287/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 12.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Alexander Van der Bellen,
Terezija Stoisits, Freundinnen und
Freunde
betreffend Versagung
des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für
Inneres wegen tagtäglichen Rechtsbruchs durch Verweigerung der
Unterbringung und Versorgung von AsylwerberInnen
Mit zwei Beschlüssen vom 24. Februar 2003
und vom 27. August 2003 hat der
Oberste Gerichtshof die gesetzliche Verpflichtung der Republik Österreich zur
Unterbringung und Versorgung von bedürftigen AsylwerberInnen festgehalten. Nach
der Verkündung bzw. dem Bekanntwerden des ersten Beschlusses am 24. April
2003 hat Innenminister Strasser sich weiterhin geweigert, mittellose
AsylwerberInnen
in Bundesbetreuung aufzunehmen und hat an seiner als rechtswidrig
festgestellten
Vorgangsweise festgehalten, AsylwerberInnen trotz Bedürftigkeit nicht zu
versorgen.
Erst nach publik Werden des zweiten diesbezüglichen Beschlusses des OGH am 12.
September 2003 war der Innenminister bereit, seine rechtswidrige, da u.a. gegen
den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Bundesbetreuungsrichtlinie zurückzunehmen.
Trotzdem hat sich an der Praxis der
Gewährung der Bundesbetreuung auch seit der
Zurücknahme der Bundesbetreuungsrichtlinie nichts im positiven Sinne geändert.
Weiterhin werden Asylwerberinnen trotz Bedürftigkeit nicht in Bundesbetreuung
aufgenommen, ganze Familien, alleinstehende Männer, unbegleitete Minderjährige
im Winter ohne Quartier ihrem Schicksal überlassen.
Am 4.11.2003 wurde eine achtköpfige Familie mit drei
minderjährigen Kindern aus
dem Libanon nicht in Bundesbetreuung aufgenommen und der Obdachlosigkeit
ausgesetzt. Am 5.11. wurde eine fünfköpfige tschetschenische Familie nicht in
Bundesbetreuung aufgenommen. Am selben Tag wollte das Innenministerium eine
andere fünfköpfige tschetschenische Familie trennen und einen Teil der Familie
in
Bundesbetreuung aufnehmen, den anderen Teil nicht. Nach der Intervention durch
das UN-Flüchtlingshochkommissariat wurden die Frau und die Kinder in Betreuung
aufgenommen, der Familienvater nicht. Somit
war er obdachlos.
Inzwischen geht es nicht nur um die Obdachlosigkeit und
somit Verweigerung des
Zugangs zu einem fairen Asylverfahren, sondern um die Verweigerung des
Asylverfahrens selbst:
In der Nacht vom 31.10. auf 1.11.2003 wurden beim
Grenzübergang Gmünd
Asylanträge von 74 tschetschenischen StaatsbürgerInnen nicht angenommen,
obwohl mehrere von ihnen ausdrücklich ausgesprochen haben, dass sie um Asyl
ansuchen. Diese AsylwerberInnen erhielten statt eines Asylverfahrens
Aufenthaltsverbote und wurden nach Tschechien zurückgeschoben.
Am 3.11.2003 wurden drei AsylwerberInnen
aus Georgien nicht in die
Flüchtlingsbetreuungsstelle Traiskirchen hineingelassen und ihnen wurde die
Asylantragstellung verweigert. Zwei dieser Personen mussten daraufhin ihren
Asylantrag bei der Gendarmerie in Traiskirchen einbringen, was ihnen einen Tag
später gelang.
Es ist Aufgabe des Innenministers der
Republik, die Einhaltung der Genfer
Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in seinem
Zuständigkeitsbereich, in den auch das Asyl- und Flüchtlingswesen gehört, zu
garantieren. Die Verantwortung für die Bereitstellung der Infrastruktur für die
Unterbringung und Versorgung von AsylwerberInnen kann und darf weder auf die
Asylbetreuungs-NGOs und kirchliche Organisationen noch auf die Gemeinden
abgewälzt werden. Es zeugt von der jahrelangen Ignoranz und letztlich vom
Unwillen
und von der Unmenschlichkeit von Innenminister Strasser, wenn er sich seit
Jahren
weigert, diese Infrastruktur bereit zu stellen.
Durch die geschilderte Amtsführung bricht
der Innenminister tagtäglich vorsätzlich
die von der Republik Österreich ratifizierte Genfer Flüchtlingskonvention und
die im
Verfassungsrang stehende Europäische Menschenrechtskonvention. Er ignoriert
dabei auch Höchstgerichtsentscheidungen und widersetzt sich ihnen, zwingt
Betroffene und NGOs und kirchliche Organisationen zu Klagen gegen die Republik
wegen verweigerter Bundesbetreuung, bei denen die Republik keine Aussicht auf
Erfolg hat. Damit kämpft Minister Strasser seinen Kampf gegen den Rechtsstaat
einerseits mit missbräuchlich eingesetzten Steuermitteln, andererseits auf dem
Rücken von Schutzsuchenden.
Minister Strasser nimmt dabei
Obdachlosigkeit, Verelendung und letztlich den
möglichen Tod von Asylwerberinnen in Kauf und begeht Rechtsverletzung in
Ausübung seiner Amtstätigkeit. Dieses Verhalten ist für den Rechtsstaat
untragbar.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Dem
Bundesminister für Inneres wird im Sinne des Art. 74 B-VG das Vertrauen
versagt.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuß für innere Angelegenheiten vorgeschlagen