643/A XXII. GP

Eingebracht am 09.06.2005
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ANTRAG

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Medizinhaftungsgesetzes (MedHG) geschaffen wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesgesetz, mit dem ein Medizinhaftungsgesetz (MedHG) geschaffen wird

 

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

§ 1: Haftung für Behandlungsschäden

(1) Dieses Gesetz regelt die Haftung für Personenschäden, die im Zusammenhang mit dem Erbringen einer medizinischen oder pflegerischen Leistung entstanden sind.

 

(2) Für die rechtliche Beurteilung solcher Schäden gelten, sofern dieses Gesetz nichts anderes anordnet, die Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

 

§ 2: Behandlungsschaden

(1) Ein Behandlungsschaden ist eine körperliche oder psychische Beeinträchtigung, die ein Mensch im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Erbringen einer medizinischen oder pflegerischen Leistung erleidet.

(2) Auszugehen ist vom jeweils zumutbaren medizinischen oder sonstigen Standard.

(3) Behandlungsschäden gleichgestellt ist die Verletzung von Aufklärungs-, Dokumentations- und Meldepflichten.

(4) Ein Behandlungsschaden ist anzunehmen, wenn ein Zusammenhang im Sinne des Abs 1 wahrscheinlich ist.

 

§ 3: Haftungsablöse – ausschließliche Haftung der Risikogemeinschaft

Für Behandlungsschäden haftet gegenüber Geschädigten nicht die Verursacherin oder der Verursacher des Behandlungsschadens, sondern nur die Risikogemeinschaft.

 

§ 4: Regress

(1) Wurde ein Behandlungsschaden grob fahrlässig herbeigeführt, steht der Risikogemeinschaft gegen die Schädigerin oder den Schädiger ein Anspruch auf Rückersatz der gemachten Aufwendungen zu. Wurde eine Aufklärungs-, Dokumentations- oder Melde- pflicht verletzt, steht der Risikogemeinschaft immer ein Regressanspruch gegen die Verletzerin oder den Verletzer zu; dasselbe gilt, wenn die handelnde/n Person/en ihrer Meldepflicht gegenüber der Risikogemeinschaft nicht nachkommt/en (§ 5 Abs 4)

 

(2) Der Rückersatzanspruch der Risikogemeinschaft kann unter sinngemäßer Anwendung des § 2 DNHG gemäßigt oder ganz erlassen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, ob künftig durch organisatorische oder qualitätssichernde Maßnahmen derartige Schäden weitgehend vermieden oder doch wesentlich gemindert werden können. Die Schädigerin oder der Schädiger kann aber von der Risikogemeinschaft dazu verhalten werden, für eine bestimmte Zeit, einen erhöhten Beitrag an die Risikogemeinschaft zu entrichten. Zu berücksichtigen ist dabei, ob durch den Behandlungsschaden im Einzelfall oder darüber hinaus die Arzt-Patient-Beziehung gröblich verletzt wurde.

 

§ 5: Mitgliedschaft und Organisation der Risikogemeinschaft

(1) Mitglieder der Risikogemeinschaft sind: Selbständige und angestellte Ärztinnen oder Ärzte, Krankenanstalten aller Art (einschließlich Kuranstalten und Sanatorien), der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger, alle Kranken- und Altenpflegeberufe, Arzneimittel- und medizinische Gerätehersteller, Inhaber von Apotheken und ihr Personal, Hebammen, klinische Psychologinnen und Psychologen, Psychotherapeutinnen und –therapeuten, medizinisch-technische Dienste, Heilmasseure und Rettungsdienste sowie Patientinnen und Patienten.  Die Risikogemeinschaft kann neue Mitglieder aufnehmen.

 

(2) Mit der Aufnahme eines Berufs oder einer Tätigkeit nach Abs 1 unterliegt eine Person den Regeln dieses Gesetzes und wird Mitglied der Risikogemeinschaft. – Die Risikogemeinschaft ist Rechtsperson und regelt als Selbstverwaltungskörper mit Verordnung ihre innere Organisation und insbesonders das anteilsmäßige Aufbringen der nötigen finanziellen Mittel durch ihre Mitglieder.

 

(3) Der Risikogemeinschaft obliegt es, an der Feststellung von Behandlungsschäden nach diesem Gesetz mitzuwirken, festgestellte Schäden zu liquidieren sowie ihren Mitgliedern qualitätssichernde Maßnahmen vorzuschlagen. Sie hat jedes Jahr einen Bericht an den zuständigen Bundesminister für das Bundesgebiet zu erstellen, der die Behandlungsschäden beschreibt, analysiert und Abhilfemaßnahmen vorschlägt. Darin ist die Schadensentwicklung in Österreich mit der in anderen Ländern zu vergleichen. Der Entwicklung der Arzt-Patient-Beziehung ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

 

(4) Mitglieder der Risikogemeinschaft sind verpflichtet, unterlaufene Fehler und den möglichen Eintritt von Behandlungsschäden unverzüglich der Risikogemeinschaft zu melden; (§ 4 Abs 1).

 

(5) Die Beiträge der Mitglieder der Risikogemeinschaft werden von der Risikogemeinschaft nach folgenden Grundsätzen festgelegt und im Umlageverfahren aufgeteilt. Dabei können unter Berücksichtigung der Schadensentwicklung Zuschlags- und Abschlagssysteme angewandt und Auflagen gemacht werden.

 

§ 6: Anspruchsdurchsetzung – Aufgaben der Patientenvertretung

(1) Die gesetzliche Patientenvertretung eines jeden Bundeslandes nimmt Beschwerden von Patientinnen und Patienten entgegen (§ 11e KAG) und unterstützt diese beim Erheben des festzustellenden Sachverhalts. Sie kann sich dabei sachverständiger Hilfe bedienen.

 

(2) Die zuständige Patientenvertretung erstellt auf Antrag einer geschädigten Person oder von deren Angehörigen innerhalb von sechs Monaten einen Entschädigungsvorschlag, der als Grundlage für die Verhandlungen mit der Risikogemeinschaft dient. Diese Frist kann im Einvernehmen mit der Antragstellerin oder dem Antragsteller erstreckt werden.

 

(3) Der Entschädigungsvorschlag der Patientenvertretung ist der Risikogemeinschaft zu übermitteln, die den Vorschlag binnen sechs Wochen zu prüfen hat. Die Patientenvertretung hat innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Äußerung der Risikogemeinschaft einen Erledigungstermin anzuberaumen.  Ein Nichtäußern der Risikogemeinschaft gilt als Ablehnung des Vorschlags.

 

(4) Äußert sich die Risikogemeinschaft nicht oder kann keine einvernehmliche Lösung zwischen der Antragstellerin oder dem Antragsteller und der Risikogemeinschaft gefunden werden, so hat die Antragstellerin oder der Antragsteller innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Scheitern der Verhandlungen oder dem Feststehen der Nichtäußerung der Risikogemeinschaft, eine Klage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben.

 

(5) Bedient sich eine Patientin oder ein Patient nicht der Patientenvertretung, sondern bspw eines Rechtsanwalts, so hat die Partei selbst die nötigen Unterlagen einzuholen und den Entschädigungsvorschlag zu erstellen. Im übrigen gelten die Bestimmungen dieses Paragraphen entsprechend auch für diese Form der Anspruchsdurchsetzung.

 

§ 7: Mediation, Schlichtung

Die Antragstellerin oder der Antragsteller kann verlangen, dass der Einigungsversuch über das Vorliegen und den Umfang eines Behandlungsschadens (§ 6) in einem Mediations- oder Schlichtungsverfahren unter Zugrundelegung des Entschädigungsvorschlags der Patientenvertretung getroffen wird. Die Kosten dieses Verfahrens trägt die Risikogemeinschaft.

 

§ 8: Anwendungsbereich des Gesetzes

Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten auch für Schäden aus Organtransplantationen, Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin und für Probanden im Rahmen medizinisch-pharmazeutisch-klinischer Prüfungen sowie für die Mitglieder von Ethikkommissionen im Rahmen ihrer Tätigkeit.

 

§ 9: Zuständigkeit – amtswegige Wahrheitsfindung

(1) Die gerichtliche Entscheidung über die Entschädigung von Behandlungsschäden obliegt den Sozialgerichten. (§ 6 Abs 4.)

 

(2) Für die Rechtsfindung nach diesem Gesetz gilt der Grundsatz amtswegiger Wahrheit.

 

(3) Die Kosten für die Einschaltung von Sachverständigen und allfällige sonstige Kosten im Rahmen der Anspruchsprüfung trägt die Risikogemeinschaft.

 

§ 10: Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ...1.7.2006......... in Kraft.

 

§ 11: Vollzugsklausel

Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Bundesministerin für ..Justiz. betraut.

 

 

 

Begründung:

 

1. Das Modell der neuen Medizinhaftung beruht auf dem Grundgedanken einer Haftungsablöse des Schädigers (in der Regel Arzt oder Krankenanstalt) gegenüber Patienten und einer Gruppen- oder kollektiven Schadenstragung durch eine Risikogemeinschaft der potentiell Haftpflichtigen. Dadurch würde die bisherige haftungsrechtliche und prozessuale Konfrontation von Arzt / Krankenanstalt und Patient in ein Miteinander zum Wohle beider Seiten gewandelt. Dies förderte die Chance einer menschlichen Entwicklung der Arzt-Patient-Beziehung. (Eine Beweislastumkehr dagegen unterläuft die Zielsetzungen dieser Beziehung ebenso, wie die – wenn auch in abgeschwächter Form – gegenwärtige Rechtslage.) – Da an die 90% aller Behandlungsschäden leicht fahrlässig verursacht werden, entfällt nach diesem Modell in diesem Ausmaß auch die Regresshaftung des Schädigers gegenüber der Risikogemeinschaft; dazu auch Pkt 2, wo auch eine Regressvariante angesprochen wird. Leicht fahrlässig verursachte Behandlungsfehler, die allein durch die akzelerierte technische Entwicklung der Medizin kaum zu vermeiden sind, haben dann für den Behandler / Schädiger keine existenzgefährdende Bedeutung mehr. Das wirkt auf die Arzt-Patient-Beziehung klimaverbessernd, während gegenwärtig jeder geltend gemachte Behandlungsfehler – und erst recht jeder Prozess – die genannte Beziehung individuell wie kollektiv negativ auflädt.

 

Für eine Haftungsablöse spricht auch der Umstand, dass auch die Arzt-Patient-Beziehung, wie die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung, oft eine Dauerbeziehung ist, die es zu erhalten und nicht zu zerstören gilt. – Das vorgeschlagene Modell will Arzt / Krankenanstalt etc zu Partnern der Schadensabwicklung machen und nicht – wie im allgemeinen Schadenersatzrecht – als Gegner sehen, der mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die drohende Haftung bekämpft.

 

2. Trotz dieser Konstruktion wird nicht auf eine spezifische und effiziente Überprüfung des Kausalzusammenhangs von Behandlungsschäden und geschütztem Risikobereich verzichtet. Dies ermöglicht eine zielsichere und adäquate Schadenszurechnung bei gleichzeitiger Ausschaltung eines quantitativen und finanziellen Ausuferns geltend gemachter Ansprüche.

Inhaltlich ist ein Behandlungsschaden anzunehmen, wenn er örtlich, zeitlich und ursächlich mit dem jeweiligen medizinischen Risikobereich zusammenhängt. Entschädigt werden Behandlungsschäden nach den Grundsätzen der §§ 1325 ff ABGB, was Schmerzengeldansprüche einschließt (§ 1 Abs 2). – Gleichgestellt wird den Behandlungsschäden nach § 2 Abs 3 die Verletzung von Aufklärungs- und Dokumentationspflichten. § 2 Abs 2 stellt klar, dass als Haftungsmaßstab der jeweils zumutbare medizinische Standard dient.

Das vorgeschlagene Modell trägt auf der Regressebene (das betrifft die verbleibenden ca 10% nicht nur leicht fahrlässig zugefügter Behandlungsschäden) dem Gedanken der Prävention Rechnung, weil für die Beziehung zwischen Schädiger (Arzt / Krankenanstalt etc) und Haftungs- oder Risikogemeinschaft – dazu gleich mehr – ein allfälliges Verschulden, wenn auch reduziert auf grobe Fahrlässigkeit, beachtlich bleibt. (Diese verbleibende „Resthaftung“ auf der Regressebene dürfte jedoch nicht existenzgefährdend ausgestaltet werden, sondern hätte dem Gesamtsystem insbesonders der Qualitätssteigerung des Systems zu dienen; vgl Pkt 6.) – Künftig könnten hier effizient neue qualitätssichernde Maßnahmen in das System integriert und systemkonform angewandt werden. Diesem Ziel dient auch die vorgeschlagene unverzügliche Meldepflicht möglicher Behandlungsschäden nach § 5 Abs 4 iVm § 4 Abs 1 des Entwurfs.

 

[Da in der Medizinhaftung die Gruppe der Ärzte und Krankenanstalten nicht (wie in der gesetzlichen Unfallversicherung die Arbeitgeber) allein die Beiträge entrichtet, könnte allenfalls überlegt werden, den Regress nicht nur auf grobe Fahrlässigkeit zu beschränken, sondern auch auf (bestimmte?) Fälle leichter Fahrlässigkeit auszudehnen. Das würde allerdings die Attraktivität des Modells für Ärzte / Krankenanstalten etc deutlich mindern.]*

 

3. Als (neuer) organisatorischer Haftungsträger fungiert eine Risikogemeinschaft, die eine Gemeinschaft aller potentiell Haftpflichtigen – und allenfalls darüber hinaus, weiterer Betroffener wie der Patientinnen und Patienten sowie der Sozialversicherungsträger – sein soll und selbständige wie angestellte Ärzte ebenso umfasst wie Krankenanstalten, Krankenpflegepersonal, pharmazeutische Unternehmen, Apotheken, Rettungsdienste sowie therapeutische, psychologische oder medizintechnische Dienste, wobei die Möglichkeit künftiger sukzessiver Einbindung besteht.

 

Die Mitglieder der Risikogemeinschaft zahlen künftig ihre Beiträge an die Risikogemeinschaft und nicht mehr – wie bisher – an allfällige andere / private Versicherungsträger. Das Aufbringen der Beiträge erfolgt nach einem zu vereinbarenden „Schlüssel“ durch die Mitglieder der Risikogemeinschaft, die jährliche Kostenaufteilung auf die Mitglieder im Wege eines Umlageverfahrens. Dadurch wird das Interesse der Mitglieder der Risikogemeinschaft an einer schlanken Verwaltung ebenso gefördert wie das einer effizienten Qualitätssicherung, die auf die Summe der auszuzahlenden Entschädigungen zurückwirkt. Die Finanzierbarkeit erscheint dadurch ohne unzumutbare Belastungen möglich. Vgl auch Pkt 2.

 

Dem Konzept der Risikogemeinschaft liegt die Überlegung zu Grunde, dass der disziplinäre und insbesonders der (gen)technisch-medikamentöse Fortschritt der Medizin eine Individualhaftung fragwürdig erscheinen lässt, weshalb der Weg einer Gruppen- oder Kollektivhaftung gewählt wird. Eine solche Präventionslösung besitzt den Vorteil, auch – ja vor allem – die großen medizinischen Institutionen in das Präventionskonzept organisatorisch einbinden zu können. Eine Gruppen- oder Kollektivhaftung vermeidet auch ein haftungsrechtliches, weil von der privaten Haftpflichtversicherung nicht gedecktes, überfordern einzelner Schädiger durch ihre Einbindung in die Risikogemeinschaft. Das rechtfertigt eine Haftungsablöse im Bereich leicht fahrlässig zugefügter Behandlungsfehler. – Es gibt dann auch keine Flucht mehr in die Insolvenz einzelner Unternehmen, mit der von Haftungen betroffene Unternehmen in der Vergangenheit zumindest gedroht haben.

 

Die Risikogemeinschaft als Drehscheibe der Qualitätssicherung:

Die Risikogemeinschaft ist der Schlüssel für eine neue und moderne, das bisherige Konzept weiterdenkende Qualitätsentwicklung: Nicht mehr der/die einzelne Betroffene (Arzt, Krankenanstalt etc) stellt Überlegungen für mehr Qualität und Fehlerbeseitigung an, sondern alle in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Institutionen. Das Zusammenfassen der potentiell Haftpflichtigen in der Risikogemeinschaft bietet die große Chance einer Neuorientierung des Qualitätsdenkens. Der Gedanke der Qualitätsförderung und -sicherung könnte erstmals in das (Haftungs)„System“ selbst integriert werden und nicht nur von außen an dieses herangetragen werden. – Nicht mehr der einzelne Haftpflichtige überlegt allfällige Abhilfe von Fehlern und Systemschwächen, sondern das Know-How aller Gemeinschaftsmitglieder tritt an die Stelle der Einzelrecherche. – Nachdem keines der Mitglieder der Risikogemeinschaft gerne höhere Beiträge zahlt, bietet die Gemeinschaft die Chance einer effizienten Fehlerkontrolle und Fehlerbeurteilung. Die Arbeit der einzelnen Träger wurde national und über die Grenzen Österreichs hinweg einsehbar und vergleichbar. Wünschenswert wäre es dabei, im Schoße der Risikogemeinschaft eine kleine aber effiziente Arbeitsgruppe für Qualitätssicherung einzusetzen, welche die einschlägigen Daten sammelt, auswertet, interpretiert und jährlich in einer Tagung präsentiert, um in der Folge die Risikogemeinschaft in die Lage zu versetzen, geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. – Dabei könnte sich bewahrheiten, dass das Ganze mehr als seine Teile ist.

 

4. § 6 des Entwurfs regelt die Anspruchsdurchsetzung und die Aufgaben der Patientenvertretung. Dabei werden die Aufgaben der Patientenvertretung als Organ der Vertretung von Patienten/innen klar den Aufgaben und der Interessenvertretung der Risikogemeinschaft gegenübergestellt und dabei Mehrspurigkeiten ebenso vermieden, wie ein zeitraubendes Verfahren. Gilt doch immer noch der Grundsatz: Doppelt gibt, wer schnell gibt. – Die Hilfestellung für Patienten/innen durch die Patientenvertretung entspricht dem in diesem Gesetz verfolgten Ziel, Patientinnen und Patienten eine faire und leistbare Entschädigungschance einzuräumen. – Für den Fall, dass Patientinnen oder Patienten ihre Interessen durch einen Rechtsvertreter geltend machen wollen, stellt der Entwurf klar, dass dies möglich ist. Die in § 6 vorgesehenen Regelungen gelten dann entsprechend auch für diese Art der Anspruchsdurchsetzung.

 

5. Der Vorschlag beinhaltet neben einem Verändern des materiellen Rechts auch eine Verlagerung des Verfahrens vom streitigen Zivilprozess in das sozialgerichtliche Verfahren. Dadurch wird das Prozess- und Kostenrisiko beseitigt oder doch weitgehend gemindert; Prinzip der materiellen Wahrheitsfindung und keine prozessuale Beweislast, vielmehr nur Feststellungslast und kein Kostenrisiko von Anspruchswerbern zB bei der wichtigen Gutachtenfinanzierung. Zu denken wäre bspw an eine Kostenpauschalierung für Anwälte; zB Pauschale für drei Termine. Im neuen Verfahren haben alle Teilnehmer zur Entscheidungsfindung beizutragen und es bestünde kein Anwaltszwang. Die vorgeschlagene Lösung bindet die gesetzlich bereits bestehenden Patientenvertretungen nach dem KAG (samt Landesausführungsgesetzen) in die Schadensabwicklung ein, wodurch hohe Kosten eingespart werden können. Dem sozialgerichtlichen Verfahren vorzuschalten wäre eine freiwillige Mediations- oder Schlichtungsinstanz, die verfahrensmindernd wirken kann.

 

6. Das Modell ermöglicht es ferner haftungsmäßig bisher nicht ausreichend oder unbefriedigend gelöste (Rechts)Bereiche zu integrieren: Das gilt für pflegerische Leistungen der Alten- oder Behindertenpflege ebenso (§ 1) wie etwa den Transplantationssektor, die Probandenversicherung oder die Tätigkeit der Mitglieder der Ethikkommissionen (§ 8). Das Einbeziehen dieser Bereiche könnte gleichzeitig mit dem Einführen der neuen Medizinhaftung oder später – sukzessiv – geschehen. Darüber hinaus besteht – wie angedeutet – die einmalige Möglichkeit, in das vorgeschlagene System ein modernes Qualitätssicherungssystem zu integrieren und optimal – das heißt etwa mit System-Incentivs und Bonus-Malus Zu- oder Abschlägen etc – auszugestalten. Danach bilden Haftungssystem, Qualitätssicherung und Prävention eine „natürliche“ Einheit. Zu erinnern ist daran, dass es kein erfolgreicheres Präventionskonzept als das der gesetzlichen Unfallversicherung gibt.

 

7. Der Vorschlag orientiert sich am Vorbild der in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts geschaffenen gesetzlichen Unfallversicherung, die – nach Bismarcks Meinung – nicht dazu dienen sollte, dass jemand am Unglück anderer Menschen verdienen soll. Das erscheint bis heute nicht überholt. Vorbild meint aber nicht sklavische Nachahmung, sondern auch Integration von Neuem und Weiterentwicklung. Das Modell wäre in der Lage, die schon heute absehbare auch weiterhin akzelerierte technisch-organisatorische Entwicklung der Medizin zum Wohle aller an diesem System Beteiligten befriedigend zu lösen und der Menschlichkeit in der Arzt-Patient-Beziehung erneut eine Chance einzuräumen. – Die vorgeschlagene Lösung schüfe für den Medizinsektor Rechtssicherheit und Gerechtigkeit für die absehbare Zukunft. Und dies für alle Beteiligten.

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die Zuweisung an den Justizausschuß vorgeschlagen.