533/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 02.03.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Brigid Weinzinger, Dr. Jarolim,
Mag. Terezija Stoisits
und KollegInnen
betreffend wirksame gesetzliche und andere Maßnahmen gegen Stalking
Stalking ist in
den letzten Jahren auch in Österreich zu einem öffentlich diskutierten Thema
geworden. Beispielsweise hat im September
2004 der Wiener Gemeinderat mit den Stimmen aller
vier Parteien einstimmig einen Beschlussantrag betreffend Maßnahmen
gegen Stalking gefasst.
Stalking stellt eine Form „sozialer" Gewalt dar, gegen die Opfer und
staatliche Institutionen in
Österreich praktisch weitgehend wehrlos sind. Diese Hilflosigkeit steht in
starkem Gegensatz zu
massiven und oft langfristigen Beeinträchtigungen der Opfer.
Als
"Stalking" wird ein Verhalten bezeichnet, das darin besteht, eine
andere Person zu verfolgen
und ihr gegen ihren Willen Kontakte
aufzuzwingen, etwa durch Telefonterror, das Zusenden von
Briefen, e-mails oder SMS oder durch das Abpassen bei ihrer Wohnung oder ihrem
Arbeitsplatz.
Typischerweise verwenden Stalker mehrere Methoden, oft dauert ein
Stalking jahrelang an.
Motiviert ist Stalking entweder durch die
Absicht, das Opfer zu kontrollieren und zu beherrschen,
oder (beim Stalking prominenter Personen) durch das Verlangen, im Leben des
Opfers eine Rolle
zu spielen und dadurch an seiner Bedeutung teilzuhaben.
Stalking führt
regelmäßig zu massiven Beeinträchtigungen der Opfer: Bei Stalking-Opfern
dominieren starke Gefühle der Verzweiflung,
der Angst und der Hilflosigkeit. Nach internationalen
Studien zeigen sich bei etwa der Hälfte der Opfer post-traumatische
Belastungsstörungen im
klinischen Sinne. Die meisten Opfer sehen sich gezwungen, ihre Lebensumstände
zu verändern.
Langfristig ist eine schwerwiegende Folge von Stalking - wie im übrigen von
physischer Gewalt
auch - die zunehmende soziale Isolation des
Opfers.
Stalking ist ein
weltweites Phänomen. In den USA sind jährlich 1.000.000 Frauen und 400.000
Männer von massivem Stalking betroffen.
Laut einer Umfrage von IFES (Wien, 2003) unter 1.000
Wienerinnen, hat bereits jede vierte Befragte Erfahrung mit Stalking. Nach
internationalen Studien
sind 80 Prozent der Stalking-Opfer Frauen, 90 Prozent aller Stalker sind
Männer.
Stalking ist Gewalt. Als laufendes Aufzwingen von Kontakten ist
Stalking gewissermaßen soziale
Gewalt und wesentlich die Missachtung der Privatsphäre des Opfers, zu der das
Recht des Opfers
gehört zu bestimmen, mit wem es in
Kontakt stehen (und von wem es in Ruhe gelassen werden)
will.
Den Staat trifft zur Verhinderung von Gewalt eine besondere, im
Verhältnis zu anderen Aufgaben
sogar vorrangige Verantwortung. Und
auch die Gewalt in der Privatsphäre ist eine öffentliche
Angelegenheit, weshalb das Opfer ein Recht auf staatliche Schutzmaßnahmen hat.
Beispiele für
eine Anti-Stalking-Gesetzgebung gibt es
bereits in zahlreichen Ländern. So beschloss Kalifornien
bereits 1990 ein Gesetz gegen Stalking. In Europa verfügen etwa England,
die Niederlande,
Schweden und Belgien über eine Anti-Stalking-Regelung. In Deutschland werden
Aspekte von
Stalking im Gewaltschutzgesetz erfasst und Initiativen für eine strafrechtliche
Verankerung von
Stalking bestehen bereits.
Mit der
Erlassung des Gewaltschutzgesetzes, das am 1. Mai 1997 in Kraft getreten ist,
hat sich der
Bundesgesetzgeber klar zum Schutz vor Gewalt in der Privatsphäre bekannt. Aus
verschiedenen
Gründen greift das Gewaltschutzgesetz jedoch gegenüber Stalking zu kurz: Was
den
polizeirechtlichen Teil anlangt, so schützt dieser vor Gewalt in Wohnungen und
vor solchen
Gewaltformen, die strafgesetzwidrig sind, was jedoch für typische Methoden des
Stalking nicht
zutrifft. In beiden Hinsichten gehen die dem Familiengericht eingeräumten
Möglichkeiten weiter:
Die mit dem Gewaltschutzgesetz geschaffene einstweilige Verfügung in der
Verantwortung des
Familiengerichts ist nicht strikt an Gewalt
im Sinne des Strafgesetzbuches beschränkt und umfasst
zudem schon jetzt die Möglichkeit, einem Gewalttäter/einer Gewalttäterin
zu untersagen, mit dem
Opfer auf welche Weise immer in Kontakt zu
treten. Jedoch ist diese einstweilige Verfügung auf
Gewalt in der Familie beschränkt und
setzt deshalb zwischen dem Täter/der Täterin und dem Opfer
zumindest eine vormalige familienähnliche Beziehung voraus, etwa eine
frühere
Lebensgemeinschaft (eine Einschränkung, die wiederum der polizeirechtliche Teil
nicht kennt).
Wegen Lücken im System des
Gewaltschutzgesetzes hat die Sicherheitsexekutive gegen Stalker
gegenwärtig keine wirksame Handhabe und die Opfer finden sich allein gelassen.
Es ist deshalb
dringend notwendig, in einem
nächsten Schritt die bezeichneten Lücken zu schließen.
• Dazu bedarf es der Schaffung eines gerichtlichen
Straftatbestandes, mit dem die fortgesetzte
grobe Belästigung des Opfers,
insbesondere durch wiederholtes Anrufen, Zusenden von
Botschaften oder Sachen, Abpassen oder Nachstellen und Verfolgen unter
Strafe gestellt
wird.
•
Die gegenwärtig
auf die Familiengerichte beschränkte Befugnis, dem Gefährder das
Kontaktieren des Opfers sowie den
Aufenthalt an Orten zu untersagen, an denen mit einem
Zusammentreffen zu rechnen ist, ist auf die Exekutive zu erstrecken.
•
Es ist eine angemessene, insbesondere den Bedürfnissen des Opfers nach
einer wirksamen
Beendigung des Stalking
entsprechende strafrechtliche Reaktionsform zu suchen.
•
Die wirksame
Umsetzung dieser gesetzlichen Neuerungen ist durch organisatorische
Maßnahmen im Bereich der Sicherheitsexekutive, der Staatsanwaltschaften sowie
der
Gerichte sicherzustellen. Dazu zählen als begleitende Maßnahmen insbesondere
Schulungsmaßnahmen im Bereich der
Exekutive, der Familiengerichte und der Strafjustiz.
Diese Schulungsinitiativen müssen inhaltlich aufeinander abgestimmt
werden.
•
Weiter ist dabei
die Schaffung von Kompetenz- und Servicezentren im Bereich der
Sicherheitsexekutive erforderlich, um dem
prozesshaften Charakter von Stalking, dem
Erfassen der verschiedenen Delikte, auch über Ortsgrenzen hinweg, eine
angemessene
organisatorische Maßnahme entgegenzusetzen.
In diesem Sinn stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
1. Die Bundesregierung wird ersucht
dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, in welchem wirksame
gesetzliche
Maßnahmen gegen Stalking enthalten
sind
Dieser
Gesetzesentwurf soll entsprechende Bestimmungen insbesondere im
Sicherheitspolizeigesetz, in der
Exekutionsordnung und im Strafgesetzbuch enthalten und von
den Grundprinzipien getragen sein, dass
a. Stalking kriminelles Unrecht ist und somit den
Staat die Verantwortung trifft, ein
solches Verhalten entschieden abzuwehren,
b. die Verantwortung beim Stalker liegt und nicht beim Opfer,
c. dem Anspruch des Opfers auf Sicherheit Priorität
zukommt, was bedeutet, dass die
Intervention so zu konzipieren ist,
dass dem Anspruch des Opfers, von weiteren
Verfolgungen verschont zu bleiben, vorrangig Rechnung getragen wird.
2.
Die Bundesministerin für Inneres wird ersucht, in ihrem Zuständigkeitsbereich
flankierende
organisatorische Maßnahmen zu den oben genannten legislativen Neuerungen zu
setzen, wie
insbesondere organisatorische
Maßnahmen und Schulungsmaßnahmen im Bereich der
Sicherheitsexekutive.
3.
Die
Bundesministerin für Justiz wird ersucht, in ihrem Zuständigkeitsbereich
flankierende
organisatorische Maßnahmen zu den oben
genannten legislativen Neuerungen zu setzen, wie
insbesondere Schulungsmaßnahmen im Bereich der Exekutive und der
Strafjustiz.
Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss