446/A XXII. GP
Eingebracht am 31.08.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Antrag
gem. § 75 Abs. 1 GOG-NR
der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap
und GenossInnen
betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit b B-VG
Das vom
Bundesminister für Finanzen zu verantwortende Desaster beim geplanten Verkauf
der ÖIAG-Anteile an der Telekom Austria bedeutet einen immensen Schaden für den
Wirtschaftsstandort Österreich, die ÖIAG, die Telekom Austria (TA), ihre
Aktionäre und
damit aber auch unmittelbar für viele Österreicherinnen und Österreicher.
Die vom
Bundesminister für Finanzen betriebene Abverkaufspolitik bei für den
Wirtschaftsstandort Österreich wichtigen, von der ÖIAG gehaltenen
Industriebeteiligungen
stellt sich immer deutlicher als schwerer
Nachteil für den Wirtschaftsstandort Österreich und
seine Menschen heraus. Insbesondere der Abverkauf von
Infrastrukturunternehmen ins
Ausland bedeutet gleichzeitig den Abverkauf der wirtschaftlichen Zukunft
Österreichs.
Nun steht Österreich nach den Fehlleistungen der vom Bundesminister für
Finanzen
maßgeblich gestalteten Privatisierungspolitik bei voestalpine, VA-Tech und Post
mit einem
weiteren Debakel bei der Telekom
Austria (TA) da. Es verfestigt sich der Eindruck, dass der
Bundesminister für Finanzen als verantwortliches Regierungsmitglied für die
ÖIAG-Betriebe
über kein schlüssiges Konzept für deren weitere gedeihliche Entwicklung
verfügt.
Viele Österreicherinnen und Österreicher sind durch den Kursverfall der
Telekom Austria
Aktie um 20% am 19. August nach
Bekanntwerden des Scheiterns der Verkaufsgespräche mit
der swisscom innerhalb weniger Minuten als
Aktionäre der Telekom Austria geschädigt
worden, insgesamt um 1,3 Milliarden Euro. Sie waren unter anderem auch im
Rahmen von
privaten Pensionsvorsorgeprodukten, Investmentfonds etc. direkt betroffen. Der
Kurs sackte
mit rund 11 Euro weit unter jene Marke von rund 12,50 Euro, die die Aktie
Anfang August
aus eigener Kraft erreicht hatte - vor Einsetzen des durch die
Übernahmephantasie
ausgelösten rapiden Anstiegs bis 19. August auf rund 14 Euro.
Dem
österreichischen Finanzmarkt und der Wiener Börse entstand ein schwerer
Vertrauensschaden durch eine verfehlte Informationspolitik nach dem Scheitern
der
Gespräche mit
der swisscom. Die Telekom-Aktie wurde zu spät aus dem Handel genommen
und die Marktteilnehmer waren offensichtlich asymmetrisch informiert. Damit
wurde es
einigen offensichtlichen Insidern ermöglicht, in letzter Sekunde Geschäfte zum
Nachteil
anderer Marktteilnehmer, vor allem aber der Kleinanleger, durchzuführen.
Dass es in einem entwickelten Kapitalmarkt in einer derartigen Situation
kurz vor Aussetzen
des Handels der TA-Aktie und eines
20%igen Kursverlustes noch möglich war, an der Wiener
Börse rund 550.000 TA-Aktien zum höheren
Niveau von rund 14 Euro in den Markt an zu
diesem Zeitpunkt noch gutgläubige Käufer abzugeben, ist ein Skandal für sich.
Dass der
Handel schließlich wegen hoher Schwankungen und nicht etwa deshalb
ausgesetzt wurde,
weil das wegen eines zu erwartenden
Kurssturzes von der ÖIAG oder der TA beantragt
worden wäre, rundet das Bild eines kopflosen Krisenmanagements nur ab.
Einen schweren
Imageschaden mussten durch das Telekom-Desaster auch die ÖIAG und ihre
Organe hinnehmen. Die ÖIAG und ihre Vorstände gaben ein Bild willenloser
Umsetzungswerkzeuge des Finanzministers ab,
die dann auch noch in der entscheidenden
Phase von diesem allein im Regen stehen gelassen werden.
Kein gutes Bild gibt die ÖIAG in der ganzen Sache als Eigentümer auch
deshalb ab, weil
offenbar keine
alternativen Unternehmensstrategien für die TA erarbeitet wurden oder
erarbeitet werden durften, die in
der jetzt schwierigen Situation eine glaubwürdige
Entwicklung des Unternehmens für Anleger, Partner und Mitarbeiter der TA
darstellen
könnten.
Schaden hat auch die Telekom Austria und ihre Tochter Mobilkom Austria
selbst genommen.
Statt sich auf die Erschließung
neuer Märkte und Akquisitionen in Südosteuropa zu
konzentrieren, war das Management monatelang mit due-diligence-Prüfungen
beschäftigt.
Die Anleger sind irritiert, weil keine Unternehmensstrategie seitens des
Kern-Eigentümers
ÖIAG feststellbar ist, die die weitere Entwicklung der TA berechenbar machen
könnte.
Fragwürdig ist
auch, warum die TA-Privatisierungsstrategie der Bundesregierung im Tausch
der staatlichen ÖIAG-Anteile an der TA
gegen Anteile an der per Verfassungsgesetz ebenfalls
staatlichen swisscom enden hätte sollen. — Insbesondere, weil Österreich
derzeit
bestimmender Kernaktionär an der TA
ist, an der swisscom aber nur Minderheitsaktionär
gewesen wäre. Überdies hatte die TA nach eigenen Angaben zum gegenwärtigen
Zeitpunkt
gar keinen strategischen Partner gebraucht.
Diesbezüglich existiert ein mit 3. August 2004 datiertes Gutachten der
Investmentbank
Morgan Stanley für die ÖIAG, wonach
klar sein musste, dass der Verkauf der Telekom
Austria-Anteile an die swisscom "außerordentlich schwierig zu
bewerkstelligen ist - und zwar
hauptsächlich aus politischen, weniger aus wirtschaftlichen Gründen."
Unklar ist, wann
welchem Informantenkreis dieses Gutachten weitergegeben wurde und welcher
Personenkreis
diese Weitergabe zu verantworten hat. Generell war es bisher nicht möglich,
festzustellen, wie
viele Investmentberater durch die ÖIAG, die Telekom Austria AG und das
Finanzministerium
mit Dienstleistungen im Zuge des geplanten
Verkaufs von TA-Anteilen beschäftigt wurden.
Der Bundesminister für Finanzen hat als zuständiges Regierungsmitglied
die politischen
Rahmenbedinungen
für den Verkauf der TA an die swisscom vorab nicht ausreichend geklärt.
Immerhin ging es um eine
weitreichende Weichenstellung für eines der größten
Infrastrukturunternehmen Österreichs im
Bereich wichtiger Zukunftstechnologien. Im
Ergebnis wäre der angestrebte Deal mit der swisscom das Ende der TA als
eigenständiges
Unternehmen gewesen.
Der Bundesminister für Finanzen hat dabei als Eigentümervertreter des
Bundes bei der ÖIAG,
als Initiator und selbst Hand
anlegender Wegbegleiter der Verkaufsgespräche jede
kaufmännische Sorgfalt vermissen lassen.
Der
Bundesminister für Finanzen hat durch sein Verhalten Markterwartungen selbst
geweckt
oder zumindest grob fahrlässig zugelassen, die viele Anleger geschädigt haben.
Insbesondere
hätte er oder von ihm veranlasst die ÖIAG
zum Zeitpunkt der ersten Eingeständnisse von
Verkaufsgesprächen mit der swisscom über verschiedene Varianten des Verkaufs
von TA-
Anteilen in geeigneter Wiese öffentlich darauf hinweisen müssen, dass in der
sogenannten
strategischen Variante eines Erwerbs von 11 Prozent der swisscom-Aktien
durch die ÖIAG
für 25 Prozent der TA-Aktien eine Gesetzesänderung erforderlich gewesen wäre.
Der Bundesminister für Finanzen hat ferner bei der ÖIAG aufwändige
Verhandlungen, due-
diligence-Prüfungen
und andere Dispositionen - beispielsweise die Beauftragung teurer
Beraterfirmen - mit initiiert bzw. zugelassen, ohne sich vorher mit einem
Mindestmaß an
Sorgfalt und Umsicht einer Rückendeckung
der gesamten Bundesregierung bzw. der
Regierungsparteien für die von ihm angestrebte swisscom-Lösung zu versichern.
Der
Bundesminister für Finanzen hat als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG
und
durch seine persönliche Involvierung in die
Verkaufsverhandlungen auch die mangelhafte
Informationspolitik nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der swisscom zu
verantworten. Er hat daher auch zu verantworten, dass die TA-Aktie nicht
rechtzeitig auf
Antrag des
Unternehmens aus dem Handel genommen wurde, sodaß Insidergeschäfte zum
Nachteil anderer gutgläubiger Marktteilnehmer erst möglich wurden.
Der
Bundesminister für Finanzen hat es als Eigentümervertreter des Bundes bei der
ÖIAG zu
verantworten, dass er offenbar die Führung der ÖIAG zu einem Verkauf an die
swisscom
gedrängt hat, wobei er nicht nur
offensichtlich entsprechend dem ÖIAG-Gesetz vom ÖIAG-
Vorstand über Inhalt und Fortgang der
Verhandlungen informiert war, sondern in der Folge
auch laufend in die Verhandlungen eingegriffen bzw. diese persönlich begleitet
hat, unter
anderem durch ein Treffen mit dem Schweizer Finanzminister.
Eine sorgfältige
Vorgangsweise hätte vor allem bedeutet, sofort bei Bekanntwerden der
sogenannten strategischen Variante eines
Erwerbs von 11 Prozent der swisscom-Aktien durch
die ÖIAG für 25 Prozent der TA-Aktien, die Finanzmarktteilnehmer, vor
allem die Anleger
und die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass dafür eine Gesetzesänderung
notwendig
gewesen wäre, deren Gewährleistung unsicher schien. Damit wäre von Anlegern und
auch
von der Republik Österreich als Kernaktionär Schaden abgewendet worden.
Eine
kaufmännisch sorgfältige Vorgangsweise hätte bedeutet, vor Aufnahme der
weitreichenden Verhandlungen mit der swisscom - und der damit verbundenen
Kosten und
Risken für das Unternehmen TA - die Zustimmung des Ministerrates bzw. der
Regierungsparteien einzuholen.
Kaufmännische Sorgfalt hätte es auch geboten, das sofortige
Aussetzen des Handels der TA-Aktien an der Börse sicherzustellen bzw. zu
veranlassen,
nachdem dem Bundesminister für Finanzen als
Eigentümervertreter bekannt wurde, dass der
Deal geplatzt ist, um weiteren Schaden von der Republik als Eigentümerin
abzuwenden.
Der
Bundesminister für Finanzen hat daher das Debakel auch im Ergebnis hinichtlich
des
Schadens für die Republik Österreich zu verantworten. Die Republik Österreich
ist als 42%-
Eigentümer an der TA durch Kursverfall im
Gesamtausmaß von 1,3 Milliarden Euro in ihrem
Vermögen geschädigt. Die Republik
Österreich ist darüber hinaus auch durch einen nicht
näher bezifferbaren Schaden durch die aus dem Desaster resultierenden
negativen
Auswirkungen für die wirtschaftliche Zukunft
der Telekom Austria und der Mobilkom
Austria sowie den Finanzplatz Österreich betroffen.
Mag. Karl Heinz Grasser hat durch diese Vorgangsweise seine rechtlichen
Pflichten als
Bundesminister für Finanzen
gröblich verletzt.
Gem. Art. 142
Abs. 1 und Abs. 2 lit. b B-VG sind Mitglieder der Bundesregierung dem
Nationalrat für jede schuldhafte Rechtsverletzung verantwortlich; der
Nationalrat kann wegen
jeglicher derartiger Rechtsverletzung vor
dem Verfassungsgerichtshof Anklage erheben.
Bundesminister
Grasser hat im Zusammenhang mit der sogenannten „Telekom-
Privatisierung" schuldhaft seine rechtlichen Pflichten verletzt. Er ist
gemäß Abschnitt D des
Teils 2 der Anlage zu § 2 Z 6 BMG unter
anderem zuständig für die Angelegenheiten der
ÖIAG und deren Beteiligungen und als
solcher Vertreter des Eigentümers Staat an der ÖIAG.
In diesen Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung ist er dafür
verantwortlich, dass
die Verwaltung der Anteilsrechte den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit,
Wirtschaftlichkeit,
Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen, wie sie als Prüfungsmaßstab aus
Art. 126 b
Abs. 5 B-VG erfließen. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt festgestellt
(z.B. VfSlg.
4106,
5421,12.929), dass diese Prüfungsmaßstäbe ein umfassendes Gebot für die
Vollziehung darstellen, das auch
für die gesamte Privatwirtschaftsverwaltung gilt.
Für die vom
Bundesminister für Finanzen wahrzunehmende Vermögensverwaltung des
Bundes bedeuten diese Grundsätze, dass er mit dem ihm anvertrauten Vermögen
sorgfältig
umzugehen hat. Als allgemeiner
Rechtsgrundsatz hat sich hiefür der Maßstab der „Sorgfalt
eines ordentlichen Kaufmanns"
herausgebildet, wie er in § 347 HGB ausgedrückt ist. Dies ist
ein abstrakter Vergleichsmaßstab, der im Einzelfall zu konkretisieren
ist, indem die Frage
aufzuwerfen ist, wie sich in der konkreten Situation ein sorgfältiger
ordentlicher Kaufmann
verhalten hätte (vgl. näher Jabornegg (Hg.), HGB, § 347, S 2.168 ff).
Dieser allgemeine Sorgfaltsmaßstab wurde für einzelne Rechtsbereiche
noch konkretisiert, so
etwa - was im vorliegenden
Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist - in §§ 27, 33 Abs.
1 GmbH-Gesetz und §§84 Abs. 1 und 99
Aktiengesetz für den Bereich des
Gesellschaftsrechts. Diese Vorschriften sind allgemein als Maßstab für
eine sorgfältige
Vermögensverwaltung heranziehbar. Sie bilden
daher auch den Maßstab, an dem das
Verhalten von Bundesminister Grasser bei der Verwaltung der Anteilsrechte des
Bundes an
der ÖIAG und deren Tochterunternehmen zu messen ist.
Es liegt nun auf der Hand, dass ein ordentlicher Kaufmann anders
vorgegangen wäre als
Bundesminister Grasser, um nicht den Bund und dritte Personen in ihrem Vermögen
zu
schädigen.
Er hat auch für die Fähigkeiten und Kenntnisse eines ordentlichen
Kaufmannes nach einem
objektiven Maßstab einzustehen, selbst wenn ihm diese fehlen und ihm daher
subjektiv kein
Vorwurf zu
machen wäre (vgl. Straube, HGB, S 1.031). An diesem Maßstab gemessen, hat
Bundesminister Grasser grob fahrlässig gehandelt, in dem er nicht die für eine
derartige
Privatisierung erforderlichen politischen
Rahmenbedingungen geschaffen hat und zum
Zeitpunkt des Abbruchs des Verkaufsversuchs nicht dafür gesorgt hat, dass der
Schaden
minimiert wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Antrag
Der Nationalrat wolle
beschließen:
Gem. Art. 142 Abs. 2 lit. b B-VG erhebt der Nationalrat Anklage gegen
Bundesminister Mag.
Karl Heinz Grasser wegen
schuldhafter Rechtsverletzung, er hat dadurch, dass er durch das
Außerachtlassen kaufmännischer und allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe beim geplanten
Verkauf
von ÖIAG-Anteilen an der Telekom Austria an die swisscom sowohl die Republik
Österreich
als auch Dritte im Vermögen geschädigt hat, insbesondere dadurch, dass er es
unterlassen hat
-
bei Bekanntwerden der sogenannten strategischen Variante eines Erwerbs
von 11
Prozent der swisscom-Aktien durch die ÖIAG für 25 Prozent der TA-Aktien, die
Finanzmarktteilnehmer, vor allem die Anleger und die Öffentlichkeit, darüber zu
informieren, dass dafür eine
Gesetzesänderung notwendig gewesen wäre, deren
Gewährleistung unsicher schien;
-
rechtzeitig vor
Aufnahme von Gesprächen mit der swisscom den politischen
Konsens herzustellen über die grundsätzliche Möglichkeit bzw. über mögliche
Varianten einer Telekom-Austria-Privatisierung
durch Verkauf an die ebenfalls
staatliche swisscom;
-
für ein Krisenmanagement und eine Informationspolitik Sorge zu tragen,
die einen
gleichen Informationszugang für
alle Marktteilnehmer sichergestellt und
Insidergeschäfte ausgeschlossen hätte,
seine aus Art. 69 i.V.m. Art. 126 b Abs. 5 B-VG folgenden
Pflichten als Bundesminister für
Finanzen gröblich verletzt, indem er bei
der Verwaltung der Eigentumsrechte des Bundes an
der ÖIAG nicht die gebotene Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten
hat lassen. Der
Nationalrat beantragt daher, ihn wegen einer schuldhaften
Rechtsverletzung zu verurteilen
und ihn seines Amtes zu entheben.
Mit der Vertretung der Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof wird gem.
§ 72 Abs. 2
VerfGG Abgeordneter zum Nationalrat
Rechtsanwalt Dr. Johannes Jarolim beauftragt.
Zuweisungsvorschlag: Rechnungshofausschuss