742/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 06.12.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHER ANTRAG
der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Weinzinger, Freundinnen und
Freunde
betreffend 2005 - Schwärzestes
Jahr für Frauen auf dem Arbeitsmarkt
Begründung
Die Regierung Schüssel
hat frauenpolitisch versagt. Seit ihrem Antritt im Jahr 2000
hat sich die Lage der Frauen in Österreich dramatisch verschlechtert. In
sämtlichen
Bereichen
- Arbeitslosigkeit, Beschäftigungsquote, Pensionen,
Einkommensgerechtigkeit,
Wiedereinstieg, Frauenförderung - ist die Situation für
Frauen in Österreich heute
schlechter als vor 5 Jahren.
Besonders negativ hat sich die
Situation für Frauen in den letzten 1 ½ Jahren auf
dem
Arbeitsmarkt entwickelt. Angesichts der jüngsten Zahlen über die
Frauenarbeitslosigkeit herrscht
Alarmstufe Rot. Die Arbeitslosigkeit bei Frauen stieg
im November 2005 noch weiter, um 5,11% auf 120.308 Betroffene. Jene der Männer
stieg im Vergleich dazu um „nur“ 3,55
Prozent. Dieser Trend zum wesentlich
rascheren Wachstum der Frauenarbeitslosigkeit hält seit Mai 2004
ungebrochen an.
Eine ernsthafte Beschäftigung mit dieser
Tatsache und wirksame Maßnahmen gegen
die rasante Zunahme der
Frauenarbeitslosigkeit ist die Regierung schuldig
geblieben. Die Bilanz der Regierung
Schüssel fällt dementsprechend verheerend
aus: Zum Amtsantritt dieser Regierung
im Jahr 2000 waren 86.804 Frauen
arbeitslos, heute sind es bereits 120.308, das entspricht einem Zuwachs
von 38,6%.
Die Bilanz: Um 33.504 arbeitslose Frauen
mehr. Unter der Kanzlerschaft Schüssel
wurden an jedem einzelnen Tag 18
Frauen zusätzlich arbeitslos! Dabei sind jene
Frauen, die an AMS-Schulungen
teilnehmen, Kindergeld oder Sozialhilfe beziehen,
nicht von der Statistik erfasst. Auch
jene rund 72.000 Frauen, die laut
Arbeitskräfteerhebung gerne
erwerbstätig wären und derzeit als „haushaltsführend"
gelten, werden von der offiziellen Arbeitslosenstatistik nicht erfasst.
Eine Analyse der Datenlage nach den
Kriterien von EUROSTAT ergibt eine
saisonbereinigte Arbeitslosenquote - im
Unterschied zu den österreichischen
Statistiken - dass Frauen in
Österreich mit 5,2% Arbeitslosen bereits 2004
wesentlich stärker von betroffen
waren als Männer (mit 3,9%).
Frauen sind am Arbeitsmarkt nicht
nur verschärft von Arbeitslosigkeit betroffen, ihre
Jobs finden sich im Regelfall in
den niedriger qualifizierten Ebenen und in Branchen
und Tätigkeitsbereichen, die durch schlechtere Arbeitsbedingungen
gekennzeichnet
sind als „Männertätigkeiten". Die
„Frauenbranchen" - wie Handel, Tourismus,
Pflegeberufe, Sozialberufe aller Art,
geisteswissenschaftliche Tätigkeiten - sind
gekennzeichnet durch belastende Arbeitszeiten, schlechtere
Aufstiegsmöglichkeiten,
schlechtere Gehälter und weniger Prestige als
die „Männerbranchen" - z.B.
Baugewerbe, technische und
naturwissenschaftliche Tätigkeiten. Hier steuert die
Regierung nicht gegen, sondern fördert diese Tendenzen etwa durch
unqualifizierte
Werbung für Pflegeberufe, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im
Handel und
im Tourismus, u.v.m.
Die Regierungspolitik trägt dazu
bei, die negativen Entwicklungen noch zu
beschleunigen:
Das Kindergeld mit seinen geringen Zuverdienstgrenzen und dem
fehlenden Kündigungsschutz für die Gesamtdauer des Bezugs hat zu überlangen
Abwesenheiten von Frauen vom Arbeitsmarkt und einem deutlich erschwerten
Wiedereinstieg in den Job geführt. Männer nehmen nach wie vor kaum Elternkarenz
in Anspruch. Die Zahl der
männlichen Kindergeldbezieher stagniert seit Monaten bei
etwa 3,2%. Die Regierung unternimmt nichts,
um eine Erhöhung des Anteils der
Karenzväter zu erreichen.
Das derzeitige Angebot der
Arbeitsmarktpolitik an die Wiedereinsteigerlnnen
beschränkt
sich auf wenig effektive „Berufsorientierungskurse". Generell lässt sich
feststellen,
dass Frauen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik die weniger
zukunftsorientierten
und weniger qualifizierten Maßnahmen erhalten. Während
betriebliche
Wiedereingliederungshilfen und konkrete Ausbildungsmaßnahmen mit
Zertifikatsabschluss
mehrheitlich männlichen Arbeitslosen zugute kommen, entfällt
ein
überproportional hoher Anteil von Zuschüssen für Kinderbetreuung auf Frauen.
Die
„Kinderbetreuungsbeihilfe" des AMS erhielten 2004 zu 98% Frauen, das sind
7.019 Frauen, aber nur 162 Männer. Dafür kamen doppelt so viele Männer in den
Genuss der
„Gründungsbeihilfe" (2.847 Männer im Vergleich zu 1.436 Frauen).
Auffällig ist auch, dass sich zwar deutlich mehr Frauen
in Qualifizierungsmaßnahmen
befinden, aber während dieser Maßnahmen
deutlich weniger oft eine Beihilfe zur
Deckung des Lebensunterhaltes erhielten.
Die Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt und die
geschlechtsspezifischen
Rollenbilder werden somit vom AMS fortgeschrieben. Frauen werden zu
Arbeitslosen
zweiter Klasse. Die Politik der Regierung
Schüssel ist geprägt vom Festhalten am
Modell des männlichen
„Ernährers", zu dem die Frau allenfalls ein wenig
dazuverdient. Die eigenständige
Existenzsicherung, die selbstverständliches Recht
von Frauen sein sollte, wird
behindert und vielen Frauen immer schwieriger gemacht.
So ist es wenig überraschend, dass
Österreich bei der Erwerbsquote von Frauen im
internationalen Vergleich
zurückfällt. Im Durchschnitt der EU-15 stieg zwischen 1995
und 2003 die teilzeitbereinigte Erwerbsquote von Frauen um rund 4,5%, in
manchen
Staaten deutlich stärker - etwa in Spanien
um mehr als 12 % oder in Finnland um
über 8%. Einzig in Österreich sank
die Frauenerwerbsquote im selben Zeitraum um
fast 2%.
Spitzenreiter ist Österreich im internationalen Vergleich
nur bei der Teilzeitquote von
Frauen, die weit über dem EU-Schnitt liegt
und sich gerade in den letzten Jahren
drastisch erhöht hat. Die
Teilzeit-Quote von Frauen stieg allein von 2000 bis 2003
von 33% auf 37,1%, im Vergleich dazu liegt sie im EU-Schnitt bei 26%.
Der gesamte
Beschäftigungszuwachs der letzten Jahre ist bei Frauen auf
Teilzeitbeschäftigungen
und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse
zurückzuführen. Waren es beim
Amtsantritt von Kanzler Schüssel im Jahr 2000 noch „nur" 141.670 Frauen
(im
Vergleich zu 55.102 Männern), die geringfügig beschäftigt waren, so gab es im
Oktober 2005 bereits 162.422
geringfügig beschäftigte Frauen! Eine
Existenzsicherung ist mit dem
Verdienst aus derartig prekären Arbeitsverhältnissen
nicht mehr möglich. Übrigens: Bei den freien Dienstverträgen findet sich dieser
Frauenüberhang nicht, sie verteilen
sich zu etwa gleichen Teilen auf Frauen und
Männern.
Eine Neuausrichtung der
Regierungspolitik ist im Interesse der Existenzsicherung
von Frauen daher unabdingbar.
Dringendstes Anliegen für 2006 muss sein:
Vorrang für Frauen auf dem Arbeitsmarkt!
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
DRINGLICHEN ANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird
aufgefordert, sich entschieden für die Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit von Frauen einzusetzen und dazu jedenfalls umgehend folgende
Maßnahmen
zu ergreifen:
1. 10.000 neue Frauenjobs im Jahr 2006 durch eine „Aktion 10.000“
Schaffung von neuen Jobperspektiven
für Frauen durch die Förderung von
Neubeschäftigung (Übernahme von
2/3 der Lohnkosten auf ein Jahr)
2. Gleiches Recht für Frauen bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen
Verbesserte Angebote für berufliche
Aus- und Weiterbildung von Frauen und
gleichwertige
Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen im AMS
3. Verknüpfung der Wirtschaftsförderung mit Frauenförderung
Schaffung von Anreizsystemen für Betriebe, verstärkt
Frauen zu beschäftigen
und zu fördern, durch eine Verknüpfung zum
Beispiel der Wirtschaftsförderung
mit betrieblicher Frauenförderung
4. Einführung eines erwerbsabhängigen Karenzgelds
Förderung der Väterkarenz und
Verkürzung der individuellen
Arbeitsmarktabwesenheiten
durch Einführung eines erwerbsabängigen
Karenzgelds
In
formeller Hinsicht verlangen die unterfertigten Abgeordneten, diesen Antrag
gemäß
§§ 74a Abs.
1 in Verbindung mit 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln und der
Erstunterzeichnerin
Gelegenheit zur Begründung zu geben.