442/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 09.07.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Bayr
und GenossInnen
betreffend
Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169
Die ILO-Konvention Nr. 169 ist die bislang einzige
internationale Norm, die indigenen
Völkern rechtsverbindlich Schutz und Ansprüche wahrt; also eine Art
internationales
Grundgesetz. Die "Übereinkunft Nr. 169
über indigene und in Stämmen lebende
Völker" wurde 1989 von der
jährlichen Hauptversammlung der ILO (Internationale
Arbeitsorganisation) verabschiedet. Von den 176 Mitgliedsstaaten der ILO haben
bislang 17 die Konvention ratifiziert.
Die ILO-Konvention Nr. 169 bezieht sich
auf ca. 300 Millionen Menschen - laut UN-
Bericht 1996 also vier bis fünf Prozent der Erdbevölkerung - die sich zu
indigenen
Völkern,
Nationen und Gemeinschaften zählen. Sie stellen die ursprünglichen
Bewohner in
ihren Gebieten dar, verfügen mindestens über Restbestände einer
eigenen Sprache, Religion und Kultur und leben vielfach noch in enger Beziehung
mit der
Natur. Häufig sind sie Opfer von Ausbeutung, Unterdrückung, Diskriminierung
bis hin zum
Völkermord. Ihre Lebensgrundlagen werden u.a. durch Konzerne und
Staaten, aber auch durch Reglementierungen etwa zum Naturschutz bedroht, die
ihnen eine freie Entscheidung über
die eigene Zukunft unmöglich machen.
Schwerpunkte der Konvention 169 sind unter
anderem:
•
Volle
Gewährleistung
der
Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne
Unterschiede,
•
Gestaltung der eigenen Zukunft,
•
Kulturelle Identität,
•
Gemeinschaftliche
Strukturen und Traditionen,
•
Land und Ressourcen,
•
Beschäftigung und
angemessene Arbeitsbedingungen,
•
Ausbildung und
Zugang zu Kommunikationsmitteln,
•
Beteiligung bei
den Entscheidungen, die diese Völker betreffen,
•
Gleichberechtigung
vor Verwaltung und Justiz.
Die ILO ermuntert in ihrem Handbuch zur
Konvention Nr. 169 auch diejenigen
Staaten zur
Ratifizierung der Konvention, in denen keine indigenen Völker
beheimatet
sind. Neben humanitären und solidarischen Gründen soll daraus eine
veränderte, neue
Entwicklungspolitik hervorgehen.
Indigene Völker hätten unter Verweis
auf die Normen der ILO-Konvention - mit
Ausnahme der
innerstaatlichen Klagemöglichkeit - alle Instrumente in der Hand, um
über
politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ethischen Druck die für sie
nachteilige
Maßnahme
abzuwehren. Durch die dreigliedrige Struktur der ILO würde nicht zuletzt
den Gewerkschaften - und mittelbar wohl
auch den Nichtregierungsorganisationen
(NGOs) - ein
größerer Handlungsspielraum eröffnet, der ihnen einen legitimen
Einfluss auf
die Inhalte der Politik einräumt; d.h. politischen Druck auf das Image
solcher Länder auszuüben, die gegen
das Übereinkommen verstoßen.
Die bislang 17 Unterzeichnerstaaten der ILO-Konvention 169
sind
Bolivien (11.12.1991), Kolumbien (07.08.1991), Costa Rica (02.04.1993),
Mexiko
(05.09.1990),
Dänemark (22.02.1996), Niederlande (02.02.1998), Ekuador
(15.05.1998), Norwegen
(19.06.1990), Fiji (03.03.1998), Paraguay (02.02.1994),
Guatemala (05-06.1996), Peru (02.02.1994),
Honduras (28.03.1995), Argentinien
(03.07.2000), Dominica (25.06.2002), Venezuela (22.05.2002) und
Brasilien
(25.07.2002).
Auch innerhalb der Europäischen Union
gewinnen die Belange indigener Völker an
Bedeutung. Das Europaparlament forderte bereits 1994 die EU-Regierungen auf
(Entschließungsantrag A3-0059/94), der ILO-Konvention 169 beizutreten. Die EU-
Kommission
verabschiedete 1998 ein Strategiepapier zur verbesserten, zukünftigen
Entwicklungszusammenarbeit zwischen EU und indigenen Völkern. 1998 folgte eine
entsprechende
Resolution. In beiden Papieren unterstreicht die EU die Bedeutung
der
ILO-Konvention als Normgerüst für die Beziehungen mit indigenen Völkern.
Schließlich fordert die UN-Dekade zu den Indigenen Völkern der Welt
(1994-2004),
die sich
nunmehr ihrem Ende zuneigt, zu "neuen Partnerschaften" auf. Die
Ratifizierung
der ILO-Konvention 169 ist dazu ein wesentlicher Beitrag. Ein
Verstreichenlassen der UN-Dekade ohne Ratifizierung entspricht nicht dem
Selbstverständnis Österreichs, sich aktiv für den Schutz von
Minderheitenrechten
einzusetzen.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher
nachstehenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, die
ILO-Konvention 169, die grundlegende
Rechte für die
indigenen und in Stämmen lebenden Völker auf ein selbstbestimmtes
Leben
garantiert, ehebaldigst zu unterzeichnen und sie dem Nationalrat zur
Ratifikation
zuzuleiten.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den außenpolitischen
Ausschuss
vorgeschlagen.