686/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 08.07.2005
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Lunacek, Bayr, Kogler, Matznetter, Sburny, Silhavy, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend Erlass eines Gesetzes zur Einführung einer Devisentransaktionssteuer

 

Zurzeit werden täglich mehr als 1.200 Milliarden Euro auf den internationalen Finanzmärkten umgesetzt. Davon sind laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) mehr als 80 % Anlagen mit einer Laufzeit von 7 Tagen oder weniger. Dieses kurzfristige (oftmals spekulative) Kapital zeichnet sich durch hohe Volatilität und Mobilität aus und stellt eine wesentliche Bedrohung für die Anlegerländer dar. Durch ihr großes Handelsvolumen sind diese Märkte zu einem bedeutenden Machtfaktor geworden, die einen zunehmenden Einfluss auf Politik und Gesellschaft gewinnen. Anlageerwartungen werden nicht mehr durch ökonomische Basisdaten sondern von kurzfristigen Renditeerwartungen privater Finanzmarktakteure bestimmt. Dies hat nicht zuletzt zu Währungs- und Finanzkrisen wie in Mexiko (1994 – 95), Asien (1997), Russland (1998) und vor kurzem auch Argentinien (2001) geführt.

 

James Tobin, ein US-amerikanischer Wirtschaftnobelpreisträger, hatte bereits in den 70er Jahren die Idee, die Finanzmärkte durch die Einführung einer Steuer, der so genannten Tobin-Steuer, zu stabilisieren und damit Finanzkrisen vorzubeugen. Neben dieser stabilisierenden Funktion hätte die Tobin-Steuer auch den Effekt, den bisher gegenüber dem Faktor Arbeit wesentlich geringer belasteten Faktor Kapital stärker als bisher zu besteuern.

 

Diese Steuer sollte auf alle Devisentransaktionen eingehoben werden, egal welchem Zweck sie dienen. Dabei stand man vor dem Problem einen Steuersatz zu finden, der sowohl hoch genug war, um Spekulationen abzuwehren, und niedrig genug, um Investitionen, die dem Warenhandel oder der Wechselkurssicherung dienen, nicht zu beeinträchtigen. Eine Weiterentwicklung der Tobin-Steuer, die dieses Problem lösen kann, schlägt der deutsche Wirtschaftsprofessor Paul Bernd Spahn vor – die „Spahn-Steuer“.

 

Spahn schlägt ein Zwei-Ebenen-System vor, das sowohl Einnahmen schaffen als auch einen Abschreckungseffekt erzielen kann. Ein Teil dieser Steuer ist eine „klassische“ Tobin-Steuer, allerdings mit einem sehr niedrigen Steuersatz – etwa 0,01–0,04 %. Dieser Steuersatz darf vor allem den nicht-spekulativen Handel nicht behindern und hat hauptsächlich fiskalische Funktionen. Der andere Teil der Steuer besteht aus einer Zusatzabgabe, die speziell der Abwehr von Spekulationen dient. Dieser Teil wird immer dann aktiviert wenn es zu Spekulationen kommt.

 

Dafür muss man für die amtlichen Wechselkurse einer Währung einen entsprechenden Korridor für so genannte normale Transaktionen definieren. Bei Spekulationen kommt es zu einer abrupten Änderung des Wechselkurses. Hat man den Korridor richtig gewählt, überschreitet der Wechselkurs bei einer spekulativen Attacke denselben und wird mit der Zusatzabgabe belegt. Den Referenzkurs, um welchen sich der Korridor bildet, erhält man durch das errechnen des gleitenden Durchschnitts der täglichen amtlichen Mittelkurse im Verhältnis zu einer Referenz- oder Ankerwährung (z.B. Dollar oder Euro).

 

Der Devisenhandel konzentriert sich nur auf wenige Finanzplätze, was vorwiegend auf technologische Gründe zurückzuführen ist. Damit kann die „Spahn-Steuer“ den Zweck einer Stabilisierung der Finanzmärkte und vermehrte Fiskaleinnahmen erfüllen, auch wenn die Steuer nur in den EU-Staaten eingeführt wird.. Das Steueraufkommen ermittelt sich dann für die Zeitzone als Ganze und sollte innerhalb der Europäischen Union für die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit sowie sozialer und ökologischer Maßnahmen verwendet werden.

 

Ein entsprechendes Gesetz sollte die politische Bereitschaft Österreichs zur Einführung einer derartigen Steuer signalisieren. Es soll zu jenem Zeitpunkt in Kraft treten, an dem ähnliche Gesetze auch in den anderen Staaten der Europäischen Union eingeführt wurden. Diese einschränkenden Bedingungen sind auch in den bereits beschlossenen Devisentransaktionssteuergesetzen von Frankreich (2001) und Belgien (2004) beinhaltet.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein an das Modell von Spahn orientiertes Gesetz zur Einführung einer Devisentransaktionssteuer mit folgendem Inhalt vorzulegen:

 

  1. Besteuert werden alle in Österreich stattfindenden Devisentransaktionen. Dies betrifft auch alle finanztechnischen Operationen, die wie Devisentransaktionen wirken.
  2. Steuerpflichtige sind nach dem Marktprinzip zu definieren, wonach alle an Finanzplätzen in Europa akkreditieren Devisenhändler und Banken sowie Nichtbanken (wie die zentral operierenden automatischen Maklersysteme und Abwicklungssysteme) der Steuerpflicht unterliegen. Das Gleiche muss für den Devisenhandel von (international agierenden) Produktionsbetrieben gelten.
  3. Die Steuereinnahmen sollen, abzüglich eines Verwaltungsentgeltes, in vollem Umfang in einen von der Europäischen Union verwalteten Fonds eingezahlt werden, der der Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit sowie sozialer und ökologischer Maßnahmen dient.
  4. Ein normaler, innerhalb der EU vereinheitlichter Steuersatz zwischen 0,01 und 0,04 % der Wechseloperationen soll eingehoben werden.
  5. Für jede Devisentransaktion, welche die unter Pkt. 7. definierte Schwankungsbreite des Wechselkurses überschreitet, soll ein ebenfalls innerhalb der eU vereinheitlichter Steuersatz von maximal 80 % eingehoben werden.
  6. Die endgültige Höhe der unter 4. und 5. angeführten Steuersätze soll vom Ecofin beschlossen werden.
  7. Europaweit soll ein Leitkurs auf der Grundlage eines progressiven Mittelwertes festgelegt werden. Der Mittelwert soll auf Grundlage der Kursentwicklung der vorherigen 20 Tage errechnet werden. Ein Schwankungskorridor um diesen Leitkurs soll definiert werden. Die Festlegung des Leitkurses und des Schwankungskorridors soll beim Finanzminister, nach Abstimmung im Ecofin, erfolgen.
  8. Das Gesetz soll erst in Kraft treten, wenn alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Steuer auf Devisentransaktionen in ihrer Gesetzgebung vorgesehen haben oder eine europäische Regelung verabschiedet wurde.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Finanzausschuss vorgeschlagen.