583/A XXII. GP
Eingebracht am 06.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Antrag
der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits , Dr. Hannes Jarolim und KollegInnen
betreffend ein
Bundesgesetz über eine Amnestie aus Anlass der sechzigsten
Wiederkehr des Tages, an dem die Unabhängigkeit Österreichs wiederhergestellt
wurde, der fünfzigsten Wiederkehr des Tages, an dem der österreichische
Staatsvertrag unterzeichnet wurde, und der
zehnten Wiederkehr des Tages, an dem
Österreich der Europäischen Union beigetreten ist (Amnestie 2005)
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz über eine Amnestie aus Anlass der sechzigsten Wiederkehr
des
Tages, an dem die Unabhängigkeit
Österreichs wiederhergestellt wurde, der
fünfzigsten Wiederkehr des Tages, an dem der österreichische Staatsvertrag
unterzeichnet wurde, und der zehnten Wiederkehr des Tages, an dem
Österreich der Europäischen Union beigetreten ist (Amnestie 2005)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Einstellung von Strafverfahren
§ 1. Ein Strafverfahren wegen einer von
Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich
strafbaren Handlung ist nicht einzuleiten und ein bereits eingeleitetes
Strafverfahren
ist in jeder Lage des Verfahrens
einzustellen,
1. wenn die strafbare Handlung vor dem 27. April 1980
begangen worden ist und
keine strengere Strafe als zehn Jahre Freiheitsstrafe
angedroht ist;
2. wenn die strafbare Handlung vor dem 27. April 1985
begangen worden ist und
keine strengere Strafe als fünf Jahre Freiheitsstrafe
angedroht ist;
3. wenn die
strafbare Handlung vor dem 27. April 1990 begangen worden ist und
keine strengere Strafe als drei Jahre
Freiheitsstrafe angedroht ist.
Strafnachsicht
§ 2. (1) Durch ein inländisches Gericht
verhängte Strafen werden mit dem
Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nachgesehen, soweit sie bis dahin nicht
vollstreckt sind,
1. wenn die Verurteilung spätestens am 27. April 1975 in
Rechtskraft erwachsen
ist und die Freiheitsstrafe oder
Ersatzfreiheitsstrafe oder die Summe dieser
Strafen fünf
Jahre nicht übersteigt;
2. wenn die
Verurteilung spätestens am 27. April 1985 in Rechtskraft erwachsen
ist und die Freiheitsstrafe oder
Ersatzfreiheitsstrafe oder die Summe dieser
Strafen drei
Jahre nicht übersteigt;
3. wenn die
Verurteilung spätestens am 27. April 1995 in Rechtskraft erwachsen
ist und die Freiheitsstrafe oder
Ersatzfreiheitsstrafe oder die Summe dieser
Strafen ein Jahr nicht übersteigt.
(2) Sind gegen eine Person mehrere
Verurteilungen der im Abs. 1 bezeichneten
Art ergangen, so findet eine
Zusammenrechnung der Strafen nicht statt.
Bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe
§ 3. (1)
Die Hälfte einer jeden durch ein inländisches Gericht verhängten,
nicht bedingt nachgesehenen und zehn Jahre
nicht übersteigenden Freiheits- oder
Ersatzfreiheitsstrafe, höchstens aber eine Strafzeit von sechs Monaten, ist mit
dem
Wirksamwerden dieser Amnestie bedingt nachzusehen, soweit die Strafe
bis dahin
nicht vollstreckt ist, wenn
1. die
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe spätestens am 27. April 2005 in
Rechtskraft erwachsen ist oder
2. der
Verurteilte die Ersatzfreiheitsstrafe spätestens am 27. April 2005 angetreten
hat oder sich an diesem Tag in einer anderen
Strafhaft befunden hat und die
Vollstreckung
der Ersatzfreiheitsstrafe bereits angeordnet ist.
(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 stehen einer
dort angeführten
Freiheitsstrafe gleich:
1. der
nicht bedingt nachgesehene Teil einer Freiheitsstrafe (§ 43a Abs. 3 und 4
des Strafgesetzbuches) und
2. eine
bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sowie der bedingt nachgesehene
Strafteil oder Strafrest einer solchen, wenn der
Widerruf der bedingten
Nachsicht oder
der bedingten Entlassung spätestens am 27. April 2005 in
Rechtskraft erwachsen ist.
(3)
Eine bedingte Nachsicht nach Abs. 1 oder 2 steht einer bedingte Entlassung gleich. Die Probezeit ist mit einem
Jahr, im Falle des Abs. 2 Z 1
jedoch derart
festzusetzen, dass sie mit dem Ablauf der Probezeit des im Urteil bedingt
nachgesehenen Strafteiles endet.
(4) Sind gegen einen Verurteilten mehrere Straferkenntnisse oder
Widerrufsbeschlüsse der in den Abs. 1 oder 2 bezeichneten Art ergangen, so sind
die darin verhängten Freiheitsstrafen,
Strafteile, Strafreste und Ersatzfreiheitsstrafen zusammenzurechnen,
ausgenommen jene, die vor dem Wirksamwerden dieser Amnestie ganz vollstreckt worden sind.
Verfahren bei Einstellung von Strafverfahren
§ 4. (1) Über die Einstellung eines
Strafverfahrens entscheidet das Gericht, bei
dem das Verfahren anhängig ist.
Nach Rechtskraft der Anklage oder Einbringung
des Strafantrages obliegt die Entscheidung dem Vorsitzenden (Einzelrichter).
Stellt
sich die Notwendigkeit der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung in der
Hauptverhandlung heraus, so entscheidet das erkennende Gericht, im
Geschworenengerichtsverfahren der Schwurgerichtshof. Ist gegen ein Urteil ein
Rechtsmittel angemeldet oder eingebracht
worden, so obliegt die Entscheidung dem
Rechtsmittelgericht. Die Entscheidung ergeht jeweils durch Beschluss
nach
Anhörung des Staatsanwaltes, Oberstaatsanwaltes oder Generalprokurators.
(2) Der Beschluss auf Einstellung des Verfahrens ist
auf Antrag des Beschuldigten
(Angeklagten) zu fassen. Von Amts wegen oder auf Antrag des
Staatsanwaltes ist
nur dann zu entscheiden, wenn
1. sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet
oder über ihn die
Untersuchungshaft verhängt werden müsste
2. eine Anklageschrift oder ein Strafantrag
eingebracht werden müsste,
3. eine Strafverfügung erlassen oder die Hauptverhandlung
anberaumt oder
durchgeführt werden müsste oder
4. eine Berufung oder
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil angemeldet oder
eingebracht worden ist.
(3) Ist
in den Fällen des § 1 ein gerichtliches Verfahren noch nicht eingeleitet
worden, so tritt an die Stelle der
Verfahrenseinstellung die Zurücklegung der Anzeige
durch den Staatsanwalt. Die Zurücklegung kann jederzeit auf Begehren des
Angezeigten geschehen; von Amts wegen erfolgt sie nur dann, wenn der
Staatsanwalt sonst in der Sache eine Amtshandlung vorzunehmen hätte.
(4) Gegen die Entscheidung des
Gerichtes erster Instanz steht dem Beschuldigten
(Angeklagten) und dem öffentlichen
Ankläger die Beschwerde an den
übergeordneten Gerichtshof offen; sie ist binnen vierzehn Tagen einzubringen
und
hat aufschiebende Wirkung.
Verfahren bei Strafnachsicht
§ 5. (1) Der öffentliche Ankläger, der
Verurteilte können bei dem Gericht, das in
erster Instanz erkannt hat, die
Feststellung beantragen, dass eine Verurteilung die
im § 2 angeführten Voraussetzungen einer Strafnachsicht erfüllt.
(2)
Der öffentliche Ankläger kann bei dem Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, die Feststellung begehren, dass eine
Verurteilung nicht die Voraussetzungen des
§ 2 erfüllt.
(3)
Das Gericht entscheidet über Anträge nach Abs. 1 und 2 mit Beschluss.
Gegen einen solchen Beschluss steht dem
Verurteilten, dem Antragsteller und dem
Antragsgegner die Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof zu; sie
ist
binnen vierzehn Tagen einzubringen und hat aufschiebende Wirkung.
(4)
Wird eine der im § 2 bezeichneten Strafen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes vollzogen oder hat das
Gericht Maßnahmen zu setzen, die auf die Einleitung oder Fortsetzung des
Vollzuges der Strafe abzielen, so ist der Beschluss
nach Abs. 3 von Amts wegen zu fassen. Eine bereits erfolgte Anordnung des
Vollzuges der Freiheitsstrafe oder eine Erlassung des Zahlungsauftrages ist zugleich mit dem Beschluss zu widerrufen und
erforderlichenfalls die Enthaftung des Verurteilten anzuordnen.
(5)
Von der Entscheidung nach Abs. 3 und 4 ist nach Rechtskraft das
Strafregisteramt der
Bundespolizeidirektion Wien zu verständigen.
§ 6. (1)
Das Strafregisteramt der Bundespolizeidirektion Wien hat jene
Verurteilungen zu erfassen, auf die § 2 zur
Anwendung kommt und bei denen noch
keine Entscheidung des Gerichtes nach § 6 ergangen ist, ihnen im Strafregister
den
Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes als Beginn der
Tilgungsfrist
zuzuordnen und sie dem Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, spätestens
bis
zum 1. Juni 2006 unter Angabe der Personaldaten des Verurteilten mitzuteilen.
(2) Das Gericht hat nach Anhörung des
öffentlichen Anklägers den Verurteilten
nach Möglichkeit von der
Strafnachsicht in Kenntnis zu setzen, sofern § 2
anzuwenden ist. Andernfalls hat das Gericht das Strafregisteramt davon zu
verständigen, dass die Voraussetzungen des § 2 nicht vorliegen, und die
Berichtigung des Strafregisters zu
veranlassen.
Verfahren bei bedingter Nachsicht eines Teiles der Strafe
§ 7. (1)
Die Entscheidung über die bedingte Nachsicht eines Teiles der
Strafe obliegt dem Vollzugsgericht (§ 16
Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes); sie steht
dem Einzelrichter zu.
(2)Für
die Entscheidung ist jedoch der Vorsitzende (Einzelrichter) des
erkennenden Gerichtes zuständig, wenn ein
Vollzug der Strafe, insbesondere wegen
Anrechnung einer Vorhaft, im Hinblick auf § 3 zu unterbleiben hat.
Verbliebe hiebei
eine zu vollziehende Strafzeit von nicht mehr als vierzehn Tagen, so hat das
erkennende Gericht auch diesen Zeitraum bedingt nachzusehen.
(3)
Das Gericht entscheidet von Amts wegen oder auf Antrag des
öffentlichen Anklägers oder des Verurteilten mit Beschluss. Gegen einen solchen
Beschluss steht dem öffentlichen Ankläger
und dem Verurteilten die Beschwerde an
den übergeordneten Gerichtshof zu; sie ist binnen vierzehn Tagen einzubringen
und
hat keine aufschiebende Wirkung.
§ 8. Die Anstalten zum Vollzug von
Freiheitsstrafen (Justizanstalten) haben
jene Verurteilungen, die für eine bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe
nach § 3
in Betracht
kommen, auf Grund der Vollzugsanordnungen zu erfassen und dem
nach § 7 zuständigen Gericht mitzuteilen. Das nach § 7 Abs. 2 zuständige
Gericht
hat, sofern es im Sinne des § 3 Beschluss
fasst, die Strafvollzugsanordnung und die
Aufforderung zum Strafantritt zu widerrufen.
Inkrafttreten und Vollziehung
§ 9. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit X. YYYYY 2005 in Kraft.
(2) Mit der Vollziehung dieses
Bundesgesetzes sind die Bundesministerinnen
für Justiz und für Inneres, je nach
ihrem Wirkungskreis, betraut.
Begründung
I.
Im April 2005 jährt sich zum sechzigsten Mal der Tag, an
dem die im März
1938 verlorengegangene staatliche Unabhängigkeit Österreichs wiederhergestellt
worden ist, und im Mai 2005 zum fünfzigsten
Mal der Tag, an dem der Staatsvertrag
betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen
Österreich der Republik die volle Souveränität wiedergegeben hat. Auch jährt
sich
2005 zum zehnten Mal der Tag, an dem
Österreich Mitglied der Europäischen Union
geworden ist. Diese Umstände sind für die Republik Österreich in
staatsrechtlicher
und staatspolitischer Hinsicht von herausragende Bedeutung. Diesen besonderen
historischen Anlässen entspricht es, Personen, die straffällig geworden sind,
durch
einen Akt der Gesetzgebung Gnade zu
gewähren.
Der Gesetzgeber hat bereits früher
und auch aus vergleichbaren Anlässen
Amnestien erlassen; so wurden seit
dem Zweiten Weltkrieg insgesamt zwölf
Amnestiegesetze beschlossen, und zwar:
- das
Gesetz vom 3. Juli 1945 über die Aufhebung von Strafurteilen und die
Einstellung von Strafverfahren (Aufhebungs- und Einstellungsgesetz), StGB!. Nr.
48/1945;
- das
Bundesgesetz vom 21. Dezember 1945, betreffend die Einstellung von
Strafverfahren und die Nachsicht von
Strafen für Kämpfer gegen Nationalsozialismus
und Faschismus, BGBl. Nr. 14/1946;
- das
Bundesgesetz vom 6. März 1946 über die Einstellung von Strafverfahren,
die Nachsicht von Strafen und die
Tilgung von Verurteilungen aus Anlass der
Befreiung Österreichs (Befreiungsamnestie), BGBl. Nr. 79/1946;
- das
Bundesgesetz vom 12. Juli 1950 über die Einstellung von Strafverfahren,
die Nachsicht von Strafen und die Tilgung
von Verurteilungen aus Anlass der fünften
Wiederkehr des Tages der Befreiung Österreichs (Amnestie 1950), BGBl.
Nr.
161/1950;
- das
Bundesgesetz vom 31. März 1955 über eine Amnestie aus Anlass der
zehnten Wiederkehr des Tages, an
dem die Unabhängigkeit Österreichs
wiederhergestellt wurde (Amnestie 1955), BGBl. Nr. 57/1955;
- das
Bundesverfassungsgesetz vom 14. März 1957, womit Bestimmungen des
Nationalsozialistengesetzes, BGBl.
Nr. 25/1947, abgeändert oder aufgehoben
werden (NS-Amnestie 1957), BGBl. Nr. 82/1957;
das Bundesgesetz vom 14. März 1957
über eine Amnestie für politische
Straftaten (Amnestie 1957), BGBl,
Nr. 83/1957;
- das
Bundesgesetz vom 31. März 1965 über eine Amnestie aus Anlass der
zwanzigsten Wiederkehr des Tages,
an dem die Unabhängigkeit Österreichs
wiederhergestellt wurde und der zehnten Wiederkehr des Tages, an dem der
österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde (Amnestie 1965), BGBl. Nr.
78/1965;
- das
Bundesgesetz vom 30. Oktober 1968 über eine Amnestie aus Anlass des
fünfzigjährigen Bestandes der
Republik Österreich (Amnestie 1968), BGBl. Nr.
385/1968;
- das
Bundesgesetz vom 19. März 1975 über eine Amnestie aus Anlass der
dreißigsten Wiederkehr des Tages, an dem die Unabhängigkeit Österreichs
wiederhergestellt wurde, und der
zwanzigsten Wiederkehr des Tages, an dem der
Österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde (Amnestie 1975), BGBl.
Nr.
200/1975
- das
Bundesgesetz vom 9. Mai 1985 über eine Amnestie aus Anlass der
vierzigsten Wiederkehr des Tages, an dem
die Unabhängigkeit Österreichs wieder-
hergestellt wurde, und der dreißigsten Wiederkehr des Tages, an dem der
österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde (Amnestie 1985), BGBl. Nr.
204/1985.
- Bundesgesetz
vom 19. Mai 1995 über eine Amnestie aus Anlass der
fünfzigsten Wiederkehr des Tages, an dem die Unabhängigkeit Österreichs
wiederhergestellt wurde, und der vierzigsten Wiederkehr des Tages, an dem der
österreichische Staatsvertrag unterzeichnet
wurde sowie aus Anlass des Beitritts zur
Europäischen Union (Amnestie 1995)
Art und Umfang der generellen Gnadenmaßnahmen waren
freilich in den
Amnestiegesetzen, die seit
Wiederherstellung der Republik Österreich im Jahr 1945
erlassen worden sind, sehr unterschiedlich. So war etwa der Umfang der knapp
nach
Beendigung des Zweiten Weltkrieges erlassenen Amnestien größer als jener
der
nachfolgenden
Amnestien, weil auch Härten beseitigt werden sollten, die sich aus
den vergangenen außergewöhnlichen
politischen oder wirtschaftlichen Verhältnissen
ergeben haben. Dem wurde unter anderem auch durch eine generelle
Einstellung
von Strafverfahren wegen strafbarer Handlungen, die vorwiegend als Folge dieser
außergewöhnlichen Verhältnisse begangen worden sind, Rechnung getragen.
Andererseits war aber auch die Amnestie 1985 als
"Einstellungsamnestie"
ausgestaltet, ohne freilich in außergewöhnlichen Verhältnissen oben
beschriebener
Art begründet gewesen zu sein.
II.
Da im Jahr 2005 ein dreifacher Anlass (60-Jahr-Jubiläum der
Unabhängigkeit
Österreichs, 50-Jahr-Jubiläum der Staatsvertragsunterzeichnung und 10-Jahr-
Jubiläum des Beitrittes zur Europäischen Union) gegeben ist, möchte der
vorliegende Antrag an die Tradition des Amnestiegesetzes 1995 anknüpfen und
schlägt daher eine Einstellung von Strafverfahren wegen Straftaten, die schon
vor
langer Zeit begangen worden sind sowie eine
unbedingte Strafnachsicht bei Strafen
vor, die schon vor langer Zeit verhängt, bis heute aber noch nicht
vollstreckt (bzw.
nicht als vollstreckt registriert) worden
sind. Dabei wird - gestaffelt nach der Schwere
der Strafdrohung bzw. der Strafe und dem "Alter" der Straftat
bzw. des
Straferkenntnisses - den Bedürfnissen der Strafregisterbereinigung ebenso
Rechnung getragen wie dem Umstand, dass im Verlauf längerer Zeiträume das
Strafbedürfnis bzw. das Bedürfnis nach Vollstreckung einer Strafe entscheidend
abnimmt. Weiters schlägt der Entwurf - so wie in der Amnestie 1995 - eine
Begünstigung bei der bedingten Nachsicht eines Teiles der Strafe vor. Dabei ist
die
Hälfte der Strafzeit, höchstens aber sechs Monate, für eine Probezeit von (nur)
einem Jahr bedingt nachzusehen.
Der Entwurf sieht - so wie schon die Amnestie 1995 - keine
über das geltende
Tilgungsgesetz hinausgehende Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister
für Verurteilungen vor, weil seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl.
Nr.
605, eine allgemeine gesetzliche Regelung
besteht, die den früher in diesem Bereich
verfolgten Gnadenzielen (Erleichterung des Fortkommens) weitgehend
entspricht.
Härten, die sich im einzelnen, insbesondere mit Rücksicht
auf die nach dem
Entwurf für die Begünstigung maßgeblichen
Stichtage, ergeben können, können zum
Teil von den Gerichten anlässlich der Prüfung einer bedingten Entlassung
und zum
Teil - wie dies auch sonst bei Härtefällen möglich ist - im Gnadenweg behoben
werden.
Die Zuständigkeit des Bundes zur
Gesetzgebung auf dem durch die Vorlage
betroffenen Rechtsgebiet gründet
sich auf Art 10 Abs. 126 und Art. 93 B-VG.
III.
Es besteht eine jahrzehntelange Tradition die
Amnestiegesetze anlässlich
wichtiger staatsrechtlicher und staatspolitisch herausragenden Jubiläen als
Initiativantrag aller im Parlament vertretenen Parteien einzubringen. In der
Vergangenheit wurden die Entwürfe, so etwa für die Amnestien 1985 und 1995,
regelmäßig von den Fachleuten im
Bundesministerium für Justiz vorbereitet und in
der Folge den Parlamentsklubs übermittelt, als Allparteienanträge im
Nationalrat
eingebracht und mit einstimmiger
Beschlussfassung im Nationalrat und Bundesrat
verabschiedet.
Im Vorfeld dieses Gesetzesvorschlages
hat es sowohl zwischen den
JustizsprecherInnen der
Parlamentsfraktionen als auch mit dem Bundesministerium
für Justiz informelle Vorbesprechungen
gegeben. Zum derzeitigen Zeitpunkt besteht
aber leider weder seitens der Regierungsfraktionen noch der
Bundesministerin für
Justiz eine Bereitschaft anlässlich des Jubiläumsjahres 2005, die
jahrzehntelange
Tradition in Österreich beizubehalten.
Aus Gründen der historischen Daten (27. April und 15. Mai)
und den
anzupeilenden Daten für das Wirksamwerden der Amnestie 2005 drängt die Zeit.
Daher kann der Antrag nicht als Allparteieninitiative eingebracht werden, was
wir
ausdrücklich bedauern. Ausdrücklich betont sei aber, dass wir nach wie vor eine
Allparteienregelung anstreben und eine
solche auch im Sinne der jahrzehntelangen
österreichischen Tradition für höchst wünschenswert ansehen.
Der Entwurf ist orientiert sich an der Amnestie 1995. Wir wollen an dieser
Stelle
ausdrücklich auf die Bereitschaft
der EinbringerInnen zu und der Notwendigkeit von
weiteren Parteiengesprächen hinweisen. Insbesondere besteht hinsichtlich
einiger
Fragen noch besonderer Diskussionsbedarf: zum Einen muss geprüft werden, ob
eine
Sonderregelung für nach der gesetzlichen Regelung für vorrübergehende
Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubes gewährten Strafaufschub in die zu
schaffende gesetzliche Regelung aufgenommen
werden soll. Zum Anderen betonen
wir die Bereitschaft für Modifikationen des Umfanges der vorgeschlagenen
Regelungen, etwa Einschränkungen für bestimmte schwere Gewalt- oder
Sexualdelikte und für besonders schweren WiederholungstäterInnen oder bei
Delikten mit bestimmten Opfergruppen, zB Ausnahmen für das Nichteinleiten von
Strafverfahren bei Minderjährigkeit des Opfers zum Tatzeitpunkt.
IV.
Zu den einzelnen Bestimmungen ist folgendes auszuführen:
Zu§1:
Aus den einleitend dargelegten
Gründen soll unter gewissen Voraussetzungen
von der Einleitung eines
Strafverfahrens abgesehen oder ein bereits eingeleitetes
Strafverfahren eingestellt werden. Der Einstellung und dem Verzicht auf die
Einleitung eines Strafverfahrens sollen bestimmte gerichtlich strafbare
Handlungen
unterliegen, die vor den im Abs. 1 Z1 bis 3
genannten Stichtagen begangen worden
sind, und zwar unabhängig davon, ob dem Beschuldigten (Angeklagten) auch noch
andere, nicht der Amnestie unterliegende strafbare Handlungen zur Last liegen.
Der
Begünstigung durch Einstellung sollen grundsätzlich nur Strafverfahren wegen a
m t
s w e -g i g zu verfolgender gerichtlich strafbarer Handlungen
(einschließlich
Antrags- und Ermächtigungsdelikte) unterliegen.
Soweit auf die Strafdrohung
abgestellt ist/(Z 1 bis 3), ist die Strafdrohung maß-
gebend, die nunmehr anzuwenden wäre. Sie bestimmt sich wohl in der Mehrzahl der
Fälle einer inzwischen erfolgen
Gesetzesänderung nach dem neuen Gesetz, dann
aber nach dem zur Tatzeit geltenden Gesetz,
wenn dieses in seinen Gesamtauswir-
kungen für den Täter günstiger war als das neue (vgl. § 61 StGB).
Zu § 2:
Unter bestimmten Voraussetzungen soll eine vollständige
Strafnachsicht dem
Umstand Rechnung tragen, dass nach dem Verstreichen einer langen Zeitspanne
seit dem Urteil das Bedürfnis nach Vollstreckung der Strafe beträchtlich
abnimmt.
Deshalb schlägt die Bestimmung ein
abgestuftes System vor, das auf den Zeitablauf
(von einem bis zu drei Jahrzehnten) und auf die Höhe der verhängten
Strafe (von
Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen mit nicht mehr als einem Jahr bis
zu
solchen mit nicht mehr als fünf Jahren) abstellt. Geldstrafen werden von dieser
Regelung nur selten betroffen sein, weil
das Straferkenntnis bereits vor langer Zeit in
Rechtskraft erwachsen sein muss und nach § 409a StPO bei der Entrichtung einer
in
Tagessätzen bemessenen Geldstrafe in Teilbeträgen ein Aufschub von
höchstens
zwei Jahren bzw. bei einer nicht in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe ein
Aufschub von höchstens fünf Jahren möglich ist.
Es ist aber auch darauf zu verweisen, dass durch diese
Regelung nicht nur
einzelne (Gnaden-)Fälle erfasst werden, in
denen sich Personen - auf welche Weise
auch immer (etwa durch Rückreise in das Heimatland) - der
Strafverfolgung
entzogen haben, sondern auch solche, in denen
im Strafregister aus administrativen
Gründen bisher noch kein Vollzugsdatum aufscheint (trotz Vorliegen der
Voraussetzungen der
Vollstreckungsverjährung, bisweilen sogar trotz Vollzuges der
Strafe).
Sollten im Einzelfall mehrere Verurteilungen die Voraussetzungen
einer
solchen Straf nachsieht erfüllen, so kommt
eine Zusammenrechnung der Strafen aus
Gründen der technischen Vollziehbarkeit der Regelung im Strafregister ist er
nicht in
Betracht (Abs. 2),
Zu § 3:
Alle Freiheitsstrafen, die vor dem
27. April 2005 rechtskräftig verhängt und zum
Zeitpunkt des (nur in diesem Zeitpunkt gestaffelten) Wirksamwerdens der
Amnestie
noch
nicht zur Gänze vollstreckt wurden, werden von der bedingten Strafnachsicht
begünstigt. Danach ist die Hälfte
der Strafzeit, höchstens aber sechs Monate, für
eine Probezeit von (nur) einem Jahr bedingt nachzusehen. Begünstigt sind alle
Freiheitsstrafen, die (für sich genommen) zehn Jahre nicht übersteigen. Für die
Wirkung der Amnestie ist es nicht maßgeblich, ob diese Freiheitsstrafe bereits
angetreten worden ist oder nicht.
In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die
Zuweisung an den
Justizausschuss
vorgeschlagen.