715/A XXII. GP
Eingebracht am 19.10.2005
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ANTRAG
der Abgeordneten Lunacek, Stoisits, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) wird wie folgt geändert:
Im § 44 2. Satz wird die Wortfolge „zwei Personen verschiedenen Geschlechtes“ durch die Wortfolge „zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechtes“ ersetzt.
Begründung:
In einer Entschließung des Europäischen
Parlaments zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2002)
(2002/2013(INI) wird in Punkt 77 von den Mitgliedstaaten gefordert „jede Form
der - gesetzlichen oder tatsächlichen -
Diskriminierung abzuschaffen, unter der Homosexuelle insbesondere im
Bereich des Rechts auf Eheschließung und auf Adoption von Kindern noch immer
leiden“. Österreich ist dieser Aufforderung bislang nicht nachgekommen. Nach
wie vor werden gleichgeschlechtliche Paare in Österreich diskriminiert. Denn
während es in zahlreichen EU-Ländern für gleichgeschlechtliche Paare möglich
ist, ihre Beziehung rechtlich absichern zu lassen - sei es im Rahmen eines
eigenen Rechtsinstituts, oder durch das Eingehen der Ehe wie in den
Niederlanden, Belgien und Spanien - wird dies in Österreich
gleichgeschlechtlichen Paaren bisher in jeglicher Form verwehrt. In Österreich
gibt es weder einen Zivilpakt (Zip) (siehe Initiativantrag der Grünen 712/A,
XXII. GP) oder eine andere Form, in der lesbische oder schwule Paare ihre
PartnerInnenschaft rechtlich absichern können. Gleichgeschlechtliche Paare
dürfen auch keine Ehe eingehen.
Art. 8. der Europäischen
Menschenrechtskonvention beinhaltet für jede Person das „Recht auf Achtung des
Privat- und Familienlebens“. Die Verweigerung der Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare, ist somit eine Menschenrechtsverletzung und eine massive Diskriminierung
auf Grund der sexuellen Orientierung. Diese Diskriminierung führt darüber
hinaus zu weitreichenden Benachteiligungen in vielen anderen rechtlichen und
sozialen Bereichen. So sind gleichgeschlechtliche Paare u.a. in folgenden
Rechtsbereichen benachteiligt: im Erbrecht, bei der Erbschafts- und
Schenkungssteuer, im Mietrecht, in
der Zivilprozessordnung, im Sozialversicherungsrecht, im
Einkommenssteuergesetz, im Fremdenrecht (Fremdengesetz, Ausländerbeschäftigungsgesetz,
Asylgesetz), bei der Adoption. Gleichgeschlechtliche LebenspartnerInnen werden
vor dem Gesetz, auch wenn sie schon seit Jahren oder Jahrzehnten in einer
Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtergemeinschaft leben, zueinander meist als
„Fremde“ behandelt. Dies führt beispielhaft dazu, dass gleichgeschlechtlichen
LebenspartnerInnen im Krankenhaus die Auskunft über den Zustand der kranken/des
kranken Lebensgefährtin/Lebensgefährten verwehrt werden kann. Auch im
Fremdenrecht gibt es Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Paaren. Dazu
gehören etwa eine Vielzahl von Regelungen im Fremdengesetz bzw. im
Ausländerbeschäftigungsgesetz, die an die „Ehegatteneigenschaft“ geknüpft sind.
Für gleichgeschlechtliche Paare bedeutet dies, dass es viel schwerer als für
verheiratete Paare ist, dass die/der PartnerIn einer Österreicherin/ eines
Österreichers, die/der aus einem Drittstaat kommt, in Österreich eine Niederlassungsbewilligung
bzw. Aufenthaltsberechtigung sowie Zugang zum Arbeitsmarkt erhält. Somit ist es
für gleichgeschlechtliche Paare, bei denen eine Person aus einem Drittstaat
kommt, meist nicht möglich, dass sie ein gemeinsames Leben in Österreich führen
können.
Darüber hinaus werden durch das derzeit
bestehende Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare auch Transgenders
benachteiligt. Auf Grund der derzeitigen Auslegung der bestehenden Rechtslage
stehen verheiratete Personen, die ihr Geschlecht gewechselt haben, vor dem
Problem, dass eine Änderung des Personenstandes bei aufrechter Ehe verweigert
wird, da dies der Anerkennung einer - de facto bereits existierenden -
gleichgeschlechtlichen Ehe gleichkommen würde. Funktionierende PartnerInnenschaften werden damit genötigt,
ein Scheidungsverfahren einzuleiten, obwohl keinerlei Voraussetzungen für eine
Scheidung (Zerrüttung o.ä.) vorliegen.
Aus all diesen Gründen ist die Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Die österreichische Rechtslage darf nicht,
wie es derzeit der Fall ist, eine bestimmte sexuelle Orientierung, nämlich die
verschiedengeschlechtliche, vor dem Gesetz bevorzugen. Gleiches Recht für
gleich viel Liebe muss gesetzlich verankert sein. Vor dem Gesetz müssen alle
Menschen, egal welcher sexueller Orientierung, gleich behandelt werden. Auch
Lesben und Schwule müssen die Möglichkeit haben, frei entscheiden zu können,
welche Form der rechtlichen Absicherung ihrer Beziehung – sei es über einen
Zivilpakt (Zip) oder über die Ehe – sie wählen wollen.
Bei den derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Ehe gibt es einige, die bereits jetzt für verschiedengeschlechtliche „ehewillige“ Personen als obsolet zu betrachten sind: etwa der „Wille, Kinder zu zeugen“. Diese und andere Bestimmungen wären in einer großen Eherechtsreform zu ändern, sind aber nicht Gegenstand dieses Antrags.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung
an den Justizausschuss vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung
innerhalb von drei Monaten verlangt.