689/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 11.08.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

Dringlicher Antrag

(gem. § 74a in Verbindung mit § 93 Abs. 2 GOG-NR)

 

 

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend die katastrophale Arbeitsmarktsituation in Österreich

 

Seit viereinhalb Jahren steigt die Arbeitslosigkeit in Österreich. Genau so lange sieht die gesamte schwarz-blaue/orange Regierung dieser Entwicklung tatenlos zu. Bundeskanzler Schüssel schweigt und Arbeitsminister Bartenstein ergeht sich Monat für Monat in den immergleichen Durchhalteparolen, wonach die Talsohle durchschritten sei, der Aufschwung vor der Tür stehe und überhaupt bald alles besser werde.

 

Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Die Arbeitslosenzahlen für den Juli markieren - wie schon in den Monaten zuvor - einen neuen Rekordwert. Mit 251.218 Arbeitssuchenden sind sechs Prozent oder rund 14.000 mehr Menschen arbeitslos als vor einem Jahr. Gegenüber dem Juli 2000 ist die Arbeitslosenzahl um 75.412, das sind ca. 43 Prozent, gestiegen.

 

Besonders dramatisch entwickelt sich die Jugendarbeitslosigkeit (Altergruppe 15-24 Jahre). Sie stieg im Jahresabstand um 4.700 auf 51.121. Gegenüber dem Juli 2000 hat sich die Jugendarbeitslosigkeit beinahe verdoppelt, sie stieg um 23.773, das sind 87 Prozent.

 

Arbeitslosigkeit wird von dieser Regierung wie eine Naturkatastrophe behandelt. Als etwas, worauf nationale Politik keinen Einfluss hat, wogegen man nichts machen kann. Zwar ist die internationale Konjunkturentwicklung wichtig, wie weit man von dieser positiv oder negativ abweicht ist aber Resultat der nationalen Politik. Während Österreich früher durch aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik die Folgen  internationaler Wirtschaftskrisen weitgehend abwehren konnte, werden diese negativen Einflüsse durch die Untätigkeit der Regierung Schüssel sogar verstärkt. Der prozentuelle Anstieg der österreichischen Arbeitslosigkeit in den vergangenen fünf Jahren ist einer der höchsten in der gesamten EU, höher als in Deutschland, das von der Regierung gerne als Negativbeispiel angeführt wird. Dass die Arbeitslosigkeit in Österreich in absoluten Zahlen noch relativ niedrig ist, hat ausschließlich mit der günstigen Ausgangslage zu tun, von der aus die Regierung Schüssel im Jahr 2000 starten konnte.

 

Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich in den vergangenen vier Jahren viermal so stark gestiegen wie im Durchschnitt der EU-15, die den gleichen internationalen konjunkturellen Bedingungen ausgesetzt sind. Vom Anstieg der Arbeitslosenzahlen im Zeitraum 2000-2004 um 63.626 sind drei Viertel, das sind 48.000, hausgemacht.

 

Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich, 2000-2004:

21,6 Prozent

Anstieg der Arbeitslosigkeit in den EU-15, 2000-2004:

5,3 Prozent

 

Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser hausgemachten Arbeitslosigkeit liegen bei zwei Milliarden Euro pro Jahr. Eine Berechnung der AK Wien schlüsselt die volkswirtschaftlichen Kosten von Arbeitslosigkeit auf (pro Arbeitslosen und Jahr):

 

Für die öffentliche Hand: 29.000 € (18.700 € weniger an Steuern und Abgaben, Unterstützungsleistungen etwa 7.000 €, Verwaltung etwa 1.200 €, aktive Arbeitsmarktpolitik etwa 2.100 €)

Für die betroffenen Arbeitslosen: 8.500 € (Verlust durchschnittliches Nettoeinkommen 15.500 €; durchschnittliche Unterstützung 7.000 €)

Für die Unternehmen: 5.500 € (weniger Absatz, weniger Produktion)

 

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die konjunkturelle Entwicklung belebt und die Arbeitslosigkeit verringert werden könnte. Mit dem Volumen der Steuerreform hätte die Regierung (anstatt die Großkonzerne zu begünstigen) die kleinen und mittleren Einkommen bereits 2004 um zwei Milliarden Euro entlasten und eine weitere Milliarde Euro für Infrastruktur- und Zukunftsinvestitionen verwenden können. Damit hätten 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und ein zusätzliches BIP-Wachstum von 1,5 Prozent bewirkt werden können.

 

Durch mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik könnten bessere und arbeitsmarktadäquatere Schulungen von Arbeitssuchenden finanziert werden. Stattdessen kürzte die Regierung die aktive Arbeitsmarktförderung 2004 um 47,2 Millionen Euro. Österreich wendet für aktive Arbeitsmarktpolitik je Prozentpunkt Arbeitslosenrate nur 0,13 Prozent des BIP auf. Damit sind wir Schlusslicht bei den EU-15. Zum Vergleich: Die Niederlande wenden je Prozentpunkt Arbeitslosenrate 0,69 Prozent des BIP auf, Dänemark 0,36 Prozent, Schweden 0,29 Prozent und Portugal 0,15 Prozent.

 

Anstatt sinnvolle beschäftigungspolitische Maßnahmen zu setzen ergeht sich diese Regierung in Inszenierungen und leeren Worten. Ein Gipfel nach dem anderen wird einberufen, am negativen Trend ändert sich allerdings nichts.

 

Daran wird auch der „Arbeitsmarktgipfel“ vom 8. August 2005 nichts ändern. Statt echte Impulse zu setzen, veranstaltete die Regierung wieder einmal eine Propaganda-Show. Angesichts des Rekords an Arbeitslosen verkauft Bundeskanzler Schüssel zum x-ten Mal bereits bestehende Maßnahmen. Längst vorgesehene Fördergelder werden als neue Initiative angepriesen, von echten Impulsen für die Wirtschaft ist weit und breit nichts zu sehen. Durch Umwidmung bestehender ERP-Mittel oder durch Haftungsübernahmen durch das Austria Wirtschaftsservice wird kein zusätzlicher Investitionsschub ausgelöst.

 

Statt aktive Konjunktur- und Beschäftigungspolitik zu machen, beschränkt sich die „Tätigkeit“ dieser Regierung auf die rituelle Wiederholung von Beschwichtigungsformeln:

 

Oktober 2001: 196.272 Arbeitslose (ohne Schulungen), Anstieg zum Vorjahr 14,5 Prozent

Arbeitsminister Bartenstein: Die höher werdende Arbeitslosigkeit sei kein Signal, wirtschaftspolitisch einzuschreiten. "Wir sollten die 175.000 Arbeitslosen dieses Landes ... nicht unnötig dramatisieren." (OTS, 2.11.2001)

 

Dezember 2001: 267.825 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 23,3 Prozent

Bartenstein: Die Konjunkturentwicklung hat bereits die Talsohle erreicht. (APA, 13.1.2002). Bartenstein zeigte sich "zuversichtlich, dass die Konjunktur schon bald wieder einen Aufschwung nehmen werde und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden". (OTS, 23.1.2002)

 

Jänner 2002: 297.830 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 15,5 Prozent

Bartenstein: "Talsohle ist erreicht", "Anstieg der Arbeitslosigkeit gebremst" (OTS, APA, 4.2.2002)

 

Februar 2002: 287.049 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 15,6 Prozent

Schüssel erklärte, die Beschäftigungslage sei "praktisch stabil". (APA, 5.3.2002)

Bartenstein: "Erste Stabilisierungszeichen bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit" (OTS, 5.3.2002)

 

März 2002: 249.092 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 18 Prozent

Eine "ganz klare Trendwende" ortet Kanzler Schüssel. (APA, 3.4.2002)

Bartenstein: Abgeschwächter Anstieg der Arbeitslosigkeit (OTS, 3.4.2002)

 

Mai 2002: 207.860 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 18,9 Prozent

Schüssel: Anzeichen einer leichten Konjunkturerholung. (APA 368, 4.6.2002)

Bartenstein: "Es zeichnet sich ab, dass die Talsohle überwunden ist." (OTS, 4.6.2002)

 

Juni 2002: 191.687 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 17,6 Prozent

Bartenstein: "Anstieg der Arbeitslosigkeit schwächt sich weiter ab" (OTS, 2.7.2002)

 

September 2002: 199.780 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 13,8 Prozent

Schüssel: "Gott sei Dank zeigt sich ein etwas positiveres Bild. Die Situation entspannt sich." (APA, 1. 10. 2002)

 

Oktober 2002: 213.514 Arbeitslose; Anstieg zum Vorjahr 8,8 Prozent

Bartenstein: "Die Talsohle bei Arbeitslosenrate ist durchschritten" (OTS, 30.10.2002)

 

November 2002: 237.070 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr 5,4 Prozent

Bartenstein: "Die Talsohle bei Arbeitslosigkeit sollte in Österreich erreicht sein ... Man bewege sich jetzt in Richtung Null." (APA, 3.12.2002)

 

Jänner 2003: 303.676 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 2 Prozent

Bartenstein: "Arbeitslosigkeit am Bau sinkt!" (OTS, 28. Jänner)

Schüssel: Anstieg der Arbeitslosigkeit verlangsamt (APA, 28. Jänner 2003)

 

März 2003: 253.263 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 1,7 Prozent

Bartenstein: März-Arbeitslosigkeit deutlich unter der Entwicklung des Vorjahres (OTS, 3.4.2003)

 

Mai 2003: 214.955 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 3,4 Prozent

Bartenstein: Ende Mai neuerlich ein Anstieg bei den Beschäftigten (OTS, 3.6.2003)

 

Juli 2003: 200.918 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 4,8 Prozent

Bartenstein: "Anstieg bei der Arbeitslosigkeit wird flacher." (OTS, 4.8.2003)

 

August 2003: 205.077 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 2,7 Prozent

Bartenstein: Weitere Abflachung des Anstiegs der Arbeitslosigkeit (OTS, 2.10.2003)

 

November 2003: 248.156 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 4,7 Prozent

In der Arbeitslosenrate bei den 15- bis 19-Jährigen sieht Schüssel einen Erfolg der Wachstums- und Jugendbeschäftigungsprogramme der Bundesregierung, die ihre Maßnahmen "richtig gesetzt" habe. (APA, 2.12.2003)

 

Dezember 2003: 296.916 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 5 Prozent

Bartenstein: Österreich in Union auf 3. Platz, bei Jugendlichen Nummer 2 (OTS, 5.Jän 2004)

 

März 2004: 67.195 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 5,5 Prozent;  Jugendarbeitslosenquote steigt im Jahresabstand von 7,6 auf 7,7 Prozent

ÖVP-Wirtschaftssprecher Kopf: "Die Bundesregierung setzt alles daran, die Arbeitslosigkeit gezielt zu bekämpfen. Vor allem die Maßnahmen im Bereich der Jugendbeschäftigung zeigen Wirkung." (OTS, 7.4.2004)

 

April 2004: 240.556 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 4,1 Prozent

Bartenstein: Vollbeschäftigung bleibt Ziel (APA, 5.5.2004)

Schüssel sieht zwar "noch keine wirkliche Entwarnung auf dem Arbeitsmarkt", aber es gebe "einige Hoffnungssignale". (APA, 4.5.2004)

 

Juni 2004: 202.787 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 0,9 Prozent

Bartenstein sieht "positives Zeichen am Konjunkturhimmel" (APA, 2.7.2005)

 

September 2004: 208.619 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 0,1 Prozent

Bartenstein: "Die neuesten Arbeitsmarktdaten sind ein weiteres Anzeichen dafür, dass der wirtschaftliche Aufschwung kommt und belegen auch den Erfolg der Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung sowohl jüngerer als auch älterer Arbeitnehmer/innen." (OTS, 5.10.2005)

Schüssel: "Es geht aufwärts mit Österreich." (APA, 1. 10. 2004)

 

Oktober 2004: 38.519 Jugendliche ohne Job, 224.637 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 0,4 Prozent

ÖVP-Sozialsprecher Tancsits: "Die Zahlen verdeutlichen auch, dass die Maßnahmen der Bundesregierung für Jugendliche und ältere Arbeitnehmer eindeutig greifen." (3.11.2004)

 

November 2004: 246.726 Arbeitslose, Rückgang zum Vorjahr: 0,6 Prozent

Schüssel ortet "einen wirklichen Rückgang" der Arbeitslosigkeit und ein Zeichen, dass "die Konjunktur wirklich angesprungen ist". (APA, 7. 12. 2004)

 

Jänner 2005: 316.017 Arbeitslose (absoluter Rekordwert der Zweiten Republik), Anstieg zum Vorjahr: 1,1 Prozent

Bartenstein: Reformen der Bundesregierung zeigen Ergebnisse (OTS, 27.1.2005)

Schüssel: "Der Vergleich macht sicher und beruhigt" (OTS, 4.2. 2005)

 

Juli 2005: 210.895 Arbeitslose, Anstieg zum Vorjahr: 5,0 Prozent

Bartenstein: "Der Wirtschaftsstandort Österreich ist hervorragend aufgestellt." (4.7.2005)

Gorbach: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat Priorität Eins (OTS, 3.8.2005)

ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits: "Die Situation am Arbeitsmarkt ist keineswegs so dramatisch." (OTS, 2.8.2005)

 

 

Die Mangelwirtschaft in der österreichischen Arbeitsmarktpolitik wird fortgesetzt. Weder sind entscheidende Fortschritte bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit (der Bewältigung der Strukturprobleme in der beruflichen Erstausbildung) erkennbar, noch wird entsprechend auf die deutlich gestiegenen Arbeitsmarktprobleme von Frauen und generell von ArbeitnehmerInnen im Haupterwerbsalter reagiert.

Notwendig wäre eine sofortige Erhöhung der aktiven Arbeitsmarktförderungsmittel um zumindest 60 Mio. Euro, damit auch Arbeitslose im Haupterwerbsalter noch heuer adäquat unterstützt werden können sowie eine mittelfristige Erhöhung des Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik um insgesamt 250 Mio. Euro (jährlich rd. 60 Mio. Euro), damit wieder flächendeckend qualitativ hoch stehende fachliche Ausbildung für Arbeitslose möglich wird.

 

Besondere Bedeutung muss auch den Arbeitsmarktchancen der Frauen beigemessen werden. 25.000 Frauen mit Kindern könnten wieder in die Arbeitswelt zurückkehren, wenn es ausreichend Kinderbetreuungsplätze gäbe. Fast jede fünfte Frau im Haupterwerbsalter kann aus familiären Gründen nicht am Berufsleben teilhaben.

 

In Österreich wäre für 90.000 Kinder eine zusätzliche Betreuung erforderlich. (Ergebnis der Mikrozensuserhebung 2002 der Statistik Austria.) Für rund 48.000 Kinder fehlt überhaupt der Betreuungsplatz, für rund 42.000 ist die vorhandene Betreuung unzureichend. 56.000 Mütter sind von diesem Manko an Betreuungsplätzen betroffen. Den größten Bedarf an Betreuungsplätzen gibt es bei Kindern bis zu zwei Jahren und bei Schulkindern.

 

Für berufstätige Mütter ist eine gute Kinderbetreuung mit Öffnungszeiten, die der Arbeitswelt angepasst sind, unumgänglich. Fehlt ein entsprechendes Angebot, werden Mütter an der Erwerbstätigkeit gehindert. Eine eigenständige Erwerbstätigkeit der Frauen ist für sie, aber auch zur Finanzierung der Pensionen wichtig.

 

Eine weitere Problemgruppe am Arbeitsmarkt sind Jugendliche. Seit 2000 nimmt die Zahl der Lehrstellen suchenden Jugendlichen ständig zu, aber die angebotenen Lehrstellen wurden immer weniger. In den Jahren 2001 und 2002 wurden auch zu wenige Plätze in Lehrgängen nach dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz bewilligt, wodurch die Lücke zwischen Lehrstellen suchenden Jugendlichen (einschließlich Lehrgangsteilnehmer/innen) und verfügbaren offenen Lehrstellen ständig größer wurde.

 

Kamen im Jahr 2000 noch 4,5 Lehrstellen suchende Jugendliche auf eine offene Lehrstelle, so hat sich diese Zahl in fünf Jahren schwarz-blauer „Regierungstätigkeit“ beinahe verdoppelt, auf 8,4 Lehrstellensuchende pro offene Lehrstelle.

Gab es 1999 noch 127.351 Lehrlinge in Ausbildung, so waren es 2004 lediglich 119.071, also um 8.280 Lehrlinge weniger.

 

Die Lehrlingsausbildung leidet derzeit an zwei wesentlichen Mängeln:

- Zu wenig Ausbildungsplätze (insbesondere in zukunftsorientierten Lehrberufen)

- Zu geringe Qualität der dualen betrieblichen Ausbildung

 

Die Forcierung von Modellen, die einen Ressourcen- und Lastenausgleich zwischen Betrieben ermöglichen (finanziell und ressourcenmäßig), z.B. Ausbildungsverbünde, Lastenausgleichsfonds oder Lehrwerkstätten, ist daher dringend erforderlich. Aus arbeitsmarkt- und bildungspolitischer Perspektive besteht die Notwendigkeit, das Lehrstellenangebot auszuweiten und/oder die überbetriebliche Lehrausbildung auszubauen und auch aus Mitteln der Betriebe zu finanzieren, da auch Betriebe, die selbst nicht ausbilden, von Ausbildungsbetrieben profitieren. Die qualitativ hochwertige Ausbildung von Fachkräften kommt den Betrieben unmittelbar zugute.

 

In Österreich ist die schlechte internationale Konjunkturlage wegen der verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung besonders spürbar. Die Situation hat sich in Relation zu den meisten EU-Staaten erheblich verschlechtert. Das reale Wirtschaftswachstum, das in den Neunzigerjahren im Mittelfeld der EU lag, verringerte sich in den vergangenen Jahren weiter. Österreich liegt in den Jahren 2004 bis 2006 nur mehr auf Platz 11 der EU-15 (lt. Frühjahrsprognose der EU-Kommission vom April 2005).

 

Es ist daher ein Sofortprogramm erforderlich, durch das notwendige Infrastrukturinvestitionen vorgezogen werden, etwa in den Bereichen Straße, Schiene, Bahnhöfe, Telekommunikation und Förderung der Breitbandtechnologie. Baureife Projekte im Ausmaß von rund 1,5 Milliarden Euro könnten sofort in Angriff genommen werden.

 

Außerdem muss ein Energie-Infrastrukturpaket für die nächsten Jahre, das die Versorgung ökologisch verträglich sicherstellt, geschnürt und mit der Umsetzung unverzüglich begonnen werden. Auch ein Althaussanierungsprogramm für Gebäude, die vor 1975 errichtet wurden, muss verwirklicht werden.

 

Die von der Regierung per 1. 1. 2005 durchgeführte Steuersenkung erreicht zu einem erheblichen Teil die falschen Gruppen. Rund 2,5 Millionen Menschen gehen leer aus, weil sie auf Grund niedriger Einkommen schon bisher keine Lohnsteuern zahlten. Auch die kleinen und mittleren UnternehmerInnen haben von dieser Reform nichts. Sie sind meist nicht in Form einer Kapitalgesellschaft organisiert und haben meist auch zu niedrige Gewinne, um durch die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne durch „Sparen im Betrieb“ nennenswerte Vorteile erzielen zu können.

 

Der Bundesvoranschlag des Jahres 2005 zeigt, dass die Lohnsteuer um rund 2% sinken wird, die Körperschaftssteuer aber um rund 20% und damit um das 10-fache.

Während es für LohnsteuerzahlerInnen 2005 eine durchschnittliche Entlastung von fünf (!) Euro pro Monat gibt, zahlen die großen Kapitalgesellschaften dank der Gruppenbesteuerung und der Körperschaftsteuersenkung in Zukunft nirgends in Europa so wenig Steuern wie in Österreich. Insbesondere können diese Betriebe auf Grund der Steuerreform ausländische Verluste noch einfacher mit inländischen Gewinnen gegenverrechnen und damit ihre Steuern reduzieren.

 

Eine Reparatur der verpatzten Steuerreform ist daher dringend geboten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Entschließungsantrag:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, angesichts der dramatischen Situation am Arbeitsmarkt dem Nationalrat unverzüglich Regierungsvorlagen mit folgenden Inhalten zur Beschlussfassung zu übermitteln:

 

Investitionen in die Infrastruktur

Schaffung eines Infrastrukturprogrammes für die notwendige Erneuerung der bestehenden Infrastruktur und für Investitionen in Zukunftsprojekte in den Bereichen Straße, Schiene, Bahnhöfe, Telekommunikation und Breitbandtechnologie, ein Energie-Infrastrukturpaket und ein Althaussanierungsprogramm für Gebäude, die vor 1975 errichtet wurden.

 

Reparatur der Steuerreform: Wachstum, Kaufkraft und Beschäftigung fördern

Kurzfristige steuerliche Entlastung vor allem für BezieherInnen niedriger Einkommen und für die investierende Wirtschaft mit folgenden Maßnahmen: Entlastung des Faktors Arbeit durch Senkung der Kommunalsteuer von 3 auf 2 Prozent bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage; Anhebung der Negativsteuer für 1,3 Millionen EinkommensbezieherInnen von 110 auf 220 Euro (auch NiedrigpensionsbezieherInnen sollen eine Steuergutschrift erhalten); Maßnahmen zur Anhebung der Massenkaufkraft und der Reallöhne; Entlastung und Förderung von KMUs u.a. mit Stabilitäts- und Wachstumsfonds, Exportoffensive, steuerliche Investitionsbegünstigung, steuerliche Förderung von Betriebsnachfolge und –übergaben.

 

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Erhöhung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik um 60 Millionen Euro pro Jahr (bis ein zusätzlicher Betrag von 250 Millionen erreicht ist), um ein flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Qualifizierungsprogramm für Arbeitslose umsetzen zu können.

 

Bessere Arbeitsmarktintegration von Frauen

Erstellung eines Aktionsplanes zur Beseitigung des Defizits in der Kinderbetreuung mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten und Qualitäts-Mindeststandards sowie eine soziale Staffelung der Kinderbetreuungskosten. Abschluss einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über eine Zweckbindung von Mitteln für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Schaffung einer gezielten Förderung von Betriebskindergärten und Ausbau des Rechts auf Eltern-Teilzeitarbeit in allen Betrieben.

 

Bessere Berufsausbildung

Gebührenfreies Nachholen des Hauptschulabschlusses, bessere Berufs- und Bildungsberatung sowie Schaffung eines Lehrlingsfonds, der einen Ressourcen- und Lastenausgleich zwischen den Betrieben ermöglicht.

 

Reduzierung der Saisonier-Kontingente

Seit dem Jahr 2000 hat die Regierung die Saisonier-Kontingente um beinahe 14.000 erhöht, von 19.745 auf 33.644 im Jahr 2004. Zugleich kommt es zu einer Zunahme von SaisonarbeitnehmernInnen aus den "alten" EU-Ländern. Daher sollen noch heuer die Saisonier-Kontingente - jedenfalls im Ausmaß der Saisonbeschäftigten aus den EU-15 - abgesenkt werden.

 

Übergangsfristen für den Arbeitsmarkt voll ausnutzen

Die Übergangsregelungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach der EU-Erweiterung sollen für die gesamte mögliche Frist (April 2011) aufrechterhalten werden.

 

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Initiative gegen Steuerdumping in der EU zu ergreifen.“