590/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 07.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Rest-Hinterseer, Freundinnen und Freunde
betreffend ein konkretes Maßnahmenpaket für
mehr Verkehrssicherheit
Österreich liegt
im Bereich der Verkehrssicherheit im internationalen Vergleich im
negativen Spitzenfeld. So ist z.B. das mittlere Unfallrisiko der Bevölkerung in
Österreich mit ca. 5,4 Unfällen pro 1.000 Einwohner höher als in allen anderen
europäischen Staaten; auch das Verhältnis
Unfallzahlen zu Kfz-Bestand bescheinigt
Österreich mit 10,3 Verunglückten pro 1.000 Kfz einen europäischen
Negativrekord.
Die nackten
Zahlen haben dramatische Auswirkungen: Alle zehn Minuten
verunglückt in Österreich ein/e Verkehrsteilnehmerin. Jährlich sind rund 900
Todesopfer und zigtausende Verletzte zu beklagen. Die Zahl der Getöteten im
Vergleich über mehrere Jahre hinweg stagniert auf hohem Niveau bzw. sinkt nur
minimal. Dieser viel zu geringe
„Fortschritt" ist primär der besseren und schnelleren
Erstversorgung und dem medizinischen Fortschritt zu verdanken, wie die
unverändert hohe Unfallzahl, die permanente Zunahme von Verletztenzahlen,
schweren Verletzungen und Langfrist- oder
Dauerinvalidität belegen. Dies hat auch
die jüngste Unfallbilanz mit ihren Zunahmen bei bekannt kritischen
Verursachergruppen und Unfallursachen sowie
bei den Unfall- und Verletztenzahlen
bestätigt. Selbst nach den vorsichtigen Berechnungen des BMVIT selbst
betragen
die Gesamtkosten alleine für Unfälle im
Straßenverkehr in Österreich über 3,6 Mrd.
Euro jährlich. Da die Verkehrsteilnehmer diese Kosten nur teilweise
tragen, ist dies
nicht zuletzt ein wesentlicher Grund für Defizite bei Krankenversicherungen und
Spitalserhaltern.
Der Zwang zum Handeln könnte kaum größer sein, die Regierungsparteien
zeigen
dennoch Scheu vor konsequenten und
zielführenden Maßnahmen. Dies ist umso
unverständlicher, als aus anderen Staaten
zahlreiche spannende Ansätze für mehr
Verkehrssicherheit bekannt sind. Darunter unter anderem
+ die „Vision Zero" für Opfer-
und Unfallzahlen als Oberziel, wie sie zB in Schweden
Leitlinie des staatlichen Handelns
ist,
+ der in vielen Staaten längst mit
nachweisbarem Erfolg gegen die Minderheit der
Hochrisikolenkerlnnen
und WiederholungstäterInnen und auch zur
Bewusstseinsbildung bei
„neuen" Delikten eingesetzte Punkteführerschein,
+ die Beschlagnahme von Fahrzeugen
bei schweren oder „vorsatz-artigen" Delikten
als wirkungsvolles zusätzliches Mittel der Disziplinierung,
+ eine angemessene Höhe und
Valorisierung von Verkehrsstrafen, die (Beispiel
Alkoholdelikte) gemessen an der Entwicklung der Einkommen nur mehr einen
Bruchteil der Höhe etwa der
Sechzigerjahre haben,
+ gezielte Konzentration der
Ressourcen auf das Zurückdrängen besonders
unfallträchtiger
„Massendelikte" wie Alkohol am Steuer oder überhöhte
Geschwindigkeit,
+ die Erhöhung der
Wahrscheinlichkeit, bei einem Delikt ertappt zu werden, durch
entsprechende Maßnahmen bei
Personalstand, Ausbildung, Motivation und
Ausrüstung der Exekutive.
Für die Grünen
ist die Verkehrssicherheit - entsprechend dem Staatsziel der
Bundesverfassung, die Sicherheit der
Bevölkerung zu gewährleisten - eine zentrale
Aufgabe der Verkehrspolitik. Menschenleben zu retten, Invalidität zu
verhindern,
Unfälle zu vermeiden muß Priorität bekommen.
Dazu braucht es
neben entsprechender Gestaltung der großen Linien der
Verkehrspolitik - etwa der Förderung
sicherer Verkehrsträger und Mobilitätsformen,
wie des Umweltverbundes
Öffis/Radfahren/Zufußgehen - Beiträge zur
Verkehrssicherheit auf allen Ebenen. Diese dürfen sich nicht, wie
seitens der
Regierungsparteien vorexerziert, auf
wortgewaltige Ankündigungen („Halbierung der
Toten") beschränken und ansonsten unter ferner liefen rangieren.
Alibi-Aktivitäten
wie die jüngst abgefeierte minimale Erhöhung der weiterhin viel zu niedrigen
Verkehrsstrafen oder das teilweise Kompensieren der für die Verkehrssicherheit
völlig kontraproduktiven Personaleinsparungen bei der Exekutive nach
jahrelanger
Kritik sind eine Verhöhnung der Unfallopfer. Besonders fehl am Platz ist die
jahrelange Verzögerung sinnvoller Maßnahmen, sei es wegen
Lobbyrücksichtnahmen (Bsp. Alkohol am Steuer) oder wegen parteipolitisch
motivierter Eitelkeiten (Bsp.
Punkteführerschein - 10 Jahre Debatte heißt 1000
vermeidbare Todesopfer!). Im Sinne einer effizienten
Verkehrssicherheitspolitik bei
weitem unzureichend ist das Zurückziehen auf technische Lösungen, die entgegen
der realen Verteilung der Unfallursachen auch das „Österreichischen
Verkehrssicherheitsprogramm 2001" dominieren.
Nicht zuletzt
macht die krasse Verfehlung von Pfad (2004 - minus 25% bei den
Unfalltoten im Vergleich zu 2001) und Ziel
(2010 - minus 50%) des Österreichischen
Verkehrssicherheitsprogramms zusätzliche entschiedene Maßnahmen dringend
nötig.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehrs,
Innovation
und Technologie im Zusammenwirken
mit dem Bundesminister für Inneres wird
aufgefordert, zum Schutz und zur Sicherheit der gesamten Bevölkerung und
zugunsten der großen disziplinierten Mehrheit der VerkehrsteilnehmerInnen ein
Verkehrssicherheitspaket mit folgenden vorrangigen Maßnahmen dringend
umzusetzen:
•
Langfristiges
Ziel: Vision Zero - keine Toten oder Schwerverletzten im
Straßenverkehr, Tote dürfen kein
obligatorischer Nebeneffekt der Mobilität
sein;
•
Verkehrssicherheits-Kampagnen
zur Änderung von Mentalitäten und
Verhaltensweisen, u.a. zu Alkohol, Rasen,
Gurtanlegen, Handy am Steuer;
•
Einführung des
Punkteführerscheins mit dem Fokus auf Prävention, rasche
Bewusstseinsbildung bei neuen gefährlichen
Delikten und gezielten Zugriff bei
Hochrisikolenkerlnnen und WiederholungstäterInnen;
•
Schwerpunktaktion für Kindersicherheit
•
Verkehrssicherheitsbeiträge statt Strafverfügungen, österreichweit
einheitliche
deutlich angehobene Mindesthöhen
und in der Folge Valorisierung der
Strafsätze, Zweckwidmung von Bundesanteilen der
Strafgelder/Verkehrssicherheitsbeiträge für Verkehrssicherheitsmaßnahmen;
•
Anpassung insbesondere des Strafniveaus und der Toleranzgrenzen bei
Geschwindigkeitsübertretungen
mindestens auf EU-Niveau;
•
Section-Control gegen Raser;
•
intensivierte Kontrolltätigkeit im Bereich Alkohol, denn seit 1998
steigt die Zahl
der Alkoholunfälle (30% der „Alleinunfälle");
•
Gelbe Karte für Wiederholungstäter (jeder 5. alleinverunfallte
Alko-Lenker ist
ein „Wiederholungstäter") in
Form der befristeten Beschlagnahme des
Fahrzeugs verfassungsrechtlich ermöglichen;
•
Gelbe Karte für gewerbliche Sicherheits- und Sozialdumper (zB
Überschreitung
der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten) durch Verankerung
des Absteilens des Fahrzeugs über
Gefahrguttransporte und inländische
Betroffene hinaus;
•
regelmäßige Erhebung der Quoten bei Alkohol am Steuer wie in anderen
EU-
Ländern;
•
Mehrphasenausbildung: Verlängerung des Zeitraums für den Führerschein
auf Probe von 2 auf mehr Jahre
(Möglichkeit einer Verkürzung durch
Pluspunkt);
•
Kontrolldichte bei Telefonieren mit Handy am Steuer erhöhen, Prüfung
eines
generellen Telefonierverbots am Steuer;
•
rechtliche Stärkung des Fußgänger- und Radverkehrs;
•
Förderung des
sicheren Öffentlichen Verkehrs durch eine Struktur- und
Finanzierungsreform mit dem Ziel einer
Angebots- und Qualitätsoffensive
•
Schwerpunktaktion zur Hebung der LKW-Verkehrssicherheit, unter anderem
durch sanktionierte zahlenmäßig definierte Abstandsregeln insbesondere im
hochrangigen Netz, durch Maßnahmen
zur nachhaltigen Senkung des
Unfallrisikos bei Klein-LKW und durch Intensivierung der Kontrollen;
•
Prüfung der generellen Senkung der Tempolimits für Kfz;
•
Prüfung der weiteren Absenkung des Alkohollimits;
•
offensives Betreiben einer ambitionierten
verkehrssicherheitspolitischen Linie
auf EU-Ebene, u.a. hinsichtlich einer Verschärfung der Kuhfänger-Regelung;
•
gesetzliche Verankerung der Verkehrsstatistik, Prüfung der
Wiederaufnahme
der aus Kostengründen eingestellten
Sachschadensstatistik;
•
Durchforstung des Schilderwaldes.
Die
Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation
und Technologie und der Bundesminister für
Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft werden außerdem dringend aufgefordert, angesichts der mehreren
tausend Todesopfer und mehreren zehntausend Krankheitsfälle infolge der
maßgeblich aus dem Verkehr stammenden Luftverschmutzung und Lärmbelastung
umgehend glaubwürdige Schritte gegen das Feinstaubproblem sowie zur Senkung
der Belastung der Menschen in Österreich
mit Luftschadstoffen und Lärm zu setzen.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.