156/A XXII. GP
Eingebracht am 17.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Initiativantrag
der Abgeordneten Mag. Lapp, Dr. Wittmann
und GenossInnen
betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Gebärdensprache im Bundes-
Verfassungsgesetz anerkannt wird.
Der Nationalrat wolle beschliessen:
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das
Bundesverfassungsgesetz BGBl. I
Nr. 99/2002, wird wie folgt geändert:
1. Artikel 8 wird folgender Absatz 3 angefügt:
„(3) Die Österreichische
Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache und als ein
Ausdruck der Kultur der Gehörlosen sowie als deren Werkzeug für den
Zugang zu Bildung
und gleichen Chancen zu schützen und zu achten."
2. Art. 151 wird folgender Absatz 28 angefügt:
„(28) Art. 8 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes
BGB1. I Nr...../2003 tritt mit
........ in Kraft."
Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss
2
Begründung:
In Österreich leben derzeit 9.000 gehörlose Menschen.
Weiters sind etwa 450.000 Personen
von einer Hörbehinderung betroffen. Diejenigen unter ihnen, die bereits taub
geboren wurden
oder schon sehr früh ihr Gehör verloren haben, haben vielfach eine andere,
eigenständige
Sprache als die Hörenden, nämlich die Gebärdensprache. Etwa 10.000
Bürgerinnen und
Bürger verwenden die Österreichische Gebärdensprache als Erstsprache. Die
Anerkennung
der nationalen Gebärdensprachen erfolgte im Europäischen Parlament
bereits 1988. Leider
wurde bislang keine Richtlinie erlassen, die die Umsetzung in nationales Recht
erfordern
würde. Verfassungsmäßig verankert ist das „Recht des Gebrauchs der
Gebärdensprache"
bislang nur in Finnland. Einige andere EU-Staaten haben die
Gebärdensprache teilweise
regional anerkannt. In Portugal hat die Gebärdensprache insofern Eingang in die
Verfassung
gefunden, als sie dort als „Ausdruck der Kultur der Gehörlosen" und als
deren „Werkzeug" zu
„schützen und zu achten" ist. Dieser Bestimmung ist auch der vorliegende
Antrag
nachempfunden.
Für die Gehörlosen ist die Situation nämlich
unbefriedigend. Die für sie so wichtige
Gebärdensprache wird vielfach in der Schulzeit zu wenig gefördert. Statt dessen
wird - was
ohne Zweifel ebenfalls sehr wichtig ist - ausschließlich die Kommunikation
zwischen
Gehörlosen und Hörenden gelehrt und geübt. Die in dieser Verständigungsart aber
wesentlich
erschwerte Wissensvermittlung restringiert den „Wortschatz" der Gehörlosen
und verringert
deren Allgemeinbildung. Sie werden außerdem gezwungen, sich in die Welt
der Lautsprache
zu integrieren, obwohl ihnen dafür eine wesentliche Voraussetzung fehlt.
Das Fortkommen
der Betroffenen kann dadurch in vielen Lebensbereichen erschwert werden. Sei es
im
Umgang mit der Behörde, beim Zugang zum Gesundheitssystem, oder einfach
nur bei der
Informationsbeschaffung oder Unterhaltung.
Die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in
der Verfassung soll daher ein
Schritt zur Verbesserung der Situation dieser Bevölkerungsgruppe sein.