796/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 01.03.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Maga Christine Muttonen und GenossInnen
betreffend Konzept zur Förderung und Stärkung der kulturellen Bildung
Die
Herausforderungen der Wissensgesellschaft, die Veränderungen in Wirtschaft
und Arbeitswelt erfordern zunehmend
zusätzliche Kompetenzen. Bildung muss daher
über den reinen Wissens- und Fertigkeitserwerb hinaus einen elementaren
Beitrag
zur umfassenden Persönlichkeitsentwicklung leisten und sollte zur Entwicklung
übertragbarer Kompetenzen beitragen, um junge Menschen auf das
Erwachsenenleben und weitere Lernprozesse vorzubereiten.
Die EU betont
die zentrale Rolle der allgemeinen und beruflichen Bildung innerhalb
der Wachstums- und Beschäftigungsagenda und hat die Mitgliedsstaaten in
integrierten Leitlinien aufgerufen, ihre Investitionen in das
„Humankapital" zu
steigern, zu optimieren und die Systeme der
allgemeinen und beruflichen Bildung an
die neuen Qualifikationsanforderungen anzupassen.
Im November 2005 wurde von der Europäischen Kommission ein „Vorschlag
für eine
Empfehlung des Europäischen
Parlaments und des Rates" zu
Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen
(http://europa.eu.int/comm/education/policies/2010/doc/keyrec
de.pdf) publiziert - als
praktisches Instrument zur Förderung der
Anstrengungen der Mitgliedstaaten. Unter
den im Anhang dieses Papiers genannten acht Schlüsselkompetenzen für
lebenslanges Lernen ist die kulturelle Kompetenz explizit angeführt. Der
Bericht
(2005/0221 (COD)) führt weiters aus: „Am
Ende ihrer Grund(aus)bildung sollten junge
Menschen ihre Schlüsselkompetenzen so weit entwickelt haben, dass
sie für ihr
Erwachsenenleben gerüstet sind, und die
Schlüsselkompetenzen sollten im Rahmen
des lebenslangen Lernens weiterentwickelt, aufrechterhalten und
aktualisiert
werden."
Kulturelle
Bildung vermittelt jene Kompetenzen, welche die Menschen in der
Gesellschaft der Zukunft benötigen und ist
der entscheidende Schlüssel zur Teilhabe
am kulturellen, gesellschaftlichen aber auch beruflichen Leben. Basis
kultureller
Kompetenz ist zweifelsohne ein breit gefächertes Angebot kultureller Bildung,
das
idealerweise möglichst früh ansetzt. Kulturelle Bildung sollte daher bereits im
Kindergarten beginnen und sich konsequent durch alle Bildungs- und
Lebensbereiche ziehen. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, selbst ein Verhältnis
zur künstlerischen Produktion herzustellen und damit über das, was
gesellschaftlich
unter Kultur verstanden wird, auch aktiv mitzuentscheiden.
Die Diskussion,
welche kulturellen Kompetenzen entwickelt werden sollen und
welche Rolle Bildungseinrichtungen bei der
Vermittlung einnehmen können, gewinnt
zunehmend an Bedeutung. Österreich plant im Rahmen der EU-Präsidentschaft vom
8. bis 10.Juni 2006 in Graz eine Fachkonferenz mit dem Ziel, „einen
europäischen
Vergleich bzw. Entwicklungstendenzen über die Bedeutung der kulturellen Bildung
für unterschiedliche Bereiche unserer Gesellschaft zu geben sowie eine
Diskussion
zum europäischen State-of-the-Art im Bereich kultureller Bildung zu
führen".
Dies ist insofern ein
ermutigendes Signal, weil das Angebot kultureller Bildung in
Österreich in den vergangenen Jahren
deutlich zurückgefahren worden ist. Bereits
2001 hat das ÖKS in einer Studie (Kunst und Bildung, 2001) folgendes
festgestellt:
„Im
Rahmen des Allgemeinbildenden Schulwesens in Österreich wird die
Auseinandersetzung mit den Künsten
traditionell von den Fächern Bildnerische Erziehung
und Musikerziehung wahrgenommen. Dazu kommt die Beschäftigung mit
Literatur in
Deutsch bzw. in den anderen sprachvermittelnden Gegenständen. Diese Gegenstände
haben - nach verschiedentlichen
Einschätzungen trotz dem hinhaltenden „Abwehrkampf'
durch die Standesvertretungen der Lehrerinnen - in den letzten Jahren
tendenziell an
Bedeutung verloren.... Durch defensive
Strategien begünstigt hat sich mittlerweile der
größere Teil des kunstvermittelnden Angebotes in den Bereich der Frei-
bzw. Wahlfächer
verlagert und vermag damit auf die spezifischen Interessen der SchülerInnen
durch
maßgeschneiderte Bildungsangebote besser einzugehen. Diese prinzipiell sehr zu
begrüßende Entwicklung wird konterkariert
durch Einschränkungen gerade im Bereich der
Freifächer mittels zum Teil beträchtlicher Stundenkürzungen. Besonders
bedauerlich
erscheint nach wie vor, dass in weiten Teilen des Berufsbildenden Schulwesens,
insbesondere in den Berufsschulen, Fächer
mit einem spezifischen Kunstbezug überhaupt
fehlen. Dieses Manko kann durch gelegentliche kulturelle Projektarbeit,
in der Regel in
Zusammenarbeit mit außerschulischen Kunst- und Kultureinrichtungen, nicht
zufriedenstellend kompensiert werden".
Das kulturelle
Bildungsangebot an den Schulen - konkret Bildnerische Erziehung,
Musik und Kunstunterricht - war nach Erscheinen des oben zitierten Berichts
weiter
von diversen Stundenkürzungen betroffen -
auch wenn die Kultur- und
Bildungsministerin dies gerne
vergessen machen möchte: So stellte die Ministerin in
der ORF-Sendung Treffpunkt Kultur vom 30.1.2006 die Kürzungen in Abrede. In der
Anfragebeantwortung 325/AB, XXII. GP wurden Kürzungen im
musisch-kreativen
Unterrichtsangebot jedoch noch von der Ministerin selbst dezidiert angeführt.
Das
bestehende Missverhältnis zwischen
kognitiven Lernfächern und kultureller Bildung
dürfte sich also noch weiter verschärft haben.
Die 1993 auf
Initiative des ÖKS ins Leben gerufene Aktion des BMBWK
„Schulkulturbudget für Bundesschulen",
die mittels gesonderter „Schulkulturbudgets"
in qualitativerweise die Begegnung
mit KünstlerInnen ermöglichen soll, hat in den
vergangenen Jahren ebenfalls keinen
nennenswerten finanziellen Ausbau erfahren.
Es ist zu hoffen, dass die geplante Konferenz zur kulturellen Bildung
im Juni 2006 ein
Signal für mehr kulturelle Bildung
in Österreich darstellt und dass damit ein
Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik
der Bundesregierung vor allem im Bereich
der kulturellen Bildung einhergeht. Damit die Resultate dieser
Veranstaltung
nachhaltig und über eine bloße
Konferenzdokumentation hinaus wirksam werden, ist
eine gemeinsame Strategie zur kulturellen Bildung sowohl zwischen den
einzelnen
von kulturpolitischen Fragen betroffenen Ressorts als auch zwischen Bund und
Ländern unabdingbar. In einem derartigen koordinierten Konzept zur kulturellen
Bildung müssten auch Elemente enthalten sein, die
- die kulturelle
Partizipation fördern und damit benachteiligten Gruppen die
Teilnahme am kulturellen Leben
ermöglichen.
- systematische Anreize zur
Kooperation möglichst vieler Bildungs- und
Kultureinrichtungen beinhalten.
- eine koordinierte
Kulturpolitik gewährleisten, die den demographischen
Entwicklungen und den spezifischen
Bedürfnissen unterschiedlicher
gesellschaftlicher Gruppen Rechnung trägt.
- Programme zu einer
besseren Qualifizierung von Kindergärtnerinnen und
Pädagoginnen als
Kulturvermittlerinnen vorsehen.
Von besonderer Bedeutung ist aber auch die vielfältige und
grenzüberschreitende
Kooperation und der Informations- und Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der
kulturellen Bildung, um sich der
europäischen Sicht auf kulturelle Bildung als
Grundlage einer europäischen Bürgerschaft annähern zu können.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die
Bundesregierung wird aufgefordert, ein »Konzept zur Förderung und Stärkung
der kulturellen Bildung« als wichtiges und
notwendiges Element des schulischen und
außerschulischen Bildungsangebots zu entwickeln. Kulturelle Bildung soll
bereits im
Kindergarten beginnen und konsequent in allen Bildungsbereichen angeboten
werden. Das Konzept soll dabei einerseits
den theoretischen Rahmen abstecken und
die Frage stellen, welche Inhalte und Kompetenzen im Rahmen von
kultureller
Bildung vermittelt werden können. Andererseits ist zu thematisieren, wie und in
welchem Zusammenhang kulturelle Bildungsangebote präsentiert werden können.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Vernetzung und Kooperation aller
betroffenen Institutionen und
Gebietskörperschaften, eine effektive Zusammenarbeit
mit Künstlerinnen und Kulturschaffenden sowie vielfältige und
grenzüberschreitende
Kooperationen und Informations- und Erfahrungsaustausch.
Besonderes
Augenmerk soll in diesem »Konzept zur Förderung und Stärkung der
kulturellen Bildung« der kulturellen
Partizipation sowie Anreizen zur Zusammenarbeit
von Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie der Berücksichtigung der
aktuellen
demographischen Entwicklungen zukommen. Es
muss darüber hinaus Elemente der
Qualitätssicherung und der Wirkungsforschung enthalten.
Weiters wird die
Bundesregierung aufgefordert, rasch mit den Ländern
Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, dass auch in den entsprechenden
Landesgesetzen adäquate Regelungen zur kulturellen Bildung aufgenommen
werden. Hier sollten vor allem auch
Programme zu einer besseren Qualifizierung von
Kindergärtnerinnen und Pädagoginnen als Kulturvermittlerinnen entwickelt
werden."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Kulturausschuss vorgeschlagen.