812/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 29.03.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
betreffend die digitalen Rechte der KonsumentInnen
Mit der
Urheberrechtsgesetznovelle 2006 - die am 23.3.2006 im Justizausschuss vertagt
wurde -
versuchte die Bundesregierung Rechteinhaber einen generellen Auskunftsanspruch
bei
Urheberrechtsverletzungen gegenüber
Provider einzuräumen.
In
§§ 87b Abs. 2 und 3 aF des Entwurfes waren materielle Auskunftsansprüche
vorgesehen. Ein
vermeintlich in seinen Urheberrechten Verletzter hatte direkt und ohne
Überprüfung durch einen
Richter von in der Regel an der
vermeintlichen Verletzung nicht beteiligten Dritten Auskunft
über die Identität eines (vermeintlichen) Urheberrechtsverletzers verlangen
können. Diese
materiellen Auskunftsansprüche haben sich in der Praxis nicht nur als äußerst
problematisch
herausgestellt, sie entsprechen auch nicht der RL zur Durchsetzung der Rechte
des geistigen
Eigentums. Daher wurde diese
Regierungsvorlage auch vertagt.
In der digitalen Welt werden den KonsumentInnen von der Musik- und
Filmindustrie zunehmend
grundlegende Rechte vorenthalten
bzw. entzogen. Es ist daher absolut notwendig, diese
grundsätzlichen Rechte von KonsumentInnen
im Umgang mit digitalen Inhalten zu schützen und
auszubauen. Es geht um Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement
(DRM), die
rechtliche Behandlung von Tauschbörsen sowie um das Recht auf digitale
Privatkopien.
Unter Nutzung
der Möglichkeiten des „Digitalen Rechtemanagements" (Digital Rights
Management - DRM) werden von der Industrie
neue Technologien dazu eingesetzt, vollkommen
legale Anwendungen zu beschränken oder gar zu unterbinden (z.B. digitale
Kopien). DRM will
damit die Nutzung digitaler
urheberrechtlich geschützter Werke kontrollieren - durch technische
Schutzmechanismen bei Hardware sowie Software. DRM-Systeme werden bei
urheberrechtlich
geschützten Medienprodukten eingesetzt -
sowohl beim physischen Vertrieb von CD's, DVD's
und sonstigen Medien als auch beim Online-Vertrieb von Musikdateien
(Downloads),
elektronischen Büchern und Spielen sowie bei Pay-TV und Video-On-Demand-Diensten.
Mit
Hilfe von
Systemen des DRM wird die private Nutzung von Musikwerken unter die Kontrolle
der Musikkonzerne gestellt. Das Recht auf digitale Privatkopien wird damit
ausgehöhlt bzw.
überhaupt verweigert. InternetuserInnen bzw. TauschbörsennutzerInnen werden
gleichzeitig
durch nationale Strafbestimmungen massiv kriminalisiert. Geld- und/oder
Haftstrafen werden
angedroht, dies auch für den
nichtgewerblichen Bereich. Weltweit führt die Musikindustrie auch
Prozesse gegen Hersteller von Tauschbörsensoftware
(Filesharingsoftware).
Die Industrie
bzw. die Rechteinhaber sind nicht rücksichtsvoll beim Umgang mit
TauschbörsennutzerInnen (Filesharer). So wurden in einigen Staaten
"exemplarische"
Gerichtsprozesse geführt und den NutzerInnen horrende Geld- bzw. Haftstrafen
für das
Herunterladen von Musik oder Filmen aus dem Internet angedroht. Sie erhalten
Abmahnungsschreiben und/oder werden gerichtlich angezeigt. Es kommt zu
Hausdurchsuchungen. Industrievertreter
wollen nun weitere Strafverschärfungen und fordern
dazu einen eigenen Straftatbestand für „Up- und Downloads“ (Downloads
rechtswidrig
hergestellter und öffentlich zugänglich
gemachter Vorlagen) auch für den nichtgewerblichen
Bereich.
Einige EU-Staaten beabsichtigen unter Druck der Industrie einen
generellen Auskunftsausspruch
- ohne richterliche Überprüfung des
Anspruches bzw. der Verletzung urheberrechtlicher
Bestimmungen - gegenüber Internetprovider einzuführen. Damit soll die
standardmäßige
Abfrage von Verbindungsdaten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen
ermöglicht
werden.
Aber auch bei den Methoden selbst sind diese Gesellschaften nicht
zimperlich. So hat die von der
Medienindustrie und von staatlichen
Stellen finanzierte Gesellschaft zur Verfolgung von
Urheberrechtsverletzungen (GVK) in
Deutschland selbst den Betrieb von Raubkopierservern und
die Einstellung von illegalen Inhalten ins Netz gefördert! Diesbezüglich
ermittelt allerdings auch
die zuständige Staatsanwaltschaft.
Den
Rechteinhabern stehen europaweit bei Urheberrechtsverletzungen zur Durchsetzung
ihrer
Rechte Schadenersatz-, Bereicherungs- und
Unterlassungsansprüche zu. Besonders problematisch
sind generelle Auskunftsansprüche von Rechteinhabern (Content Anbieter)
- ohne gerichtliche
Überprüfung - gegenüber Providern, da damit
KonsumentInnen massenhaft mit kostspieligen
Abmahnungen und Klagen überzogen werden können. In Österreich ist das
Verbot von
Filesharing im Urheberrecht geregelt (§ 91 -
§ 93 UrhG). Ein teilweise hausgemachtes Problem
betrifft das Recht auf eine Privatkopie. Experten kritisieren, dass die
österreichische Umsetzung
des Artikels 6
Abs. 4 Info RL (Schutz technischer Maßnahmen) sich darauf verlässt, dass die
Rechteinhaber freiwillige Maßnahmen
ergreifen um Privatkopien zu ermöglichen. Dies wurde
nicht vorgenommen. Nach Art. 6 Abs. 4 der RL 2001/29/EG (Urheberrecht in
der
Infogesellschaft) die Mitgliedstaaten (also das Justizministerium) verpflichtet
sind, geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, die den begünstigen (Konsumenten bez. des eigenen
Gebrauchs,
Schulen, Bibliotheken etc.) die Ausübung
ihrer freien Werknutzungsrechte ermöglichen, wenn
„von Seiten der Rechteinhaber
freiwillige Maßnahmen... nicht ergriffen werden".
Der rechtliche
Umgang mit Tauschbörsen-NutzerInnen ist europaweit umstritten. International
diskutiert wird bereits legales Tauschen gegen eine monatliche Gebühr
(Lizenzpauschale).
Diskutiert werden auch Toleranz- und
Bagatellwerte bei rechtswidrigen Downloads, unter denen
eine strafrechtliche Verfolgung unterbleibt. Wer hunderte Musiktitel
herunterladet, darf sich aber
nicht wundern, wenn er verfolgt wird. In Deutschland empfahl Ende 2005
die
Generalstaatsanwältin den
Staatsanwaltschaften schriftlich, Verfahren gegen Nutzer einzustellen,
die bis zu 100 Werke online bereitstellen. Hausdurchsuchungen soll es erst
geben, wenn mehr als
500 Dateien in einer Tauschbörse angeboten werden.
Konsumentenschutzorganisationen haben sich europaweit deutlich für das
Recht auf Privatkopie
und für Musikdownloads über
Tauschbörsen ausgesprochen, solange dies nicht im
kommerziellen Umfang geschieht. Für den privaten Gebrauch erstellte Kopien
müssen straffrei
bleiben. In den nationalen Urheberrechtsgesetzen ist daher das Recht auf digitale
Kopien
gesetzlich so zu verankern, dass es auch nicht ohne weiteres durch
Kopierschutzmaßnahmen
verhindert werden kann. Denn Kopierschutztechniken treiben harmlose
KonsumentInnen in
„illegale“ Tauschbörsen.
Anders argumentiert die Industrie bzw. damit beauftragte
Gesellschaften: Jeder
Urheberrechtsbruch im Bereich von
Peer-2-Peer Börsen soll verfolgt werden.
„Das Konsortium
ZKM wird auch hierzulande den raubkopierenden Massen den Krieg erklären!
Überall sind sie zu finden, diese
VerbrecherInnen! In Kinos, Volksschulen, Universitäten und
sogar schon in Pensionistenheimen, so der Pressesprecher des
österreichischen ZKM-Ablegers.
Den Krieg gegen die Raubkopiererei will das ZKM auf mehreren Fronten führen: Mit
neuen
provokanten Slogans und Motiven ebenso wie mit Polizeirazzien und
Gefängnisaufenthalten. Und
mit viralen Technologien zur Überführung
der Copyright- Verbrecher unter den Konsumenten "
(Progress 08/2005).
Oder:
„P2P-Austausch ist dasselbe wie der Diebstahl einer CD im Geschäft! Wir
müssen Künstler
davor schützen, von Verbrauchern im Internet ausgeraubt zu werden oder
Raubkopierer sind
Verbrecher" (ZKM).
Solche
Behauptungen der großen Musik- und Filmindustrieunternehmen bzw. durch
Gesellschaften mit denen KonsumentInnen unterschiedslos zu Produktpiraten und
Kriminellen
abgestempelt werden, begegnen uns im Fernsehen, in der Kinowerbung und in den
Medien.
Dieselben Unternehmen geben in eigenen Richtlinien vor, was die KonsumentInnen
in der
digitalen Welt alles nicht tun
dürfen. Aus Sicht dieser Unternehmen haben die KonsumentInnen
keinerlei Rechte im Umgang mit legal gekauften CD's, DVD's oder anderen
digitalen Medien -
außer in ein paar großmütig gewährten Ausnahmefallen.
Die Industrie
versteckt sich mit diesen Maßnahmen und Aktionen hinter den KünstlerInnen,
deren Interessen sie angeblich vertritt. In Wirklichkeit treibt sie einen Keil
zwischen
KünstlerInnen und deren Fans und
Unterstützer. Viele KünstlerInnen sehen die Situation anders,
da für sie nicht das Hauptrisiko darin besteht „raubkopiert" zu
werden, sondern aus der
Wahrnehmung der Öffentlichkeit herauszufallen. So argumentieren auch die
Musikverbände
Deutschlands und Österreichs (z.B. Deutscher Rock- und Popmusikverband).
Unbestreitbar
ist Produktpiraterie ein ernstzunehmendes globales Problem, KonsumentInnen
sollten auch keine Raubkopien von CD's und DVD's kaufen. Denn nur allzu häufig
werden diese
Produkte in großer Stückzahl von organisierten Kriminellen hergestellt. Davon
sind private
Downloads von Tauschbörsen zu
unterscheiden, sofern diese nicht erwerbsmäßig erfolgen. Denn
privaten KonsumentInnen sind nicht die Kriminellen: Die Industrie muss
damit aufhören, sie als
solche abzustempeln!
Die Musikindustrie verliert nach eigenen Angaben jährlich durch
Musikdownloads (P2P)aus dem
Internet, insbesondere durch
Tauschbörsen. Viele Download-Shops schützen inzwischen ihre
Daten mit dem von Microsoft entwickelten DRM-System. Hiermit kann der Anbieter
zum
Beispiel festlegen, wie oft ein Titel abgespielt oder auf eine CD oder einen
anderen PC kopiert
werden kann. DRM-Systeme können theoretisch mit allen Musikformaten gekoppelt
werden.
Microsoft forciert das eigene WMA-Format am Markt, während Apple auf das
AAC-Format
setzt. Der Dumme ist mal wieder der Konsument, denn der muss quasi
schon beim Kauf des
entsprechenden Players entscheiden,
welche Musikformate er in Zukunft einsetzen will.
Sony-BMG hat auf
Audio-CD eine Kopierschutzsoftware verbreitet, die das Benutzerverhalten
ausspioniert und die Funktionstüchtigkeit von Windows-PC gefährdete. Die
Software, die sich
ohne das Wissen des Anwenders an einem
zentralen Ort innerhalb der Windows-Systemsoftware
einnistet, stellte für User ein Sicherheitsrisiko dar. Die betroffenen
Audio-CD mussten aus dem
Handel genommen werden.
Gerade der Fall
Sony-BMG zeigt, dass dieser Trend die KonsumentInnen vor große Probleme
stellt: Sie können - obwohl rechtmäßig erworben - eine DVD mitunter nicht
abspielen oder die
erworbenen digitalen Inhalte nicht selbst
neu zusammenstellen. Offen bleibt auch die Frage, wie
sich KonsumentInnen in Zukunft generell vor einer Schadensoftware der
Unterhaltungsbranche
schützen können und welche Ersatzansprüche zustehen.
DRM schränkt
damit den legitimen Umgang mit digitalen Inhalten ein. Es gibt einseitige
Vertragsklauseln zugunsten der Industrie,
Informationen über Einschränkungen im Gebrauch von
digitalen Geräten und Produkten werden aber KonsumentInnen vor dem Kauf
vorenthalten.
Darüberhinaus versucht die Musik- und Filmindustrie die privaten KonsumentInnen
als
„Kriminelle“ abzustempeln. DRM schafft Sicherheitsrisiken, unterwandert
Konsumentenschutz-
und Datenschutzgesetze.
Vor diesem
Hintergrund haben Konsumentenorganisationen in ganz Europa kein
Vertrauen in die Selbstregulierung der Industrie. Zumal es eine weitere Vision
der
Industrie gibt: Über das DRM könnte jeder
einzelne Nutzungsvorgang überprüfbar und
damit einzeln abrechenbar werden. Damit soll also nicht nur das private
Kopieren
eingeschränkt werden, sondern auch die
Verdienstmöglichkeiten der Industrie erweitert
werden.
Eine
Untersuchung des Europäischen Verbraucherverbandes „BEUC“ zu den
Konsumentenrechten bei digitalen Musikangeboten im Jahr 2004 war Anlass für
eine
europaweite Kampagne zu digitalen Konsumentenrechten. Damit wird gegen eine
pauschale
Gleichsetzung der Nutzung von Online Tauschbörsen mit Ladendiebstahl genauso
mobil
gemacht, wie gegen den verstärkten Einsatz
von Systemen zum digitalen Rechtemanagement.
Es
ist vielmehr an der Zeit, den KonsumentInnen bestimmte grundlegende Rechte in
der digitalen
Welt wiederzugeben und ihnen zu
vermitteln, was sie mit ihrer digitalen Hardware und ihren
digitalen Inhalten tun dürfen. Das ist die Botschaft, die die
europäischen
Konsumentenorganisationen verbreiten möchten. Es geht um das
•
Recht auf
Wahlfreiheit, Wissen und kulturelle » Recht auf das Prinzip der
"technologischen
Neutralität" - Verbraucherrechte im
digitalen Umfeld schützen und erhalten
•
Recht auf
technologische Innovation ohne missbräuchliche Einschränkungen, das
•
Recht auf
Interoperabilität von digitalen Inhalten und Datenträgern, das
•
Recht auf Schutz
der Privatsphäre sowie das
•
Recht darauf,
nicht kriminalisiert zu werden!
Diese Rechte
müssen KonsumentInnen auch im Umgang mit digitalen Produkten zugestanden
werden. Es geht somit um Normierung und Durchsetzung von grundlegenden
KonsumentInnenrechten in der digitalen Welt. Eine pauschale Gleichsetzung der
Nutzung von
Online-Tauschbörsen mit Ladendiebstahl ist
genauso diskriminierend, wie der verstärkte Einsatz
von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) und dem damit
verbundenen
Aufbau von technischem Kopierschutz.
Die europäischen Konsumentenorganisationen appellieren daher an die
politischen
Entscheidungsträger, die sechs
zentralen digitalen Rechte der KonsumentInnen
mitzutragen:
•
Einen rechtlichen Rahmen, der zu neuen Wegen der öffentlichen
Darbietung/Darstellung und
des Vertriebes von digitalen
Inhalten ermutigt. Dabei soll die Bezahlung der Künstler,
Urheber und Musiker gewährleistet sein. Und es sollen den Verbrauchern und der
Öffentlichkeit neue Wege bereitgestellt
werden für den Zugang, zum Kennenlernen, für neue
Nutzungsmöglichkeiten;
•
Ein neues
Gleichgewicht zwischen Ausschließlichkeitsrechten bei der Verwertung von
digitalen Inhalten und Zielen des öffentlichen Interesses bei der Verwendung
und
gemeinsamen Nutzung dieser Inhalte, wobei die neuen Möglichkeiten der
Inhaltsverwendung, die durch den
technischen Fortschritt entstehen, zu berücksichtigen sind;
•
Dass die Industrie auf rechtliche Schritte gegen P2P-Downloader
verzichtet, damit der Markt
Lösungen für eine
Online-Entwicklung für den audiovisuellen Vertrieb finden kann, die das
öffentliche Interesse und die Interessen der Künstler, Urheber und Musiker
angemessen
berücksichtigen;
•
Maßnahmen zur Lösungsfindung, wie Verbraucher die privaten
Nutzungsrechte wirksam
wahrnehmen können und um zu gewährleisten, dass Verwender von DRMs das legitime
Interesse der Verbraucher bezüglich
ihrer Selbständigkeit und Privatsphäre achten;
•
Mechanismen, um zu gewährleisten, dass TPMs (Trusted-Platform-Module)
und DRMs, die
aus dem Urheberrecht ausgeklammerte
oder nicht darunter fallende Nutzungsarten
einschränken, keinen Rechtsschutz genießen;
•
Eine Überprüfung des EU-Gesetzesrahmens für den Konsumentenschutz und
das geistige
Eigentum mit Bezug auf die 6 Konsumentenrechtsforderungen, die in dieser
Deklaration
genannt werden.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der
Nationalrat wolle beschließen:
Entschließung:
Der Nationalrat hat beschlossen:
Die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung werden
aufgefordert, in den zuständigen
EU-Gremien darauf hinzuwirken, dass
diese sechs zentralen digitalen Rechte der
KonsumentInnen umgesetzt bzw. in der europäischen Gesetzgebung berücksichtigt
werden.
Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss