268/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 12.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Lackner, Renate Csörgits, Erika Scharer, Beate Schasching, Heidrun
Silhavy, Ing. Kaipel, Dr. Kräuter, Mag. Maier, Spindelberger
und GenossInnen
betreffend umfassende Qualitätsoffensive im Bereich der niedergelassenen Ärzte und im
Spitalsbereich
Die Versorgung von Kranken mit Gesundheitsleistungen und
- gütern im Rahmen der
gesetzlichen
Krankenversicherung erfolgt durch Vertragspartner. Die Versicherungsträger
erbringen diese Leistungen nur teilweise in eigenen Einrichtungen; es sind
zumeist
niedergelassene
Ärzte, Spitäler etc., die vertraglich zur Erbringung von Sachleistungen auf
Kosten
der Sozialversicherung verpflichtet sind. Die Rechtgrundlage bilden
Gesamtverträge
zwischen
den Ärzteverbänden und den Krankenversicherungsträgem sowie Einzelverträge
bzw
Verträge mit Spitälern.
Qualität als Voraussetzung für Effektivität und Effizienz
Wie die Vertragspartner die von PatientInnen benötigten
Leistungen erbringen, ist für die
Effektivität
und - letztlich - für die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) der
Leistungserbringung
und
des Gesundheitssystems insgesamt von zentraler Bedeutung.
Unter Effektivität im Gesundheitswesen sollen die
diagnostischen und therapeutischen
Ergebnisse medizinischer Interventionen bei routinemäßigem Einsatz verstanden
werden.
Eine höhere Effizienz im Gesundheitswesen bedeutet, dass
Leistungen zu geringeren Kosten,
aber
mit für die PatientInnen gleicher Wirksamkeit erbracht werden. Diese
„Verbilligung"
kann
Folge einer Produkt- oder Prozessinnovation sein.
Nachhaltige medizinische Effektivität setzt
Leistungserbringung lege artis voraus.
Vergleichbar mit betrieblicher Qualitätssicherung ist daher im Gesundheitswesen
darauf zu
achten, dass Leistungen state of the art erbracht werden, um einer Fehlversorgung
vorzubeugen. Das ist der Fall, wenn diagnostische oder therapeutische Verfahren
benützt
werden, die weder zu einer Unter- oder einer Überversorgung führen noch
mangelhaft
durchgeführt werden. Der ökonomische Nutzen ist, dass keine finanzielle
Ressourcen
vergeudet
werden.
Daher ist Qualitätssicherung ein wichtiges Element einer
sowohl präventiven als auch auf die
Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens bedachten Gesundheitspolitik. Sie ist
ein
Instrument, demografisch oder durch den medizinisch - technischen Fortschritt
verursachte
Ausgabensteigerung
des Gesundheitssystems in ihrem Wachstum zu dämpfen.
Qualität state of the art
Vor Zulassung innovativer
medizinischer Verfahren oder Heilmittel sollte im Rahmen eines
Health Technology Assessments (HTA) nicht nur die medizinische (Indikation,
Sicherheit),
sondern auch die ökonomische (Effizienz) und ethische Gesichtspunkte bewertet
werden.
Nach der Zulassung hilft eine evidenzbasierte Medizin
(EBM) die Gesundheitsrisiken zu
minimieren. Neue Erkenntnisse der Medizin - auch Warnungen vor dem Einsatz
neuer
Heilmittel
oder Geräte - müssen automationsunterstützt jedem Arzt und Spital zugänglich
gemacht
werden.
Bei Diagnostik, Therapie und Pflege sind
Behandlungsstandards im Sinne von
„Behandlungskorridoren" zu beachten. Für neue medizinische Methoden muss
vorab geklärt
werden, welchen Stellenwert sie im Rahmen dieser guide-lines haben sollen, dh
welche
bisherige Mittel sie allenfalls ersetzen oder sinnvoll ergänzen können.
Sowohl für die EBM als auch für die Erstellung von Leitlinien ist eine
unabhängige
Qualitätssicherungsstelle einzurichten, die auch den benötigten Support geben
kann.
Struktur- und Prozessqualität
Ob Leistungen bedarfsgerecht erbracht werden können, ist
auch eine Frage der Struktur- und
Prozessqualität.
Darunter ist der Erwerb von Fähigkeiten zu verstehen, Entscheidungen über
die
Anwendung geeigneter diagnostischer bzw therapeutischer Methoden treffen und
die
Behandlung durchführen zu können. Daher ist Fortbildung eine wichtige
Voraussetzung für
Qualitätssicherung; das gilt selbstverständlich für alle medizinisch-pflegerischen
Berufe.
Prozessqualität wiederum setzt ein koordiniertes
Zusammenwirken von optimaler ärztlicher
Hilfe gleichgestellter Versorgung und Pflege voraus. Dabei müssen
Schnittstellen durch ein
entsprechendes
Disease-Management überbrückt werden. Qualität im Gesundheitswesen
heisst
auch, dass gesundheitsschädliche, jedenfalls aber mit Unannehmlichkeiten und
unnötigen Kosten verbundene Doppel- oder Mehrfachbefundungen und -therapien
(„Doppelgleisigkeiten") verhindert werden.
Spitalsambulanzen oder niedergelassene Fachärzte
Idealerweise sollen PatientInnen nur jene Gesundheitseinrichtungen in
Anspruch nehmen,
welche die erforderliche Leistung qualitativ am Besten erbringen, wobei - in
einem weiteren
Schritt - festzulegen ist, welche von zwei oder mehreren in Frage kommenden
Gesundheitseinrichtungen (praktische Ärzte, niedergelassene Fachärzte,
Spitalsambulanzen,
Spitäler) diese Leistung nicht nur in gleicher Qualität, sondern auch
volkswirtschaftlich am
Günstigsten erbringen kann. Die ambulante Angebotsstruktur im Gesundheitswesen
hat sich
ausschließlich nach dieser gesundheitspolitischen Grundsatzentscheidung zu
richten.
Die „Rolle" der Anbieter im Leistungsgeschehen
PatientInnen sollen die „richtigen" LeistungsanbieterInnen in Anspruch nehmen. Folgerichtig
ist
die Funktion der einzelnen Anbieterebenen (insbesondere im Verhältnis
Allgemeinmedizinerinnen
zu Fachärztinnen) arbeitsteilig zu definieren. Allerdings ist nicht
davon
auszugehen, dass damit alle „falschen" Zugänge der PatientInnen in das
Gesundheitssystem geschlossen werden können. Daher ist ein Hausarztsystem
(„Gatekeeper") zu überlegen oder wenigstens optional vorzusehen; Hausärzte
sollen erst bei
komplizierten
Fällen an Fachärzte oder Ambulanzen überweisen.
„Vernetzung" der Anbieter
Es ist dringend notwendig bessere
Kommunikationsstrukturen zwischen den
Behandlungsinstanzen aufzubauen, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.
Gesundheitssicherung
ist als ein Kontinuum zu betrachten, das nicht mit der Akutbehandlung
endet,
sondern auch Rehabilitation, extra - und intramurale Pflege, soziale Dienste
etc. und -
vor
Ausbruch der Krankheit - auch die Prävention umfasst.
Behandlungsstandards
Zur internen Qualitätssicherung sind auf der Grundlage des „best-practise" verbindliche
diagnostische und therapeutische Behandlungsstandards im Sinne von Behandlungskorridoren
festzulegen. Diese sollten in Zukunft in systematischer Weise sowohl für den extra - als auch
im intramuralen Bereich festgelegt und umgesetzt werden.
Es sollten Standards sein, die nicht im „Bargaining" zwischen den Vertragspartnern, sondern
nur von einer unabhängigen, am Besten einer staatlichen Qualitätssicherungsstelle erstellt
werden können.
Besonders im Bereich der niedergelassenen Ärzte besteht derzeit ein ernsthaftes Defizit in der
Qualitätssicherung. Hier gibt es im Vergleich zu den Krankenanstalten noch enormen
Aufholbedarf. Für die Fortbildung soll es Zertifikate geben.
Externe Qualitätskontrolle
In Zukunft muss es eine rechtlich
durchsetzbare Verantwortung für Qualität und Ökonomie
im
Gesundheitswesen geben. Im ambulanten Sektor könnte diesen Bemühungen durch
eine
„Normkostenhonorierung" ärztlicher Leistungen Nachdruck verliehen werden.
Verbindlichkeit der Standards - verankert in den
Berufsgesetzen und in Kassenverträgen -
bedeutet
externe Kontrolle der Einhaltung der Standards und Sanktionierbarkeit. Dazu
sind
entsprechende
Kontrollinstrumente zu entwickeln.
Schon jetzt besteht durch die Folgekostenanalyse die
Möglichkeit, die „ökonomische
Behandlungsweise" zu überprüfen; dieses Recht sollte auch im Gesetz
verankert werden und
gegebenenfalls
mit wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden sein.
Es ist jedoch sehr sinnvoll, die Ärzte bei der Einhaltung
des Wirtschaftlichkeitsprinzips zu
unterstützen.
So sollten die Kassen die Ärzte besser über die Verordnung von Medikamente
informieren. Die Apotheken sollten bei der Auswahl des ökonomisch günstigsten
Medikaments, zB durch das „Substitutionsrecht", das verschriebene
Medikament gegen ein
wirkungsgleiches, aber billigeres auszutauschen, helfen (Ausnahme:
ausdrücklicher
Ausschluss durch den Arzt).
Bedenkt man, welche Unterschiede in
der Zahl der Heilmittelverordnungen pro Fall zwischen
den Bundesländern bestehen (Steiermark 2,76; Wien 4,7), wird klar, dass durch
die Änderung
der Verschreibepraxis noch beachtliche Einsparmöglichkeiten erzielt werden
können.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag:
„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird
aufgefordert, dem Nationalrat bis
29. Mai 2004 eine Regierungsvorlage für eine umfassende Qualitätsoffensive vor
allem im
Bereich der niedergelassenen Ärzte, die dem Prinzip interner Qualitätssicherung
und externer
Qualitätskontrolle entspricht, zuzuleiten. Die Gesetzesvorlage hat insbesondere
folgende
Punkte
zu enthalten:
Im Bereich der niedergelassenen Ärzte sind zusätzliche
verbindliche Instrumente für die
interne Qualitätssicherung und die externe Qualitätskontrolle zu schaffen.
Die rechtlichen Grundlagen für die Schaffung eines unabhängigen Bundesinstitutes für
Qualitätsmedizin, in das alle Akteure des Gesundheitswesens einzubeziehen sind. Das
Bundesinstitut für Qualitätsmedizin soll die Wirksamkeit von Methoden und Produkten
Bewerten.
Insbesondere sollen Kosten / Wirksamkeitsanalysen neuer Medikamente und neuer
Behandlungsmethoden durchgeführt werden.
Das Institut soll aus Gebühren der Antragsteller finanziert werden.
Vor Willkür soll ein zweistufiges Verfahren und völlige Transparenz schützen.
Weiters wird die Bundesministerin für Frauen und
Gesundheit aufgefordert, den
eingeschlagenen Weg bei der Durchführung von Qualitätsprojekten im
Spitalsbereich
weiterzuführen."
Zuweisungsvorschlag: Gesundheitsausschuss