V-11 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des
Ständigen Unterausschusses des
Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Mittwoch, 26. Juni 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Ständigen
Unterausschusses des
Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode                   Mittwoch, 26. Juni 2002

Tagesordnung

1. KOM (02) 17 endg.

Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung der Umwelt

(50038/EU XXI. GP)

2. KOM (01) 309 endg. ADD 1

Achtzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2000)

Vorwort/Zur Lage in den einzelnen Bereichen

(37151/EU XXI. GP)

3. KOM (02) 27 endg.

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und So­zial­ausschuss und den Ausschuss der Regionen

Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

(49203/EU XXI. GP)

4. KOM (02) 81 endg.

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und So­zial­­ausschuss und den Ausschuss der Regionen

Antworten auf die Herausforderungen der Glo­ba­­lisierung: Eine Studie über das internationale Währungs- und Finanzsystem und die Ent­wicklungsfinanzierung

(52807/EU XXI. GP)

5. SON DS 225/00 REV 3

Dienstleistungsverhandlungen

Overall Approach to Services Negotiations

(23190/EU XXI. GP)

Beginn der Sitzung: 13.39 Uhr

Obmann Dr. Werner Fasslabend eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbeson­de­re Bundesminister Mag. Molterer, und verweist auf eine zwischen den Parlamentsklubs getroffe­ne Vereinbarung über Redezeiten im Ausmaß von 2 „Wiener Stunden“ für die Tagesordnungs­punkte 1 bis 3 sowie jeweils 1 „Wiener Stunde“ für die Tagesordnungspunkte 4 und 5.

Einvernehmen sei auch darüber hergestellt worden, im Zusammenhang mit dem Tagesord­nungs­­punkt 2 die Umsetzung folgender Richtlinien zu behandeln: Ozon-Richtlinie und Groß­feuerungs­anlagen-Richtlinie, Schutzgebietsausweisung und konkrete Verletzungen der Richtlinien durch Vorhaben sowie Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltver­schmut­zung – Gefahrenabwehr.

Von Bundesminister Mag. Molterer sei die Frage gestellt worden, ob überhaupt noch dieser Stän­­dige Unterausschuss des Hauptausschusses das zuständige Organ sei, wenn es um die Um­setzung einer Richtlinie geht, und nicht bereits der Fachausschuss, der die Vorbereitung einer Gesetzesmaterie zu verfolgen hat. Darüber eine Diskussion abzuhalten, werde jetzt nicht mög­lich sein. Stattdessen sollten in den Klubs grundsätzliche Überlegungen im Hinblick auf die entsprechende Schnittstelle angestellt werden.

Obmann Dr. Fasslabend schlägt vor, die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 unter einem zu verhan­deln.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) wendet ein, eine solche Zusammenziehung wäre verhand­lungstechnisch problematisch.

Obmann Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass diesem Einwand entsprochen wird und die Tagesordnungspunkte nacheinander verhandelt werden.

Generell hält Obmann Dr. Fasslabend fest, dass diese Sitzung des Ständigen Unterausschus­ses öffentlich ist.

1. Punkt

KOM (02) 17 endg.

Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Par­la­ments und des Rates über Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umwelt­schäden und die Sanierung der Umwelt

(50038/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend erteilt Bundesminister Mag. Molterer zu einer einleitenden Stellungnahme das Wort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer führt aus, die Frage der rechtlichen Regelungen zur Umwelthaftung sei von lang­fristiger Bedeutung für eine umfassende Konzeption moderner Umweltpolitik. Aus diesem Grund habe die Europäische Kommission nach langen Vorarbeiten am 23. Jänner 2002 dem Euro­päischen Rat und dem Europäischen Parlament einen Entwurf für eine Umwelthaftungs­richt­linie vorgelegt. Grundsätzlich erachte Österreich diesen Entwurf für positiv, weil er eine recht­li­che Grundlage für die Vermeidung von Umweltschäden und, im Fall bestehender Umwelt­schäden, für die Wiederherstellung der Umwelt durch Sanierung darstelle.

Von diesem Richtlinienentwurf nicht erfasst seien klassische Schäden betreffend Gesundheit, Le­ben und Eigentum. Der Entwurf beziehe sich vielmehr auf potenzielle und aktuelle Umwelt­schä­den, die durch berufliche Tätigkeit verursacht werden, beispielsweise Verschmutzung des Wassers, Verschmutzung des Bodens und Schädigung der biologischen Vielfalt. Darin gehe es um eine verschuldensunabhängige Haftung für bestimmte umweltgefährdende Tätigkeiten und um verschuldensabhängige Tätigkeiten, welche Schädigungen der biologischen Vielfalt hervor­ru­fen.

Vor der Festlegung der weiteren Vorgangsweise müssten nun erst einige zentrale Diskussions­punkte geklärt werden. Dazu gehöre erstens die Frage, auf welche Weise das Verursacher­prinzip sichergestellt werden könnte. Aus österreichischer Sicht sollte auch im Bereich der Um­welt­haftung das Verursacherprinzip gelten. Die Behörden sollten dabei, wenn überhaupt, aus­schließ­lich subsidiär tätig werden, damit nicht über eine Art Staatshaftung das Verursacher­prin­zip ausgehöhlt werden könnte. In dieser schwierigen Frage werde es darauf ankommen, die richtige Balance zu finden. Entsprechend dem österreichischen Rechtsinstrumentarium setze die Tätigkeit der Behörde dann ein, wenn Leib und Leben gefährdet sind. Es bestehe eine Re­gress­möglichkeit, um sich am Verursacher schadlos zu halten. Nur dann, wenn der Verursacher ent­weder nicht feststehe oder nicht mehr herangezogen werden könne, trete subsidiär der Staat in die Verpflichtung ein. Der bisherige Vorschlag der Kommission gehe aus österreichischer Sicht zu weit in Richtung einer Staatshaftung, de facto käme es entgegen dem Vorsorgeprinzip zu einer Übernahme der Haftung durch den Staat. In den zuletzt vorgelegten Kompromiss­vor­schlägen zeige sich zwar eine Tendenz in die richtige Richtung, aber noch nicht in hinrei­chen­dem Ausmaß.

Das zweite große Thema sei die Deckungsvorsorge, wodurch festgelegt werde, dass ein Unter­neh­men selbst Vorsorge für Schäden zu treffen hat. Österreich habe der Idee einer freiwilligen Deckungsvorsorge nicht zustimmen können, sondern sei immer für eine verpflichtende Vorsor­ge eingetreten. Der jetzige Kompromissvorschlag der Präsidentschaft sehe auch eine verpflich­ten­de Deckungsvorsorge vor.

Bundesminister Mag. Molterer bezeichnet es als den sinnvolleren Weg, eine Versicherungs­pflicht einzuführen. Allerdings werde noch die Frage zu klären sein, nach welchen Kriterien ein Scha­den festgestellt wird und wie die Schadensbemessung zu erfolgen hat.

Ein neues Thema zeige sich in der Frage der Feststellung von Schäden an der Biodiversität. Dem­­gegen­über seien zum Beispiel Schäden, die das Wasser betreffen, relativ einfach feststell­bar, weil dabei entweder jemand in der Nutzung eingeschränkt werde oder weil Kosten in der Sa­nie­rung entstehen. Ähnliches gelte in Bezug auf den Boden, auch da bestehe Klarheit über die Kosten der Sanierung und Wiederherstellung. Es werde nun darauf ankommen, auch Schä­den an der Biodiversität feststellbar zu machen, um europaweit gleiche Regelungen schaffen zu kön­nen.

Eine weitere Frage stelle sich in Bezug auf die Definition von Haftungsausnahmen im Zusam­men­hang mit dem Normalbetrieb beziehungsweise dem genehmigten Betrieb. Aus österreichi­scher Sicht würde eine generelle Ausnahme für alle genehmigten Anlagen zu weit gehen. Statt­dessen sollten Ausnahmen auf jene Anlagen beschränkt werden, bei denen schon die Geneh­mi­gung in Entsprechung zu Umweltschutzzielen steht, also bereits in der Genehmigung die Ziel­setzung des Schutzes ausdrücklich enthalten ist. Dieses Problem müsse auch deshalb gelöst wer­den, weil dies von zentraler Bedeutung für den Vertrauensschutz sei. Was die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft betrifft, vertrete Österreich die Auffassung, dass ein Betrieb, der sich der guten landwirtschaftlichen Praxis unterwirft, vom Haftungsrisiko ausgenommen sein sollte.

Eine andere wichtige Frage beziehe sich auf die Nuklearanlagen. Eine Umwelthaftung wie in dem jetzt vorliegenden Entwurf, ohne Einbeziehung der Nuklearanlagen, sei aus österreichi­scher Sicht unzureichend, weil solche Anlagen auch potenzielle Risiken für die Biodiversität be­deuten. Die Europäische Kommission habe den Verzicht auf die Einbeziehung von Nuklearan­la­gen damit begründet, dass für deren Haftung andere Verträge und Rechtsinstrumentarien Gül­tig­keit hätten.

Bundesminister Mag. Molterer erachtet diese Regelungen für unzureichend, weil manche Ver­trä­ge nicht von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden und weil die bereits bestehenden Haftungen bei weitem nicht ausreichend dafür seien, das volle Risiko abzudecken.

Eine vierte Fragestellung im Zusammenhang mit der Umwelthaftung beziehe sich darauf, wel­che Bestimmungen betreffend Gentechnik optimal sind, insbesondere hinsichtlich der Anwen­dung gentechnisch veränderter Organismen in geschlossenen Systemen sowie der Freisetzung und des Inverkehrbringens solcher Organismen.

Was die weitere Vorgangsweise betrifft, weist Bundesminister Mag. Molterer auf eine am Vortag ab­gehaltene Orientierungsdebatte der Umweltminister hin. Bisher noch ausständig sei eine erste Lesung des Richtlinienentwurfs im Europäischen Parlament. Zwar werde eine endgültige Ent­scheidung während der laufenden dänischen Präsidentschaft angestrebt, aber der Diskus­sions­bedarf sei noch sehr groß.

Die österreichische Position werde auch in diesem Fall in enger Zusammenarbeit mit allen be­trof­fe­nen Ministerien, den Sozialpartnern, den Bundesländern und anderen involvierten Stellen erar­beitet werden. Es werde zu keiner Verschlechterung der derzeitigen Rechtslage kommen, weil die EU-Haftungsrichtlinie als Mindeststandard für die Europäische Union aufzufassen sei.

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ) begründet die Aufnahme dieses Punktes in die Tages­ord­nung damit, dass der vorliegende Entwurf zur Haftungsrichtlinie aus Sicht der SPÖ Anlass zur Sorge gebe. Besorgt sei die SPÖ insbesondere deshalb, weil die Gentechnik nur am Rande vor­komme und die Atomtechnik völlig ausgeklammert sei, obwohl vor allem für diese zwei Risi­ko­technologien strenge Haftungsregelungen wichtig wären. Angesichts derart gravierender Aus­nahmen stelle sich die Frage nach dem Sinn dieser Richtlinie.

Die von Bundesminister Mag. Molterer angesprochene Deckungsvorsorge werde auch von der SPÖ für wichtig erachtet. Ein Problem bestehe darin, dass diese Richtlinie nur für Naturschutz­ge­­biete Gültigkeit habe, sodass im Fall Österreichs nur ungefähr 15 Prozent des Gebietes er­fasst wären. Was die Erheblichkeit von Gewässerverschmutzung betrifft, seien die vorge­sehe­nen Schwellenwerte nicht erklärbar, und in puncto Bodenverschmutzung sei zu bemän­geln, dass Ersatzpflichten nur dann ausgelöst werden, wenn die Bodenkontamination tatsächli­che Ge­sundheitsgefährdungen mit sich bringe. In diesem Entwurf seien die Bereiche Luft und Lärm zum größten Teil nicht erfasst. All diese Einschränkungen würden in die falsche Richtung gehen.

Die SPÖ habe sich nach den langen Diskussionen über Grünbuch und Weißbuch nun Hoffnun­gen auf eine fundierte Lösung gemacht, doch sei der Kommissionsvorschlag sehr „dünn“ gera­ten, und es bestehe die massive Gefahr einer weiteren Nivellierung nach unten. Daher bringe die SPÖ einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG betreffend den Vor­schlag einer EU-Richtlinie zur Umwelthaftung ein, um zu erreichen, dass Österreich diesem Richt­linienentwurf nicht zustimmt, wenn nicht zufrieden stellende Änderungen in mehreren Punkten erreicht werden, unter anderem hinsichtlich der Haftung für oder der Sanierung von Um­weltschäden, der Deckungsvorsorge, der Gentechnik und der Atomkraftwerke. Ohne zufrie­den stellende Lösungen in diesen Punkten bestünde die Gefahr eines Rückfalls hinter Standards, wie sie in Österreich teilweise schon Gültigkeit hätten.

Abgeordnete Mag. Sima fragt, ob Österreich auf eine Ablehnung dieses Entwurfs und einen neuen Vorschlag oder auf Nachbesserungen in einzelnen Punkten dringen werde. Bundes­mi­nis­ter Mag. Molterer möge auch Auskunft darüber geben, ob Österreich die in dem Richtlinien­ent­wurf vorgesehenen Haftungsbefreiungen bei Genehmigungen im Normalbetrieb unterstützen wolle. Solche Befreiungen würden alles in Frage stellen, was bisher die Haftungsbestimmungen aus­gemacht habe.

Obmann Dr. Werner Fasslabend stellt fest, er werde den von Abgeordneter Mag. Sima einge­brachten Antrag zunächst noch überprüfen, bevor er ihn zur Diskussion stellt.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) weist darauf hin, dass in Österreich seit 1985 dar­über debattiert werde, ob ein Umwelthaftungsgesetz nötig sei. Mindestens dreimal seien Ent­würfe dafür vorgelegen, es sei aber zu keiner Beschlussfassung gekommen. Die Grundidee zur Umwelthaftung bestehe darin – dies finde in dem EU-Entwurf nun keine Berücksich­ti­gung –, das private Schadenersatzrecht von Privaten zu Privaten auszuweiten und die Umweltschäden mit einzubeziehen. Heute hätten Umweltvergehen noch immer einen Status wie Zechprellerei, letztlich sei dafür niemand verantwortlich.

Würde nunmehr dieser Richtlinienentwurf umgesetzt werden, so würde die Sanierungspflicht weit­gehend dem Staat auferlegt werden. Somit handle es sich dabei um einen Etikettenschwin­del, welcher mit Umwelthaftung im Sinn der Diskussionen in Österreich nichts zu tun habe, näm­lich um eine reine Umweltsanierungsrichtlinie mit einer sehr weitgehenden Staatsver­pflich­tung, die eine Schieflage zwischen den Unternehmen, die – auch mit genehmigten Tätigkeiten – Risiken hervorrufen, und der Allgemeinheit bewirke.

Angesichts des engen Anwendungsbereichs und der vielen Einschränkungen stelle sich die Fra­­ge, ob es überhaupt noch sinnvoll wäre, dieses Vorhaben weiterzuverfolgen, wie auch die Um­welt­juristin Gimpel-Hinteregger, die maßgebliche Expertin für Umwelthaftung in Österreich schlecht­hin, festgestellt habe. Würde nämlich, entsprechend diesem Richtlinienentwurf, unter Um­welthaftung künftig nur noch eine Sanierungsvorsorge verstanden werden, die etwa das Ent­wick­lungsrisiko und weitere zentrale Fragen ausklammere, so wäre damit auch die Debatte über eine echte Umwelthaftung beendet. Dieses Defizit spreche dafür, einen derart einge­schränk­ten Ansatz grundsätzlich abzulehnen.

Vor diesem Hintergrund sei die von Bundesminister Mag. Molterer vorgenommene, grund­sätz­lich positive Bewertung in Zweifel zu ziehen. Es würden sich bei einer solchen Richtlinie im Zu­ge der Umsetzung in österreichisches Recht einige Schwierigkeiten zum Beispiel im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen der privaten oder der öffentlichen Verantwortlichkeit für Umwelt­schäden ergeben. Im Wesentlichen käme es dadurch zu einer starken Verlagerung der Verant­wor­tung zum Staat und zur Allgemeinheit. So sei etwa nicht nachvollziehbar, warum das Ent­wicklungs­risiko im Zusammenhang mit einer Risikotechnologie wie der Gentechnik zu 100 Pro­zent auf die Allgemeinheit übertragen werde.

Es müsse daher nun ein starkes Zeichen gegen die in diesem Entwurf zum Ausdruck kommen­de Vorgangsweise gesetzt werden. In diesem Sinn werde der von Abgeordneter Mag. Sima eingebrachte Antrag auf Stellungnahme auch von den Grünen unterstützt.

Abgeordnete Dr. Glawischnig ersucht Bundesminister Mag. Molterer darum, darüber Auskunft ge­ben, ob sich Österreich für einen neuen Anlauf zu einer Umwelthaftungsrichtlinie auf euro­päischer Ebene einsetzen werde und ob im Übrigen nun auch die Arbeiten an einem zivilrechtli­chen österreichischen Umwelthaftungsgesetz wieder aufgenommen werden.

Nach Ansicht von Abgeordnetem Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche) enthält dieser Umwelt­haf­tungs-Richtlinienentwurf viele Probleme und Mängel, daher sei Österreich nicht damit zufrie­den. Da dies auch schon von Bundesminister Mag. Molterer hervorgehoben wurde, bedürfe es nicht des von der SPÖ und den Grünen eingebrachten Antrags auf Stellungnahme.

Grundsätzlich werde es darauf ankommen, die Diskussion über dieses Thema weiterzuführen. Ös­ter­reich habe Interesse an der Klärung von Umwelthaftungsfragen auch vor dem Hintergrund der hierzulande bestehenden hohen Standards in diesem Bereich. Allerdings seien die Inter­es­sen sehr unterschiedlich gelagert, da eine Haftung auch die Übernahme von Verantwortung mit sich bringe. In diesem Sinn sei ebenfalls Bundesminister Mag. Molterer in dessen Ablehnung der Tendenz in diesem Richtlinienentwurf, dass in erster Linie der Staat die Haftung zu über­nehmen hätte, zuzustimmen. Stattdessen müssten das Verursacherprinzip und die Versiche­rungs­pflicht zur Anwendung kommen. Überdies werde es auf eine genaue Regelung der Kom­pe­ten­zen für den Vollzug auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene ankommen.

Obmann Dr. Werner Fasslabend gibt bekannt, dass der von Abgeordneter Mag. Sima einge­brach­te Antrag auf Stellungnahme ordnungsgemäß eingebracht ist und mit zur Diskussion steht.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) verweist auf die Ankündigung im Weiß­buch 2000 der Europäischen Kommission, dass bis 2003 eine EU-Rechtsvorschrift über die ver­schul­densunabhängige Umwelthaftung vorgelegt und bearbeitet werden soll. Es handle sich da­bei um einen ersten Versuch, für alle Mitgliedstaaten Umwelthaftungsregelungen nach dem Ver­­ur­sacherprinzip einzuführen. Österreich sei in seiner Umweltgesetzgebung bereits einen Schritt weiter als die Europäische Union. Schon in den Beitrittsverhandlungen sei davon die Re­de gewesen, dass Österreich für eine bestimmte Zeit seine Standards werde halten können, und zwar in der Hoffnung, dass andere Mitgliedstaaten oder die EU insgesamt nachziehen wür­den.

Was den von Abgeordneter Mag. Sima eingebrachten Antrag betrifft, würde es durch den Ver­such, die darin geforderte Deckungsvorsorge für Atomkraftwerke durchzusetzen, nur zu einer wei­te­ren Verzögerung einer Regelung zur Umwelthaftung kommen, weil maßgebliche EU-Mit­gliedstaaten wie Deutschland, Frankreich oder auch Finnland eine solche Deckungsvorsorge zu ver­hindern versuchen würden. Besser wäre es im Sinn der besonders umweltbewussten Länder wie Österreich, überhaupt einmal eine Haftungsregelung für alle jetzigen und künftigen Mitglied­staaten zu erreichen.

Mit Bezug auf die bereits im Rahmen von „Natura 2000“ ausgewiesenen Gebiete im Ausmaß von 16 Prozent des österreichischen Staatsgebietes appelliert Abgeordneter Schwarzenberger an Bundesminister Mag. Molterer, im Sinn der Rechtssicherheit für die betroffenen Grund­be­sitzer dafür zu sorgen, dass eine ordentliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung dieser Gebiete nicht verhindert wird und dass Bauern nicht zur Haftung herangezogen werden können, wenn es im Zuge der ordentlichen Bewirtschaftung aus nicht beeinflussbaren Gründen zu Umwelt­schäden kommt.

Österreich verfüge bereits über einen hohen Standard im Umweltschutz. Daher müsse nun die­se einheitliche europäische Richtlinie über Umwelthaftung auch im Hinblick darauf zustande kom­men, dass die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Produkte auf dem Binnenmarkt ge­wahrt bleibt.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ) antwortet Abgeordnetem Schwarzenberger, wenn er tatsächlich die soeben geäußerte Auffassung vertrete, so bringe er damit auch sein Ein­ver­ständnis zum Ausdruck, den Geltungsbereich der Umwelthaftungsrichtlinie auf die im jetzigen Entwurf vorgesehenen Flächen zu beschränken. Aus österreichischer Sicht wäre aber eine Ausweitung dringend erforderlich.

Abgeordnete Mag. Prammer fragt Bundesminister Mag. Molterer, ob – wie es in anderen Fach­be­reichen bereits geschehen sei – auch in diesem Fall die Möglichkeit bestehen werde, sicher­zu­­stellen, dass es durch die Beschlussfassung über eine neue Richtlinie oder eine Richtlinien­än­de­rung nicht zu einer Verschlechterung national bereits bestehender höherer Normen kom­men darf, und ob ein Schutz gegen die Herabsetzung von Normen einklagbar gemacht werden könnte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer stellt fest, es werde seiner Ansicht nach hier im Ausschuss von allen Fraktionen eine gemeinsame Einschätzung betreffend Nuklearenergie und Gentechnik vertreten.

Was die von Abgeordneter Mag. Sima angesprochene Abklärung betrifft, vertrete Österreich die Meinung, dass die klassischen Schäden im Bereich Gesundheit und Leben sowie im Bereich Eigen­tum bisher und auch in Zukunft durch die jeweiligen zivilrechtlichen Regelungen auf natio­na­ler Ebene abgedeckt sind. Es wäre falsch, für die neue Richtlinie einen allumfassenden An­satz zu suchen, und zwar auch deshalb, weil dies dann logischerweise den Startschuss für eine Diskus­sion über die Harmonisierung der jeweiligen zivilrechtlichen Regelungen in den Mitglied­staaten, also die einzelnen Zivilrechte, bedeuten würde. Eine Regelung werde benötigt im Be­reich der klassischen Umwelthaftungen, betreffend etwa die Umweltmedien Boden und Wasser, so­wie hinsichtlich der Biodiversität, ergänzt um auszubauende Anwendungsbereiche in der Gen­technik und um neu einzubringende Anwendungsbereiche in Bezug auf die Atomenergie. Wür­de aber damit eine zivilrechtliche Harmonisierung einhergehen, so wären dafür wiederum jahrelange Diskussionen erforderlich.

Vor diesem Hintergrund sei es jetzt der richtige Ansatz, mit dieser Umweltrichtlinie einen Ergän­zungs­schritt zu setzen. Allerdings sei der jetzige Vorschlag der Europäischen Kommission noch nicht für tauglich zu erachten. Es müsse aber beachtet werden, dass mit dieser Richtlinie nicht die Antwort auf alle mit diesem Themenbereich verbundenen Fragen zu finden sein wird.

Österreich werde versuchen, seine Interessen in den Verhandlungen im Rat und im Euro­päischen Parlament durchzusetzen, und werde seine Zustimmung zu dieser Richtlinie davon ab­­hän­gig machen, welches Ergebnis im Verlauf dieses Prozesses erreicht wird. Nicht richtig wä­re es, diesen Versuch gänzlich abzulehnen, weil auf eine neuerliche Initiative wieder jahre­lang gewartet werden müsste.

Was die Frage der Haftung im Normalbetrieb angeht, sollte die Haftungsbefreiung im Fall von Schä­den nur dann gelten, wenn die Genehmigung inhaltlich bereits darauf abgezielt habe, die Um­­weltmedien zu schützen. Der Vorschlag der Kommission, wonach jegliche Genehmigung einer Anlage zur Haftungsbefreiung führen würde, gehe aus österreichischer Sicht zu weit, weil eben davon auch Genehmigungstatbestände erfasst wären, die keinerlei Schutzziel in Richtung von Umweltmedien verfolgt haben.

Was die Sanierungspflicht betrifft, gibt Bundesminister Mag. Molterer seinen Vorrednern darin Recht, dass durch die Umwelthaftungsrichtlinie das Verursacherprinzip nicht ausgehöhlt werden darf. Auch in diesem Punkt sei der Kommissionsvorschlag nicht tauglich. Er sei nämlich so un­klar formuliert, dass daraus de facto eine Subsidiärhaftung des Staates entstünde. Daher seien alle Mitgliedstaaten intensiv darum bemüht, in diesem Punkt eine Veränderung zu errei­chen.

Was die innerösterreichische Umsetzung dieser Richtlinie im Zivilrecht betrifft, werde dafür nicht der Umweltminister zuständig sein. Die Frage der Abgrenzung zwischen einer EU-Umwelthaf­tungs­richtlinie und dem nationalen Haftungsrecht sowie Zivilrecht falle in den Kompetenzbereich des Justizministers beziehungsweise des Justizausschusses.

Das Umweltministerium werde versuchen, die offenen Fragen zu klären, um aus dem vorliegen­den Richtlinienentwurf, der in der vorliegenden Form noch nicht entsprechen könne, eine Richt­linie zu machen, wie sie richtig und notwendig wäre. Diese EU-Richtlinie werde einen Mindest­standard darstellen, der Österreich jede Möglichkeit offen lasse, in der nationalen Zivilrechts­ge­setz­gebung oder auch im Umweltstrafrecht andere Bestimmungen festzulegen. Dabei sei auch zu beachten, dass in Österreich im Zivilrecht keinerlei Gebietsbeschränkungen bestehen, was die Frage der Schäden für Leib und Leben betrifft, sondern grundsätzlich die Anwendung auf das gesamte Staatsgebiet vorgesehen ist.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) antwortet, Bundesminister Mag. Molterer habe sich jetzt widersprüchlich geäußert. Gerade der von ihm genannte Grund, das Zivilrecht europa­weit zu vereinheitlichen, sei auch im Weißbuch zur Umwelthaftung angeführt worden. Diese Vor­aus­setzung sei überdies das einzig nachvollziehbare Argument dafür gewesen, dass in Österreich jene Vorarbeiten nicht weiterverfolgt wurden, mit denen die Ausweitung der zivilen Um­welthaftung zu einem österreichischen Umwelthaftungsgesetz angestrebt wurde. Von dieser Betrachtungsweise sei im Zuge der Ausarbeitung des Entwurfs erst am Schluss um 180 Grad ab­gerückt worden.

Abgeordnete Dr. Glawischnig wiederholt ihre Frage, ob das österreichische Vorhaben zur Aus­wei­tung des klassischen Haftungsrechts, das bereits seit 1985 diskutiert wurde, wieder aufge­nom­men werden wird.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer stimmt Abgeordneter Dr. Glawischnig in dem Punkt zu, dass der Inhalt des Weiß­buchs vom Richtlinienentwurf abweicht. Aber von ihm könne nicht verlangt werden, die Ver­ant­wortung für Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission zu übernehmen. Die zu­stän­dige Kommissarin selbst habe bei der Präsentation des Vorschlags auf die lange Dauer der Zivilrechtsharmonisierung hingewiesen und zur Vermeidung weiterer Verzögerungen diesen Richt­linienentwurf vorgelegt, der sich nunmehr auf die Verschmutzung des Wassers und des Bodens sowie auf die Schädigung der Biodiversität bezieht. Aus österreichischer Sicht werde darin auf gentechnisch veränderte Organismen nicht hinreichend eingegangen, und unzu­reichend sei dieser Vorschlag auch deshalb, weil Nuklearanlagen nicht einbezogen sind.

Bundesminister Mag. Molterer empfiehlt, die Frage der Umsetzung auch mit dem Bundesminis­ter für Justiz zu diskutieren, da eine allumfassende Zuständigkeit des Umweltministers nicht ge­ge­ben sei. In der jetzigen Lage sei es ratsam, den europäischen Weg zu gehen und das Beste für Österreich aus der Richtlinie zu machen. Deren Entwurf entspreche aber derzeit noch nicht den österreichischen Anforderungen.

Obmann Dr. Werner Fasslabend schließt die Debatte zu diesem Punkt und lässt die Abstim­mung über den Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig und KollegInnen betreffend den Vorschlag einer EU-Richtlinie zur Umwelthaftung (50038/EU XXI. GP) vornehmen.

Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

2. Punkt

KOM (01) 309 endg. ADD 1

Achtzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2000)

Vorwort/Zur Lage in den einzelnen Bereichen

(37151/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend erteilt wiederum Bundesminister Mag. Molterer das Wort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer äußert sich zufrieden über den vorliegenden Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts sei nicht nur an sich wichtig, sondern darin komme auch das Ausmaß der Verwirklichung eines vereinten Europas im Sinn der Gleichbehandlung der europäischen Bürger und der hier unternehmerisch täti­gen Menschen zum Ausdruck.

Er weist auf einen Druckfehler auf Seite 12 dieses Berichtes hin; statt der zweimaligen Datums­angabe „31. 12. 2000“ hätte es einmal, nämlich in der letzten Spalte, „31. 12. 1999“ heißen müssen.

In diesem Überblick über die Gesamtsituation in der Europäischen Union habe Österreich ein gu­tes Zeugnis ausgestellt bekommen. Hierzulande sei bereits ein Umsetzungsgrad von 96,6 Pro­zent der Richtlinien erreicht worden. Auch eine Steigerung dieses Prozentsatzes sei zu vermerken. Überdies sei Österreich im Umweltbereich kein einziges Mal verurteilt worden.

Was die politische Einschätzung betrifft, stellt Bundesminister Mag. Molterer gegenüber Abge­ord­­neter Dr. Glawischnig ausdrücklich fest, es sei legitim, dass ein Mitgliedstaat und die Euro­päische Kommission unterschiedliche Rechtsauffassungen haben. Es gebe ja in der Euro­päischen Union eigene Verfahren, die dazu dienen, offene Rechtseinschätzungen jeweils einer Klä­rung zuzuführen. Der Vorwurf, den auch die Grünen erhoben hätten, dass die österrei­chi­sche Bundesregierung nur „mit Asche auf dem Haupt“ in den europäischen Gremien die öster­rei­­chischen Positionen vertrete, sei falsch. Vielmehr würden diese Positionen mit Selbstbe­wusst­sein vertreten werden, und daher komme es manchmal auch zu unterschiedlichen Auffas­sungen gegenüber der europäischen Seite.

Was den Umweltbereich betrifft, seien derzeit 60 Vertragsverletzungsverfahren gegen Öster­reich anhängig. In 15 Fällen sei es bereits zur Verfahrenseinstellung gekommen. Auf inoffiziel­lem Weg sei zu erfahren gewesen, dass die Europäische Kommission bereits daran arbeitet, auch einige der jetzt laufenden Verfahren wieder einzustellen.

In dem vorliegenden Jahresbericht finde Österreich positive Erwähnung zum Beispiel im Zu­sam­menhang mit der Abfallwirtschaft. Kein anderer Mitgliedstaat sonst verfüge bereits über eine systematische Abfallwirtschaftsplanung und einen entsprechenden Plan. Einen eigenen Beitrag dazu habe Österreich auch mit der EU-Tagung „Implementation and Enforcement of Environmental Law“ im Oktober 2000 in Villach geleistet.

Nicht klar zum Ausdruck komme in dem Jahresbericht die sehr unterschiedliche Kompetenzlage in Österreich betreffend die Umsetzung von EU-Richtlinien. Diese Unterschiede seien sowohl in Be­zug auf die Zuständigkeit in den einzelnen Fachministerien und Fachausschüssen des Parla­ments als auch hinsichtlich der Bundes- oder Länderverantwortlichkeit vorhanden. Letzteres gel­te insbesondere für die naturschutzrechtliche Umsetzung der Richtlinien. Er bekenne sich aber dazu, als überzeugter Föderalist auch die Verantwortlichkeit der Bundesländer besonders zu schätzen.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) erwidert, dieser Punkt sei nicht deshalb für die Ta­ges­­ordnung beantragt worden, weil es unterschiedliche Auffassungen zum Umweltrecht zwi­schen österreichischen Juristen und EU-Juristen gebe; die Defizite in der Umsetzung von EU-Recht seien nämlich nicht auf Unschärfen, Abgrenzungen und Unterschiede zwischen historisch ge­wachsenen Systemen zurückzuführen, sondern da gehe es um eine in Österreich konkret fest­stellbare Verschleppung von Regelungen, zum Beispiel in Bezug auf die IPPC-Richtlinie und dar­auf, dass richtlinienwidrig bestimmte Massentierhaltungsbetriebe nicht einer Prüfung unter­zogen werden. In dieser Hinsicht werde vorsätzlich nicht der rechtskonforme Zustand herge­stellt.

Nach Auffassung von Abgeordneter Dr. Glawischnig gilt für die Behandlung dieses Themas nicht der von Obmann Dr. Fasslabend am Anfang dieser Sitzung geäußerte Einwand, dafür sei nicht dieser Ständige Unterausschuss, sondern der Fachausschuss zuständig. Ein Vorhaben der Europäischen Union umfasse auch alle Dokumente, etwa Mahnbriefe und Stellungnahmen, die bei Rechtsstreitigkeiten mit einem Mitgliedstaat abzuwickeln sind. Es gehe in einem solchen Fall zum Beispiel auch nicht um die Umsetzung einer Richtlinie im steirischen Naturschutz­gesetz.

Österreich sei der Europäischen Union mit dem Anspruch beigetreten, Vorreiter und Motor der Entwicklung im Umweltbereich zu sein und in wesentlichen Bereichen das Umweltrecht voran­zu­treiben. Diesen Anspruch habe die schwarz-blaue Bundesregierung bereits ein wenig nach unten revidiert. Es sei auch im Zuge der jetzigen Rechtsstreitigkeiten dem österreichischen Ruf in der EU abträglich, dass Niveauverbesserungen im Umweltrecht nicht fristgerecht umgesetzt wer­den. Zwar treffe zu, dass es bisher noch nicht zu einer Verurteilung Österreichs gekommen ist, aber das Zuwarten mit der Umsetzung bis zum letzten Moment sei auch mit einem immen­sen bürokratischen Aufwand verbunden.

Aus Sicht der Grünen komme es darauf an, EU-Umweltrecht dann, wenn es zu einer Verbesse­rung des Niveaus im Umweltschutz führt, rasch und konsequent umzusetzen. Die von Bundes­mi­nis­ter Mag. Molterer angesprochene Kritik, es würden österreichische Positionen von der Bun­­des­re­gierung nicht mit erhobenem Haupt verteidigt werden, beziehe sich auf andere Fälle wie zum Beispiel jenen der Patentierungsrichtlinie. Damit sei Österreich politisch nicht einver­stan­den, sodass alle Instrumente genutzt werden müssten, um darüber neu zu verhandeln.

Abgeordnete Dr. Glawischnig fragt, welche Defizite derzeit bei der Umsetzung der Richtlinien be­­treffend Großanlagen und Industrieanlagen bestehen, warum es zu diesen Versäumnissen ge­kommen sei und ob die Bundesländer daraus Konsequenzen insbesondere hinsichtlich des Natur­schutzes zu ziehen hätten. Es sei kein Ruhmesblatt für Österreich, dass die Vogelschutz­richtlinie derzeit für 45 Prozent der wissenschaftlich als geschützt ausgewiesenen Gebiete noch immer nicht gültig sei, dass bis zu 25 Vogelarten unzureichend geschützt seien, dass falsche Ge­bietsabgrenzungen vorgenommen worden seien und dass es – wie zum Beispiel im Fall des Pfer­de­sportparks Ebreichsdorf durch die Rodung von „Natura 2000“-Wald – zur irreversiblen Ver­nichtung von Umweltgütern komme. Da fehle es an Aktionen der Bundesländer und an ent­spre­chenden rechtlichen Ausweisungen.

Bereits vor zwei Jahren sei im Ausschuss seitens der Bundesregierung versprochen worden, es werde im Zusammenhang mit der IPPC-Richtlinie zu einer Nachfolgeregelung kommen. Bun­des­mi­nis­ter Mag. Molterer möge erklären, warum dies bisher nicht geschehen sei.

In Bezug auf die Ozon-Richtlinie spricht sich Abgeordnete Dr. Glawischnig dafür aus, dem Ein-Stun­den-Mittelwert im Sinn eines besseren Schutzes für die Bevölkerung den Vorzug vor dem Drei-Stunden-Mittelwert zu geben.

Für Österreich als ein Land, das sich selbst als Umwelt-Musterland beschreibe, sei es nicht an­ge­bracht, in so vielen Bereichen der Umsetzung von Umweltrecht Streitigkeiten mit der Euro­päischen Union anhängig zu haben.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) weist am Beispiel des Streites über das Lau­teracher Ried darauf hin, dass Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse zwischen der Europäischen Union und einem Mitgliedstaat auch auf unzutreffende Berichte zurückzu­füh­ren sein können. Grundsätzlich würden in neuen Naturschutzverfahren auch die Richtlinien und Vorschriften der EU-Kommission mit berücksichtigt werden. An dem Fall des Lauteracher Rie­des als Beispiel für eine nicht erfüllte Umsetzung zeige sich, dass es darauf ankomme, jeden Vor­wurf im Einzelnen zu prüfen, um feststellen zu können, in welcher Hinsicht die Miss­ver­ständ­nisse in Brüssel entstanden sind. Das Bundesland Vorarlberg habe jedenfalls ein gutes Ge­wissen, was die Angelegenheit Lauteracher Ried betrifft. Berichte, die von verschiedenen Grup­pen verfasst und nach Brüssel gesandt wurden, hätten konkret zu Missverständnissen geführt.

Daran zeige sich, dass es falsch wäre, ganz global von Mahnschreiben und Vertragsver­letzungs­verfahren zu reden. Es komme darauf an, objektiv festzustellen, was tatsächlich ge­schehen ist, beide betroffenen Seiten anzuhören und nicht bloß auf Grund eines Verdachtes oder eines Berichtes von irgendeiner Seite zu urteilen.

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ) hebt hervor, es seien noch sehr viele grundsätzliche Richt­linien in Österreich nicht umgesetzt worden. Im Gegensatz zu den Ausführungen von Ab­ge­ordnetem Dr. Feurstein werde in Brüssel keineswegs bloß auf Grund eines Berichtes ein Mahnschreiben verfasst oder ein Verfahren eingeleitet, sondern solchen Schritten gehe eine strenge Prüfung unter Einbeziehung von Gutachten voran.

Mit Bezug darauf, dass in Österreich die Kompetenzen im naturschutzrechtlichen Bereich bei den Bundesländern liegen – daraus ergäben sich unterschiedliche Standards hinsichtlich der Um­setzung von Richtlinien –, fragt Abgeordnete Mag. Sima, welche Konsequenzen Bundes­mi­nister Mag. Molterer aus diesem Sachverhalt ziehen werde und ob er trotz seiner Vorbehalte die For­derung nach einem bundeseinheitlichen Naturschutzrahmengesetz nunmehr aufgreifen wolle, nachdem die unterschiedlichen und uneinheitlichen Vorgangsweisen in den einzelnen Bun­des­ländern zu permanenten Vertragsverletzungsverfahren geführt hätten. Diese Unter­schied­lich­keit sei auch im Zuge der Meldung von Gebietsflächen für „Natura 2000“ zum Vor­schein gekommen. Daran zeige sich ein falsches Verständnis von Subsidiarität. Es könne auch nicht im Sinn des Umweltministeriums sein, dass so wichtige Angelegenheiten in den Bundes­län­dern unterschiedlich und unzureichend behandelt werden und die Republik Österreich in Ver­tragsverletzungsverfahren hineingezogen wird.

Abgeordnete Mag. Sima fragt, ob im Umweltministerium eine Übersicht über den Verfahrens­stand der einzelnen Vertragsverletzungsverfahren im Umweltbereich aufliege und ob diese dem Parlament zur Verfügung gestellt werden könnte.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) erwidert, obwohl die Opposition den Eindruck er­wecke, dass die Umsetzung von Umweltrichtlinien in Österreich im Argen läge, sage der vorliegende Jahresbericht etwas anderes aus. Österreich habe zu 96,58 Prozent der Richtlinien bereits Umsetzungsmaßnahmen durchgeführt und liege damit nur knapp 2 Prozentpunkte hinter dem an der Spitze liegenden Dänemark. Im „Binnenmarktanzeiger“ für 2001, der gegenwärtig in der Europäischen Union diskutiert werde, werde für Österreich ein Umsetzungsstand von 97,9 Prozent ausgewiesen.

Seitens einiger Bundesländer seien in dieser Hinsicht bereits große Anstrengungen unter­nom­men worden. So sei zum Beispiel in Obertauern in Salzburg mit dem Rotsternigen Blaukehlchen eine in Europa stark gefährdete Vogelart entdeckt worden. In dieser Gegend sei von einer Hüt­te, die vom Österreichischen Naturschutzbund bewirtschaftet wurde, die größte Gefahr für die Nist­gelegenheiten dieses Vogels ausgegangen. Die Salzburger Landesregierung habe dem Na­turschutzbund 6 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt, um dort die Hütte abzureißen. Dar­auf­hin sei in Salzburg heftig geklagt worden, man hätte dieses Geld der Sozialhilfe zur Ver­fü­gung stellen sollen, anstatt diese Vogelart zu schützen. Auch an diesem Beispiel zeige sich das Ausmaß der Bemühungen in den Bundesländern.

Weil Österreich ein föderalistisches Land mit neun Bundesländern sei, die auch bestimmte Kom­petenzen haben, sei es schwieriger, in diesen Bereichen einen einheitlichen österrei­chi­schen Standard zu erreichen. Insgesamt aber bescheinige dieser Jahresbericht Österreich eine sehr gute Position im Rahmen der 15 EU-Mitgliedstaaten.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer äußert mit Bezug auf den bereits von Abgeordnetem Schwarzenberger er­wähn­ten „Binnenmarktanzeiger“ – welcher kein offizieller Kommissionsbericht sei – die Erwar­tung, dass Österreich für das Jahr 2001 neuerlich einen höheren Prozentsatz der Umsetzung für sich ver­zeichnen kann. Es wäre aber falsch, die Antwort auf die Frage, ob Österreich Umwelt-Mus­terland Nummer eins in Europa sei, vom Prozentsatz der Umsetzung der Richtlinien abhängig zu machen. Österreich sei wirklich ein Umwelt-Musterland, und dieser Ruf Österreichs werde von der Bundesregierung in der Europäischen Union sehr erfolgreich verteidigt. Entsprechen­des Gewicht habe daher die Stimme Österreichs im Umweltrat.

Er hält fest, dass ein Vertragsverletzungsverfahren per se noch kein Kritikpunkt ist, und stellt das Problem am Beispiel eines Streitpunktes im Zusammenhang mit der Nitratrichtlinie dar, näm­­lich der Einführung der Hangneigung als speziellem Kriterium. Wer die Ansicht vertrete, dass landwirtschaftliche Produktion nur im Flachland erfolgen könne, werde von österrei­chi­scher Seite immer Widerspruch erhalten, weil eben hierzulande ein Großteil der Produktions­ba­sis nicht im Flachland, sondern in Gegenden mit Hangneigung liegt. Daher müsse Österreich Über­zeugungsarbeit dafür leisten, dass nachhaltige Landwirtschaft auch in Hanglage möglich ist. Unterschiedliche Auffassungen seien also nichts Bedenkliches.

Bundesminister Mag. Molterer antwortet Abgeordneter Mag. Sima, der Stand der Umsetzung zu den einzelnen Richtlinien und in den einzelnen Fachgebieten werde auch ein Tagesord­nungs­punkt im Rahmen der demnächst in Tirol stattfindenden Tagung mit den Umweltreferenten der Bun­desländer sein. Dort werde ein detaillierter Bericht der Länder über das jeweilige Ausmaß der Umsetzung erstattet werden.

Aus einem Vertragsverletzungsverfahren könne nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Umsetzungsmaßnahmen verschleppt worden seien. Es komme auch zu Meinungsände­rungen, wie sich zum Beispiel an den österreichischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ozon-Richtlinie gezeigt habe. Deren Umsetzung sei beim EU-Beitritt Österreichs der Euro­päischen Kommission gemeldet und von dieser in keiner Weise beanstandet worden, werde von der Kommission aber heute für unvollständig gehalten. Es wäre daher falsch, von einer Ver­schlep­pung auf Seiten Österreichs zu sprechen. Vielmehr würden nun mit der Kommission zwei Fragen zu klären sein, nämlich jene nach der Struktur der Warnwerte – diese Frage sei im jüngsten Mahnschreiben der Kommission nicht mehr releviert worden, und zwar mit der Be­grün­dung, dass die Umsetzung bereits strenger, als in der Richtlinie gefordert, erfolgt sei – und jene nach den Berichtspflichten. In letzterer Hinsicht sei geplant, allfällige offene Fragen in einem Artikelgesetz gleichzeitig mit der Umsetzung der neuen Ozon-Richtlinie, die im März 2002 kund­gemacht wurde und bis 2003 in nationales Recht umzusetzen sein wird, und der NEC-Richtlinie zu beantworten. Ein begutachtungsreifer Entwurf dazu werde voraussichtlich noch im Sommer vor­liegen.

Die Umsetzung der neu verlautbarten EU-Richtlinie betreffend Großfeuerungsanlagen müsse in erster Linie im Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen erfolgen. Die Zuständigkeit dafür liege im Bun­desministerium für Wirtschaft und Arbeit. Dort bestehe die Absicht, die Umsetzung zugleich mit jener der IPPC-Richtlinie vorzunehmen. Wann der entsprechende Entwurf begutachtungs­reif sein wird, lasse sich derzeit noch nicht sagen.

Die Umsetzung der IPPC-Richtlinie werde einerseits im Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, an­dererseits im Rahmen der Länderkompetenz zu erfolgen haben. Die Bundesländer seien be­reits dabei, entsprechende Regelungen im Bereich der Massentierhaltung auszuarbeiten. Vor­arl­berg habe die Richtlinie bereits umgesetzt, in anderen Ländern sei dieser Schritt in Vorbe­rei­tung. Über eine zügige Umsetzung werde auch in der angesprochenen Tagung mit den Umwelt­re­fe­ren­ten diskutiert werden.

Die Seveso-II-Richtlinie betreffe im Wesentlichen die Industrieunfallverordnung und somit das Bun­desministerium für Wirtschaft und Arbeit. Dort werde bereits an dieser Verordnung gear­bei­tet, ein Abschluss könne noch für das laufende Jahr erwartet werden. Zuständig für die Um­setzung würden überdies das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie – in Bezug auf das Luftfahrtgesetz, Eisenbahngesetz und Schifffahrtgesetz – sowie das Bundes­minis­te­rium für Inneres – in Bezug auf das Schieß- und Sprengmittelgesetz – sein. Bundes­minis­ter Mag. Mol­te­rer fügt hinzu, er habe diese Ressorts davon informiert, dass noch entspre­chender Umsetzungsbedarf besteht.

Der Naturschutz werde auch weiterhin eine der Kernkompetenzen im Bundesländerbereich blei­ben. Dies sei wegen der unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Bundesländern sinn­voll. Die Landesgesetzgebung bilde auch eine solide Basis für die Umsetzung von EU-Richtli­nien.

Im Zusammenhang mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie sei eine Gesprächsrunde für die alpi­nen Regionen seitens der EU-Kommission verschoben worden. Ein Termin für die Besprechung des Themenbereichs Kontinentalregionen sei für November 2002 geplant.

Was die Auflistung der Vogelschutzgebiete angeht, werde von der Europäischen Kommission der­zeit die Vollständigkeit überprüft. Nicht der Umweltminister, sondern nur die Kommission ent­scheide darüber, ob die Vollständigkeit gegeben ist. In Österreich sei zusammen mit den Inter­es­senvertretungen, mit den Bundesländern und mit Nicht-Regierungsorganisationen die „Natura 2000“-Plattform zur Verbesserung des Informationsaustausches eingerichtet worden. 184 Ge­bie­te seien für „Natura 2000“ gemeldet, dies entspreche ungefähr 16 Prozent des Staatsge­bie­tes. Damit liege Österreich im europaweiten Vergleich im guten Mittelfeld. Auch die Umsetzung der „Natura“-Richtlinie werde mit den Umweltreferenten der Bundesländer behandelt werden.

Bundesminister Mag. Molterer erinnert abschließend daran, dass die Zuständigkeit für die Ge­samt­abwicklung der Beziehungen zwischen Österreich und der Europäischen Union beim Bun­deskanzleramt liegt.

Obmann Dr. Werner Fasslabend schließt die Debatte zum Tagesordnungspunkt 2.

 

3. Punkt

KOM (02) 27 endg.

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

(49203/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend erteilt neuerlich Bundesminister Mag. Molterer zu einleiten­den Ausführungen das Wort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer macht zunächst darauf aufmerksam, dass für diese Angelegenheit nach inner­öster­rei­chischer Kompetenzlage grundsätzlich das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen zuständig ist.

Österreich lege großen Wert auf die Feststellung, dass diese Angelegenheit keineswegs nur eine ökonomische Dimension habe, sondern dass davon auch ökologische Fragen, Fragen zum Stand­ort Europa, Forschungsfragen sowie wertbezogene und ethische Fragen betroffen seien. Es sei zu begrüßen, dass die Europäische Kommission nun den öffentlichen Dialog zu diesem The­­ma forciere. Diese Diskussion werde zum Teil sehr emotionell geführt, und zwar auch des­halb, weil die Debatten zu lange nur hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätten. Daher werde nun oft auf gänzlich verschiedenen Ebenen diskutiert, wodurch ein Dialog häufig ver­hin­dert werde.

Für eine richtige Vorgangsweise der Europäischen Kommission erachtet es Bundesminister Mag. Mol­terer, dass nun bestimmte Aktionspläne diskutiert werden, etwa im Zusammenhang mit der Frage der Koexistenz oder in Bezug auf den aus österreichischer Sicht nach wie vor unbefriedigenden rechtlichen Rahmen für die Entwicklung von GMOs, also „genetically modified organisms“ oder gentechnisch veränderten Organismen. Von Bedeutung sei dabei auch ein Monitoring über die Langzeitfolgen dieser Entwicklung.

Um der Redlichkeit in der Diskussion willen müsse festgehalten werden, dass die Biotechno­lo­gie nicht mit der Gentechnologie gleichgesetzt werden könne. Biotechnologische Verfahren seien bereits seit Jahrtausenden erfolgreich angewendet worden, wie sich zum Beispiel an der Ge­schichte der Bierbrauerei gezeigt habe.

Bundesminister Mag. Molterer stellt fest, er komme nun auf jene Diskussion zu sprechen, die laut seinen Informationen aus Vorgesprächen diesem Tagesordnungspunkt zugrunde liege. Ge­gen­stand sei eine Studie über die Koexistenz von Produkten mit gentechnischen und ohne gentechnische Verän­de­rungen, die im Namen der Europäischen Kommission seitens der General­di­rek­tion Landwirtschaft in Auftrag gegeben wurde und auf die Prüfung folgender Frage abziele: Ist eine Koexistenz von GMO-freier landwirtschaftlicher Produktion und GMO-nutzender landwirt­schaftlicher Produktion möglich, und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Es handle sich dabei nicht ausschließlich – wie in der Öffentlichkeit häufig dargestellt – um eine Frage im Spannungsfeld zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft, sondern auch um die Frage einer konventionellen Landwirtschaft, die in der Produktion ohne GMOs aus­kommt. Laut dieser Studie gebe es langfristig mehrere Möglichkeiten, mit diesem Problem um­zu­gehen. Aus österreichischer Sicht seien die Antworten in dieser Studie noch nicht aus­rei­chend, daher habe hier auch das Parlament in einer entsprechenden Entschließung den Um­welt­minister und den Sozialminister aufgefordert, zusätzliche Studien und Unterlagen vorzu­legen.

Unter den Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, nennt Bundesminister Mag. Mol­te­rer zuerst die Frage der Grenzwerte. Laut österreichischem Saatgutgesetz liege der Grenz­wert für GMO-freies Saatgut mit einer Verunreinigung von 0,1 Prozent de facto an der Nach­weis­grenze. In der Europäischen Union finde derzeit eine intensive Diskussion über Grenzwerte im „Novel Feed“- und „Novel Seed“-Bereich statt. Österreich könne für eine Entscheidung darüber ein interessantes Vorbild sein.

Eine weitere Frage beziehe sich auf die Kennzeichnung. Bundesminister Mag. Molterer äußert sich unglücklich darüber, dass in Richtlinienentwürfen plötzlich von einer Kennzeichnungs­ka­tegorie namens „may contain“, „kann beinhalten“ die Rede ist, da nicht klar werde, was damit gemeint sei. Eine solche Regelung wäre auch vor dem Hintergrund der Rückverfolgbarkeit und der Nachvollziehbarkeit nicht befriedigend. Diese Frage stehe auch im Zusammenhang mit Haf­tungsfragen. Da noch einiges klargestellt werden müsse, trete Österreich weiterhin für eine Ver­längerung des Moratoriums auf Neuzulassungen von Gentechnik-Pflanzen ein.

In Studien wie jener, die im Zusammenwirken mit dem Sozial- und Gesundheitsministerium er­stellt und in Oberösterreich präsentiert wurde, gehe es daher um die Sicherung dieser Ko­exis­tenz und um Abgrenzungsfragen. Insgesamt seien darin mehr Fragen als Antworten ent­halten.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne) dankt für die Aufnahme dieses Punktes in die heutige Tagesordnung und stellt fest, dass in dem vorliegenden Strategiepapier aus Sicht der Grünen zwei Dinge entscheidend seien. Zum einen müsse dazu aus österreichi­scher Sicht gefragt werden, warum zwar das Strategiepapier zu diesem Themenbereich, aber kein Strategiepapier betreffend ökologisch sensible Zonen und die biologische Landwirtschaft in Europa vorhanden sei. Es liege wohl ein europäischer Aktionsplan vor, aber da müsste ein nächster Schritt auch in Forschung und Entwicklung gesetzt werden. Dies gehe auch aus dem Plan für eine „Aktion 17“ hervor, die in dem Dokument 49203/EU auf Seite 33 dargestellt ist. Darin sei ausdrücklich von der Erarbeitung von „Forschungs- und Pilotprojekten“ betreffend die Koexistenz zwischen konventionellem und ökologischem Landbau sowie dem Anbau von ge­ne­tisch veränderten Kulturpflanzen die Rede. Es gehe dabei also um die gentechnikfreie Land­wirtschaft mit einer entsprechenden Saatguterzeugung.

In diesem Papier werde an einigen Punkten die Position widergespiegelt, welche die Euro­päische Union auch in der Zivilgesellschaft und im politischen Diskurs der letzten zehn Jahre im po­sitiven Sinn bewirkt habe. Der Aspekt der Wahlfreiheit werde heute international nicht mehr bestritten und müsse nun auch von den Vereinigten Staaten von Amerika anerkannt werden. In diesem Sinn habe die „Financial Times“ am 21. Juni geschrieben, dass die USA weiterhin keine Geduld mit dem europäischen Moratorium betreffend Neuzulassungen hätten, und darin heiße es wörtlich: „‚There is a growing frustration and pressure in the United States‘, Mr. Johnson told reporters during talks with European Commission officials. ‚We are considering all our options including WTO dispute settlement in trying to resolve this issue‘“. Es müsse also verstärkt mit gravierenderen politischen Auseinandersetzungen und Diskussionen gerechnet werden. Aus der Sicht der Europäischen Union und auch Österreichs bedürfe es daher eines klaren strategi­schen Planes, um auch vom Forschungsbereich her die ökologisch sensiblen Gebiete, die gentechnikfreie Landwirtschaft und den biologischen Landbau abzusichern und um auf diese Wei­se bestehen zu können.

Die vorliegende Studie der Europäischen Kommission gehe zwar teilweise von sehr theoreti­schen Annahmen aus – das sei angesichts der weltweiten Entwicklung derzeit auch nicht an­ders möglich –, könne aber trotz allem einige Anhaltspunkte geben. Dazu gehöre aus österrei­chischer Sicht die nach derzeitigem Stand der Wissenschaft zu ziehende Erkenntnis, dass bei Auf­rechterhaltung eines Saatgut-Grenzwertes von 0,1 Prozent eine Koexistenz in einer Region nicht denkbar ist. Wenn also Österreich seine eigene Saatgut-Gentechnik-Verordnung ernst neh­me, müsse hier versucht werden, diese Strategie auch auf europäischer Ebene konsequent fortzusetzen. Darüber werde derzeit auch im Standing Committee der Europäischen Kommis­sion diskutiert.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber fragt, was Österreich unternehmen werde, um zu verhindern, dass es dort zu Vorentscheidungen im Hinblick auf die „Novel Seed“- und die „Novel Feed“-Ver­ordnung kommt. Eine erste Lesung darüber im Europäischen Parlament sei für 4. Juli 2002 geplant.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber bringt einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG betreffend 49203/EU XXI. GP – COM (02) 27 endg. – Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Aus­schuss der Regionen betreffend Biowissenschaften: Eine Strategie für Europa ein. Im Fall der Annahme dieses Antrags würde der Ausschuss die zuständigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung dazu auffordern, auf EU-Ebene die Möglichkeit zur Schaffung GVO-freier Zo­nen rechtlich besser abzusichern – und zwar auf der Grundlage der vorliegenden Studie – und einen Aktionsplan zum Schutz von GVO-freien Gebieten sowie biologisch und gentechnikfrei wirt­schaftenden Betrieben zu entwickeln. Dazu bedürfe es eines Konzeptes mit konkreten Maß­nahmen. Dieses Thema müsse auch im Rahmen der Beitrittsverhandlungen mit den Erweite­rungs­kandidatenländern behandelt werden. So werde zum Beispiel das Burgenland in dieser Sa­che verstärkt Kontakte mit Ungarn pflegen müssen. In diesem Sinn werde in dem Antrag die Unter­stützung von Initiativen für gentechnikfreie Zonen in Kooperation mit den Mitglieds- und Beitrittsländern sowie mit den Nachbarstaaten gefordert.

Weitere Forderungen in diesem Antrag seien der Aufbau einer Infrastruktur für gentechnikfreies Saatgut und die EU-weite Anwendung der österreichischen Saatgut-Gentechnik-Verordnung ein­schließlich des darin festgelegten GVO-Grenzwertes von 0,1 Prozent, wobei auch das Euro­päische Parlament in die Festsetzung von GVO-Grenzwerten einzubinden wäre. Schließlich wer­de gefordert, dass das bestehende Moratorium auf Neuzulassungen von Gentechnik-Pflan­zen aufrecht bleibt.

In diesem Antrag komme ein Grundkonsens zum Ausdruck, der auch in den entsprechenden De­batten der letzten Monate bereits bestanden habe. Daher wäre es gut, diesen Antrag zu einem Vier-Parteien-Antrag zu machen. In diesen Antrag könnten gegebenenfalls noch weitere Ideen oder Forderungen aufgenommen werden.

Obmann Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass der Antrag des Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirkl­hu­ber ordnungsgemäß eingebracht ist und mit zur Verhandlung steht.

Nach Ansicht von Abgeordneter Mag. Ulrike Sima (SPÖ) lässt sich der Bericht der Euro­päischen Kommission auch wie eine Werbebroschüre der Gentechnikindustrie lesen; darin wür­den nämlich die Vorzüge dieser Technologie insbesondere im Nahrungsmittelbereich gepriesen wer­den. Es sei in den letzten Jahren auch eine Strategie der Gentechnikindustrie gewesen, nie­mals von „Gentechnik“ zu sprechen, sondern ihre Vorhaben unter dem „netteren“ Namen „Bio­tech­nologie“ zu „verkaufen“. Im Englischen werde daher üblicherweise über „Biotech“ und nur sehr selten über „Genetic Engineering“ gesprochen.

Der Bericht ziele eindeutig auf eine Umsetzung der Patentrichtlinie und eine massive Forcierung der Gentechnik im Lebensmittelbereich ab. Die Rede sei darin von dem Potential der Biotech­no­­logie in der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung, von verbesserter Lebensqualität, ver­­bes­ser­ten Nutzpflanzen, massiver Förderung und Verdoppelung der Flächen, von dem Kampf gegen Hunger und Mangelernährung, und überdies solle daraus eine nachhaltige Land­wirtschaft entstehen. All diese Argumente seien bereits aus der Diskussion mit der Gentechnik­industrie sattsam bekannt. Der angeschlossene EU-Aktionsplan gebe daher Anlass zur Besorg­nis.

Überdies sei jährlich ein Fortschrittsbericht geplant. Somit liege die Annahme nahe, dass die EU-Kommission darauf abziele, in diesem Bereich rasant weiterzukommen. Bundesminister Mag. Mol­terer möge seinen Standpunkt dazu darlegen, dass nun offensichtlich öfters Beschlüs­se der Kommission zu erwarten seien – ein Beispiel dafür sei auch die Forcierung der Atom­energie –, mit denen die österreichische Bundesregierung nicht ganz einer Meinung sein werde. Er möge sich auch dazu äußern, welche Strategie das Bundesministerium für Landwirtschaft und Umwelt als eines der betroffenen Ressorts in diesem Zusammenhang verfolgen werde.

Die Europäische Kommission habe bereits mehrere Anläufe dazu unternommen, die Mitglied­staaten zur Aufgabe des Moratoriums betreffend Neuzulassungen von gentechnisch veränder­ten Pflanzen zu bewegen. Abgeordnete Mag. Sima fragt, welches Verhalten Bundesminister Mag. Mol­terer von den bisherigen Partnern Österreichs unter den anderen Mitgliedstaaten in Zu­kunft erwarte. Italien sei ja schon bisher ein unsicherer Partner gewesen, und was Frankreich be­trifft, sei unter den neuen Mehrheitsverhältnissen nun Skepsis angebracht, dass dort weiter­hin ein kritischer Gentechnikkurs verfolgt wird. Ohne diese beiden Länder wäre eine Sperrmino­rität im Artikel-21-Komitee nicht mehr zu erreichen.

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche) spricht sich für eine differenzierte Beurtei­lung dieses Themas aus, da sowohl Chancen als auch Risiken damit verbunden seien. Bundes­mi­nis­ter Mag. Molterer habe bereits dargelegt, dass bei der Behandlung dieses Themas Vor­sicht angebracht ist. Österreich befinde sich dabei in einer sehr guten Position, die für die Zu­kunft abgesichert werden müsse.

Da diese Entwicklung bereits im Gang sei, wäre es falsch, sich aus der Diskussion heraus­zu­halten. Vielmehr komme es darauf an, die Chancen zu nutzen, die sich daraus für die For­schung in Österreich und für den hiesigen Wirtschaftsstandort ergeben, und zugleich die Risi­ken und ein Anwachsen der ethischen Probleme hintanzuhalten. Mit dieser Einstellung werde auch Bundesminister Mag. Molterer in die entsprechenden Verhandlungen eintreten.

Betreffend den von Abgeordnetem Dipl.-Ing. Pirklhuber eingebrachten Antrag auf Stellung­nah­me hebt Abgeordneter Ing. Fallent hervor, dass bereits Untersuchungen und Studien zum The­ma der Koexistenz gentechnikfreier und nicht gentechnikfreier Zonen in Österreich vorliegen. Auf Grund dieser Ergebnisse seien logischerweise weitere Schritte formuliert worden, die Abge­ord­neter Dipl.-Ing. Pirklhuber als „Aktionsplan“ bezeichnet habe. Bundesminister Mag. Molterer sei bemüht, im österreichischen Sinn die Kooperation mit anderen Mitgliedstaaten zu suchen. Es sei einleuchtend, dass die Europäische Union nicht sagen könne: Wir bauen eine Infra­struk­tur auf, die gentechnikfreies Saatgut sicherstellt. – Dies sei nicht durchführbar, wohl aber die Un­ter­stützung der Märkte für gentechnikfreie Produkte. In diesem Sinn werde sich der Bundes­minister dafür einsetzen, weil damit auch Österreich eine sehr gute Marktchance hätte.

Der angesprochene Grenzwert von 0,1 Prozent, wie er in Österreich besteht, werde auch auf euro­päischer Ebene eingefordert werden. Weiters finde sich auch die Forderung nach einem Fort­be­stand des Neuzulassungs-Moratoriums bereits unter den von Bundesminister Mag. Mol­te­rer angeführten Punkten. Da all diese Punkte also bereits erfüllt worden seien oder in Ver­hand­lung stünden, bedürfe es nicht eines neuerlichen Beschlusses auf Grund des von Abge­ordnetem Dipl.-Ing. Pirklhuber eingebrachten Antrags.

Im Übrigen müsse letzten Endes auch Österreich anerkennen, was auf der europäischen Ebene in demokratischer Mehrheitsbildung entschieden wird. In diesem Spannungsfeld müsse der ös­ter­reichische Bundesminister agieren. Auch seitens der Opposition werde nicht unbekannt sein, wie schwierig es sei, sich in einem Regierungsamt gegen einflussreiche Lobbys zu wehren. SPÖ und Grüne sollten dabei etwa auch beachten, dass in Finnland eine rot-grüne Regierung nun weitere Atomkraftwerke errichten lässt.

Bundesminister Mag. Molterer habe in diesem Bereich die Unterstützung der Freiheitlichen. De­ren Wunsch bestehe darin, dass es in Österreich gentechnikfreie Zonen, niedrigste Grenzwerte und gentechnikfreie Lebensmittel gibt. Dadurch sähen sie auch Marktchancen für Österreich in der ganzen Welt gegeben.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) erinnert an den im Frühjahr 2002 einstimmig be­schlossenen Vier-Parteien-Antrag, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert worden ist, sich massiv für die Verlängerung des Moratoriums auf Neuzulassungen von Gentechnik-Pflan­zen einzusetzen, und zwar auch deshalb, weil – wie auch Abgeordnetem Dipl.-Ing. Pirklhuber be­kannt sei – zum Beispiel Oberösterreich und Salzburg eine „grüne Grenze“ mit Bayern haben und bei Westwind der Blütenstaub über viele Kilometer hinweg nach Österreich geweht wird. Wä­re dieses Moratorium nicht mehr haltbar, so müsste Österreich auf nationaler Ebene ent­sprechende Regelungen treffen. Jedenfalls sei es ratsam, bei dem bisherigen Grundkonsens zu blei­ben, sodass jetzt nicht ein kleiner Teil der Abgeordneten von dem erwähnten Ent­schlie­ßungsantrag Abstand nehmen sollte. Von Bundesminister Mag. Molterer werde insbeson­dere die Verlängerung des Neuzulassungs-Moratoriums bereits intensiv betrieben.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne) hebt hervor, Abgeordnete Mag. Sima ha­­be bereits auf zentrale Strategien hingewiesen, die in dem vorliegenden Papier zum Aus­druck kämen. Die Bedeutung dieses Papiers dürfe nicht unterschätzt werden. In Österreich sei in den letzten zehn Jahren eine andere Grundausrichtung verfolgt worden, und in diesem Sinn sollte auf europäischer Ebene in Auseinandersetzung und fairer Diskussion mit anderen Län­dern versucht werden, Partner zu finden. Solche Partner seien vorhanden, und sie würden künf­tig auch unter den Beitrittsländern zu finden sein.

Es werde überdies darauf ankommen, rechtzeitig die entsprechenden fachlichen Grundlagen zu schaf­fen. Schon jetzt seien in Österreich sehr gute Studien verfügbar, und gesetzliche Maß­nah­men seien bereits in Aussicht gestellt worden. In einigen Bundesländern wie Oberösterreich wer­­de schon jetzt versucht, größere Klarheit zu schaffen. Dort sei für Oktober eine Ge­setzes­vor­lage geplant, um ein dreijähriges Gentechnikverbot festzuschreiben. Ähnliche Initiativen seien auch in Salzburg und im Burgenland in Vorbereitung.

Von den Grünen werde großer Handlungsbedarf nicht in Österreich selbst gesehen, sondern es kom­me darauf an, die österreichische Positionierung auf europäischer Ebene besser klarzu­ma­chen und dort rechtzeitig sicherzustellen, dass die Europäische Kommission eine entspre­chen­de Richtung einschlägt. Da bedürfe es der Bereitschaft, den einen oder anderen Schritt voraus­zu­gehen. In diesem Sinn sei auch der Antrag auf Stellungnahme zu sehen. Er beziehe sich auf die grundsätzliche strategische Ausrichtung der Europäischen Union.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber ersucht Bundesminister Mag. Molterer, konkret zu dem Stan­ding Committee der EU-Kommission und der Saatgutfrage Stellung zu beziehen und mitzu­tei­len, ob dort vor September bereits eine Entscheidung erfolgen werde.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil­helm Molterer antwortet, es sei in der Europäischen Union nun eine Tendenz vorhanden, von der nicht sachgemäßen „Euphorisierung“ der Gentechnologie wegzukommen, nachdem lange Zeit der Eindruck erweckt worden sei, dass die Gentechnologie die Lösung für alle Probleme dar­stelle. Einen Fortschritt stelle das Bekenntnis der Europäischen Union in Richtung Wahl­freiheit dar, und damit sei auch eine Positionierung der EU verbunden, wonach die Wahlfreiheit in der Welthandelsorganisation abgesichert werden müsse.

Er fügt hinzu, er habe in der Frage der Wahlfreiheit und der Koexistenz stets eine Position ver­treten, die weder ein striktes Nein noch ein euphorisches Ja bedeutet habe. Statt sich auf eine Schwarzweißmalerei einzulassen, habe er es vorgezogen, in dieser Diskussion sorgfältig vorzu­gehen und das Vorsichts- und Vorsorgeprinzip walten zu lassen.

Grundsätzlich sei dieser Dialog in der Europäischen Union positiv zu bewerten. Es könne aber nicht damit gerechnet werden, dass einmal ein Papier vorgelegt werden wird, das von allen Sei­ten einhellig als objektive Grundlage begrüßt wird. Dies sei etwa auch mit dem Ansatz „Gen­technik und wir“ nicht gelungen, als versucht wurde, auch Nicht-Regierungsorganisationen so­wie befürwortende und kritische Wissenschafter einzubeziehen. Es werde nicht möglich sein und wäre auch nicht ratsam, ohne jegliche Wertung vorzugehen. Auch der Inhalt der ange­spro­chenen Aktionspläne müsse kritisch bewertet werden. So dürfe es nicht dazu kommen, dass ein Aktionsplan als Freibrief missverstanden wird.

Dass auch die Studie noch kritisch überprüft werden muss, zeige sich zum Beispiel an darin ent­haltenen Widersprüchen wie jenem, dass bei Rapssaatgut die Einhaltung des Grenzwertes von 0,1 Prozent – wenngleich verbunden mit höheren Kosten – für möglich gehalten werde, nicht je­doch bei anderem Saatgut, obwohl die Auskreuzung im Rapsbereich riskanter sei.

Die Frage nach dem Stand der Diskussion im Standing Committee der EU-Kommission be­ant­wortet Bundesminister Mag. Molterer damit, dass dort nach wie vor die Prozentsätze 0,3, 0,5 und 0,7 ein Thema seien. Österreich lehne dies ab und halte 0,1 Prozent für richtig.

Im Sinn des österreichischen Standpunktes werde jetzt auch folgendes Argument ins Treffen ge­führt: Nachdem sich die Europäische Kommission nun für einen Grenzwert von 0,1 Prozent – also an der Nachweisgrenze – für in der EU nicht zugelassene Konstrukte ausgesprochen ha­be, stelle Österreich die Frage, warum zwischen nicht zugelassenen und zugelassenen Kon­struk­ten unterschieden werden sollte und warum darüber hinaus innerhalb der zugelassenen Kon­strukte gleich drei verschiedene Grenzwerte Gültigkeit haben sollten. Es wäre einfacher, sauberer und klarer – auch in Bezug auf den zuvor angesprochenen „may contain“-Vorschlag –, allgemein den strikten Grenzwert von 0,1 Prozent einzuführen.

Bundesminister Mag. Molterer antwortet Abgeordneter Mag. Sima, die Positionen Frankreichs und Italiens in der Moratoriumsfrage ließen sich derzeit nicht einschätzen, weil sich an der am Vor­tag abgehaltenen Debatte zu diesem Thema nur Deutschland und Österreich beteiligt, an­dere Mitgliedstaaten aber nicht Stellung bezogen hätten. Kritische Länder wie Luxemburg stün­den nach wie vor an der Seite Österreichs, aber über die Positionen der neuen Regierungen in Italien und in Frankreich sei bisher nichts zu hören gewesen. Traditionsgemäß stehe Frankreich auf der skeptischen Seite.

Was die Auseinandersetzungen in der WTO betrifft, werde dort zwar von den USA versucht, die eigenen Interessen durchzusetzen, aber die Europäische Union habe gute Argumente auf ihrer Seite. Dies zeige sich zum Beispiel daran, dass die USA wegen der neuen Farm Bill Probleme damit hätten, in der WTO allzu lautstark aufzutreten. Inzwischen habe die G-77 in Vorbereitung auf das Nachhaltigkeits-Gipfeltreffen in Johannesburg von den USA eine Deklaration darüber verlangt, dass sich die Vereinigten Staaten auch weiterhin zu den Ergebnissen der Uruguay-Runde bekennen; von der Doha-Runde sei dabei noch gar nicht die Rede. Europa habe sich in der WTO bereits sehr klar positioniert.

Skepsis sei hinsichtlich der Umsetzung der Rechtsmaterien in der Europäischen Union ange­bracht. Der Vorschlag der Europäischen Kommission betreffend Vernetzung der „Novel Seed“-, „Novel Feed“- und „Novel Food“-Verordnungen sei noch immer nicht konsistent und nicht ausreichend. Auch in der Frage des Labelings sei der Vorschlag unausgereift. Offenbar aus die­sem Grund sei jetzt die Formulierung „may contain“ in Diskussion gebracht worden. Bundesmi­nis­ter Mag. Molterer spricht sich dafür aus, sich auch an praktische Erfahrungen zu halten. In Frankreich sei vor einigen Jahren versucht worden, die freiwillige Verwendung eines „Gentech­nik­frei“-Labelings einzuführen, daraufhin habe die französische Saatgutwirtschaft alle Produkte im Sinn von „may contain“ gekennzeichnet. Dies bedeute keine Lösung des Problems.

Auch der Vorschlag, ein österreichisches Pilotprojekt durchzuführen, müsse mit Skepsis be­trach­tet werden. Ein solches Projekt wäre schon insofern ein Widerspruch in sich, als in Öster­reich die Produktion derzeit gentechnikfrei sei. Es wäre falsch, zur Durchführung eines Pilotpro­jektes jetzt genmodifizierte Produkte in Österreich eigens zuzulassen. Dies würde auch sicher­lich nicht die Zustimmung der Grünen finden, sodass sie daher bei der Verwendung des Begriffs „Pilotversuch“ vorsichtig sein sollten.

Obmann Dr. Werner Fasslabend schließt die Debatte und lässt die Abstimmung über den An­trag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG des Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhu­ber betreffend Biowissenschaften – Eine Strategie für Europa durchführen.

Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Obmann Dr. Fasslabend unterbricht für den Wechsel auf Seiten der Vertreter der Bundesre­gierung kurz die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 15.22 Uhr unterbrochen und um 15.27 Uhr wieder aufgenommen.)

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Obmann Dr. Werner Fasslabend begrüßt Staatssekretär Dr. Finz und leitet zu Tagesordnungs­punkt 4 über.

4. Punkt

KOM (02) 81 endg.

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung: Eine Studie über das inter­nationale Währungs- und Finanzsystem und die Entwicklungsfinanzierung

(52807/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend erteilt Staatssekretär Dr. Finz zu einer einleitenden Stellung­nahme das Wort.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz erläutert, dass die Ein­führung einer Steuer auf kurzfristige Spekulations- und Devisentransaktionen – die einen ra­schen Zufluss und Abfluss von Geldmitteln bewirken, wodurch auch Währungen in Gefahr ge­bracht werden könnten – schon lange im Gespräch ist. Nach allgemeiner Auffassung sollte die­se nach ihrem Erfinder, dem Wirtschaftswissenschafter Tobin, benannte Tobin-Steuer auf allen wichtigen Devisenmärkten gleichzeitig eingeführt werden, also insbesondere in der Euro-, der Dollar- und der Yen-Zone.

Die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten hätten bisher im ECOFIN darüber mehr am Rande dis­kutiert – auch deshalb, weil die USA einer Tobin-Steuer ablehnend gegenüberstehen. Außer­dem stehe in der EU derzeit die Frage der Erweiterungskosten im Mittelpunkt, sodass die Euro­päische Kommission bemüht sei, jede Diskussion über eine neue Steuer auf einen Zeitpunkt nach dem Jahr 2006, nach Ablauf des jetzt gültigen Finanzierungsschemas, zu verschieben. Überdies finde bereits – auch im Europäischen Konvent – eine grundlegende Diskussion über die zukünftige Art der Finanzierung in der Europäischen Union statt. Aus diesen Gründen habe im ECOFIN eine intensive Diskussion über die Tobin-Steuer bisher nicht in Gang kommen kön­nen. Im Vordergrund der EU-Finanzierungsfragen stehe auch im Zusammenhang mit der Erwei­terung die Rolle der Nettozahler und Nettoempfänger.

Eine Tobin-Steuer sei zwar technisch möglich, mache aber einen bestimmten Verwaltungs­auf­wand erforderlich. Dabei würden auch spezielle Interessen der einzelnen Staaten eine Rolle spielen. Österreich habe zur Stärkung und Belebung seines schwachen Kapitalmarktes die Bör­sen­umsatzsteuer abgeschafft – allerdings ohne besondere Auswirkungen –, in dieser Hinsicht wäre nun die Einführung einer Tobin-Steuer mit gegenteiligen Wirkungen verbunden. Von Ös­terreich sei daher in der jetzigen Lage keine entsprechende Initiative zu erwarten, weil dies der Be­lebung des heimischen Kapitalmarktes abträglich wäre. Im Zuge der bevorstehenden Steuer­reform, deren Ausmaß derzeit noch offen sei, werde jedoch versucht werden, Maßnahmen zur Berücksichtigung dieser Interessen einzubeziehen.

Davon unabhängig unterstütze Österreich weiterhin die Forderung nach einer schrittweisen Auf­stockung des jetzigen Ausmaßes der Entwicklungshilfefinanzierung. Allerdings werde es bis zur Er­reichung des Zieles, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe auszu­ge­ben, noch ein weiter Weg sein. Im Zuge des Monterrey-Prozesses werde jetzt versucht, den Wert von 0,35 Prozent zu erreichen. Mit den Mitteln, die aus einer allfälligen Tobin-Steuer zu lukrie­ren wären, könnte ein anders dimensionierter finanzieller Rahmen zur Verfügung stehen. Zuerst aber müssten Sinn und Zweck der Einführung einer Tobin-Steuer geklärt und ein ent­spre­chendes System geschaffen werden. Erst danach wäre über die Verwendung dieser Mittel zu diskutieren.

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche) meint, die Tobin-Steuer sei bereits seit fast zwanzig Jahren im Gespräch, weil darin auch ein Robin-Hood-Gedanke mitschwinge, das Geld von den Stellen, an denen es vorhanden sei, dorthin umzuverteilen, wo es daran mangle. So verlockend der Gedanke auch sei, er scheitere in der Realität daran, dass von völlig unterschiedlichen recht­li­chen und steuerlichen Voraussetzungen ausgegangen werde und dass eine weltweite Har­monisierung als Eckpfeiler einer derart umfassenden Maßnahme kaum vorstellbar sei.

Nichtsdestoweniger liege ein einhelliges Bekenntnis dazu vor, dass 0,7 Prozent des Brutto­in­landsproduktes für Entwicklungshilfe verwendet werden sollen. Dieses Ziel müsse weiter ange­strebt werden, auch wenn es in den nächsten Jahren noch nicht erreichbar sein werde. Vor­läufig würde es schon einen Erfolg darstellen, den Wert von 0,35 Prozent zu erreichen.

Eine Tobin-Steuer wäre letztlich nicht in der Weise realisierbar, dass sie zu mehr Gerechtigkeit füh­ren könnte. Sie wäre mit derart vielen Schlupflöchern verbunden, dass die Kapitalien trotz­dem verschoben und nach dem Passieren der Grenze ohne steuerliche Belastung neuerlich für spe­kulative Zwecke verwendet werden könnten. Es werde daher auch nicht möglich sein, mit einer solchen Steuer Geld für die Entwicklungsländer verfügbar zu machen.

Stattdessen werde es notwendig sein, im Wege über den Internationalen Währungsfonds an­de­re Möglichkeiten zu finden, und zwar Systeme, die sich an stabilen Werten messen lassen. Es könnte im Sinn des Verursacherprinzips auch überlegt werden, in höherem Ausmaß die Rüs­tungs­industrie zu Zahlungen an die Entwicklungsländer heranzuziehen, da diese Industrie als eine bedeutende Ursache von viel Elend und Armut in der Welt zu betrachten sei. Überhaupt müs­se es verstärkte Bemühungen geben, mehr Länder zu einem größeren Ausmaß an Ent­wicklungshilfe zu animieren.

Abgeordnete Burket erachtet es für notwendig, „alle Gelder aus allen Töpfen“ in die Berech­nung des Ausmaßes der Entwicklungshilfe einzubeziehen, weil es sich bei all diesen Mitteln um Steu­ergeld handle, mit dem ein Beitrag dazu geleistet werde, die Not der ärmsten Länder zu lindern. Eine wichtige positive Begleiterscheinung sei darin zu erblicken, dass jetzt für die Ent­wicklungshilfe fixe Rahmenbedingungen und gewisse Sicherheiten geschaffen wurden, um die­se Mittel zweckdienlich zu verwenden. Das Augenmerk allein auf den Geldtransfer zu richten, sei mit zu vielen Unwägbarkeiten und großen rechtlichen Problemen verbunden. Daher müsse auch der Aspekt der Produktion Beachtung finden.

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ) bewertet den vorliegenden Bericht über das internationale Wäh­rungs- und Finanzsystem und die Entwicklungsfinanzierung als schwammig, oberflächlich und bloß beschreibend gestaltet.

Im Entwicklungspolitischen Unterausschuss habe Staatssekretär Dr. Finz berichtet, dass die euro­päischen Finanzminister eine Untersuchung darüber eingefordert hätten, wie die Ent­wick­lungsfinanzierung auf europäischer Ebene besser organisiert werden könnte, insbesondere in Be­zug auf die gegenwärtige Situation des internationalen Währungs- und Finanzsystems. Der­zeit sei diese Situation dadurch gekennzeichnet, dass die Spekulation mit Devisen massiv zu­ge­nommen hat, wodurch es in etlichen Ländern zu erheblichen Risiken und Problemen gekom­men sei, zum Beispiel in Argentinien, in Mexiko oder in einigen asiatischen Staaten. Vor allem kurz­fristige Spekulationen hätten massive Schwierigkeiten auf den Kapitalmärkten hervor­geru­fen.

Vor diesem Hintergrund stelle die Tobin-Steuer eine Maßnahme dar, die dazu dienen könnte, eine Einschränkung der kurzfristigen Spekulationen zu erreichen. Als weiterer Effekt dieser Steuer könne erwartet werden, dass finanzielle Mittel für die Entwicklungsfinanzierung verfüg­bar gemacht werden.

Das Ausmaß der Devisentransaktionen sei in den letzten 30 Jahren um mehr als die Hälfte auf gegenwärtig 1 500 Milliarden US-Dollar, die täglich umgetauscht werden, gestiegen. Die Orien­tie­rung an den jeweils höchsten Profitraten habe große Gefahren für die internationalen Finanz­märkte entstehen lassen. Inzwischen übersteige das Finanzkapital in wesentlichem Ausmaß das Produktionskapital, was ebenfalls als eine ungesunde Entwicklung zu bezeichnen sei, weil dem Finanzkapital in immer geringerem Umfang tatsächliche Werte gegenüberstehen.

Der jetzt vorliegende Bericht der Europäischen Kommission sei völlig unzureichend und sage viel zu wenig darüber aus, ob die Einführung einer Tobin-Steuer auf europäischer Ebene – dies wür­de einen Alleingang Europas bedeuten – technisch umsetzbar wäre. Dieser Bericht beruhe auch nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen, obwohl solche in Bezug auf die Tobin-Steuer schon in größerer Menge vorlägen.

Abgeordnete Jäger fragt, wie Staatssekretär Dr. Finz diesen Bericht der EU-Kommission ein­schätze und welche weiteren Schritte geplant seien. Wenn nun tatsächlich bis zum Jahr 2006 zugewartet werde, so sei zu befürchten, dass im Falle von Problemen im Zusammenhang mit der Osterweiterung die Mittel für die Entwicklungsfinanzierung geringer werden könnten. Dies wäre eine sehr kurzsichtige Vorgangsweise, weil die Bereitstellung von Mitteln für einen ver­nünfti­gen Entwicklungsprozess in den Ländern des Südens auch darauf abziele, eine vorbeu­gende Wirkung gegenüber Krisen im Zusammenhang mit Migration oder Klimaveränderung zu erzielen. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei der vorliegende Bericht völlig unzureichend.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) widerspricht – nachdem sie ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass der Bundesminister für Finanzen trotz einer entsprechenden Zu­sage nicht persönlich an dieser Sitzung teilnimmt – der von Staatssekretär Dr. Finz ge­äußerten Auffassung, eine Tobin-Steuer wäre nur im weltweiten Rahmen durchsetzbar.

Zu dieser Frage habe der deutsche Wirtschaftswissenschafter Spahn, früher selbst als Berater des Internationalen Währungsfonds tätig, im Auftrag der deutschen Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul eine Studie verfasst, um zu klären, ob die Einführung einer Tobin-Steuer in einer einzelnen Währungsregion wie zum Beispiel der Euro-Zone sinnvoll und technisch mach­bar wäre. Das Ergebnis dieser Studie sei im Februar 2002 präsentiert und auch an der Ent­wick­lungsfinanzierungskonferenz im mexikanischen Monterrey vorgestellt worden. Demzufolge könnte eine Devisentransaktionssteuer – diese werde von Spahn detailliert ausgeführt, und da­bei gehe er viel weiter als Tobin vor 30 Jahren – auch in einer einzelnen Währungszone wie zum Beispiel der um Großbritannien und die Schweiz erweiterten Euro-Zone eingeführt werden. Instabilitäten auf den Finanzmärkten wären in diesem Fall nicht zu befürchten. Spahn habe de­zidiert festgestellt, es sei zum Beispiel der Finanzplatz London so stark, dass es dort nicht zu einer Schwächung käme.

Nunmehr werde zu klären sein, mit welchen Initiativen Österreich auf Grund dieser Studie aktiv werden könnte. Zwar sei solchen Initiativen zuvor schon von Seiten beider Regierungsparteien eine Absage erteilt worden, aber trotzdem sollte darüber auf Ebene der Europäischen Union diskutiert und ein entsprechender Bericht ausgearbeitet werden. Sogar der jetzt vorliegende Be­richt der EU-Kommission, der von Abgeordneter Jäger schon zutreffend als viel zu schwammig kri­ti­siert wurde, spreche bereits von der Erschließung alternativer Finanzquellen und Vor­schlä­gen zur Einführung neuer Steuern.

Abgeordnete Mag. Lunacek fragt Staatssekretär Dr. Finz, ob die österreichische Bundes­re­gierung dazu bereit wäre, auf EU-Ebene initiativ zu werden. Zwar könne mit der Einführung einer solchen Steuer nicht binnen weniger Jahre gerechnet werden, aber der Diskussions­pro­zess darüber müsse jetzt begonnen werden, auch im Sinn des – in Anwesenheit von Staats­se­kretär Morak ergangenen – Auftrags von Monterrey zur Erhöhung der Mittel für die Ent­wick­lungshilfe. Österreich sei überdies Mitglied der UNO, und diese habe es als eines ihrer Mil­lenniumsziele bezeichnet, dass bis 2015 alle Länder dazu beitragen sollen, die Armut um die Hälfte zu reduzieren. Von Österreich könne daher auch verlangt werden, dass nun erste Schrit­te gesetzt werden.

Im Sinn dieser Aufforderung an Staatssekretär Dr. Finz bringt Abgeordnete Mag. Lunacek einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG betreffend 52807/EU XXI. GP KOM (2002) 81 endg. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirt­schafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen betreffend Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung: Eine Studie über das internationale Währungs- und Fi­nanzsystem und die Entwicklungsfinanzierung ein. Damit werde die österreichische Bundes­regierung aufgefordert, initiativ zu werden, dass von Seiten der Europäischen Kommission eine weitergehende Studie erstellt wird, wobei auf Grundlagen wie die Spahn-Studie und die Mach­bar­keitsstudie der UNO zurückgegriffen und zum Ausdruck gebracht werden solle, wie die Euro­päische Union selbst dazu steht.

Es reiche nicht aus, sich auf die Position zurückzuziehen, dass nur eine weltweite Vorgangs­weise möglich wäre. Von den Vereinigten Staaten könne nicht erwartet werden, dass dort eine solche Initiative ergriffen wird. Die Europäische Union sei ja bestrebt, international eine wich­tigere Rolle zu spielen, und dazu könnte Österreich mit der Forderung nach einer Studie über eine Devisentransaktionssteuer nun einen Beitrag leisten. In weiterer Folge müssten die Ergeb­nisse einer solchen Studie auf EU-Ebene diskutiert werden, um abzuklären, wie auch das Millenniumsziel der UNO erreicht werden könnte.

Eine Devisentransaktionssteuer in der von Spahn vorgeschlagenen Höhe von 0,01 Prozent wäre für diejenigen, die grenzübergreifend mit Devisen spekulieren, nahezu unbemerkbar. Sol­che Beträge seien daher auch unter dem Gesichtspunkt, dass keine neuen Steuern eingeführt wer­den sollen, vertretbar. Auf diese Weise wäre eine zusätzliche Finanzierung von Ent­wicklungs­zusammenarbeit möglich, die es auch mit sich bringen könnte, dass auf Sanktionen ge­gen Entwicklungsländer, die zu wenig gegen die Auswanderung unternehmen, verzichtet wer­den könnte. Stattdessen könnten diese Länder dabei unterstützt werden, selbst für eine bes­sere Wirtschaftslage zu sorgen.

Eine Kurzfassung der Spahn-Studie sei von den Grünen erarbeitet worden und stehe Inter­essier­ten zur Verfügung.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) sagt, dass die ärmsten Länder am wenigsten von der Globalisierung profitieren, obwohl damit auch die Verlagerung industrieller Produktions­stätten in Länder mit billigeren Arbeitskräften verbunden ist. Diese Verlagerung komme aber ins­beson­dere Schwellenländern zugute, die sich bereits im Übergang zum Industrieland befin­den und in denen die Ausbildung und die Infrastruktur schon in besserem Zustand sind.

Obwohl es sich Institutionen wie der Club of Rome zur Aufgabe gemacht hätten, die Zahl der rund 800 Millionen Menschen, die derzeit unterernährt sind, innerhalb der nächsten zehn Jahre zu halbieren, seien in diesem Bereich bisher nur geringe Fortschritte erzielt worden. Wie die Er­fahrung gezeigt habe, seien oft die politischen Rahmenbedingungen ausschlaggebend für die Ent­wicklung eines Landes. Ein Beispiel dafür sei die Entwicklung in Korea während der letzten 50 Jahre. Südkorea sei inzwischen selbst zu einem Industrieland geworden, wogegen Nord­korea heute als eines jener Länder dastehe, in denen die Armut am weitesten verbreitet und ein großer Teil der Bevölkerung unterernährt sei. Auch in afrikanischen Ländern habe sich gezeigt, dass diejenigen unter ihnen, in denen – wie zum Beispiel am Horn von Afrika – Stammes­kämpfe oder kriegerische Auseinandersetzungen stattgefunden haben, zu den ärmsten Län­dern gehören; dort werde das erwirtschaftete Kapital in hohem Ausmaß in den Bereich der Rüs­tung verlagert. Dessen ungeachtet hätten die entwickelten Industriestaaten auch in Europa die Aufgabe und die Verpflichtung, diesen ärmsten Ländern zu helfen. Die Europäische Union wäre in der Lage, einen höheren Beitrag als bisher zu leisten.

Abgeordneter Schwarzenberger weist auf den Vorschlag hin, auch die Flugtreibstoffe einer Be­steuerung zu unterziehen; würde diese Maßnahme durchgeführt werden, so müsste dies, um glei­che Bedingungen für alle zu gewährleisten, in länderübergreifendem Ausmaß geschehen. Die ÖVP spreche sich für größere Anstrengungen als bisher im Bereich der Entwicklungshilfe aus.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz bestätigt die Ver­pflich­tung, dass sich Österreich in der Entwicklungshilfe mehr engagieren muss. Mittelfristig sei die Er­rei­chung eines Anteils von 0,35 Prozent des BIP und somit eine wesentliche Verbesserung ge­plant.

Zu der vorliegenden Studie seien sehr unterschiedliche Meinungen geäußert worden. Das sei im Fall nationalökonomischer Studien auch üblich. Es habe sich dies zum Beispiel auch an den Meinungsäußerungen betreffend die ökonomischen Auswirkungen der Geschehnisse am 11. Sep­tember 2001 gezeigt, nachdem das Finanzministerium alle kompetenten öster­reichi­schen Persönlichkeiten dazu eingeladen hatte, ihre entsprechenden Einschätzungen mitzu­teilen.

Vom ECOFIN werde derzeit vorwiegend die Ansicht vertreten, dass eine Tobin-Steuer nicht isoliert in einer einzigen Währungszone eingeführt werden könnte. Ob sich etwa die Schweiz dar­an beteiligen würde, sei äußerst zweifelhaft, und auch eine eventuelle Teilnahme Großbri­tan­niens sei sehr fraglich. Daher bestehe gegenwärtig keine günstige Möglichkeit, diese Idee zu verwirklichen. Auch ein Alleingang Österreichs würde nicht zu einer Verbesserung der Situation führen, weil nun im Zuge der EU-Erweiterung ganz andere finanzielle Fragen schwerwiegender Art im Vordergrund stünden. Österreich würde mit einem solchen Schritt überdies seine eigene Maßnahme der Abschaffung der Börsenumsatzsteuer im Jahr 2000 konterkarieren. Eine gegen­sätzliche steuerliche Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt wäre dem Versuch, Vertrauen auf dem Ka­pitalmarkt zu schaffen, sehr abträglich. Unter pragmatischen Gesichtspunkten bestehe daher keine realistische Möglichkeit, diesen Schritt zu tun. Überdies müsse Österreich jetzt darum kämpfen, die Höhe seines Beitrags als Nettozahler in der Europäischen Union im Zuge der EU-Erwei­terung auf gleich bleibendem Stand zu halten.

Obmann Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass der zuvor von Abgeordneter Mag. Lunacek ei­ngebrachte Antrag, der auch von Abgeordneter Jäger unterstützt wird, mit zur Verhandlung steht.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) fragt, wie sich Staatssekretär Dr. Finz unter den von ihm dargestellten Voraussetzungen – dass Österreich zwar zu der Absicht stehe, einen grö­ßeren Beitrag zur Entwicklungsfinanzierung zu leisten, aber gleichzeitig die Finanzierungs­fragen der EU-Erweiterung in den Vordergrund stelle – aus Sicht des Finanzministeriums die Er­reichung des EU-Ziels für Entwicklungshilfe in der Höhe von 0,39 Prozent vorstelle, die ja für Österreich eine Erhöhung auf 0,33 Prozent bis zum Jahr 2006 bedeute.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz antwortet, es sei dies eine völlig andere Frage als jene der Einführung einer Tobin-Steuer in der Europäischen Union. In dieser Frage gehe es darum, wie der entsprechende Anteil in der nationalen Budgetierung auf­zubringen sein wird. Vor wenigen Tagen habe ein Gespräch zwischen der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, dem Bundesminister für Finanzen und dem Staatssekretär im Fi­nanzministerium stattgefunden, in dem es darum gegangen sei, wie dieses Ziel, zu dessen Einhaltung sich Österreich verpflichtet habe, zu erreichen sein werde. Mit einer entsprechenden Gestaltung der nationalen Budgetmittel werde diese Zusage eingehalten werden.

Obmann Dr. Werner Fasslabend schließt die Debatte und lässt die Abstimmung über den An­trag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Lunacek, Jä­ger betreffend Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung: Eine Studie über das internationale Währungs- und Finanzsystem und die Entwicklungsfinanzierung durchführen.

Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Obmann Dr. Fasslabend unterbricht bis zum Eintreffen des für den 5. Tagesordnungspunkt zuständigen Regierungsmitglieds die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 15.59 Uhr unterbrochen und um 16.34 Uhr wieder aufgenommen.)

5. Punkt

SON DS 225/00 REV 3

Dienstleistungsverhandlungen

Overall Approach to Services Ne­go­tiations

(23190/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Werner Fasslabend begrüßt Bundesminister Dr. Bartenstein und erteilt ihm zu einer Einleitung das Wort.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein weist darauf hin, dass Ös­terreich in hohem Maße außenwirtschaftsabhängig ist und einen guten Teil seines Wohlstandes aus dem Export bezieht. In zunehmendem Maß trete zum Export von Waren auch der Export von Dienstleistungen. Im letzteren Bereich habe Österreich inzwischen einen Weltmarktanteil von 2,3 Prozent erreicht, einen ungefähr doppelt so hohen Anteil wie insgesamt im Export­geschäft. Die österreichische Außenwirtschaft habe im Jahr 2001 den Wert von 1 Billion Schil­ling oder gut 70 Milliarden € erreicht und betrage somit 34 bis 35 Prozent des Bruttoinlands­pro­dukts. Dieser Anteil werde in den nächsten Jahren weiter steigen. Mit den Erfolgen in der Außen­wirtschaft sei es in den letzten Jahren auch zu einer Reduktion des Handelsbilanzdefizits gekommen, und dieser Trend sollte sich weiter fortsetzen.

Österreich gehöre daher zu denjenigen Ländern, die ein überproportionales Interesse am Funktio­nieren und einer weiteren Liberalisierung des Welthandels haben. Dafür sei auch die zuletzt in Doha, Katar, eingeläutete Runde von Handelsgesprächen – die Development Round, also eine Liberalisierungsrunde im Sinne der Entwicklungsländer – ein besonders wichtiger Aus­gangspunkt, und innerhalb dieser WTO-Verhandlungsrunde komme dem Dienstleis­tungs­bereich besondere Bedeutung zu. Österreich werde als in die Europäische Union eingebunde­nes Land an dieser für drei Jahre anberaumten WTO-Runde teilnehmen.

Bundesminister Dr. Bartenstein macht darauf aufmerksam, dass sich die Verhandlungen über das GATS, das General Agreement on Trade in Services, zur Liberalisierung des Dienst­leis­tungshandels derzeit noch im Anfangsstadium befinden. In Doha seien als Termine für die Ab­gabe von Länderforderungen der 3. Juni 2002 und für die Übermittlung der ersten Angebote der 31. März 2003 festgelegt worden.

Von Seiten der Europäischen Union seien Forderungen an 109 von den insgesamt 143 WTO-Mitgliedern – einschließlich der einzelnen EU-Mitgliedstaaten – geplant. Die entsprechenden Lis­ten seien derzeit im Vorbereitungsstadium und würden sehr umfassend ausfallen. Jene Punkte, die den Bereich öffentlicher Dienstleistungen betreffen, stünden derzeit in Diskussion. Nicht in die EU-Forderungen einbezogen seien – abgesehen von den Forderungen an die USA – die Bereiche Gesundheit, Bildung, Erziehung sowie Sport und Freizeit. Auch in den an­deren WTO-Mitgliedsländern werde derzeit an solchen Forderungslisten gearbeitet. Über den Inhalt dieser Forderungen sei derzeit noch nichts bekannt.

Wann ein konsolidiertes Angebot, wie es bis 31. März 2003 zu erstellen ist, vorliegen wird, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Es stehe aber fest, dass die Verpflichtungen, die mit einer derartigen Anbotlegung hinsichtlich der Liberalisierung einzelner Dienstleistungen ab­ge­geben werden, ausschließlich von den einzelnen Mitgliedstaaten individuell eingegangen wer­den. Daher sei auch Österreich in diesem Fall nicht an eine Vorgangsweise der Euro­päischen Union gebunden, sondern entscheide selbst darüber, welches Angebot gelegt werden soll.

Als ein besonders sensibles Thema gelte aus österreichischer Sicht die Wasserversorgung. Bun­desminister Dr. Bartenstein betont, Österreich werde die Wasserversorgung nicht in sein An­­gebot aufnehmen. Insgesamt habe Österreich offensive Interessen im Bereich der indus­trie­nahen Dienstleistungen und der Infrastrukturdienstleistungen. An defensiven Interessen seien aus österreichischer Sicht insbesondere die Frage der Personenbewegung, freie Berufe, Apothe­ken, Arbeitsvermittlung, Verkehr und Transport zu erwähnen. Somit bestehe ein Über­ge­wicht der defensiven gegenüber den offensiven Interessen. Österreichs Wirtschaft habe bisher noch keine GATS-relevanten offensiven Anträge eingebracht, was sich damit begründen lasse, dass die österreichischen Dienstleistungsexporteure vor allem in den EU-Raum exportieren, so­dass bereits die Binnenmarktregeln gelten und eine WTO-Liberalisierung keine Rolle mehr spiele.

Von verschiedenen Seiten sei dem GATS in letzter Zeit vorgeworfen worden, es schwäche die Be­reitstellung von öffentlichen Dienstleistungen wie Bildung, Erziehung, sozialen Dienstleis­tun­gen oder Wasserversorgung, indem es deren Privatisierung erzwinge und die öffentliche Finan­zierung sowie Subventionierung verbiete. Diese Vorwürfe würden jedoch einer kritischen Über­prüfung nicht standhalten. Allfällige Liberalisierungen würden keinesfalls eine Privatisierung von solchen Bereichen nach sich ziehen müssen.

Der Anteil der Europäischen Union am globalen Dienstleistungshandel sei – ohne Berücksichti­gung des EU-internen Handels – mit 25 Prozent ebenfalls überproportional groß. Demgegen­über lägen die Werte der USA bei 19 Prozent und Japans bei 5 Prozent. Österreich liege mit seinem Anteil von 2,3 Prozent weltweit an 12. Stelle.

In Bezug auf die Frage der Transparenz und der Einbindung des Parlaments in die Entschei­dungs­findung in Österreich weist Bundesminister Dr. Bartenstein darauf hin, dass für die Parla­mentsklubs regelmäßig Informationsveranstaltungen über den Fortgang der WTO-Verhandlun­gen abgehalten werden, für die auf Ministeriumsseite Sektionschef Mayer zuständig sei. Die bis­her letzte dieser Veranstaltungen habe am 7. Juni dieses Jahres stattgefunden. Auch den Nicht-Regierungsorganisationen werde zu gesonderten Besprechungen Gelegenheit geboten, so geschehen zum Beispiel am 5. Juni 2002.

Zuletzt sei allerdings ein Problem dadurch entstanden, dass unlängst – mit großer Wahrschein­lich­keit nicht aus Österreich – eine erste Gruppe der zuvor angesprochenen Listen an die Öf­fent­lich­keit gelangte. Die Europäische Kommission habe darauf mit strikten Maßnahmen reagiert und gebe diese Listen jetzt nur noch schriftlich heraus; einzelne Beamte würden nun so­gar auf ihre Zuverlässigkeit „gescreent“ werden. Dies werde damit begründet, dass es we­sent­lich auf die Akkordierung einer EU-internen Position ankomme, diese Akkordierung aber nicht für die Handelspartner transparent sein solle, weil diese Partner sich – wie sich an den Beispielen des Stahlstreits mit den USA oder der dortigen Farm Bill gezeigt habe – nicht selten als EU-Gegner erwiesen hätten. Wüsste nun ein Verhandlungspartner über unterschiedliche Po­si­tionen der Mitgliedstaaten Bescheid, so fiele es ihm umso leichter, einen Keil in die Euro­päische Union zu treiben.

Mit Bezug auf eine am Vortag von verschiedenen Gruppen geäußerte Kritik stellt Bundes­mi­nister Dr. Bartenstein noch einmal Folgendes klar: Es gehe dort, wo liberalisiert werde, nicht auch um Privatisierung. So sei beispielsweise die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes in keinem einzigen Fall in direktem Zusammenhang mit einer Privatisierungsmaßnahme gestan­den.

Ein weiterer wichtiger Punkt bestehe darin, dass es nicht möglich sein wird, in Fragen der Was­serversorgung oder in ähnlichen Fragen Österreich irgendetwas vorzusetzen. Österreich be­halte seine volle autonome Entscheidungsfreiheit, bleibe jederzeit handlungsfähig und brauche da­her auch in das bis Ende März 2003 zu erstellende Angebot nur jene Punkte aufzunehmen, die Österreich selbst aufnehmen wolle. Das Parlament werde in diese Entscheidung vorher ein­gebunden werden.

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ) spricht von einer Gefahr in Bezug darauf, dass sich jetzt die großen Konzerne dem global in Bewegung gekommenen, riesigen Markt annähern wollen. Etwa in den Bereichen der Banken, der Telekommunikation, der Post oder der Strom- und Gas­ver­sorgung lasse sich der große Erfolg, von dem Bundesminister Dr. Bartenstein gesprochen habe, nicht erkennen. Am Beispiel der Übernahme der insolventen KirchMedia habe sich zuletzt in Deutschland gezeigt, mit welcher Angst die Entwicklung im Medienbereich verfolgt werde.

In Österreich herrsche im Umgang mit den Wasservorräten eine gewisse Sorglosigkeit vor. Mit wel­chen Methoden die Konzerne vorzugehen pflegen, sei ja bekannt: Da stünden zuerst Dienst­leistungsverträge mit den traditionellen Versorgungsunternehmen im Vordergrund, die Libe­ra­lisierung diene als Deckmantel, und letztlich werde von den Konzernen der Erwerb der Unter­neh­mungen angestrebt. Wer die Vorgangsweise von in Europa führenden Konzernen wie Viven­di oder Suez Lyonnaise des Eaux betrachte, könne die weitere Entwicklung bereits ab­sehen.

Nach Ansicht von Abgeordnetem Faul ist die Hereinnahme der Wasserversorgung in das GATS ein schlechtes Zeichen, weil, wenn diese Tür einmal geöffnet werde, gewöhnlich kein Zurück mehr möglich sei. Der auch von Experten erwartete nächste Schritt ergebe sich aus der Libe­ralisierungsverpflichtung in der Europäischen Union. Die Konsequenz daraus wäre die Öffnung des Wassermarktes für ausländische Konzerne per gesetzlicher Verordnung und der Übergang der öffentlichen Daseinsvorsorge in private Hände. Was dann in weiterer Folge bevorstehe, ha­be sich in Großbritannien und Frankreich bereits gezeigt.

Nicht gut wäre es, in der revidierten Forderungsliste der Europäischen Union gegenüber den Ver­einigten Staaten von Amerika zu verlangen, dass die USA den Bereich der privaten Hoch­schulen und Universitäten liberalisieren müssen. Es sei richtig gewesen, dass diese Forde­run­gen im Bildungsbereich in den alten Forderungslisten explizit ausgenommen waren. Abgeord­neter Faul spricht von einer Dynamik im Bildungsbereich, die bisher aus der österreichischen Bil­dungspolitik ausgeklammert gewesen sei. Infolge der EU-Forderungen wäre es künftig mög­lich, dass von Seiten der USA Gegenforderungen erhoben werden, was ein Eindringen der Pri­vat­universitäten in den österreichischen Bildungsbereich und die Übernahme des tertiären Be­reichs durch Privatuniversitäten bedeuten würde. Die SPÖ halte es für eine verfehlte Politik, in die­sem sensiblen Bereich GATS-Bindungen einzugehen, und verlange daher die Streichung dieses Zusatzes auf der EU-Forderungsliste.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) fragt, ob die von Bundesminister Dr. Bartenstein skizzierte Ausnahme der Bereiche Gesundheit, Bildung, Erziehung sowie Sport und Freizeit aus den EU-Forderungen tatsächlich gegenüber allen anderen Ländern außer den USA Gültigkeit haben werde. Auch möge er darüber Auskunft geben, welche Bereiche Österreich in sein Ange­bot aufnehmen werde und was – ebenso wenig wie die Wasserversorgung – nicht darin ent­hal­ten sein werde.

Abgeordnete Mag. Lunacek spricht sich dafür aus, dass grundsätzlich der gesamte Bereich der öffentlichen Dienstleistungen nicht vom GATS-Abkommen erfasst werden sollte. Zwar müsse es nicht so sein, dass Liberalisierung gleichzeitig auch Privatisierung bedeutet, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass nach dem ersten Schritt der Liberalisierung später auch die Privatisierung erfolgt. Im öffentlichen Dienstleistungsbereich wäre so etwas jedoch in keinem Fall zielführend. In den Entwicklungsländern habe sich zum Teil schon gezeigt, wie auf diese Wei­se Menschen zunehmend vom Zugang zur Bildung und vor allem zur Gesundheit aus­ge­schlossen werden. Diese Tendenz werde bei der vorgesehenen Art der Erfassung im GATS auch die Industrieländer erreichen.

Sie fragt, ob sich Bundesminister Dr. Bartenstein auf EU-Ebene dafür einsetzen werde, dass öf­fentliche Dienstleistungen wie Gesundheits- und Bildungswesen, Sozialversicherung, Wasser­ver­sor­gung und öffentlicher Verkehr vom GATS-Abkommen nicht erfasst werden, und bringt zur Un­terstützung dieser Forderung einen entsprechenden Antrag auf Stellungnahme gemäß Arti­kel 23e Abs. 2 B-VG 23190/EU XXI. GP SON DS 225/00 RV 3 Kommission Arbeitsunterlage be­treffend Dienstleistungsverhandlungen – Overall Approach to Services Negotiations ein. In diesem Antrag wird überdies gefordert, es sollten die Verhandlungen transparent verlaufen und die Parlamente und die Öffentlichkeit laufend informiert und eingebunden werden, und schließ­lich wird die Forderung erhoben, dass die Entwicklungsländer nicht unter Druck gesetzt werden sollten, den Markt für öffentliche Dienstleistungen zu öffnen.

Was die Einbindung des Parlaments betrifft, betont Abgeordnete Mag. Lunacek, sie begrüße die von Bundesminister Dr. Bartenstein bereits angesprochenen Informationstätigkeiten, die im Ministerium von Sektionschef Mayer betreut werden. Ein Defizit bestehe in dieser Hinsicht nur auf Seiten des Parlaments selbst, weil es hier bisher nicht – wie es das Anliegen der Grünen wäre – zur Einrichtung eines Ständigen Unterausschusses des Wirtschaftsausschusses zu die­sem Thema gekommen ist.

Die Forderung, es solle kein Druck auf die Entwicklungsländer ausgeübt werden, dass dort die Märkte im Zuge einer Liberalisierung, die in weiterer Folge selbstverständlich auch die Frage der Privatisierung aufwerfe, für öffentliche Dienstleistungen zu öffnen wären, diene auch dem Ziel der Armutsbekämpfung und der gesellschaftlichen Weiterentwicklung in diesen Ländern. Ab­ge­ordnete Mag. Lunacek fragt, ob Bundesminister Dr. Bartenstein vorhabe, sich in den Ver­handlungen dafür einzusetzen, dass ein solcher Druck nicht ausgeübt wird.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) dankt Bundesminister Dr. Bartenstein für dessen Klarstellung in Bezug auf das für Österreich wichtige Anliegen, größte Sensibilität im Bereich der Wasserversorgung walten zu lassen und dafür zu sorgen, dass dieser Bereich auch nach dem März 2003 nicht in irgendeine Angebotsliste aufgenommen werden kann.

Im Zusammenhang mit der Liberalisierung des GATS sei nicht die Unterscheidung zwischen öf­fentlichem und privatem Bereich von primärer Bedeutung. Auch im Fall einer privaten Organi­sation der Wasserwirtschaft – wie sie teilweise schon der Fall sei – wäre diese genauso schutz­bedürftig wie als öffentliche Versorgung.

Abgeordneter Dr. Feurstein zeigt sich erfreut darüber, dass sich Abgeordnete Mag. Lunacek positiv über die Informationstätigkeit auf Regierungsseite gegenüber dem Parlament geäußert und wenig Kritik daran geübt hat.

Was ihre Forderung betrifft, auf die Entwicklungsländer keinen Druck auszuüben, sei das aus österreichischer Sicht eine Selbstverständlichkeit. Die Bundesregierung brauche nicht aus­drück­lich dazu aufgefordert zu werden, alles zu tun, damit auf die Entwicklungsländer kein Druck ausgeübt wird, sondern werde von sich aus dafür eintreten. Eine gegenteilige Unter­stel­lung gegenüber der Bundesregierung wäre nicht ganz korrekt. Ein positiver Beschluss über diesen Antrag wäre mit einem unangebrachten unterschwelligen Vorwurf gegenüber der Regie­rung verbunden, obwohl ein solcher Verdacht nicht berechtigt sei.

Im Zusammenhang mit der Kompetenz Österreichs für Dienstleistungen im Umweltbereich stel­le sich die Frage, ob Österreich nicht offensiv als Anbieter solcher Dienstleistungen auftreten sollte. Österreich könne auf Grund seiner Stärke im Umweltbereich anderen Ländern nützliche Dienstleistungen anbieten, was für die gesamte Umweltpolitik von Vorteil sein könnte. Damit wür­de sich Österreich auch in den Verhandlungen nicht bloß defensiv verhalten. Dies würde zwar nicht Bereiche wie die Wasserversorgung oder die Sozialversicherung betreffen, aber im Bereich der Umweltdienstleistungen bestünde eine Gelegenheit, auch im Interesse anderer Staaten die österreichischen Dienste anzubieten.

Obmann Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass der Antrag von Abgeordneter Mag. Lunacek ordnungsgemäß eingebracht ist und mit zur Verhandlung steht.

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ) antwortet Abgeordnetem Dr. Feurstein, er selbst habe aus den Ausführungen von Abgeordneter Mag. Lunacek nicht herausgehört, dass sie mit der In­formation an das Parlament zufrieden sei und diese für ausreichend und gut befinde.

Bundesminister Dr. Bartenstein möge erklären, wie die zwei Aussagen in seiner Stellung­nah­me vereinbar wären, dass zwar vom Ministerium laufend informiert werde, zugleich aber die Euro­päische Union sehr restriktiv verfahre und mit Härte gegen Beamte vorgehe, die Infor­ma­tionen an die Öffentlichkeit gelangen lassen. Es stelle sich die Frage, ob mit dem Parlament nur ein Scheingespräch stattfinde und was dagegen spreche, zu einer Mitbestimmung des Parla­ments zu kommen, wie es auch das Recht des Parlaments und damit der Öffentlichkeit sei.

In Umfragen habe sich bereits gezeigt, dass ein sehr großer Teil der Bevölkerung nichts von einer Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge halte. In Aussagen im Rah­men des Österreichischen Gemeindetages hätten auch Vertreter der ÖVP solchen Be­stre­bungen eine klare Absage erteilt.

Wenn jetzt gesagt werde, dass die Wasserversorgung nicht im österreichischen Angebot stehen wird, so reiche dies nicht aus. Es sei zu fragen, was konkret in diesem Angebot stehen werde und wie sich Österreich in den darauf folgenden Verhandlungen gegenüber den Wünschen der an­deren WTO-Mitgliedstaaten verhalten werde. Da in diesen Verhandlungen keine sehr demo­kratischen Spielregeln Gültigkeit hätten, würden sich jene Staaten durchsetzen, die über die stär­keren Druckmittel verfügen. Österreich müsse sich nicht nur für die Entwicklungsländer, son­dern auch für sich selbst wegen der möglichen Ausübung von Druck Sorgen machen. Da Öster­reich stark vom Außenhandel abhänge, bestehe auch die Gefahr, erpressbar zu sein. Zwar werde Österreich selbstständig sein Angebot stellen können, aber die Frage bestehe vor allem darin, was danach in den Verhandlungen geschehen wird.

Nach Ansicht von Abgeordneter Inge Jäger (SPÖ) hat Bundesminister Dr. Bartenstein die Be­rei­che, die derzeit von Österreich bei den Verhandlungen ausgenommen werden, sehr posi­tiv dargestellt. Zwar sei es zu begrüßen, dass der Bereich Wasserversorgung von Österreich nicht angesprochen wird, aber von anderen Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung seien bereits Vorstellungen darüber geäußert worden, wie der österreichische Wasserreichtum dazu dienen könnte, damit „Geld zu machen“.

Es sei nun notwendig, in Österreich eine Einigung darüber zu erzielen, welche Bereiche weiter­hin unter öffentlicher Verwaltung stehen müssten. Viele Menschen in Österreich seien sehr be­sorgt in Bezug auf die neuen GATS-Verhandlungen, und die Bevölkerung habe ein Recht dar­auf, dass die Politiker sehr sorgsam mit diesem Thema umgehen. Im Zuge der weltweiten Libe­ralisierung würde eine Reihe von Forderungen an Österreich herangetragen werden – auch im Bil­dungsbereich –, die nicht im Interesse der Bevölkerung stehen würden. Die Parla­mentarier seien dazu aufgefordert, sich ständig mit diesem Thema auseinander zu setzen und nicht nur auf Informationsaktivitäten seitens der Regierung zu warten. In diesem Sinn sei auch die jetzige Sitzung des Ständigen Unterausschusses zu begrüßen. Das Interesse müsse sich in größerem Maße darauf richten, welche Forderungen gegenüber Österreich erhoben werden und wie in Zukunft bestimmte Begehrlichkeiten abgewehrt werden könnten.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) erwidert Abgeordnetem Dr. Feurstein, sie könne die Interpretation, wenig Kritik an der Informationstätigkeit der Bundesregierung geübt zu ha­ben, nicht so stehen lassen. Sie habe es lediglich begrüßt, dass Gespräche mit Sektionschef Mayer stattfinden. Aber auch dieser werde nicht viel sagen können und dürfen, wenn von Seiten der Europäischen Union entsprechende Restriktionen erlassen werden.

Bundesminister Dr. Bartenstein möge darlegen, welche Forderungen Österreich gegenüber den anderen Ländern erheben werde oder wann den Abgeordneten im Parlament diese Forde­rungs­listen vorgelegt werden. Er möge auch Auskunft darüber geben, welche Bereiche neben der Wasserversorgung Österreich sonst noch ausschließen werde, welche Bereiche Österreich anbieten werde und wann das Parlament darüber Aufschluss bekommen werde. Es sei nämlich Ange­legenheit des Parlaments, in derart sensiblen Fragen im Dienstleistungsbereich mitzu­ent­scheiden.

Von Ländern mit starkem wirtschaftlichem Gewicht wie den Vereinigten Staaten von Amerika, bei denen 70 Prozent der Wirtschaftsleistung auf den Dienstleistungssektor entfallen, werde im Rahmen eines damit verbundenen Machtspiels auch ein gewisser Druck auf die Entwicklungs­länder ausgeübt. Es müsse sichergestellt werden, dass dies nicht für Österreich gilt.

Abgeordnete Mag. Lunacek fragt, ob die Regierungsfraktionen bereit wären, ihrem Antrag zuzu­stimmen, wenn sie die zweite und dritte Forderung – betreffend Einbindung von Parlament und Öffentlichkeit sowie Vermeidung des Drucks auf die Entwicklungsländer – wegließe und nur den ersten Punkt aufrechterhielte: Österreich möge sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass öffent­li­che Dienstleistungen wie Gesundheits- und Bildungswesen, Sozialversicherung, Wasserver­sorgung und öffentlicher Verkehr vom GATS-Abkommen nicht erfasst werden.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein antwortet Abgeordnetem Faul, die von ihm angesprochene Liberalisierung im Energiebereich sei auf Basis eines EU-Re­gimes erfolgt und überdies in Bezug auf die zeitliche Abfolge weit darüber hinausgegangen. In dieser Hinsicht habe sie daher mit den WTO-Verhandlungen nichts zu tun.

Auch wenn Abgeordneter Faul in dieser Liberalisierung keinen Erfolg erblicken könne, so stehe dem doch gegenüber, dass laut einer Wifo-Studie als Ergebnis eine Gesamtrendite in Höhe von 700 Millionen € an erheblichen Preisvorteilen insbesondere für die mittelständische Wirtschaft, aber auch für die Haushaltskunden erreicht worden ist. Daher könne nicht davon die Rede sein, dass die Stromliberalisierung nichts gebracht hätte. Auch die GATS-Liberalisierung werde zu günsti­gen Ergebnissen führen. Im Übrigen habe bei diesen Themen im Parlament bisher ein Drei-Par­teien-Konsens bestanden, da auch die sozialdemokratische Opposition am selben Strang gezogen habe.

Von einem sorglosen Umgang mit dem Wasser könne absolut keine Rede sein, da die Bundes­regierung diesem Thema großes Augenmerk schenke.

Was wiederum die Privatuniversitäten betrifft, seien solche in Österreich bereits vorhanden, nach­dem im Parlament ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wurde. Privatuniversitäten sol­le es auch hierzulande geben, es werde aber nicht dazu kommen, dass amerikanische Uni­ver­sitäten die österreichischen verdrängen werden. Im Bildungsbereich finde ein vernünftiger und zweckmäßiger Wettbewerb statt, es drohe aber nicht die Übernahme der österreichischen durch private amerikanische Universitäten.

Die Frage von Abgeordneter Mag. Lunacek danach, welche Bereiche Österreich über die Was­ser­versorgung hinaus nicht in sein Angebot aufnehmen werde, lasse sich zum jetzigen Zeit­punkt noch nicht beantworten, weil diese Entscheidung in einem komplexen innerösterreichi­schen Prozess erst akkordiert werde. Bundesminister Dr. Bartenstein verweist darauf, dass er in Be­zug auf Österreichs defensive Interessen bereits die Bereiche Personenbewegung, freie Be­ru­fe, Apotheken, Arbeitsvermittlung, Verkehr und Transport erwähnt hat. Es könne davon aus­ge­gangen werden, dass diese Themen in der österreichischen Angebotsliste nicht enthalten sein werden.

Weitere Informationen über Angebotslisten und entsprechende Forderungen der Europäischen Union seien dem Parlament bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt worden; heute habe nun Sektionschef Mayer das gleiche umfangreiche Informationspaket hier im Ausschuss neuerlich zur Verteilung gebracht. Was die Frage der Vertraulichkeit betrifft, so stelle sich diese ins­besondere gegenüber Nicht-Regierungsorganisationen, hingegen sei Sektionschef Mayer durchaus berechtigt und in der Lage, gegenüber Parlamentariern offen zu reden.

In Bezug auf öffentliche Dienstleistungen bestehe im GATS auch heute schon eine generelle Aus­nahme, die immer dann greife, wenn eine Dienstleistung weder auf kommerzieller Grund­lage – also ohne Gewinnabsicht – noch im Wettbewerb mit anderen Anbietern erbracht werde. Darunter könnten sämtliche Dienstleistungen, die gemeinhin unter den Begriff der öffentlichen Dienstleistungen fallen – Erziehung und Bildung, Sicherheit, Gesundheit –, subsumiert werden.

Bundesminister Dr. Bartenstein antwortet Abgeordneter Mag. Lunacek, die Bundesregierung ha­be auf EU-Ebene bisher kein österreich-spezifisches Forderungskompendium eingebracht. Es sei aber möglich, viele der von der Europäischen Kommission erhobenen Forderungen mit­zu­tragen. Ein Beispiel dafür seien die bereits von Abgeordnetem Dr. Feurstein angesprochenen Umweltdienstleistungen. Allerdings müsse beachtet werden, dass solche Dienstleistungen auch in einem engen Zusammenhang mit den Bereichen Wasserwirtschaft, Abwasserreinigung und Abwas­serentsorgung stehen. Von dort wäre es dann nur noch ein kleiner Schritt zur Wasser­versorgung.

Er erachtet es wegen der beschriebenen Voraussetzung, dass jeder Mitgliedstaat individuell für seine Angebotserstellung zuständig ist, für schwierig, von österreichischer Seite innerhalb der Europäischen Union Druck zur Erreichung bestimmter Ziele auszuüben. Es bestehe kaum eine Mög­lichkeit, im Artikel-133-Ausschuss die österreichischen Wünsche, was alles abzulehnen wä­re, vorzubringen. Was von den einzelnen Ländern an Forderungen eingebracht werde, werde von der Europäischen Kommission gewissermaßen nur weitergereicht. Österreich werde sich genau überlegen, was es auf nationaler Ebene anbieten wird.

Was die Vermeidung der Ausübung von Druck auf die Entwicklungsländer betrifft, erinnert Bun­desminister Dr. Bartenstein daran, dass die Entwicklungsländer die WTO-Verhandlungsrunde in Doha voll mitgetragen haben. Der scheidende WTO-Generaldirektor Michael Moore habe erst kürzlich von einem recht zufrieden stellenden Fortgang bei der Einbindung der Ent­wick­lungs­länder gesprochen. Es werde sicherlich keinerlei Druck ausgeübt werden, sondern der Druck wer­de vielmehr von Seiten der Entwicklungsländer selbst kommen – dies habe allerdings we­niger mit dem Dienstleistungsbereich zu tun –, wenn sie zum Beispiel Zugang zu den euro­päischen Märkten fordern. Da aber habe sich gezeigt, dass auch die Fraktion der Grünen nicht im­mer zu denjenigen gehöre, die sich für eine Öffnung der Märkte aussprechen. Die Frage, die sich wirklich stellen werde, laute vielmehr: Was haben wir den Entwicklungsländern anzubieten, und was wird in unserem Angebot enthalten sein?

In einem hochrangig besetzten OECD-Round-Table unter Teilnahme von Vertretern aus Ent­wick­lungsländern und OECD-Ländern sowie von Anteilseignern aus dem Wirtschaftsbereich und Anbietern öffentlicher Dienstleistungen sei übereinstimmend die Auffassung vertreten wor­den, es werde, was den Infrastrukturbereich in Entwicklungsländern betrifft, absolut zweck­mä­ßig sein, erstens die Entwicklungshilfe nicht durch ausländische Direktinvestitionen zu ersetzen, weil beides zusammen erforderlich sei, und zweitens die Infrastruktur in Entwicklungsländern – dies gelte auch für die Wasserversorgung – im Eigentum der Entwicklungsländer zu belassen, und zwar auch dann, wenn das Management von anderen durchgeführt werde, weil diese es besser könnten. Dies bedeute eine Absage an Aktivitäten in Richtung von Privatisierungen.

Bundesminister Dr. Bartenstein antwortet Abgeordnetem Mag. Gaßner in Bezug auf die Infor­ma­tions­tätigkeiten des Ministeriums, dass Parlamentarier einen bevorzugten Zugang zu diesen Informationen haben. Anderen Stellen gegenüber gelte ein gewisses Maß an Vertraulichkeit.

Der Wunsch nach stärkerer Mitbestimmung in der World Trade Organization sei bereits von Par­lamentariern auf verschiedenen Ebenen geäußert worden. In realistischer Betrachtung müs­se aber zur Kenntnis genommen werden, dass es Mitbestimmung auf den UNO-Ebenen weder in New York noch in den einzelnen Agencies wirklich gibt. Hin und wieder sei der Wunsch nach einer parlamentarischen Versammlung der WTO geäußert worden, aber es sei nicht zu er­warten, dass dies einem zügigen Verhandeln dieses ohnehin nicht einfachen Prozesses dien­lich wäre. Dabei wäre für jede einzelne Entscheidung ein Konsens unter den 143 Mit­glied­staaten erforderlich, den Bundesminister Dr. Bartenstein als eine „Demokratie zum Exzess“-Ein­stimmigkeit charakterisiert. Statt den Entscheidungsablauf in dieser Weise zu überfrachten, sei es besser, dass die EU-Mitgliedstaaten auf der Ebene der Vorentscheidungen die Parlamente entsprechend einbinden.

Mit dem Thema Privatisierung habe die GATS-Liberalisierung nichts zu tun. Es sei nicht zweck-mäßig, allgemein von der Ausnahme öffentlicher Dienstleistungen zu sprechen, sondern es müs­se im Einzelnen gesagt werden, welche Dienstleistungen ausgenommen sein und auf die Er­brin­gung durch öffentliche Hände beschränkt bleiben sollen. Dabei bestehe eine gewisse Dyna­mik, die auch zur Veränderung des Standpunktes führen könne.

Die Frage danach, was im österreichischen Angebot stehen wird, beantwortet Bundesminister Dr. Bartenstein damit, er wisse dies derzeit selbst noch nicht. Das Angebot befinde sich in Aus­ar­beitung. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass die Wasserversorgung nicht im An­ge­bot stehen wird.

Zur Frage einer österreichweiten Grundsatzdiskussion mit abschließender Einigung darüber, wel­che Dienstleistungen öffentlich erbracht werden sollen und welche nicht, stellt Bundes­minis­ter Dr. Bartenstein fest, dass nicht einmal im Gesundheitsbereich alle Anbieter öffentlich sind. In der Praxis zeige sich sehr oft eine Durchmischung öffentlicher und privater Anbieter, und zwar auch im Bereich der Energieversorgungsunternehmen. Selbst von Seiten der Sozialdemokratie sei zugestanden worden, sie könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Abgehen von der verfassungsrechtlich festgeschriebenen 51-Prozent-Mehrheit an Energieversorgungs­unter­nehmen vorstellen. Daher sollte von Fall zu Fall pragmatisch entschieden und nicht ideologisch diskutiert werden.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) fragt, ob die Abgeordneten über die Punkte des An­gebotes, das Österreich stellen wird, von Sektionschef Mayer konkrete Informationen erhal­ten werden.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein antwortet, es werde selbst­verständlich dazu kommen.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) hält fest, dass die Entwicklungsländer im Agrar­bereich den gleichen Marktzugang fordern, den die Industrieländer zu ihren Märkten haben. In dieser Hinsicht gehe es um die Agrarpolitik der Europäischen Union. Diese Politik werde sehr wohl eine Änderung erfahren müssen.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein antwortet, die „Everything But Arms“-Initiative sei vorbildlich, was die Europäische Union anbelangt. Im Dienstleistungs­bereich werde es um ähnliche Ziele gehen. Seitens der Entwicklungsländer werde der Wunsch nach Zugängen zu den europäischen Dienstleistungsmärkten bestehen, und da werde sich dann zeigen, wie die Grünen darauf reagieren werden, weil dabei auch eine Abwägung der eigenen Interessen gegen eine faire Behandlung der „Freunde aus den Entwicklungsländern“ stattzufinden haben werde.

Obmann Dr. Werner Fasslabend schließt die Debatte und bringt den Antrag auf Stellung­nahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Lunacek betreffend Dienst­leistungsverhandlungen – Overall Approach to Services Negotiations zur Abstimmung.

Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Obmann Dr. Fasslabend stellt fest, dass die Tagesordnung erschöpft ist, und schließt die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 17.25 Uhr

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