456/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 13.10.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Dr. Günther Kräuter
und GenossInnen
betreffend vorzeitige Abberufung des Geschäftsführers des Kunsthistorischen Museums
Der Geschäftsführer des
Kunsthistorischen Museums, Dr. Wilfried Seipel, hat in den letzten
Jahren wiederholt für negative Schlagzeilen gesorgt. Dies beeinträchtigt sowohl
den Ruf des
Kunsthistorischen Museums als auch
jenen der österreichischen Kulturpolitik.
I.) Dr.
Wilfried Seipel hat in seiner Amtszeit den größten Kunstraub der Zweiten Republik,
den Raub der Saliera, zu verantworten. Der Sammlerwert der Saliera wird in
Expertenkreisen
auf rund 50 Millionen Euro
geschätzt. Der Vorwurf, es habe im Kunsthistorischen Museum
schwerwiegende Sicherheitsmängel gegeben, wurde im Mai 2004 durch einen polizeilichen
Ermittlungsbericht bestätigt. Der Zugang
zum Baugerüst an der Fassade des Museums sei nur
mit einer Brettertüre versperrt gewesen, die äußeren Fensterscheiben
genauso wie auch die
Vitrine, in der die Saliera ausgestellt
war, hätten nur aus einfachem Glas bestanden und wären
nicht alarmgesichert gewesen, die Videoanlage sei abgeschaltet gewesen.
Im Vorfeld des
Raubs habe es wesentlich mehr Fehlalarme gegeben (107) als von den
Verantwortlichen
gegenüber der Öffentlichkeit zugegeben
worden sei. Darüber hinaus wurde bekannt, dass der
Sicherheitschef des Kunsthistorischen Museums bereits ein Jahr vor dem
Diebstahl eine
verbesserte Sicherung verlangt hatte, aber
bei den Verantwortlichen mit dieser Forderung kein
Gehör fand. (Profil, 21/2004)
Hinsichtlich der Zahl der Fehlalarme,
der Aktivierung der Alarmanlage und der Einschaltung
der Videoanlage wurde offenbar auch der Nationalrat in der Beantwortung
parlamentarischer
Anfragen unvollständig und falsch informiert:
1. In
der Anfragebeantwortung 396/AB XXII. GP (eingelangt am 4.7. 2003) hieß es auf
die
Frage, ob es in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlalarmen gegeben habe: „Was
konkret
den Einbruchsalarm betrifft, so erfolgten in den letzten vier Wochen
sieben
Alarmmeldungen".
Auf Grund der im
Profil 21/2004 veröffentlichten Kopie des Alarmprotokolls, das 107
Fehlalarme auswies, brachte die SPÖ eine
weitere parlamentarische Anfrage ein, die auf den
offenkundigen Widerspruch zur Anfragebeantwortung 396/AB einging. In der
Anfragebeantwortung 1705/AB XXII. GP
(eingelangt am 5.7. 2004) hieß es darauf hin: „Im
Zeitraum vom 11. April bis 11. Mai 2003 gab es im Haupthaus des
Kunsthistorischen
Museums 106 Alarmsituationen, von denen in
den Nachtstunden lediglich sieben Alarme als
Täuschungsalarme aus dem Bereich Intrusionsschutz zu titulieren sind".
2. In
der Anfragebeantwortung 407/AB (eingelangt am 9.7. 2003) hieß es, dass „weder
die
Aussage, dass in der Nacht des Tathergangs die Alarmanlagen bis zwei Uhr früh
abgestellt
waren, noch dass die Sicherheitsvorkehrungen ungeachtet des vorhandenen
Gerüstes nur
unzureichend verstärkt wurden, den
Tatsachen entspricht".
Auf Grund der im
Profil 21/2004 veröffentlichten Auszüge aus den polizeilichen
Ermittlungsberichten, denen zufolge das
Alarmsystem in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai
2003 erst um 1.59 Uhr aktiviert wurde, brachte die SPÖ eine weitere
parlamentarische
Anfrage ein, die auf den offenkundigen Widerspruch zur Anfragebeantwortung
407/AB
Bezug nahm. In der Anfragebeantwortung
1705/AB (eingelangt am 5.7. 2004) hieß es darauf
hin: „Elemente des Intrusionsschutzes im Kunsthistorischen Museum können
erst nach
Schließung des jeweiligen Bereiches aktiviert werden. Diese Aktivierung wurde
am 11. Mai
2003 gegen 01:59 für den gegenständlichen
Bereich vorgenommen".
3. In der Anfragebeantwortung 407/AB (eingelangt am 9.7. 2003) hieß es:
„Das KHM verfügt
über eine moderne
Alarmsicherungsanlage mit Bewegungsmeldern, Temperaturmeldern und
einer Videoüberwachung. Sämtliche Anlagen waren in der Tatnacht in
Betrieb".
Auf Grund der im Profil 21/2004 veröffentlichten Aussage des Leiters
der Abteilung Elektro-
und Sicherheitstechnik, dass sich die Videoanlage nur während der Besuchszeiten
in Betrieb
befinde, brachte die SPÖ eine
weitere parlamentarische Anfrage ein, die auf den
offenkundigen Widerspruch zur Anfragebeantwortung 407/AB Bezug nahm. In der
Anfragebeantwortung 1705/AB (eingelangt am
5.7. 2004) hieß es darauf hin: „Die
vorliegende Anlage ist in der Tat für den Vollbetrieb während des
Publikumsverkehrs
konzipiert. In den Nachtstunden bleibt das System aktiviert, die Monitore
werden dann erst
im Bedarfsfall zugeschaltet".
Der Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums reagierte auf die
Vorwürfe bezüglich
der gravierenden Sicherheitsmängel
und der Versäumnisse des Managements mit
erstaunlicher Gelassenheit. In einer Anhörung vor dem Kulturausschuss am 2.
Juli 2004
meinte er, der Diebstahl sei der erste in
der 113-jährigen Geschichte des Museums, weshalb
es um die Sicherheit des Museums nicht so schlecht bestellt sein könne. In
einem Interview
mit dem „Kurier" antwortete er auf die Frage, was er in Bezug auf
die Saliera unternehme:
„Wir hoffen und wir warten" (Kurier, 3.8. 2004).
II.) Über die Medien wurde bekannt,
dass der Rohbericht des Rechnungshofes zum
Kunsthistorischen Museum die Arbeit seines
Geschäftsführers, Dr. Wilfried Seipel, vehement
kritisiert. Im Mittelpunkt der Kritik standen die Geschäftsgebarung
bezüglich Gehalt,
Repräsentationskosten und Dienstwagen sowie der Ankauf einer Sphinx-Skulptur
und von
Grabbeigaben. Auf die ersten Medienberichte
und die damit verbundenen
Rücktrittsaufforderungen der Opposition reagierte der Geschäftsführer
der KHM abermals
„gelassen" (APA, 373, 1. 6. 2004). Bundesministerin Gehrer sprach davon,
dass es
inakzeptabel sei, einen international anerkannten Museumsdirektor als
Zielscheibe für
unqualifizierte kulturpolitische Attacken zu benutzen und weigerte sich den
Rohbericht des
Rechnungshofes zu veröffentlichen (APA 188,
1.6.2004).
Nun liegen die
brisanten Schlussfolgerungen des Rechnungshof-Rohberichtes auf Grund
neuerlicher Medienberichte in noch
ausführlicherer Form vor (siehe dazu insbesondere „Der
Standard" vom 5. 10. 2004):
Nach Ansicht des
Rechnungshofs entsprachen weder die Eröffnungsbilanz zum 1. Jänner
1999 noch der jeweilige Jahresabschluss des
KHM für 1999 bis 2002 noch die
diesbezüglichen Buchungen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchhaltung
und
Bilanzierung. Einerseits wurde kein
getreues Bild der Vermögens- und Ertragslage ermittelt
und andererseits war ein Überblick über die Geschäftsvorfälle und über
die Lage des
Unternehmens innerhalb angemessener Zeit größtenteils nicht möglich, urteilt
der
Rechnungshof.
Kritisiert wird
vom Rechnungshof weiters das - nach seiner Ansicht nicht nachvollziehbare -
Ansteigen des Personalstandes von 1998 auf 2002 um 24,22% und der damit
verbundene
Anstieg der Personalkosten von 10,45
Millionen auf 14,63 Millionen Euro. Im Zeitraum 1999
bis 2002 verdreifachte sich zudem die Anzahl der freien Dienstverträge von 181
auf 599, was
eine Verfünffachung der Kosten von 187.356 auf 925.978 Euro nach sich
zog. Zudem
erhielten einige Personen Zahlungen auf Grund freier Dienstverträge, obwohl
bereits ein
Dienstverhältnis bestand. Der Rechnungshof kritisiert in diesem Zusammenhang
auch, dass
die Angaben des Geschäftsführers über den Anteil der Personalkosten gegenüber
dem
Kuratorium nicht den Tatsachen entsprach.
Die von
Generaldirektor Seipel betriebene Eingliederung des Völkerkunde- und des
Theatermuseums in das KHM, die mit dem Erzielen von Synergieeffekten und
Kosteneinsparungen begründet worden war,
brachte nach Aussagen des Rechnungshofs keine
wesentlichen wirtschaftlichen Vorteile
Darüber hinaus verlieh der Generaldirektor Bilder, die nicht verliehen
werden dürfen, kaufte
von seinem
Museum zwei altägyptische Grabbeigaben, obwohl diese bereits
„unveräußerliches Gut"
geworden waren und ging Nebenbeschäftigungen nach, die er sich
nicht hatte genehmigen lassen. Ausstellungen in Japan wurden ohne
Durchführungsgenehmigung des zuständigen Ministeriums gezeigt, das dafür
vereinbarte
Entgelt wurde nur zum Teil überwiesen. In einigen Fällen wurden Gelder, die
nach
Auffassung des Rechnungshofes dem KHM bzw. dem Bund zugestanden wären, dem
Subkonto des Vereins der Museumsfreunde in Wien überwiesen. Die Beträge für
Bewirtungen und Repräsentationen stiegen zwischen 1998 und 2002 von 48.119 Euro
auf
64.717 Euro, wobei auf den Rechnungen vielfach Angaben über die betriebliche
Veranlassung fehlten. Unter anderem wurde
auf Kosten des KHM auch eine Geburtstagsfeier
anlässlich des 55. Geburtstags von Kunststaatssekretär Morak ausgerichtet.
Die Ausgaben für
Reiseaufwendungen wuchsen ebenfalls beträchtlich an. Von 21.881 Euro
im Jahr 1999 um 23,7% auf 27.063 Euro im
Jahr 2000, um weitere 43,1% auf 38.733 im Jahr
2001. Die erst auf Nachfrage des Rechnungshofes erstellte Aufstellung
sämtlicher
Dienstreisen wies einige Lücken auf.
Offenbar wurde aber im Jahr 2001 auch ein Ticket nach
Japan für Frau Seipel vom KHM bezahlt.
Abgerundet wird das Sittenbild einer unprofessionellen Geschäftsführung
durch den jüngsten
Vorfall anlässlich der Präsentation eines neuen Buches über „Kaiser und König
Karl I. (IV.)"
am 22. September 2004 im KHM. Im
Rahmen seiner Begrüßungsansprache meinte
Generaldirektor Seipel, er stehe nicht an, das Oberhaupt der Familie Habsburg
als seine
kaiserliche Hoheit begrüßen zu dürfen (O-Ton im Öl-Morgenjournal vom
23.9.2004).
Bisher hat
Bundesministerin Gehrer alle Vorwürfe gegen den Geschäftsführer des
Kunsthistorischen Museums gedeckt, womit
sie die volle Verantwortung für die kritisierten
Zustände übernimmt.
Die unterzeichneten Abgeordneten gehen davon aus, dass Dr. Wilfried
Seipel auf Grund der
oben beschriebenen Vorfälle und Vorwürfe als Geschäftsführer des KHM nicht mehr
tragbar
ist und erwarten von der zuständigen Bundesministerin endlich Konsequenzen.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Entschließung
Der Nationalrat hat beschlossen:
Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, gemäß
§6 Absatz 1 Ziffer 3 des Bundesmuseen-Gesetzes den Geschäftsführer des Kunsthistorischen
Museums, Dr. Wilfried Seipel, vorzeitig abzuberufen.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Kulturausschuss vorgeschlagen.