110/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 29.04.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

des Abgeordneten Pirklhuber, Rest-Hinterseer, Freundinnen und Freunde

betreffend österreichische Position zu den WTO-Verhandlungen im Bereich des
Agrarhandels

Die Landwirtschaft ist aufgrund der Auswirkungen auf die Lebensmittel-
Ernährungssicherheit, die nachhaltige Nutzung und den Schutz der natürlichen
Ressourcen und Landschaften einer der sensibelsten Bereiche des Welthandels.
Der WTO-Gipfel in Doha hat alle WTO-Mitglieder zu Verhandlungen im Agrarbereich
mit folgenden Zielen verpflichtet:

-    substantielle Verbesserungen beim Marktzugang

-    Kürzung bei allen Arten von Exportzuschüssen mit dem Ziel ihrer allmählichen
Abschaffung

-    erhebliche Kürzungen der handelverzerrenden internen Stützungen

-    besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer, um ihrem
Entwicklungsbedarf einschliesslich Ernährungssicherheit und ländlicher
Entwicklung Rechnung zu tragen

-    Berücksichtigung nicht handelsbezogener Interessen

Die Neuordnung der Agrarpolitik verlangt die Verknüpfung der Politik auf nationaler,
europäischer und internationaler Ebene (WTO, UN). Grundlage einer international
nachhaltigen Ernährungswirtschaft ist es, im Norden und im Süden soziale,
wirtschaftliche und ökologische Anforderungen zu berücksichtigen.

Da die Landwirtschaft weiterhin Haupteinkommens- und Beschäftigungsquelle in den
meisten Entwicklungsländern ist und die Reform der Agrarhandelsregeln eine
wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Armut, der Verbesserung der weltweiten
Ernährungssouveränität spielt, müssen alle Industrieländer einen Beitrag dazu
leisten, dass diese WTO-Verhandlungsrunde tatsächlich zu einer Entwicklungsrunde
wird. Die erste Priorität der Agrarverhandlungen muss daher darin bestehen,
Handelsregeln vorzugeben, die die landwirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung
und Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern fördern, ohne die
grundlegenden Ziele der multifunktionalen Agrarpolitik der Europäischen Union zu
gefährden. Das Versprechen aller Regierungen der Welt, Hunger und Armut bis
2015 um die Hälfte zu reduzieren, muss auch im Rahmen der WTO-
Agrarverhandlungen eingelöst werden.

Parallel zu den WTO-Abkommen besteht unter der Schirmherrschaft der Vereinten
Nationen ein Netzwerk multilateraler, nicht handelsbezogener Abkommen (z.B. die
Konvention über die Biologische Vielfalt und das dazugehörige Biosafety-Protokoll
oder die Klimakonvention). Die Herausforderung besteht darin, festzulegen, wie
diese nicht handelsbezogenen Abkommen (multilaterale Umweltabkommen MEA)
vollständig umgesetzt und auf WTO-Ebene verankert werden können.


Sowohl die internen Strukturen der WTO als auch ihre Stellung im internationalen
System weisen grundlegende Demokratiedefizite auf. Öffentlichkeit, Parlamente und
Nichtregierungsorganisationen müssen daher wesentlich mehr als bisher an den
Diskussions- und Entscheidungsprozessen beteiligt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, bei den WTO-
Agrarverhandlungen bzw. im Rahmen der EU auf folgende Zielsetzungen
hinzuwirken:

1.  Reduzierung der landwirtschaftlichen Zölle und mengenmäßigen
Beschränkungen für verarbeitete Agrarprodukte aus den Entwicklungsländern

2.  stärkere Betonung der nicht handelsbezogenen Aspekte der Agrarpolitik durch
die Stärkung der nicht handelsverzerrenden Stützungsmaßnahmen in der
Landwirtschaft im Rahmen der „Green Box"

3.  Festhalten am Recht eines jeden Landes, seine eigenen Normen für die
Umwelt, Lebensmittelsicherheit und Konsumentinnenschutz festzulegen,
wobei anzuerkennen ist, dass eine Differenzierung der gehandelten Waren
anhand der Produktionsmethoden im Rahmen der WTO möglich sein muss
und dass die WTO-Regeln deshalb obligatorische oder freiwillige
Kennzeichnungssysteme nicht beschneiden dürfen

4. die Entwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder müssen
über die Flexibilität verfügen können, die sie in Bezug auf Marktzugang und
interne Stützungsverpflichtungen im Interesse ihrer Subsistenzwirtschaft im
Agrarbereich, ihres Entwicklungs- und Ernährungssicherheitsbedarfs
benötigen

5. der Agrarhandel muss mit den Interessen der Europäischen Konsumentinnen
hinsichtlich hoher Lebensmittelqualität, Entwicklung des ländlichen Raumes,
Umwelt- und Tierschutz im Einklang stehen (Verankerung des
Vorsorgeprinzips in den WTO-Verträgen)

6. die Europäische Union muss sich für soziale und ökologische Kriterien im
Welthandel einsetzen und die WTO-Vorschriften müssen mit den
Bestimmungen der internationalen Übereinkommen im Rahmen der IAO,
CBD, UNDP und FAO in Einklang gebracht werden

7. die TRIPS-Abkommen müssen dahingehend überprüft werden, dass
lebensrettende Medikamente in den Entwicklungsländern so umfassend und
billig wie möglich verfügbar sind


8. das TRIPS-Abkommen muss dahingehend reformiert werden, dass die
Bäuerinnen und Bauern aufbewahrtes Saatgut ohne Einschränkung durch
Patente oder andere vertragliche Beschränkungen wiederverwenden können

9. Tiere, Pflanzen oder Teile von diesen müssen von der Möglichkeit der
Patentierung ausgenommen werden

10. das Verhandlungsmandat für sämtliche Handelsvereinbarungen muss im
Voraus mit den nationalen Parlamenten abgestimmt werden, um damit eine
demokratische und parlamentarische Kontrolle zu gewährleisten.

In  formeller Hinsicht  wird die  Zuweisung  an  den  Ausschuß  für Land-  und
Forstwirtschaft vorgeschlagen.