824/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 26.04.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Johann Maier            

und GenossInnen

betreffend Hochsicherheitspässe: Für ein EU-weit einheitliches und umfassendes
Datenschutz- und IT-Sicherheitskonzept - Initiative der Österreichischen EU-
Ratspräsidentschaft

Der österreichische Nationalrat hat am 01.03.2006 mehrheitlich die Novelle zum Passgesetz
beschlossen, mit der nun auch biometrische Passdaten auf einem Funkchip (RFID-Chip)
gespeichert werden können. Damit wurde die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 umgesetzt.
Die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische
Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (EG-PassVO)
trat bereits am 18. Jänner 2005 in Kraft. Sie legt als unmittelbar verbindliches Recht für alle
EU-Bürger fest, dass in den Reisepässen der EU-Mitgliedstaaten zwei biometrische
Datensätze elektronisch gespeichert werden. In neuen Pässen muss 18 Monate nach der
Festlegung der technischen Formate (die im Februar 2005 erfolgt ist) ein Datensatz über das
Bild des Gesichts und 36 Monate nach diesem Zeitpunkt ein Datensatz über die
Fingerabdrücke enthalten sein, obwohl sich das Europäische Parlament gegen den digitalen
Fingerabdruck ausgesprochen hat. Die Art. 29 Datenschutzgruppe wurde trotz der Forderung
des Europäischen Parlaments (EP) in das Verfahren der technischen Normierung durch den
Rat nicht einbezogen. Diese Normierung obliegt in Zukunft dem privaten internationalen
Verein ICAO.

Durch die vorgenommene Novelle zum Passgesetz wird in Österreich u.a. konkret die
Speicherung eines digitalen Bildes des Passinhabers als primäres biometrisches Merkmal
verpflichtend vorgeschrieben. Neben dem Lichtbild ist nach der VO (EG) Nr. 2252/2004 auch
der Fingerabdruck des Passinhabers als zweites biometrisches Merkmal (ca. ab 2008)
vorgesehen. Diese beiden biometrischen Daten sind auf einem im Pass eingeprägten
Mikrochip (RFID) zu speichern.

Verfassungsrechtlich problematisch in dieser EU-Verordnung ist aber die dynamische
Verweisung auf die technischen Sicherheitsstandards der ICAO (z.B. Richtlinien,
Empfehlungen etc.). Die Mitgliedsstaaten der EU sind durch die EU-VO verpflichtet, die


entsprechenden Vorgaben der ICAO einzuhalten. Da es dabei auch um die Art der
Speicherung, des Zugriffsschutzes und der Verschlüsselung geht, wird in verfassungsrechtlich
gewährleistete Grundrechte eingegriffen, ohne dass es eine parlamentarische Kontrolle gibt.
Zu beachten ist ferner, dass es sich dabei um eine international tätige Organisation handelt,
die maßgeblich unter dem Druck außereuropäischer Staaten steht (z.B. USA).

Die Entscheidung für die zwei biometrischen Merkmale wurde durch den Europäischen Rat
(RegierungsVertreter) getroffen - und zwar entgegen der Stellungnahme des EP. Das EP hat
sich u. a. ausdrücklich gegen den Fingerabdruck als zweites biometrisches Merkmal
ausgesprochen. Die Mehrzahl der nationalen Parlamente in den EU-Mitgliedsstaaten wurden
vor dieser Entscheidung mit den Themen Hochsicherheitspässe und Biometrie nicht befasst;
weder Chancen noch Risiken, weder Aufwand noch Kosten waren vor der EU-
Beschlussfassung auf den nationalen Ebenen Gegenstand ausführlicher Diskussionen.

Begründet wurde und wird die Einführung von Biometrie und biometrischen Verfahren in
Pässen durch die EU-Kommission und die nationalen Regierungsvertreter mit
Terrorismusbekämpfung, Dokumentenmissbrauch und vielen Sicherheitsargumenten. In
Wirklichkeit kommen diese Vorgaben von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation
ICAO. Diese Regelungen dienen aber ausschließlich der Beschleunigung der Grenzkontrollen
bei der Aus- bzw. Einreise und der Check-in Verfahren, nicht aber einer Erhöhung der
Sicherheit bzw. der Terrorismusbekämpfung. Die MRZ-Zeile im Pass kann übrigens jederzeit
über das Internet berechnet werden (ICAO 9303).

Daher wurde in einem SP-Entschließungsantrag im Nationalrat im Jahr 2005 auch ein
Moratorium eingefordert sowie eine Kosten- und Nutzenstudie (EA 598/A(E)). Dieser EA
wurde Ende 2005 im Nationalrat von allen Fraktionen einstimmig angenommen. Die in
diesem Antrag verlangte Studie wurde vom BMI in Auftrag gegeben und wird zur Zeit im
Fraunhofer-Institut erarbeitet. Auf EU-Ebene wird am Forschungsprojekt „Biometrie
Identification Technology Ethics"
gearbeitet (Fertigstellung Juni 2006).

Die Frage, ob die in den Pässen standardmäßig eingesetzte RFID-Technik dazu führen kann,
dass jedes handelsübliche 13-MHz-Lesegerät die biometrischen Merkmale auslesen kann, hat
beispielsweise in Deutschland zum öffentlichen Start von OpenMRTD geführt. Ziel des von
Harald Weite ins Leben gerufenen Open Source-Projekte ist die Erstellung eines Toolsets,


mit dem die Daten von biometrischen Pässen gelesen und untersucht werden können. Im
digitalen Zeitalter sollen nämlich aus dessen Sicht auch die Bürger ein Mittel zur Hand haben,
mit dem sie die digitalen Inhalte lesen können, genau wie sie die analogen (gedruckten)
Inhalte lesen können. Insbesondere sollte es damit möglich sein, die digitale Signatur zu
überprüfen und damit festzustellen, ob der Pass tatsächlich korrekt ausgestellt wurde.

Das vom Bundesministerium für Inneres und der Österreichischen Staatsdruckerei
vorgestellte Sicherheitskonzept für die österreichischen Hochsicherheitspässe wurde vom
Datenschutzrat ausführlich diskutiert, begutachtet und für tauglich erachtet; gleichzeitig
wurde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Sicherheitskonzept durch das
Bundesministerium für Inneres laufend zu überprüfen ist.

Trotz dieser gültigen EU-Verordnung sind auf europäischer Ebene viele Fragen zur
Anwendung von Biometrie und über biometrische Verfahren offen geblieben und
gesellschaftspolitisch in ihrer Tragweite keinesfalls ausdiskutiert worden. Darauf wurde
beispielsweise auch bei der Internationalen Konferenz der Datenschutzbeauftragten in
Montreux sehr klar hingewiesen (September 2005). Nach der EMRK und dem
österreichischen Verfassungsrecht absolut bedenklich und abzulehnen wäre überdies
eine unkontrollierte Verwendung biometrischer Passdaten durch viele Behörden wie
auch durch private Unternehmen.

Zu berücksichtigen ist, dass im Privatsektor zunehmend biometrische Daten verarbeitet
werden, oft auch auf freiwilliger Basis (z.B. Zutrittskontrolle). Biometrische Daten können
aber auch gesammelt werden, ohne dass die betroffene Person Kenntnis davon erhält, da
Personen biometrische Spuren unbewusst hinterlassen können. Die Biometrie macht den
menschlichen Körper „maschinenlesbar", womit biometrische Daten als weltweit einheitlicher
Indikator benutzt werden könnten. Die verbreitete Verwendung der Biometrie wird nicht nur
weitreichende Folgen für die Privatsphäre und Grundrechte haben, sondern für die
Weltgesellschaft insgesamt. Notwendig sind daher - neben absoluter Transparenz - wirksame
Schutzmaßnahmen, die zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Anwendung finden sollen, damit
die der Biometrie inhärenten Risiken vermindert werden (z.B. Eingriff in die Privatsphäre;
Identitätsdiebstahl). Neben den technischen Sicherheitsstandards sind abschreckende
Strafbestimmungen vorzusehen, aber auch die Möglichkeit von zivilrechtlichen Ansprüchen
sowie Staatshaftungsansprüchen.


Europaweit gibt es zur Zeit noch immer kein harmonisiertes und umfassendes Datenschutz-
und IT-Konzept
für die so genannten Hochsicherheitspässe, die Biometrieanwendung bzw.
die bei Kontrollen verwendeten biometrische Verfahren. Es fehlt ein harmonisiertes
technisches Sicherheitskonzept zum Schutz der im RFID-Chip gespeicherten biometrischen
Daten der Passinhaber (Mindestanforderungen für biometriegestützte Pässe zur Verhinderung
des Missbrauchs). Dies wurde 2005 auch durch das Europäische Parlament (EP) bestätigt.
Dass es noch enorme ungelöste technische Probleme gibt, bewies im Jänner 2006 ein Test in
den Niederlanden. Laut dem Bericht eines TV-Senders gelang es Hackern, ohne Probleme
die Daten vom Funkchip des Dokuments auszulesen und rasch zu entschlüsseln. Name,
Geburtsdatum und weitere persönliche Daten konnten auf diese Weise bei dem „Trockentest"
ermittelt werden. Die Schwachstellen müssen aus Behördensicht nun erst ausgelotet werden.

Die Passkontrollen werden an den EU-Grenzkontrollstellen (Ein- und Ausreise) bzw.
Flughäfen aufgrund fehlender einheitlicher Kontroll- und Sicherheitsstandards bzw.
biometrischer Verfahren in den EU-Mitgliedsstaaten äußerst unterschiedlich durchgeführt.
Zum Teil werden bei der Kontrolle die im Chip gespeicherten biometrischen Passdaten mit
denen der einreisenden Person (Kamerabild) verglichen, möglicherweise auch gespeichert
und dann weiter verarbeitet.

Die Echtheit aller Daten des Einreisenden wird bei österreichischen Grenzkontrollen (Einreise
oder Ausreise) nicht überprüft bzw. festgestellt. Österreich verwendet kein biometrisches
Verfahren: Es wird nur die Authentizität (Echtheit) des Dokuments geprüft (Art. 4 Abs 3
VO). Die digitalen Bilddaten werden mit dem aufgedruckten und verschweißten Bild des
Passes verglichen.

Anders beispielsweise die Situation in Deutschland: Das auf dem Chip gespeicherte
Passbild soll bei der Einreise analysiert und mit dem aktuellen Kamerabild verglichen werden.
Liegt der Vergleich innerhalb einer bestimmten Toleranz gilt es als sicher, dass der Reisende
mit dem Passinhaber identisch ist. Diese Gesichtserkennung ist aber nicht unproblematisch
(Lichtverhältnisse, Mimik, Gesichtszüge, Haaransatz etc.).

Ein Problem liegt beispielsweise bei Menschen mit asymmetrischen Gesichtern (z.B. schiefe
Nase) und Kindern. Daher müssen deutsche Passinhaber auch eine sog. Lichtbilderklärung
unterfertigen, um mögliche Schadenersatzansprüche auszuschließen.


„Hiermit bestätige ich, dass ich von der Ausweisbehörde über die Qualität/Beschaffenheit

meines vorgelegten Lichtbildes belehrt wurde.

Ich bestehe auf Annahme dieses Lichtbildes durch die Passbehörde.

Entstehende Schadenersatzansprüche, wegen Abweisung an einer Landesgrenze oder auf
Grund polizeilicher Identitätsvorstellungen, kann ich gegenüber der Passbehörde nicht
geltend machen. Die Kosten für einen neuen Ausweis habe ich voll zu tragen. "

Diese Situation erklärt auch die unterschiedliche rechtspolitische Diskussion in den EU-
Mitgliedsstaaten zur Biometrie in Pässen insbesondere, was Fragen des Datenschutzes
und der Datensicherheit betrifft.

Es gibt weltweit noch kein biometrisches Verfahren, das eine 100%ige Identifikation zulässt,
die Zuverlässigkeit dieser Systeme und Verfahren ist noch gering.

Hochsicherheitspässe mit einem oder mehreren biometrischen Merkmalen führen somit nicht
automatisch zu einer Verbesserung der Sicherheit (Konferenz der deutschen
Datenschutzbeauftragten im Juni 2005). Tests haben bewiesen, dass biometrische
Identifikationsverfahren einerseits hohe Falscherkennungsraten aufweisen und andererseits oft
mit einfachsten Mitteln zu überlisten sind. Diese Hochsicherheitspässe werden
möglicherweise durch die derzeit noch unsicheren und verwendeten biometrischen
Verfahren in einigen EU-Mitgliedsstaaten zum wirklichen Sicherheitsrisiko!

Kurz vor der geplanten Einführung von neuen Reisepässen mit individuellen biometrischen
Merkmalen im November des Jahres 2005 kam eine Studie des deutschen Bundesamtes für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu wenig erfreulichen Ergebnissen: Drei
Erfassungstechniken biometrischer Merkmale zeigten in drei bis 23 Prozent aller Fälle
fehlerhafte Ergebnisse. Das Bundesamt bemängelt das Fehlen von Großversuchen und
sah noch erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Auch der Beschluss der deutschen Datenschutzbeauftragten im Jahr 2005 zeigte
deutlich die bestehenden Sicherheitsdefizite bei Hochsicherheitspässen auf.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder forderte eine
objektive Bewertung von biometrischen Verfahren und trat dafür ein, die Ergebnisse
entsprechender Untersuchungen und Pilotprojekte zu veröffentlichen und die Erkenntnisse mit
der Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit zu diskutieren. Eingefordert wurden überdies


rechtliche, organisatorische und technische Maßnahmen.

Auch im Memorandum der Europäischen Datenschützer in Montreux (30.09.2005) wird
auf nicht gelöste Probleme hingewiesen.

The Commission decision of 28 February 2005 is not appropriate to safe the rights of the
Citizens, since the contact between the RFID-chip and the reader is able to eavesdropped and
the Information can be skimmed.
"

Als österreichische Initiative der EU-Ratspräsidentschaft sollte ein harmonisiertes und
umfassendes Datenschutz- und IT-Sicherheitskonzept für die An- und Verwendung von
biometrischen Daten in Hochsicherheitspässen sowie die bei Kontrollen angewandten
biometrischen Verfahren vorgeschlagen und in den EU-Gremien vertreten werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die jeweils zuständigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung werden
aufgefordert, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs in den jeweils zuständigen
EU-Gremien und Ministerräten Initiativen dahingehend zu setzen, dass

                     in der Europäischen Union die biometrischen Merkmale (Daten) ausschließlich von
den für die Passkontrollen zuständigen Behörden für hoheitliche Zwecke genutzt
werden,

                     der Zugriff für Private auf diese biometrischen Daten (Passdaten) generell
ausgeschlossen wird,

                     biometrische Daten, die auf der Grundlage gesetzlicher Verpflichtungen zu
öffentlichen Zwecken (siehe Passgesetz) gespeichert werden, und solchen, die mit
ausdrücklicher Einwilligung von Personen zu Vertragszwecken gesammelt und
gespeichert werden, strikt getrennt bleiben,

                     die in Ausweisen gespeicherten Daten mit biometrischen Daten nicht als
Referenzdaten genutzt werden, um Daten aus unterschiedlichen Systemen und
Kontexten zusammenzuführen,


                     keine zentralen oder vernetzten Biometriedatenbanken geschaffen werden und die
biometrischen Identifizierungsdaten ausschließlich nur auf dem jeweiligen
Ausweisdokument gespeichert werden dürfen,

                     keine europäische Passdatei mit biometrischen Daten der EU-Bürgerinnen angelegt
wird,

                     die Verwendung biometrischer Daten in Pässen auf den Zweck der Identifizierung
durch Vergleich der Daten des Dokuments mit Daten des Dokumentinhabers im
Moment der Dokumentvorlage technisch beschränkt wird,

                     die maschinelle Auslesung von biometrischen Daten auf Pässen nur an den EU-
Grenzkontrollstellen und Flughäfen bzw. Häfen erfolgt,

                     die für die Ausstellung und das Auslesen von biometrischen Merkmalen verwendeten
Lesegeräte nach internationalen Standards von einer unabhängigen Stelle zertifiziert
und diese in regelmäßigen zeitlichen Intervallen durch eine zentrale Einrichtung
authentisiert werden,

                     harmonisierte Verfahren in der EU festgelegt werden, die einen Datenmissbrauch
beim Auslesen von biometrischen Daten verhindern und diese Verfahrensfestlegung
durch eine unabhängige Stelle regelmäßig evaluiert wird,

                     Passlesegeräte bei den nationalen Ausgabestellen (d.s. Passbehörden) kostenfrei
aufgestellt werden, damit jeder Bürger überprüfen kann welche Daten auf dem Chip
gespeichert sind und

                     Schadenersatzregelungen bzw. Amtshaftungsregeln für den Fall der
Nichtidentifikation bzw. NichtVerifikation (Biometrie funktioniert nicht) und damit
verbundener Schäden festgelegt sowie

                     abschreckende Strafbestimmungen für das illegale Auslesen, Verarbeiten, Verwenden
oder für die rechtswidrige Übermittlung und Verwertung von biometrischen Daten
normiert werden (Umgehung der IT-Sicherheitstechnik bzw. der Verschlüsselung).
Dies gilt insbesondere für den Fall des Identitätsdiebstahles.    

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für innere Angelegenheiten