747/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 06.12.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
des Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde
betreffend Abberufbarkeit von VolksanwältInnen
Am 21. Juni 2002
hielt Volksanwalt Ewald Stadler bei einer Sonnwendfeier in Seebarn eine
‚Feuerrede’, die in folgendem Ausspruch gipfelte:
„(...) und 1945 - und das ist zur Staatsideologie geworden - sind wir
angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden, und in die
nächste Tyrannei geraten, insbesondere hier auf diesem Boden, auf dem wir uns
heute befinden“
Im ORF-Report sagte Stadler lt. APA 735 vom 2. Juli 2002:
Für die Menschen damals seien Austrofaschismus und Nationalsozialismus
"hausgemachte Angelegenheiten" gewesen, aber "dass russische
Besatzungsmächte hier gewütet haben, war damals fast ein Kulturschock. So muss
man das sehen." Er, so Stadler auf Nachfrage, würde von Nationalsozialismus
oder der Besatzung durch die Alliierten "keines vorziehen" -
und was schlimmer war, wolle
er "heute nicht bewerten“.
Im "profil" Nr. 28/02 vom 08.07.2002, Seite 30 sagte Stadler:
"Ich halte eine Bewertung, was schlimmer war, für unanständig. Aus der
Sicht der Opfer ist diese Aufrechnerei, der eine Massenmord war der bessere,
der andere der ärgere, widerwärtig."
Zuletzt tat sich Volksanwalt Stadler im
November 2005 wieder mit untragbaren Äußerungen hervor, in denen er von „homosexuellen
und anderen perversen Partnerschaften“ sprach und die unfassbare Frage
aufwarf: „Vielleicht
sollten wir auch Autos und Kindergärten anzünden, um an EU-Geld zu kommen?“.
Diese Aussagen von Volksanwalt Ewald Stadler setzten
einerseits die Zeit der Verbrechen des nationalsozialistischen Terrorregimes
mit der Zeit nach der Wiedererrichtung der österreichischen Demokratie gleich.
Volksanwalt Stadler verweigert die Differenzierung zwischen Holocaust, Tyrannei
und millionenfachem Morden einerseits und der alliierten Besatzung zwischen
1945 und 1955 andererseits. Er erklärt die moralische Unterscheidung von
Nationalsozialismus und der Befreiung von ihm durch die Alliierten (britische,
französische, amerikanische und sowjetische Truppen) zu einer bloßen Geschmacksfrage.
Stadler setzt damit auch die Zeit, in der Österreich seine Eigenstaatlichkeit
verloren hatte und nur mehr als Teil von Nazideutschland (‚Ostmark’)
existierte, mit der Zeit nach 1945 gleich, wo Österreich seine
Eigenstaatlichkeit mit eigener demokratisch legitimierter Regierung wieder
erlangte.
Die Gleichsetzung des Nationalsozialismus, des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte, mit einem "Kulturschock der russischen Besatzung" bzw. mit der Befreiung durch alliierte Truppen ist nicht weniger als der Angriff auf den Grundkonsens der Zweiten Republik. Es ist eine Verharmlosung des nationalsozialistischen Terrorregimes und eine offene Verhöhnung seiner Opfer, die den Unterschied zwischen Holocaust und alliierter Besatzung sehr wohl kennen, sofern sie ihn überhaupt noch erleben konnten. Und es ist ein Schlag ins Gesicht aller DemokratInnen und all jener, die damals gegen den Nationalsozialismus eingestellt waren und nichts sehnlicher als dessen Ende herbeiwünschten.
Aber auch Stadlers jüngste Äußerungen sind ein weiterer Beleg dafür, dass er für die Funktion eines Volksanwaltes vollkommen ungeeignet und untragbar ist. Es ist nämlich untragbar, dass ein vom Nationalrat bestellter Volksanwalt beharrlich derartig menschenverachtende Äußerungen von sich gibt. Nicht zuletzt um die Institution Volksanwaltschaft vor einer weiteren Schädigung durch eines seiner Mitglieder im Einzelfall bewahren zu können, muss es daher eine rechtliche Möglichkeit geben, dass Volksanwälte künftig vom Nationalrat abberufen werden können. Wenn VolksanwältInnen das anlässlich ihrer Bestellung durch den Nationalrat in sie gesetzte Vertrauen in schwerwiegender Weise missbrauchen, muss der Nationalrat entsprechende Konsequenzen ziehen können.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine B-VG-Novelle zur Beschlussfassung vorzulegen, die eine Abberufung von VolksanwältInnen durch den Nationalrat ermöglicht.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung
an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.