397/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 26.05.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHER
ANTRAG
der Abgeordneten
Glawischnig, Lichtenberger, Van der Bellen Freundinnen
und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend Schweigen und Untätigkeit zu
den Ausbauplänen der slowakischen
Regierung bezüglich Mochovce, der Lebenszeitverlängerung von Bohunice V1
sowie dem Europäischen Atomausstieg
Der slowakische
Wirtschaftsminister Pavol Rusko am 24.5.:
„Wir wollen nicht
Stromimporteur werden und von jemandem abhängig sein. Das AKW
Mochovce wird
auf jeden Fall fertig gebaut", so der Wirtschaftsminister
(APA 23.5.)
Tags
darauf reagierte Wirtschaftsminister Rusko auf die Kritik von österreichischen
Politikern.
„Die Slowakei ist
interessiert an guten Beziehungen zu Österreich, die Grundsätze der
Energiepolitik
lässt sie sich aber von österreichischen Politikern nicht diktieren."
(APA 24.5.)
Rusko
betonte außerdem
„Die Slowakei müsse sich die
Position des Strom-Exporteurs erhalten und das sei
nach der Abschaltung der zwei
Reaktoren im AKW V-1 in Bohunice im Jahr 2006 und
2008 nur durch die Fertigstellung
der zwei Blöcke des AKW Mochovce möglich".
Gleich am nächsten Tag ging Rusko
noch einen Schritt weiter.
Er erklärte „die Schließung der
beiden Reaktoren in Jaslovske Bohunice wolle er
nochmals überdenken". Darauf
werden wir nochmals zurückkommen und neu
verhandeln müssen", so der
Wirtschaftsminister.
(APA 25.5.)
Julius Brocka, Vizevorsitzender
der Christdemokraten (KDH):
„Die
Slowakei brauche weitere Atomkraftwerke, man müsse aber mit Reaktionen aus
Österreich
rechnen".
(APA 25.5.)
Landwirtschaftsminister Pröll
warnt vor „voreiligen Reaktionen". Für ihn handle es sich bei
der
Ankündigung von Wirtschaftsminister Pavol Rusko „vorerst um die
Einzelmeinung
eines Ministers". Als ersten Schritt kündigte Pröll
ein Gespräch mit dem slowakischen
Umweltminister
Laszlo Miklos an. Pröll betonte: „Wir werden in einen intensiven
Kommunikationsprozess eintreten,
der Standpunkt der Regierung sei aber bekannt:
Wir warnen die Slowakei, mit nicht
nachhaltiger Technologie vorsichtig umzugehen".
(APA 24. 5.)
Vizekanzler Gorbach:
„Ich halte es energiepolitisch für eine völlige Fehlentscheidung, das AKW
Mochocvce
weiter auszubauen. Ich werde in der
österreichischen Bundesregierung alles
unternehmen, um Atomkraft und damit den
Ausbau von Atomkraft zu verhindern."
(APA 24.5.)
Benita Ferrero-Waldner sieht die
Aussagen des slowakischen Wirtschaftsminister Pavol
Rusko als "Einzelmeinung,
wonach das AKW Mochovce fertig gestellt werden müsse.
Der slowakische Außenminister
Eduard Kukan habe ihr auf Anfrage am Rande der
Verfassungsverhandlungen
am Montag in Brüssel versichert, dass dies eine "absolute
Einzelmeinung eines Ministers und
keineswegs die Meinung der slowakischen
Regierung
sei.,,
(APA 24.5.)
Man müsse den Aussagen Ruskos "klar
entgegentreten", betonte Ferrero-Waldner. "Wir
alle treten
ein für ein atomfreies Mitteleuropa und das weiß natürlich die Slowakei und
die Regierung sehr gut. Wir werden
uns auf jeden Fall weiter dafür einsetzen."
(APA 24.5.)
Verletzung der EU-Beitrittsverträge - keine Neuverhandlung
der
Stillegungsverpflichtung von Bohunice!
Bohunice
V-1 ist eines der gefährlichsten AKW der Welt überhaupt. Der sowjetische
Reaktortyp der ersten Generation ist meilenweit von international üblichen
Sicherheitsstandards entfernt. Die größten Sicherheitsprobleme sind das
mangelhafte
Notkühlsystem, die Versprödung des Reaktordruckbehälters und das Fehlen von
Leck-
Detektionssystemen. Am schwerwiegendsten ist jedoch die fehlende Stahl-Beton-
Schutzhülle ("Containment"), die
bei jedem westlichen AKW üblich ist. Folgerichtig hat daher
die Europäische Union festgestellt, dass Bohunice nicht auf das
erforderliche
Sicherheitsniveau gebracht werden kann und daher so rasch als möglich
stillzulegen ist. Im
Dezember 1998 beschloss der Rat der EU-Außenminister,
dass ein EU-Beitritt der Slowakei
an die Bedingung geknüpft wird, Bohunice zu schließen. 1998 wurde der
erste Reaktor von
Mochovce, trotz internationaler Proteste in Betrieb genommen. Im Gegenzug
sollten die
beiden V-1-Hochrisikoreaktoren von Bohunice
im Jahr 2000 außer Betrieb gehen. Entgegen
wiederholten vorherigen
Versprechungen, Bohunice bis 2000 stillzulegen, fasste die
slowakische Regierung am 21. April 1999 den Beschluss, Bohunice
weiterzubetreiben.
Im
Beitrittsvertrag zwischen der Slowakei und den EU wurde dann in einem Protokoll
die
Schließungsverpflichtung der Reaktoren der
ersten Generation verbindlich festgeschrieben.
Bohunice Block 1 muss spätestens 2006, Block 2 2008 stillgelegt werden.
BK Schüssel
nahm damals die Verlängerung der Schließungsfrist bis 2006/2008 kritiklos zur
Kenntnis,
obwohl mit dieser Entscheidung auch beträchtliche Risken für die
österreichische
Bevölkerung verbunden sind. Allerdings wurde nicht nur die
Schließungsverpflichtung im
Protokoll zur Beitrittsakte der Slowakei
verankert, sondern auch eine Zahlungsverpflichtung
der EU. Auf Initiative der Europäischen Kommission hat die EBRD einen
Fond zur
Unterstützung der vorzeitigen Schließung der beide Blöcke von Bohunice
eingerichtet. Bis
2006 stehen der Slowakei 90 Mio. € zur Verfügung, nach 2006 noch zusätzliche
Finanzmittel.
Das
Infragestellen der verbindlichen Schließungsdaten stellt daher eine Verletzung
der
Beitrittsverträge dar und kann von
Österreich nicht akzeptiert werden. Österreich muss ein
klares Nein gegen die Neuverhandlung der Stillegungsverpflichtung von
Bohunice
aussprechen.
Verdoppelung des Atomrisikos von Mochovce?
Das
Atomkraftwerk Mochovce befindet sich in der slowakischen Republik, nordöstlich
von
Bratislava, nur etwa 150 km von Wien entfernt. Mit dem Bau der 4 Reaktorblöcke
war
zwischen 1980 und 1985 in Mochovce begonnen
worden. 1991 wurden die Bauarbeiten aus
Geldmangel unterbrochen. Block 1 wurde im Oktober 1998, Block 2 im
Dezember 1999 in
Betrieb genommen. Fertigstellung und Inbetriebnahme von Block 3 und 4 wurden
verschoben.
Ein Reaktor gleichen Typs sollte auch in
Greifswald/BRD als Block-5 in Betrieb gehen. GRS
(Gesellschaft für Reaktorsicherheit/BRD) und
IPSN (Institut de Protection et de Sureté
Nucléaire/Frankreich) haben eine Sicherheitsbeurteilung für dieses AKW
durchgeführt und
eine Reihe von
Ertüchtigungsmaßnahmen vorgeschlagen. Angesichts der zu erwartenden
Kosten für die Nachrüstung auf westlichen
Standard hat man in Deutschland auf den
Fertigbau des AKW in Greifswald
verzichtet. Bei der sicherheitstechnischen Verbesserung in
Mochovce wurden bei weitem nicht alle
Maßnahmen, die für Greifswald vorgeschlagen
wurden, ausgeführt.
Die zwei Blöcke des
AKW Mochovce weisen gravierende Sicherheitsmängel auf. Ein Unfall
mit schwerwiegenden Folgen auf den Großraum Wien ist für die nächsten Jahre
nicht
auszuschließen.
Hauptmängel des AKW sind einerseits die fehlende Schutzhülle, die im
Falle eines schweren Unfalles einen massiven Ausstritt von radioaktiven Materialien
zurückhalten
sollte, und andererseits die unzureichende Sicherheit des so genannten
Reaktordruckbehälters.
Auch eine ausreichende Sicherheit gegen Erdbeben oder
Flugzeugabstürze
ist nicht gegeben. In Mochovce wurde erstmals ein sowjetischer Reaktor
mit
westlicher Sicherheitstechnologie ausgerüstet. Die Mischung von west- und
osteuropäischer
Reaktortechnologie ist ein Experiment, das noch nie erprobt wurde. Kommt
es in Mochovce aus den oben angeführten Gründen zu einem schweren Unfall, so
kann bei
entsprechender Wetterlage die
österreichische Bundeshauptstadt Wien und die gesamte
Ostregion von radioaktivem Niederschlag betroffen sein, der eine dramatische
Gefährdung
von Gesundheit und Eigentum zur Folge hat. Das zeigen entsprechende
Rechenmodelle.
Mochovce liegt außerdem in einem Gebiet, in dem schwere
Erdbeben nicht ausgeschlossen
werden können, deshalb ist es besonders
bedenklich, dass das AKW nicht ausreichend
gegen Erdbeben gesichert ist. In
benachbarten Regionen sind Beben bis Stärke 7 MSK
aufgetreten. Die Bebenherde liegen
relativ nahe der Oberfläche und die zerstörerische
Wirkung solcher Beben kann groß sein.
Die Bebenherde lagen in 40 bis 80 km Entfernung
zum AKW Mochovce.
Eine Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 würde das Risiko
in Mochovce verdoppeln und ist
daher im Interesse
der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung entschieden zu
bekämpfen.
Gescheiterte Bemühungen für einen
europäischen Atomausstieg
Der
Euratom-Vertrag schreibt als unbefristetes EU-Primärrecht seit 1957 die
Förderung der
Atomenergie fest. Eine Reform des Vertrages ist der Schlüssel für einen
Europäischen
Atomausstieg. Alle diesbezüglichen
Bemühungen der Bundesregierung sind gescheitert. Auf
Grüne
Initiative ist es im EU-Konvent gelungen, den Euratomvertrag aus der neuen EU-
Verfassung herauszulösen. Ein möglicher
Ausstieg einzelner EU-Staaten aus Euratom ohne
aus der EU ausstiegen zu müssen, ist dadurch nach Ansicht fachkundiger
Rechtsexperten
jedenfalls möglich geworden. Derzeit
besteht die große Gefahr, dass diese Ausstiegsoption
bei der bevorstehenden EU-Regierungskonferenz am 16. und 17. Juni wieder
zunichte
gemacht wird. Ziel muss die Auflösung des Euratomvertrages bleiben. Die
erhaltenswerten
Teile des Vertrages (z.B. Strahlenschutz
und Proliferationskontrolle) sollen dabei in die EU-
Verfassung integriert und EU-Umweltrecht unterstellt, die nicht mehr zu
rechtfertigenden
Förderbestimmungen für die Atomindustrie ersatzlos gestrichen werden. 50 Jahre
nach
Inkrafttreten, also 2007, soll der Euratom-Vertrag beendet werden. Dazu braucht
es einen
einstimmigen Beschluss der EU-25 auf einer Regierungskonferenz (Stichwort:
EURATOM-
Revisionskonferenz). Diese Euratom-Regierungskonferenz ist zwar erklärtes Ziel
der
Bundesregierung, allerdings betreibt die Bundesregierung die Umsetzung dessen
nicht mit
entsprechendem Nachdruck. Es wird das übliche diplomatische Pflichtprogramm
(Briefe,
Ansprechen bei Außenministerräten und EU-Regierungskonferenz) abgespult, aber
keine
kraftvolle Initiative gesetzt.
Die bisherigen Bemühungen der
Bundesregierung für einen europäischen Atomausstieg und eine Euratom-Reform
sind gescheitert. Das Konzept der Bundesregierung wird keinen Erfolg bringen.
Die Scheinaktivitäten der Bundesregierung dienen lediglich dazu, um die mit großer
Mehrheit atomkritische österreichische
Bevölkerung zu beruhigen. Die Politik der
Bundesregierung beschränkt sich auf
innenpolitische Schlagzeilen und ist auf EU-Ebene
völlig mutlos.
In diesem Zusammenhang stellen die
unterzeichneten Abgeordneten folgenden
ANTRAG:
1.
Der
Bundeskanzler wird dringend ersucht, unverzüglich eine offizielle Protestnote
an die
slowakische Regierung zu übermitteln, in
der die Ausbaupläne des AKW Mochovce (3 und 4)
scharf zurückgewiesen werden. Darüber hinaus soll in der Protestnote
klargelegt werden,
dass eine Lebenszeitverlängerung des Hochrisikoreaktors Bohunice V1 über das
EU-
primärrechtlich vereinbarte Schließungsdatum hinaus inakzeptabel ist.
2.
Der
Bundeskanzler wird aufgefordert, ein klares Nein gegen die Aufnahme von
Neuverhandlungen über die Stillegung von
Bohunice auszusprechen und erforderlichenfalls
eine Beschwerde wegen Bruch des Beitrittsvertrages durch das
Nichteinhalten der
verbindlich verankerten Schließungsdaten vorzubereiten.
3.
Der
Bundeskanzler wird ersucht, umgehend auf höchster Ebene Gespräche mit der
slowakischen Regierung aufzunehmen, um den
AKW-Ausbau zu verhindern. Weiters sollen
unverzüglich Gespräche über Intensivierung und Ausbau der
Energiepartnerschaften mit der
Slowakei geführt werden, um den Atomausstieg der Slowakei voranzutreiben
und im
beidseitigen Interesse einen zügigen Umstieg auf nachhaltige Energieträger
einzuleiten.
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses
Antrages gem. § 93 Abs
2 GOG
iVm §74 a Abs 2 verlangt.