372/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 25.03.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
des Abgeordneten Lunacek, Kogler, Freundinnen und Freunde
betreffend
Einsatz für eine Lösung des Schuldenproblems des Irak
Der Irak - im Jahr
1979 nicht nur schuldenfrei, sondern im Besitz von 36 Mrd. USD
an Währungsreserven - gehört heute aufgrund der Kriege des Saddam-Regimes
gegen
den Iran und Kuwait sowie aufgrund der Auswirkungen der UN-Sanktionen zu
einem
der am höchsten verschuldeten Länder der Welt. Schätzungen beziffern den
Schuldenstand
auf 120 Mrd. USD (Exportleistung im Jahr 2002: 15 Mrd. USD, im
Jahr
2003: 3 Mrd. USD), dazu kommen noch immense Reparationsforderungen aus
dem
Golfkrieg. Viele Schulden gehen auf die Finanzierung von Waffenlieferungen
an
das Regime Saddam Husseins zurück.
Gemessen an seiner Wirtschaftsleistung (Schulden/BIP,
Schulden/Exporteinnahmen) gehört der
Irak heute zu den am höchsten
verschuldeten
Ländern der Welt. Dazu kommt der immense Wiederaufbau-Bedarf
nach
dem Krieg. Gegenwärtig sind daher Verhandlungen im Gange, dem Irak einen
Teil seiner Schulden nachzulassen.
Der Pariser Club, das Forum der
staatlichen Gläubiger, dem Österreich angehört,
hat
am 10. Juli 2003 in einer Presseaussendung die österreichischen Forderungen
an
den Irak mit 813,1 Mio. USD (ca. 800 Mio. Euro)
angegeben. Rechnet man die
bis
dahin angefallenen und nicht kapitalisierten Zinsen hinzu, erhöht sich der
Forderungsstand
auf etwa 1,2 Mrd. Euro. Damit gehört Österreich, gemessen an
seiner Größe, zu
einem der größeren irakischen Gläubiger.
Käme es auf der Ebene
des Pariser Clubs zu einem teilweisen Schuldenerlass, so
müsste
Österreich den gleichen Erlass-Anteil leisten, wie jene Länder, die mit
Krediten
und staatlichen Garantien Waffenlieferungen erst ermöglichten.
Illegitime oder „verabscheuungswürdige
Schulden" („odious debts") wurden in einer
völkerrechtlichen
Doktrin des Juristen Alexander Sack in den 1920er Jahren als
Schulden definiert, die ohne Zustimmung der betroffenen Bevölkerung zustande
kamen
und von denen die Bevölkerung keinen Nutzen zog. Als drittes Kriterium
benannte Sack, dass
all dies dem Gläubiger bei der Kreditvergabe bekannt gewesen
sein muss. Da es sich beim Regime Saddam
Hussein um eine nicht demokratisch
legitimierte Regierung handelte, die
Militär- und Unterdrückungsmaschinerie mit
Krediten finanziert wurde und die
repressive Natur des Regimes allgemein bekannt
war, werden diese Kriterien im Falle
der irakischen Schulden erfüllt.
Die Doktrin von Alexander Sack sollte
im Rahmen eines unabhängigen
Schiedsverfahrens
angewendet werden. Da bei den Pariser Club-Verhandlungen die
Frage
der Legitimität von Schulden keine Rolle spielt, ist der Pariser Club für die
Klärung der
Legitimität nicht das geeignete Gremium.
Ein derartiges
unabhängiges Schiedsverfahren könnte unter Vorsitz der Vereinten
Nationen
die Ansprüche aller Gläubiger erheben. Dabei sollte die Legitimität bzw.
Illegitimität
von Forderungen geprüft und illegitime Forderungen zur Gänze erlassen
werden.
Alle verbleibenden legitimen Forderungen würden proportional auf ein für
den
Irak tragfähiges Maß reduziert. Wie hoch der Schuldenerlass ist, würde im
Rahmen des
Schiedsverfahrens festgelegt.
Österreich kann von einem solchen
Verfahren profitieren. Da die Garantie- bzw.
Kreditvergabe
für Waffenlieferungen gesetzlich untersagt ist, ist davon auszugehen,
dass
es sich bei den österreichischen Forderungen nicht um illegitime Forderungen
im
Sinne von Alexander Sack handelt. Nach völliger Streichung illegitimer Schulden
wäre
die proportionale Entschuldungsleistung Österreichs daher geringer als bei
einem
herkömmlichen Verfahren im Rahmen des Pariser Clubs.
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle
beschließen:
Der Bundesminister für Finanzen wird
aufgefordert, sich innerhalb der
Bundesregierung
sowie auf EU-Ebene und auf internationaler Ebene für eine
Entschuldung
im Rahmen eines unabhängigen, von der UNO überwachten
Verfahrens
einzusetzen.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Finanzausschuß vorgeschlagen.