259/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 12.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Lackner, Renate Csörgits, Erika Scharer, Beate Schasching, Heidrun

Silhavy, Ing. Kaipel, Dr. Kräuter, Mag. Maier, Spindelberger

und GenossInnen

betreffend Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmitteln

Österreich hat sich in den letzten Jahrzehnten unter sozialdemokratischer Führung zu einem
der wohlhabendsten Länder der Welt entwickelt, mit niedriger Arbeitslosigkeit und gutem
Wirtschaftswachstum, bei gleichzeitiger Preisstabilität.

Ein wesentlicher Teil dieser positiven Entwicklung stützt sich auf unsere Systeme der
sozialen Sicherheit.

Ein elementarer Pfeiler der sozialen Sicherheit ist das österreichische Gesundheitssystem.
Es ist nachgewiesen, dass die Gesundheitschancen entsprechend dem Einkommen und dem
sozialen Status unterschiedlich sind, daher ist es wichtig festzuhalten, dass die
gesundheitliche Versorgung ein öffentliches Anliegen und nicht die Privatsache der
BürgerInnen ist.

Es war der gesamtgesellschaftliche Konsens, dass in Österreich grundsätzlich das
Finanzierungsprinzip der solidarischen Finanzierung über Beiträge und Steuern gilt.

Die gesamten, öffentlichen und privaten Ausgaben für Gesundheit betrugen in
Österreich im Jahr 2001 ca. 7,7 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Die Quote der Gesundheitsausgaben ist damit im mittleren Bereich der westlichen
Wohlstandswelt. Die europäischen Spitzenreiter sind Deutschland 10,7 %, Schweiz
10,9 % und Frankreich 9,5% (USA 13,9%).

In absoluten Werten pro Kopf betrugen die Gesundheitsausgaben 2001 in den USA
rund 4.900 € in der Schweiz fast 3.160 €, in Deutschland etwa 2.808 €, in Österreich
2.191 € und in Großbritannien rund l .992 €.


Die österreichischen Gesundheitsausgaben erscheinen im internationalen Vergleich
vertretbar und weisen in den letzten Jahrzehnten auch bezüglich der Wachstumsraten
keine besonderen Auffälligkeiten auf. Die Gesundheitsausgaben steigen in allen
wohlhabenden Gesellschaften mit wachsendem Wohlstand überproportional.

Die WHO hat in ihrem World Health Report 2000 eine indexierte Bewertung der
Gesundheitssysteme von 191 Ländern vorgenommen. Bewertet wurden Elemente wie
Lebenserwartung, Finanzierungsgerechtigkeit, Patientenorientierung und
Gesundheitsausgaben. Nach dieser Bewertung ist Österreich ist auf Platz 9 gereiht.

Die wichtigste Maßzahl ist die Zufriedenheit der Menschen mit dem
Gesundheitssystem. Eine Befragung der Bürger der EU-Staaten, durch die Europäische
Kommission, nach der Zufriedenheit mit der medizinischen Versorgung, ergab
folgendes Bild:

35 Prozent der Österreicherinnen sind mit der medizinischen Versorgung sehr
zufrieden und weitere 35 Prozent zufrieden. Mit mehr als 70 Prozent Zustimmung
liegen wir hinter Finnland (78 Prozent Zustimmung) an zweiter Stelle.
Der EU-Durchschnitt liegt bei etwa 40 Prozent.

Für die Gesamtsituation im Gesundheitswesen ist die finanzielle Situation der
Krankenkassen entscheidend.

Die Defizite der Krankenkassen bewegten sich in den Jahren 1999 bis 2002 zwischen

150 und 250 Mio. €, also bei jährlich ca. 2,5 % der Einnahmen. Diese Abgänge werden

sich aber drastisch verschärfen. Im Jahr 2006 wird trotz der massiven Belastungen

durch das Budgetbegleitgesetz 2003 ein Abgang von l Mia. € erwartet.

Diese Defizite haben im wesentlichen drei Ursachen: Die Beiträge der Versicherten wachsen

langsamer als das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Medikamentenkosten steigen sehr schnell

und sehr stark und gesetzliche Maßnahmen belasten die Krankenkassen zusätzlich.

Der Prüfstein für unser Gesundheitssystem ist die Zukunftsfähigkeit. Investitionen in
Innovation und Weiterentwicklung des öffentlichen Gesundheitssystems sind die
wesentlichen Herausforderungen.


Für uns gilt der Grundsatz, dass sich eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik nicht
damit zufrieden geben darf das Erreichte abzusichern, sondern sie muss sich den neuen
Herausforderungen stellen.

Die finanzielle Konsolidierung soll daher nicht über Leistungskürzungen und die generelle
Erhöhung von Selbstbehalten erfolgen, sondern über Produktivitäts- und
Qualitätssteigerungen und neuen Elementen der transparenten, gerechten Finanzierung.

Selbstbehalte als Finanzierungsinstrument verschieben dem gegenüber die Relationen zu
Lasten jener, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Kranke Menschen haben
konsequenterweise mehr zu zahlen als relativ Gesunde. Nachdem zwischen Einkommen und
Gesundheitsrisiko ein eindeutiger Zusammenhang besteht, verlagert eine Politik der
Selbstbehalte finanzielle Lasten von den (relativ) Gesunden und Wohlhabenden zu
Bevölkerungsschichten mit höherem Krankheitsrisiko und gleichzeitig niedrigerem
Einkommen.

Deswegen bewerten gesundheitspolitische Analysen Selbstbehalte als ungeeignetes
Instrument, um zu den Zielen Gerechtigkeit und Effizienz beizutragen.

Vor diesem Hintergrund werden Selbstbehalte in erster Linie als politisches Instrument
eingesetzt, sie dienen als Symbol für einen liberalen marktorientierten Politikansatz, der
individuelle Verantwortung in den Vordergrund stellt.

In Verbindung mit einer Politik, die auf eine Senkung der Staatsquote ausgerichtet ist, werden
Selbstbehalte zu einer verteilungspolitisch motivierten, regressiv ausgerichteten
Finanzierungsquelle.

Ein Beitrag zur Lösung der offensichtlichen Strukturprobleme im Gesundheitswesen wird
damit aber nicht geleistet.

Daher bedeutet für uns die Reform des Gesundheitswesens nicht nur anstehende
Finanzierungsprobleme zu lösen, sondern auch das Leistungsangebot für Menschen an die
Bedarfslagen von morgen anzupassen.


Die Herausforderungen stellen sich wie folgt dar:

o        Durch die wachsende Zahl älterer Menschen wird auch die Inanspruchnahme
gesundheitsbezogener Dienstleistungen steigen.

o        Der medizinisch-technische Fortschritt stellt immer neue und bessere Diagnose- und
Therapieverfahren zur Verfugung, die finanziert und für alle Menschen zugänglich
gemacht werden müssen.

o        Die präventive Ausrichtung des Gesundheitswesens, vor allem im Kampf gegen die
neuen Volkskrankheiten (z. B. Bewegungs- und Stützapparat,
Stoffwechselerkrankungen, Altersdiabetes), muss verstärkt werden.

o    Versorgungslücken, wie etwa im Bereich der Kinderrehabilitation, der Zahnmedizin,
der Psychotherapie auf Krankenschein oder der Palliativmedizin müssen geschlossen
werden.

Für uns ist es die Aufgabe des öffentlichen Gesundheitssystems, die Chance gesund zu
bleiben für alle zu verbessern und im Fall der Erkrankung rasch eine angemessene
Behandlung zu finden.

Dies soll durch problemorientierte und nach Zielgruppen differenzierte Prävention und
Gesundheitsförderung erreicht werden.

Daher ist es wichtig, einen fairen, gleichen Zugang zur Basisversorgung und zur
Spitzenmedizin für alle Menschen sicherzustellen.

Ausgabenseitig sind insbesondere die explodierenden Medikamentenkosten bemerkenswert.

Daher liegt ein wesentlicher Teil der ausgabenseitigen Gesundheitsreform in der Dämpfung
des Zuwachses bei den Heilmittelkosten. Österreich liegt im Europavergleich bei den
Medikamentenkosten bei den Industriepreisen im letzten Drittel (hinter uns sind nur
Griechenland, Spanien, Portugal und Frankreich), aber im Großhandel und bei den Apotheken
kommen wir durch die Aufschläge insgesamt über dem europäischen Durchschnitt zum
liegen.


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert, dem Nationalrat bis
29. Mai 2004 ein Sofortmaßnahmenprogramm zur Senkung der Medikamentenkosten um
rund 220 Mio. € vorzulegen.

Insbesondere müssen folgende Maßnahmen enthalten sein:

 

1.      Senkung der Großhandelsspannen auf EU-Niveau (Kostenersparnis rund 12,4 Mio. €).

2.      Senkung der Apothekenspannen auf EU-Niveau (Kostenersparnis rund 45,3 Mio. €).

3.      Direkteinkauf der Hausapotheken beim Großhandel (Kostenersparnis rund 11 Mio. €).

4.      Direktmedikamentenabgabe in Spitalsambulanzen an die PatientInnen (Kostenersparnis
rund 7,3 Mio. €).

5.      Direkteinkauf der Sozialversicherung für chronisch kranke Menschen (z.B. Diabetiker,
Dialyse, etc,) (Kostenersparnis rund 36,3 Mio. €).

6.      Voller Ausgleich der Mehrwertsteuer auf Medikamente (Kostenersparnis
rund 73 Mio. €).

7.      Beschleunigung der Zulassung von Generika.

8.      Substitutionsgebot für Apotheken, bei wirkstoffidenten Produkten sind die
Kostengünstigsten abzugeben.

9.      Im Heilmittelverzeichnis sind zusätzliche Hinweise auf günstigere Produkte, z.B. durch
die Hervorhebung preisgünstiger Generika bzw. der Verweis auf in der Regel
preisgünstigere Indikationsgruppen, aufzunehmen.


10.    Verstärkung der Verantwortung der niedergelassenen Ärzte und der Spitalsärzte; sie
müssen Heilmittel wirtschaftlicher Verschreiben und intensiver beraten.

11.    Die Vertragspartner und die Sozialversicherung sollen - im Sinne der

Verwaltungsvereinfachung für PatientInnen - verpflichtet werden, dass chefärztliche
Bewilligungen per Fax oder e-mail eingeholt werden.

12.    Die Verpflichtung der privaten Krankenanstalten, sich an die Richtlinien über die
ökonomische Verschreibweise/Heilmittelverzeichnis zu halten.

13.    Maßnahmen auf EU-Ebene

   Adaptierung der Heilmittel-Transparenzrichtlinie aufgrund der Amsterdamer Verträge
(gesundheits- und sozialpolitische Ziele)

   Nachfolgeprodukt zu Eudramat, um die Preistransparenz im EU-Binnenmarkt bei
Heilmitteln zu gewährleisten

   Verkürzung des Patentschutzes von Originärprodukten zur Förderung von Generika

14.    Auflage eines verständlichen Gebrauchsinformations-Kompendiums in Apotheken."