211/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 24.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHER ANTRAG

gemäß §§ 74a Abs. 1 in Verbindung mit 93 Abs. 2 GOG

der Abgeordneten Eva Glawischnig, Dieter Brosz, Kurt Grünewald, Freundinnen und
Freunde

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend Bildungsoffensive statt pauschaler Diffamierung der Jungen

Die Bildungslandschaft in Österreich wurde in den letzten Jahren durch eine Reihe
von Sparmaßnahmen ausgehungert. Von einer Schwerpunktsetzung und von
dringend nötigen Investitionen in diesem für die Jugend und die Zukunft unseres
Landes so zentralen Bereich ist nur in Sonntagsreden und Regierungserklärungen
der schwarzblauen Regierung die Rede - die Realität sieht aber völlig anders aus.

Während Bildungsministerin Elisabeth Gehrer in ihrem Zuständigkeitsbereich
weitgehend untätig blieb, schaffte sie es eine Generationendebatte in Form einer
pauschalen Diffamierung der jungen Menschen vom Zaun zu brechen. Obwohl
internationale Vergleiche zeigen, dass politische Rahmenbedingungen wie
Kinderbetreuungseinrichtungen schon für die Kleinsten, ein Recht auf Teilzeitarbeit,
die Vereinbarung von Familie und beruflichen Weiterentwicklungschancen starken
Einfluss auf die Entwicklung der Geburtenrate haben, schwingt Gehrer die
Moralkeule, anstatt konkrete Maßnahmen zu setzen.

Gehrer wandte dabei ein beliebtes rhetorisches Muster der ÖVP an: Zunächst wird
etwas völlig Unsinniges (z. B. Partys, ein Domizil in Lech und eine Ferienwohnng in
Ibiza als Lebenszweck) behauptet. Anschließend wird entrüstet festgestellt, dass das
ja wohl nicht sein könne und darüber eine Debatte verlangt.

"Nach meinem Verständnis hat die ältere Generation den Generationenvertrag erfüllt,
sie hat für ihre Eltern gesorgt, und sie hat Kinder bekommen", meinte Gehrer in der
"Presse" vom 23. August 2003. Sie frage sich nun, wo die Kinder der jüngeren
Generation bleiben. "Kinder sind die beste Zukunftssicherung, darüber muss man
reden", so Gehrer. Und weiter: "Was macht das Leben lebenswert? Etwa wenn man
von Party zu Party rauscht, ist es das Single-Leben?" Eine Pensionistensteuer nütze
den heute 30-Jährigen in drei oder vier Jahrzehnten, wenn sie dann selbst in den
Ruhestand treten, wenig. "Die Wahrheit ist: Die Zukunft ist gesichert, wenn ein Land
Kinder hat", glaubt Gehrer.

Anstatt klar zu stellen, dass diese pauschale Abqualifizierung der Jugend als
egozentrische Partygeneration ein Fehler war, legte Gehrer am 26. August
gegenüber der APA nach: "Kann es das Lebensziel sein, nur das höchste
Einkommen zu lukrieren, bringt dir das später die höchste Befriedigung, dass du eine
Ferienwohnung in Ibiza und ein Domizil in Lech hast?" Es mutet schon fast skuril an,
dass es Gehrer traurig fand, dass man in Österreich offensichtlich keine
Sachdiskussion führen könne, nach dem sie eine Polemik nach der anderen vom
Stapel ließ.


Unterstützung bei der Argumentation aus der untersten Schublade erhielt Gehrer von
ihrem Kollegen Ernst Strasser, der sich ebenfalls als nicht fachzuständiger und
obendrein völlig falsch informierter Minister in einer Polemik gegen Ganztagsschulen
übte. In einem Standardinterview vom 3. September meinte er: „Die
Ganztagsschulen sind eine der großen Misserfolge sozialdemokratischer Politik in
Deutschland, die zu Verelendung, Anonymisierung und vandalisierenden
Jugendlichen in den Großstädten geführt hat. Dieses Konzept ist gescheitert."

Dabei spielt es für Strasser offenbar keine Rolle, dass mit nur 3 % ein verschwindend
geringer Anteil der Schulen in Deutschland ganztägig geführt wird und die
Anstrengungen in diese Richtung erst intensiviert werden, weil die bildungspolitisch
innovativen Länder Skandinaviens als Vorbild gelten und deren Erfolge
unübersehbar sind. Nach dem Schock, den die Ergebnisse der „PISA-Studie"
auslösten, setzt man in Deutschland nun große Hoffnungen auf die Ganztagsschule.
Anfang September gab es den Startschuss zu einem Förderprogramm für
Ganztagsschulen im Ausmaß von 4 Mrd. €.

Gerade internationale Vergleiche zeigen den dringenden Handlungsbedarf der
Bildungsministerin.

·      Die Herkunft ist in Österreich nach wie vor das zentrale Kriterium für den
Bildungsweg.

Kinder aus weniger begüterten Familien mit niedrigem Bildungsstand der Eltern
haben nach wie vor deutlich weniger Chancen im österreichischen Bildungssystem
als jene aus sozioökonomisch bevorzugtem Umfeld. Das zeigen Daten aus der
internationalen Bildungsvergleichsstudie „PISA" und Studien des Instituts für
Bildungsforschung.

Der von Österreich zusätzlich durchgeführte Vergleich der Ergebnisse der „PISA-
Studie" zwischen den zehn reichsten Staaten Europas zeigt sehr deutlich die hohe
Abhängigkeit der Schülerinnenleistungen von der Schulbildung der Eltern. In
Finnland, dem Spitzenreiter in der „PISA"-Studie, beträgt der durchschnittliche
Leistungsunterschied zwischen Schülerinnen, deren Eltern der höchsten
Bildungsschicht angehören, und jenen, deren Eltern der niedrigsten Bildungsschicht
angehören, 39 Punkte, in Irland sind es 37,5 Punkte. In Österreich sind es dagegen
91,5 Punkte. Eine Stufe in der fünfteiligen PISA-Skala beträgt 41 Punkte. Während
es einigen Ländern also gelingt, die Unterschiede innerhalb einer Stufe zu halten
liegt der durchschnittliche Unterschied in Österreich bei weit mehr als 2 Stufen.

In allen neun Ländern, die in der PISA-Studie bei der Lesekompetenz vor Österreich
rangieren, bestehen die Leistungsunterschiede vorwiegend innerhalb einer Schule.
In Österreich dagegen sind die Unterschiede zwischen den Schulen viel größer. Das
ist das Ergebnis der frühzeitigen Selektion in Österreich nach der vierten Klasse
Volksschule. Auch in der PISA-Studie wird der "Abbau der sozioökonomischen
Segregation zwischen den Schulen" als mögliche Strategie dargestellt, um dem
Problem der Unterschiede zwischen den Schulen beizukommen.

Dass der größte Einfluss auf die Bildungskarriere der Kinder vom Bildungsniveau der
Eltern ausgeht, belegen auch Studien des Österreichischen Instituts für


Familienforschung. Demnach maturieren 80 Prozent der Kinder von Akademikern.
Bei Kindern von Eltern mit Pflichtschulabschluss sind es hingegen nur zehn Prozent -
ein Verhältnis, das sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert hat.
Ähnliches gilt im Bereich der Hochschulbildung: Gerade einmal 40 % der
Studienanfängerinnen sind Kinder von Eltern ohne Matura - Tendenz rückläufig.

·              Die Regel an Österreichs Schulen ist nach wie vor Unterricht in
unzusammenhängenden 50-Minuten-Blöcken am Vormittag. Ein
pädagogisch innovatives Ganztagsschulsystem wird von der
Bildungsministerin abgelehnt.

Die Diskussion um die Ausweitung von Ganztagsschulen wird von den
Regierungsparteien ausschließlich unter dem Betreuungsaspekt geführt. Dieses
Modell der Nachmittagsbetreuung für jene, die es wollen, würde die in keiner Form
mehr zeitgemäße Gestaltung der Unterrichtsrealität an den Vormittagen nicht
verändern. Pädagogisch innovative Ganztagsschulen leben von einem Wechsel von
Lernphasen, Projektunterricht, sportlichen oder musischen Aktivitäten sowie
Erholungsphasen. Darüber hinaus wird der Anteil privaten Lernens, zum Teil mit
Nachhilfe, vorwiegend in die Schulen verlagert. Im Bereich der Pflichtschulen ist mit
der Verweigerung dieser pädagogischen Veränderung auch ein Abschieben der
Verantwortung für die Nachmittagsbetreuung auf die Bundesländer verbunden. In
mehreren Anfragebeantwortungen hat sich Bildungsministerin Gehrer als
unzuständig für die Nachmittagsbetreuung an Pflichtschulen erklärt.

·              Das Gehaltsschema der österreichischen Lehrerinnen kennt nach wie
vor nur ein zentrales Kriterium, das Alter. Der Unterschied zwischen
Einstiegs- und Höchstgehalt ist so groß wie in kaum einem anderen
OECD-Land.

Die Jahreseinkommen der Lehrerinnen werden in der jährlich erscheinenden OECD-
Studie „Bildung auf einen Blick" auf Basis von US-Dollar verglichen. Das
Einstiegsgehalt der österreichischen AHS-Lehrer
Innen beträgt 24.200 Dollar, das
Gehalt nach 15 Jahren 30.600 Dollar und das Höchstgehalt 53.800 Dollar.
Verglichen mit dem OECD-Durchschnitt steigen Österreichs Lehrerinnen mit 400
Dollar mehr ein, verdienen nach 15 Jahren 3.000 Dollar weniger und liegen beim
Höchstgehalt um 12.400 (!) Dollar über dem Durchschnitt. Ein sehr ähnliches Muster
zeigt sich auch bei den Pflichtschullehrerinnen und im gesamten öffentlichen Dienst.

Es zeigt sich also, dass Österreichs Lehrerinnen vor allem im Hinblick auf den
Wohlstand des Landes mit unterdurchschnittlichen Gehältern einstiegen, nach 15
Jahren wesentlich unter dem Durchschnitt und dafür am Ende drastisch darüber
liegen. Das Gehalt steigt im Lauf der Jahre auf das 2,4-fache des Einstiegsgehaltes.
Während es in fast allen Ländern verschiedene Zulagensysteme gibt, z. B. für
Weiterbildung, Lehrqualifikation in mehreren Fächern oder besondere Aufgaben wie
Lernbetreuung, wird in Österreich nur eines honoriert, das Altern.

Ist dieses Gehaltsschema gerecht? Nein. Niemand wird ernsthaft behaupten, dass
die Leistung knapp vor der Pensionierung um 140 % höher als zu Beginn der
Berufslaufbahn oder um fast 80 % höher als nach 15 Jahren Berufserfahrung ist.


Ist dieses Gehaltsschema sinnvoll? Nein. Gerade dann, wenn durch eine
Haushaltsgründung, ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung, durch Kinder in
Folge eingeschränkter Erwerbstätigkeit bzw. des notwendigen Betreuungsaufwands
der finanzielle Bedarf am höchsten ist, wird in Österreich weit unterdurchschnittlich
verdient. Die hohen Einkünfte vor der Pensionierung führen zu einer beträchtlichen
Sparquote. Das ist weder volkswirtschaftlich sinnvoll noch entspricht es den
Bedürfnissen. Im öffentlichen Bereich endet der Versuch, die Personalkosten
einzudämmen nach wie vor in Frühpensionierungswellen. Ein solches, auf
Altersbelohnung ausgerichtetes Gehaltsschema führt auch dazu, dass die
Bereitschaft zu einem Wechsel der beruflichen Tätigkeit sehr gering ist. In vielen
Fällen ist es nicht wünschenswert, dass Lehrerinnen bis 65 im Klassenzimmer
stehen. Aber wer verzichtet freiwillig auf Bezüge, die bei einem Wechsel in diesem
Alter sonst nirgends zu erzielen sind?

Bei den Lehrerinnen besteht eine Differenz zwischen Einstiegs- und Höchstbezug
von 242 Prozent - das ist international absolut einzigartig. Einige Länder wie
Dänemark, Australien oder England haben bereits wesentlich flachere Gehaltskurven
mit einer Steigerung von etwa 40 % eingeführt. Im Volksschulbereich verdienen
dänische Lehrerinnen am Ende überhaupt nur 10 % mehr als zu Beginn.

·              Die österreichischen Universitäten leiden unter akuten
Finanzierungsproblemen

Das Uni-Budget für 2003 liegt um 100 Mio. Euro unter dem des Vorjahres. Die
Zahlen des Finanzministers sprechen für sich: So standen den Unis 2002 1.737 Mio.
€ zur Verfügung. Der Bundesvoranschlag betrug zwar etwas weniger, jedoch kamen
noch Mittel aus der Universitätsmilliarde dazu. Im Jahr 2003 wird es keine
Universitätsmilliarde mehr geben und im Bundesvoranschlag sind nur mehr 1.630
Mio. € budgetiert.

Die Entwicklung des Universitätsbudgets ist also rückläufig und liegt in Österreich
weit unter dem OECD-Durchschnitt. Machte das Hochschulbudget 1999 noch 1,22
Prozent vom Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus, so sind es 2003 nur noch knapp 1,1
Prozent. Im Vergleich dazu beträgt das Hochschulbudget im OECD-Durchschnitt 1,6
Prozent, in den USA sogar 2,5 Prozent vom BIP.

Laut Berechnungen der Rektorenkonferenz vom 13. Juni 2003 fehlen den
Universitäten für heuer mindestens 35 Mio. €, um den laufenden Betrieb zu
gewährleisten:

Ø       ca. 12 Mio. durch Implementierungskosten des Universitätsgesetzes (UG)
2002, davon etwa 4-5 Mio. für die Ausgliederung der Medizinischen
Fakultäten

Ø       ca. 6 Mio. wegen steigender Aufwendungen im Personalbereich

Ø       18,7 Mio. wegen der 3%-Bindung der Ermessensausgaben

Am 11. Juli 2003 fand im Parlament ein „Runder Tisch" mit Universitätsrektoren statt,
um die dramatische finanzielle Situation der österreichischen Universitäten zu
erörtern. Dabei wurde festgestellt, dass es Budgetkürzungen um 6 % und Kürzungen
bei den frei verfügbaren Mitteln um bis zu 15 % gibt. In zahlreichen



Universitätsbauten sind neue Ersteinrichtungen notwendig, die Ausführung ist
mangels gesicherter Finanzierung aber bisher nicht möglich.

Minister Grasser sprach in seiner Budgetrede von einer Verdoppelung des
Universitätsbudgets zwischen 1999 und 2004. Konkrete Strategien, dieses Ziel zu
erreichen, blieb Grasser - und mit ihm die gesamte Bundesregierung - allerdings
ebenso schuldig, wie der Nachweis entsprechender Budgetzahlen, die ein solches
Ziel zumindest plausibel machten. In den publizierten Übersichten und Grafiken der
Budgetrede Grassers fehlen zur Verdoppelung des Uni-Budgets 543 Mio. €.

Die von BM Grasser verkündete Steigerung des gesamten Bildungsbudgets von 8,2
Mrd. auf über 9 Mrd. Euro resultiert aus einer Neugestaltung des
Wissenschaftsbudgets. Durch die ab 2004 geltenden Globalbudgets wird der
Großteil der Hochschullehrerinnen über die Ämter der Universitäten budgetiert. Die
dafür notwendigen 733 Mio. € wurden vom ehemaligen BM:ÖLS (Ausgaben)
ausgebucht und an die Universitäten transferiert, wo sie im Budget nun als
Einnahmen aufscheinen. Die vollmundig angekündigte Erhöhung erweist sich als
Nullsummenspiel. Die tatsächliche Erhöhung beträgt lediglich 37 Mio. Euro.

Die Situation ist auch deshalb problematisch, weil der Fonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung (FWF) mit einem im Vergleich zum Vorjahr um 20 %
geringerem Budget dotiert wurde. Der FWF stellt die wichtigste
Forschungsfinanzierungsquelle der österreichischen Universitäten dar, mehr als
1900 Forscherinnen an österreichischen Universitäten werden durch den FWF
finanziert. Da über 90 % der FWF-Mittel im Rahmen von Forschungsprojekten an die
Universitäten gehen und die Unis durch das Universitätsgesetz 2002 gezwungen
sind, verstärkt Drittmittel einzuwerben, ist dieser Schritt wissenschaftspolitisch völlig
unverständlich. Die Konsequenz aus der Budgetmisere: 500 bis 600
Forschungsstellen können nicht besetzt werden und der Fonds musste in seiner
letzten Vergabesitzung vor dem Sommer aus Budgetknappheit fast alle
Bewilligungen aussetzen. Da sind auch die nun in Aussicht gestellten Vorgriffe auf
das Budget des Jahres 2004 lediglich eine kurzfristige Verschiebung des Problems.

·              Durch das Universitätsgesetz 2002 wurde die Mitbestimmung und
Partizipation der Universitätsangehörigen, insbesondere der Rechte der
Studierenden stark reduziert.

Durch das Universitätsgesetz 2002 wurden die Universitäten in ihrer
Grundverfassung umgebaut, politische und ökonomische Abhängigkeiten forciert,
autoritäre Strukturen eingeführt und die universitätsinternen demokratischen
Strukturen großteils zerstört. Ein mächtiger, unter Regierungseinfluss stehender
Universitätsrat, führt nicht wie von der Regierung behauptet, zu einer Vergrößerung,
sondern zu einer Reduktion universitärer Autonomie und zum Abbau der
verfassungsrechtlich verankerten universitären Selbstverwaltung. Alle Macht wird
den ordentlichen Professoren vorbehalten damit orientiert sich die Reform an der
Universität des 19. Jahrhunderts.

Bereits jetzt zeigen sich die Mängel der Uni-Reform an allen Ecken und Enden.
Laufend werden neben den drastischen finanziellen Schwierigkeiten, die die
Implementierung des Gesetzes verursacht, neue Pannen bekannt, die die
Umsetzung des Gesetzes erschweren und zur Demotivierung der Betroffenen



führen. Von universitärer Autonomie kann - abgesehen davon, dass Gehrer die Unis
mit ihren budgetären Problemen im Regen stehen lässt und auf die
Problemlösungskompetenz der Rektoren der autonomen Unis verweist - inzwischen
auch nicht mehr die Rede sein. Nicht nur bei der Rektorswahl an der
neugegründeten Medizinischen Universität Innsbruck führte der ministerielle Eingriff
über die Köpfe der betroffenen Universitätsangehörigen hinweg zu Unmut und
Frustration. Vor allem auch die Bestellung der Universitätsräte sorgte aufgrund
eigenwilliger Personalwahl für Diskussionen an den Unis und in den Medien.
Insgesamt bestellte die Bundesregierung auf Vorschlag Gehrers 59 Uniräte, von
denen sich fast die Hälfte eindeutig als ÖVP (bzw. einige FPÖ)-nahe deklariert hat.
Von den 21 Universitäten sind daher lediglich sechs ohne bereits nach kurzer
Recherche nachweisbaren parteipolitischen Einfluss (VetMed Uni, Montanuni
Leoben, Med. Uni Graz, Musikuni Wien, Kunstuni Graz, Kunstuni Linz). Besonders
auffallend ist das Engagement vieler Universitätsräte im Personenkomitee für
Wolfgang Schüssel im NR-Wahlkampf 2002. Amtsbekannte nationale
Burschenschaftler wurden ungeniert und gegen die Proteste der Universitäten in die
Uni-Räte gesetzt. Der Schaden, der den Universitäten international dadurch zugefügt
wird, dass Leute mit vorgestriger Weltanschauung wesentliche Ämter der in die
Zukunft orientierten Universitäten bekleiden, ist enorm.

   Sowohl die Akademikerinnenquote von weniger als 14 % als auch der
Anteil von Forscherinnen an der Erwerbsbevölkerung (4,86
Forscherinnen pro 1000 Erwerbspersonen im Vergleich zu 5,6) liegen in
Österreich weit unter dem EU- und OECD-Durchschnitt.

Österreich hat nach wie vor eine der niedrigsten Akademikerinnenquoten aller
OECD-Länder. Das geht aus den aktuellen Zahlen der OECD-Studie „Bildung auf
einen Blick 2003" hervor und zeigt extreme Mängel in der österreichischen
Bildungspolitik im tertiären Bereich auf. Die Akademikerinnenquote in Österreich
beträgt gerade einmal 14 %. In anderen OECD-Staaten liegt diese Quote zwischen
30 und 50 %.

Die Situation wird sich nicht so schnell ändern, da die Hochschulzugangsquote, also
der Anteil der Personen an einem Altersjahrgang, die ein Studium an einer
Universität oder Fachhochschule beginnen, in Österreich mit nur 34 % deutlich
unterdurchschnittlich ist, um mittelfristig eine signifikante Erhöhung der
Absolventinnenquote zu erreichen. Im OECD-Durchschnitt gingen 47 % eines
Maturajahrgangs in eine tertiäre Bildungseinrichtung. Zum Vergleich: Die
skandinavischen Länder haben insgesamt einen sehr hohen Hochschulzugang wie
etwa Finnland mit 71 Prozent. Eine stärkere Beteiligung von jungen Leuten an der
tertiären Bildung ist daher dringendst nötig.

Die Verfügbarkeit qualifizierten Personals wird durch die geringe Beteiligung an der
tertiären Bildung zunehmend ein limitierender Faktor. Laut EU-Kommissionsbericht
besteht im Bereich der für die zukünftige Entwicklung wesentlichen
„Humanressourcen" im Forschungsbereich klarer Nachholbedarf für Österreich. Der
Anteil von Forscherinnen an der Erwerbsbevölkerung muss daher in allen
Forschungsbereichen steigen. Das größte Problem an der von der Bundesregierung
verschuldeten Forschungsbudgetmisere ist, dass die in Österreich ohnehin geringe
Anzahl an Forscherinnen und Forschern weiter stagniert, da vor allem der
wissenschaftliche Nachwuchs gezwungen ist, ins Ausland abzuwandern. Durch den


Sparkurs beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) macht
sich die Regierung verantwortlich, dass bis zu 600 Forscherinnen und Forscher keine
Anstellung finden.

Die Ausweitung von Forschungsstellen und Arbeitsplätzen im Forschungsbereich
sind dringend nötig. Dazu bedarf es der Erhöhung der Forschungsquote sowie
verbesserter Rahmenbedingungen und Anreize für die Forschung und die dort
engagierten Menschen wie etwa ausreichende Stipendien und Förderprogramme
und attraktive Arbeitsplatzmöglichkeiten. Zumindest muss die Regierung dafür
sorgen, dass der FWF die vom Finanzminister gekürzten 30 Mio. € für 2003
bekommt, um die über 600 ausstehenden Forschungsprojekte finanzieren zu
können.

    Das im Juli 2001 von ÖVP und FPÖ beschlossene neue Uni-Dienstrecht
bietet keine Anreize für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Das im Juli 2001 von ÖVP und FPÖ beschlossene neue Dienstrecht setzt auf
restriktiv befristete Verträge für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Diese
ermöglichen keine längerfristige Auseinandersetzung mit komplexen
Forschungsinhalten und bieten keine attraktiven Karrierechancen. Viele Institute
klagen bereits über Nachwuchsmangel - auf Ausschreibungen melden sich keine
oder deutlich weniger Interessentinnen. Die Mehrkosten der Unireform führen
zwangsläufig zu einer Verknappung der Personalmittel und zur empfindlichen
Reduktion von Planstellen. Dies bedeutet mangelnde Attraktivität und fehlende
Anreize für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Durch den seit April wirksamen, vom
Ministerrat diktierten Aufnahmestopp wird es bis Jahresende zu einem
Personalabbau von bis zu 15 % kommen.

Die Gefahr einer kurzfristigen Stellenrotation (innerhalb von 5 Jahren 50% des
Personals ausgetauscht) verunmöglicht langfristige Forschung. Das hat
Abwanderung von Know How zur Folge und fördert Moden und Trends statt Qualität
und experimentelle Grundlagenforschung (5 bis 10 Jahre) oder Risikoforschung.
Außerdem werden Auslandsaufenthalte dadurch zum Risiko. Die von Gehrer und
Gorbach angekündigte Rückholaktion österreichischer Wissenschaftlerinnen aus
dem Ausland muss angesichts rückläufiger Universitäts- und Forschungsbudgets
und des restriktiven Dienstrechts als reine Alibiaktion gewertet werden. Denn welche
Rahmenbedingungen können die Unis diesen Forscherinnen anbieten? Durch das
neue Dienst- und Besoldungsrecht existieren kaum attraktive Laufbahnen für
Nachwuchsforscherinnen. Viele Institute bzw. ganze Fakultäten klagen bereits
darüber, dass die Resonanz auf Stellenausschreibungen tatsächlich abgenommen
hat - es melden sich keine oder deutlich weniger Interessentinnen.

    Die   Forschungsquote   liegt  weit   unter  dem   Ziel   von   2,5   %   des
Bruttoinlandsprodukts. Die Mittel wurden im Jahr 2003 sogar gekürzt.

Das Ergebnis der schwarzblauen Forschungspolitik ist ernüchternd: Laut
Rechnungshof ist die österreichische Forschungslandschaft zersplittert, ganzheitliche
Konzepte für deren Neuorganisation liegen bis dato nicht vor, das Forschungsbudget
liegt nach wie vor unter dem EU-Durchschnitt und die Forschungsförderung verläuft
völlig unkoordiniert. Es fehlen die grundlegenden und auch wirtschaftsfördernden
Maßnahmen, wie die Vereinfachung der Förderungsstrukturen, die Bereinigung der


ministeriellen Zuständigkeiten, und die Schaffung einer Forschungsstiftung. Diese
Haupt-Kritikpunkte des Rechnungshofes an der Forschungs- und Technologiepolitik
der Bundesregierung bestätigt die mehrfach geäußerten Grünen Positionen und
Forderungen nachdrücklich.

Außerdem wurde das Ziel, das Forschungsbudget auf 2,5% am BIP anzuheben, klar
verfehlt. Das haben IHS und Wifo bereits seit langem vorgerechnet. Die nüchternen
Zahlen der Statistik Austria haben dies bestätigt. Auch der Rat für Forschung und
Technologieentwicklung hat nun die unbedingte Bereitstellung zusätzlicher Mittel
gefordert, ohne die eine dringen notwendige Anhebung der Forschungsquote auf
EU-Niveau nicht zu erreichen ist. Die Budgetierung der österreichischen
Forschungsförderungsfonds liegt 2003 drastisch unter den international üblichen
Standards.

Die Folgen davon sind mittelfristig katastrophal für den Wissenschafts- und
Wirtschaftsstandort Österreich: Wer die Forschung stiefmütterlich behandelt, wird sie
in Zukunft im Ausland suchen müssen! Die Regierung muss daher aufpassen, dass
die österreichische Forschung nicht hinter die internationale Konkurrenz zurückfällt.
Vor allem exzellente Grundlagenforschung ist Voraussetzung für
anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung sowie Innovationen in der
Wirtschaft. Diese wiederum sind unverzichtbar für die Sicherung des Wohlstands.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert:

1.   Der von ihr eingesetzten Zukunftskommission den Auftrag zu erteilen, sich mit
der in vielen internationalen Vergleichen festgestellten sozial problematischen
Situation an Österreichs Schulen auseinander zu setzen. Dabei sollen
Frühfördermaßnahmen im Vorschulbereich, die individuelle Förderung von
Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten und die Auswirkung
der frühen Selektion nach vier Schuljahren beleuchtet werden. Maßnahmen
zur Angleichung unterschiedlicher Bildungschancen müssen im Bericht der
Zukunftskommission enthalten sein.

2.   Der von ihr eingesetzten Zukunftskommission weiters den Auftrag zu erteilen,
sich mit den pädagogischen Möglichkeiten von Ganztagsschulen im
internationalen Vergleich auseinander zu setzen. Dabei ist insbesondere zu
beleuchten, welche unterschiedlichen pädagogischen Möglichkeiten zwischen
der von den Regierungsparteien favorisierten Nachmittagsbetreuung für jene,
die es wollen und pädagogisch innovativen Ganztagsschulmodellen nach
skandinavischen Vorbild bestehen.

3.   Dem Nationalrat bis spätestens 30.4.2004 ein Maßnahmenpaket zur
Angleichung der unterschiedlichen Bildungschancen österreichischen
Schülerinnen sowie zur Ausweitung der Ganztagsschulangebote für das
Schuljahr 2004/2005 vorzulegen.

4.   Dem Nationalrat ein Regierungsvorlage für ein modernes
Lehrerinnendienstrecht vorzulegen, bei dem die Einstiegsgehälter um
zumindest 25 % erhöht werden und die Differenz zwischen Einstiegs- und
Höchstgehälter zumindest halbiert wird.

5.   Für das Jahr 2003 als Sofortmaßnahme 100 Millionen Euro für die
Universitäten und den Fonds zur Förderung von Wissenschaft und Forschung
(FWF) zur Verfügung zu stellen:

Die Universitäten müssen einen Sockelbetrag von 21,67 Mio. Euro und den
Rest (43,7 Mio. €) nach der Anzahl der inskribierten Hörerinnen erhalten.

Der FWF muss zusätzlich mit 35 Mio. Euro (25 Mio. Euro zur
Aufrechterhaltung des Forschungsbetriebes und 10 Mio. Euro für
Ersatzinvestitionen) dotiert werden.

Jene 500 Professorinnen-Stellen, die den Universitäten im Juni 2001
versprochen wurden, sind sofort zu finanzieren.


6.   Dem Nationalrat bis 30.4.2004 eine Regierungsvorlage zur Einführung eines
modernen „tenure track Systems" vorzulegen und ein überholtes Kuriensystem
durch Einführung einer einheitlichen Hochschullehrerinnen-Kurie zu ersetzen

Dieses System ist ein international anerkanntes und gut funktionierendes
Dienstrecht. Es bietet die Möglichkeit des Erwerbs leistungsabhängiger
Arbeitsplatzsicherheiten und möglichst früher Selbständigkeiten in Forschung
und Lehre. Teamorientiertes Arbeiten und internationale Erfahrungen werden
dabei verstärkt gefördert und honoriert. Dazu bedarf es einer Novellierung des
Universitätsgesetzes 2002 und des Dienstrechts. International ist
leistungsabhängige Arbeitsplatzsicherheit durchaus üblich. In den USA sind
etwa 50% der Professorinnen tenure, d.h. sie sind definitiv gestellt.
Definitivstellung heißt allerdings nicht Unkündbarkeit (auch bei unbefristeten
Verträgen ist Kündigung bei Nichterbringen der Leistung möglich).

7.   Dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Novellierung des
Universitätsgesetzes 2002 vorzulegen, durch die die demokratische
Mitbestimmung der Studierenden und des akademischen Mittelbaus wieder
hergestellt wird.

8.   Dem Nationalrat bis spätestens 31. 12. 2003 ein Maßnahmenpaket zur
Erhöhung der Akademikerinnenquote sowie des Anteils an Forscherinnen in
der Bevölkerung vorzulegen.

Die unterfertigten Abgeordneten verlangen, diesen Antrag gemäß §§ 74a Abs. 1 in Verbindung
mit 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.