in Stockholm signalisiert hätten, dass sie diese Fristensetzung akzeptierten, Skeptiker habe die Möglichkeit, diese Frist zu unterschreiten, beruhigt. Man dürfe aber diese positive Nachricht in Österreich nicht als eine Art „Ruhekissen“ für die Regierung verstehen, sondern müsse eventuelle Probleme etwa in den Grenzregionen schon im Vorfeld der Erweiterung angehen. Am Beispiel Kontrolle der Schwarzarbeit sei ja heute schon klar zu sehen, wie schwer all diese Dinge seien.

In Anlehnung an die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Einem stellt Abgeordneter Faul die Frage, wie sich die Wirtschaft, und zwar diesseits und jenseits der Grenze, auf die kommende Situation vorbereite. Und in puncto Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitnehmer stimmt er den Forderungen nach einer Sprachoffensive zu, diese dürfe aber nicht immer nur einseitig von den Nachbarländern abverlangt werden, sondern es müsste auch ein Akzent im Inland gesetzt werden. Zudem könnte man mit den vielfältigen Möglichkeiten innerhalb der Förderprogramme der EU diese Übergangszeit sehr sinnvoll nutzen.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) bedauert eingangs, dass sie aus terminlichen Grün­den die bisherige Diskussion nicht mitverfolgen habe können, aus den letzten Wortmel­dungen sei jedoch ersichtlich geworden, dass es in Bezug auf die siebenjährige Übergangsfrist bei den anderen Parteien eine einheitliche Meinung gebe, die sich mit jener ihrer Fraktion leider nicht decke.

In ihrem allen Ausschussmitgliedern bereits vorliegenden und nunmehr formal von ihr einge­brach­ten Antrag auf Stel­lung­nahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG betreffend Personenfrei­zügig­keit im Kontext der EU-Erweiterung begründe sie ihre Forderung nach einem Abgehen Öster­reichs von dieser sieben­jährigen Frist – Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner könne sich ja mittlerweile ebenfalls vor­stel­len, diese Frist nicht unbedingt auszuschöpfen – damit, dass sie so­wohl in Gesprächen mit diploma­tischen Vertretern als auch mit normalen Leuten aus den Beitritts­ländern den Eindruck gewon­nen habe, dass Österreich damit sehr wohl das Signal aus­sende, es wolle diese Leute nicht gleich beim Beitritt, sondern erst später als Arbeitskräfte, was in krassem Widerspruch zur Stra­tegi­schen Partnerschaft und anderen Äußerungen der Außen­ministerin über die Brücken­funktion Österreichs für diese Länder stehe.

Außerdem sei diese Frist ihrer Überzeugung nach wirtschaftlich nicht notwendig. Dies bestä­tigten auch Aussagen aus dem Bereich der Wirtschaft, wonach es viel sinnvoller wäre, auf bila­te­raler Ebene flexible Maßnahmen zu verhandeln, als zu sagen, eventuell werde man diese Frist etwas verkürzen.

Im Gegensatz zu ihrem Vorredner habe sie bei der COSAC-Konferenz sehr wohl den Eindruck ge­wonnen, dass es auch die Beitrittsländer so sähen, ihnen aber nicht viel anderes übrig bleibe, als die Frist zu akzeptieren, wenn sie rasch beitreten wollen. Aber die Stimmung der Bevöl­ke­rung in diesen Beitrittsländer, etwa in Polen, werde, was die EU betreffe, immer schlechter, da­her halte sie ein solches Signal von österreichischer Seite her für nicht gut und bringe jenen An­trag ein, in dem die Regierung aufgefordert werde, eher ein Go-and-stop-Modell als ein Stop-and-go-Modell zu verfolgen, gleichzeitig die Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitnehmerinnen und Ar­beit­nehmer vor allem im Niedriglohnbereich und in den Grenzregionen sowie den Ab­schluss grenz­überschreitender Beschäftigungspakte zu forcieren.

Der Forderung des Abgeordneten Donabauer, dass zumindest eine slawische Sprache ein Pflicht­fach in den österreichischen Schulen sein sollte, könne sie nur zustimmen, das würde ihrer Überzeugung nach sehr viel bringen.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner freut sich darüber, dass es eine so große Übereinstimmung bei diesem Thema gibt, und dankt für die posi­­ti­­ven Worte. Es sei ihr durchaus bewusst, dass nun Einschleifregelungen und begleitende Maßnahmen kommen müssten, die aber natürlich erst ab dem Jahre 2004 gelten würden, also habe die Regierung diesbezüglich schon noch ein wenig Zeit.

Ein besonderes Anliegen seien ihr in diesem Zusammenhang Maßnahmen zur Unterstützung der Grenzregionen, was zurzeit noch relativ schwierig sei, da die Europäische Union bisher kei­ne zusätzlichen Mittel in diesem Bereich gestatte. Auf jeden Fall arbeite man aber an einer besseren Vernetzung der bestehenden Programme diesseits und jenseits der Grenze sowie an einer Entbürokratisierung dieser Maßnahmen.

All dies falle zwar in die Zuständigkeit von Wirtschafts- und Arbeitsminister Bartenstein, sie kön­ne jedoch versichern, dass man bereits darüber nachdenke, ein Problembewusstsein also durchaus vorhanden sei.

Zu den von Abgeordnetem Dr. Einem erwähnten Infrastrukturverbindungen betont Bun­des­mi­nis­te­rin Dr. Ferrero-Waldner, dass es früher diesbezüglich nicht sehr viele Vorarbeiten gegeben habe und Bundesministerin Dr. Forstinger erst dabei sei, einen Plan dafür zu erstellen, über dessen Umsetzung noch zu beraten sei. Grundsätzlich sehe sie diese Argumente und Forde­run­gen aber für richtig an, sie sollten aber nicht mit der Ratifikation des Vertrages von Nizza, mit dem sie wirklich nichts zu tun hätten, verknüpft werden.

Dem Argument der Grünen, wonach die Bürger der Beitrittswerber mit dieser Übergangsrege­lung zu „Bürgern zweiter Klasse“ degradiert würden, könne sie nicht folgen. Man befinde sich gerade im Verhandlungsstadium, und da sei es nur natürlich, wenn der eine oder andere über be­stimmte Forderungen jammere. Jede Seite müsse sich eben von ihrer Maximalposition tren­nen und sich der anderen Seite annähern. Diese Annäherung habe im vorliegenden Fall zu einer sehr flexiblen Übergangslösung geführt. Möglicherweise liege da ein Missverständnis vor, denn diese sieben Jahre müssten nicht auf jeden Fall sein, sie seien nur ein Rahmen für die Öffnung, auch eine graduelle Öffnung solle möglich sein. Und die Beitrittskandidaten selber hätten 500 Übergangsbestimmungen auf den Verhandlungstisch gelegt. Man müsse also eine behutsame Lösung finden, und eine solche sei mit der nun vorliegenden Regelung auch gefun­den worden. In bestimmten Branchen, das gebe sie zu, wolle und brauche man zusätzliche Arbeitskräfte. Man könne aber nicht für nur eine Branche öffnen. Zudem habe es noch nie der­art große Lohnunterschiede bei einer Erweiterungsrunde gegeben, und diese müsse man eben langsam ausgleichen. Sie halte diese Übergangsregelung daher nicht für das falsche Signal und freue sich, dass die sozialdemokratische Fraktion dabei mitgehe.

Und im Gegensatz zur Position der Grünen hätten sich die Minister der Staaten der Luxem­bur­ger Gruppe durchaus für eine differenzierte und flexible Haltung in der Frage der freien Bewe­gung der Arbeitnehmer ausgesprochen, einer Haltung, die auch wirtschaftliche, soziale und geo­gra­phi­sche Realitäten sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Kandidatenländer mitein­be­zieht, und zwar basierend auf den entsprechenden statistischen Daten und wissenschaft­lichen Analysen. Im Status-quo-Papier der österreichischen Bundesregierung vom vorigen Jahr sei angeführt, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber gebe, wer wirklich wandern wer­de und wer nicht, oder auch darüber, wie die Pendlerbewegungen aussehen. Man sollte da­her einen realistischen Weg gehen, nämlich sich zuerst die Situation anzuschauen und danach zu handeln – und genau dafür gebe es ja dieses „2 plus 3 plus 2“-Modell. Bundesministerin Dr. Fer­rero-Waldner bedauert, dass ihr Exemplar dieses Status-quo-Papiers auf Grund des Kartenanhangs nicht gleich für alle Ausschussmitglieder kopiert werden könne, sie werde es je­doch möglichst bald allen zukommen lassen.

Dieser von der Bundesregierung eingeschlagene Weg widerspreche auch nicht der Strate­gischen Partnerschaft, die ja nicht bedeuten könne, dass Österreich zu allem Ja und Amen sa­gen müsse. Sie stehe jedenfalls voll hinter einem möglichst schnellen und möglichst gut vollzo­ge­nem Beitritt dieser Länder, in dessen Vorfeld man jedoch die noch vorhandenen Probleme einer Lösung zuzuführen habe. Die Beitrittsverhandlungen seien im Gange, die Frage der Per­so­nenfreizügigkeit erst der erste große politische Block, weitere würden folgen, etwa jener be­treffend die Verkehrsproblematik. Aber auch für diese schwierige Materie werde man eine Lö­sung finden müssen.

Den Aussagen des Abgeordneten Donabauer betreffend Sprachenoffensive schließe sie sich voll und ganz an. Im Außenministerium gebe es seit diesem Jahr ein Programm, mit dem vor allem zur Förderung junger Kollegen Kurse in den Sprachen der Nachbarn angeboten werden. Slawische Sprachen verstärkt zu lehren sei für Österreich unumgänglich notwendig. Sie werde diese Anregung gerne auch an Bundesministerin Gehrer weitergeben.

Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner wiederholt, dass auch sie für Begleitmaßnahmen bei der Personenfreizügigkeit eintrete. Bezüglich Maßnahmen in den Grenzregionen seien jedoch noch Vorschläge der Kommission ausständig.

Obmann Dr. Werner Fasslabend bedankt sich bei Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner für die Prägnanz ihrer Ausführungen, aber auch für die Bereitschaft, den Ausschussmitgliedern zu­sätzliche Informationsmittel zur Verfügung zu stellen und leitet zur Abstimmung über.

Der Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Ulrike Lu­na­cek betreffend Personenfreizügigkeit im Kontext der EU-Erweiterung bleibt in der Minderheit und ist somit abgelehnt.

Mit dem Hinweis auf eine demnächst stattfindende Ausstellung von Bildern über die Slowakei, ge­malt von der österreichischen Botschafterin in der Slowakei, welche im Beisein von Vertretern einer Schule, die den Unterricht von Ostsprachen bereits im Volksschulalter propagiere, eröffnet werde, schließt Obmann Dr. Fasslabend die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 13.28 Uhr

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