251/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 12.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Petra Bayr, Broukal
und GenossInnen
betreffend Offensive für Fachhochschulen
Seit ihrer Einführung in den 90er
Jahren haben die Fachhochschulen einen rasanten
Aufschwung erfahren. Die Erwartungen, was das Interesse der Studierenden an dem
neuen
Bildungsangebot betrifft, wurden bei weitem übertroffen. Bei rückblickender
Betrachtung der
beiden Entwicklungspläne von 1994 und 2000 zeigt sich aber auch, dass viele der
ambitionierten Ziele nicht erreicht wurden. So wurde z.B. das Bekenntnis, die
Akademien und
Schulen für den medizinisch-technischen Dienst in den Fachhochschulsektor mit
einzubeziehen bereits im ersten Entwicklungsplan abgelegt. Ebenso sollten
AbsolventInnen
der dualen Berufsausbildung der Weg in das tertiäre Bildungssystem geebnet,
Reformdruck
auf die Universitäten ausgeübt, es sollten private Investoren in die
Finanzierung einbezogen
werden und es wurde nicht ausgeschlossen, dass der Bund nach einer ersten
Evaluierung
durch den Fachhochschul-Rat auch Bau- und
Investitionskosten übernehmen kann. Von
vielen dieser Ziele sind wir Ende 2003 weit entfernt,
anderswo konnten Fortschritte erreicht
werden, wenn auch zum Teil sehr zaghaft, was beispielsweise die Erhöhung der
Anzahl von
weiblichen Studierenden und Lehrenden betrifft.
Das große Interesse sowohl von
künftigen Studierenden also auch von potentiellen
ArbeitgeberInnen von AbsolventInnen von Fachhochschulstudiengängen ist
jedenfalls Anlass
genug, eine bildungspolitisch ernsthafte Weiterentwicklung des
Fachhochschulsektors in
Gang zu setzen.
Große Veränderungen sowohl im
tertiären Bildungssektor, am Arbeitsmarkt, bei der
Globalisierung der Bildung und bei den Ansprüchen von Studierenden machen klar,
dass es
Zeit ist, zu neuen Ufern aufzubrechen und dafür konkrete Vorhaben abzustecken.
Die gegenwärtige Situation der
studentischen Vertretung und der Mitbestimmung ist,
uneinheitlich, nicht durchschaubar und daher nicht akzeptabel. Relevante
Mitbestimmungsrechte für Studierende sind im FH-Bereich
Utopie.
Die bisherigen Erfahrungen von
Fachhochschul-Absolventlnnen haben gezeigt, dass bei
vielen Studierenden das Praxissemester wegen mangelnder Qualität
Unzufriedenheit
hervorruft. Probleme bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, unqualifizierte
Tätigkeiten
und mangelnde Betreuung durch Fachhochschulen und Betriebe führen dazu, dass
für viele
AbsolventInnen das Praxissemester nicht die gewünschte Ausbildung für das
Berufsleben
bietet. Aufgrund teils erheblicher Unterschiede bei der Handhabung des
Praktikums durch die
verschiedenen Fachhochschulen bzw. Studiengänge profitieren die Studierenden
höchst
unterschiedlich von den ihnen als Teil des kostenpflichtigen Studiums
vorgeschriebenen
Praktika.
Die gesamte medizinische
nicht-ärztliche Ausbildungssituation ist eher unübersichtlich und
bei den Schnittstellen sehr schlecht verbunden.
Aufgrund der Erkenntnis, dass seit
Bestehen der Fachhochschulen vor allem junge Männer
das neue Bildungsangebot angenommen hatten und der Frauenanteil nur bei etwa
einem
Viertel lag, wurde im Entwicklungs- und Finanzierungsplan II die Erhöhung des
Frauenanteils bereits in den Kriterienkatalog zur Vergabe einer Bundesförderung als eines der
zehn Kriterien miteinbezogen. Studiengänge, die Maßnahmen zur Erhöhung des
Frauenanteils
an den Studierenden und/oder den Lehrenden vorsahen, sollten bevorzugt werden.
Konkrete
Frauenförderpläne wurden aber weder von den einzelnen Trägern noch vom Rat
jemals
entwickelt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der
Frauenanteil sehr vom inhaltlichen
Angebot der einzelnen Studiengänge abhängig ist.
Für den Fachhochschulbereich wurde im
E&F-Plan II als Ziel festgehalten, dass einem
Fachhochschulangebot, welches auf Berufserfahrung aufbaut, besonderes Augenmerk
zu
schenken ist. Leider geht der Anteil des Angebots für Berufstätige zurück. So
waren im
Studienjahr 1999/2000 noch 33,7 % der Studiengänge berufsbegleitend, im
Studienjahr
2002/03 waren es hingegen nur mehr 28,7 %.
Im Studienjahr 2002/03 bewarben sich
1.244 Personen ohne traditionelle Reifeprüfung an den
österreichischen Fachhochschulen. Von diesen wurden 39,3 % oder 489 tatsächlich
aufgenommen. Mit 7,6 % der Erstinskribentlnnen an Fachhochschulen aus der
Gruppe der
Personen mit atypischen Zugangsvoraussetzungen ist eine wirkliche Öffnung und
Durchlässigkeit des Fachhochschulsektors für diese Personengruppe jedoch noch
immer
nicht in zufrieden stellendem Ausmaß erreicht.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Bildung,
Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, ein
Offensiv-Programm für Fachhochschulen zu starten und die
Voraussetzungen dafür zu
schaffen, dass bis 2008 jährlich 10.000 Plätze für Studienanfängerlnnen zur
Verfügung stehen
und dem Nationalrat die erforderlichen gesetzlichen Änderungen unter
Berücksichtigung
folgender Zielsetzungen und Schwerpunkte vorzulegen:
• Eine umfassende
Reform des FH-Sektors soll in Gleichklang mit den Schwerpunkten
eines neuen E&F-Planes vorgenommen werden. Dieser
Entwicklungsplan soll unter
Einbeziehung aller relevanten Akteure im Hochschulbereich,
vor allem unter
Einbeziehung der Sozialpartner erarbeitet werden. Der Entwicklungsplan in Form
eines
kooperativen Verfahrens einschließlich einer parlamentarischen Beratung sollte
im
FHStG verankert werden.
• Neben dem E&F-Plan für den FH-Bereich bedarf es der Erstellung eines
Hochschulrahmenplans, der die
Entwicklung in den verschiedenen Bereichen der
postsekundären Ausbildung in Österreich koordiniert.
• Die Praxis der
Bedarfsprüfungen soll von ihrer derzeit stark regional beschränkten
Ausrichtung auf österreichweite Studien umgestellt werden.
Im Rahmen der gesamten
Hochschulplanung sollen dabei auch die Weichen gestellt werden, an welchen der
verschiedenen Einrichtungen im postsekundären Bereich und in welcher
Bildungshöhe
die Ausbildung angeboten wird
• Die eingeleitete
Umstellung auf das dreigliedrige System soll koordiniert für den
gesamten Hochschulbereich erfolgen. Dabei ist darauf Wert zu legen, dass die
Bakkalaureatsstudien eine breitflächige Ausbildung anbieten
und die Spezialisierung erst
in den Magisterstudiengängen einsetzt. Parallelangebote im FH- und
Universitätsbereich
sind zu vermeiden.
• Die freie, gleiche und demokratische Wahl von VertreterInnen der Studierenden
(JahrgangsprecherInnen,
Studiengangssprecherlnnen, FachhochschulsprecherInnen), auf
bundeseinheitlichem, hohem Niveau geregelt im ÖH-Gesetz.
- Einbindung der Studierenden in
die regelmäßige Evaluierung der Lehre und
Lehrenden
- Mitbestimmung bei allen für die Studierenden wichtigen Entscheidungen.
- Integration von Studierenden und
Studierendenvertretung der Fachhochschulen und
FH-Studiengänge in die österreichische Hochschülerschaft.
•
Ausbildungsmusterverträge für Praxissemester sind bei der Akkreditierung
vorzulegen,
bei Verlängerung von Studiengängen muss zusätzlich in einem
eigenen Kapitel über die
bisherigen Erfahrungen mit den Berufspraktika berichtet werden.
Die im Ausbildungsmusterverträge angeführten Aufgabengebiete des
Berufspraktikums
und deren Anforderungen an den/die Studierende/n muss ebenso wie die Entlohnung
dem
Ausbildungsstandard der StudentInnen entsprechen. Ausbildungsziele: der berufliche
Tätigkeitsbereich, Qualifikationsprofil, Curriculum und didaktisches Konzept
müssen
schlüssig beschrieben, allen Beteiligten bekannt und nachvollziehbar
dokumentiert sein.
- Mindeststandards bezüglich der
Betreuung müssen seitens der FH formuliert und
eingehalten werden (Betreuungspersonen, Zeitaufwand, Ablauf, Einbettung in das
Studium, Vorgehen bei Auslandspraktika). Die angebotenen
Ausbildungsplätze
müssen durch die FH auf diese Voraussetzungen geprüft
werden; ein weiterer
Schwerpunkt sollte auf Netzwerkbildung liegen.
- Die FH ist zur Unterstützung von
StudentInnen
bei der Suche nach einem geeigneten
Ausbildungsplatz verpflichtet, insbesondere in problematischen Branchen sowie
bei
Auslandspraktika.
- Die Gründe für Dispens vom
Praktikum sollen anhand von einer von der FH zu
erarbeitenden Richtlinie überprüft werden, diese Richtlinie muss ebenfalls bei
der
Akkreditierung/Verlängerung der Akkreditierung dem Fachhochschulrat vorgelegt
werden.
- Bei der Evaluierung von
Bakkalaureat-Studien muss die FH besonderen Augenmerk
auf zeitlich und inhaltlich auftretende Probleme bezüglich des Berufspraktikums
legen
und dies dem Fachhochschulrat zur Kenntnis bringen.
• Mädchen und Frauen sind
schon im Bildungssystem, das einem Fachhochschulstudium
voran geht, dazu zu motivieren, „nicht typische"
Studiengänge zu beginnen. Dazu ist
unter anderem der Ausbau einer frühen Berufs- und Bildungswegsorientierung, die
Burschen und Mädchen ermutigen soll, atypische
Berufsausbildungen anzustreben.
Weibliche Role-Models sind dazu ebenso heranzuziehen wie die Möglichkeit zum
Kontakt mit Studentinnen in nicht typischen Frauendomänen.
Erfolgreiche öffentliche
Kampagnen wie „Töchter können mehr" sind zu adaptieren und auf die
Zielgruppe der
potentiellen FHS-Studierende zu übertragen. Genauso sind Burschen dazu zu
motivieren,
in „typisch weiblichen" Branchen wie dem Sozial- und Pflegebereich Fuß zu
fassen
(Andenken einer Kampagne nach dem Motto: „Söhne können
mehr".). Bei jüngeren
Studierenden ist auch das Elternhaus in die
Bewusstseinsarbeit miteinzubeziehen.
• Bei der Erhöhung des
Frauenanteils im FH-Bereich sind zwei sich nur vordergründig
widersprechende Strategien einzuschlagen:
- Zum einen sind
Fachhochschulstudiengängen, die bei der Ersteinreichung oder der
Evaluierung auf Frauengewinnungsprogramme verweisen können,
bei der Bewilligung
von Bundesmitteln der Vorzug zu geben. Studiengänge, die
eine sehr ungleiche
Geschlechterverteilung zu Ungunsten der Frauen haben, sollen bei der
Evaluierung
verpflichtet sein, konkrete Maßnahmen bekannt zu geben, wie und in welchen
Zeitraum sie den Frauenanteil steigern wollen. Der Erfolg ist bei der nächsten
Evaluierung nachzuweisen.
- Zum anderen ist auch bei den
Studienangeboten anzusetzen. Dafür spricht vor allem,
dass bei den überwiegend von Burschen und Männern belegten
technischen
Studienrichtungen das Verhältnis von InteressentInnen zu
Studienplätzen „nur" bei 2:1
liegt, im Bereich Tourismus hingegen bei 6: l und im Bereich Soziales und
Gesundheit
sogar bei 8: l, was zeigt, dass hier vor allem Frauen als
potentielle Studierende
vorhanden wären, nur das Angebot eklatant unterdotiert ist.
• Finanzielle Anreize
für Fachhochschul-Träger, die vermehrt berufsbegleitende
Studiengänge anbieten.
• Flexiblere
Fachhochschul-Studiengänge unter Nutzung neuer Medien, um berufstätigen
Studierenden die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie zu erleichtern.
• Mittelfristige
Erhöhung der Quote der Studierenden mit atypischem Zugang auf 15 %
und eine langfristige Steigerung auf 20 %.
- Eine Informationsoffensive in den Berufsschulen, Lehrgängen zur
Berufsreifeprüfung und Werkmeisterprüfung
zu starten, um die Betroffenen
nachdrücklich auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, über diese Schiene
Zugang zu Hochschulbildung zu erlangen.
- Etablierung eines Angebots unmittelbar nach der Berufsschule bzw. an
diese
Lehrgänge, in dessen Rahmen Lehrgangsteilnehmer sich bei Interesse auf die
Aufnahmetests
vorbereiten können (z.B. Training von Logiktests, Sprachtests, etc.).
- Die Einrichtung von Förderstrukturen für FH-Studierende mit atypischer
Reifeprüfung (Studierende mit
Berufsreifeprüfung, Studienberechtigungsprüfung,
Facheinschlägiger BMS, Lehrabschlussprüfung,
Werkmeisterprüfung) durch die FH-
Studiengänge, besonders im ersten Studienjahr.
- Studiengänge müssen breiter über
ihr Angebot informieren und dürfen keine
potentiellen Studierenden-Gruppen durch Defizite in ihrer Informationsarbeit
benachteiligen."
Zuweisungsvorschlag: Wissenschaftsausschuss