666/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 06.07.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten sowie Maßnahmen zur
geeigneten
Verortung und zur
Emissions-Minimierung von Mobilfunkmasten
Bei den letzten Finanzausgleichsverhandlungen wurde die Finanznot der
Gemeinden
nicht ausreichend berücksichtigt.
Der Niederösterreichische Landtag beschloss in
diesem Zusammenhang am 20. Juni 2005 einen von ÖVP und SPÖ eingebrachten
Initiativantrag zur Besteuerung von Mobilfunksendeanlagen, um die Finanzkraft
der
Gemeinden zu erhöhen. Vorgeschoben wurde das Argument, es handle sich um
eine Maßnahme gegen den Wildwuchs von Sendemasten. Dabei hätten bereits
längst raumordnungs- und bebauungsplanmäßige Regelungen getroffen werden
können. Sowohl Bund als auch Länder als auch Gemeinden sind aber weitgehend
untätig geblieben.
Bedenkt man die
bereits seit dem Jahr 1999 im ÖPNRV-Gesetz bestehende
Möglichkeit der Gemeinden, eine
Verkehrserregerabgabe einzuheben, so zeigt sich,
dass die Gemeinden bestehende gesetzliche Regelungen, ihre Einnahmen zu
erhöhen - und damit in diesem Beispielsfall
zugleich die Nahversorgung zu stärken -
nicht nützen. Wieso die nunmehrige Vorgangsweise der Mehrheit im
Niederösterreichischen Landtag finanztechnisch greifen soll, ist auch deshalb
nicht
nachvollziehbar.
Dass es sich bei
der Handymastenbesteuerung um eine reine
Geldbeschaffungsaktion handelt und die
Behauptung des Schutzes von Ortsbild und
Landschaftsschutzes nur vorgeschoben ist, zeigt auch das vom Amt der
Landesregierung in Auftrag gegebene
Gutachten des Steuerberaters Prof. Taucher.
Der ursprüngliche Gutachten hatte sich ausschließlich auf
steuerrechtliche Aspekte
bezogen. Der Auftrag wurde jedoch
modifiziert und der endgültige Gesetzestext erst
sehr kurzfristig vorgelegt, was selbst im Gutachten kritisch vermerkt
wurde.
Technische, gesundheitspolitische, raumordnerische, verfassungs- und
europarechtliche Aspekte blieben im Gutachten weitestgehend unberücksichtigt.
Für die
Gemeindefinanzen kann diese rechtlich bedenkliche Regelung ähnliche
Probleme wie bei der Aufhebung der Getränkesteuerregelung bringen. Sollte das
Gesetz nicht doch noch durch einen
Einspruch der Bundesregierung zu Fall gebracht
werden, werden Gemeinden und Land die Bildung von Rücklagen für den Fall
der
Aufhebung des Gesetzes nicht erspart bleiben.
Die
Handymastenbesteuerung ist legistisch völlig missglückt, stark
wettbewerbsverzerrend und verfassungs- und europarechtlich bedenklich. Der
vorgeschützte Ortsbild- und Landschaftsschutz wird dadurch nicht verbessert.
Ein
Antrag der Grünen im Niederösterreichischen Landtag auf entsprechende
Maßnahmen in der
Bau- und Raumordnung wurde abgelehnt. Die finanzielle
Belastung wird auf alle HandynutzerInnen überwälzt werden.
Auch aus Sicht des Orts- und Landschaftsschutzes bringt das Gesetz
wenig, ja wird
sogar zu einer weiteren
Verschlechterung der Versorgungslage führen: Aus
technischen Gründen (vertikaler Abstand zwischen den einzelnen Antennen,
Antennenlänge etc) muss ein Mast, den sich 5
BetreiberInnen teilen, gut vierzig
Meter hoch sein - wenn sich die Zahl der Masten verringert, erhöht sich im
Gegenzug die Höhe dieser Masten und darüber hinaus die Gesamtleistung
sowie -
Strahlung der darauf montierten
Sendeinrichtungen. Das Land Niederösterreich wird
nun mit besonders „fürstlichen" Masten verschandelt, die das
Landschaftsbild mehr
stören und darüber hinaus aufgrund
der wesentlich stärkeren Abstrahlung die
AnrainerInnen erheblich stärker beeinträchtigen. Anstatt pauschal auf die Zahl
der
MastennutzerInnen abzustellen, hätte die Abstufung des Steuersatzes nach der
Sendeleistung erfolgen müssen. So hätte der Gesundheitsfaktor (niedrige
Sendeleistung = niedrige Besteuerung) berücksichtigt werden können.
Der bundesgesetzliche Versorgungsauftrag der NetzbetreiberInnen ist
unzureichend
geregelt. So besteht für UMTS nur
eine Verpflichtung zu einer 50 %igen
Netzabdeckung (gemessen an der Bevölkerung), sodass periphere Regionen
ohnehin nur unzureichend versorgt werden. Dieser Nachteil wird jetzt für den
ländlichen Raum in Niederösterreich weiter verschärft. Die NetzbetreiberInnen
werden in weniger dicht besiedelten Gebieten Handystationen verstärkt auf ihre
Wirtschaftlichkeit hin prüfen. In Randlagen
droht durch Abschaltungen eine weitere
Verschlechterung der Versorgung. Die Handymasten werden aber nicht
abgebaut
werden, sondern stehen bleiben, da die
Steuer auf den Betrieb, nicht aber auf die
bloße Existenz der Masten abstellt. Kein Mast wird abgebaut werden, da
die
Investitionskosten bereits getätigt wurden
und das Gesetz nur auf vier Jahre befristet
beschlossen worden ist.
Das Gesetz dürfte verfassungs- und europarechtswidrig sein. Die
NetzbetreiberInnen
haben bereits rechtliche Schritte
angekündigt. Die RTR hat ein Rechtsgutachten in
Auftrag erstellen lassen.
Folgende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen:
+ Das Gesetz torpediert die
bundesgesetzlich verankerten Regulierungsziele (§ 1
TKG 2003) und steht daher in einem
Spannungsverhältnis zum
Bundesstaatsprinzip.
+ Sendeanlagen (EVN, ÖBB, Behördenfunknetz...) werden ohne sachliche
Rechtfertigung von der Steuer ausgenommen, was gleichheitswidrig sein dürfte.
+ Selbst bei Zusammenlegung von Handymasten des
vorgegebenen Ziels fällt die
Steuer in beträchtlicher - die Betriebs- und Mietkosten weit übersteigender
Höhe -
an, was einem unverhältnismäßigen Eigentumseingriff bedeutet.
+ Etliche Bestimmungen sind derartig
unbestimmt, dass nicht hinreichend
determiniert ist, wie die Steuer zu
berechnen ist.
Derzeit sind schon zwei Verfahren wegen ähnlich gelagerter Steuern
belgischer
Gemeinden (in bedeutend geringerer
Höhe) beim Europäischen Gerichtshof
anhängig. In seinem bereits vorliegenden
Schlussantrag, dem der Gerichtshof in
aller Regel folgt, sieht der Generalanwalt in einer Steuer einer
Gemeinde, mit der die
Infrastruktur für
Mobilkommunikation belastet wird, einen Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht.
Neben verfassungsmäßigen, finanz-, Standort- und wirtschaftspolitischen
Bedenken
gilt es vor allem im Sinne des
Vorsorgeprinzips gesundheitliche Aspekte bei
steuerlichen Maßnahmen zu bedenken. Gesundheitspolitisch ist die Regelung
kontra produktiv, da - soweit die Regelung überhaupt greift, die Strahlungen
der
Handymasten erheblich zunehmen wird.
In den letzten Jahren häufen sich die Proteste von Bürgerinnen und Bürgern gegen
Mobilfunk-Sendeanlagen, die - oft ortsplanerisch äußerst unglücklich - in
unmittelbarer Nähe von Schulen oder Wohngebieten positioniert werden.
Den Bürgerinitiativen geht es dabei um befürchtete Schäden durch die gewählte
Position.
Die Häufung von
Sendeanlagen auf einem Masten führt zu einer erhöhten,
kulminierenden Belastung der AnrainerInnen mit elektromagnetischer Strahlung.
Dies widerspricht den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrats, der eine
Minimierung der Exposition und eine Einbindung der AnrainerInnen in die
Standortentscheidung in einer Resolution vorschlägt. Ebenso widerspricht dieses
Anhäufung von Sendeanlagen dem § 73 Abs. 2
Telekommunikationsgesetz, durch
den der Schutz menschlicher
Gesundheit zu gewährleisten ist.
Außerdem wäre
entsprechend der Vorgangsweise in Italien, die gemeinsame
Planung der Standorte durch Betreiber,
Gemeinden und AnrainerInnen dringend
erforderlich. Dazu könnte auch vom Land Niederösterreich die
entsprechende
Software angekauft werden.
Die
Bundesregierung hat nun die Möglichkeit, durch einen Einspruch die rechtlich
höchst zweifelhafte Vorgangsweise des
Landes Niederösterreich zu beheben. Nach
einem solchen musste der Landtag nach § 9 Finanz-Verfassungsgesetz einen
Beharrungsbeschluss fassen. Danach würde ein gemeinsamer Ausschuss aus
Nationalrat und Bundesrat, der bei Landesabgaben eine absolute Vetomöglichkeit
hat, endgültig entscheiden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
1.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Einspruch gegen das
Niederösterreichische
Sendeanlagenabgabengesetz einzulegen.
2.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, geeignete Maßnahmen und
Initiativen zu
setzen, damit
Niederösterreich und die anderen Bundesländer entsprechend
den
Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates zu „Verortung" und
„Minimierung"
vorgehen.
3.
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, bundes(verfassungs)gesetzliche
Möglichkeiten zu prüfen und dem Nationalrat einen geeigneten Gesetzesentwurf
zuzuleiten, mit dem in den Bauordnungen bzw. den Raumordnungsgesetzen der
Länder die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden können, damit die
Gemeinden bei der Positionierung von Mobilfunk-Sendeanlagen im Ortsgebiet
Härtefälle vermeiden und den Ortsbildschutz verstärkt berücksichtigen können;
4.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen
Gesetzesentwurf
zuzuleiten, damit folgende Punkte
umgesetzt werden können:
- Einführung von verbindlichen Grenzwerten
- Einführung
eines dynamischen Minimierungsgebots je nach neuestem
Stand der Technik
- Einführung
der gesetzlichen Grundlagen zum Aufbau eines umfassenden
Mobilfunkkatasters, wobei für die
Bereitstellung umfassender
Informationen folgende Verzeichnisse benötigt werden:
- Verzeichnis
aller ExpertInnen auf diesem Gebiet (technisch,
biologisch, psychosozial,
medizinisch)
- Verzeichnis
der Sendeleistungen aller Handys, wenn möglich mit
zusätzlichen Charakteristiken; derartige
Verzeichnisse müssen den
selben Rahmenbedingungen unterliegen. Ein derartiges Verzeichnis
sollte als Verordnung über die Kennzeichnungspflicht von
Mobiltelefonen erlassen werden.
5. Der
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert,
eine Verordnung nach dem Telekommunikationsgesetz zu erlassen, die
einerseits den neuesten wissenschaftlichen Standards unter Berücksichtigung
des Vorsorgeprinzips in Hinblick auf die Grenzwerte entspricht und andererseits
dem berechtigten Informationsbedürfnis der
Bevölkerung ausreichend Rechnung
trägt."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.