72/A XXII. GP

Eingebracht am 26.03.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy

und Genossinnen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Arbeitsvertragsrechts-

Anpassungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Arbeitsvertragsrechts-
Anpassungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung des Angestelltengesetzes

Das Angestelltengesetz, BGBL Nr. 292/1921, zuletzt geändert durch BGBL. Nr. 100/2002
wird wie folgt geändert:

§ 36 und § 37 entfallen.

Artikel II

Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes

Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, BGBL Nr. 459/1993, zuletzt geändert durch
BGBL 100/2002 wird wie folgt geändert:

1. Nach § 10 wird ein § 10a samt Überschrift eingefügt:

„Konkurrenzklausel

§ 10a. (1) Eine Vereinbarung, durch die ein Arbeitnehmer für die Zeit nach der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird (Konkurrenzklausel) ist
unwirksam.


(2) Absatz l gilt auch für arbeitnehmerähnliche Personen."
2. Nach § 10a wird ein § l0b samt Überschrift eingefügt:

„Ausbildungskostenrückersatz
§ l0b. (1) Vereinbarungen über den Rückersatz von Einschulungskosten sind unzulässig.

(2) Der Rückersatz von Ausbildungskosten muss für jede Ausbildung im Einzelfall gesondert
schriftlich mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden.

(3) Eine Rückersatzverpflichtung ist nur zulässig bei

Kündigung des Arbeitnehmers,

verschuldeter Entlassung des Arbeitnehmers oder

vorzeitigem Austritt ohne wichtigen Grund

innerhalb von drei Jahren ab Beendigung der Ausbildung. Diese Frist kann bei

außerordentlich hohen Ausbildungskosten und der Möglichkeit des Arbeitnehmers zur

Erzielung eines wesentlich höheren Einkommens auf bis zu 7 Jahre ausgedehnt werden.

(4) Ein Rückersatz kann nur begehrt werden, wenn der Arbeitnehmer die Ausbildung
außerhalb des Unternehmens des Arbeitgebers mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich
verwerten kann.

(5) Der zulässige Rückersatzbetrag verringert sich ab Ende der Ausbildung anteilig für jedes
begonnene Monat des Arbeitsverhältnisses. Die zulässige Bindungsdauer gemäß Abs 3 ist
dabei Ausgangspunkt für die Berechnung.

(6) Als Rückersatzbetrag im Sinne des Abs 5 ist höchstens der tatsächlich aufgewendete
Betrag für die Ausbildungsmaßnahme heranzuziehen. Nebenkosten anlässlich der Ausbildung
und Entgelt für die Ausbildungszeit sind nicht rückersatzfähig.

(7) Die Höhe des Rückersatzes unterliegt darüber hinaus dem richterlichen Mäßigungsrecht.
Das Gericht hat dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer durch die
tatsächliche Verwertung der Ausbildung beim neuen Arbeitgeber eine beträchtliche
Entgeltsteigerung erzielt hat.

(8) Die Abs l bis 7 gelten auch für arbeitnehmerähnliche Personen."


3. Nach § 19 Abs 1 wird ein Abs 1 a eingefügt:

„(1a) § 10a und § 10b treten mit 1. Juli 2003 in Kraft."

Artikel III

Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes 1974

Das Arbeitsverfassungsgesetz 1974, BGBL Nr. 22/1974, zuletzt geändert durch BGBL Nr.
100/2002 wird wie folgt geändert:

Nach § 97 Abs 1 Z 1b wird folgende Z 1c eingefügt:

„1c. Regelungen betreffend den Rückersatz von Ausbildungskosten;"

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales


Begründung

Den ArbeitnehmerInnen wird in der Arbeitswelt immer mehr an Mobilität abverlangt. Die
Einforderung der Bereitschaft zum Wechsel des Arbeitsplatzes (nicht selten verbunden mit
Wohnsitzwechsel), zum Wechsel des Berufs etc gehört zum Standardrepertoire der
Forderungen der Arbeitgebervertretungen. Auch die Europäische Union geht in der „Lissabon
Strategie" von der Notwendigkeit zunehmender Arbeitsplatzwechsel und Wechsel zwischen
Ausbildung und Beschäftigung aus (siehe Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat
[Lissabon], 23. und 24.3.2000, Punkt 29).

In grellem Kontrast dazu steht in vielen Fällen die arbeitsrechtliche Wirklichkeit, die es den
Unternehmen ermöglicht, die Mobilitätserfordernisse der ArbeitnehmerInnen mit
unverhältnismäßigen Sanktionen zu belegen oder exorbitant hohe Geldforderungen zu
erheben. So haben sich etwa im Tourismus- und Gastgewerbe Konkurrenzklauseln selbst bei
Arbeiterinnen in den untersten Lohnkategorien in den letzten Jahren immer mehr verbreitet.
Vor allem Saisonbetriebe benützen diese Form der „Knebelung", um Arbeitskräfte trotz
mäßiger oder schlechter Entgelt- und Arbeitsbedingungen nicht an besser zahlende Betriebe
der Region zu verlieren. Der Grundsatz der freien Arbeitsplatzwahl wird auf diese Weise
unterlaufen und gilt de facto vielfach nur bei entsprechendem Arbeitgeberinteresse.
Arbeitnehmer, die einen besseren Arbeitsplatz finden, werden nicht zuletzt durch
Konkurrenzklauseln am Wechsel gehindert.

Auf ähnliche Weise wirken arbeitsvertragliche Vereinbarungen über den Ersatz von
Ausbildungskosten mobilitätshemmend. Allfällige Rückforderungsansprüche sollen deshalb
auf ein sachlich begründbares Ausmaß eingeschränkt werden. Gleichzeitig wird für die
Normadressaten die Rechtssicherheit erhöht - ArbeitnehmerInnen, die ihr Arbeitsverhältnis
beenden wollen, sollen die Höhe potentieller Arbeitgeberforderungen möglichst genau
kalkulieren können. Spesen und sonstige im Zusammenhang mit der Ausbildung stehende
Aufwendungen des Arbeitgebers sind ebenso wenig ersatzfähig wie Fahrt oder
Nächtigungskosten und das während der Ausbildung dem Arbeitnehmer bezahlte Entgelt.

Das Verbot von Konkurrenzklauseln für die Zeit nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses
sowie eine auf sachlich gerechtfertigte Fälle eingeschränkte und besser vorhersehbare
Regelung von Ausbildungskosten-Rückersatz-Vereinbarungen beenden ein unzeitgemäßes
und nicht vertretbares Mobilitätshemmnis und unterbinden die „Knebelung" von
ArbeitnehmerInnen bei der Arbeitssuche.


Ergänzend ist anzumerken, dass die Zulässigkeit von Konkurrenzklauseln
(Wettbewerbsabreden) und von Vereinbarungen über die Ausbildungskostenrückerstattung
auch in Hinblick auf das Recht auf Freizügigkeit der ArbeitnehmerInnen innerhalb der
Europäischen Union umstritten ist.

Mit In-Kraft-Treten der gesetzlichen Bestimmungen werden Konkurrenzklauseln und
Vereinbarungen über Ausbildungskostenrückersatz, die über den gesetzlichen Rahmen
hinausgehen, unabhängig vom Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung derartiger Klauseln
unwirksam. Die Unabdingbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen ist durch § 16 AVRAG
gewährleistet.