231/A XXII. GP
Eingebracht am 24.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Antrag
der Abgeordneten Dr. Jarolim
und GenossInnen
betreffend ein Bundesgesetz über ein Bundes - Heimvertragsgesetz
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesqesetz über ein Bundes - Heimvertragsgesetz
Der Nationalrat hat beschlossen:
Art. l
Bundes - Heimvertragsgesetz
§ l Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz
regelt den Vertragsschluss zwischen Heimen für alte oder pflege -
bedürftige
oder behinderte volljährige Personen* und ihren Bewohnern.
(2) Heime sind Einrichtungen, die wenigstens drei
Personen auf Dauer oder be -
stimmte Zeit aufnehmen und sich verpflichten, im Bedarfsfall
Betreuungsleistungen
auch selbst zu erbringen.
(3) Die vertragliche
Vereinbarung betrifft die Aufnahme, das Überlassen von Unter -
kunft sowie die Betreuung und Verpflegung alter oder pflegebedürftiger oder
behin -
derter
Bewohner.
(4) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Krankenanstalten und
Rehabilitati -
onseinrichtungen, soferne diese nicht der Betreuung alter oder
pflegebedürftiger oder
behinderter Personen dienen.
§ 2 Zweck des Gesetzes
(1) Zweck dieses
Gesetzes ist es, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner
zu schützen. Selbständigkeit und Selbstverantwortung von Heimbewohnern sind zu
*bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für
beide Geschlechter.
fordern und der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte (§§ 10
und 11) zu garantieren. Die
Rechtsbeziehung
zwischen Heimträger und Heimbewohner soll durch den Heimver -
trag
auf eine feste Grundlage gestellt werden, um eine Betreuung auf hohem Niveau
zu
sichern.
(2) Die Rechtsstellung von Heimträgern hinsichtlich ihrer
landesgesetzlich geregelten
Zielsetzungen
und Aufgaben wird von diesem Gesetz nicht berührt.
§ 3 Heimvertrag
(1) Heimverträge sind privatrechtliche Verträge zwischen
Heimträgern und Heimbe -
wohnern
im Sinne des § l. Der Heimvertrag ist ein entgeltlicher Vertrag mit beider -
seitigen
Rechten und Pflichten.
(2) Heimverträge sind schriftlich abzuschließen. Jeder
Vertragsteil erhält ein unter -
fertigtes Vertragsexemplar. Im Heimvertrag sind die Vertragspartner zu benennen
und die beiderseitigen Rechte und Pflichten verständlich zu regeln.
Insbesondere ist
darin das von Bewohnern zu entrichtende Entgelt, aufgeschlüsselt nach einzelnen
Leistungen,
anzugeben.
(3) Von diesem Gesetz abweichende Vereinbarungen zum
Nachteil der Bewohner
sind unwirksam. Sondervereinbarungen für Kurzzeitpflege bis zu drei Monaten
sind
aber
gestattet. Kurzzeitpflege kann in einer Ausführungsverordnung geregelt werden.
§ 4 Vertragsanbahnung - Informationspflicht
Heimträger trifft die Pflicht, schon Interessenten für
Abschlüsse von Heimverträgen
schriftlich oder mündlich über ihre künftigen Rechte und Pflichten sowie über
die vom
Heimträger zu erbringenden Leistungen aufzuklären. Heimträger haben Interessen
-
ten über die Zielsetzungen und Möglichkeiten sowie die Organisation des Heims
ver -
ständlich zu informieren. Dabei ist auf die besondere Situation alter oder
pflegebe -
dürftiger oder behinderter Menschen Rücksicht zu nehmen. - Jedes Heim hat Warte
-
listen
anzulegen.
§ 5 Leistungsanpassungspflicht
(1) Heimträger trifft im Rahmen ihrer Tätigkeit die
grundsätzliche Pflicht, ihre Leistun
gen
dem Gesundheitszustand des Heimbewohners anzupassen. Änderungen sind in
einem Nachtrag zum Heimvertrag schriftlich zu vereinbaren.
(2) Der Leistungskatalog von Alten -,
Pflege - und Behindertenheimen in Bezug auf
das
Wohnen, die Betreuung und die Pflege ist im Sinne von Leistungs - und Betreu -
ungs
- Mindeststandards in einer Ausführungsverordnung zu regeln.
§ 6 Entgelt und Entgelterhöhung
(1) Das dem Heimträger zustehende Entgelt muss
angemessen sein. Es hat den
vom Heimträger zu erbringenden Leistungen zu entsprechen.
(2) Die Grundsätze der Entgeltbestimmung sollen in einer
Entgeltrichtlinienverord -
nung festgelegt werden. Dabei ist anzuführen, welche Leistungen durch ein
Verein -
bartes Pauschalentgelt abgegolten sind und welche detailliert anzuführenden Lei
-
stungen
zu welchem Preis zusätzlich verrechnet werden.
(3) Eine Entgelterhöhung durch den Heimträger ist zulässig, wenn sich
die bisherige
Berechnungsgrundlage
nachweislich um wenigstens 3 % verändert hat, im Einklang
mit
der Valorisierung der Pensionen (gem. § 108 ASVG) erfolgt und das erhöhte
Entgelt angemessen ist. Die Erhöhung ist zu begründen. In die
Kalkulationsgrundla -
gen ist auf Wunsch dem Bewohner oder dessen bestelltem Vertreter Einsicht zu ge
-
währen.
(4) Jede
Entgelterhöhung bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Heimbewohners.
Heimträger
trifft die Pflicht, Heimbewohner auf geplante Entgelterhöhungen minde -
stens
einen Monat im Voraus schriftlich aufmerksam zu machen.
(5) Im Heimvertrag
kann aber vereinbart werden, dass der Heimträger Erhöhungen
und
Senkungen des Entgelts durch einseitige Erklärung vornehmen kann. Abs l ist
dabei
zu beachten. Entgeltsenkungen sind vom Heimträger unverzüglich zu berück -
sichtigen und können auch von Heimbewohnern verlangt werden. Eine Kündigung
des Heimvertrags durch den Heimträger zum Zwecke der Entgelterhöhung ist aus -
geschlossen.
§ 7 Leistungen des Heimträgers
(1) Die Leistungen
des Heimträgers haben folgenden Grundsätzen zu entsprechen:
l.
Sie sind einzeln und übersichtlich zu umschreiben, wobei die jeweils dafür an -
gesetzten
Entgelte, soweit sie nicht durch ein Pauschalentgelt abgegolten sind,
auszuweisen
sind. Allgemeine Pflege - und Betreuungsleistungen, wie zum Bei •
spiel
Waschen, Anziehen, Toilette, Hilfe bei der Einnahme von Essen und Ge -
tränken oder soziale
Betreuung sind im Rahmen der Grundbetreuung ohne zu -
sätzliche
Entgeltleistung zu erbringen.
2. Die Benützung der
allgemeinen Räumlichkeiten des Heims und der Unterkunft
des Bewohners ist genau zu regeln. Die Haus - oder Heimordnung bildet einen
Bestandteil
des Vertrages und ist Interessenten rechtzeitig vor Vertragsschluss
auszuhändigen.
3. Die einzelnen
Pflege - und Betreuungsleistungen sind genau anzuführen und mit
Entgeltansätzen
zu versehen. Die Abwesenheit von Heimbewohnern ist finan -
ziell
angemessen zu berücksichtigen. Der Heimträger ist verpflichtet, eine Pfle -
gedokumentation
zu fuhren, in die dem Heimbewohner und bei dessen Einver -
ständnis
auch dessen Angehörigen sowie einem bestellten gesetzlichen Ver -
treter Einsicht zu gewähren ist. Auf Verlangen sind daraus Kopien anzufertigen.
4. Die Verpflegung
von Heimbewohnern ist hinsichtlich der Zahl der Mahlzeiten,
der
Art und Qualität der angebotenen Speisen, des Ortes und der Zeiträume ih -
res Verabreichens flexibel zu regeln. Verschiedene Kosiformen sind anzubie -
ten. Hilfe bei der Einnahme aller Mahlzeiten ist sicherzustellen.
5. Der Heimträger
hat die Voraussetzungen der Inanspruchnahme sowie Art und
Qualität
der von ihm entgeltlich oder unentgeltlich angebotenen therapeutischen
und
medizinischen Leistungen anzuführen.
(2) Im Falle mangelhafter Leistungserbringung oder
anderen Leistungsstörungen, die
vom
Heimträger zu vertreten sind, stehen Heimbewohnern die Möglichkeiten des
bürgerlichen Rechts offen. § 9 KSchG ist entsprechend anzuwenden.
§ 8 Pflichten der Heimbewohner
(1) Heimbewohner haben ihre vertraglichen Pflichten zu
erfüllen und dabei darauf zu
achten,
dass der Heimbetrieb von jedem Einzelnen die Rücksichtnahme auf berech -
tigte Interessen anderer Heimbewohner und des Heimträgers erfordert.
(2) Der Heimträger ist berechtigt, im Falle von schweren
Verletzungen der heimver -
traglichen
Beziehung eine Ermahnung auszusprechen und auf mögliche Folgen ei -
nes solchen Verhaltens hinzuweisen; § 12 Abs 2.
§ 9 Persönlichkeitsschutz von Heimbewohnern
(1) Der Heimträger hat die Persönlichkeitsrechte des
Heimbewohners zu gewährlei -
sten.
Er hat dabei die Persönlichkeitsrechte des Privatrechts (insbesondere die §§
16,17 ABGB) ebenso zu achten wie die verfassungsrechtlich gewährleisteten
Grundrechte sowie straf- und verwaltungsrechtliche Schutzbestimmungen.
(2)
Der Heimträger ist verpflichtet insbesondere
folgende Rechte der Heimbewohner
zu gewährleisten. Das Recht auf:
1. freie Entfaltung der
Persönlichkeit; freiheitsbeschränkende Maßnahmen dür -
fen nur nach Maßgabe gesetzlicher Vorschriften gesetzt werden;
2. anständige Begegnung;
3. Individualität,
Selbstbestimmung und Achtung des Privatlebens im Heim
(Schutz
der Wohnung);
4. Schutz des Brief-, Post - und Femmeldegeheimnisses;
5. administrative Unterstützung;
6. politische und religiöse Selbstbestimmung;
7. Einrichtung
unabhängiger Beschwerdeinstanzen inner - oder außerhalb des
Heimes;
8. eine zeitgemäße medizinische
Versorgung, freie Arzt - und Therapiewahl (Ku -
rierfreiheit)
sowie eine adäquate Schmerzbehandlung;
9. Kontakte zur Außenwelt: insbesondere Besuchsrecht und Telefon;
10. Benennung einer
persönlichen Vertrauensperson, der besondere Rechte auch
im
Heim zustehen sollen und die in wichtigen Belangen zu verständigen ist,
insbesondere
bei Vertragsabschluss oder Vertragsänderung hinzuzuziehen
ist;
11. Achtung der Intimsphäre und Verschwiegenheit durch das Heimpersonal;
12. Beachtung des
Gleichheitsgrundsatzes: Geschlecht, Abstammung, Sprache,
politische
Überzeugung oder religiöses Bekenntnis dürfen kein Grund von Be -
nachteiligungen sein;
13. freie
Meinungsäußerung und das Recht, sich zu versammeln und Vereinigun -
gen zu bilden;
14. Verfügung über
personenbezogene Daten (Recht auf
informationelle Selbst -
bestimmung);
15. persönliche Kleidung und
16. das Recht, im Rahmen bestehender Möglichkeiten, eigenes Mobiliar oder
Haustiere mitzunehmen.
(3)
Vereinbarungen über freiheitsbeschränkende Maßnahmen können nicht Gegen -
stand des Heimvertrags sein.
§ 10 Mitbestimmung von Heimbewohnern
(1) Heimbewohnern ist die Möglichkeit zu einer wirkungsvollen
Mit - und Selbstbe -
Stimmung
ihrer Interessen im Heim zu eröffnen. Dies gilt insbesondere für das Er -
stellen und Abändern der Haus - oder Heimordnung. - Es ist eine Heimbewohneran
-
waltschaft
einzurichten.
(2) Weitergehende Regelungen betreffend die
Mitbestimmung und den Persönlich -
keitsschutz
in Heimen für alte oder pflegebedürftige oder behinderte Heimbewohner
sind
in einer Ausführungsverordnung zu regeln.
§ 11 Vertragsbeendigung
(1) Heimverträge können durch ein vernehmliche Erklärung der Vertragsparteien je -
derzeit
beendet werden. Auf bestimmte Zeit abgeschlossene Heimverträge enden
grundsätzlich
durch Zeitablauf; eine Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb der
vereinbarten Dauer bleibt aber möglich. Gleiches gilt für Kurzzeitpflege; § 2
Abs 2.
Der
Heimvertrag wird auch durch den Tod des Heimbewohners beendet; § 15.
Für
auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Heimverträge gelten die in § 12 ange -
führten
Kündigungsbestimmungen.
(2) Heimbewohner können den Heimvertrag unter Einhaltung
einer einmonatigen
Frist
aufkündigen und aus wichtigem Grund auch ohne Einhaltung einer Frist kündi -
gen, wenn ihnen die Fortsetzung des Heimverhältnisses bis zum Ablauf der Kündi
-
gungsfrist nicht zumutbar ist.
§ 12 Kündigung des Heimvertrags durch den Heimträger
(1) Heimträger
können nur aus wichtigem Grund kündigen. Die Kündigung ist schrift
lich auszusprechen und wirkt befristet auf zwei
Monate.
(2) Voraussetzung einer Kündigung aus wichtigem Grund ist es, dass der
Heimträger
den Heimbewohner von seiner Absicht wenigstens einen Monat vorher schriftlich
in
Kenntnis
gesetzt hat; Ermahnung (§ 8 Abs 2).
(3) Wichtige Kündigungsgründe sind insbesondere:
1. das Einstellen oder ein wesentliches Verändern des Heimbetriebs;
2. eine wesentliche
Veränderung des Gesundheitszustands des Bewohners, der
eine
sachgerechte Betreuung im Heim künftig unmöglich macht;
3. wenn ein Bewohner
seine vertraglichen Pflichten insbesondere auch seine
Entgeltzahlung - schuldhaft beharrlich gröblich verletzt, sodass dem Heimträger
eine Fortsetzung des Vertrags nicht zugemutet werden kann. Verspätungen der
Entgeltzahlung
von Heimbewohnern, die von Sozialhilfeträgern zu vertreten
sind
oder auf verspätet ausgezahlten Pflegegeldleistungen beruhen, stellen
keinen
Kündigungsgrund dar.
§ 13 Nachweis anderweitiger Unterbringung
Hat ein Heimträger aus wichtigem Grund gekündigt und ist
der Bewohner auf eine
Unterbringung angewiesen, hat der Heimträger dem gekündigten Bewohner eine
angemessene anderweitige Unterbringungsmöglichkeit anzubieten. Wird der Heim -
betrieb
eingestellt, trägt der Heimträger die angemessenen Umzugskosten.
§ 14 Fortbestehen des Heimverhältnisses über den Tod hinaus
Zwischen Heimträger und Heimbewohner kann vereinbart
werden, dass das Heim -
Verhältnis bis zum Ende des Sterbemonats fortbesteht. In diesen Fällen ermäßigt
sich
das bisher geleistete Entgelt um den Wert der vom Träger ersparten Aufwen -
dungen.
§ 15 Rückstellung der Wohneinheit und eingebrachter Habe
(1) Im Falle des Todes eines Heimbewohners ist die
Wohneinheit unverzüglich, je -
denfalls
aber binnen 14 Tagen zu räumen.
(2) Eingebrachte Sachen, die innerhalb der Räumungsirist nicht abgeholt
werden,
sind
vom Heimträger einen weiteren Monat unentgeltlich und sicher zu verwahren.
Für eine längere Verwahrung bis zum Ende der Verlassenschaftsabhandlung kann
ein angemessenes Entgelt verlangt werden.
§ 16 Gerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung - Klageberechtigung
(1) Für die Streitbeilegung zwischen Heimträger und Heimbewohner
sowie von
Heimbewohnern untereinander sind, wenn es sich um Heimangelegenheiten handelt,
die
Sozialgerichte zuständig. Zuständig ist das sachlich zuständige Gericht des
Ortes
oder Bezirkes, in dem das Heim liegt.
(29 Vor Anrufung des Gerichts, soll ein außergerichtlicher
Streitbeilegungsversuch
(Schlichtung,
Mediation) unternommen werden, der jedoch abgelehnt werden kann.
(3) Klageberechtigt sind neben Heimbewohnern und den für
sie rechtsgeschäftlich
oder gesetzlich bestellten Vertretern auch der Österreichische Seniorenrat und
die im
§ 3 Bundes - Seniorengesetz genannten Seniorenorganisationen, ferner
Organisatio -
nen, die im Bundesbehindertenbeirat nach § 10 Abs l Z 6 Bundesbehindertengesetz
(BBG) vertreten sind sowie vom Justizministerium gemäß § l des
Vereinssachwalter -
und Patientenanwaltsgesetzes als geeignet anerkannte Sachwaltervereine und der
Verein
für Konsumenteninformation. Diese Organisationen sind im Sinne des
§ 29 KSchG zur Verbandsklage berechtigt. § 28 Abs 2 KSchG (Abmahnung) ist sinn
-
gemäß
anzuwenden.
§ 17 Vergebührung
Der Abschluss von Heimverträgen samt allfälligen
Nachträgen ist gebühren - und ab -
gabenfrei.
Art. II
Inkrafttreten, Übergangsbestimmungen, Vollzugsklausel
(1) Dieses Bundesgesetz tritt am 01.01.2004 in Kraft. Es
ist auf Sachverhalte, die sich
vor seinem Inkrafttreten ereignet haben, nicht anzuwenden.
(2) Bestehende Rechtsbeziehungen sind binnen sechs Monaten ab
Inkrafttreten die -
ses
Gesetzes an die in diesem Gesetz getroffenen Regelungen anzupassen.
(3) Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.
Erläuternde Bemerkungen
Ein weitgehend gleichlautender Antrag wurde bereits in
der XXI. Gesetzgebungsperiode von den
Abgeordneten
Dr. Peter Kostelka, Dr. Jarolim und GenossInnen am 27. April 2000 in den
Nationalrat eingebracht (139/A - XXI. GP). Wenige
Tage zuvor hatten der Präsident des
Pensionistenverbandes Österreichs Karl Blecha und SPÖ-Justizsprecher Hannes
Jarolim den
Entwurf des Gesetzesantrages, welcher vom Innsbrucker Universitätsprofessor Dr.
Heinz Barta
ausgearbeitet worden war, der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Antrag wurde im Justizausschuss von der
schwarz/blauen Regierungsmehrheit auf die
sprichwörtliche
„lange Bank geschoben" und später einem Unterausschuss zugewiesen, wo er
aber auch materiell de facto nicht wirklich behandelt wurde. Wertvolle Zeit zur
Regelung der
gegenständlichen
wichtigen Materien verstrich ungenützt.
Die neuerliche Einbringung dieses Antrages soll ein
Anstoß dafür sein, dass es endlich zu
tauglichen
bundesgesetzlichen Regelungen zum Schutz von älteren Menschen in Pflegeheimen
kommt.
Es soll bundesgesetzlich eindeutig geregelt werden, welche Pflichten der Heimträger
hat
und die Auferlegung dieser Pflicht soll garantieren, dass der Heiminsasse
Anspruch auf
ordnungsgemäße Pflege, medizinische Betreuung, Rehabilitation, die Sicherung
seiner
Intimsphäre etc. hat.
Zu Art. I:
Für die Regelung dieser Rechtsbeziehung durch ein Bundesgesetz
spricht ei-
ne
Reihe von Gründen (dazu ausführlicher: Barta / Ganner, Rechtspolitische und
legistische Gründe für ein bundeseinheitliches Heimvertragsgesetz
(B - HeimVG), Soziale Sicherheit 2000, Maiheft): Zunächst die
kompetenzrechtliche
Überlegung,
dass für das Regeln der heimvertraglichen Beziehung auch
nach
dem Verfassungsgerichtshof- Erkenntnis vom 16. Oktober 1992
(VsSlg 13.237; GZ K 11 - 2191 - 53), die Zivilrechtskompetenz des Artikels 10 Z
6
B
-VG zur Verfügung steht. Aber auch das funktionale Zusammenwirken von
Bund und Ländern zum Wohle der betroffenen Personengruppe kann dadurch
gefordert
werden; das betrifft etwa den schwierigen Bereich freiheitsbeschrän -
kender Maßnahmen, der einer einheitlichen Lösung bedarf; und auch die Per -
sönlichkeitsrechte und die Mitbestimmung im Heim sollen österreichweit gesi -
chert werden; eine einheitliche Regelung erscheint auch für das Pflegepersonal
unverzichtbar, zumal dieser Personengruppe nicht länger die derzeit bestehen -
de - insbesondere zivil - und strafrechtliche - Rechtsunsicherheit zugemutet
werden
kann. Das legistische Instrumentarium der Ausführungsverordnung, das
mehrfach ins Gesetz eingebaut wurde, soll auf der einen
Seite das Gesetz
überschaubar und „schlank" halten und auf der anderen Seite für ein
flexibles
Berücksichtigen
von Träger und Länderinteressen sorgen. Dieses Instrumenta -
rium
ermöglicht inhaltlich und zeitlich ein realistisches Anpassen der Länderin -
teressen
an das neue Bundesgesetz.
Das B - HeimVG will die Rechtsbeziehung zwischen allen
Arten von Heimen
für alte oder pflegebedürftige oder behinderte Personen und deren Be -
wohnern auf eine neue feste rechtliche Grundlage stellen. Dies
vor allem da -
durch, dass diese Rechtsbeziehung durch einen privatrechtlichen Vertrag, der
die Gleichheit der Vertragspartner ausdrückt, geregelt wird. Keine Anwendung
soll das Gesetz auf Krankenanstalten und Rehabilitationseinrichtungen finden,
soferne diese nicht der Betreuung alter oder pflegebedürftiger oder behinderter
Personen dienen; § l Abs 4. - Erfasst werden sollen durch das neue Gesetz
demnach
alle Arten von Heimen und Trägern: private ebenso wie öffentliche
oder gemeinnützige Einrichtungen.
Es ist auch beabsichtigt, das Gesetz - in Bezug auf die Größe von Heimen -
auf möglichst viele Heime anwenden zu können; § l Abs 2 sieht daher nur eine
Untergrenze von drei betreuten Personen vor. Ziel der gesetzlichen Regelung
ist es darüber hinaus, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner, ihre
Selbständigkeit und Selbstverantwortung zu fordern.
Die in manchen Bundesländern durch Landes - Heimgesetze geregelte Rechts -
Stellung von Heimträgem wird durch dieses Bundesgesetz nicht berührt. Beab -
sichtigt ist vielmehr ein effizientes Zusammenwirken zwischen dieser bundes -
gesetzlichen Regelung und bestehenden Landes - Heimgesetzen oder sonstigen
landesrechtlichen Vorschriften; § 2 Abs 2.
§ 3 stellt klar, dass privatrechtliche Heimverträge von allen Heimträgern ab -
zuschließen sind, gleichgültig ob es sich um öffentliche oder private oder ge -
meinnützige Träger handelt. Schriftlichkeit des Vertragsschlusses ist dabei
vorgesehen; § 3 Abs 2.
Wichtiges Ziel der gesetzlichen Regelung ist es ferner, die gegenseitigen
Rechte und Pflichten von Heimträgern und Heimbewohnern klar anzuführen
und insbesondere auch das zu entrichtende Entgelt, das - bei allen Unterschie -
den der Höhe nach - eine beträchtliche Höhe erreicht, nach einheitlichen Ge -
Sichtspunkten aufzuschlüsseln und transparent zu machen. Das Gesetz ist als
Schutzgesetz (nach dem Vorbild des KSchG 1979) konzipiert, was zur Folge
hat, dass abweichende Vereinbarungen zum Nachteil von Bewohnern unwirk -
sam sind; § 3 Abs 3.
Ursprünglich war überlegt worden, Aussagen über den bislang gesetzlich nicht
geregelten Vertragstypus Heimvertrag, in dieses
Gesetz aufzunehmen. Da -
von wurde aber wieder Abstand genommen, weshalb die folgenden Ausführun -
gen
angezeigt erscheinen: Heimverträge kommen in der Praxis in unterschiedli -
eher
Ausgestaltung vor, nämlich als Heimwohn - und als Heimpflegevertrag.
Beide Vertragsformen unterstehen diesem Gesetz. Beide Arten des Heimver -
trags sind sogenannte Mischverträge: Beim Heimwohnvertrag überwiegt, trotz
Vorhandenseins einer Betreuungskomponente, das mietvertragliche, beim
Heimpflegevertrag
ein werkvertragliches Erfolgs - oder Leistungselement. Die
Qualifikation des Heimpflegevertrags als Werkvertrag ist praktisch von Bedeu -
tung, weil dadurch das Herausbilden administrierbarer Leistungsstandards er -
leichtert wird.
§ 4 Abs l behandelt die für alte oder pflegebedürftige
oder behinderte Men -
sehen
wichtige Frage der Vertragsanbahnung und sieht eine funktional be -
deutsame Informationspflicht von Heimträgern gegenüber ihren Vertragspart -
nern
vor, ohne dabei die Trägerpflichten zu überspannen. Nach dieser Bestim -
mung
haben Heime auch Wartelisten zu fuhren. - Ein im Rahmen landesrecht -
licher
Vorschriften allenfalls bestehender Abschlusszwang wird von diesem Ge -
setz nicht berührt; vgl § 2 Abs 2.
Praktisch bedeutsam erscheint auch die in § 5 erstmals
festgelegte Leistungs -
anpassungspflicht der Heime, wobei der Leistungskatalog im
Rahmen einer
Ausführungsverordnung
flexibel - Raum für das Einfließen von Länderinteres -
sen lassend - als Mindeststandard geregelt wird; § 5 Abs 2.
§ 6 betrifft die für jede Vertragsregelung zentrale Entgeltvereinbarung und
den
wichtigen
Mechanismus der Entgelterhöhung, der gegenwärtig immer wieder
Probleme
bereitet. Hier wurde versucht einen gerechten Ausgleich zwischen
den
Interessen der Heimbewohner und Heimträger zu finden.
§ 7 geht näher auf die Grundsätze der Leistungserbringung der Heimträger
ein. Auch hier wurde ein angemessener Interessensausgleich zwischen der
Bewohner
- und der Trägerseite angestrebt.
§ 8 stellt klar, dass nicht nur Heimträger sondern auch Heimbewohner
Pflich -
ten haben und dass schwere Verletzungen derselben rechtliche
Konsequenzen
nach sich ziehen können; § 8 Abs 2: Ermahnung.
§ 9 regelt erstmals den Persönlichkeitsschutz von Heimbewohnern. Dabei
wird
klargestellt, dass der verfassungsrechtliche Grundrechts - und der privat -
rechtliche Persönlichkeitsschutz (zusammen mit straf- und verwaltungsrechtli -
chen
Regelungen) eine Einheit bilden. Diese Bestimmung versucht erstmals,
einen
"Kern" der wichtigsten Persönlichkeitsrechte für alte oder
pflegebedürftige
oder behinderte Menschen zu schaffen, was rechtspolitisch nötig erscheint,
zumal in Österreich für die betroffene Personengruppe derzeit kein expliziter
und fasslicher Grundrechtsschutz existiert.
§ 10 gewährt Heimbewohnern ein angemessenes Recht auf
Mitbestimmung.
Dieses Instrumentarium erscheint für die Zukunft von Bedeutung, zumal
sich
abzeichnet, dass sich die bedingungslose "Dulderhaltung" alter
Menschen künf-
tig
ändern wird.
Die §§ 11 bis 15 gehen auf verschiedene Fragen der
Vertragsbeendigung
ein. Die Kündigung in ihren unterschiedlichen Ausgestaltungen wird hier
einge -
hend geregelt, wobei das Prinzip eines sozial ausgestalteten Kündigungsschut -
zes zugunsten alter oder pflegebedürftiger oder behinderter Menschen im Vor -
dergrund
steht. Auch dabei wurden ausländische Erfahrungen berücksichtigt.
§
16 regelt die gerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung und ver
-
weist allfällige Auseinandersetzungen in die Zuständigkeit der
Sozialgerichte,
wobei - dieser vorgeschaltet - eine außergerichtliche Streitbeilegung angeregt
wird. Klagslegitimiert sollen die Heimbewohner selbst und allfällige bestellte
ge -
setzliche Vertreter, aber auch der Österreichische Seniorenrat und die in ihm
vertretenen Verbände sowie Organisationen, die im Behindertenbeirat vertre -
ten sind und gesetzliche Sachwaltervereine sein. Als Vorbild für diese Lösung
diente
das KSchG und dessen Rechtsschutzinstrumentarien in Form der Indivi -
dual - und Verbandsklage samt Abmahnungsverfahren.
§
17 regelt gezielt die wichtige Frage der Vertragsvergebührung, zumal die
in
der
Praxis in manchen Bundesländern anfallende hohe Vertragsvergebührung
derzeit
ein Grund dafür ist, keine Heimverträge abzuschließen.
Zu Art. II:
Art. II sieht als
Übergangsbestimmung in Abs. 2 eine Anpassungspflicht für
bestehende Heimverträge innerhalb eines halben Jahres vor. Das
erscheint
sinnvoll,
da es sich beim Heimvertrag um eine existentielle Dauerrechtsbezie -
hung für alte oder pflegebedürftige oder behinderte Personen handelt.
Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss