23/AE XXII.GP

Eingelangt am: 20.12.2002

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und
Freunde

betreffend begleitende Maßnahmen nach der Aufhebung von    § 209
StGB

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002 dem
Antrag des Oberlandesgericht Innsbruck Folge gegeben und den § 209
Strafgesetzbuch als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung des § 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof gilt
rückwirkend nur im Anlassfall. Bereits rechtskräftige Verurteilungen bleiben - mit
allen negativen Folgen für die Verfolgten - aufrecht. Noch nicht angetretene
Freiheitsstrafen müssen auch nach der Aufhebung vollzogen werden. Auch nach
der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof werden Strafverfahren
wegen § 209 StGB bzw. dem zwischenzeitlich neu geschaffenen und seit 14.
August 2002 wirksamen § 207 b StGB durchgeführt.

So wurde noch nach Veröffentlichung des Erkenntnisses der
Verfassungsgerichtshofes (21.6.2002) von der Staatsanwaltschaft Wien ein
Strafantrag eingebracht, obwohl Justizminister Böhmdorfer angekündigt hatte,
dass keine Anklagen nach dem aufgehobenen Sonderstrafgesetz mehr erhoben
würden. Nach wie vor werden Strafverfahren gegen Männer wegen Handlungen
geführt, die bei heterosexuellen oder lesbischen Handlungen nicht strafbar sind,
weil der neue § 207b StGB nur bei schwulen Beziehungen rückwirkt und auf
"Taten" vor dem 14. August 2002 anwendbar ist.

Nach Beseitigung dieser letzten strafrechtlichen Sonderbestimmung für
schwule Männer müssen alle rechtskräftigen Verurteilungen allein nach § 209
StGB getilgt und rückwirkend aufgehoben, Untersuchungs- und Strafgefangene,
die allein wegen § 209 StGB verurteilt bzw. verfolgt werden, sofort aus den
Strafanstalten entlassen werden und ist dafür Sorge zu tragen, dass bereits
rechtskräftige Freiheitsstrafen nicht mehr angetreten werden müssen. Darüber
hinaus sollte sich die Republik Österreich bei allen Opfern für die
menschenrechtswidrige Verfolgung entschuldigen und für eine angemessene
Entschädigung für das erlittene Unrecht sorgen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:


1.        Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat eine Entwurf
für ein Bundesgesetz zur Amnestie, Rehabilitierung und Entschädigung
wegen Verurteilungen, die überwiegend nach dem als verfassungswidrig
aufgehobenen § 209 Strafgesetzbuch erfolgten, vorzulegen. Der
Vorschlag hat jedenfalls die Rechtsgrundlage für folgende Maßnahmen zu
umfassen:

Die Tilgung aller überwiegend auf § 209 beruhenden
Verurteilungen, damit niemand wegen Verurteilung oder sonstiger
behördlicher Tätigkeit aufgrund § 209 StGB in welcher Art auch
immer benachteiligt wird;

die Löschung aller Vormerkungen, insbesondere im Strafregister
und im kriminalpolizeilichen Aktenindex auf Grund § 209 StGB;

die Löschung aller personenbezogenen Daten, insbesondere auch
erkennungsdienstlichen Daten, die im Zusammenhang mit
Verfahren nach § 209 StGB ermittelt worden sind;

die rückwirkende Aufhebung aller Verurteilungen, die überwiegend
auf § 209 StGB beruhen;

die Entlassung aller überwiegend nach § 209 StGB verurteilten
Gefangenen aus dem Strafvollzug; und

die volle finanzielle Entschädigung aller überwiegend nach § 209

StGB

Verurteilten und Rückerstattung der Geldstrafen.

2.        Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, bereits vor Inkrafttreten des
Bundesgesetzes zur Amnestie, Rehabilitierung und Entschädigung von
Verurteilten nach dem verfassungswidrig aufgehobenen § 209
Strafgesetzbuch alle nach der geltenden Rechtslage möglichen Schritte zu
setzen, damit

die Aussetzung des Strafvollzuges für alle nach § 209 StGB

verurteilten

Strafgefangenen und

den Aufschub des Strafvollzuges für alle allein nach § 209 StGB

Verurteilten

gewährleistet werden kann und dem Nationalrat darüber zu berichten.


In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.
                                                                       .