406/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 27.05.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

betreffend rasches Handeln gegen massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen
gegen die Menschlichkeit in den Darfur-Provinzen (Sudan)

Im Februar 2003 begann eine Rebellion in den Darfur-Provinzen Nord-, Süd- und Westdarfur.
Diese Rebellion stellt die Eskalation und Brutalisierung eines lang andauernden Konfliktes dar, der
zwischen den in der Zentralregion des Darfur-Gebietes rund um das Marra-Gebirge angesiedelten
sesshaften Bäuerinnen und Bauern sowie den NomadInnen aus den nördlichen Wüstengebieten
schwelte. Bald schon wurde der Konflikt um Ressourcen ethnisiert und zu einem Kampf zwischen
den „arabischen" NomadInnen und den „afrikanischen" Bauern und Bäuerinnen stilisiert. Als die
SPLA (die Rebellenbewegung im Südsudan) in den 90er Jahren bis Darfur vordrang, versorgte die
sudanesische Regierung die sog. Janjaweed-Rebellen mit Waffen. Daraufhin begann 2003 die
Rebellion der Darfur-Rebellengruppen SLM (Sudan Liberation Movement) und JEM (Justice and
Equality Movement).

Die Angriffe der Janjaweed-Milizen auf ZivilistInnen haben eine ungeheure Flüchtlingswelle in
Gang gesetzt. Nach einer APA-Meldung vom 26. Mai ist die Zahl der vom Konflikt Betroffenen
nach UNO-Angaben innerhalb kürzester Zeit von 1,2 Mio. auf 2 Mio. Menschen gestiegen, mehr
als 100.000 Menschen sind in den benachbarten Tschad geflohen. 10.000 Menschen sind bisher
getötet worden.

Die Neue Zürcher Zeitung vom 27. April 2004 berichtet, dass es laut Human Rights Watch
zunehmend schwieriger wird, zwischen regulären Soldaten und Milizionären zu unterscheiden, so
würden Milizionäre auch reguläre Armee-Uniformen tragen. Hilfsorganisationen berichten von
gravierenden Menschenrechtsverletzungen, wie Entführungen, Vergewaltigungen, Tötungen,
Plünderungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern. Die Attacken der Janjaweed sollen
unmittelbar auf Bombardements der sudanesischen Luftwaffe erfolgt sein.

Ein hochrangiges ExpertInnenteam des UN-Hochkommissärs für Menschenrechte unternahm
Ende April im Auftrag des amtierenden Hochkommissars für Menschenrechte, Bertrand
Ramcharan, Reisen in die Krisenregion, nämlich in Tschad und Sudan. Darüber hinaus, hat eine
hochrangige UN Delegation im Auftrag des UN-General-Sekretärs, Kofi Annan, von 27. April bis 2.
Mai dieses Jahres die humanitäre Situation in Darfur und den Flüchtlingslagern im Tschad
untersucht. Die Berichte beider UNO-Missionen wurden am 7. Mai 2004 dem UNO-Sicherheitsrat
vorgelegt. Diese Berichte sprechen u.a. davon, dass viele der von der sudanesischen Regierung
und der von ihr unterstützen Milizen begangenen Menschenrechtsverletzungen in Darfur als
"Kriegsverbrechen und/oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eingestuft werden können. Die
humanitäre Situation der intern Vertriebenen wird in Darfur als „extremely serious" eingestuft.

Der UN-Sicherheitsrat forderte am 25. Mai, dass die für die Menschenrechtsverletzungen
Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen und einen unverzüglichen Zugang
für Hilfsorganisationen. Auch wurde eine Entwaffnung und De-Mobilisierung der Janjaweed-Milizen
gefordert. Schließlich wurde nochmals die Notwendigkeit der Einsetzung eines ständigen Resident
Coordinators/Humanitarian Coordinators gefordert - bisher fehlt die Bereitschaft der
sudanesischen Regierung, diesen zu akzeptieren.

Das EU-Parlament forderte schon in einer Resolution vom 31. März 2004 von den Konfliktparteien
einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen. Die Resolution fordert
auch ein Ende „der von der Regierung angeführten ethnischen Säuberungskampagne in der
Region Darfur" und die „Wiederherstellung des uneingeschränkten Zugangs humanitärer


Hilfsorganisationen" und kritisiert die sudanesische Regierung wegen „systematische(r)
Verzögerungen und Obstruktionen". Es wird auch nachdrücklich auf Beweise hingewiesen, dass
die sudanesische Regierung Mitschuld an den Grausamkeiten trägt. Gefordert wird der Schutz der
Vertriebenen und der EinwohnerInnen von Darfur sowie die Einrichtung einer Flugverbotszone
über Darfur. Die UNO soll stärker in die Konfliktbewältigung eingebunden werden. Das
Europäische Parlament befürwortet die von der niederländischen Regierung in ihrer Eigenschaft
als Vertreterin des Ratsvorsitzes ergriffene Initiative im Sudan „zur Erleichterung der Gespräche
zwischen den verschiedenen Konfliktparteien" und ruft schließlich alle Geberländer dazu auf,
humanitäre Unterstützung im Sudan und den Nachbarländern, insbesondere im Tschad, zu leisten
sowie die Flüchtlinge zu schützen und zu unterstützen. Aus dem ECHO-Programm (European
Commission's Humanitarian Aid Office) wird die EU 10 Millionen Euro für die Opfer dieses
Konflikts bereitstellen.

Der deutsche Bundestag forderte am 26. Mai 2004 mit den Stimmen aller Parlamentsfraktionen die
deutsche Bundesregierung auf, mehr Druck auf die Führung in Khartum auszuüben. Diese soll
humanitären Organisationen ungehinderten Zugang in die Darfur-Region geben und die von ihr
unterstützten Milizen abziehen. Ferner soll die EU den Einsatz von Friedenstruppen der
Afrikanischen Union finanziell unterstützen. Die deutsche Bundesregierung wird aufgefordert, sich
im UNO-Sicherheitsrat für ein Waffenembargo gegen den Sudan einzusetzen, wie es die EU
bereits verhängt hat.

Die Unterzeichnung mehrerer Abkommen im kenianischen Naivasha am Abend des 26. Mai 2004
haben den Weg zu einer Friedensregelung im seit Jahrzehnten umkämpften Südsudan geebnet.
Dieser erste Erfolg darf jedoch die humanitäre Katastrophe in Darfur nicht in den Hintergrund
treten lassen. Die Erklärung des sudanesischen UNO-Botschafters in New York Mitte Mai 2004,
dass die Regierung in Khartoum bereit ist, den Zugang der Hilfsorganisationen zu gewährleisten,
muss tatsächlich in die Tat umgesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die österreichische Regierung und insbesondere die Ministerin für auswärtige Angelegenheiten
wird aufgefordert, sich bei der sudanesischen Regierung nachdrücklich dafür einzusetzen, dass

-     Kampfhandlungen sowie Übergriffe auf die Zivilbevölkerung sofort gestoppt werden,

-    Hilfsorganisationen und internationalen Organisationen nicht nur ohne Verzögerungen
der Zutritt zum Konfliktgebiet gewährt wird sondern diese seitens der Regierung mit
allen Kräften unterstützt werden,

-    internationale Menschenrechts-Beobachterlnnen für einen längeren Zeitraum
entsendet werden, um die Menschenrechtsverletzungen in Darfur zu untersuchen und
die Situation der Menschenrechte zu verbessern sowie um effektive
Menschenrechtsschutz-Mechanismen aufzubauen,

-    jene Personen, die sich des Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht
haben, vor Gericht gestellt werden,

-    alle Milizen, insbesondere die Janjaweed, entwaffnet werden, um sicherzustellen,
dass Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten in Hinkunft Einhalt geboten wird.


Die österreichische Regierung und insbesondere die Ministerin für auswärtige Angelegenheiten
wird weiters aufgefordert,

-  sich gegenüber der Regierung in Khartoum für die Akzeptanz des von der UNO
vorgeschlagenen Kandidaten für die Funktion des Resident
Coordinators/Humanitarian Coordinators einzusetzen und

-  die Initiative der niederländischen Regierung im Sudan zur Erleichterung der
Gespräche zwischen den verschiedenen Konfliktparteien zu unterstützen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den außenpolitischen Ausschuss
vorgeschlagen.