428/A(E) XXII. GP
Eingebracht am
28.06.2004
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Lunacek, Hakl, Bayr,
Scheibner
betreffend
rasches Handeln gegen massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen
die Menschlichkeit in den Darfur-Provinzen (Sudan)
Im Februar 2003 begann eine Rebellion in den Darfur-Provinzen Nord-, Süd- und
Westdarfur. Diese Rebellion stellt die Eskalation und Brutalisierung eines lang
andauernden Konfliktes dar, der zwischen den in der Zentralregion des
Darfur-Gebietes rund um das Marra-Gebirge angesiedelten sesshaften Bäuerinnen
und Bauern sowie den NomadInnen aus den nördlichen Wüstengebieten schwelte.
Bald schon wurde der Konflikt um Ressourcen ethnisiert und zu einem Kampf
zwischen den „arabischen“ NomadInnen und den „afrikanischen“ Bauern und
Bäuerinnen stilisiert. Als die SPLA (die Rebellenbewegung im Südsudan) in den
90er Jahren bis Darfur vordrang, versorgte die sudanesische Regierung die sog.
Janjaweed-Rebellen mit Waffen. Daraufhin begann 2003 die Rebellion der
Darfur-Rebellengruppen SLM (Sudan Liberation Movement) und JEM (Justice and
Equality Movement). Am 8. April unterzeichnete die sudanesische Regierung
gemeinsam mit der SLM und der JEM ein Waffenstillstands-Abkommen (Ndjamena
Ceasefire Agreement), das aber bis heute nicht eingehalten wird.
Die Angriffe der Janjaweed-Milizen auf ZivilistInnen haben eine ungeheure
Flüchtlingswelle in Gang gesetzt. Nach einer APA-Meldung vom 26. Mai ist die
Zahl der vom Konflikt Betroffenen nach UNO-Angaben innerhalb kürzester Zeit von
1,2 Mio. auf 2 Mio. Menschen gestiegen, und mehr als 100.000 Menschen sind in
den benachbarten Tschad geflohen. 10.000 Menschen sind bisher getötet worden.
Kämpfe zwischen arabischen Milizen aus dem Sudan und Regierungstruppen des
Tschad und Rekrutierungen von Kämpfern im Tschad destabilisieren dieses
Nachbarland des Sudan zusätzlich.
Die Neue Zürcher Zeitung vom 27. April 2004 berichtet, dass es laut Human
Rights Watch zunehmend schwieriger wird, zwischen regulären Soldaten und
Milizionären zu unterscheiden, so würden Milizionäre auch reguläre
Armee-Uniformen tragen. Hilfsorganisationen berichten von gravierenden
Menschenrechtsverletzungen, wie Entführungen, Vergewaltigungen, Tötungen,
Plünderungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern. Die Attacken der Janajaweed
sollen unmittelbar auf Bombardements der sudanesischen Luftwaffe erfolgt sein.
Ein hochrangiges ExpertInnenteam des UN-Hochkommissärs für Menschenrechte
unternahm Ende April im Auftrag des amtierenden Hochkommissars für
Menschenrechte, Bertrand Ramcharan, Reisen in die Krisenregion, nämlich in
Tschad und Sudan. Darüber hinaus hat eine hochrangige UN-Delegation im Auftrag
des UN-Generalsekretärs Kofi Annan
vom 27. April bis 2. Mai dieses Jahres die humanitäre Situation in
Darfur und den Flüchtlingslagern im Tschad untersucht. Die Berichte beider
UN-Missionen wurden am 7. Mai 2004 dem UNO-Sicherheitsrat vorgelegt. Diese
Berichte sprechen u.a. davon, dass viele der von der sudanesischen Regierung
und der von ihr unterstützen Milizen begangenen Menschenrechtsverletzungen in
Darfur als "Kriegsverbrechen und/oder Verbrechen gegen die
Menschlichkeit" eingestuft werden können. Die humanitäre Situation der
intern Vertriebenen wird in Darfur als „extremely serious“ eingestuft. Am 18.
Juni nominierte Kofi Annan den ehemaligen niederländischen Entwicklungs- und
Umweltminister Jan Pronk zu seinem Sondergesandten für den Sudan.
Der UN-Sicherheitsrat forderte am 25. Mai 2004, dass die für die
Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden
müssen und einen unverzüglichen
Zugang für Hilfsorganisationen. Auch wurde eine Entwaffnung und
De-Mobilisierung der Janjaweed-Milizen gefordert. Schließlich wurde nochmals
die Notwendigkeit der Einsetzung eines ständigen Resident
Coordinators/Humanitarian Coordinators gefordert – bisher fehlt die
Bereitschaft der sudanesischen Regierung, diesen zu akzeptieren.
In einer
neuerlichen Resolution vom 11. Juni forderte der Sicherheitsrat alle Parteien
auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um einen sofortigen Stopp der
Kampfhandlungen in Darfur und anderen Regionen herbeizuführen. Die
Unterzeichner des Ndjamena Ceasefire Agreements werden darin aufgefordert, ohne
Verzögerung eine politische Vereinbarung zu treffen. Die internationale
Gemeinschaft solle sich auf ein länger dauerndes Engagement mit erheblichem
finanziellem Aufwand vorbereiten.
Das EU-Parlament forderte schon in einer Resolution vom 31. März 2004 von den
Konfliktparteien einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von
Verhandlungen. Die Resolution fordert auch ein Ende „der von der Regierung
angeführten ethnischen Säuberungskampagne in der Region Darfur“ und die
„Wiederherstellung des uneingeschränkten Zugangs humanitärer
Hilfsorganisationen“ und kritisiert die sudanesische Regierung wegen
„systematische(r) Verzögerungen und Obstruktionen“. Es wird auch nachdrücklich
auf Beweise hingewiesen, dass die sudanesische Regierung Mitschuld an den
Grausamkeiten trägt. Gefordert wird der Schutz der Vertriebenen und der
EinwohnerInnen von Darfur sowie die Einrichtung einer Flugverbotszone über
Darfur. Die UNO soll stärker in die Konfliktbewältigung eingebunden werden. Das
Europäische Parlament befürwortet die von der niederländischen Regierung in
ihrer Eigenschaft als Vertreterin des Ratsvorsitzes ergriffene Initiative im
Sudan „zur Erleichterung der Gespräche zwischen den verschiedenen
Konfliktparteien“ und ruft schließlich alle Geber dazu auf, humanitäre
Unterstützung im Sudan und den Nachbarländern, insbesondere im Tschad, zu
leisten sowie die Flüchtlinge zu schützen und zu unterstützen. Aus dem
ECHO-Programm (European Commission’s Humanitarian Aid Office) wird die EU
insgesamt 14 Millionen Euro für die Opfer dieses Konflikts im Sudan sowie im
Tschad bereit stellen. 12 Millionen Euro werden zur Unterstützung der von der
Afrikanischen Union geführten Beobachtermission zur Verfügung gestellt, die die
Einhaltung des Ndjamena Ceasefire Agreements überwachen soll. Die
internationale Geberkonferenz für den Sudan forderte am 3. Juni insgesamt
mindestens 236 Millionen Dollar. Die Hilfe müsste angesichts der derzeitigen
Lage noch bis mindestens 2006 weiter geführt werden.
Der Europäische Rat bekräftigte in seinen Schlussfolgerungen vom 17. und 18.
Juni nochmals die Forderung an die sudanesische Regierung, humanitäre Hilfe zu
ermöglichen, Zivilisten und Angehörige humanitärer Organisationen zu beschützen
und ihre Sicherheit zu gewährleisten sowie die Milizen zu entwaffnen.
Der deutsche Bundestag forderte am 26. Mai d. J. mit den Stimmen aller
Parlamentsfraktionen die deutsche Bundesregierung auf, mehr Druck auf die
Führung in Khartum auszuüben. Diese soll Helfern ungehinderten Zugang zu der
westlichen Region geben und die von ihr unterstützten Milizen abziehen. Ferner
soll die EU den Einsatz von Friedenstruppen der Afrikanischen Union finanziell
unterstützen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im UNO-Sicherheitsrat
für ein Waffenembargo gegen den Sudan einzusetzen, wie es die EU bereits
verhängt hat.
Die
Unterzeichnung mehrerer Abkommen im kenianischen Naivasha am Abend des 26. Mai
2004 hat den Weg zu einer Friedensregelung im seit Jahrzehnten umkämpften
Südsudan geebnet. Dieser erste Erfolg darf jedoch die humanitäre Katastrophe in
Darfur nicht in den Hintergrund treten lassen. Die Erklärung des sudanesischen
UNO-Botschafters in New York Mitte Mai 2004, dass die Regierung in Khartoum
bereit ist, den Zugang der Hilfsorganisationen zu gewährleisten, muss nun
ebenso in die Tat umgesetzt werden wie die jüngste Erklärung der sudanesischen
Regierung, man werde alle bewaffneten Gruppen (also auch die Janjaweed)
auflösen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die österreichische Regierung und insbesondere die
Ministerin für auswärtige Angelegenheiten werden ersucht, ihr Engagement zur
Lösung des Konflikts und zur humanitären Hilfe weiter zu führen und zu
verstärken und sich in ihren bilateralen Kontakten, im Rahmen der EU und der
Vereinten Nationen sowie bei der sudanesischen Regierung nachdrücklich dafür
einzusetzen, dass
-
Kampfhandlungen sowie Übergriffe auf die
Zivilbevölkerung sofort gestoppt werden, dass also, wie in der
Sicherheitsrats-Resolution vom 11. Juni gefordert, das Ndjamena Ceasefire
Agreement vom 8. April eingehalten wird;
-
alle Parteien des Ndjamena Ceasefire
Agreements, wie ebenfalls in der Sicherheitsrats-Resolution vom 11. Juni
gefordert, eine politische Vereinbarung abschließen;
-
Hilfsorganisationen und internationalen
Organisationen nicht nur ohne Verzögerungen der Zutritt zum Konfliktgebiet gewährt
wird sondern diese seitens der sudanesischen Regierung mit allen Kräften
unterstützt werden;
-
internationale
Menschenrechts-BeobachterInnen für einen längeren Zeitraum entsandt werden, um
die Menschenrechtsverletzungen in Darfour zu untersuchen und die Situation der
Menschenrechte zu verbessern sowie um effektive
Menschenrechtsschutz-Mechanismen aufzubauen;
-
jene Personen, die sich des Verbrechens
gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben, vor Gericht gestellt werden;
-
alle Milizen, insbesondere Janjaweed,
tatsächlich entwaffnet werden, um sicherzustellen, dass
Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten in Hinkunft Einhalt geboten wird;
-
die Bemühungen für eine Friedensmission
der Vereinten Nationen, die auch
Darfour umfasst, unterstützt werden;
-
alles unternommen wird, um eine
Ausweitung des Konfliktes in die Nachbarländer des Sudan (insbesondere Tschad)
zu verhindern und eine rasche und wirksame Hilfe für die Flüchtlinge vor Ort zu
gewährleisten
-
eine sichere Rückkehr der Flüchtlinge
garantiert wird.
Die österreichische Regierung und insbesondere
die Ministerin für auswärtige Angelegenheiten wird weiters ersucht,
-
sich innerhalb der EU für ein in
personeller und finanzieller Hinsicht kontinuierlich erweitertes EU-Engagement
(im Sinne der Rats-Schlussfolgerungen vom 17. und 18. Juni) einzusetzen,
-
die Vereinten Nationen und den vom Generalsekretär eingesetzten
Sondergesandten Jan Pronk, die in der Region befindlichen Strukturen und
insbesondere auch den von der UNO einzusetzenden Resident
Coordinator/Humanitarian Coordinator zu unterstützen,
-
die Initiativen von anderen
EU-Mitgliedstaaten, wie insbesondere die der niederländischen Regierung im
Rahmen der EU-Troika, zur Erleichterung der Gespräche zwischen den
verschiedenen Konfliktparteien im Sudan zu unterstützen und auf eine gemeinsame
Strategie der internationalen Gemeinschaft hinzuwirken.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an
den außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.