187/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 09.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Jarolim, Schieder
und GenossInnen
betreffend rechtliche Absicherung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften
Gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaften sind vor dem Gesetz in Österreich immer
noch Fremde, auch wenn lesbische und schwule Paare oftmals Jahrzehnte zusammen
leben. Einzig beim Zeugnisentschlagungsrecht im Strafverfahren (§ 152 Abs. 1 Z
2 StPO
i.V.m. § 72 Abs. 2 StGB) konnte im Jahr 1998 noch von der SPÖ eine erste
Gleichstellung
erreicht werden. Seit dem Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung ist die längst
überfällige
Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare kein Thema mehr, wenn man von der
Öffnung
des Wohnungseigentumsgesetzes für gleichgeschlechtliche Paare absieht, wo wohl
auch
andere Motive (die Einführung einer möglichst offenen
"Eigentümerpartnerschaft")
mitentscheidend gewesen sein dürften.
Dabei
hat die europäische Rechtsentwicklung Österreich hier längst eingeholt:
Zahlreiche
westeuropäische Staaten haben in ihrer Rechtsordnung eigene Regelungen zur
Absicherung und Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerlnnenschaften:
•
"Eingetragene PartnerInnenschaft" in Dänemark (seit 1989), Norwegen
(1993),
Schweden (1995), Grönland (1996), Island (1996) und den Niederlanden (1998);
• "Ziviler Solidaritätspakt" PACS in Frankreich (1999);
• "Zusammenlebensvertrag" in Belgien (2000);
• Zwei Gesetze zur Gleichstellung der Lebensgemeinschaften in Portugal (2001);
• "Lebenspartnerschaft" in Deutschland (seit 2001).
•
Die Niederlande haben zudem seit 1. April 2001 die standesamtliche Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare geöffnet.
•
In der Schweiz wird momentan eine Vorlage der Justizministerin zur Einführung
eines
eigenen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare diskutiert.
Alle
diese Staaten haben gleichgeschlechtliche Paare anerkannt und ihnen weitgehend
die Rechte der zivilrechtlichen Ehe zugestanden. In Österreich ist im Gegensatz
dazu
selbst die Gleichstellung der lesbischen/schwulen Partnerlnnenschaften mit den
"formlosen" nichtehelichen Lebensgemeinschaften heterosexueller Paare
noch immer
nicht passiert.
Einzig das Bundesland Wien geht hier mit gutem Beispiel voran:
•
Schon bisher wurden in Wien gleichgeschlechtliche Paare auf administrativer
Ebene
gleich behandelt wie heterosexuelle Lebensgemeinschaften, sei es nun im
Personalbereich, Wohnbereich, Spitalsbereich, bei der Jungfamilienförderung
oder im
Sozialbereich. Außerdem wurde im Büro der Stadträtin für Integration,
Frauenfragen,
Konsumentenschutz und Personal eine eigene Antidiskriminierungsstelle für
gleichgeschlechtliche Lebensweisen eingerichtet.
•
Nun geht Wien einen wichtigen Schritt weiter. Auf Antrag der SPÖ beschloß der
Wiener
Landtag am 24. April 2003, daß in den Wiener Personalgesetzen
gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaften explizit aufgenommen werden, und so auch das gesetzlich
verbriefte Recht zur Pflegefreistellung erhalten. Die bisherigen
Gleichstellungsmaßnahmen
auf Beamtenebene werden so landesrechtlich abgesichert.
Dementsprechend wurden §61 Abs. 5 Wiener Dienstordnung 1994 sowie § 37 Abs. 5
Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 so abgeändert, daß der Ausdruck
"Lebensgemeinschaft" durch "verschieden- oder
gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaft" ersetzt wurde. Leider gelten diese Änderungen nur für
Wiener
Gemeindebedienstete, alle anderen Bürgerinnen Wiens müssen weiter auf den
Bundesgesetzgeber warten.
Daher
ist es nun mehr als überfällig, dass der Bundesgesetzgeber zumindest diese
Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit heterosexuellen
Lebensgemeinschaften nachvollzieht. Wichtig wären hier insbesondere folgende
Rechtsbereiche:
• Zivilprozessordnung (Zeugnisentschlagungsrecht)
• Mietrechtsgesetz (Eintrittsrecht in den Mietvertrag)
• Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (Pflegefreistellung)
• Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (Pflegefreistellung)
• Beamten - Kranken - und Unfallversicherungsgesetz (Pflegefreistellung)
• Erbrecht - inklusive der korrespondierenden Steuergesetze (Erbanspruch, Steuersatz)
• Krankenanstaltenrecht (Auskunfts- und Besuchsrecht)
Generell
sollte der Bundesgesetzgeber im Sinne der Rechtsklarheit in Form einer
Generalklausel im bürgerlichen Gesetzbuch festhalten, daß unter dem Begriff
"Lebensgemeinschaft" im Bundesrecht sowohl gleich- als auch
verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften verstanden werden.
Im
Sinne der Gleichbehandlung und der europäischen Rechtsentwicklung scheinen die
vorgeschlagenen Gesetzesänderungen mehr als überfällig
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert,
1. dem Nationalrat bis 1. Dezember
2003 einen Gesetzesvorschlag zur rechtlichen
Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit den
verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften vorzulegen, der insbesondere
folgende Rechtsbereiche umfasst: Zivilprozessordnung
(Zeugnisentschlagungsrecht),
Mietrechtsgesetz (Eintrittsrecht in den Mietvertrag),
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (Pflegefreistellung), Gewerbliches
Sozialversicherungsgesetz (Pflegefreistellung), Beamten - Kranken - und
Unfallversicherungsgesetz (Pflegefreistellung), Erbrecht - inklusive der
korrespondierenden Steuergesetze (Erbanspruch, Steuersatz),
Krankenanstaltenrecht (Auskunfts- und Besuchsrecht).
2. die Möglichkeit einer
Generalklausel im bürgerlichen Recht zur rechtlichen
Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit den
verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu prüfen.
3. dem Nationalrat bis 1.
Dezember 2003 einen Bericht über die verschiedenen
Rechtsinstitute europäischer Staaten für gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaften vorzulegen und auf Grund dieses Berichts die Einführung
eines solchen Rechtsinstituts in Österreich zu prüfen.
Zuweisungsvorschlag: Justizausschuß