662/A XXII. GP

Eingebracht am 06.07.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANTRAG

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend notwendige Nachbesserungen im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz BGStG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) erlassen wird und das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Artikel 1

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz wird wie folgt geändert:

 

1.Abschnitt (Schutz vor Diskriminierung):

 

1. § 6 Abs. 5 wird um folgenden Satz ergänzt:

 

Für die Beurteilung der Barrierefreiheit ist der jeweilige Stand der Technik maßgeblich.“

 

2.  Im  § 6 Abs. 5 wird  folgender Abs. 6 angefügt:

 

„(6) Zur näheren Regelung der Barrierefreiheit im Sinne des Abs. 5 kann die Bundesregierung nach Anhörung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine Verordnung erlassen, die insbesondere Standards der Barrierefreiheit für die Bereiche Bauen, Verkehr, technische Gebrauchsgegenstände, Informationstechnologie, Systeme der Informationsverarbeitung, Webaccessibility etc. sowie Umsetzungsfristen für bestimmte Standards der Barrierefreiheit normieren kann.“

 

3. § 8 Abs 3 wird wie folgt geändert:

 

„(3) Der Bund verpflichtet sich, die geeigneten und konkret erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um bei der Vergabe von Förderungen an natürliche oder juristische Personen zu gewährleisten, dass die Einhaltung dieses Bundesgesetzes sowie des Diskriminierungsverbots gemäß § 7b BEinstG durch die Förderungswerberin oder den Förderungswerber zu berücksichtigen ist, und dass sichergestellt ist, dass das geförderte Vorhaben den Grundsätzen dieses Bundesgesetzes vollinhaltlich entspricht.“

 

 

4. § 9 wird wie folgt abgeändert und lautet:

 

„Rechtsfolgen bei Verletzung des Diskriminierungsverbots

§ 9 (1) Bei Verletzung des Diskriminierungsverbots gemäß § 4 Abs. 1 in Vollziehung der Gesetze hat die betroffene Person jedenfalls Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

(2) Bei Verletzung des Diskriminierungsverbots gemäß § 4 Abs. 1 in den sonstigen Bereichen hat die betroffene Person jedenfalls Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens, auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung sowie auf Unterlassung und Beseitigung.

(3) Bei einer Belästigung gemäß § 5 Abs. 3 hat die betroffene Person gegenüber der Belästigerin oder dem Belästiger jedenfalls Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens und auf Unterlassung. Neben dem Ersatz eines allfälligen Vermögensschadens hat die betroffene Person zum Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung Anspruch auf angemessenen Schadenersatz, mindestens jedoch auf 400 €.

(4) Ist die Belästigung in Vollziehung der Gesetze erfolgt, besteht der Anspruch auch gegen den zuständigen Rechtsträger.

(5) Bei der Bemessung der Höhe des immateriellen Schadenersatzes ist insbesondere auf die Dauer der Diskriminierung, die Schwere des Verschuldens, die Erheblichkeit der Beeinträchtigung und Mehrfachdiskriminierungen Bedacht zu nehmen.

(6) Als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbots darf die betroffene Person nicht benachteiligt werden. Auch eine andere Person, die als Zeugin oder Zeuge oder Auskunftsperson in einem Verfahren auftritt oder eine Beschwerde einer betroffenen Person unterstützt, darf als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbots nicht benachteiligt werden. Abs. 1 und 2 sowie §§ 12 und 14 ff gelten sinngemäß.“

 

2.Abschnitt (Verfahren):

 

5. Nach § 10 werden folgende §§ 11, 12, 13 und 14 samt Überschriften eingefügt;

die bisherigen §§ 11 bis 20 des Artikel 1  werden zu  §§ 15 bis 24:

 

 

„Revision und Rekurs an den Obersten Gerichtshof

 

§ 11. In Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist eine Revision oder ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof auch bei Fehlen der Voraussetzungen der §§ 502 ff ZPO zulässig.

 

                      

 

Kostenersatzansprüche

 

§ 12. (1) Vorbehaltlich des Abs. 3 hat in einer Rechtsstreitigkeit zwischen einer diskriminierenden Person und einer diskriminierten Person

1. die diskriminierende Person die Kosten, die ihr durch das Verfahren erwachsen sind, ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen; das gilt auch für den Ersatz der Gebühren der Zeugen und Sachverständigen sowie den mit Augenscheinen verbundenen Aufwand;

 

2. die diskriminierte Person gegenüber der diskriminierenden Person Anspruch auf

Ersatz aller ihrer sonstigen durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Verfahrenskosten

a) - vorbehaltlich des Abs. 2 - nach dem Wert des Ersiegten;

b) dem Grunde und der Höhe nach nur nach Billigkeit, wenn sie zur Gänze unterliegt; dabei ist besonders auf die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens sowie auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der diskriminierten Person Bedacht zu nehmen.

(2) Hat die Rechtsstreitigkeit die Feststellung, Unterlassung oder Beseitigung einer Diskriminierung zum Gegenstand, so ist - auch wenn die diskriminierte Person nur teilweise obsiegt - bei der Festsetzung ihres Kostenersatzanspruchs von einem Betrag von 3.600 Euro auszugehen.

(3) Hat die diskriminierte Person der diskriminierenden Person durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung Verfahrenskosten verursacht, so hat sie

diese Kosten der diskriminierenden Person nach Billigkeit zu ersetzen.“

 

                          Gebührenfreiheit

 

§ 13. Schriften, Amtshandlungen und Vollmachten sind von den Gerichts-, Justizverwaltungs- und Stempelgebühren befreit.

 

                 Verständigung vom Verfahrensausgang

 

§ 14. Je eine Ausfertigung der Entscheidung, mit der die Rechtssache betreffend eine Diskriminierung im Sinne dieses Bundesgesetzes für die Instanz vollständig erledigt wird, ist auch dem Behindertenanwalt (§ 13b ff Bundesbehindertengesetz 1990 – BBG 1990) sowie dem  Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz unmittelbar zu übersenden.“

 

6. § 12 wird abgeändert und lautet wie folgt:

 

Beweislast

„§ 12. (1) Wenn sich eine betroffene Person vor Gericht auf eine ihr zugefügte Diskriminierung im Sinne dieses Bundesgesetzes beruft, so hat sie diesen Umstand glaubhaft zu machen. Der beklagten Partei obliegt es außer in den Fällen des Abs. 2 zu beweisen, dass ein anderes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war.

(2) Bei Berufung auf eine Belästigung sowie bei Berufung auf eine Diskriminierung, die durch Barrieren verursacht wird, obliegt es der beklagten Partei zu beweisen, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.“

 

7. § 13 wird abgeändert und lautet:

 

Verbandsklage und Nebenintervention

„§ 13(1) Wird gegen die in diesem Bundesgesetz geregelten gesetzlichen Gebote oder Verbote verstoßen, und werden dadurch die allgemeinen Interessen des durch dieses Gesetz geschützten Personenkreises wesentlich und dauerhaft beeinträchtigt, können die im Bundesbehindertenbeirat vertretenen Organisationen der behinderten Menschen und Kriegsopfer (§ 9 Abs. 1 Z 7 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990), der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern sowie die in § 29 Abs. 1 des Konsumentenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 140/1979, genannten Organisationen eine Klage auf Feststellung einer Diskriminierung aus dem Grund einer Behinderung einbringen.

 (2) Der Behindertenanwalt (Abschnitt Iib des Bundesbehindertengesetzes) kann, wenn es ein/e Betroffene/r verlangt, einem Rechtsstreit zur Durchsetzung von Ansprüchen nach diesem Bundesgesetz als Nebenintervenient (§§ 17 bis 19 ZPO) beitreten.“

 

 

4. Abschnitt (Schlussbestimmungen)

 

8. § 19 wird abgeändert und lautet wie folgt:

 

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

„§ 19. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind hinsichtlich der Barrierefreiheit von Bauwerken, Verkehrsanlagen, Verkehrseinrichtungen und Schienenfahrzeugen, die auf Grund einer nach dem 1. Jänner 2006 erteilten Baubewilligung errichtet bzw. auf Grund einer nach dem 1. Jänner 2006 erteilten Genehmigung oder Bewilligung angeschafft oder in Verkehr gebracht werden, unmittelbar ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anzuwenden.

(3) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes hinsichtlich baulicher Barrieren im Zusammenhang mit Bau­werken, die auf Grund einer vor dem 1. Jänner 2006 erteilten Baubewilligung errichtet wurden, sind bis zum 31. Dezember 2010 nur insoweit anzuwenden, als eine bauliche Barriere rechtswidrig errichtet wurde.

(4) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes hinsichtlich Barrieren im Zusammenhang mit Verkehrs­anlagen, Verkehrseinrichtungen und Schienenfahrzeugen, die vor dem 1. Jänner 2006 auf Grund der ent­sprechenden gesetzlichen Bestimmungen genehmigt bzw. bewilligt wurden, sind bis zum 31. Dezember 2010 nur insoweit anzuwenden, als eine Barriere rechtswidrig errichtet wurde.

(5) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes hinsichtlich Barrieren im Zusammenhang mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen (Abs. 4), die vor dem 1. Jänner 2006 auf Grund der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen zugelassen wurden, sind bis zum 31. Dezember 2008 nur insoweit anzuwenden, als eine Barriere rechtswidrig errichtet wurde.

 

(6) Abs. 3 bis 5 sind nicht anzuwenden,

        1. wenn der zur Beseitigung der dort genannten Barrieren erforderliche Aufwand den Betrag von 3 000 € nicht übersteigt,

        2. wenn die behauptete Diskriminierung nach dem 1. Jänner 2008 erfolgt ist, und der zur Beseitigung der in den Abs. 3 und 4 genannten Barrieren erforderliche Aufwand den Betrag von 5 000 € nicht übersteigt.

 (7) Wird ein Bauwerk, eine Verkehrsanlage, eine Verkehrseinrichtung oder ein Schienenfahrzeug auf Grund einer nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erteilten Bewilligung generalsaniert, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes hinsichtlich baulicher Barrieren bzw. Barrieren betreffend Verkehrsanlagen, Verkehrs­einrichtungen oder Schienenfahrzeuge ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Generalsanierung anzuwenden.

(8) Wird ein Bauwerk auf Grund einer nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erteilten Bau­bewilligung unter Inanspruchnahme von Förderungen aus öffentlichen Mitteln umgebaut oder erfolgt ein entsprechender Zubau, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes hinsichtlich baulicher Barrieren auf die um- bzw. zugebauten Teile des Bauwerks ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anzuwenden; beläuft sich der Um- oder Zubau auf mehr als 50% des Bauwerkes in seiner Gesamtheit, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf das gesamte Bauwerk anzuwenden.

(9) Betreiber von Verkehrseinrichtungen, Verkehrsanlagen oder öffentlichen Verkehrsmitteln sind ver­pflichtet, bis zum 31. Dezember 2006 nach Anhörung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation einen Plan zum Abbau von Barrieren für die von ihnen genutzten Einrichtungen, Anlagen und öffentlichen Verkehrsmittel zu erstellen und die etappenweise Umsetzung vorzusehen (Etappenplan Verkehr).“

 

 

Artikel 2

Das Behinderteneinstellungsgesetz wird wie folgt geändert:

 

1. § 7k wird um folgenden Abs. 6 ergänzt:

 

„(6) Die §§ 11 bis 14 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. XXX/2005, gelten sinngemäß.“

 

2. § 7p wird  abgeändert und lautet wie folgt:

 

Beweislast

„§ 7p. Wenn sich eine betroffene Person vor Gericht auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 7b Abs. 1 oder eine Belästigung (§ 7d) beruft, so hat sie diesen Umstand glaubhaft zu machen. Dem Beklagten obliegt es bei Berufung auf § 7b Abs. 1 zu beweisen, dass ein anderes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war. Bei Berufung auf § 7d sowie bei Berufung auf eine Diskriminierung, die durch Barrieren verursacht wird, obliegt es dem Beklagten zu beweisen, dass die vom Beklagten vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.“

 

 

3. § 7q  wird abgeändert und lautet wie folgt:

 

Verbandsklage und Nebenintervention

„§ 7q. (1) Wird gegen die in diesem Bundesgesetz geregelten gesetzlichen Gebote oder Verbote verstoßen, und werden dadurch die allgemeinen Interessen des durch dieses Gesetz geschützten Personenkreises wesentlich und dauerhaft beeinträchtigt, können die im Bundesbehindertenbeirat vertretenen Organisationen der behinderten Menschen und Kriegsopfer (§ 9 Abs. 1 Z 7 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990), der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern sowie die in § 29 Abs. 1 des Konsumentenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 140/1979, genannten Organisationen eine Klage auf Feststellung einer Diskriminierung aus dem Grund einer Behinderung einbringen.

 (2) Der Behindertenanwalt (Abschnitt Iib des Bundesbehindertengesetzes) kann, wenn es ein/e Betroffene/r verlangt, einem Rechtsstreit zur Durchsetzung von Ansprüchen nach diesem Bundesgesetz als Nebenintervenient (§§ 17 bis 19 ZPO) beitreten.“

 

 

Artikel 3

Das Bundesbehindertengesetz wird wie folgt geändert:

 

1. § 9 Abs. 1 wird die Z 7 wie folgt geändert:

 

„7. neun Vertreter der organisierten Behinderten und der organisierten Kriegsopfer, wobei auf ein ausgewogenes Verhältnis der Vertretung der unterschiedlichen Gruppen von behinderten Menschen sowie auf die Vertretung von Organisationen der Selbstbestimmt-Leben- und der Integrationsbewegung zu achten ist,“

 

2. § 9 Abs. 1 wird um folgende Z 8 ergänzt:

 

„8. der Behindertenanwalt gemäß Abschnitt Iib dieses Bundesgesetzes.“

 

Abschnitt IIb (Behindertenanwalt)

 

3.  § 13c Abs. 1 wird geändert und lautet wie folgt:

 

„(1) Der Behindertenanwalt ist zuständig für die Beratung und Unterstützung von Personen, die sich im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG), BGBl. I Nr. xxx/2005, oder der §§ 7a bis 7q des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung diskriminiert fühlen. Er kann zu diesem Zweck Sprechstunden und Sprechtage im gesamten Bundesgebiet abhalten sowie sich als Nebenintervenient in diesbezüglichen Verfahren anschließen. Der Behindertenanwalt ist in Ausübung seiner Tätigkeit selbständig, unabhängig und an keine Weisungen gebunden.“

 

 

 

 

 

4.  § 13c Abs. 3 wird um folgende Abs. 4 und 5 ergänzt:

 

„(4) Der Behindertenanwalt hat dem Nationalrat einmal jährlich über die Lage und Entwicklung der Gleichstellung und Gleichbehandlung behinderter Menschen in Österreich sowie über wünschenswerte bzw. erforderliche Weiterentwicklungsmaßnahmen in diesem Bereich schriftlich und mündlich zu berichten. Dieser Bericht ist in einer für behinderte Menschen barrierefrei zugänglichen Form zu veröffentlichen.

 

(5) Der Bundesbehindertenanwalt hat auch Sitz und Stimme im Bundesbehindertenbeirat (§ 9) und hat dort insbesondere die Anliegen von behinderten Menschen im Hinblick auf Gleichstellung und Gleichbehandlung zu vertreten.“

 

5. In Artikel 3 lautet § 54 Abs. 9:

 

„(9) § 9 Abs. 1 Z 3, 7 und 8, § 13a Abs. 2, Abschnitt IIb samt Überschrift sowie § 56 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2005 treten mit 1. Jänner 2006 in Kraft.“

 

 

 

 

Begründung:

 

Artikel 1

Zu 1.:

Das Vorliegen von Barrierefreiheit ist nach § 6 Abs. 5 letzter Satz nach dem Stand der Technik zu beurteilen. Herangezogen werden dafür können beispielsweise die einschlägigen ÖNORMEN in den Bereichen Bauen und technische Ausstattung – z.B. ÖNORMEN B 1600 bis 1603, V 2100 bis 2107 ... - sowie die WAI-Leitlinien betreffend Angebote im Internet.

 

Zu 2.:

Durch § 6 Abs. 6 soll die Bundesregierung nach Anhörung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation auch in die Lage versetzt werden, bereits bestehende Standards der Barrierefreiheit in den verschiedenen Lebensbereichen mittels Verordnung zu verbindlich anwendbaren Standards zu machen, wie dies etwa auch durch die auf § 11 Abs. 1 zweiter Satz des Deutschen Behindertengleichstellungsgesetzes basierende Verordnung der Deutschen Bundesregierung zur Schaffung  barrierefreier Informationstechnik vom 17.7.2004 geschehen ist.

 

Zu 3.:

Auf die Verpflichtung zur Gleichbehandlung und zur Diskriminierungsfreiheit in der Förderungspolitik des Bundes soll durch diese Bestimmung nachdrücklich hingewiesen werden.

 

 

Zu 4.:

Durch die vorgeschlagene Regelung soll eine zweckmäßige und effektive Durchsetzung von Gleichstellungsrechten ermöglicht werden. Im Besonderen soll neben dem Ersatz des Vermögensschadens und des immateriellen Schadens auch ein Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung der Diskriminierung bzw. Benachteiligung in den sonstigen Fällen des § 4 Abs. 1, mit Ausnahme von Diskriminierungen in Vollziehung der Gesetze, bestehen; Diskriminierungen in Vollziehung der Gesetze, also z.B. durch Gebietskörperschaften, Sozialversicherungsträger etc., sind bereits ex lege zu unterlassen oder beseitigen, so dass es keines gesonderten Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruches bedurfte. Ein Unterlassungsanspruch soll auch für Fälle einer Belästigung wegen einer Behinderung vorgesehen werden.

 

Bestünde jedoch in den sonstigen Fällen des § 4 Abs. 1 sowie im Fall des § 5 Abs. 3 neben einem Schadenersatzanspruch kein Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung müsste eine Diskriminierung u.U. erst vielfach eingeklagt werden um zu einer Veränderung der Handlungsweise der diskriminierenden Person bzw. Organisation zu gelangen; dies wäre jedoch unweigerlich damit verbunden, dass erst durch eine weder von den Gebietskörperschaften noch von den Sozialpartnern und von den Behindertenorganisationen gewollte „Klagsflut“ eine Verhaltensänderung von Diskriminierern herbeigeführt werden könnte; durch die Einräumung eines Unterlassungs- und Beseitigungsanspruches soll die Gefahr einer unzweckmäßigen „Klagsflut“ vermieden werden.

 

Zu 5.:

Wesentlich für einen effektiven Diskriminierungsschutz ist eine für Diskriminierungsopfer zumutbare Rechtsdurchsetzung. Dabei bildet die Überschaubarkeit und Begrenzung des Prozesskostenrisikos einen maßgeblichen Aspekt.

Aus diesem Grunde wird mit der vorgeschlagenen Änderung das Prinzip der grundsätzlichen Kostentragung durch den Beklagten – mit der Einschränkung der Prozesskostenüberwälzung auf den Kläger nach Billigkeit bei gänzlichem Unterliegen - und die gleichzeitige Streitwertbegrenzung implementiert.

Gerade die Streitwertbegrenzung soll gewährleisten, dass das Prozesskostenrisiko auch für den grundsätzlich prozesskostentragenden Beklagten in einem zumutbaren Rahmen gehalten wird.

Zugleich soll auch die Anrufungsmöglichkeit des Obersten Gerichtshofes in den gegenständlichen Diskriminierungsangelegenheiten, abweichend von den sonst einzuhaltenden sehr restriktiven Voraussetzungen der ZPO, möglichst großzügig gefasst werden, um der insb. anfangs notwendigen näheren inhaltlichen Interpretation und Ausgestaltung des Diskriminierungsschutzes für behinderte Menschen im Wege der Judikatur möglichst weiten Raum zu lassen.

 

 

Zu 6.:

Durch die vorgeschlagene Textierung der Beweislastregel soll in Entsprechung des bislang im Antidiskriminierungsrecht der Europäischen Union vorgesehenen Grundsatzes einer Beweislastumkehr – siehe z.B. Art. 10 der Richtlinie des Rates der EU zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf 2000/78/EG – eine derartige Beweislastumkehr in § 12 des Behindertengleichstellungsgesetzes normiert werden.

Wenn sich also Personen durch die Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung vermuten lassen, obliegt es dem Beklagten zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.

Das Institut der Beweislastumkehr soll auch in Entsprechung der Umsetzung der Rahmenrichtlinie 2000/78/EG in die Bestimmung des § 7p Behinderteneinstellungsgesetz Eingang finden.

 

Zu 7.:

In Angelegenheiten der Behindertengleichstellung und Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen, die weitestgehend neue Rechtsbereiche darstellen, wird eine zielorientierte und effiziente Rechtsdurchsetzung wesentlich sein.

 

Mit der Einräumung eines Verbandsklagerechtes an einschlägig auf diese Themen spezialisierte Verbände sowie für Organisationen, die bereits seit vielen Jahren Erfahrung mit Verbandsklagen haben, soll gewährleistet werden, dass es zu keiner Klagsflut kommt, sondern mit zielorientierten Musterprozessen strittige Rechtsfragen einer Lösung zugeführt werden. Dass ein Verbandsklagerecht in diesen Rechtsbereichen eher selten in Anspruch genommen werden muss, sondern es in der Regel zu außerstreitigen Lösungen kommt, zeigen die gleichartigen Vorbilder in Deutschland und der Schweiz.

 

Gerade der Behindertenanwalt ist speziell mit Fragen des Diskriminierungsschutzes und der Wahrung der Rechte von Diskriminierungsopfern betraut; deshalb erscheint es zweckmäßig, diesen Experten als Nebenintervenienten und damit als fachkundige Unterstützung von Diskriminierungsopfern in die diesbezüglichen Verfahren einzubinden.

 

Zu 8.:

Durch die Bestimmung des Abs. 2 sollte klargestellt werden, dass für nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bewilligte Neubauten bzw. genehmigte oder bewilligte neu anzuschaffende oder in Verkehr zu setzende Verkehrsmittel die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zur Barrierefreiheit unmittelbar anzuwenden sind und keine Übergangsfristen gelten. Die Übergangsbestimmungen der Abs. 3 bis 8 sollen dagegen die Möglichkeit eröffnen, in angemessener Zeit die erforderlichen Adaptierungen von Bauwerken, Verkehrsanlagen, Verkehrseinrichtungen und Verkehrsmitteln vorzunehmen. Es soll aber sichergestellt werden, dass auch während der Übergangsfristen zumutbare Verbesserungen geringeren Umfangs zum Abbau von Barrieren durchgeführt werden. Abs. 6 sieht daher vor, dass Adaptierungen bis zu einem bestimmten Betrag, wenn sie geeignet wären, die Diskriminierung zu beseitigen – im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung des § 6 – von den Übergangsbestimmungen der Abs. 3 bis 5 gänzlich bzw. nach Höhe des Aufwands gestaffelt zu einem früheren Zeitpunkt ausgenommen werden.

Im Hinblick auf Um- oder Zubauten, die unter Inanspruchnahme von Förderungen aus öffentlichen Mitteln und auf Grund einer nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erteilten Baubewilligung durchgeführt werden, sollen jedenfalls die Bestimmungen der Barrierefreiheit bereits ab Inkrafttreten des BGStG für die um- oder zugebauten Teile gelten. Sollte der Um- oder Zubau aber ein erhebliches Ausmaß betragen – also jedenfalls mehr als 50% des Gesamtbauwerks -, so sind die Bestimmungen des BGStG zur Barrierefreiheit auf das gesamte Bauwerk anzuwenden, also so zu tun, als handle es sich um einen Neubau im Sinne des Abs. 2.

Die Begrifflichkeit der Abs. 2 bis 9 ist vor dem Hintergrund der jeweils einschlägigen Definitionen wie z. B. des Eisenbahngesetzes zu lesen. So sind beispielsweise Bahnhöfe keine Bauwerke sondern Verkehrsanlagen.

Abs. 9 soll einen Etappenplan zur Herstellung von Barrierefreiheit im Bereich des öffentlichen Verkehrs im Rahmen der Bundeskompetenz verpflichtend machen, und der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation ein Anhörungsrecht einräumen. Der Etappenplan sollte in der zeitlichen Abfolge mit den Über­gangsbestimmungen der Abs. 3 bis 8 abgestimmt sein.

 

Artikel 3

Zu 1. bis 5.:

Vor dem Hintergrund der Erweiterung des Bundesbehindertenbeirates um einen Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen und einen Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit soll im Hinblick auf ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Vertretern von Gebietskörperschaften bzw. gesetzlichen Interessenvertretungen einerseits und Behindertenorganisationen andererseits auch die Vertretung der organisierten Behinderten im Bundesbehindertenbeirat entsprechend um zwei weitere Mitglieder in Z 7 angepasst werden.

 

Da bislang nur Vertreter der etablierten großen und traditionellen Behindertenorganisationen im Bundesbehindertenbeirat Sitz und Stimme haben, soll in Hinkunft auch der Repräsentanz von Organisationen der Selbstbestimmt-Leben- als auch der Integrationsbewegung vermehrt Augenmerk geschenkt werden. Damit soll auch kleineren und jüngeren Organisationen die Möglichkeit der Vertretung im Bundesbehindertenbeirat neben den großen traditionellen Behindertenorganisationen eröffnet werden und so ein möglichst breites Spektrum der österreichischen Behindertenorganisationslandschaft repräsentiert sein.

 

Bei der Umschreibung der wesentlichen Aufgaben des Behindertenanwalts soll nun auch sein Recht ausdrücklich normiert werden, als Nebenintervenient zur Unterstützung von Diskriminierungsopfern in Verfahren nach dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz bzw. nach § 7a bis 7q des Behinderteneinstellungsgesetzes auftreten zu können.

 

Außerdem erscheint es zweckmäßig, den Behindertenanwalt zu verpflichten, auch dem Nationalrat einmal jährlich schriftlich und mündlich über die Lage und Entwicklung der Behindertengleichstellung und Gleichbehandlung sowie über wünschenswerte bzw. erforderliche Weiterentwicklungsmaßnahmen in diesem Bereich zu berichten. Damit soll das österr. Gesetzgebungsorgan des Bundes aus erster Hand über die Situation in diesem gesellschaftlichen Themenbereich informiert werden und auch in die Lage versetzt werden, wertvolle Anregungen zur Setzung politischer und legistischer Initiativen zu erhalten.

 

Darüber hinaus erscheint es geboten, auch den Behindertenanwalt, dem die Wahrung der Rechte und Interessen behinderter Menschen im Hinblick auf Behindertengleichstellung und Gleichbehandlung obliegt, Sitz und Stimme im Bundesbehindertenbeirat einzuräumen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuß vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.