V-9 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des
Ständigen Unterausschusses des
Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Mittwoch, 8. Mai 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Ständigen
Unterausschusses des
Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode                      Mittwoch, 8. Mai 2002

Tagesordnung

1. COM SEK (02) 95 endg.

Erweiterung und Landwirtschaft: Die erfolgreiche Integration der neuen Mitgliedstaaten in die GAP – Diskussionspapier

(51307/EU XXI. GP)

2. RAT 6817/02 AGRI 56

Zwischenbewertung der Agenda 2000 (mid-term review) – Deutsche Position

Aufzeichnung der deutschen Delegation

(50482/EU XXI. GP)

Beginn der Sitzung: 8.05 Uhr

Obmann Dr. Werner Fasslabend eröffnet die Sitzung des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union und begrüßt die Anwesenden, insbesondere Bundesminister Mag. Molterer und die ihn begleitenden Beamten. Er weist darauf hin, dass in Aussicht genommen ist, diese Sitzung um 9.30 Uhr zu beenden, und fragt, ob sich jemand gegen die Vereinbarung ausspricht, wonach an Redezeiten vorgesehen sind: für die SPÖ 29 Minuten, für die Freiheitlichen und die ÖVP je 22 Minuten sowie für die Grünen 17 Minuten. – Dagegen wird kein Einwand erhoben.

Auch dagegen, dass über beide Tagesordnungspunkte unter einem beraten wird, wird kein Ein­wand erhoben.

1. Punkt

COM SEK (02) 95 endg.

Erweiterung und Landwirtschaft: Die erfolgreiche Integration der neuen Mitgliedstaaten in die GAP – Diskussionspapier

(51307/EU XXI. GP)

2. Punkt

RAT 6817/02 AGRI 56

Zwischenbewertung der Agenda 2000 (mid-term review) – Deutsche Position

Aufzeichnung der deutschen Delegation

(50482/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend erteilt Bundesminister Mag. Molterer zu einer einleitenden Stellungnahme das Wort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer berichtet über den aktuellen Stand der Verhandlungen über die EU-Osterweite­rung in Bezug auf die jetzt anstehenden drei umfangreichen und schwierigen Kapitel Landwirt­schaft, Struktur- beziehungsweise Regionalpolitik und Finanzierung. Mit einigen der Kandida­tenländer seien bereits die Verhandlungen über 27 von insgesamt 31 Kapiteln vorläufig abge­schlossen worden, sodass die Schlussphase der Erweiterungsverhandlungen bevorstehe.

Zur Untermauerung des im Jänner präsentierten Strategiepapiers der Europäischen Kommis­sion zur Landwirtschaft diene eine Studie der Europäischen Kommission über die Effekte der Erweiterung in den Kandidatenländern, insbesondere auch über die Entwicklung der Preise und Einkommen. Auf Basis der Vorschläge und der Studie habe die EU-Kommission am 12. April 2002 die so genannte Draft Common Position mit einer genauen Darlegung des Verhandlungs­inhalts im Kapitel Landwirtschaft für jedes einzelne Kandidatenland präsentiert. Derzeit werde die Draft Common Position in den Ratsarbeitsgruppen behandelt, und im Juni werde darüber im Rat Allgemeine Angelegenheiten eine formelle Beschlussfassung erfolgen. Parallel dazu seien bereits jetzt intensive Gespräche zwischen der Europäischen Kommission und den Kandidaten­ländern über die Details der Draft Common Position im Gange.

Bundesminister Mag. Molterer fügt hinzu, er erwarte einen Ablauf der Verhandlungen wie in der „Roadmap“ von Nizza vorgesehen, sodass Ende 2002 oder Anfang 2003 die entscheidenden Phasen in den Bereichen Landwirtschaft, Struktur- und Regionalpolitik sowie Finanzen zu durchlaufen seien.

Aus österreichischer Sicht seien die Vorschläge der EU-Kommission grundsätzlich als positiv zu erachten, weil damit einerseits der Finanzrahmen gemäß den Beschlüssen von Berlin nicht überschritten werde, andererseits mit dem Acquis communautaire die Gemeinsame Agrarpolitik übernommen und in einer vernünftigen Etappenlösung zur vollständigen Anwendung hingeführt werde, und zwar insbesondere hinsichtlich der Direktzahlungen. Überdies werde auch für die neuen Beitrittsländer die ländliche Entwicklung als ein Schwerpunkt definiert.

Was die Zwischenbewertung der Agenda 2000 – „mid-term review“ – betrifft, erinnert Bundes­minister Mag. Molterer an die in Berlin getroffene Vereinbarung, eine Halbzeitbewertung der Agenda 2000 zu erstellen. Eine solche Bewertung liege noch nicht vor; sie werde derzeit von der Europäischen Kommission erarbeitet, die Fertigstellung sei für Ende Juni vorgesehen. Die EU-Kommission habe sich vorbehalten, entweder nur eine Bewertung vorzunehmen oder dort, wo sie es für richtig halte, auch Vorschläge zur Weiterentwicklung vorzulegen. Auf welche Be­reiche dies jeweils zu beziehen sei, könne derzeit noch nicht gesagt werden.

Die jetzige Zwischenbewertung stelle eine Möglichkeit dar, die Gemeinsame Agrarpolitik dort, wo dies sinnvoll sei, weiterzuentwickeln. Nicht richtig wäre es jedoch, ein Junktim zwischen Er­weiterung und Agrarreform herzustellen, weil eine Agrarreform in der Europäischen Union sehr gut vorbereitet sein müsste, sodass ein derartiges Junktim ausschließlich zur Verzögerung der Erweiterung führen würde. Ein solches Ergebnis wäre nicht wünschenswert, weil die Erweite­rung eine große Chance für Europa und vor allem auch für Österreich sei, die genützt werden müsse.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) erachtet den jetzigen Zwischenbericht zur Agen­da 2000 aus mehreren Gründen für einen geeigneten Anlass, Weichenstellungen für die künf­tige Gemeinsame Agrarpolitik vorzunehmen.

Erstens werde es die bevorstehende Erweiterung notwendig machen, zumindest die Grund­linien der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik bereits jetzt festzulegen und nicht damit zuzu­warten, bis die Erweiterung vollzogen sein wird. Die Entscheidungsfähigkeit für eine grund­legende Neuorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik werde auch nach der Erweiterung nicht besser als jetzt sein.

Zweitens sprächen auch sehr gute inhaltliche Gründe für eine Neuorientierung. Diese liege zu­nächst im Interesse der Konsumenten. Es komme jetzt darauf an, das Vertrauen der Verbrau­cher zur EU-Landwirtschaft wiederherzustellen, nachdem dieses durch die zurückliegenden Skandale erschüttert worden sei. Nun müsse deutlich gemacht werden, dass sich die euro­päische Agrarpolitik an folgenden Grundlagen orientiert: hohe Qualität, erschwingliche Preise und zunehmende Orientierung an biologischen Landbaumethoden. Verbesserungen wären auch im Interesse der Bauern anzustreben. Eventuelle Umverteilungen sollten zu Lasten jener Landwirte gehen, die in der Lage sind, große Flächen im Wesentlichen maschinell zu bewirt­schaften.

Drittens müssten die Kosten der europäischen Landwirtschaftspolitik deutlich gesenkt werden. Auf Dauer werde es nicht möglich sein, dass die Europäische Union knapp die Hälfte ihres Budgets für Zwecke der Landwirtschaft ausgibt. Auch bis jetzt sei es eine Seltsamkeit der europäischen Entwicklung gewesen, dass die EU-Budgetstrukturen den Eindruck erwecken könnten, die Europäische Union sei primär eine landwirtschaftliche Vereinigung und diene nicht dem Zweck, den Wohlstand und die industrielle Entwicklung zu fördern.

Viertens gelte es im Zuge der grundsätzlichen Umorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik auch den Gesichtspunkt der Fairness gegenüber den Beitrittskandidatenländern zu berücksich­tigen. Gemäß Kommissionsvorschlag könne in diesen Ländern mit einem schrittweisen Aufbau der Direktzahlungen im Bereich der Marktordnung gerechnet werden. Dass den Planungen zu­folge diese Länder erst im Jahr 2013 das heutige Niveau der jetzigen EU-Mitgliedstaaten errei­chen werden, habe dort bereits zu einem gewissen Widerstand geführt.

Die SPÖ vertrete die Ansicht, dass ein Teil dieses Widerstandes auch verständlich ist, und schlage daher vor, sowohl aus Kostengründen als auch aus den soeben angesprochenen Gründen der Umorientierung in qualitativer Hinsicht eine Lösung zu suchen, die darauf abzielt, die Direktzahlungen in der ersten Säule anhand eines degressiven Modells schrittweise zu sen­ken und die dabei frei werdenden Mittel zumindest zum Teil in die zweite Säule zu transferie­ren. Überdies solle dafür gesorgt werden, dass die Mittel aus der zweiten Säule für Förderun­gen in den ländlichen Gebieten Verwendung finden, und zwar nicht ausschließlich für unmittel­bar landwirtschaftliche Zwecke, sondern auch für Zwecke der regionalen Förderung in primär landwirtschaftlich genutzten Regionen.

Somit trete die SPÖ für eine grundlegende Neuorientierung ein, die dabei helfen solle, sowohl die Finanzierbarkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik zu sichern als auch mit Unterstützung durch europäische Mittel die Qualität der Produkte sowie der Arbeit zu heben.

Zu diesem Zweck bringt Abgeordneter Dr. Einem einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Arti­kel 23e Abs. 2 B-VG betreffend grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik ein. Darin seien die Grundzüge der von der SPÖ für notwendig und wünschenswert gehaltenen Neuorien­tierung skizziert.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP) fragt unter Hinweis auf Medienberichte aus den letzten Wochen, denen zufolge die Kosten der Erweiterung den finanziellen Gesamt­rahmen gemäß den Vereinbarungen von Berlin überschreiten könnten, ob Bundesminister Mag. Molterer die Einhaltung dieses Gesamtrahmens bestätigen könne.

Weiters fragt Abgeordneter Dr. Stummvoll, ob sich abschätzen lasse, wie viel von den Gesamt­kosten der EU-Erweiterung auf die landwirtschaftliche Entwicklung entfallen werde und ob dies, entsprechend dem fast 50-prozentigen Anteil der Landwirtschaft im Rahmen des EU-Budgets, wiederum etwa die Hälfte sein werde.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt fest, es werde offenbar von allen hier vertretenen politischen Parteien die Meinung vertreten, dass die Gemeinsame Agrarpolitik in der bisherigen Form nicht optimal betrieben worden sei und dass vieles, was heute noch Norm in der EU-Agrarpolitik sei, in Zukunft nicht mehr Gültigkeit haben könne. Dass es zu einer völli­gen Neugestaltung kommen müsse, habe sich auch an den in den letzten Jahren aufgetretenen Problemen gezeigt. Vor allem sei die Gemeinsame Agrarpolitik in der bisher gehandhabten Art und Weise den österreichischen Strukturen in der Landwirtschaft nicht gerade entgegengekom­men.

Österreich müsse mit seinen Einflussmöglichkeiten auf europäischer Ebene versuchen, für den Fortbestand des typisch österreichischen Agrarbetriebes, also des bäuerlichen Familienbetrie­bes, zu sorgen, auch wenn dieser in Hinkunft mit einer völlig neuen Konkurrenz konfrontiert sein werde. Wenn in den Beitrittskandidatenländern riesige Agrarflächen nicht mehr wie bisher – wie dies zum Beispiel in Polen noch häufig der Fall sei – von Kleinbauern bewirtschaftet werden, sondern künftig dort Agrarindustrie und Agrarchemie zum Einsatz kommen würden, so werde dies zu Problemen führen, die nicht mehr bewältigt werden könnten, sofern es nicht vorher zu einer Neuordnung der Gemeinsamen Agrarpolitik käme.

Abgeordneter Mag. Schweitzer führt aus, auf Grund von Produktionsweisen, die er persönlich als Konsument ablehne, zeige sich bei vielen Verbrauchern bereits heute mangelndes Ver­trauen zur Qualität der Lebensmittel, wozu die diversen Skandale – betreffend etwa BSE, Maul- und Klauenseuche, Futtermittel, Tierarzneimittel – ihren Beitrag geleistet hätten. Infolge einer fehlenden Marktordnung sei es auch zur Überproduktion gekommen. Daher sei es notwendig, eine grundlegende Neuausrichtung und Reform bereits jetzt in Angriff zu nehmen und klare Leitlinien vorzulegen, bevor es noch zur Erweiterung kommt.

Aus Sicht der Freiheitlichen sei auch von Interesse, wie die Gemeinsame Agrarpolitik in Zukunft finanziert werden soll, denn es sei nicht vorstellbar, dass künftig mit weniger Geld eine größere Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe gefördert werden könnte. Es stelle sich die Frage, wie bei einer Erweiterung der Europäischen Union um „Agrar-Giganten“ wie zum Beispiel Polen oder zum Teil auch Ungarn die Gemeinsame Agrarpolitik ohne grundlegende Reformen mit gleich bleibenden finanziellen Mitteln weitergeführt werden könne. Bundesminister Mag. Molterer möge im Einzelnen darlegen, ob es eine Möglichkeit gebe, dass es zu einer Qualitäts­verbesserung komme, damit die genannten Probleme in Hinkunft nicht mehr auftreten könnten.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne) äußert die Ansicht, der vom Abgeord­neten Mag. Schweitzer soeben vertretene Standpunkt lasse sich auch in der vorliegenden deutschen Position zur Zwischenbewertung der Agenda 2000, dem Dokument 50482/EU, inso­fern wiederfinden, als dort gefordert werde, die jetzige Situation der „mid-term review“ zu einer grundsätzlichen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zu nutzen. Es sei somit zu begrüßen, dass die Freiheitlichen der lang gehegten Forderung der Grünen nahe treten, die Reform der Agrarpolitik endlich in die Wege zu leiten. Bisher hätten die Freiheitlichen im Landwirtschafts­ausschuss eine derartige Ab­sicht vermissen lassen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber bringt seinen Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG betreffend Zwischenbewertung der Agenda 2000 (mid-term review) (50482/EU XXI. GP, 51307), Erweiterung und Landwirtschaft – Diskussionspapier der Kommission (51307) ein. Dieser Antrag stelle auch eine Gelegenheit dar, die Äußerungen von Bundesminister Mag. Molterer aus den letzten eineinhalb Jahren zur Reform der Agrarpolitik und zur Erweite­rung auf den Prüfstand zu stellen und einen Blick darauf zu werfen, ob ein solches Vorgehen wirklich zweckmäßig und zielführend wäre.

Bundesminister Mag. Molterer habe sich immer wieder gegen ein Junktim zwischen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Erweiterung ausgesprochen; darin komme offenbar auch die Ansicht zum Ausdruck, dass die Erweiterung ein sehr hochwertiges und wichtiges An­liegen darstelle und daher prioritär behandelt werden müsse. Es dürfe aber den Beitrittsländern jetzt nicht Sand in die Augen gestreut werden, denn die Reformdiskussion sei – unabhängig da­von, ob ein Junktim gewünscht werde oder nicht – de facto bereits in Gang gekommen. Würden die Beitrittsländer mit 1. Jänner 2004 Mitglieder der Europäischen Union werden, so hätten sie innerhalb der darauf folgenden eineinhalb Jahre zum einen all das umzusetzen, was in den Verhandlungen beschlossen wurde, und zum anderen müssten sie als vollwertige Mitglieder auch die Reformdebatte führen. Angesichts dieses Dilemmas sei überhaupt nicht zu verstehen, warum nicht schon jetzt eine breite gesellschaftliche und politische Diskussion über die Reform der Agrarpolitik geführt werde, wie sie zweckmäßig und notwendig wäre.

Derzeit würden die meisten jener Länder, die jetzt mit der Europäischen Union über den Beitritt verhandeln, in der Produktivität deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegen, da dort die Agrarproduktion in den letzten zehn bis 15 Jahren massiv verringert und die Agrarstruktur vollständig verändert worden sei. Würde die Europäische Union dasselbe Förderinstrumenta­rium, das sich bereits heute als nicht zweckmäßig und nicht zielorientiert erweise, künftig auch den neuen Mitgliedstaaten überstülpen, so würde dies zur Verfestigung einer Entwicklung in die falsche Richtung führen. Stattdessen komme es jetzt darauf an, mehr Effizienz zu erreichen, und darüber werde in der Europäischen Union bereits diskutiert. So gebe es schon jetzt keinen Mitgliedstaat mehr, in dem nicht eine Diskussion über die Überführung von Mitteln aus der ersten in die zweite Säule stattfinde.

In diesem Zusammenhang spiele Österreich eine Vorreiterrolle, nachdem es in seinen eigenen Beitrittsverhandlungen einen starken Ausbau der Agrarumweltmaßnahmen erreicht habe und fast 10 Prozent aus diesem Teil des Budgets der Europäischen Union für solche Maßnahmen habe lukrieren können. Diese Erfahrungen würden Österreich nunmehr dazu prädestinieren, eine entsprechende Reformdiskussion voranzutreiben. Daher sei der von Bundesminister Mag. Molterer zuvor geäußerte Standpunkt weder sachlich noch politisch-strategisch zu ver­stehen. Denn es sei sowohl für die österreichische Landwirtschaft – insbesondere für jene Bauern, die schon jetzt diese Richtung eingeschlagen haben – als auch für die österreichischen Verbraucherinnen und Verbraucher wichtig, dass eine Zunahme der umweltorientierten Land­wirtschaft in Europa durchgesetzt wird. Bundesminister Mag. Molterer möge hier darlegen, wie er im Agrarministerrat zu argumentieren beabsichtige.

Aus Sicht der Grünen sei es nahe liegend, gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten den Aspekt der Umweltorientierung stärker zu beachten und den präsumtiven Beitrittsländern bereits jetzt klarzumachen, dass seitens der Europäischen Union keine Bereitschaft bestehe, aus ihren Mitteln eine Intensivierung der Landwirtschaft in diesen Ländern in einer nicht umweltorientier­ten und sozial gefährlichen Richtung zu unterstützen. Stattdessen werde es darauf ankommen, die Landwirtschaft in diesen Ländern gezielt in Richtung einer Ökologisierung und einer sozial verträglichen Lebensmittelerzeugung umzubauen.

Dass darin die große Herausforderung bestehe, sei auch aus der Draft Common Position der EU-Kommission ersichtlich. Es sei eine sehr komplexe Frage, wie die Direktzahlungen administ­rativ durchgeführt werden sollen, und zwar auch wegen der vielen damit verbundenen Miss­brauchsmöglichkeiten. Überdies stelle sich die jeweilige Agrarstruktur der Beitrittsländer völlig unterschiedlich dar. So wäre es etwa nicht sinnvoll, den Strukturwandel in Ungarn oder der Tschechischen Republik weiterhin voranzutreiben, weil dort die Agrarquote mit 7 oder 8 Prozent schon jetzt einen Wert erreicht habe, wie er einem industrialisierten Land entspreche, wogegen zum Beispiel in Rumänien oder Polen die Agrarbevölkerung – allerdings auch infolge ver­steckter Arbeitslosigkeit – noch immer ungefähr 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmache.

In dieser Hinsicht lasse das Dokument der Europäischen Kommission eine klare Darstellung vermissen. Darin werde von einer Stärkung des ländlichen Raumes und der Schaffung neuer Arbeitsplätze gesprochen, und grundsätzlich bestehe demnach die Absicht, den Strukturwandel weiter voranzutreiben. Stattdessen wäre es jedoch wünschenswert, eine stärker differenzie­rende Position zu vertreten. In diesem Sinn möge Bundesminister Mag. Molterer die österrei­chische Position verstärkt zur Geltung bringen.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer antwortet, die Weiterentwicklung der Agrarpolitik der Europäischen Union sei bereits im Gange, wie sich auch im Rahmen der Agenda 2000 an der grundlegenden Weichen­stellung in Richtung ländliche Entwicklung gezeigt habe.

Was die von Abgeordnetem Dr. Einem angesprochene Fairness gegenüber den Kandidatenlän­dern betrifft, seien vor allem folgende Fakten zu berücksichtigen: Mit der Agrarreform Agen­da 2000 sei die Agrarpolitik in der Europäischen Union grundlegend reformiert worden. Damit sei auch die Absicht, die Agrarpolitik finanzierbar zu erhalten, erreicht worden, wie sich an der Entwicklung der Finanzen in den letzten Jahren erweise. Ferner seien mit der Agenda 2000 die Zielsetzungen verfolgt worden, die Agrarpolitik in der Europäischen Union für die Erweiterung vorzubereiten und dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität viel breite­ren Raum zu geben.

Auf dieser Basis habe die Europäische Union ein Signal dafür gesetzt, die Erweiterungsver­handlungen zu beginnen. Den Kandidatenländern sei klargemacht worden – und dies sei immer unmissverständlich die einheitliche Position aller Beteiligten auch in Österreich gewesen –, dass die Erweiterung auf Basis des Acquis communautaire vor sich zu gehen hat. Nun befinde man sich wenige Monate vor Verhandlungsabschluss mit den Ländern, die sich, um beitreten zu können, seit Jahren in allen Kapiteln verpflichtet hätten, den Acquis communautaire umzuset­zen, sei es im Lebensmittel-, Hygiene- oder Pflanzenschutzmittelbereich, sei es in der Regional­politik oder in der Agrarpolitik.

Daher sei es der vernünftigere Weg, diesen Ländern zu sagen, dass die Verhandlungen nun­mehr auch auf Basis des Acquis communautaire abgeschlossen werden und die „Spielregeln“ nicht kurz vor dem Abschluss grundlegend verändert werden können, und ihnen gleichzeitig zu signalisieren, dass mit der neuen Finanzperiode, die im Jahr 2007 beginnen wird, viele Politik­bereiche zu verhandeln und zu reformieren sein werden, damit dann einerseits die Politikbe­reiche in der Finanzierung zusammenpassen und andererseits den neuen Mitgliedstaaten eine gleichberechtigte Möglichkeit geboten wird, an der Reform mitzuwirken.

Was die inhaltliche Weiterentwicklung betrifft, bestehe kein Zweifel daran, dass entsprechende Notwendigkeiten gegeben sind. Allerdings sei die Gemeinsame Agrarpolitik seit der Reform von 1992 sowie insbesondere seit der Agenda 2000 viel besser als ihr Ruf. Österreich habe es im Gegensatz zu anderen Mitgliedstaaten auch verstanden, etwas daraus zu machen, daher würden heute in Österreich beispielsweise mehr als 60 Prozent auf die ländliche Entwicklung entfallen. In manchem Mitgliedstaat betrage dieser Wert nur 5 Prozent.

Reformnotwendigkeiten seien jedoch etwa im Bereich des Lebensmittelrechts gegeben, betref­fend zum Beispiel die Einrichtung der Ernährungsagentur, die im Weißbuch angesprochene Harmonisierung im Lebensmittelrecht, die Effizienz der Kontrolle und die vertikale Integration sowie das so genannte Labeling. Auch radikalere Maßnahmen im Bereich der Seuchenbekämp­fung oder die Schaffung klarer „Spielregeln“ im Bereich genmodifizierter Produkte seien als Not­wendigkeiten zu bezeichnen. Daher komme es im Bereich der Lebensmittel auch permanent zu Veränderungen.

Bundesminister Mag. Molterer spricht sich dafür aus, die „mid-term review“ entsprechend zu nutzen, zum Beispiel im Hinblick auf die Stärkung der zweiten Säule; darüber bestehe auch weitgehend Konsens zwischen den Parlamentsfraktionen. Österreich werde im Rahmen seiner Position auch die obligatorische Modulation der Direktzahlungen aus den Marktordnungen ver­treten und habe sein Modell auf europäischer Ebene in Abhängigkeit von der Betriebsgröße bereits vorgelegt. Auch die Verwaltungsvereinfachung stelle eine Zielvorstellung dar.

Bundesminister Mag. Molterer betont noch einmal seine Strategie, die Erweiterungsverhandlun­gen auf Basis des Acquis communautaire, auf den sich die Kandidatenländer eingestellt haben, abzuschließen, die „mid-term review“ dort zu nutzen, wo Veränderungen für sinnvoll gehalten werden, und im Rahmen der Vorbereitung auf die nächste Finanzplanungsperiode nach dem Jahr 2006 mit den neuen Mitgliedstaaten eine umfassende Strategie für eine Weiterentwicklung der Agrarpolitik – welche dann auch als Reform der Agrarpolitik bezeichnet werden könnte – zu erarbeiten. Dieser Ansatz stehe in Übereinstimmung mit all dem, was in Österreich und in der Europäischen Union bereits vorgelegt worden ist.

In diesem Zusammenhang trete Österreich zwar für eine stärkere Flächenbindung der Verede­lungswirtschaft ein, wolle jedoch – im Gegensatz zu anderen – auch die Quoten aufrechterhal­ten, denn ohne Milchquote könne es keine Bergbauern geben. Daher müsse vor den derzeit erhobenen, modern klingenden und mit viel Applaus bedachten Forderungen deutlich gewarnt werden, weil dabei viel zu wenig an die Konsequenzen gedacht werde, insbesondere an die Konsequenzen für die österreichischen Landwirtschaft. Von allen Seiten werde die österrei­chische kleinbäuerliche Landwirtschaft beschworen, zugleich aber würden viele ihre Zustim­mung zur Abschaffung der Quoten zum Ausdruck bringen. Daher möge das Augenmerk weni­ger auf Modernität und Zeitgeist, sondern viel stärker auf die Interessen der österreichischen Landwirtschaft im gesamteuropäischen Kontext gerichtet werden.

Der Bemerkung des Abgeordneten Dr. Einem, es komme in der EU-Budgetstruktur wegen der Höhe des Agrarbudgets eine Seltsamkeit zum Ausdruck, stellt Bundesminister Mag. Molterer die Sichtweise entgegen, in der Budgetstruktur drücke sich eben aus, wie die Europäische Union gewachsen sei. Die Landwirtschaft sei, basierend auf den Römischen Verträgen, als einziger Bereich von Beginn an vergemeinschaftet gewesen und habe daher auch als einziger Bereich überhaupt ein Gemeinschaftsbudget gehabt. Der Anteil des Landwirtschaftskapitels im EU-Budget sei von früher fast 80 Prozent auf jetzt 47 Prozent zurückgegangen. Die heutige Art der Budgetierung bringe für die Mitgliedstaaten den Vorteil mit sich, dass sie sich in den natio­nalen Budgets entsprechende Ausgaben ersparen. Der Anteil der Landwirtschaft, gemessen an der Summe aus dem EU-Budget und den nationalen Haushalten, liege bei ungefähr 2 Prozent der gesamten Ausgaben.

Die im Zuge der Erweiterung geplante stufenweise Vorgangsweise sei sowohl im Sinne der Fairness gegenüber den Kandidatenländern als auch im Sinne der österreichischen Interessen­lage zu begrüßen. Wie bereits gesagt, werde auch die „mid-term review“ zu einer Weiterent­wicklung zu nutzen sein.

Auf die Frage von Abgeordnetem Dr. Stummvoll nach dem Finanzrahmen antwortet Bundes­minister Mag. Molterer mit dem Hinweis auf den in Berlin gefassten Beschluss, dass in den Jahren 2002 bis 2006 für die Erweiterung insgesamt 58 Milliarden € zur Verfügung stehen werden. Der jetzt vorliegende Vorschlag der EU-Kommission betreffend eine Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten sehe Kosten in Höhe von 40,16 Milliarden € vor, dieser Betrag liege somit deutlich unter dem von Berlin her vorgesehenen Wert. Eine Änderung habe sich insofern ergeben, als mit dem Beschluss von Berlin noch keine Entscheidung über Direktzahlungen gefallen war, wogegen jetzt bei den Direktzahlungen ein Wert von 25 Prozent als Einstieg und dann eine Steigerung in Fünf-Prozent-Etappen bis zum Jahr 2006 vorgesehen sei.

Auf Basis der Draft Common Position der EU-Kommission lägen die Landwirtschaftsausgaben bei 9,577 Milliarden € von den erwähnten insgesamt 40,16 Milliarden € und würden somit 23 Prozent betragen. Hingegen lägen die Kosten für Struktur- und Regionalpolitik einschließlich der Verwaltungskosten bei rund 30 Milliarden €, also rund 77 Prozent der gesamten Kosten. Demnach zeige sich in den Vorschlägen der Europäischen Kommission eine Schwerpunktset­zung mit einer überproportionalen Bedeutung von Struktur- und Regionalpolitik.

Von den erwähnten 9,577 Milliarden € seien 20 Prozent, nämlich ungefähr 1,99 Milliarden, für die gemeinsame Marktordnung vorgesehen. Etwa 2,591 Milliarden € oder 27 Prozent würden auf Direktzahlungen aus den Marktordnungen entfallen. Für die ländliche Entwicklung wiederum seien 4,987 Milliarden €, also 52 Prozent, geplant. Daher werde die Erweiterung auch für eine Schwerpunktverschiebung in Richtung ländliche Entwicklung genutzt.

Bundesminister Mag. Molterer antwortet Abgeordnetem Mag. Schweitzer, er trete selbstver­ständlich für eine Weiterentwicklung ein, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der österreichischen Interessen. Es müsse darauf geachtet werden, dass zwischen den Kandida­tenländern sehr große Unterschiede – auch in den Strukturen und in den Eigentumsverhält­nissen – bestehen. Ein Land wie Polen werde unabhängig davon, ob es zu einem Beitritt kommt oder nicht, seine Agrarstruktur nicht aufrechterhalten können.

Im Rahmen der internen Diskussionen in den Kandidatenländern sei Unzufriedenheit mit den geplanten Direktzahlungen in Höhe von 25 Prozent geäußert worden; ähnliche Stimmen seien auch in Bezug auf die Quotenvorschläge zu hören gewesen. Die Europäische Kommission habe bereits darauf hingewiesen, dass der EU-Beitritt dieser Kandidatenländer – mit Ausnahme von Slowenien – zu Preiserhöhungen führen werde, sodass die sofortige Anwendung der Direktzahlungen zu einer völligen Devastierung der in den Kandidatenländern bestehenden Strukturen insbesondere hinsichtlich der Einkommensverteilung führen würde. Auch vor diesem Hintergrund sei die von der Europäischen Union gewählte Strategie für klug zu erachten.

Bundesminister Mag. Molterer stellt fest, mit diesen Ausführungen habe er zugleich auch Abge­ordnetem Dipl.-Ing. Pirklhuber beantwortet, was er, Molterer, unter Reform der Agrarpolitik, Nut­zung der Chancen der „mid-term review“ und Erweiterung im zeitlichen und im inhaltlichen Ab­lauf verstehe. Österreich werde seine Vorreiterrolle in den Fragen der ländlichen Entwicklung, des Bio-Landbaus und der Lebensmittelsicherheit selbstverständlich beibehalten.

Was die deutsche Position in der Zwischenbewertung der Agenda 2000 betrifft, sei ebenfalls eine differenzierte Beurteilung erforderlich. Die darin geforderte Abschaffung der Quoten müsse aus österreichischer Sicht abgelehnt werden.

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche) weist darauf hin, dass die Gemeinsame Agrarpoli­tik in verschiedenen Bereichen von der österreichischen Bauernschaft sehr kritisch beurteilt wurde, und zwar auch deswegen, weil keineswegs eine gemeinsame Vorgangsweise eingehal­ten wurde, etwa hinsichtlich der Bedingungen der Tierhaltung, EU-einheitlicher Dünge- oder Pestizidverordnungen, des Umgangs mit der Gentechnik oder der Kriterien für Medikamente, wobei die österreichischen Bauern vor allem von der Preissituation her gegenüber anderen Ländern im Nachteil gewesen seien. Auch der Einsatz von Futtermitteln und das Verbot der Leistungsförderung seien in der Europäischen Union sehr unterschiedlich gehandhabt worden. All diese Kritikpunkte müssten in den jetzt laufenden Verhandlungen Berücksichtigung finden.

Abgeordneter Zellot hält fest, auch wenn alle Fraktionen hier im Ausschuss bemüht seien, das Beste für die österreichische Landwirtschaft zu erreichen, so müsse doch hervorgehoben werden, dass die österreichischen Familienbetriebe in der Europäischen Union eine gewisse Vorbildfunktion ausüben, insbesondere in der Hinsicht, dass es sich dabei um eine umweltge­rechte, flächendeckende Landwirtschaft handelt, die vor allem am Wohl des Konsumenten orientiert sei.

Mit den neuen Mitgliedstaaten werde auf die Europäische Union ein Problem zukommen, welches als „Fluch der Menge“ bezeichnet werden könne. Daher werde es wichtig sein, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es in der Europäischen Union noch vernünftige Entschei­dungsträger gebe, die die Auffassung vertreten, dass eine Mengensteuerung die Finanzierbar­keit der Europäischen Union erleichtere, und zwar auch im Hinblick auf eine umweltgerechte Landwirtschaft.

Trotz der verstärkten Bemühungen um eine umweltgerechte Landwirtschaft seien im Zusam­menhang mit der Osterweiterung Einbußen zu befürchten. Bundesminister Mag. Molterer habe selbst bei dem Wifo-Experten Professor Schneider eine Untersuchung in Auftrag gegeben, und darin seien dem Fortbestand der Familienbetriebe in der österreichischen Landwirtschaft keine guten Chancen eingeräumt worden. Abgeordneter Zellot knüpft daran die Frage, ob Bundes­minister Mag. Molterer überhaupt noch die Möglichkeit einer Strategie zugunsten der Erhaltung der kleinbäuerlichen Betriebe sehe.

In der Zwischenbewertung der Agenda 2000 komme zum Ausdruck, dass unterschiedliche Auf­fassungen in Bezug auf die Mengenregelung bestehen. Laut Pressemeldungen aus der letzten Zeit zeige sich in Bayern inzwischen schon eine positive Einstellung zur Quotenregelung. Die in dem vorliegenden Bericht über die deutsche Position erhobene Forderung nach Aufhebung der Milchquote sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Deutschland einer der größten Milch­lieferanten in der Europäischen Union ist.

Abgeordneter Zellot weist darauf hin, dass eine Mengensteuerung nicht nur in der Milchwirt­schaft, sondern auch hinsichtlich anderer Produkte besteht, und erachtet dies für einen Grund­pfeiler im Hinblick darauf, den bäuerlichen Betrieben, die sich auf solche Produkte spezialisiert haben, im Rahmen der Osterweiterung eine Zukunftschance zu eröffnen.

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP) stellt fest, dass Diskussionen über die Agrarpolitik zu allen Zeiten mit hoher Emotionalität verbunden gewesen sind und stets zu Kontroversen geführt haben. In dem komplizierten Bereich Landwirtschaft seien Vergleiche sowohl innerhalb der EU-Mitgliedstaaten als auch gegenüber den Erweiterungskandidaten mit großen Schwierigkeiten verbunden, weil in der Landwirtschaft und in ihren jeweiligen Betriebsformen unterschiedliche kulturgeschichtliche und produktionstechnische Voraussetzungen zum Ausdruck kämen.

In Bezug auf die zuvor im Ausschuss erhobene Forderung nach einer Neuverteilung der Direkt­zahlungen innerhalb der Betriebsgrößen stellt Abgeordneter Donabauer fest, dass diese Frage bereits im Rat von Berlin von den Vertretern Österreichs, insbesondere von Bundesminister Mag. Molterer und Bundeskanzler Dr. Schüssel, zu einem zentralen Thema gemacht wurde, verbunden mit der Absicht, schon dort eine entsprechende Diskussion einzuleiten. Allerdings sei es nicht möglich gewesen, für diesen Vorschlag eine Mehrheit zu finden. Heute jedoch werde diese Veränderung ausgerechnet von denjenigen gefordert, die damals diesen Vorschlag ablehnten. Daran sei deutlich erkennbar, dass in der Agrarpolitik ein gewisser Weitblick not­wendig ist. Die ÖVP werde in diese Richtung weiterarbeiten und sei erfreut darüber, dass dieser gute Vorschlag nun neue Mitstreiter gefunden hat.

Die Gemeinsame Agrarpolitik werde unterschiedlich kommentiert und von fast allen Seiten kriti­siert. In Wirklichkeit sei die Landwirtschaft in der Europäischen Union der einzige gemeinschaft­lich geregelte Bereich, der auch so vollzogen werde. Wegen der Produktionsschwankungen, die jedes Jahr auftreten, sei eine bessere Koordination wichtig, und es müsse europaweit versucht werden, durch intelligente Maßnahmen die Märkte in Ordnung zu halten. Die Gemeinsame Agrarpolitik sei auch wegen der produktionstechnischen Regulative mit Quoten- und Mengen­regimen von Bedeutung, und insbesondere Österreich müsse daran interessiert sein, diese Regulative auch in Zukunft beizubehalten.

Abgeordneter Donabauer fügt hinzu, seiner persönlichen Einschätzung nach werde durch die Gemeinsame Agrarpolitik auch die Position der europäischen Landwirtschaft im weltweiten Wettbewerb und im Rahmen des WTO-Prozesses verbessert. Deshalb bleibe die Gemeinsame Agrarpolitik weiterhin ein wichtiges Element, auch wenn sie weitere Anpassungen benötige. Mit Interesse werde nun der für Mitte Juni angekündigte Bericht erwartet.

Der Strukturwandlungsprozess sei zwar ein Thema, das von allen Seiten gerne diskutiert wird, es müsse jedoch in der Praxis überprüft werden, wodurch dieser Prozess ausgelöst wurde und welchen Verlauf er nimmt. Wegen der mannigfachen Ursachen seien die Probleme in diesem Zusammenhang nicht leicht zu lösen. Kaum ein anderes Land in Europa habe ein so klares Bekenntnis zum bäuerlichen Familienbetrieb mit all seiner Nachhaltigkeit abgelegt wie Öster­reich. Die Richtigkeit der österreichischen Agrarpolitik werde auch von anderen Ländern gewür­digt und als Vorbild für die dortige Gestaltung herangezogen.

Auch über die Frage der Produktionsweisen, nämlich biologische oder konventionelle Landwirt­schaft, werde zu diskutieren sein. Dabei handle es sich nicht um eine Glaubensfrage, und trotz allem, was von politischer Seite gewünscht werde, werde die Entscheidung doch weitgehend von den Faktoren Markt und Preis bestimmt. Würde ein Segment durch politischen Einfluss be­sonders stark entwickelt werden, dann aber keinen Markt finden, so würde sich bald die Frage stellen, wer den davon betroffenen Betrieben helfen sollte, wenn sie in wirtschaftliche Schwie­rigkeiten gerieten, weil ihre Produkte wegen anders gelagerter Marktbedürfnisse keinen Absatz fänden.

Abgeordneter Donabauer fragt im Hinblick auf die landwirtschaftlichen Produktionsweisen, ob Bundesminister Mag. Molterer ein EU-weites Tierschutzreglement für realistisch halte.

In Bezug auf vorangegangene Ausführungen von Oppositionsseite, in denen die Qualität der Produkte angesprochen wurde, hebt Abgeordneter Donabauer hervor, dass der erst vor weni­gen Wochen im österreichischen Parlament gefasste Beschluss über die Ernährungsagentur nur die Stimmen der Regierungsfraktionen erhielt, obwohl ein gemeinsamer Weg gesucht worden war. Österreich habe als erster EU-Mitgliedstaat diesen deutlichen Schritt gesetzt und werde diese Absicht in den nächsten Wochen auch mit Leben erfüllen. Nachdem die Opposition zunächst ihre Zustimmung verweigert habe, möge sie nun wenigstens dabei behilflich sein, die kommenden Schritte im Interesse sowohl der Konsumenten als auch der Produzenten zu setzen.

Hinsichtlich der beiden vorliegenden Anträge auf Stellungnahme weist Abgeordneter Dona­bauer darauf hin, dass in beiden Fällen eine Verlagerung der finanziellen Mittel von der ersten hin zur zweiten Säule gefordert wird. Dabei müsse auch beachtet werden, dass davon der Strukturprozess nachhaltig beeinflusst werde. Auch in diesem Zusammenhang sei die agrarpoli­tische Ausrichtung in Österreich beispielgebend für die Europäische Union. Österreich habe die zweite Säule nicht nur als Vorschlag eingebracht, sondern auch als erster Mitgliedstaat umge­setzt und könne dazu den wirkungsvollsten Entwicklungsprozess vorweisen. Von den Regie­rungsfraktionen werde – im Unterschied zur Opposition – die zweite Säule vor allem wegen der damit verbundenen Steuerungselemente für wichtig erachtet, etwa hinsichtlich der bedarfsorien­tierten Direktzahlungen für den Fall, dass ökologische Normen, regionalpolitische Zwänge oder Marktgegebenheiten dies erzwingen.

Österreich befinde sich auf einem guten Weg und werde weiterhin eine beispielgebende Funk­tion für Europa, und zwar auch für die Beitrittskandidatenländer, beibehalten können. Mit Bezug auf den Vorschlag der Europäischen Kommission, in den künftigen Mitgliedstaaten die Direkt­zahlungen schrittweise einzuführen und anzuheben – worin ein sehr intelligentes und gut brauchbares Modell zum Ausdruck komme –, fragt Abgeordneter Donabauer, wie Bundesminis­ter Mag. Molterer diesen Vorschlag bewerte, wie dieser Prozess verlaufen werde und was darüber in den Verhandlungen festgelegt werde.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ) erwidert dem Abgeordneten Donabauer, bevor ein ein­heitliches Tierschutzrecht auf europäischer Ebene gefordert werde, sei die ÖVP aufgefordert, an sich selbst zu arbeiten, damit zuerst einmal die unterschiedlichen Regelungen in den Bun­desländern durch ein österreichweites einheitliches Tierschutzrecht ersetzt werden.

Was den Beschluss über die Ernährungsagentur betrifft, habe die Bundesregierung zwar den Oppositionsfraktionen vor dieser Entscheidung Auskunft durch Experten geben lassen, aber es sei schon zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass es zu Änderungen durch Abänderungsan­träge kommen werde, über deren Inhalt die Opposition nicht Bescheid gewusst habe. Unter­schiedlich sei insbesondere der Zugang zu dem Problem gewesen, ob in der Ernährungsagen­tur der Konsumentenschutz oder die Produzentenseite ein Übergewicht haben solle. Daher müsse Abgeordnetem Donabauer hier widersprochen werden, wenn er jetzt so tue, als hätte damals diese Diskussion gar nicht stattgefunden.

Mit der positiven Hervorhebung des Verhandlungsprozesses im Rat von Berlin habe Abgeord­neter Donabauer auch der damals amtierenden Bundesregierung ein Lob ausgesprochen, in der die Bundesminister Edlinger und Mag. Molterer sehr aktiv daran gearbeitet hätten, die öster­reichischen Positionen umzusetzen. Dass somit nunmehr auch die Erinnerung der ÖVP an die Vergangenheit zurückkehre, sei sehr zu begrüßen.

Abgeordneter Gradwohl richtet an Bundesminister Mag. Molterer die Frage, welche Position er tatsächlich vertrete. Diese sei noch nicht erkennbar geworden, da seine bisherigen Ausführun­gen über die noch ausständigen Detailvorschläge der Europäischen Kommission und über die Absicht, die „mid-term review“ nicht mit einer Agrarreform zu junktimieren, widersprüchlich ge­wesen seien.

Weiters fragt Abgeordneter Gradwohl, welche Aussichten hinsichtlich der Kostengestion im Jahr 2007 bestünden, wenn weiterhin daran festgehalten werde, dass bis 2006 keine Agrarre­form durchgeführt werden soll. Auch im Rahmen der angesprochenen Fairness gegenüber den Beitrittskandidatenländern sei es notwendig, den Blick auf die weitere Entwicklung der finanziel­len Gebarung zu richten. Aus dieser Perspektive zeige sich ein dringender Bedarf danach, die jetzige „mid-term review“ und auch die kommenden Jahre für intensive Reformmaßnahmen in der Gemeinsamen Agrarpolitik zu nutzen.

In der Agenda 2000 sei zwar ein deutlicher Reformansatz festzustellen gewesen, aber davon sei nach den Agrarministerräten nicht genug übrig geblieben. (Bundesminister Mag. Molterer: Nach den Regierungschefs! Die Agrarminister waren weiter, als die Regierungschefs es zuge­lassen haben!) Damals habe es sich um einen fast schon revolutionären Reformansatz gehan­delt, aber was davon übrig geblieben sei, habe den späteren Reformbedarf bereits in sich getra­gen. Diesem Reformbedarf müsse jetzt Rechnung getragen werden, und zwar auch im Sinn der angesprochenen Nachhaltigkeit und langfristigen Planung.

Abgeordneter Gradwohl äußert sich zweifelnd zu den Ausführungen von Bundesminister Mag. Molterer, wonach Österreich seine Vorreiterrolle auch im Hinblick auf die biologische Wirt­schaftsweise und die Ökologisierung beibehalten werde. Die bisherigen Aktionen und Maßnah­men wie etwa die Kürzung der Mittel für Bio-Verbände und Bio-Beratung würden eher eine andere Sprache sprechen. Im Widerspruch dazu stünden auch Veranstaltungen der Agrarmarkt Austria, in denen Produkte des biologischen Landbaus verunglimpft und beinahe als Scharlata­nerie abgetan worden seien, obwohl doch die AMA Marketing den Auftrag habe, die Produkte der österreichischen Landwirtschaft zu vermarkten. Bundesminister Mag. Molterer möge Aus­kunft geben über die Maßnahmen, die zur Verbesserung der Lage im biologischen Landbau geplant sind.

Bezug nehmend auf die Kritik von Abgeordnetem Donabauer an den beiden vorliegenden An­trägen auf Stellungnahme, dass die darin geforderten Maßnahmen in Österreich bereits umge­setzt worden seien, richtet Abgeordneter Gradwohl an Bundesminister Mag. Molterer die Frage, mit welchen Maßnahmen er versuchen werde, dieses österreichische Vorbild auf die euro­päische Ebene zu übertragen und in Beschlüssen der Europäischen Kommission sowie des Rates umzusetzen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne) stimmt Bundesminister Mag. Molterer darin zu, dass die Mengensteuerung ein wichtiges Instrument der Agrarpolitik darstellt. Es be­stehe in Österreich Konsens darüber, dass die Milchquotenregelung eine sinnvolle Maßnahme ist, und Österreich habe diese Regelung auch als erstes Land in Europa eingeführt.

Trotzdem gebe es in Österreich nach wie vor großen Reformbedarf. Dies zeige sich etwa an dem konkreten Beispiel eines Junglandwirtes, der sehr motiviert Landwirtschaft betreibe und trotzdem keine Quote zugestanden bekomme; bei sehr kleiner A-Quote sei es ihm derzeit nur über die D-Quote möglich, seine Milchviehherde zu halten. Es gebe auch im österreichischen System zahlreiche Möglichkeiten des Missbrauchs und der Benachteiligung, sodass Österreich sich nicht dazu verleiten lassen sollte, sich gegenüber der Europäischen Union an die Brust zu klopfen.

Die Kürzungen der Mittel für den Bio-Landbau in den letzten zwei Jahren hätten massive Pro­bleme im Bereich der Beratung des biologischen Landbaus hervorgerufen. Es handle sich dabei aber um einen Bereich, der auch Zukunftschancen für die Beitrittskandidatenländer mit sich bringe. In den meisten dieser Länder würde mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe über jeweils weniger als fünf Hektar Grund zur Bewirtschaftung verfügen. Es bestehe daher neben den dortigen historisch gewachsenen Agrarkombinaten und den privatisierten Agrarfirmen auch ein ausgedehnter kleinstrukturierter Bereich, dem nun rasch die entspre­chenden Signale gegeben werden sollten.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber fragt, wie es mit der „cross compliance“ – der Bindung von Direktzahlungen an die Einhaltung von Umweltbestimmungen – weitergehen werde. Es handle sich dabei, wie auch bei der Modulation, um ein sehr wichtiges Instrument zur Förderung des ökologischen Landbaus. Sogar in Österreich würden sich, obwohl hier eine gute landwirtschaft­liche Praxis gepflegt werde, viele Beispiele dafür finden lassen, dass eine weitere Reform not­wendig sei. Ohne Reformen würde die Europäische Union auch gegenüber den Beitrittsländern unglaubwürdig werden, würde sie einerseits die Einhaltung hoher Standards fordern und andererseits selbst am Schutz der Betriebe der Intensiv-Landwirtschaft festhalten. Es komme darauf an, eine einseitige Interessenpolitik zu vermeiden.

Da die Freiheitlichen sich zuvor ebenfalls für eine Reform der Agrarpolitik ausgesprochen hätten, mögen sie nun auch den sinnvollen und zweckmäßigen Forderungen in dem von den Grünen eingebrachten Antrag auf Stellungnahme ihre Zustimmung geben.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber richtet an Bundesminister Mag. Molterer die Bitte, den er­wähnten Vorschlag zur obligatorischen Modulation auch den Grünen zukommen zu lassen.

Mit Bezug auf die Frage der Exporterstattung schlägt Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber vor, das Blair-House-Abkommen, wodurch auch die Ölsaaten-Anbaufläche in Europa limitiert wird, neu zu verhandeln, um eine für die europäische Landwirtschaft günstigere Situation herbeizu­führen. Überdies handle es sich dabei um ein Kernthema der europäischen Lebensmittelpolitik. Wenn Europa die Eiweißfuttermittel nicht in der jetzigen hohen Menge importieren müsste, son­dern selbst produzieren könnte, so würden sich auch für die Beitrittsländer wichtige zusätzliche Marktchancen in Europa eröffnen. Statt Futtermittel aus Brasilien zu importieren, sollten diese zum Beispiel in Ungarn angebaut werden. Dort würden Sojapflanzen sehr gut gedeihen, und diese wären, da sie kein Problem in der Fruchtfolge verursachen, auch ökologisch sehr gut verträglich.

Es müsse daher über neue Produktionschancen debattiert werden. Würde mit den Beitrittslän­dern nicht schon jetzt eine Debatte über die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik begonnen werden, so würden sich bei den Bauern dort falsche Erwartungen auf einen „Geld­segen aus Brüssel“ einstellen, statt dass deren eigene Anstrengungen einen adäquaten Stellen­wert bekämen. Es müsse zum Beispiel die Besorgnis unter den polnischen Bauern berücksich­tigt werden, nachdem diese in großen Demonstrationen gegen den EU-Beitritt Polens Stellung bezogen haben, weil sie derzeit in einigen Segmenten bessere Preise erzielen, als sie den Bauern von der Europäischen Union gewährt werden. Die Besorgnis beziehe sich insbesondere auf befürchtete Exporte in diese Länder und auf die Zerstörung der dortigen Strukturen.

Der Acquis communautaire stelle zwar eine Verhandlungsbasis dar, aber es werde in der Praxis nie zu dessen vollständiger Übernahme kommen, weil dafür auch nicht die entsprechenden Strukturen vorhanden seien. Bereits jetzt seien in den Vorschlägen der Europäischen Kommis­sion andere Ideen wie etwa die Einführung einer Basisprämie enthalten. Mit diesem Vorschlag, der nicht Teil des Acquis communautaire sei, komme es zu einer Verlagerung weg von Pro­duktförderungen und hin zu Basisprämien im Sinn von betriebsbezogenen oder unter Umstän­den arbeitskraftbezogenen Prämien. Der Blick auf die Details zeige somit auch in diesem Fall, dass es illusionär wäre, zu glauben, dass die Beitrittsländer den Acquis communautaire in dieser Form in Kürze administrieren könnten.

Abgeordneter Josef Blasisker (Freiheitliche) ersucht um Beantwortung der bereits von Abge­ordnetem Mag. Schweitzer gestellten Frage, wie das Vorhaben eingelöst werden könnte, dass in Zukunft eine größere Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe gefördert werden soll, obwohl die finanziellen Mittel dafür nicht aufgestockt werden. Es müsse den Bauern gesagt werden, was sie in den kommenden Jahren zu erwarten haben.

Wie auch hier im Ausschuss allen bewusst sei, könnten landwirtschaftliche Betriebe ohne För­derungen nicht überleben, weil die Produktpreise dafür nicht ausreichend seien. Es müsse dar­auf geachtet werden, die kleinbäuerliche Struktur nicht zu zerstören. Bundesminister Mag. Mol­terer möge darüber Auskunft geben, wo im Agrarbereich Einsparungen möglich sind, ohne dass die Förderungen unter das jetzige Ausmaß sinken würden.

Nunmehr sollte auf das Ziel hingearbeitet werden, eine so genannte Bauernhof-Förderung zustande zu bringen, die weniger kompliziert als das jetzige System wäre. Derzeit bestehe ein „Bürokratiedschungel“, der den Bauern mittlerweile bereits zu viel werde. In Zukunft müsse es zu Vereinfachungen kommen, damit die Bauern wieder in die Lage versetzt werden, ihre Arbeit im Stall und auf dem Feld zu tun. Nur auf diese Weise werde genug Zeit zur Verfügung stehen, um hochwertige Produkte herzustellen.

All die guten Absichten und Ansätze, die heute vorhanden seien, würden aber zunehmend von amerikanischer Seite zerstört werden. Abgeordneter Blasisker weist auf den massiven Ausbau der Agrarsubventionen in den USA hin; dadurch werde der Europäischen Union und den hiesi­gen Bauern stark zugesetzt. Dieses Problem müsse gegenüber den USA nachdrücklich ange­sprochen werden.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ) verweist auf eine Studie zur Arbeitszeit und zum Arbeitsaufwand in der Landwirtschaft, die seit einigen Wochen in der Paragraph-7-Kommission vorliege, und fragt, ob Bundesminister Mag. Molterer darin einen Ansatz erblicke, den Arbeits­einsatz als Grundlage der landwirtschaftlichen Förderungen zu sehen und damit auch eine Antwort auf die zuletzt angesprochenen Probleme gegenüber den USA zu finden.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer antwortet Abgeordnetem Zellot, die Frage der Vereinheitlichung im Bereich der Produktion stelle tatsächlich eine Schlüsselfrage dar. Österreich habe in der Europäischen Union ein Memorandum zur Frage der Vereinheitlichung der Zulassungsregelungen in den Be­reichen Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Futtermittel sowie Maschinen und Geräte bezie­hungsweise technische Normen vorgelegt. Die Europäische Kommission habe mittlerweile einen Vorschlag unterbreitet, der zur einheitlichen Zulassung im Futtermittelbereich führe. Dies sei ein richtiger Schritt, diesem müssten aber unbedingt weitere Schritte folgen.

Was die Mengenregulative betrifft, sei die derzeit bestehende Regelung für die Periode bis 2006 beziehungsweise in der Milchwirtschaft während der Übergangsphase bis 2008 gültig. Hinsichtlich der Quotenregelung seien unter den EU-Mitgliedstaaten Irland, Finnland, Belgien, Luxemburg, Spanien und Portugal als Verbündete zu betrachten. Ein Schlüsselpartner in dieser Frage sei Frankreich, und voraussichtlich werde Frankreich bei dieser Linie bleiben. Die Posi­tion Italiens könne, wie in anderen Bereichen, auch in diesem Fall als beweglich bezeichnet werden: Solange Italien die ihm zugestandene Menge für ausreichend erachte, trete es dafür ein; wenn diese Menge nicht ausreiche, sei es dagegen.

Als Radikalreformer aufgetreten seien hingegen Schweden, Großbritannien, Dänemark, die Niederlande und teilweise auch Deutschland. Diese Länder würden ein anderes Ziel als Öster­reich verfolgen und daher unter einer Reform auch etwas anderes verstehen. Dort bestehe ein­deutig die Absicht, die Mengenregulative abzuschaffen. Man müsse sich aber dessen bewusst sein, was dies bedeuten würde. Von den Beitrittskandidatenländern hätten sich beispielsweise Slowenien und Polen für die Beibehaltung der Quotenregelung ausgesprochen, sodass Öster­reich auch unter ihnen Partner für seine Position suchen müsse.

Bundesminister Mag. Molterer stellt fest, er sei ein Verfechter der EU-Erweiterung, und zwar auch aus der Sicht der Landwirtschaft. Zwar seien die Risiken bekannt – daher sei auch die angesprochene Studie bei Professor Schneider in Auftrag gegeben worden, um richtig reagie­ren zu können –, aber die Beitrittskandidatenländer befänden sich in einer dynamischen Ent­wicklung und würden auf jeden Fall im Wettbewerb mit Österreich stehen, unabhängig davon, ob es zur Erweiterung kommen werde. Mit der Erweiterung sei jedoch sichergestellt, dass diese Länder nach denselben „Spielregeln“ vorzugehen, also zu produzieren und zu vermarkten hätten, wie sie auch für Österreich gelten. Es sei günstiger, wenn Wettbewerber die gleichen „Spielregeln“ einzuhalten haben. Somit stelle dies auch aus bäuerlicher Sicht ein Argument für die Erweiterung dar.

Bundesminister Mag. Molterer spricht sich dafür aus, die Debatte darüber, dass das euro­päische Modell die Grundlage für die Erweiterung bilden soll, auch im Konvent zu führen. Die „Spielregeln“ für die Gemeinsame Agrarpolitik seien auf die Römischen Verträge zurückzufüh­ren, und das europäische Modell stelle eine bedeutende Weiterentwicklung dar. Auf dieser Grundlage gelte es die flächendeckende nachhaltige Bewirtschaftung abzusichern.

Er antwortet Abgeordnetem Dipl.-Ing. Pirklhuber, dass er eine Gemeinsame Agrarpolitik für not­wendig halte und die „Strategie zweier Geschwindigkeiten“ ablehne. Seiner Ansicht nach um­fasse diese Gemeinsame Agrarpolitik beide Säulen, allerdings müsse die zweite Säule massiv ausgebaut werden, weshalb er für Direktzahlungen und Quotenregelungen eintrete. Das Augenmerk solle einheitlich auf die Priorität der ländlichen Entwicklung gelegt und die Standards überall gleich angewendet werden, da es sich um einen gemeinsamen Binnenmarkt handelt. Eine Schlüsselrolle spiele in diesem Zusammenhang auch die grenzüberschreitende Kooperation mit der Wirtschaft.

Österreich habe im Rat von Berlin sein Modell der Größendegression vorgelegt und damals keine Mehrheit dafür gefunden, weder hinsichtlich der zeitlichen Degression noch in Bezug auf die Betriebsgrößen. Damals sei stattdessen entschieden worden, die Direktzahlungen in der gegebenen Form zu verlängern.

Was die Vereinheitlichung des Tierschutzes betrifft, seien in manchen Bereichen schon Schritte in diese Richtung gesetzt worden, wie sich etwa an der Legehennenhaltungsrichtlinie oder an der Richtlinie zur Haltung von Zuchtschweinen gezeigt habe. Österreich trete für ein höheres Tierschutzniveau ein, insbesondere in der Frage der Tiertransportregelungen, für welche massi­ver Verbesserungsbedarf bestehe, und zwar mit dem Fernziel, dass Lebendtransporte von Tieren, die zum Schlachten bestimmt sind, nicht mehr vorkommen sollen.

Bundesminister Mag. Molterer führt weiters aus, er trete für beide Säulen der Agrarpolitik ein. Hinsichtlich der ersten Säule bestehe infolge der Verpflichtungen gegenüber der World Trade Organization eine Veränderungsnotwendigkeit im Zusammenhang mit der Entwicklung im Be­reich der Exportsysteme. Betreffend Direktzahlungen sollte es nicht nur hinsichtlich der Betriebsgröße, sondern auch in Bezug auf die flächengebundene Produktion zu Modifikationen kommen.

Was die von Abgeordnetem Gradwohl angesprochene Reformwilligkeit betrifft, bekräftigt Bun­desminister Mag. Molterer, dass die Agenda 2000 ein richtiger und notwendiger Schritt war. Die „mid-term review“ werde für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik genutzt werden.

Bei „cross compliance“ handle es sich um eine wichtige Frage, aber deren Anwendung bedürfe zunächst einer stärkeren Vereinheitlichung zwischen den EU-Mitgliedstaaten, um Niveauunter­schiede auszugleichen. Als notwendige Zugänge zu dem Problem nennt Bundesminister Mag. Molterer auch Vereinheitlichungen in den Bereichen obligatorische Modulation und Be­triebsmittelrecht. Gleichzeitig sei mehr regionale Flexibilität für die Anwendung des Konzepts der ländlichen Entwicklung erforderlich. Österreich wolle seine Programme selbst gestalten können, um genau auf die bestehenden Bedürfnisse eingehen zu können.

Über eine Kostenabschätzung und den Reformbedarf für die Zeit nach 2006 lasse sich derzeit wenig sagen, weil viele Parameter noch unbestimmt seien, zum Beispiel das Ergebnis der WTO-Verhandlungsrunde in Doha oder die künftige Agrarpolitik der USA, welche derzeit offensichtlich einer völligen Veränderung unterzogen werde, worauf die europäische Seite zu reagieren haben werde. Weitere Einflussfaktoren seien die Entwicklungen in den neuen EU-Mitgliedstaaten, die Dollar-Euro-Parität und die künftigen Marktentwicklungen. Als Nettozahler verfolge Österreich das Ziel, die Politik der Europäischen Union finanzierbar zu erhalten, und dafür reiche eine isolierte Betrachtung der Agrarpolitik nicht aus, sondern dazu müsse etwa auch die Strukturpolitik einbezogen werden.

In Bezug auf das Bio-Aktionsprogramm könne eine sehr erfolgreiche Umsetzung festgestellt werden. Derzeit werde die nächste Enquete vorbereitet, und zwar mit dem aktuellen Schwer­punkt der Saatgutproduktion. Im Biobereich lasse sich jetzt nach einer schwierigen Phase wieder eine Trendwende nach oben erkennen, insbesondere die Anzahl der Biobetriebe in den Ackerbauregionen sei im Steigen begriffen.

Auch die zuletzt von Abgeordnetem Gradwohl angesprochene Studie werde in die Überlegun­gen einbezogen werden. Derzeit werde an den Stellungnahmen dazu gearbeitet, diskutiert werde darüber in der Paragraph-7-Kommission, und nach Abschluss dieser Arbeiten werde diese Studie auch veröffentlicht werden. Bundesminister Mag. Molterer zeigt sich dankbar für das Lob, das der österreichischen Agrarpolitik ausgesprochen worden ist.

Bezüglich Exporterstattung stellt Bundesminister Mag. Molterer fest, er teile die Einschätzung von Abgeordnetem Dipl.-Ing. Pirklhuber, dass eine Weiterentwicklung erforderlich ist. Er könne jedoch der Ansicht nicht zustimmen, dass der Wegfall der Exporterstattung den Entwicklungs­ländern helfen würde, sondern da müsse eher das Gegenteil befürchtet werden. Auch von Seiten der Entwicklungshilfeorganisationen werde dieses Problem sehr distanziert und differen­ziert betrachtet.

Was die Position der USA angeht, stelle die dortige Entscheidung, nunmehr 70 Milliarden Dollar für Agrarsubventionen auszugeben, eine völlige Trendwende dar. Auf diese Weise verliere die amerikanische Seite schrittweise die Berechtigung, als großer Liberalist und Kämpfer gegen die Europäische Union aufzutreten. Die Europäische Union werde sehr selbstbewusst in diese Ver­handlungen eintreten. Ob davon auch eine Diskussion über das Blair-House-Agreement um­fasst sein werde, könne aus heutiger Sicht noch nicht beurteilt werden. Eine entsprechende Veränderung der Voraussetzungen für den Anbau von Eiweißpflanzen erachtet Bundesminister Mag. Molterer als eine große Zukunftsperspektive für Europa und für Österreich. Daher sei Österreich sehr darum bemüht, in Zusammenarbeit mit Frankreich und anderen Ländern durch ein Memorandum betreffend eine europäische Strategie für die Eiweißproduktion die Euro­päische Kommission von der Richtigkeit dieser Argumente zu überzeugen.

Hinsichtlich der von Abgeordnetem Blasisker angesprochenen Einsparungen antwortet Bundes­minister Mag. Molterer, eine entsprechende Perspektive sei in der Senkung der Kosten in der ersten Säule, Abteilung Export, Exporterstattung, Intervention gegeben. In der Verwaltung sollten massive Kostenreduktionen durch Vereinfachungen möglich sein. Es sei denkbar, dass die Größenstaffelung jenen Spielraum bieten könnte, der eine Perspektive zur Umschichtung in die zweite Säule ermöglichen würde.

Obmann Dr. Werner Fasslabend schließt die Debatte und bringt die beiden Anträge auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG zur Abstimmung.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Einem, Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Der Antrag des Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber betreffend Zwischenbewertung der Agen­da 2000 (mid-term review) (50482/EU XXI. GP, 51307), Erweiterung und Landwirtschaft – Dis­kussionspapier der Kommission (51307) bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Obmann Dr. Fasslabend dankt den Sitzungsteilnehmern, insbesondere Bundesminister Mag. Molterer, und schließt die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 9.35 Uhr

 

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