332/A XXII. GP
Eingebracht am 10.02.2004
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Initiativantrag
der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr.
Cap, Heidrun Silhavy, Dr. Wittmann, Dobnigg
und GenossInnen
betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die
Sicherung der Pensionen
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz
über die Sicherung der Pensionen
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel 1
(1)
Gesetzgebung
und Vollziehung haben durch ein System der Sozialversicherung ein angemessenes
Einkommen der Menschen im Alter zu gewährleisten.
(2)
Bei Beamten
und Beamtinnen und diesen gleichgestellten Personen kann das Einkommen im Alter
anstelle durch ein System der Sozialversicherung auch durch unmittelbare Ansprüche
gegenüber dem Rechtsträger gewährleistet werden.
Artikel 2
(1)
Gesetzgebung
und Vollziehung haben dafür zu sorgen, dass die Pensionen gesichert sind und in
angemessenem Ausmaß steigen.
(2)
Die Steigerung
der Pensionen hat jährlich zu erfolgen. Die Steigerung ist so zu bemessen, dass
zumindest die Inflationsrate abgegolten wird und darüber hinaus die
Pensionisten und Pensionistinnen angemessen an der Steigerung des Volkseinkommens
teilhaben.
(3)
Ausnahmen von
Abs. 2 sind nur zulässig, um schwere Störungen des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichtes abzuwenden, und nur dann, wenn auch alle anderen
gesellschaftlichen Gruppen entsprechende Beiträge zur Wiederherstellung des
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes leisten.
Artikel 3
(1)
Dieses
Bundesverfassungsgesetz tritt mit 1. März 2004 in Kraft.
(2)
Mit der
Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.
Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss
Die Durchführung einer ersten Lesung wird
verlangt
Begründung
Nicht zuletzt Dank eines jahrzehntelangen
politischen Konsenses über die Ziele der Sozialpolitik besteht in Österreich
bisher ein Pensionssystem, das jeder Österreicherin und jedem Österreicher ein
sicheres Einkommen im Alter gewährleistet. Bisher war es auch
selbstverständlich, dass die Pensionen in angemessenem Ausmaß erhöht werden.
Die schwarz-blaue Bundesregierung macht nun
das Gegenteil: Von 2003 auf 2004 werden die Pensionen gekürzt. Nicht zu unrecht
sprechen die Medien von Pensionsraub. Zynisch spricht die Regierung davon, es
handle sich bloß um ein paar Euro, diese werden aber gerade Menschen
weggenommen, die auf jeden Euro angewiesen sind.
Dieser Pensionsraub ist nur der Höhepunkt in
einer Reihe von drastischen Verschlechterungen des Pensionssystems, die seit
dem Amtsantritt der schwarz-blauen Bundesregierung vorgenommen wurden. Unter
dem Vorwand einer angeblichen Sicherung des Pensionssystems werden die
Pensionen gekürzt, um in Wahrheit zu einem beschönigend so genannten „Drei-Säulen-Modell“
überzugehen. Damit soll von der solidarischen Aufbringung der Pensionen zu einem
System übergegangen werden, in dem private Unternehmen auch mit den Pensionen private
Gewinne erzielen können. Die Absicherung des einmal erreichten Lebensstandards
und die Teilnahme an der Steigerung des Volkseinkommens würde bei diesem Modell
nur durch betriebliche Pensionskassen und private Pensionsvorsorge erfolgen. Wie
gerade die internationale Entwicklung seit dem Wirtschaftseinbruch zeigt, hängt
damit aber die Pension des Einzelnen völlig von der Börsenentwicklung und dem
zufälligen Veranlagungsgeschick der Pensionskassen ab. Eine dauerhafte
Sicherung der Pensionen ist nur durch das solidarische Modell einer Sozialversicherung
möglich.
Diese drastischen Verschlechterungen zeigen,
dass es dringend erforderlich ist, das Recht alter Menschen auf eine gesicherte
Pension verfassungsgesetzlich zu gewährleisten. Auf diese Weise wird diese
Angelegenheit der Tagespolitik entzogen. Die ältere Generation hat ein Recht
darauf, dass sie von gesicherten Rahmenbedingungen im Alter ausgehen kann.
Zu Artikel 1:
Durch diese Bestimmung wird einerseits eine
Garantie des Systems der Sozialversicherung eingerichtet. Dies bedeutet, dass
der Gesetzgeber für eine angemessene Altersversorgung im Wege einer
Sozialversicherung Vorsorge leisten muß. Die Sozialversicherung ist dadurch
gekennzeichnet, dass in ihr alle Versicherten zu einer solidarischen
Riskengemeinschaft zusammengefaßt werden. Die Leistungen erfolgen nicht nach
der individuellen Leistungsfähigkeit und dem individuellen Risiko, sondern in
solidarischer Weise aufgeteilt auf die gesamte Versichertengemeinschaft.
Abs. 2 sieht als Ausnahme vor, dass für
Angehörige des öffentlichen Dienstes anstelle eines Systems der
Sozialversicherung die angemessene Alterssicherung auch durch unmittelbare
Ansprüche gegenüber Bund, Ländern und Gemeinden gewährleistet werden kann, wie
es derzeit bei den Beamten und Beamtinnen der Fall ist. Die Wendung „diesen
gleichgestellten Personen“ bezieht sich auf jene Personengruppen, die nach der
gegenwärtigen Rechtslage in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis
stehen und einen unmittelbaren Pensionsanspruch gegen den jeweiligen
Rechtsträger haben.
Wie die Verwendung des Wortes „kann“ in Abs.
2 zeigt, schließt diese Bestimmung keineswegs aus, dass für alle ArbeitnehmerInnen einschließlich
der BeamtInnen eine Pensionsversicherung nach gleichen Grundsätzen geschaffen
wird.
Zu Artikel 2:
Abs. 1 enthält zunächst einen
Verfassungsauftrag an Gesetzgebung und Vollziehung, dafür zu sorgen, dass die
Pensionen gesichert sind und in angemessenem Ausmaß steigen. Alle Handlungen
sowohl der Gesetzgebung als auch der Bundesregierung, die gegen dieses Ziel
verstoßen, sind verfassungswidrig.
Darüber hinaus gewährleistet Abs. 1 in
Verbindung mit Abs. 2 ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht jedes
Pensionisten auf Steigerung der Pensionen.
Diese Steigerung hängt selbstverständlich
vom wirtschaftlichen Umfeld ab. Jedenfalls muß aber gesichert sein, dass
zumindest die Inflationsrate abgegolten wird.
Sollte es zur Behebung von
Wirtschaftseinbrüchen, starker Arbeitslosigkeit oder sonstigen schweren
Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes erforderlich sein, dass
alle gesellschaftlichen Gruppen wirtschaftliche Beiträge leisten, sind
selbstverständlich auch die Pensionisten bereit dazu. Dies freilich nur unter
der Voraussetzung, dass dem wirklich eine gemeinsame Anstrengung zugrunde liegt
und nicht einseitig den alten Menschen Opfer abverlangt werden.