571/A XXII. GP
Eingebracht am
31.03.2005
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Antrag
der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, DDr. Niederwieser, DDr.
Niederwieser, Dr. Wittmann
und GenossInnen
betreffend ein
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um ein
verfassungsrechtliches Leitbild der österreichischen Schule ergänzt wirddurch
Abschaffung des Erfordernisses von Zwei-Drittel-Mehrheiten für Schulgesetze
geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um ein
verfassungsrechtliches Leitbild der österreichischen Schule ergänzt wirddurch
Abschaffung des Erfordernisses von Zwei-Drittel-Mehrheiten für Schulgesetze
geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 153/2004, wird wie folgt geändert:
1. Art. 14 Abs. 6 wird folgender Satz angefügtNach
Art. 14 Abs. 5 wird folgender Abs. 5a eingefügt::
„(5a)
Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit
und Toleranz gegenüber den Menschen sind die Grundwerte der österreichischen
Schule, auf deren Grundlage sie der gesamten Bevölkerung, unabhängig von
Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund, ein höchstmögliches
Bildungsniveau sichert. Sie hat im partnerschaftlichen Zusammenwirken von
Schülern, Eltern und Lehrern Kindern und Jugendlichen die bestmögliche
geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu selbstbewussten,
glücklichen, leistungsbereiten und kreativen Menschen werden, die befähigt
sind, an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert
Verantwortung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende
Generationen zu übernehmen.Der Besuch öffentlicher Schulen ist unentgeltlich
mit Ausnahme eines Beitrages zu den Kosten der Verpflegung.“
2.
In Art. 14a Abs. 7 wird nach „Art. 14 Abs.“ die Wendung „5a,“ eingefügt.
3. Art. 151 werden folgende Abs. ../1 und .. /2 angefügt:
„(../1) Art. 14 Abs. 5a und Art. 14a Abs. 7 in der Fassung BGBl. I Nr. . . ./. . . treten mit . . . 2005 in Kraft.
(../2)
Die Genehmigung von Änderungen des Vertrages vom 9. Juli 1962,
BGBl. Nr. 273, zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich
zur Regelung von mit dem Schulwesen zusammenhängenden Fragen samt
Schlussprotokoll, in der Fassung des Zusatzvertrages vom 8. März 1971, BGBl.
Nr. 289/1972, samt Protokoll, sowie Änderungen des Gesetzes vom 25. Mai 1868,
RGBl. Nr. 78, wodurch grundsätzliche Bestimmungen über das Verhältnis der
Schule zur Kirche erlassen werden, des Religionsunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr.
190/1949, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 256/1993, und des
Abschnittes IVA des Privatschulgesetzes, BGBl. Nr. 244/1962, zuletzt geändert
durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 448/1994, können vom Nationalrat nur in
Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.“
2.1.Nach Abs. 6 wird folgender Abs. 6a eingefügt:
„(6a)
Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) hat ein öffentliches Schulsystem in
bestmöglicher Qualität zu gewährleisten.“
3.1.Art. 14 Abs. 10 entfällt.
4. In Art.
14a Abs. 7 wird nach „6,“ die Ziffer „6a“ eingefügt.
5. Art. 14a
Abs. 8 entfällt.
6. Art. 151
wird folgender Abs. . . . angefügt:
„(.
.) Art. 14 Abs. 6 und 6a und Art. 14a Abs. 7in der Fassung BGBl. I Nr. . . ./ .
. . und die Aufhebung des Art. 14 Abs. 10 und des Art. 14a Abs. 8 treten mit 1.
Juli 2005 in Kraft.“
Zuweisungsvorschlag:
Verfassungsausschuss
Begründung
Das Bundeskanzleramt hat am 15. Feber 2005 den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes–Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, zur Begutachtung ausgesandt und dafür eine Frist bis 15. März 2005 eingeräumt. Dieser Entwurf sieht den gänzlichen Entfall des Erfordernisses von Zwei-Drittel-Mehrheiten im Schulbereich vor, enthält also die ersatzlose Streichung von Art. 14 Abs. 10 und Art. 14a Abs.8 B-VG.
In den Stellungnahmen wurde nahezu durchgängig eine ersatzlose Streichung abgelehnt und in unterschiedlichem Ausmaß gefordert, dass wichtige Grundsätze der Schulgesetzgebung weiterhin im Verfassungsrang bleiben sollen. Darunter wurden einerseits das Prinzip der Schulgeldfreiheit, der Schulpflicht und eines öffentlichen Schulwesens genannt. Diese drei Bereiche werden bereits durch den Antrag 558/A XXII.GP vom 3. März 2005 verfassungsrechtlich abgesichert, der dem Verfassungsausschuss zur Behandlung zugewiesen wurde.
Darüber hinaus wurde von fast allen Seiten vehement gefordert, dass die Ziele, Werte und Aufgaben der österreichischen Schule, wie sie derzeit in § 2 SchOG enthalten sind, in zeitgemäßer Form verfassungsrechtlich verankert werden, um die Schule nicht zum Spielball wechselnder parlamentarischer Mehrheiten zu machen.
Der vorliegende Antrag beinhaltet ein solches verfassungsrechtliches Leitbild. Um die Schule aus dem Parteienstreit herauszuhalten, ist es erforderlich, dass eine solche Bestimmung einen breiten gesellschaftlichen Konsens wiedergibt und von allen wesentlichen politischen Kräften getragen wird. Diese Formulierung wurde daher mit der Österreichischen Bischofskonferenz abgestimmt, die in dieser Angelegenheit repräsentativ für alle Kirchen und anerkannten Religionsgesellschaften ist und darüber hinaus von einer Plattform unterstützt wird, der über 50 Organisationen des gesellschaftlichen Lebens angehören.
Darüber
hinaus haben die Kirchen und anerkannten Religionsgesellschaften das Anliegen
geäußert, dass die Bestimmungen betreffend den Religionsunterricht, das
Verhältnis von Schule und Kirche und die konfessionellen Privatschulen nur mit
Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden können sollen. Diese Bestimmungen sind
einerseits (soweit sie die Katholische Kirche betreffen) im Schulvertrag
zwischen Heiligem Stuhl und Österreich 1962 in der Fassung 1972 enthalten,
andererseits (basierend auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kirchen
und anerkannten Religionsgesellschaften) im Religionsunterrichtsgesetz, im
Schul-Kirche-Gesetz und in Abschnitt IVA des Privatschulgesetzes. In den
Übergangsbestimmungen wird daher für diese Bestimmungen die
Zwei-Drittel-Mehrheit aufrecht erhalten.
Begründung
Die geltende Schulverfassung geht im Wesentlichen
auf das Jahr 1962 und damit auf die Zeit der ersten großen Koalition zurück.
Ein wesentlicher Teil des seinerzeit gefundenen Kompromisses bestand darin,
dass wesentliche Fragen des Schulrechts vom Nationalrat nur mit einer Mehrheit
von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen beschlossen werden können. Im
Einzelnen sieht der geltende Art. 14 Abs. 10 B-VG eine solche
Zwei-Drittel-Mehrheit für folgende Angelegenheiten vor:
Angelegenheiten der Schulbehörden des Bundes in den
Ländern und politischen Bezirken, der Schulpflicht, der Schulorganisation, der
Privatschulen und des Verhältnisses von Schulen und Kirchen
(Religionsgesellschaften) einschließlich des Religionsunterrichtes in der
Schule.
Art. 14a Abs. 8 enthält eine sinngemäß gleiche
Regelung für die Grundsatzgesetzgebung des Bundes im Bereich des land- und
forstwirtschaftlichen Schulwesens.
Das Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit hat dazu
geführt, dass große Schulreformen nicht mehr zustande gekommen sind. Der
dramatische Absturz der Leistungen der österreichischen Schüler im letzten
PISA-Test hat gezeigt, dass das österreichische Schulwesen dringend
reformbedürftig ist. Die nunmehr von fast allen Experten einschließlich der von
Bundesministerin Gehrer eingesetzten Zukunftskommission erhobenen Forderungen
decken sich weitestgehend mit den Vorschlägen der SPÖ. Derartige Vorschläge
konnte die SPÖ wegen des Erfordernisses der Zwei-Drittel-Mehrheit niemals
umsetzen, nicht einmal zu der Zeit, als sie eine Alleinregierung stellte. Die
ÖVP hat die dringend nötigen Reformen des Schulwesens stets verhindert.
Die SPÖ schlägt daher mit gegenständlichem Antrag
den gänzlichen Entfall des Erfordernisses von Zwei-Drittel-Mehrheiten für
Schulgesetze vor. Damit trägt die jeweilige Regierungsmehrheit die
Verantwortung für die Schulreform. Die SPÖ wird mit aller Vehemenz – sowohl in
der Opposition als auch in der Regierung - dafür eintreten, dass Österreich ein
modernes, an jenen Staaten, die im PISA-Test am besten abschneiden,
orientiertes Schulsystem erhält. Ein solches Schulsystem muss vor allem auch
die Chancengleichheit aller Kinder, unabhängig von der sozialen Stellung ihres
Elternhauses, gewährleisten. Jedem Kind muss die bestmögliche Erziehung zur
Entfaltung seiner Persönlichkeit geboten werden. Bildung ist das wichtigste Kapital
für die Zukunft des Einzelnen wie der Gesellschaft insgesamt.
In diesem Sinne sieht der vorliegende Antrag in Z 2
und 3 die ersatzlose Aufhebung des Art. 14. Abs. 10 und des Art. 14a Abs. 8vor.
Als Ausgleich wird in Abs. 6 im Zusammenhang mit den öffentlichen Schulen
festgeschrieben, dass der Besuch öffentlicher Schulen unentgeltlich ist, und in
Abs. 6a die Republik, also Bund, Länder und Gemeinden, verpflichtet, ein
bestmögliches öffentliches Schulsystem zu gewährleisten. Die Einführung von
Schulgeld oder die Ersetzung des öffentlichen Schulsystems durch ein privates
Schulsystem wird damit durch die Verfassung ausgeschlossen.