448/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 22.09.2004
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DRINGLICHER ANTRAG

gemäß §§ 74a in Verbindung mit 93 Abs. 1 GOG

 

 

der Abgeordneten Karl Öllinger, Eva Glawischnig, Michaela Sburny, Brigid Weinzinger, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Grundsicherung statt Pensionskürzungen für Frauen und jüngere Menschen

 

Mit der Vorlage eines Entwurfs zur neuerlichen Veränderung des Pensionsrechts hat die

 

Bundesregierung Konfusion und Verunsicherung in Zusammenhang mit dem Pensionsrecht der Zukunft in bisher ungekannte Höhen getrieben:

 

 

Es ist fraglos eine Leistung dieser Bundesregierung, im einst gerade für das System der sozialen Sicherung weithin gerühmten Österreich Zukunfts- und Existenzängste geschürt und an die Spitze getrieben zu haben.

 

Der nunmehr vorgelegte Gesetzesentwurf reiht sich nahtlos ein in die Serie der Stückwerkreformen der letzten Jahre. Eine Vielzahl von sich zum Teil konkurrierenden Übergangsbestimmungen und die ungeheure Komplexität des von der Regierung vorgeschlagenen Systems mit unterschiedlichen Parallelrechnungen (der Rechtslagen 2004 und der Rechtslage nach etwaiger Umsetzung des Entwurfs), Vergleichsrechnungen (zwischen Rechtslage 2003 und Rechtslage 2004), unterschiedlichen Beitragshöhen (je nach Versicherungssystem) und unterschiedlichen Möglichkeiten der zeitlichen Gestaltung des Pensionsantritts (je nach Geschlecht) macht das im Entwurf vorgesehene Regelwerk für die Versicherten undurchschaubar, für die Pensionsversicherungen schwer administrierbar.

 

Völlig unrealistische Annahmen bei der Berechnung der Kosten setzen dem Gesetzesvorhaben außerdem zeitlich absehbare ökonomische Grenzen:

 

Die Finanzierung der Kinderbetreuungszeiten aus Mitteln des ohnehin defizitären Familienlastenausgleichsfonds wird dem FLAF bis 2010 ein zusätzliches Minus von mindestens 1 Mia € bescheren.

 

Die in den Berechnungen der Bundesregierung etwa angenommenen Werte der Produktivitätssteigerung etwa von 1,97% für 2005 entspringen bestenfalls der Phantasie oder dem Wunschdenken der Regierung. Das wifo hat in seiner Juliprognose – ohnehin bereits eine gegenüber dem Frühjahr verbesserte Voraussage – einen Wert von 1,6% angenommen. Dies gilt auch für die Annahmen der Folgejahre.

 

Neben der Tatsache, dass die Berechnungen der Regierung von Szenarien ausgehen, deren Parameter um 20% zu hoch angesetzt wurden, kamen bei Entwicklung und Berechnung der Auswirkungen des vorliegenden Gesetzesentwurfs Modell-Erwerbsverläufe zur Anwendung, die jeden Bezug zur Lebensrealität der Versicherten vermissen lassen.

So findet in den Modellverläufen die Tatsache, dass statistisch betrachtet

oder aber

keine auch nur annähernd ausreichende Berücksichtigung.

 

Den Preis für diese völlig absurden Annahmen zahlen

 

 

 

 

 

 

 

Obwohl das österreichische Pensionsrecht in den letzten zehn Jahren drei Mal sehr tiefgreifend verändert wurde und mit der Umsetzung des vorliegenden Gesetzesentwurfs nunmehr weitere tiefe Eingriffe vorgenommen wurden, verhinderte die andauernde Auseinandersetzung mit den Stückwerkreformen und die Tatsache, dass die vorgenommenen und geplanten Veränderungen stets geheim verhandelt wurden eine ausführliche und öffentliche Debatte über die generellen Anforderungen an ein System der Alterssicherung in der Zukunft. Auch die Kommission zur langfristigen Pensionssicherung verabsäumte es, Alternativen zum gegenwärtigen System der Alterssicherung zu diskutieren oder gar zu berechnen. Und schließlich führte die Nichteinbindung der Oppositionsparteien mit ihren durchaus unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich einer sozialen Sicherung im Alter dazu, dass etwa das Modell einer Grundsicherung in Kombination mit einer beitragsfinanzierten Pension aus Erwerbstätigkeit weder diskutiert noch berechnet wurde.

 

Tatsache ist, dass die im gegenwärtigen System eingesetzten Mittel aus Steuern sehr ungerecht verteilt werden. Gerade Menschen mit niedrigen Pensionen und Frauen werden von den ins System fließenden Steuermittel besonders wenig begünstigt. Menschen mit hohen Pensionen hingegen profitieren davon überdurchschnittlich.

 

Die Verteilung der über Steuern aufgebrachte Mittel zur sozialen Sicherung im Alter ist jedoch ein wesentliches Kriterium der Gerechtigkeit.

 

Nach Vorstellung der Grünen sind diese Mittel in Form einer Grundsicherung gleichmäßig auf alle Versicherten aufzuteilen, um allen Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihrer Stellung in der Gesellschaft, ihres Geschlechts oder des von ihnen gewählten Lebensentwurfs eine menschenwürdige Existenz im Alter zu garantieren.

 

Neben dieser Grundsicherung ist eine nach dem Umlageverfahren funktionierende beitragsfinanzierte Pension aus Erwerbsarbeit zu stellen, die nach rein versicherungsmathematischen Kriterien zu Stande kommt und daher keiner Steuermittel bedarf. In diese Pension haben – ähnlich dem vorgelegten Gesetzesentwurf - auch Beiträge für jene (Ersatz-)Zeiten zu fließen, die auf Basis der gegenwärtigen Rechtslage nicht oder nur pauschal ins System fließen.

 

Die Darstellung möglicher Alternativen und ihrer Wirkungen ist Voraussetzung für eine breite und öffentliche Debatte über die Zukunft des Pensionssystems, die zur Wiedergewinnung des Vertrauens sowohl der kurz vor Pensionsantritt wie auch der jungen Menschen unabdingbar ist. Die Chance auf eine derartige öffentliche Diskussion zu vergeben bedeutete, eine ganze Generation von Menschen in Unsicherheit über ihre Zukunft zu belassen und Politikverdrossenheit, Ablehnung von politischer wie gesellschaftlicher Partizipation und gesellschaftliche Entsolidarisierung in Kauf zu nehmen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher gemäß §74a Abs. 1 iVm §93 Abs. 1 GOG-NR folgenden

 

 

Dringlichen Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere aber der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, ehestens, jedoch spätestens bis 1. Dezember 2004, Kosten und Wirkung eines Modells der Alterssicherung zu berechnen bzw. öffentlich darzustellen, das folgenden Kriterien entspricht:

 

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß. § 74a i. V. mit § 93 Abs. 1 GOG verlangt.