115/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 07.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHER ANTRAG
gemäß §§ 74a Abs. l in Verbindung mit 93 Abs. 2 GOG
der Abgeordneten Dr. Cap
und Genossinnen
an die Bundesregierung
betreffend Kein Pensionsraub für Abfangjäger!
Wortreich begründeten Kanzler und Vizekanzler am 29.
April 2003 die Pensionsreformpläne
der Regierung. Über neue Abfangjäger für das Bundesheer und die massive
Belastung
kranker Menschen durch unsoziale Selbstbehalte schwiegen sie
beharrlich, obwohl sie im
Ministerrat gerade den Kampfflugzeugkauf und „Krankenstrafsteuern" mit dem
Budgetbegleitgesetz beschlossen hatten.
Unter dem Motto: „Alle verlieren - niemand
gewinnt" hat die Regierung dem Nationalrat
ein Pensionskürzungsprogramm zur Beschlussfassung vorgelegt. An der
Kürzungstatsache
ändern auch die so genannten „Abmilderungen" der Regierung nichts.
Die vorliegenden Pläne
fuhren zum völligen Umbau unseres Pensionssystems. Ein Umbau, der für
Personen mit 45
Beitragsjahren mindestens 18 Prozent weniger Pension bringt, für
Schwerarbeiterinnen bis zu
24 Prozent weniger und für junge Leute von heute 25 Jahren bis zu rund 40
Prozent weniger.
Die Behauptung der Regierung, dass es für Menschen, die
das ganze Leben gearbeitet haben
und kurz vor der Pension stehen, zu keinen Kürzungen kommt, ist falsch.
In Wahrheit
bringen die so genannten Abmilderungen der Regierung gerade für jene,
die unmittelbar vor
der Pension stehen (1. Halbjahr 2004) sogar noch eine Verschärfung. Auch von
der
sogenannten „Hackler-Regelung" profitieren nur rund zehn Prozent von
allen, die wegen
langer Versicherungsdauer in vorzeitige Alterspension gehen könnten.
Wirkliche „Hackler", die ihr Leben lang schwer -
etwa als Bauarbeiter, als Fach- und
Hilfsarbeiterinnen in Industrie- und Handwerksbetrieben oder als
Arbeiter in Tourismus,
Bergbau oder Forstbetrieben - gearbeitet haben, haben nichts von einer
„Hackler-Regelung"
wie sie die Regierung versteht.
Gerade schwer arbeitende Menschen, die mit 15 Jahren zu
arbeiten begonnen haben, können
nach dem Willen dieser Regierung nicht mit 60 bzw. 55 Jahren in Pension
gehen. In den
meisten Fällen fehlen ihnen wegen Arbeitslosigkeit (Wintersaison im Bau und
anderen
Saisonbranchen, Firma geht in Konkurs) oder auch längerer Krankenstände
(auch aufgrund
von Arbeitsunfällen) die notwendigen Beitragsjahre.
Beispiele:
mehr als 50
jahre arbeiten,
trotzdem 9% pensionsverlust
Herr Sch., am 24.11.1948 geboren, arbeitete seit seinem
15 Lebensjahr; Lehre zum
Elektroinstallateur, Arbeiter, seit seinem 28 Lebensjahr im Außendienst einer
großen
Versicherung tätig. Verfügt mit 60 über 45,5 Beitragsjahre (inkl. Bundesheer).
Derzeitige Rechtslage: (Hacklerregelung für Männer bis 30.9.1945 geboren)
Pensionsantritt mit 61 1/2 Jahren zum 1.6.2010 Vorzeitige Alterspension wegen langer
Versicherungsdauer
Pensionshöhe: 47 x 2 = 94% - 10,5%-Punkte = 83,5%-Punkte; Höchstens jedoch 80% der
besten 16 Jahre und 4 Monate.
Regierungsvorlage:
Hacklerregelung für Schwerarbeiter ist nicht anzuwenden
Pensionshöhe: 50,5 x 2 = 101% gedeckelt mit 80%. 80% der besten 25 Jahre;
Durchschnittlicher Durchrechnungsverlust 10%, 2% Anpassungsverlust; der
Durchrechnungsverlust ist gedeckelt mit 7%.
gesamtverlust 9%
Die von der Regierung vorgenommenen sogenannten
„Abfederungen" sind für die meisten
Betroffenen nur Kosmetik:
Die Absenkung des Steigerungsbetrages von 2 auf 1,78
Jahre soll nunmehr in den nächsten
drei Jahren erfolgen. Das bedeutet, dass es lediglich für drei Jahrgänge eine
geringfügige
Erleichterung geben wird. Ab 2007 beträgt der Verlust allein aus dieser
Maßnahme in der
Regel 11 Prozent. Da Frauenpensionen im Schnitt niedriger sind als die der
Männer, sind
derartige Kürzungen umso schmerzlicher.
Betroffen sind Frauen insbesondere auch durch die
Ausweitung des
Durchrechnungszeitraumes. Die Verkürzung des Durchrechnungszeitraums pro Kind
um
maximal drei Jahre ändert nichts daran, dass etwa Zeiträume der
Teilzeitarbeit - weil Beruf
und Familie nur schlecht vereinbar sind - mittel- und langfristig zu
massiven Kürzungen bei
den Frauenpensionen führen.
Weiteres Beispiel:
22% Verlust im Jahr
2018 trotz Deckelung des Durchrechnungsverlustes und zwei
Kindern
Frau N, am 1958 geboren, Studium bis zum 25 Lebensjahr.
Nach dem Studium findet sie eine
gutbezahlte Stelle in einem internationalen Unternehmen. Mit 28 Jahren bekommt
Frau N. ihr
erstes Kind. Nach 3 Jahren Kindererziehung setzt sie ihre Beschäftigung in
Teilzeit fort. Zwei
Jahre später kommt das zweite Kind zur Welt. Frau G. widmet sich wieder 3 Jahre
ausschließlich der Kindererziehung.
Danach nimmt Frau G. wieder eine Teilzeitbeschäftigung an; jedoch schlechter bezahlt. Nach
2 Jahren Teilzeit steigt Frau G. wieder voll ins Berufsleben ein. Mit 58 Jahren erreicht sie die
Höchstbeitragsgrundlage.
40 Versicherungsjahre: 34 Beitragsjahre, davon 4 Jahre Teilzeit, 8 Jahre Kindererziehung,
davon decken sich 2 Jahre mit Beitragsjahren.
Pensionsantritt: Alterspension mit 60 Jahren im Jahr 2018
Geltendes Recht:
Prozentsatz: 40 x 2 = 80%
GBMG auf Basis der besten 15 Jahre: € 3.912
Pensionshöhe: € 3.912 x 80% = € 3.130,- Bruttopension
Regierungsvorlage:
Prozentsatz: 40 x 1,78 = 71,2%
GBMG der besten 24 Jahre: € 3.438; aber Deckel = € 3.912,- mal 90% = € 3.521,-
Pensionshöhe: € 3.521 x 71,2% = € 2.507,- Bruttopension = -20% + - 2% Anpassungsverlust.
gesamtverlust 22%
(Mitberücksichtigt dabei sind bis 2018 Inflation und reale Einkommenssteigerungen - daraus
resultieren die hohen Werte.
Die heutigen Vergleichswerte würden rund € 1.841,- und € 1474,- betragen.)
Die Begründung der Regierung für all diese Maßnahmen ist, dass die Pensionen für die
Jungen „gesichert" werden müssen.
Diese Ansage lässt sich schon überhaupt nicht der Regierungsvorlage entnehmen:
Für alle, die 1968 oder später geboren sind, wird es zu dramatischen Pensionskürzungen
bis zu 40 Prozent und mehr kommen. Als Ersatz für diesen Verlust zwingt die Regierung
die Betroffenen zu Vorsorgemodellen, die zwar steuerbegünstigt, aber voll vom freien Spiel
der Aktienmärkte abhängig sind.
Folgendes Beispiel:
saison und
gastgewerbe, 43% verlust im
jahr 2033
Sabine W., 1.7.1968 geboren. Beschäftigungsbeginn mit 16
Jahren in der Tourismusbranche
(Winter- und Sommersaison), Einkommen: 10% über dem Mindestlohn. In der
Zwischensaison Arbeitslosengeldbezug. Mit 26 Jahren Heirat, l Kind,
nach 2 Jahren Karenz
teilzeitbeschäftigt im Restaurant des Ehemannes; Einkommen: 10% über dem
Mindestlohn.
Mit 46 Jahren Scheidung. Nach der Scheidung Vollzeitbeschäftigung in einem
großen Hotel;
Einkommen: 30% über dem Mindestlohn. Mit 61 Kündigung und in der Folge arbeitslos bis
65.
Versicherungsjahre: 10 Jahre Saison (jedes Jahr 3 Monate Unterbrechung durch
Arbeitslosigkeit; 7, 5 Beitragsjahre; 2,5 Jahre ALG-Bezug), 2 Jahre Kindererziehungszeit, 19
Jahre Teilzeit, 15 Jahre Vollzeit, 3,5 Jahre arbeitslos und Notstandshilfe.
Pensionsantritt mit 65 am l .7.2033
Geltendes Recht:
49,5 x 2 = 99% GBMGL (€ 3.914,-) höchstens 80% der besten 15 Jahre (€ 3.989,-);
= 3.191,-
Regierungsvorlage:
Prozentsatz: 49,5 x 1,78 = 88,11% GBMGL (€ 2.387,-); höchstens jedoch 80% der besten 37
Jahre, l Kind verkürzt den Durchrechnungszeitraum um 3 Jahre
(€ 2.353,-) = € 1.882,- minus 41%
zusätzlich minus 2% durch Entfall einer Anpassung
gesamtverlust 43%
(Auch hier resultieren die hohen Werte daraus, dass bis
2033 Inflation und reale
Einkommenssteigerungen mitberücksichtigt wurden, was sich bei einem
derart langen
Zeitraum beträchtlich auswirkt.
Die heutigen Vergleichswerte betragen rund € 1.100,- und € 649,-.)
Dramatisch sind die Auswirkungen dieser Art
von Reform auch auf den Arbeitsmarkt:
Bis 2009 werden 400.000 Menschen teilweise deutlich länger arbeiten
müssen. Woher
diese zusätzlichen Arbeitsplätze kommen sollen, kümmert die Regierung
nicht. Diese
Regierung rührt schon jetzt keinen Finger für die 276.000 Menschen, die Arbeit
suchen. Im
Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit steigt, die aktive Beschäftigung sinkt.
Die Arbeitslosigkeit bei den so genannten Älteren ist von 2001 auf 2002 laut
WIFO um rund
42 Prozent am deutlichsten in allen Altersgruppen gestiegen - eine
unmittelbare Folge der
Pensionsreform 2000. Bis 2004 werden alleine deswegen 20.000 Menschen
zusätzlich
Arbeit brauchen.
Dazu kommt, dass die Regierung auch ohne Pensionsreform
die Lage für Arbeitsuchende
weiter verschärft: Bis 2006 werden wegen der EU-Erweiterung und weil
die Regierung auf
Zuruf der Wirtschaft noch mehr billige Saisoniers, Grenzgänger und Praktikanten
ins Land
holt, zusätzliche 70.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland in Österreich Arbeit
suchen. Die
sogenannte Reform der Altersteilzeit bedeutet weitere 8000 ältere
Arbeitsuchende bis 2006.
Rund 4000 Menschen werden aus demographischen Gründen bis 2006
zusätzlich auf den
Arbeitsmarkt kommen.
Das bedeutet: Nur um zu verhindern, dass sich die
Arbeitsmarktsituation nicht noch
weiter verschlechtert - und in Österreich herrscht nach wie vor
Rekordarbeitslosigkeit -
müssten bis 2006 mehr als 120.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Wegen der schlechten Wirtschaftsentwicklung werden bis
2006, selbst unter den
optimistischsten Annahmen, aber nur höchstens 43.000 zusätzliche Arbeitsplätze
entstehen.
Das werden zudem praktisch ausschließlich Teilzeitjobs sein.
Statt für mehr Beschäftigung zu sorgen, treibt die Regierung
mit ihren Plänen zusätzlich
Menschen in eine chancenlose Konkurrenz um zu wenig Arbeitsplätze, nimmt
Arbeitsuchenden die Chance auf einen Arbeitsplatz. Damit zerstört die
Regierung den
österreichischen Arbeitsmarkt ganz bewusst, raubt den Menschen die Hoffnung auf
eine
Pension von der sie leben können und gefährdet den sozialen Frieden in
Österreich.
In dieser Situation ist es absolut unverständlich, dass
Bundeskanzler Schüssel offensichtlich
um jeden Preis am Ankauf von Kampfflugzeugen festzuhalten gedenkt.
Die militärische Notwendigkeit von Kampfflugzeugen ist
umstritten, die Entscheidung für die
teuerste Variante, die nur als Prototyp existiert, zusätzlich
fragwürdig, die budgetäre Situation
erlaubt derartige Ausgaben (noch dazu in Verbindung mit den dann zu
erwartenden
Folgekosten) nicht und die österreichische Bevölkerung ist mit großer Mehrheit
gegen den
Ankauf von Kampfflugzeugen.
Der Kaufpreis wird mit "xx Millionen Euro"
angegeben, für die finanzielle Bedeckung habe
der Finanzminister zu sorgen, heißt es im Gesetzestext. Details zum
Finanzierungs- wie auch
zum Lieferplan werden erst bei Unterzeichnung des Kaufvertrages das Licht der
Öffentlichkeit erblicken.
Die Regierung gibt grünes Licht zur Unterzeichnung des Kaufvertrages, ohne den Preis zu
kennen! Die Angaben dazu schwanken beträchtlich. Als sich die Koalition im Juli 2002
prinzipiell für den Eurofighter - den Teuersten von drei zur Auswahl stehenden Flugzeugen -
entschied, war von ca. 1,8 Mrd. Euro für 24 Stück die Rede. Dieser Preis verstand sich
übrigens exklusive Ausbildung, Waffen, Logistik, Ersatzteile, Betriebs- und
Finanzierungskosten.
Jetzt rechnen Experten mit Kosten von mehr als 2 Mrd. Euro für nunmehr 18 Stück.
Bundeskanzler Schüssel hat seine „Wahlkampfgaukelei"
- Österreich bekomme diese
Kampfflugzeuge eigentlich ohnehin von freundlichen Unternehmern geschenkt - in
der
Pressestunde am 4.Mai 2003 schon selbst aufgedeckt, in dem er diese nur
als Wahlkampf-
Idee bezeichnete, um
die Emotionen herauszunehmen.
Zwischenzeitig bewegt sich der Bundeskanzler bei den
Gegengeschäften im Bereich der
virtuellen Konten für die Gegengeschäfte, wo man ablesen könne "was
genau an
Gegengeschäften hereingekommen ist".
Das ist eine unverantwortliche Vorgangsweise, die von uns entschieden abgelehnt wird!
Bereits vor knapp einem Jahr hat sich die Regierung zu
Gunsten des teuren Eurofighters
entschieden. In der Folge wurde Korruptionsverdacht laut. Der damalige
Verteidigungsminister und heutige FPÖ-Klubchef Herbert Scheibner
ersuchte daraufhin den
Rechnungshof um Prüfung der Typenentscheidung. Dieser Bericht steht noch
immer aus.
Die Hast, mit der im Sog der Pensionsreform nun auch die
Abfangjäger und die massiven
Belastungen kranker Menschen durch unsoziale Selbstbehalte durchgeboxt werden,
lässt
jedenfalls nichts Gutes erwarten.
Durch die von der Regierung gewählte Vorgangsweise, all
diese Gesetze in einem Paket
zusammenzufassen, verbunden mit einem unnötigen Zeitdruck, wird überdies
versucht, eine
gründliche Behandlung und Diskussion dieser Gesetze im Nationalrat zu
verunmöglichen.
Es ist einmalig in der Geschichte des österreichischen
Parlamentarismus, dass eine Regierung
versucht, eine Pensionsreform am Sozialausschuss, eine Gesundheitsreform am
Gesundheitsausschuss und militärische Ausgaben in Milliardenhöhe am Ausschuss
für
Landesverteidigung "vorbeizuschwindeln".
Offenbar sollen "unverrückbare Tatsachen"
geschaffen werden, ehe etwa der Rechnungshof
mit seinem Bericht auf den Plan treten kann oder Klagen der anderen Anbieter
auf dem Tisch
liegen.
Im Lichte dessen, dass der Bundesminister für
Landesverteidigung in nächster Zeit die
Kaufentscheidung für diese Kampfflugzeuge treffen wird, stellen die unterfertigten
Abgeordneten daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das
Budgetbegleitgesetz zurückzuziehen und bis zum
31. Oktober 2003 dem Nationalrat eine Regierungsvorlage basierend auf dem, von
den
Sozialpartnern bis dahin gemeinsam erarbeiteten Pensionsreformvorschlag
zuzuleiten, die eine
ausgewogene und sozial gerechte Pensionsreform enthält, die
• ein gemeinsames
Pensionssystem für alle Österreicherinnen, in das schrittweise alle
hineinwachsen, sodass in 30 Jahren alle Österreicherinnen nach dem
gleichen Recht in
Pension gehen und niemand mehr in der Pensionshöhe bevorzugt wird, und
• ein Pensionssystem, das
dauerhaft garantiert, dass am Ende der Reform nach 45 Jahren
Arbeit und einem Pensionsalter von 65 Jahren 80% netto als Pension zusteht und
so der
Lebensstandard gesichert wird, schafft und
• für Politiker die gleichen Änderungen vorsieht, wie für alle anderen.
Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, sofort
alle Schritte zu setzen, um den
Beschaffungsvorgang für Kampfflugzeuge (Abfangjäger,
Überwachungsflugzeuge) zu
stoppen."
Die unterfertigten Abgeordneten verlangen, diesen Antrag
gemäß §§ 74a Abs. l in Verbindung
mit 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.