558/A XXII. GP

Eingebracht am 03.03.2005
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Antrag

 

 

 

der Abgeordneten  Dr. Gusenbauer, Verzetnitsch, DDr. Niederwieser, DDr. Niederwieser, Dr. Wittmann

und GenossInnen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz durch Abschaffung des Erfordernisses von Zwei-Drittel-Mehrheiten für Schulgesetze geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz durch Abschaffung des Erfordernisses von Zwei-Drittel-Mehrheiten für Schulgesetze geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 153/2004, wird wie folgt geändert:

 

1.      Art. 14 Abs. 6 wird folgender Satz angefügt:

 

            „Der Besuch öffentlicher Schulen ist unentgeltlich mit Ausnahme eines Beitrages zu den Kosten der Verpflegung.“

 

2.      Nach Abs. 6 wird folgender Abs. 6a eingefügt:

 

            „(6a) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) hat ein öffentliches Schulsystem in bestmöglicher Qualität zu gewährleisten. Die Schulpflicht dauert zumindest bis zum Ende der Lehrzeit.“

 

3.      Art. 14 Abs. 10 entfällt.

 

4. In Art. 14a Abs. 7 wird nach „6,“ die Ziffer „6a“ eingefügt.

 

5. Art. 14a Abs. 8 entfällt.

 

6. Art. 151 wird folgender Abs. . . . angefügt:

 

            „(. .) Art. 14 Abs. 6 und 6a und Art. 14a Abs. 7in der Fassung BGBl. I Nr. . . ./ . . . und die Aufhebung des Art. 14 Abs. 10 und des Art. 14a Abs. 8 treten mit 1. Juli 2005 in Kraft.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss


 

Begründung

 

 

Die geltende Schulverfassung geht im Wesentlichen auf das Jahr 1962 und damit auf die Zeit der ersten großen Koalition zurück. Ein wesentlicher Teil des seinerzeit gefundenen Kompromisses bestand darin, dass wesentliche Fragen des Schulrechts vom Nationalrat nur mit einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen beschlossen werden können. Im Einzelnen sieht der geltende Art. 14 Abs. 10 B-VG eine solche Zwei-Drittel-Mehrheit für folgende Angelegenheiten vor:

 

Angelegenheiten der Schulbehörden des Bundes in den Ländern und politischen Bezirken, der Schulpflicht, der Schulorganisation, der Privatschulen und des Verhältnisses von Schulen und Kirchen (Religionsgesellschaften) einschließlich des Religionsunterrichtes in der Schule.

 

Art. 14a Abs. 8 enthält eine sinngemäß gleiche Regelung für die Grundsatzgesetzgebung des Bundes im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Schulwesens.

 

Das Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit hat dazu geführt, dass große Schulreformen nicht mehr zustande gekommen sind. Der dramatische Absturz der Leistungen der österreichischen Schüler im letzten PISA-Test hat gezeigt, dass das österreichische Schulwesen dringend reformbedürftig ist. Die nunmehr von fast allen Experten einschließlich der von Bundesministerin Gehrer eingesetzten Zukunftskommission erhobenen Forderungen decken sich weitestgehend mit den Vorschlägen der SPÖ. Derartige Vorschläge konnte die SPÖ wegen des Erfordernisses der Zwei-Drittel-Mehrheit niemals umsetzen, nicht einmal zu der Zeit, als sie eine Alleinregierung stellte. Die ÖVP hat die dringend nötigen Reformen des Schulwesens stets verhindert.

 

Die SPÖ schlägt daher mit gegenständlichem Antrag den gänzlichen Entfall des Erfordernisses von Zwei-Drittel-Mehrheiten für Schulgesetze vor. Damit trägt die jeweilige Regierungsmehrheit die Verantwortung für die Schulreform. Die SPÖ wird mit aller Vehemenz – sowohl in der Opposition als auch in der Regierung - dafür eintreten, dass Österreich ein modernes, an jenen Staaten, die im PISA-Test am besten abschneiden, orientiertes Schulsystem erhält. Ein solches Schulsystem muss vor allem auch die Chancengleichheit aller Kinder, unabhängig von der sozialen Stellung ihres Elternhauses, gewährleisten. Jedem Kind muss die bestmögliche Erziehung zur Entfaltung seiner Persönlichkeit geboten werden. Bildung ist das wichtigste Kapital für die Zukunft des Einzelnen wie der Gesellschaft insgesamt.


 

In diesem Sinne sieht der vorliegende Antrag in Z 2 und 3 die ersatzlose Aufhebung des Art. 14. Abs. 10 und des Art. 14a Abs. 8 vor. Als Ausgleich wird in Abs. 6 im Zusammenhang mit den öffentlichen Schulen festgeschrieben, dass der Besuch öffentlicher Schulen unentgeltlich ist, und in Abs. 6a die Republik, also Bund, Länder und Gemeinden, verpflichtet, ein bestmögliches öffentliches Schulsystem zu gewährleisten. Die Einführung von Schulgeld oder die Ersetzung des öffentlichen Schulsystems durch ein privates Schulsystem wird damit durch die Verfassung ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang wird auch festgehalten, dass die Schulpflicht bis zum Ende der Lehrzeit dauert. Damit ist einerseits garantiert, dass grundsätzlich für alle Kinder und Jugendliche grundsätzlich Schulpflicht besteht, und dass – was sich aus dem Begriff „Schulpflicht“ nicht von selbst ergibt - auch noch während der Berufsausbildung in Gestalt einer Lehre die Schulpflicht besteht.