55/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 26.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Johann Mater

und Genossinnen

betreffend „Recht auf ein Girokonto"

 

 

Besitzt ein europäischer Bürger heute keine Bankverbindung (Girokonto), dann bedeutet das
für ihn, dass er nur unter erheblichen (psychischen) Schwierigkeiten sowie unter
organisatorischen und finanziellen Nachteilen Zahlungen leisten oder empfangen kann, die
aber heute alltäglich sind. Lohn bzw. Gehalt werden heute fast ausnahmslos unbar ausgezahlt
- somit ist das Girokonto ein zentrales wirtschaftliches Kommunikationsmittel. Verfugt
jemand über kein Girokonto, hat er mit höheren Kosten einerseits zu rechnen, sowie mit
Problemen im Beruf (Arbeitsplatz) bzw. im Haushalt andererseits.

Für einige Beschäftigungsverhältnisse, gerade im öffentlichen Dienst, besteht grundsätzlich
die Verpflichtung ein Konto zu haben (z.B. § 7 Gehaltsgesetz, § 18
Vertragsbedienstetengesetz, § 14 ÖBB Bundesbahn-Besoldungsordnung § 11 ÖBB- Dienst-
und Lohnordnung, § 7 Bezügebegrenzungsgesetz). Auch kann vom Arbeitgeber
vorgeschrieben werden, dass für eine Lohnzahlung ein Konto vorhanden sein muss. Hat der
oder die Betroffene kein Konto kommt es zu keiner Beschäftigung. Auch werden bestimmte
Versorgungsleistungen nur gewährt, wenn die anspruchsberechtigte Person ein Konto besitzt
(z. B. § 14 Pensionskassenvorsorgegesetz, § 32 Bundesbahn-Pensionsgesetz).

So ist es beispielsweise als Kunde bei dem neuen Stromanbieter „Switch" nicht mehr
möglich, durch Bareinzahlung oder durch Einzahlung mittels Erlagschein am Bankschalter,
seine Rechnung zu begleichen. Die einzigen, von der Fa. Switch akzeptierten
Zahlungsmethoden, sind Einzugsermächtigung, Kreditkarten oder Bezahlung über das
Internet. Bei allen diesen Möglichkeiten der Bezahlung, ist jedoch das Vorhandensein eines
Girokontos, die Voraussetzung. Von E-Commerce oder E-Banking sind diese Bürger somit
grundsätzlich ausgeschlossen.

Viele Geschäfte gewähren Vorteile (bspw. Bonuspunkte und Aktionspreise) auch nur, wenn
man seine Rechung mittels Bankomatkarte begleicht. Als Beispiel können u.a. die Merkur-
Märkte mit ihrem System „Friends of Merkur" angeführt werden. Ohne Girokonto, aber keine
Bankomatkarte.

Eine besondere negative Variante ergibt sich für die europäischen Bürger, die über kein
Girokonto verfügen dann, wenn es gelingt, nach langer Arbeitslosigkeit ein
Beschäftigungsverhältnis in Aussicht zu haben. Da fast alle Arbeitgeber aber Löhne und
Gehälter bargeldlos auszahlen, kommt hier der Umstand, eingestehen zu müssen, keine
Bankverbindung (Girokonto) zu haben, einer sozialen Ausgrenzung bzw. einem Ausschluss
vom Arbeitsmarkt gleich.

In den Mitgliedsstaaten wird versucht anstatt einer gesetzlichen Regelung, dies durch
freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditunternehmen irgendwie zu regeln. Eine gesetzliche
Verankerung des Rechts auf ein Girokonto in den jeweiligen Mitgliedsstaaten findet sich
nicht, eine europäische Lösung sollte aber durch die EU-Kommission bzw. deren
Verbraucherausschuss mittelfristig zu erwarten sein.

Eine besondere Variante als Konsument/Konsumentin in unserem gesellschaftlichen Leben
nicht über eine Verbrauchergirokontobeziehung zu verfugen, zeigt sich in dem Fall, wenn es
gelingt, nach langer Arbeitslosigkeit ein Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Fast alle
Arbeitgeber zahlen Löhne und Gehälter bargeldlos aus. Davon abgesehen, dass es gut sein
kann, dass ein Arbeitgeber wegen einer Person keine „Ausnahme machen will" und deshalb
lieber auf die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses verzichtet, kommt auch hier der
Umstand, eingestehen zu müssen, keine Bankverbindung zu haben, einer sozialen
Ausgrenzung gleich.

Gerade Obdachlose haben bislang keine Chance ihr Geld bei einer Bank anzulegen. Man lebt
in Notunterkünften und weiss nicht, wie man sein Geld sicher aufbewahren sollte. Obdachlos
zu sein, bedeutet nicht nur, kein Dach über dem Kopf zu haben. Es gibt viele Formen der
Ausgrenzung - und finanzieller Ausschluss ist ein zentraler Teil dieses Problems.
Geschätzt wird, dass in Europa durchschnittlich zwischen 2 und 5 % aller
Wirtschaftsteilnehmer über kein Girokonto verfugen. Die ökonomischen Nachteile
überwiegen (die Zusatzkosten werden auf 10% des Einkommens geschätzt, weil z.B. eine
Mietüberweisung unbar bzw. Ratenkäufe überhaupt nicht möglich sind) bis hin zur
gesellschaftlichen Ausgrenzung, wobei die spezifischen Armutsdefizite kumulieren können.
Die Bareinzahlungen nehmen zu und belasten.

So werden für die Bareinzahlung in der Bank Gebühren für Zahlscheineinzahlung, also
Zahlung ohne Girokonto, bis zu 4 Euro in Österreich verlangt. Dies verteuert jede
Forderung/Zahlung - auch Spendenzahlungen - beträchtlich.

Die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ist also inzwischen Voraussetzung für fast
alle Wirtschafts- und Rechtsverhältnisse. Gerade verschuldete Personen sind oft von der
Führung eines Girokontos ausgeschlossen, weil sie auf einer „schwarzen Liste" der
Bankinstitute stehen und nicht die notwendige Bonität aufweisen. Tatsache ist jedoch auch,
dass die Informationen solcher Listen auch falsch sein können (z.B. Fehlauskünfte durch
Kredit-Auskunfteien) oder nicht mehr aktuell. Besonders fatal ist es bei faktischer
Monopolstellung eines Kreditinstitutes bzw. einer Oligopolstellung mehrerer.

Wenn nun der tragische Fall eintritt, dass tatsächlich die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses
letztendlich am Umstand scheitert, dass keine Bankverbindung genannt werden kann, hat dies
existentielle Dimensionen. Diese Umstände rechtfertigen eine gesetzliche Regelung, die die
Banken verpflichtet, auch Girokontoverträge mit Personen abzuschließen, die in der
Vergangenheit Zahlungsschwierigkeiten hatten und an sie gestellten Forderungen nicht oder
nicht zur Gänze nachkommen konnten.

Es ist daher ein gesetzlicher Anspruch auf Führung eines Girokontos auf Habenbasis zu den
üblichen Girokontoentgelten notwendig und zu normieren, wobei die Personen, die bisher
kein Konto erhalten konnten, an die einzelnen Bank- oder Kreditinstitute (analog den
Bestimmungen bei der Haftpflichtversicherung) zugewiesen werden könnten.


Einen Kontrahierungszwang - der Kreditunternehmen verpflichtet mit jedem europäischen
Bürger ein Girokontovertrag abzuschließen - gibt es in der EU nicht, auch die nationalen
Regelungen sind diesbezüglich äußerst unterschiedlich.

Der von der EU-Kommission eingesetzte Verbraucherausschuss (CC) beschäftigt sich mit
dem „Kontrahierungszwang" bei Girokonten als einem Teil der Daseinsvorsorge. So hat der
Verbraucherausschuss der EU-Kommissionen ein sogenanntes Universal Service Concept
empfohlen, welches beispielsweise in der European Commission's Communication über
„Services of General Interest in Europe" beschrieben ist. Das Ziel dieses Konzeptes soll sein,
dass jedermann Zugang zu gewissen grundlegenden Dienstleistungen von hoher Qualität hat
zu einem Preis, den sich jeder leisten kann. Der Verbraucherausschuss sieht in diesem
Universal Service Concept eine dynamische Natur, so dass er ausdrücklich feststellte, dass
dieses Konzept auch auf andere generelle Dienstleistungen angewendet werden muss, wie
zum Beispiel Zugang zu E-Mail oder dem Internet oder - als wichtiges Beispiel -
Bankdienstleistungen wie der Zugang zu einem Girokonto, als wachsendes Erfordernis, um
wirtschaftlich teilhaben zu können.

Die EU-Kommission deutete bereits an, dass dafür eine gesetzliche Verankerung auf
europäischer Ebene geschaffen werden sollte.


 

Entschließungsantrag:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert

 

1. Das Bankwesengesetz dahingehend zu ändern, dass die Eröffnung eines Girokontos bei einem
       
Bank- oder Kreditinstitut, grundsatzlich jeder Person möglich gemacht wird und ohne zwingende
       Gründe nicht verweigert werden kann.

 

2. Zwingende Gründe, wodurch die Eröffnung eines Girokontos, durch ein Bank- oder
         Kreditinstitut abgelehnt werden kann, konkret im Bankwesengesetz festzulegen.

 

3. Sich für eine gesetzliche Verankerung des „Rechts auf ein Girokonto" auf europäischer
         Ebene einzusetzen.